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Vom Schloß Ramstedt

Als eine der erfolgreichsten Zuchtstätten von 1972 bis 2018 widmeten sich Petra und Gerriet Rosenbohm der Rassehundezucht.

Herr Rosenbohm, wann trat der erste Langhaar Collie in Ihr Leben?

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Der erste Langhaar Collie kam zu uns im Mai 1970. Er hieß „Amor vom Haus Montreux“ und war ein Rüde von einer Züchterin aus Bernburg.

Wie kam es, dass Sie sich für ein aufwendiges Züchterleben entschieden?

Im Jahre 1971 zogen wir von Bad Blankenburg nach Loitsche in mein Geburtshaus zu den Großeltern. Der Grund ist einfach erklärt, es gab in Bad Blankenburg damals keine Wohnung für uns. Das Grundstück in Loitsche bot genügend Platz für uns und unsere Hunde. Hier hatten wir die Möglichkeit, eine Hundezucht aufzubauen.

Wo und wann wurden Sie damals Vereinsmitglied?

In Bad Blankenburg wurden wir im Herbst 1970 Mitglieder der Sektion „Dienst- und Gebrauchshundewesen“ (SDG). Nachdem wir 1971 nach Loitsche zogen, traten wir in die Sektion Dienst- und Gebrauchshundewesen im Schäferhundeverein Wolmirstedt ein.

Sie waren bereits etliche Jahre erfolgreiche Züchter in der ehemaligen DDR. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Fertigfuttermittelindustrie. Auf welche Weise haben Sie Ihre Hunde ernährt?

Die Futterbeschaffung für unsere Hunde war ein generelles Problem. Ich fuhr zur Abdeckerei (Tierkörperbeseitigungsanstalt) und erhielt ab und zu Rind- und Pferdefleisch. Vom Magdeburger Fleischkombinat konnten wir uns Schlachtabfälle abholen.

Über den Schäferhundeverein erhielten wir ungereinigte Haferflocken, welche die Hunde aber nicht fressen mochten, so bekamen sie unsere Hühner. Einmal pro Woche gab es Leberwurststullen. Das größte Problem aber lag in der Welpenaufzucht. In der „HO“ und im „Konsum“ (so hießen die üblichen Lebensmittelgeschäfte in der DDR) kauften wir „Mekorna-Kinderbrei“ zum Andicken der Nahrung, sowie Babymilch. Damit behalfen wir uns, denn ein spezielles Welpenaufzuchtfutter existierte zu dieser Zeit nicht.

Wie erlebten Sie die Aufzuchtbedingungen Ihrer Welpen in der damaligen DDR? Bitte schildern Sie uns einige zuchtrelevante Details aus dieser Epoche (z.B. Vorschriften der Unterbringung eines Wurfes, Wurfstärke mit Belassung von nur 6 Welpen im Wurf, Auswahl der Deckrüden…).

Meine Frau qualifizierte sich als Bezirkszuchtwartin. Dadurch hatte sie im Bezirk Magdeburg viele Würfe abzunehmen. Die Aufzuchtbedingungen mussten warm, trocken und sauber sein, egal ob die Welpen im Haus oder im Zwinger untergebracht waren. Eine mächtige Herausforderung zu die- ser Zeit war die Vorschrift zur Reduzierung der Wurfstärke pro Wurf auf 6 Welpen. Überzählige Welpen hatte der Züchter vor der Wurfabnahme bis auf 6 Welpen zu reduzieren, zu Deutsch „töten“. In den Ahnentafeln wurde folgendes vermerkt: Wurfstärke bei der Geburt – totgeboren – getötet – verendet bis zum 6. Tag – verendet bis zur Eintragung – zum Zuchtbuch gemeldet. Bei der Erstabnahme hat sich meine Frau zu jedem Welpen anhand der Zeichnung und Farbgebung entsprechende Notizen gemacht, z.B. durchgehende oder unterbrochenen weiße Halskrause, Kopf- und Farbzeichnung der Beine, oder weitere Merkmale, die einer Wiedererkennung dienlich waren. Zur endgültigen Kennzeichnung der Welpen kam bei der Endabnahme mein Part ins Spiel, das Tätowieren. Jeder Welpe bekam seine Zuchtbuchnummer ins Ohr oder in die Bauchfalte eintätowiert. Dafür legte man die passende Zahlenkombination in die Tätowierzange ein. Mit einem kräftigen Knips stach die Zange kleine Löcher in die Haut. Anschließend wurde dunkle Farbe eingerieben, sodass die Zuchtbuch-Nummer, möglichst lebenslang, durch die Tätowierung erkennbar blieb. Die Auswahl der Deckrüden erfolgte in der Regel auf den Ausstellungen. Der Züchter sprach den Besitzer des anvisierten Deckrüden an.

In der ehemaligen DDR gab es die berühmte „Nachzuchtbeurteilung“, was hatte es damit auf sich und was verbarg sich hinter einer „Wertmessziffer“?

Die Nachzuchtbeurteilungen (NZB) sollte das Ziel haben, die Vererbung der Rüden und Hündinnen zu dokumentieren. Vorgestellt wurden die Nachkommen ab einem Mindestalter von 9 Monaten. Somit war sichergestellt, dass der abgeschlossene Zahnwechsel in die Begutachtung einfließen kann. Die „Wertmessziffern“ drückten Format, Kondition, Körperbau (Kopf, Auge, Ohr) und Wesen aus. Die Ziffer 5 war immer das Optimale. Allerdings erwies es sich als schwierig, die Welpenkäufer für eine Nachzuchtbeurteilung zu motivieren.

Unter welchen Voraussetzungen bekamen die Welpenkäufer eine Ahnentafel ausgehändigt?

Wenn der Züchter die Endabnahme seines Wurfes abgeschlossen hatte und ein Käufer die Unterschrift auf den Kaufvertrag leistete, erhielt er mit den Welpen auch die Ahnentafel ausgehändigt.

Obwohl Collies, Bobtails und Shelties auch zu DDR-Zeiten Hütehunde waren, wurden sie dennoch der Sektion Dienst- und Gebrauchshunde zugeordnet. Wie haben Sie diese absurde Regelung empfunden?

Als wir in den 70-ger Jahren in das Zuchtgeschehen hineinwuchsen, haben wir es als normal empfunden, als Collie- und Sheltieleute Mitglied in der SDG zu sein. Wir wussten, dass man nur DDR-Sieger werden konnte mit einer bestandenen Schutzhund- oder Fährtenhund Prüfung. Daher ging es jeden Sonntag auf den Hundeplatz, wo das Üben von Unterordnung, Schutzdienst und Fährtenarbeit auf dem Acker trainiert wurde. Unser erster Collie-Rüde „Amor“, hatte im Alter von 15 Monaten die Schutzhundeprüfung I bestanden. Im Jahre 1980 wurde unser Collie-Rüde „Greif vom Schloß Ramstedt“ das 1. Mal DDR-Sieger. In Leipzig gingen in der Gebrauchshundeklasse (GHKL) ca. 35 Rüden an den Start. Nach Standmusterung hieß es, Laufen, Laufen, Laufen (ca. 30 Minuten lang). Der Hund vorneweg, lange Leine …, und ich hinterher. Zwischendurch während des Laufes erfolgte eine Umstellung der Reihenfolge. Der Hund, welcher zum Zeitpunkt des Richtens als Favorit galt, musste immer vorneweg laufen. Unser „Greif“ wurde 1980 und 1982 DDR-Sieger. Er war ein Ausnahme-Rüde mit Schutzhund II und Fährtenhund III. bei der Körung erreichte er im Wesenstest die Note 5/55. „Greif“ war zu DDR-Zeiten der erfolgreichste Deckrüde. Er hatte 108 Deckakte zu verzeichnen, darunter waren 104 Hündinnen trächtig.

Welche Voraussetzungen musste ein Collie in der damaligen DDR für eine Körung erfüllen?

Der größte Knackpunkt bei der Vorbereitung eines Collies zur Körung war der Schutzdienst, sprich die Beißleistung anzutrainieren. Der Collie ist von Hause aus freundlich zu jedem, in der Regel nicht aggressiv. Bringe ihm nun bei, er wird an der Leine ca. 20 Meter durch einen Scheintäter angereizt, nach 25 Metern abgeleint und soll den Scheintäter nach über 30 Metern einholen, um diesen in den Arm zu beißen. Wenn nicht, musste der Hund den Scheintäter umrunden und anbellen, sowie an der Leine in den Schutzarm beißen. Anschließend musste er durch eine entgegenkommende Gruppe laufen. So erfolgt, hätte man in der Regel eine Note von 7/23 im Wesenstest erhalten. Verlange von einem gutmütigen Collie, dass er 35 Meter einem Scheintäter hinterherrennen soll, um ihn zu beißen. Die meisten Collies liefen nur die halbe Strecke hinterher und machten kehrt. Viele schöne Collies kamen somit nicht in die Zucht, da sie die Anforderungen im Schutzdienst nicht erfüllten. Dies endete für viele Züchter in einer Katastrophe. Die Zuchteinstufung untergliederte sich in Körung und Zuchttauglichkeitsprüfung (ZTP). Für die Körung waren die Anforderungen höher angesetzt als bei der Zuchttauglichkeitsprüfung.

Bitte schildern Sie ein paar Sätze zum Ausstellungsgeschehen.

Man muss wissen, in der DDR wurden in der Jugendklasse noch keine vorzüglichen Formwertnoten vergeben. Als höchste Formwertnote zählte ein „Sehr gut“. Ein Sg1 war somit das beste zu erzielende Ergebnis in der Jugendklasse und somit genauso wertvoll anzusehen wie das V1 ab der Junghundeklasse. Es galt die Meinung, dass ein Hund im Jugendalter noch nicht die nötige Reife mitbringen kann für ein „Vorzüglich“.

Wie erlebten Sie das Zuchtgeschehen nach der Wiedervereinigung im Jahre 1989?

Wir waren 1988 zur Ausstellung im tschechischen Brno. Die Bewertung fiel dort mit „sehr gut“ aus. In einem Gespräch mit Frau Vogel (Präsidentin – Club DDR), schilderten wir unsere Sichtweise zu den DDR-Collies im Vergleich zu den Collies im „Westen“. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt gute Zuchthündinnen. In der Wendezeit fuhren wir mit dem ersten zur Verfügung stehenden „Westgeld“ zum Decken in die alten Bundesländer und in die Niederlande. Petra hatte mit ihrer Ausbildung als „Meisterin der Rinderproduktion“ hervorragende Kenntnisse in der Genetik und ein feines Gespür beim Welpenkauf, es war ihr in die Wiege gelegt. So hatten wir in kurzer Zeit aus eigener Zucht wieder Siegertiere im Zwinger stehen. Andererseits haben viele Züchter nach der Wende aufgehört zu züchten, im alten Bezirk Magdeburg waren es über 60 Prozent. Wir hingegen wurden am 01.10.1990 Mitglied im Club für Britische Hütehunde e.V. und setzten unser Züchterdasein mit neuen Möglichkeiten fort.

Im Vergleich von damals zu heute: Welche Vorzüge oder Nachteile sehen Sie im Speziellen, bzw. gäbe es aus Ihrer Sicht erhaltenswerte Vorteile aus der damaligen DDRZucht?

Erhaltenswerte Vorteile aus der damaligen DDR-Zucht auf heute zu übertragen, dass sehe ich nicht. Was mir vielmehr Sorge bereitet, ist die Zunahme von Neid und Missgunst untereinander, sowie die brodelnde Gerüchteküche in den sozialen Medien.

Welche Veränderungen im Umkehrschluss gefallen Ihnen heutzutage besser als früher?

Im heutigen Zuchtgeschehen kann ich auf einen viel größeren Genpool zurückgreifen, mich mit europäischen Züchtern austauschen, sowie schnelle Trends sehen und darauf reagieren.

Was hat Sie als Zuchtfamilie in all den Jahren am meisten geprägt?

Um als Züchterfamilie auf lange Dauer Erfolg zu haben, muss die ganze Familie zusammenstehen. Einer für alle, alle für einen! Man muss zurückstecken können, z.B. Verzicht auf Urlaube.

Welche Erlebnisse gehörten zu Ihren schönsten Momenten?

Rückblickend kann ich sagen, 2 x DDR-Sieger zu werden und die vielen Champion-Urkunden und Pokale bekommen zu haben, die zu Ehren von Petra in einem kleinen Museumsraum als bleibende Erinnerung aufbewahrt werden.

Haben Sie auch züchterische Tiefschläge erlebt?

Es ist schmerzlich, wenn man treue Gefährten durch Krankheit verliert.

Welche Hunde haben bei Ihnen einen besonderen Eindruck hinterlassen?

Zu DDR-Zeiten waren es bei den Collies „Fee“, „Greif“ und „Paola“ vom Schloß Ramstedt. Nach 1989 waren es „Xito“ und „Golden New ET“ vom Schloß Ramstedt.

Bei den Shelties haben uns „Floh“, „Flash Dancer“, „Xanthos“, „Beyonce“ und „Ilona“ vom Schloß Ramstedt besonders beeindruckt.

Was braucht man für ein gutes Zuchtmanagement?

Für ein gutes Zuchtmanagement braucht man gesunde robuste Tiere, insbesondere haben wir unser Augenmerk auf die Hündinnen gelegt. Sie sind der Schlüssel zum Erfolg.

Welche Ratschläge können Sie angehenden Züchtern mit auf den Weg geben?

Liebe zum Tier, Disziplin und Ausdauer, vor allem auch erfahrenen Züchtern zuhören.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Rassehundezucht ein und was würden Sie sich in der heutigen Zeit wünschen?

Die aktuelle Situation in der Rassehundezucht macht mir große Sorgen. Insbesondere eine kleine lautstarke Gruppe von „Tierschützern“, eine Minderheit, will ihren Willen der Mehrheit aufzwingen. Diese finden Gehör in den Medien und bei Politikern, welche sich von den sogenannten „Tierschützern“ vereinnahmen lassen. Deren Argumente (nicht wissenschaftlich begründet) fließen dann in Gesetze und Verordnungen ein.

Ina Eggert

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