Leiris & Co. Picasso, Masson, Miró, Giacometti, Lam, Bacon…

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PRE PRESSEMAPPE

LEIRIS & CO. PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON...

03.04 > 14.09.15 centrepompidou-metz.fr


INHALT 1. DIE AUSSTELLUNG IM ÜBERBLICK ...................................................... 2 2. DER AUSSTELLUNGSPARCOURS ......................................................... 4 3. MICHEL LEIRIS: BIOGRAFISCHE ECKPUNKTE ....................................... 10 4. DIE AUSGESTELLTEN KÜNSTLER ........................................................ 13 5. BILDMATERIAL FÜR DIE PRESSE........................................................ 14

PRESSEKONTAKT Noémie Gotti Kommunikation und Presse Tel.: + 33 (0)3 87 15 39 63 E-Mail: noemie.gotti@centrepompidou-metz.fr Claudine Colin Communication Diane Junqua Tél : + 33 (0)1 42 72 60 01 Mél : centrepompidoumetz@claudinecolin.com

Titel: Francis Bacon, Porträt Michel Leiris, 1976, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris © The Estate of Francis Bacon / All rights reserved / ADAGP, Paris 2014 © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Bertrand Prévost

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1. DIE AUSSTELLUNG IM ÜBERBLICK LEIRIS & CO PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON... 03.04 > 14.09.15 GALERIE 3 Michel Leiris (1901-1990) gilt als einer der bedeutendsten französischen Intellektuellen der 20. Jahrhunderts. Er war gleichzeitig Dichter, autobiografischer Schriftsteller, Ethnologe von Beruf und intimer Freund der größten Maler seiner Zeit. Das Centre Pompidou-Metz widmet dieser herausragenden Persönlichkeit, deren Leben ganz im Zeichen der großen Fragen und Ideale ihrer Zeit stand, nun erstmals eine umfangreiche Ausstellung am Schnittpunkt von Kunst, Literatur und Ethnografie. Bei der Ausstellung werden rund 350 Werke zu sehen sein, darunter zahlreiche Meisterwerke von Künstlern, die ihm nahestanden, etwa Joan Miró, André Masson, Alberto Giacometti, Pablo Picasso, Wifredo Lam und Francis Bacon, sowie Objekte und Kunstwerke aus Afrika und von den Antillen und ein umfangreicher Korpus an Archivmaterial und Originaldokumenten (Manuskripte, Bücher, Filme, Musik). Ziel der Ausstellung ist es nicht nur, die zahlreichen Facetten der Persönlichkeit Michel Leiris, seiner Leidenschaften und Neigungen in den Blick zu nehmen, sondern auch den innovativen Charakter seines Werkes und die Aktualität seines Denkens in den Fokus zu rücken: Im Kontext von Globalisierung und postkolonialen Studien gilt Leiris heute als eine der bedeutendsten Referenzen überhaupt. Sein Denken wird von Kindheit an durch Raymond Roussel geprägt. Nachdem er sich zunächst im Dunstkreis der Surrealisten bewegt, entfernt er sich später von der Bewegung und wird für die abtrünnige Zeitschrift Documents rund um Georges Bataille aktiv. Seine Identitätssuche führt ihn in die Ferne, weckt in ihm die Sehnsucht nach dem Andersartigen. Er nimmt als Archivar an der ersten französischen ethnografischen Exkursion in Afrika, der „Mission Dakar-Djibouti“ (1931–1933), teil, wo er sich mit den Methoden der Ethnografie vertraut macht. Auf dieser Reise verfasst er sein Buch L’Afrique fantôme [auf Deutsch erschienen unter dem Titel Phantom Afrika], das gleichzeitig ethnologisches Logbuch und persönliches Journal ist. Nach dem Krieg bereist er gemeinsam mit Alfred Metraux die Antillen, wo der Schweizer Anthropologe ihn erstmals mit dem Voodookult bekannt macht. Weiterhin begeistert Leiris sich nicht nur für den Stierkampf, sondern ebenso für Jazz, Oper und Theater, die er als „Territorien der Wahrheit“ betrachtet. Nach seiner beruflichen Etablierung als Ethnograf gibt er als Afrikanist am Musée de l’Homme den Anstoß für das erste Werk über bildende Kunst in Schwarzafrika [Création plastique de l’Afrique noire]. Sein literarisches Werk macht ihn zu einem der innovativsten Autoren des vergangenen Jahrhunderts: Als Verfasser des Romans L’Âge d’homme [auf Deutsch erschienen unter dem Titel Mannesalter] und des vierbändigen Werkes La Règle du Jeu [auf Deutsch Die Spielregel] revolutionierte Leiris das Genre der Autobiografie. Als experimentierfreudiger Dichter und leidenschaftlicher Sprachakrobat fordert er auch für die Literatur eine Ästhetik des Risikos (in seinem Essay „De la littérature considérée comme une tauromachie“, dt. „Literatur als Stierkampf“). Antikolonialist und Antirassist der ersten Stunde und streitbare öffentliche Figur, bleibt er dessen ungeachtet vor allem stets der einsame Schriftsteller. Michel Leiris lässt sich nicht einordnen: Er war eine ebenso vielschichtige wie widersprüchliche Persönlichkeit, deren Modernität sich heute deutlicher offenbart denn je.

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LEIRIS & CO. PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON... Anlässlich der Ausstellung erscheint ein gemeinsam von Centre Pompidou-Metz und Verlagshaus Gallimard herausgegebener Katalog. Voraussichtliches Erscheinungsdatum: April 2015. Am 10. und 11. September 2015 findet in Metz und Paris ein in Zusammenarbeit mit dem Musée du Quai Branly organisiertes Kolloquium statt. Die Ausstellung Michel Leiris ist ein Partnerprojekt mit der Bibliothèque littéraire Jacques Doucet. KuratorInnen: Agnès de la Beaumelle, ehemalige Chefkonservatorin, Centre Pompidou Marie-Laure Bernadac, ehemalige Generalkonservatorin, Musée du Louvre Denis Hollier, Professor für Literatur, französische Abteilung der New York University Wissenschaftliche Beratung: Jean Jamin, Anthropologe und Ethnologe, Direktor der sozialwissenschaftlichen Hochschule EHESS (École des hautes études en sciences sociales), verwaltet den literarischen Nachlass von Michel Leiris, Herausgeber seines bis dahin unveröffentlichten Tagebuches (Journal, Gallimard 1992)

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2. AUSSTELLUNGSPARCOURS Die Ausstellung gewährt einen neuen Blick auf Kunst und Denken des 20. Jahrhunderts. Dabei begegnet der Besucher Persönlichkeiten von Raymond Roussel bis Pablo Picasso und wird entführt nach Afrika, auf die Antillen, nach Spanien, Kuba und China. So entspinnen sich ganz neue, poetische Verbindungen zwischen Literatur und Malerei, Jazz und Oper, Trance und Stierkampf, Voodoo und äthiopischem Besessenheitskult. Im Verlaufe des Ausstellungsrundgangs, der chronologisch gestaltet und von thematischen Schwerpunkten durchkreuzt wird, treffen Sujets und Disziplinen auf aktuelle, von zeitgenössischen Künstlern (Mathieu K. Abonnenc, Jean-Michel Alberola, Kader Attia, Miquel Barceló, Marcel Miracle und Camille Henrot) verhandelte Fragenstellungen.

1. THEATER DER KINDHEIT Ce chaos miraculeux de l’enfance. [Jenes wundersame Chaos der Kindheit.] Michel Leiris „Fetische“, Spiele und Bücher aus Kindheit und Jugendjahren, „einschneidende“ (Bühnen)Schauspiele – tragische Opern, Filme (L’Homme à la tête en caoutchouc [Der Mann mit dem Kopf aus Kautschuk] von Georges Méliès) und populäre wie avantgardistische Theaterstücke (Parade und Petruschka) – haben die persönliche Mythologie Leiris‘ geprägt. Dieses bunt zusammengewürfelte Sammelsurium an Bildern und Objekten, das hier als erstes, für die Zukunft beispielhaftes Selbstporträt präsentiert wird, sollte von Leiris auf den Rang des „Heiligen“ erhoben werden und das Herzstück seiner autobiografischen Werke Mannesalter und Die Spielregel bilden. Die Magie des Alltäglichen, der Zauber von Abenteuer und Kunst – der Künstler als Gaukler –, das Gefallen am Exotischen: die typischen Gestalten der Sängerin Claire Friché und Raymond Roussels – der Reisende, der geheimnisvolle Schriftsteller, dessen Impressions d’Afrique [Eindrücke aus Afrika], die Leiris seinerzeit in den Bann ziehen, beherrschen diese ersten Jahre, die ganz im Zauber des Theaters stehen.

2. SURREALIST AM RANDE Lancer les dés des mots. [Die Würfel der Worte werfen.] Michel Leiris „Dichter sein“: So lautet das Projekt des seinerzeit von Max Jacob unterstützten jungen Leiris, und 1922 schreibt er nicht nur seine ersten literarischen Werke (Simulacre, Le Point cardinal, Aurora), sondern beginnt auch sein privates Journal. Aber auch ein Künstlerleben führen, und das im Austausch mit Malern, Schriftstellern und Musikern wie Georges Limbour, Roland Tual, Joan Miró, Juan Gris, Antonin Artaud, Robert Desnos oder Erik Satie, mit dem er in der Rue Blomet im Atelier von André Masson, seinem Mentor, und in Boulogne bei Daniel-Henry Kahnweiler, dem Galeristen der Kubisten, zusammentrifft. Seine Begeisterung für Esoterik, Alchimie und Mythisches, die durch Masson genährt wird, mit dem er seine Faszination für das Mineralische und zutiefst Menschliche teilt, lässt ihn nach dem Zauber von Abenteuer, Traum und Sprache streben. Die Herausforderung besteht für ihn – ebenso wie für Miró – in der Suche nach einer befreiten, vieldeutigen Sprache, mit deren poetischem, fantastischem Potenzial er sich in Glossaire, j’y serre mes gloses [Glossar. Die Glasrose] befasst.

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3. JAZZ Le jazz représente actuellement la vraie musique sacrée… pour ne pas dire la seule musique. [Jazz ist in der Tat die wahre heilige Musik … um nicht zu sagen die einzige Musik.] Michel Leiris Für Leiris sind Jazz, afroamerikanische Musik, und damit einhergehend Tanz und Trance Mittel zu Realitätsflucht, Grenzüberschreitung und gemeinschaftlichem Erleben und kommen damit seiner Faszination für Exotik, uneindeutige Primitivität, für entfesselte Erotik entgegen. Doch nicht nur der Mythos vom vielfarbigen Eden fasziniert Leiris, sondern auch sein Interesse für hybride Kunstwerke erwacht. In diesem Ausstellungsabschnitt werden Musikstücke (Duke Ellington) und Filmausschnitte (Hallelujah von King Vidor) zu hören und zu sehen sein, außerdem Fotografien und Dokumente von schwarzen Revues (der Blackbird Revue von 1929), für die er sich wie Georges Bataille und Georges Henri-Rivière, seine späteren Weggefährten bei der Zeitschrift Documents, begeisterte. Einen Kontrapunkt in dieser Sektion bilden Ausschnitte aus dem Film The Gay Divorcee [Tanz mit mir] mit Fred Astaire, der für Leiris der Inbegriff des tanzenden Künstlers war.

4. DOKUMENTE 1929 bricht Leiris mit dem Surrealismus. Wie Georges Bataille und Carl Einstein verfolgt er das Ziel einer anti-idealistischen Tabula rasa, wie sie in der Zeitschrift Documents in Gestalt des Formlosen zum Ausdruck kommt. Leiris trägt zur Kritik westlicher Werte bei, zur Abkehr vom Ästhetizismus zu Gunsten eines „gegenläufigen“ Humanismus. Seine „Waffen“ sind Worte wie „débâcle“ [Debakel], „crachat“ [Auswurf], „liquéfaction des formes“ [Verflüssigung der Formen], „méduses“ [Quallen] und „massacres“ [Massaker] und zornige Artikel (u.a. „L’homme et son intérieur“ [Der Mensch und sein Inneres], „Une peinture d’Antoine Caron“ [Ein Gemälde von Antoine Caron], „Le Caput Mortem“ [Der Caput Mortem]). In Documents erscheinen seine ersten – heute als Grundlagentexte geltenden – Kritiken über Miró, Picasso, Giacometti und Arp, deren Werke Leiris als „Dokumente“ über unsere „wilde Ahnenschaft“ betrachtet, zu der zurückzukehren er ebenso aufruft wie zu einem neuen Fetischismus. In seinem Essay „L’œil de l’ethnographe“ [dt. Titel „Das Auge des Ethnographen“], der stark durch Raymond Roussel beeinflusst ist, überlagern sich Kindheitserzählungen und anthropologische Sujets.

5. PHANTOM AFRIKA Briser le cercle d’habitudes où j’étais enfermé, rejeter mon corset mental d’Européen. [Mit den Gewohnheiten brechen, die mich umfangen hielten, das mentale Korsett des Europäers hinter mir lassen.] Michel Leiris

Leiris nimmt als Archivar an der Mission Dakar-Djibouti (1931–1933) teil. Diese erste große französische ethnografische Mission wird von Marcel Griaule geleitet und soll der Sammlung von Dokumenten über die kolonisierten „Negerkulturen“ gelten. Unter Anwendung wissenschaftlich belastbarer Forschungsmethoden verfasst Leiris L‘Afrique fantôme [Phantom Afrika], das gleichzeitig ethnologisches Logbuch und persönliches Journal ist. Desillusionierung angesichts des „Phantoms“ Afrika, Postulierung vollständiger Subjektivität: Seine Luzidität für die Zweideutigkeiten und Widersprüche der noch jungen Wissenschaft machen Leiris zum Vordenker seines Forschungsgebietes. Im Zentrum der Sektion stehen diese legendäre Exkursion und die daraus folgenden Erkenntnisse. Gezeigt werden die Arbeitsmaterialien des jungen Ethnografen (Reisetagebücher und Karteikarten, auf die Leiris als autobiografischer Autor wieder zurückgreifen sollte) sowie die Themenfelder, die den Dichter mit seiner Vorliebe für das Sakrale und bald auch den zukünftigen professionellen Ethnologen im Besonderen fesseln: Beschneidungsriten, Masken und Geheimsprachen vor allem bei den Dogon (La langue secrète chez les dogons de Sanga 5


LEIRIS & CO. PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON... [Die Geheimsprache bei den Dogon von Sanga], 1948) und Besessenheitszustände (Opferungen, Trancen) im äthiopischen Zarkult (La possession et ses aspects théâtraux chez les Ethiopiens de Gondar [Besessenheit und ihre theaterhaften Aspekte bei den Äthiopiern von Gondar], 1958).

6. MANNESALTER « S’exposer » : mettre à nu certaines obsessions d’ordre sentimental ou sexuel… [Sich entblößen: bestimmte Obsessionen sentimentaler oder sexueller Natur enthüllen …] Michel Leiris Schonungslose persönliche Bilanz unter dem schockierenden Anblick von Cranachs Diptychon Lucretia und Judith, das Leiris 1930 während einer Psychoanalyse entdeckt, ist Mannesalter, sein erstes autobiografisches Werk, konstruiert als Montage aus Kindheitserinnerungen und sexuellen Fantasien. Der Roman gilt als konstitutiv für eine Bekenntnisliteratur, deren kathartische Funktion Leiris reklamiert. Damit unterstreicht er die Macht des Schreibens: Er begreift die gewagte Entblößung seines Ichs als Akt, als „Augenblick der Wahrheit“, schön wie der Augenblick im Stierkampf, wenn die Hörner des Stiers den Matador bedrängen, und sein Essay „De la littérature considérée comme une tauromachie“ [„Literatur als Stierkampf“] sollte 1945 der Neuauflage von Mannesalter als Vorwort vorangehen. Grausamkeit, tödliche, Kastrationsangst provozierende Schaulust: Leiris teilt mit Bataille, Masson und Giacometti dieselben tragischen Themen.

7. SPIEGEL DER TAUROMACHIE Le torero face au taureau, face à un miroir méchant. [Der Torero Auge in Auge mit dem Stier, angesichts eines bösen Spiegels.] Michel Leiris, 1937. 1926 sieht Leiris in Fréjus gemeinsam mit Picasso seine erste Corrida, und dieses für ihn so aufschlussreiche Schauspiel, das er in Grande fuite de neige [Große Schneeflucht] überschwenglich beschreibt, sollte ihn für den Rest seines Lebens prägen. Während seiner Spanienaufenthalte in den 1930er-Jahren sieht er 1935 in Valencia den Torero Rafaelillo, was seine Leidenschaft verfestigt. Insgesamt schreibt er in dieser Zeit drei Texte über die Kunst des Stierkampfes: „Tauromachies“ [Tauromachien] (1937), „Abanico para los toros“ (1938) und schließlich „Miroir de la tauromachie“ [Spiegel der Tauromachie] (1938), ein theoretisches und poetisches Essay über sein Verständnis der Corrida als Metapher auf Kunst und Liebe. Er begreift die ritualisierte Opferzeremonie zwischen Mensch und Tier angesichts der herrschenden Gefahr und des tödlichen Endes als Ort der wahren Tragödie. Leiris teilt seine Leidenschaft mit André Masson, der seine Werke illustriert, und Pablo Picasso, in dessen Schaffen das Thema der Corrida immer wiederkehrt. Die Begeisterung, die viele Intellektuelle damals für Spanien hegen, schlägt sich in der Unterstützung der Spanischen Republik und im Widerstand gegen den Faschismus nieder. Georges Bataille und Colette Peignot (genannt „Laure“) teilen Leiris‘ Vorliebe für Erotik, Tod und das Heilige im Alltagsleben (Le Sacré dans la vie quotidienne).

8. DIE SPIELREGEL J’écris pour vivre complètement ce que je vis. [Ich schreibe, um das voll und ganz zu leben, was ich erlebe.] Michel Leiris Marcel Duchamp und Raymond Roussel (Comment j’ai écrit certains de mes livres [Wie ich einige meiner Bücher geschrieben habe]) wachen über den Einstieg zu Michel Leiris‘ Schreibwerkstatt, wo Entwürfe, Manuskripte, Notizen und Waschzettel versammelt sind, die den Rohstoff für die vier Bände von La Règle du jeu [Die Spielregel]: Biffures [Streichungen] 6


LEIRIS & CO. PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON... (1948), Fourbis [Krempel] (1955), Fibrilles [Fibrillen] (1966), Frêle Bruit [Wehlaut] (1976) bilden. Jeder Band ist illustriert mit der jeweils für diesen Abschnitt prägenden Episode. Das biografische Werk ist gewaltige Erinnerungsleistung und umfangreiches Projekt der Ichkonstruktion, wobei allerlei „Krempel“ – Worte, Träume, Bilder und Erlebnisse –, notiert nach Methode des Ethnografen, im Schreibprozess montiert wird. Der auf der Suche nach einem „Lebensrezept“ befindliche Autor drückt sein Verständnis der Welt aus, indem er alles, „was er über sich selbst weiß“, mit einer Objektivität festhält, die an Stéphane Mallarmés Livre oder Marcel Duchamps La Mariée mise à nu erinnert.

9. DER KRIEG La douleur intime du poète ne pèse rien devant les horreurs de la guerre. [Der intime Schmerz des Dichters wiegt nichts angesichts der Schrecken des Krieges.] Michel Leiris Die drôle de guerre, den Sitzkrieg, erlebt Michel Leiris in der algerischen Wüste in Beni Ounif, während der Besatzungszeit pendelt er zwischen Paris und Saint-Léonard de Noblat, wohin sich die Kahnweilers geflüchtet haben. Er nutzt diese Phase für einen Rückzug in die Schriftstellerei: 1942 beginnt er den ersten Band (Biffures [Streichungen]) dessen, was einmal Die Spielregel werden soll, doch er veröffentlicht seine Texte ausschließlich in Untergrundzeitschriften wie Messages und Lettres Français. Er lernt Jean-Paul Sartre kennen und schreibt für Temps modernes. Die Frage schriftstellerischen Engagements und der Bereitschaft des Autors zum Risiko wird für ihn seinerzeit drängender denn je. Die Festnahme von Mitgliedern des Widerstandsnetzwerkes des Musée de l’Homme und seiner Kollegin und Freundin Deborah Lifchitz, die sich bei ihm versteckt hatte, berühren ihn sehr. Künstler und Intellektuelle versammeln sich um ihn und Picasso, um dessen Drama Désir attrapé par la queue [Wie man Wünsche beim Schwanz fasst] (1944) zu lesen.

10. PIERRES POUR UN ALBERTO GIACOMETTI Verbundenheit von Künstler zu Künstler, zwischen dem Autor von Streichungen und Krempel und dem Bildhauer, der in der Nachkriegszeit für seine dünnen Figuren bekannt wurde und dem Leiris sich damals wieder annäherte: Sein Essay Pierres pour un Alberto Giacometti von 1951 zeigt, in welchem Maße dem Schriftsteller das Œuvre des Künstlers bei seinen Reflexionen als Spiegel seiner selbst dient. Beide haben dasselbe Ziel: Sie wollen dem, was einem beliebigen Fakt an nicht Fassbarem, Flüchtigem innewohnt, eine Konsistenz verleihen, in der Schwebe lassen, sich auf das beschränken, was den Menschen ausmacht: aufrecht stehen und gehen. Beide fügen Bruchstücke zusammen, beide sind ohne Unterlass auf der Suche nach einer „Präsenz“ zwischen Leben und Tod. Beide wollen etwas auf ihren Werken hinterlassen, einen Fingerabdruck der eine, einen Hauch von Stimme der andere. Wie nah sich die beiden waren, lässt sich auch daran ablesen, dass Giacometti nach Leiris Selbstmordversuch 1957 an dessen Seite war (Radierungen für den Gedichtband Vivantes cendres, innommées [Lebende Asche, unbenannt]) und dass Leiris sich seinerseits 1972 für den Erhalt von Giacomettis Atelier stark machte.

11. KREUZUNG DER ZIVILISATIONEN « Antilles et poésie des carrefours » : trois mois où j’aurais vécu, à peu près quotidiennement, sous le signe de la féérie. [Antillen und Poesie der Kreuzungen: drei Monate, in denen ich beinahe jeden Tag wie im Märchen erlebt habe.] Michel Leiris 1948 und 1952 unternimmt Michel Leiris auf Einladung von Aimé Césaire zwei Expeditionen nach Guadeloupe und Martinique. Die Begegnungen mit der kreolischen Kultur der Antillen und das Bewusstsein einer neuen Form von Rassismus und Ausbeutung – wie auch Édourard Glissant und Frantz Fanon sie anprangern – bewegen Leiris zu einer intensiven Mitarbeit an der 1948 von Alioune Diop gegründeten Zeitschrift Présence Africaine. Bei 7


LEIRIS & CO. PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON... einem Haitiaufenthalt mit Alfred Metraux wecken Voodoozeremonien erneut sein altes Interesse für Besessenheitskulte, die er als „gelebtes Theater“ bezeichnet. Seine Begeisterung für revolutionäre Utopien führt ihn 1955 nach China (Journal de Chine [Chinatagebuch]) und 1967 zum Salon de Mayo nach Kuba, wo er am großen Wandgemälde Cuba Colectiva mitwirkt. 1968 kehrt er zu einem Intellektuellenkongress in den Inselstaat zurück. Begleitet wird er von dem mit ihm befreundeten Maler Wifredo Lam, dessen synkretisches Werk um die Verbindung zwischen Afrika und den Antillen kreist.

12. KÜNSTE UND BERUFE DES MICHEL LEIRIS: DICHTER, ETHNOLOGE UND KUNSTKRITIKER Accroître notre connaissance de l’homme, tant par la voie subjective de l’introspection et celle de l’expérience poétique, que par la voie moins personnelle de l’étude ethnologique. [Unser Wissen über den Menschen vergrößern – sowohl auf dem subjektivem Wege der Introspektion und dem der poetischen Erfahrung als auch auf dem weniger persönlichen Wege der völkerkundlichen Forschung.] Michel Leiris, Titres et travaux [Titel und Arbeiten], 1967. Michel Leiris war gleichzeitig Dichter, Ethnologe und Kunstkritiker. Als Afrikanist am Musée de l’Homme von 1938 bis 1984 entwickelt er wegweisende Ausstellungen (Passages à l’âge d’homme, 1968), vertritt kritische Positionen (L’Ethnographe devant le colonialisme [Der Völkerkundler angesichts des Kolonialismus], 1950, Race et civilisation [Rasse und Zivilisation], 1954) und widmet sich mit Afrique noire, la création plastique einem bahnbrechenden Werk, im dem er der afrikanischen Bildhauerei als erster Ethnologe ein „ästhetisches Gespür“ attestiert. Außerdem verfasst er unzählige Texte und Vorworte, vor allem für die Galerie Louise Leiris über Künstlerfreunde wie Masson, Picasso, Miró, Giacometti, Bacon, aber auch Wifredo Lam, Fernand Léger, Henri Laurens, Josef Sima, Élie Lascaux usw. In der Hauptsache jedoch widmet er sich Dichtung und Literatur: Nach Die Spielregel schreibt er Texte, die vor allem motiviert sind durch seine beständige Auseinandersetzung mit der Malerei (Le ruban de cou d’Olympia [Das Band am Hals der Olympia]), seine gleichbleibende Begeisterung für Sprache (Langage Tangage [etwa: „Sprache und Stampfen (eines Schiffes)“ und, als Wortspiel, „Sprache, engagier dich“]) und sein neuerliches Interesse für Gesang (À cor et à cri [Lauthals]).

13. MALEREI ALS MODELL: PICASSO UND BACON Michel Leiris hat Picasso, dem „unprätentiösen Genie“, zwischen 1930 und 1989 rund 20 Texte gewidmet. Sie sind Zeugnis einer Freundschaft, die durch die Verbindung zur Galerie Louise Leiris noch gefestigt wurde, einer gemeinsamen Leidenschaft für den Stierkampf und einer Begeisterung für die wesentlichen Merkmale der Werke des Künstlers, namentlich den Humor, die Tragikkomik, seine menschliche und realistische Seite, den autobiografischen Charakter, der im beherrschenden Thema vom „Maler und seinem Modell“ zum Ausdruckt kommt, das beinahe ein eigenes Genre bildet. In seinem Essay „Picasso et la comédie humaine ou les avatars de Gros pied“ [Picasso und die menschliche Komödie oder Großfuß’ Avatare] beschäftigt Leiris sich mit den widersprüchlichen Beziehungen zwischen Fiktion und Realität sowie Kunst und Leben und Alter und Tod, die selbst dem noch so genialen Künstler nicht erspart bleiben. Sowohl eine Serie von Porträts des Schriftstellers als auch einige Werke aus seiner Sammlung (La Pisseuse, 1965, La Petite fille à la corde, 1950) zeugen von dieser langjährigen und beständigen Verbundenheit. Große und letzte Entdeckung des Schriftstellers ist 1965 die Kunst des englischen Malers Francis Bacon, dessen Freund und bester Kritiker er werden sollte. Bacon liefert ihm eine meisterliche Antwort auf seine Suche nach „schreiender Wahrheit“, die für ihn zum unabdingbaren Kriterium für ein Kunstwerk wird und letztlich ultimative Herausforderung an ihn als Autor ist. Die beiden Männer verbindet ein fruchtbares, komplizenhaftes Einverständnis. Leiris ist gefesselt von der unmittelbaren Wucht von Bacons Kunst, von seinem malerischen Furor, der maximalen Entblößung „altersloser Grausamkeiten“. Er ist ergriffen von dem, was ihm dieser „Spiegelbildner“ vorhält: das Drama und gleichzeitig die 8


LEIRIS & CO. PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON... Alltäglichkeit der krisenhaften Zustände, unter denen der menschliche Körper sich krampfhaft windet und in denen er stets ein Zeichen des Heiligen sieht.

14. OPÉRRATIQUES Pour l’amélioration de la race opérine. [Zur Verbesserung der Opernrasse.] Michel Leiris. Neben der Begeisterung für die Corrida hegt Leiris eine Leidenschaft für die Oper, die ebenfalls Bühne für das Drama des Lebens, der Liebe und des Todes ist und wo er jene weiblichen Heldenfiguren findet, die ihn nicht loslassen wollen. Als Liebhaber des bel canto und italienischer Opern von Verdi und Puccini (Turandot, Fanciulla del West, Paillase, Tosca …) bringt er Eindrücke und Erinnerungen zu Papier, die 1992 unter dem Titel Opérratiques erscheinen. Die Musik oder vielmehr das Bühnenspektakel, das er schon als Kind liebte, begleitet ihn so bis ans Ende seines Lebens.

15. PHANTOM LEIRIS Leiris phantomhafte Präsenz scheint in einer Reihe von Porträtfotografien in verschiedenen Altersstufen auf. Der Schaukasten ist ein Projekt, das er – nicht ohne Augenzwinkern – in Wehlaut imaginiert. Dieser ironischen Bilanz steht eine Reihe von letzten tragikkomischen Selbstporträts gegenüber, die Leiris in Form von „Markenimages“ verfasste. Die Bedeutung von Leiris’ Werk ist heute unumstritten – sowohl im Bereich der Literatur als auch für die Anthropologie. Zahlreiche KünstlerInnen berufen sich auf ihn, und eine Auswahl ihrer Werke setzt Akzente innerhalb des Ausstellungsparcours. Jeder auf seine Weise versucht, entweder ein unmögliches Porträt des Menschen Leiris zu zeichnen (JeanMichel Alberola), seine Gedichte zu illustrieren (Marcel Miracle) oder sein innovatives Verständnis von Ethnografie zu würdigen, das wegweisend für das Feld der postkolonialen Studien sein sollte (Mathieu Abonnenc, Miquel Barceló, Kader Attia, Camille Henrot).

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3. MICHEL LEIRIS: BIOGRAFISCHE ECKPUNKTE 1901 1912 1921

Julien Michel Leiris wird am 20. April in Paris geboren. Er sieht Impressions d’Afrique – Eindrücke aus Afrika – von Raymond Roussel. Während seines Chemiestudiums stürzt Leiris sich in das Pariser Nachtleben der Nachkriegszeit. Er lernt Max Jacob und Erik Satie kennen. 1922-23 Leiris beginnt sein Journal und schreibt unter der Anleitung von Max Jacob erste Gedichte. Er ist häufig zu Gast im Atelier von André Masson in der Rue Blomet. Mit Picassos Parade und Petruschka sieht er Stücke, die er später als „entscheidend“ bezeichnen wird. Er nimmt an den „Dimanches de Boulogne“ – Sonntagen von Boulogne – bei Daniel-Henry Kahnweiler teil. 1924 Leiris befreundet sich mit Georges Bataille und schließt sich den Surrealisten an. Er lernt Picasso kennen. 1925 Nachdem Antonin Artaud ihn mit der Erstellung eines „Glossaire du merveilleux“ [Glossar des Wunderbaren] betraut hat, veröffentlicht er in Révolution surréaliste unter dem Titel „Glossaire, j’y serre mes gloses“ [Glossar. Die Glasrose] seine ersten Wortspiele. Gemeinsam mit André Masson publiziert er Simulacre. 1926 Michel Leiris heiratet Kahnweilers Stieftochter Louise Godon, genannt Zette. Gemeinsam mit Picasso sieht er in Fréjus seinen ersten Stierkampf. 1927 Erste lange Reise nach Ägypten und Griechenland, wo er Aurora schreibt. Veröffentlichung von Point cardinal. 1929 Leiris bricht mit dem Surrealismus und wird Mitarbeiter der Zeitschrift Documents, die von Georges Bataille, Georges-Henri Rivière und Carl Einstein geleitet wird. Er veröffentlicht seine ersten Artikel über Kunst (Giacometti, Miró, Picasso) sowie Beiträge mit autobiografischen Elementen („Une peinture d’Antoine Caron“ [Ein Bild von Antoine Caron]). Die schwarze Revueshow Blackbirds hinterlässt einen tiefen Eindruck bei ihm, und seine Begeisterung für Jazzmusik erwacht. Er durchlebt eine schwere persönliche Krise und beginnt eine Psychoanalyse. 1930 Leiris verfasst für Documents „Das Auge des Ethnographen“. Unter dem Eindruck eines Diptychons von Cranach im Museum in Dresden entstehen die Textfragmente Lucretia, Judith und Holofernes, die den Einstieg zu Mannesalter bilden. 1931–33 Er nimmt als Sekretär und Archivar an der ethnografischen Expedition Dakar-Djibouti unter der Leitung von Marcel Griaule teil. Auf dieser Reise schreibt er L’Afrique fantôme [Phantom Afrika]. Nach seiner Rückkehr wird er mit der Leitung der SchwarzafrikaAbteilung des Völkerkundemuseums betraut und belegt Kurse am Institut für Völkerkunde, um Museograf zu werden. 1934 L'Afrique fantôme erscheint bei Gallimard und schockiert die Gemeinde der Ethnologen. Leiris nimmt seine Psychoanalyse wieder auf und beginnt Mannesalter zu schreiben. 1935

1938

1939

Leiris erlebt in Valencia einen Stierkampf mit Rafaelillo, der den Grundstein für eine lebenslange Leidenschaft legt. Nach dem Selbstmord von Raymond Roussel 1933 veröffentlicht er Comment j’ai écrit certains de mes livres de Roussel [Wie ich einige meiner Bücher geschrieben habe von Roussel]. Er lernt Marcel Duchamp und Jacques Lacan kennen. „Miroir de la tauromachie“ [Spiegel der Tauromachie] und „Abanico para los toros“ erscheinen. Leiris hält einen Vortrag über das Heilige im Alltagsleben am Collège de Sociologie, das er gemeinsam mit Bataille und Caillois gegründet hat. Nach dem Tod der Schriftstellerin Colette Peignot veröffentlicht er zusammen mit Bataille deren Werke Le sacré [Das Heilige] und Histoire d’une petite fille [Geschichte eines kleinen Mädchens]. Er selbst schreibt L’homme sans Honneur [Mann ohne Ehre], den Anfang von La Règle du jeu. L'Âge d'homme [Mannesalter] erscheint bei Gallimard, außerdem Glossaire, j’y serre mes gloses. Leiris wird zum Militärdienst ins algerische Beni-Ounif abberufen, wo er Proust und Freud liest.

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1941

Zurück in Paris, beginnt er mit Biffures [Streichungen] den ersten Band von Die Spielregel zu schreiben. Die Arbeit an dem Werk wird ihn noch bis 1976 beschäftigen. Er wird Mitarbeiter verschiedener Untergrundmagazine. Festnahme von Widerstandskämpfern aus dem Netzwerk des Musée de l’Homme.

1942

Die französische Polizei nimmt Deborah Lifchitz fest und liefert sie an die Nazis aus. Leiris lernt Jean-Paul Sartre kennen. 1943 Leiris wird Forschungsbeauftragter des Nationalen Wissenschaftszentrums CNRS. Publikation der Gedichtsammlung Haut-Mal. 1944 Leiris wird Mitherausgeber von Temps modernes. 1945 Er nimmt an der Expedition Lucas nach Elfenbeinküste und Gold Coast, dem heutigen Ghana, teil, bei der es um Probleme im Zusammenhang mit der Zwangsarbeit geht. Er schreibt seinen Essay „De la littérature considérée come une tauromachie“ [Literatur als Stierkampf], der Vorwort der Neuauflage von L’Âge d’homme [Mannesalter] wird. Veröffentlichung von Nuit sans nuit [Lichte Nacht]. Er lernt Aimé Césaire kennen. 1946 Aurora, Leiris poetischer Roman aus seiner surrealistischen Phase, erscheint. 1947 Gemeinsam mit Georges Limbour veröffentlicht Leiris André Masson et son univers und beteiligt sich an der Gründung der Zeitschrift Présence Africaine. 1948 Leiris übernimmt die Herausgeberschaft der Reihe „L'Espèce humaine“ [Die menschliche Spezies] im Verlagshaus Gallimard. Auf Einladung von Aimé Césaire völkerkundliche Expeditionen nach Martinique und Guadeloupe, außerdem nach Haiti, wo er Alfred Metraux wiedertrifft und Voodoorituale erforscht. Publikation von La langue secrète des dogons de Sanga [Die Geheimsprache der Dogon von Sanga]. 1950-51 Leiris’ Essay „L’ethnographe devant le colonialisme“ [Der Völkerkundler angesichts des Kolonialismus] erscheint, 1955 folgt Race et civilisation [Rasse und Zivilisation]. Er schreibt den Text zum Film La course de taureaux [Der Stierlauf] von Raoul Braunberger. Neuauflage von L’Afrique fantôme [Phantom Afrika] sowie Pierres pour un Alberto Giacometti für einen Skulpturenausstellung in der Galerie Maeght. 1952 Zweite Expedition auf die französischen Antillen. Leiris nimmt am Friedenskongress in Wien teil. 1954 Veröffentlichung von „Picasso et la comédie humaine ou les avatars de Gros Pied“ [Picasso und die menschliche Komödie oder Großfuß’ Avatare] in der Zeitschrift Verve. 1955 Mit der Veröffentlichung von Fourbis [Krempel] stellen sich erste Erfolge bei der Kritik ein. Leiris wird zum Satrapen am Collège de pataphysique gewählt und reist mit einer Delegation der Association des amitiés franco-chinoises [Verein für französischchinesische Freundschaften] nach China. Veröffentlichung von Contacts de civilisation en Martinique et Guadeloupe [Begegnungen mit den Zivilisationen von Martinique und Guadeloupe] und Bagatelles végétales [Pflanzliche Bagatellen]. 1957 Selbstmordversuch. Giacometti zeichnet ihn auf dem Krankenlager. 1958 Veröffentlichung von La Possession et ses aspects théâtraux chez les éthiopiens de Gondar [Besessenheit und ihre theaterhaften Aspekte bei den Äthiopiern von Gondar]. Er sieht diverse Puccini-Opern (Turandot, Manon Lescaut, Madame Butterfly). 1960 Er unterzeichnet das „Manifest des 121“ [Manifest der 121 über das Recht zur Dienstpflichtverweigerung im Algerienkrieg] und erhält daraufhin eine Abmahnung von der Leitung des CNRS. 1961 Leiris’ Gedichtband Vivantes cendres, innommées [Lebende Asche, unbenannt] erscheint mit Radierungen von Giacometti, außerdem Nuits sans nuit et quelques jours sans jour [Lichte Nächte und manch dunkler Tag]. 1964 Leiris schreibt „Le peintre et son modèle“ [Der Maler und sein Modell] für die Ausstellung in der Galerie Leiris. Veröffentlichung von Grande fuite de neige [Große Schneeflucht]. 1965 Bei einer Giacometti-Retrospektive in der Londoner Tate Gallery lernt Leiris Francis Bacon kennen. Er sieht die Tragédie du Roi Christophe [Tragödie des Königs Christophe] von Aimé Césaire im Théâtre de l’Odéon und arbeitet an der Ausstellung Chefs-d’œuvre du Musée de l’Homme [Meisterwerke des Musée de l’Homme]. Er sieht seinen letzten Stierkampf in Barcelona. 1966 Veröffentlichung von Brisées [Bruch]. Er nimmt am Festival mondial des arts nègres [Internationales Festival für schwarze Kunst] in Dakar teil. Fibrilles [Fibrillen], der dritte Band von La Règle du jeu [Die Spielregel], erscheint.

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LEIRIS & CO. PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON... 1967

1968 1969

1970 1971 1976 1979 1980

1981 1983 1985 1986 1987 1988

1989 1990 1992

Leiris schreibt ein Vorwort für die Francis-Bacon-Ausstellung in der Galerie Maeght. Gemeinsam mit Jacqueline Delange bringt er Afrique Noire, la création plastique [Bildende Kunst in Schwarzafrika] bei Gallimard heraus (Aimé Césaire gewidmet). Reise nach Kuba zum 22. Salon de Mayo. Er wirkt am dem großen Wandgemälde Cuba Colectiva mit. Er schreibt Titres et travaux [Titel und Arbeiten], um sich am CNRS auf den Posten eines Direktors zu bewerben. Leiris nimmt am Intellektuellenkongress in Havanna teil. Er engagiert sich in der Studentenbewegung und konzipiert die Ausstellung Passages à l’âge d’homme [Übergänge zum Zeitalter des Menschen] für das Musée de l’Homme. Veröffentlichung von Cinq études d’ethnologie [Fünf ethnologische Studien]. Leiris nimmt am ersten panafrikanischen Festival in Algier teil. Veröffentlichung von Mots sans mémoire [Wörter ohne Gedächtnis]. Er unterstützt das Foyer des travailleurs Maliens. Veröffentlichung von Wifredo Lam. Leiris schreibt das Vorwort für den Katalog zur Bacon-Ausstellung im Pariser Grand Palais. Frêle Bruit [Wehlaut], der vierte und letzte Band von La Règle du jeu [Die Spielregel] erscheint. Leiris wirkt an der Ausstellung Rites de la mort [Todesriten] im Musée de l’Homme mit. Publikation der kunstkritischen Textsammlung Au verso des images [Die Rückseite der Bilder]. Leiris schreibt ein Vorwort für La musique et la transe [Musik und Trance] von Gilbert Rouget. Er lehnt den staatlichen französischen Schriftstellerpreis Grand Prix National des Lettres ab. Ruban au cou d’Olympia [Das Band am Hals der Olympia] erscheint. Schenkung der Sammlung Kahnweiler-Leiris an das Centre Pompidou, Musée national d’art moderne und das Musée de l’Homme. Langage Tangage ou Ce que les mots me disent [Langage Tangage oder Was die Wörter mir sagen]. Leiris gründet gemeinsam mit Jean Jamin die Zeitschrift Gradhiva. Publikation des Gedichtbandes Ondes [Wellen] sowie von Roussel l’ingénu [Roussel der Unschuldige]. À cor et à cri [Lauthals] erscheint. Tod von Louise Leiris. Leiris vermacht der Bibliothèque littéraire Jacques Doucet seine Handschriften und seine Bibliothek, sein restliches Vermögen geht an die Menschenrechtsorganisation Amnesty international, die Internationale Liga für Menschenrechte und an den MRAP, der sich gegen Rassismus und für die Völkerfreundschaft einsetzt. Images de marque [Markenimages] erscheint. Michel Leiris stirbt am 30. September im französischen Saint-Hilaire (Departement Essonne). Jean Jamin gibt Leiris’ Tagebuch wird unter dem Titel Journal, 1922-1989 bei Gallimard heraus.

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4. LISTE DER AUSGESTELLTEN KÜNSTLER Mathieu ABONNENC Hans ARP Kader ATTIA Francis BACON Miquel BARCELÓ Jacques-André BOIFFARD Marcel DUCHAMP Max ERNST Alberto GIACOMETTI Juan GRIS Camille HENROT Wifredo LAM Élie LASCAUX Eli LOTAR MAN RAY André MASSON Marcel MIRACLE Joan MIRÓ Jean PAINLEVÉ Pablo PICASSO Außerdem werden bei der Ausstellung zahlreiche anonyme Werke aus dem Bereich der „primitiven Kunst“ – Masken, Objekte und Skulpturen der Dogon und Bambara, äthiopische Manuskript sowie Objekte von den Antillen – zu sehen sein.

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LEIRIS & CO PICASSO, MASSON, MIRÓ, GIACOMETTI, LAM, BACON...

5. BILDMATERIAL FÜR DIE PRESSE Bildmaterial zur Ausstellung kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden: www.centrepompidou-metz.fr / photothèque. Benutzername: presse Passwort: Pomp1d57 ONLINE IST WEITERES BILDMATERIAL VERFÜGBAR. Francis Bacon, Portrait de Michel Leiris [Porträt Michel Leiris], 1976 Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris © The Estate of Francis Bacon / All rights reserved / ADAGP, Paris 2014 © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Bertrand Prévost

Man Ray, Michel Leiris, um 1930 Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris © MAN RAY TRUST / ADAGP, Paris 2014 © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Guy Carrard

André Masson, Le jet de sang [Blutstrahl], 1936 Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris © ADAGP, Paris 2014 © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Rechte vorbehalten

Joan Miró, Baigneuse [Badende], 1924 Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris © Successió Miró /ADAGP, Paris 2014 © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Jean-François Tomasian

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