Panorama
Der Landbote Donnerstag, 24. Juli 2014
Der fünfte See: Die Fahrt von der Provinzhauptstadt Lleida aus flussaufwärts führt erst an vier Stauseen vorbei. Wer danach noch fünf Tage wandert, erreicht hier den Montcortés-See, weitab von jeder Zivilisation.
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Bilder Peter Granwehr
Der Teufel war auch in Katalonien
la pobla Wer in einem Alpenland lebt, mag sich zweimal fragen, wieso er in die katalanischen Pyrenäen zum Wandern reisen soll. Vor Ort zeigt sich, dass sich die Landschaft stark von unserer unterscheidet. Dafür erinnert anderes an die Schweiz. Das Städtchen La Pobla de Segur in den katalanischen Vorpyrenäen ist nicht der Nabel der Welt. Aber Mittelpunkt einer spannenden Geschichte, deren Verästelungen bis in die Schweiz reichen. Aus dem 3000-Einwohner-Ort stammen überdies zwei Berühmtheiten: Josep Borrell, Präsident des Europäischen Parlaments von 2004 bis 2007, sowie Carles Puyol, Mannschaftskapitän des FC Barcelona von 2004 bis 2014 und einer der Schlüsselspieler der spanischen Nationalmannschaft, die 2010 Weltmeister wurde. Im Übrigen aber macht La Pobla einen ziemlich beschaulichen Eindruck. Das muss schon im 19.
In Winterthur aufgewachsen, heute in Pobla tätig: Núria Martí.
Jahrhundert so gewesen sein, doch vor genau 100 Jahren begann plötzlich die Zukunft: 1914 erhielt der damals 1500 Einwohner zählende Ort als Erster in ganz Spanien Elektrizität. Gewonnen aus der Wasserkraft des Flusses Noguera Pallaresa, auf dem bisher Baumstämme ins Unterland nach Lleida geflösst worden waren. Damit war es nun vorbei, weil der Wasserlauf insgesamt viermal gestaut wurde. Das Gebiet wurde zu einem wichtigen Stromproduzenten für die 200 Kilometer entfernte katalanische Hauptstadt Barcelona.
Lokomotiven aus Winterthur Dafür wurde später von der Provinzhauptstadt Lleida aus eine Bahnlinie bis nach Pobla del Segur gebaut; die Lokomotiven stammten von der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur. Geplant war die Weiterführung durch die Pyrenäen nach Frankreich, doch Weltwirtschaftskrise und Weltkrieg stoppten das Projekt. La Pobla aber profitierte von dieser Erschliessung, was sich in der Steigerung der Einwohnerzahl auf 2500 bis 1940 spiegelte. Mittlerweile spielt die Bahn im Personenverkehr nur noch eine marginale Rolle. Einmal pro Tag fährt ein Zug von Lleida nach Pobla und zurück. Hinzu kommt, dass die Lokomotive am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt ist, wie Núria Martí besorgt erzählt. Es sei geplant, zwei Zug-
schen Gründen wichtig ist. Denn wer von Lleida nach Pobla fährt, passiert vier Stauseen. Darauf basiert das Angebot «El Cinquè Llac» (Der fünfte See): Eine fünftägige Wanderung, die zu diesem fünften See namens Montcortés (Bild oben) führt. Nur einmal kann man ihn unterwegs zu Gesicht bekommen: Am zweiten Tag auf einem Bergkamm 1600 Meter über Meer. Weit unten erspäht man eine kleine Wasserfläche. Am fünften Tag ist es dann plötzlich so weit – am Ende eines tunnelartigen Pfads unter Bäumen erreicht man eine offene Wiese, an deren Ende sich das von Schilf umgebene Gewässer präsentiert.
Die Teufelsbrücke steht noch, Dorf und Kloster dazu liegen in Ruinen.
kompositionen in der Schweiz zu kaufen, falls das Geld reiche. Die Tourismusfachfrau aus Pobla, die in Wald ZH geboren wurde, erwähnt dabei die SLM in Winterthur. Dort arbeitete ihr Vater ab den 1960er-Jahren, die Mutter in der Maggi in Kemptthal. Gewohnt habe die Familie an der Schützenstrasse 44. Ihr Vater habe in Winterthur den katalanischen Verein Casa nostra präsidiert.
El Cinquè Llac: See als Ziel Seit kurzem kann Núria Martí aufatmen: Zwar nicht die SLM (die nicht mehr existiert), dafür aber Stadler Rail hat den Auftrag erhalten, zwei Thurbo-ähnliche Gelenktriebwagen bis Frühling 2016 zu liefern, wie Firmensprecher Tim Büchele bestätigt. Der Erhalt der Bahnstrecke ist damit gesichert, was auch aus touristi-
Abwechslungsreiche Tour El Cinquè Llac kann man als typische Mittelgebirgswanderung charakterisieren. Man bewegt sich zwischen 500 und 1600 Metern über Meer – nicht stetig nach oben oder unten, sondern auf den meisten Etappen im Wechsel. Entsprechend abwechslungsreich sind die Eindrücke und Ausblicke in die stark gekammerte Topografie, die sich nur schlecht einprägen lässt. Am Ende der fünf Tage sind in beiden Richtungen je knapp 6500 Höhenmeter absolviert, verteilt auf eine Gesamtdistanz von 105 Kilometern. Je nach Fitness ist mit vier bis acht Stunden Wanderzeit täglich zu rechnen. Der Rundweg, der in Pobla beginnt und endet, wurde 2012 von einem Verein eröffnet, der sich um den Unterhalt kümmert. Von März bis November sei die Wanderung problemlos möglich, ausser allenfalls im August wegen der Hitze, sagen die Mitglieder, die sich auch als Tourenführer
(falls gewünscht) und Gastgeber betätigen. Denn Unterkünfte sind nicht im Überfluss vorhanden in dieser Gegend nördlich von Pobla, in der man immer wieder auf verlassene Dörfer mit zerfallenden Häusern stösst. Die fünf Etappen sind darum fest vorgegeben und enden je in einer Ortschaft mit einem – durchwegs renovierten und zeitgemäss ausgestatteten – Gasthof. Es sind dies (siehe Karte) Peramea (1) mit der Casa Parramon, Beranui (2) mit der Casa Macianet, Les Esglésies (3) mit der Casa Batlle sowie Senterada (4) mit der Casa Leonardo. Zurück in La Pobla de Segur übernachtet man in der Casa Fasersia oder in der Casa Churchill im nahen Claverol mit herrlicher Aussicht auf das
Tal. Zum Arrangement gehören stets das Nachtessen, ein Lunchpaket für den folgenden Tag, der Gepäcktransport in die nächste Unterkunft sowie eine ausführliche Wanderdokumentation.
Erinnerung an die Schöllenen Inbegriffen ist auch eine Erinnerung an die Urschweiz. Bei Kilometer 46, kurz nach den Ruinen eines Klosters aus dem 9. Jahrhundert, erreicht man den Pont del Diable: eine Brücke über eine Schlucht, die das Kloster mit dem nahen, heute verfallenen Dorf verband und im 11. Jahrhundert vom Teufel erbaut worden war. Sie war wohl sein Gesellenstück, bevor er 200 Jahre später die Brücke über die Schöllenenschlucht errichtete. Peter Granwehr
WAnDerung in Den kATALAniSchen Pyrenäen
La Pobla de Segur und die dortigen Vorpyrenäen erreicht man mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Barcelona aus per Hochgeschwindigkeitszug AVE in Richtung Bilbao oder Irun (7.30 Uhr ab) oder in Richtung Madrid (8.00 Uhr ab), die beide in Lleida Pirineus halten. Von dort aus fährt täglich um 9.10 Uhr der Tren dels Llacs in knapp zwei Stunden nach La Pobla de Segur. Die vorliegende Reiseseite basiert auf einer von Katalonien Tourismus organisierten Pressereise. gr La Pobla de Segur, Ausgangspunkt für Wanderungen in den Pyrenäen.
www.elcinquellac.com
Barcelona – hier die stillgelegte und in ein Einkaufszentrum verwandelte Stierkampfarena – entwickelte sich dank Strom aus dem Tal von Pobla.