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Brennpunkt: Anbauen und den Urwald schonen

Die 63-jährige Julia Flores Guari kann schon bald einen Teil ihrer Ernte verkaufen.

Julia wohnt mit ihrer Familie im Amazonasgebiet im Norden Boliviens.

Neue Anbaumethoden verbessern das Mikroklima

Seit 30 Jahren ist Julia Flores Guari Bäuerin im bolivianischen Amazonasgebiet. Früher hat sie traditionelle Landwirtschaft betrieben und konnte damit ihre Familie knapp ernähren. Dank neuer Anbaumethoden hat sie nun mehr Ertrag und muss den Wald nicht mehr abholzen.

Mit 63 Jahren hat Julia Flores Guari schon viel erlebt. Sie zog acht Kinder gross, kümmert sich heute um zwei ihrer Enkelkinder und ist Bäuerin im Amazonasgebiet im Norden Boliviens. Zum

«Dank unserem neuen Wissen können wir den Regenwald bewahren.»

Eigengebrauch baut sie Mais, Yuka und Kochbananen an. An sich hat sie das die letzten 35 Jahre immer so gemacht. Doch 2010 hat sich für Julia alles geändert. Da kam die Organisation CIPCA, eine Partnerorganisation von Caritas, in ihr Dorf Deslinde im Amazonas-Regenwald.

Sie hatten Saatgut, Jungpflanzen, Ratschläge sowie ganz neue Anbaumethoden im Gepäck. Sie warben für die sogenannte Agroforstwirtschaft. Dabei werden mehrjährige grosse Bäume wie Palmengewächse und kleine einjährige landwirtschaftliche Nutzpflanzen auf derselben Fläche angebaut. Die schnellwachsenden Stauden geben den sensiblen Setzlingen Schatten, bis sie selbst stark genug sind, der sengenden Sonne im Amazonasgebiet zu trotzen. Mit dieser Methode bekommt man, so CIPCA, mehr Erträge und muss dafür keinen Regenwald mehr brandroden. Ein doppelter Erfolg.

Weniger Wasser verdunstet

Julia und ihr inzwischen verstorbener Mann waren von den Ideen der nachhaltigen Landwirtschaft fasziniert. «Das

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klang für uns zwar absolut unwahrscheinlich und doch wollten wir es ausprobieren», erinnert sich Julia. Auch, weil sich im Amazonasgebiet «das Wetter verändert hat». Früher seien die Trocken- und Regenzeit im Grossen und Ganzen immer gleich gewesen und die Bauern haben sich danach gerichtet: Bevor der Regen kam, säten sie und ernteten danach. «Aber dieses Gleichgewicht ist aus den Fugen geraten.» Heute seien die

Trockenperioden länger und wenn es regnet, dann oft viel heftiger. Die Sonne ist stärker und es ist heisser, sagt Julia. «Arbeiten kann ich nur noch am Morgen, zwischen 6 und 9 Uhr, nachher geht es fast nicht mehr.» Die neuartigen Anbaumethoden der Agroforstwirtschaft ermöglichen

«Für jeden abgeholzten Baum müssen wir einen neuen pflanzen.»

es, längere Trockenzeiten besser zu überstehen, weil sich im Schutz der Bäume das Mikroklima auf dem Feld verbessert und weniger Wasser verdunstet. Zudem sind die Bäume ein guter Erosionsschutz.

Julia wohnt mit zwei ihrer Enkelinnen in einem schlichten Haus mitten im Urwald. Durch die Holzritzen der Häuserwand sieht man den Himmel. Alles ist einfach aber feinsäuberlich eingerichtet. Im Wohnzimmer hängen mehrere Fotos ihres Ehemanns, der vor fünf Jahren gestorben ist. Sie vermisst ihn sehr. Wenn sie besonders traurig ist, nimmt sie die abgegriffenen Fotoalben heraus und lässt Revue passieren, was sie gemeinsam erlebt haben. Das gibt Julia Kraft, macht ihr Mut, weiter den eingeschlagenen Weg zu gehen.

Julias Botschaft für die kommenden Generationen

Durch die regelmässigen Schulungen von CIPCA erkannte Julia, wie gefährlich Brandrodungen sind. Kleine Brände bergen die Gefahr, ausser Kontrolle zu geraten und in grosse Waldbrände auszuarten. Dank der neuen Anbaumethoden muss Julia nicht mehr brandroden – und sie wurde aktives Mitglied der lokalen Feuerwehr. CIPCA hat sie dafür ausgerüstet. Sie ist stolz, Teil dieser Einheit zu sein, um ihre Lebensgrundlage, den Regenwald im Amazonasgebiet zu schützen.

CIPCA, der Partner von Caritas Schweiz, ist bis heute in Deslinde tätig und berät die Bäuerinnen und Bauern.

Der Mitarbeiter der Caritas-Partnerorganisation CIPCA erklärt Julia, worauf sie beim Kakao-Anbau besonders achten muss.

Julia Flores Guari verarbeitet den Kakao zu einer Paste.

Davon ist die 63-Jährige beeindruckt. «Viele Organisationen kommen und gehen. Aber CIPCA ist geblieben. Sie sind für uns da. Die Regierung nicht.» Zwischen Julia und den Projektverantwortlichen ist über die Jahre eine freundschaftliche Beziehung gewachsen, die weit über das Fachliche hinausgeht.

Durch die Anregung von CIPCA, die Anbaumethoden umzustellen, hat sich Julias Leben stark verändert. «Ich kann heute nicht nur für mich und meine Familie sorgen, sondern sogar einige der Erzeugnisse verkaufen», erzählt sie. Dadurch hat sie mehr Geld für Essen und notwendige Arztbesuche. Sie wünscht sich, auch ihr Mann hätte diese Veränderungen noch miterlebt. Aus ihrer reichen Erfahrung als Bäuerin hat Julia Flores Guari eine Botschaft für die kommenden Generationen: «Für jeden abgeholzten Baum müssen wir einen neuen pflanzen. Dank unserem neuen Wissen können wir den Regenwald bewahren.» (ll)

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