Ausgabe Mai 12. Jahrgang / #109
Ausgabe 05- 0 6/15 2,50 Euro
Was da wieder los ist: Termine & Partys 16.05. – 21.06.15
DeN Wahnsinn im visier Streife, Zelle, Drogenopfer – ein Tag im Polizeirevier Nord
Ausgestellt Aufgestiegen King of Pop-Art: Warhol in Riegel
Kufencracks zwischen Titel und Klassenkampf
Ausprobiert Warum Freeletics Freiburg erobert
mit W ir t s c h a ft sMa g a zi n biB
CHILLI EDITORIAL
Dauerfeuer, brennende Muskeln & Meistertitel Voller Einsatz bei der 109. chilli-Nummer
Foto: © Till Neumann
Ständig im Einsatz: Peter Wagner und Yvonne Judith sind immer die Ersten am Einsatzort.
Liebe Leserin, lieber Leser, Skandal um Rosi hätten wir vielleicht getitelt, wenn Freiburgs Imbiss-Ikone Rosi Thoma uns erzählt hätte, dass sie unfreiwillig aufgehört hat, am Güterbahnhof Currywurst mit Pommes zu verkaufen. Aber Rosi braucht einfach mal eine Pause. Und die sei der Grande Dame unter Freiburgs Imbisspächtern auch gegönnt. Keine Ruhe hatte chilli-Redakteur Till Neumann, der für unsere Titelgeschichte einen Tag im Revier Nord und auch bei Einsätzen dabei war.„Was die einen ruhigen Tag nennen, kam mir wie ein Dauerfeuer von Meldungen und Notrufen vor“, erzählte Neumann. Seine Kollegin Tanja Bruckert ließ sich nicht lumpen und trainierte bei der Freiburger Freeletics-Gruppe mit. Der Spaßfaktor erschloss sich ihr nicht sofort, als sie schweißüberströmt und mit brennenden Muskeln Burpees, Climber und Jumps absolvierte. Später war sie dann doch angefixt.
Viel Einsatz haben die Kufencracks vom EHC Freiburg gezeigt – und wurden am Ende mit dem Meistertitel belohnt. Für die Chefetage ist die Party schon wieder vorbei, die Planung der neuen Saison steht im Fokus. Und für die braucht es beides: einen stärkeren Kader und ein größeres Budget. Große Hallen zu füllen, ist für Mario Barth mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Gleich drei Abende wird der Berliner die Rothaus Arena voll machen. Warum sein Nachbar ihn zuweilen für geisteskrank hält, hat er uns im Interview erzählt. Wir wünschen auch bei den anderen Themen, der im Wald versteckten Künstlervilla, abgefahrenen Forschern, der neuen Skateanlage, dem kulturellsten Freiburger Seniorenheim, Gastwirten an Golfplätzen oder dem „Schwerpunkt Freiburg & Region entdecken“ vergnügliche Lektüre. Bleiben Sie, bleibt uns gewogen.
Herzlichst, Ihr Lars Bargmann, Chefredakteur & die chillisten
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Konzentriert: Kommissarin Yvonne Judith checkt im Colombipark das Strafregister eines Betrunkenen.
Titel Polizei
Der kontrollierte Wahnsinn
Streife, Zelle, Drogenopfer – ein Tag im Revier Nord
D
as Polizeirevier Nord ist das größte in Freiburg, zuständig für die Innenstadt und das gesamte nördliche Stadtgebiet. chilli-Redakteur Till Neumann hat die Beamten einen Tag lang begleitet. Was für die Einsatzgruppe ein „sehr ruhiger Tag“ ist, erlebt er als rasante Verbrecherjagd mit Pöblern, Vermissten und Zugedröhnten. Mit ruhiger Hand lenkt Yvonne Judith den Streifenwagen durch die Kaiser-Joseph-Straße. Die 27-jährige Kommissarin vom Polizeirevier Nord lässt ihren Blick über die Passanten gleiten. „Alles relativ ruhig“, sagt sie. Im Radio läuft Big FM. Peter Wagner, 49, sitzt auf dem Beifahrersitz, nickt zustimmend. Der breitschultrige Hauptkommissar ist Chef der
Fotos: © Till Neumann
»I don't care, i will kill this man« Dienstgruppe D, die an diesem sonnigen Dienstag im Einsatz ist. „Wir sind immer die Ersten vor Ort“, sagt Wagner. Egal ob Ruhestörung, Großbrand, Mord oder Massenschlägerei. „In Freiburg ist viel los. Man weiß nie, was in der nächsten Minute passiert.“ Die Zahlen geben ihm recht: Freiburg ist statistisch gesehen die kriminellste Stadt Baden-Württembergs. Schon knattert das kleine Funkgerät an Wagners linker Schulter. „230 bitte kommen“, „230 hört“, antwortet Wagner. „Ein Schwarzafrikaner macht im Stühlinger Radau“, gibt die Einsatzzentrale durch. Drei Minuten später sind Judith und Wagner am Ort des Geschehens. „I don’t care about nothing, I will kill this man“, brüllt ein kräftiger Mann in dem Supermarkt. Seine Augen sind rot angelaufen, Schweißperlen kullern über die dunkle Stirn. Ein Streifenpolizist redet beschwichtigend auf ihn ein. Seine Kollegin steht schräg neben dem Unruhestifter. „Sie hat sich im breitbeinigen V-Schritt positioniert“, erklärt Judith. „Wenn es hart auf hart kommt, kann die Kollegin sofort eingreifen.“ Judith sichert in einigen Metern Entfernung mit Wagner die Lage. Ihre Augen weichen nicht von dem aufgebrachten Mann. Eine Menschentraube bildet sich. Der Supermarktchef steht beängstigt daneben. Er glaubt, der Afrikaner wollte eine grüne Tasche stehlen. Das Preisschild klebt noch drauf. Der Beschuldigte beruhigt sich aber kurz darauf – und kann nachweisen, dass er die Tasche woanders gekauft hat. Er zieht von dannen.
Nach einer weiteren Runde durch den Stühlinger fahren Judith und Wagner zurück ins Revier in der Bertoldstraße. Zum Mittagessen gibt’s Yufka und Pizza vom Dönermann. Junge Kollegen diskutieren ausgelassen. „Ich könnt’s nicht ertragen, jemanden zu sehen, der sich aufhängt“, sagt eine. Nebenan ist der Knastflur des Reviers. Kalter Kachelboden, vier kleine Zellen mit Stahltür, eine große mit Stahlgitter. In der sitzt ein bärtiger Araber mittleren Alters. Arme und Beine verschränkt, mucksmäuschenstill, der Blick geht ins Leere. Warum er hier ist, verraten die Beamten aus ermittlungstaktischen Gründen nicht. Viele andere Fälle sind weniger brisant: „Oft nüchtern Betrunkene in den Zellen aus“, berichtet Wagner. „Am Wochenende ist das der kontrollierte Wahnsinn. Die Leute poltern, schreien, toben.“ Manche hämmern stundenlang gegen die Wand. Im Nebenraum ist die Wand seit Kurzem sogar gepolstert. Manche Delinquenten schlagen sonst mit dem Schädel eine Delle rein. Wer in die Zelle muss, bereut es meist. „Die Nacht kostet 120 Euro, ohne Frühstück und Klimaanlage“, sagt Wagner. Stündlich wird geschaut, wie es den Inhaftierten geht. Judith ist inzwischen nebenan. An einem Rechner schaut sie sich die Aufnahmen einer Überwachungskamera an. Zwei junge Männer sollen ein T-Shirt aus einem Kaufhaus mitgehen lassen haben. Einer hat gestanden, der andere nicht. „Auf dem Video ist fast nichts zu sehen“, sagt Judith. Dann geht sie in den Nachbarraum und schreibt Polizeiberichte. Eine Arbeit, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Jeder noch so kleine Fall wird fein säuberlich dokumentiert.
Krimi-hochburg Freiburg ist Spitzenreiter im Land Freiburg ist statistisch gesehen seit Jahren die kriminellste Stadt Baden-Württembergs. Im Schnitt wird alle 20 Minuten eine Straftat verübt. 2014 hat das Polizeipräsidium in Freiburg pro 100.000 Einwohner 12.392 Delikte registriert. 16 Prozent mehr als in Mannheim, das an zweiter Stelle liegt. Etwas mehr als die Hälfte der Freiburger Delikte (54,5 Prozent) wurden aufgeklärt. 43 Prozent der Straftaten sind Diebstahl, Gewaltkriminalität macht 3,3 Prozent der Fälle aus. Das Rathaus fordert mehr Personal für die Freiburger Polizei. tln
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Titiel Polizei
Aufgelesen: Drei Polizisten helfen einem betrunkenen Obdachlosen am Hauptbahnhof.
Abgeführt: Ein Beamter bringt den zuge-
Fotos: © Till Neumann
dröhnten Mann in die Ausnüchterungszelle.
Passioniert: Hauptkommissar Peter Wagner leitet eine Einsatzgruppe im Revier Nord.
„Fünf Taschendiebe, flüchtig am Schwabentorring“, schallt es plötzlich durch die Lautsprecher des Reviers. Hektik bricht aus. Mehrere Polizisten eilen in die Tiefgarage – auch Judith undWagner. Mit quietschenden Reifen schießt der Streifenwagen Richtung Bertoldsbrunnen. „Wir nehmen die Kajo“, funkt Wagner den Kollegen zu. Dann wird die Täterbeschreibung durchgegeben: „Einer im schwarzen Kapuzenpulli, einer im karierten Hemd. Mehr haben wir nicht.“ Judith und Wagner lassen ihre Blicke rasch über jede Ecke gleiten. Inzwischen ist es dunkel. An jeder Kreuzung wird gebremst, in die Gassen geschaut. Von den fünf Flüchtenden keine Spur. Judith erinnert sich an eine Gruppe stadtbekannter Jugendlicher, die sie am Mittag gesehen hatte. „Hatte nicht einer einen schwarzen Pulli an?“, fragt sie. „Gut möglich“, antwortet Wagner. Nur Sekunden später entdecken sie drei der Jungs hinter dem Schwabentor. Aber in T-Shirt und gelbem Fußballtrikot statt Pulli und Hemd. Dennoch: Personenkontrolle. Die drei sagen, von nichts zu wissen, wirken entspannt. Judith gibt über Funk die Personalien durch. „16 Sexualdelikte“, antwortet die Zentrale.Wagner bittet um eine nähere Täterbeschreibung. Ohne Erfolg. Die drei dürfen weiterziehen. Kaum 50 Meter weiter klopft eine junge Frau an die Scheibe. „Beim Schlappen hat mich einer angegrabscht.“ Judith weiß sofort, um wen es sich handeln könnte.
„Wir kümmern uns drum“, antwortet sie. Als sie ihn finden, redet sie dem Mann beschwichtigend zu – als er ihr durchs offene Fenster an die Schulter langt, wird sie deutlich: „Nicht anfassen.“ Der mutmaßliche Grabscher ist der Streife gut bekannt. Mehr passiert ihm nicht. Dann geht’s zum Bahnhof. Völlig benebelt liegt ein Obdachloser vor einem Schaufenster in der Eisenbahnstraße. Eine Streife und ein Rettungswagen sind schon da. Der Mann hat 2,1 Promille und ist vollgepumpt mit Medikamenten. Die Polizistin tastet den Heroinsüchtigen mit lilanen Schutzhandschuhen nach spitzen Gegenständen ab. Ob ihn Freunde abholen können? Keine Antwort. Mit einem Zellenbus wird der Mann zunächst in die Klinik gebracht. Dort stellt ein Arzt seine Haftfähigkeit fest. Dann geht’s aufs Revier. Dort werden Personalien aufgenommen, seine Wertgegenstände notiert, es geht in die Zelle – ausnüchtern. Es ist gegen Mitternacht. Viele Freiburger schlummern schon. Inzwischen waren Wagner und Judith unter anderem in Betzenhausen. Ein Achtjähriger war als vermisst gemeldet worden – tauchte aber kurz darauf bei seiner Uroma auf. „Eine sehr ruhige Nacht“, sagt Wagner. Zu Ende ist sie noch lange nicht. Die Schicht geht bis 6 Uhr morgens. Ein Nickerchen ist nicht drin – jede Sekunde kann der nächste Einsatz anstehen. Der kontrollierte Wahnsinn – Alltag in Freiburg. Till Neumann
Die 110-zentrale Mehr als 450 Notrufe landen täglich im Freiburger Lagezentrum Im Führungs- und Lagezentrum des Freiburger Polizeipräsidiums (FLZ) glühen die Drähte:„Hier gehen täglich 450 bis 650 Notrufe ein“, berichtet der stellvertretende Leiter, Polizeihauptkommissar Peter Häring. Das FLZ bearbeitet alle Notrufe für die Stadt Freiburg und die Kreise Lörrach, Waldshut, Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald. Vor der Polizeireform gab es kleinere Führungs- und Lagezentren in Freiburg und Lörrach. Die Notrufe für die Landkreise Emmendingen und Waldshut gingen bei den Polizeirevieren ein.
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Sieben bis zehn Mitarbeiter sind rund um die Uhr im Einsatz, um die Notrufe zu bewältigen. Einer davon ist Gerald Göppert. Auf dem Kopf ein Headset, vor sich vier Monitore. „Dauernd bimmelt es, die psychische Belastung ist hoch“, sagt der 51-Jährige. Schon klingelt’s. Auf dem Monitor blinkt eine der 20 Leitungen. Auf einem weiteren sieht Göppert eine Karte mit allen Streifenwagen, die im Einsatz sind. Nimmt er einen Notruf entgegen und gibt den Standort ein, bekommt er einen Kartenausschnitt
des Gebiets gezeigt. Die dortigen Streifenwagen werden per SMS benachrichtigt. Das Schwierigste ist, schnell herauszufinden, was der Anrufer möchte. „Die Leute sind teils in Not oder auch mal alkoholisiert. Wir müssen da sehr strukturiert vorgehen“, sagt Häring. In brenzligen Fällen hört der Kollege am Nachbartisch mit oder klinkt sich in die Leitung ein. Plötzlich pfeift es im Raum. „Keine Sorge, das ist nur der Test einer Bank“, beschwichtigt Göppert. Dann blinkt wieder eine Leitung, der nächste Notruf. tln
WO R E D T IS E T S H C NÄ Y R T E O P SLAM? Gleich nachschauen:
TIPPS -TERMINE -TICKETS
Kopf an Kopf: Der Urbos 100 (vorne) rollt ab Juli durch Freiburg. Kann er es mit der 34 Jahre alten GT8K aufnehmen? Das chilli macht den Härtetest.
Rassige Lady gegen lässige Dame
Freiburgs neuer Urbos tritt gegen älteste aktive tram an
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Fotos: © Till Neumann
m exklusiven chilli-Tram-Duell tritt Freiburgs neue Straßenbahn Urbos 100 auf dem Freiburger VAG-Gelände gegen die älteste aktive Tram auf Freiburger Schienen an, die GT8K. Die blutjunge Spanierin ist technikaffin und voller Tatendrang – die deutsche Dame dafür schienenerprobt und gemütlich. Wer ist schneller? Komfortabler? Stylischer? Die ersten Proberunden hat der spanische Urbos schon gedreht. Ab dem 16. Juli ist Freiburgs neue Straßenbahn offiziell auf den Schienen. Die Gleise teilt sie sich dann auch mit der GT8K. Die erfahrenste der Freiburger Trams ist satte 34 Jahre alt. 24 CHILLI Mai 2015
Der erste Blick
Frisch gewienert glänzt der Urbos in der Sonne. „Die Schönste unserer Trams“, schwärmt VAG-Betriebsleiter Johannes Waibel. Große Frontscheibe, schnittiges Design, auf der weißen Schnauze ein breites Siegerlächeln. Die GT8K macht dafür aus ihrem Alter keinen Hehl. Langsam rollt sie aus der Garage. Schnittig sieht sie nicht aus, liegt aber unerschütterlich auf den Gleisen. „Optisch ist sie keine Schönheit, technisch etwas überholt. Damit kann man aber noch gut fahren“, lobt Waibel. 1:0 für den Urbos.
Fahrerhäuschen
Nur der Tramfahrer weiß, wie die beiden Damen wirklich ticken. Er verbringt schließlich Tag und manchmal auch die Nacht mit ihnen. Die GT8K ist Old School, wie das Fahrerhäuschen zeigt. Große Lampen, kleines Display. Das Mikro für Durchsagen spricht Bände: „In der GT8K ist das ein Riesenrüssel, im Urbos nur ein kleiner Stummel“, sagt Waibel. Die hübsche Spanierin bezirzt den Fahrer dafür mit Multifunktionsdisplay inklusive Touchfunktion. Die Außenspiegel der GT8K wurden durch Kameras ersetzt (Bild: zweite Reihe von oben, rechts). Noch ein Punkt für den Urbos.
Nahverkehr Tram-check
Geschwindigkeit
900 KW hat der Motor der rassigen Spanierin. „Die könnte es locker auf 85 Stundenkilometer schaffen“, sagt Waibel. „Das kann man in Freiburg aber vergessen.“ Mehr als 63 Stundenkilometer sind nicht drin. So schnell ist auch die GT8K unterwegs (600 KW) – die alte Dame könnte auf bis zu 70 Stundenkilometer beschleunigen. Unentschieden.
Gewicht
Ob jung oder alt, die Hüften der beiden Damen sind jeweils 2,30 Meter breit. Die GT8K musste in 34 Jahren zwar mehrmals in Reparatur, hat aber nicht ein Gramm zugelegt. Viel Bewegung hält schlank. Punktgewinn für die deutsche Sportskanone. Zwischenstand 3:2.
Einstieg
Drei steile Stufen, enge Tür. Wer in den Bauch der GT8K will, muss beweglich sein. Bei viel Betrieb geht beim Einstieg das Gequetsche los. Das geht beim komplett niederflurigen Urbos deutlich leichter: Doppeltüren, ebenerdiger Einstieg. Und die Spanierin hat ein Herz für Kinder und Ältere: Mehrere Multikomfortzonen bieten Platz für Kinderwagen, Rollstühle oder Rollatorfahrer. „An behindertengerechte Ausstattung hat früher keiner gedacht“, sagt Waibel. Schlappe für die steile Dame.
Geräuschpegel
Die GT8K hat nach drei Jahrzehnten Verkehr so einiges zu erzählen. Deswegen ist sie eine wahre Plaudertasche. Sobald sie rollt, erzählen ihre ratternden Räder lautstark Anekdoten. Die noch etwas schüchterne Spanierin ist durch gedämmte Wände viel zurückhaltender. Im Innenraum hört man sie kaum noch quasseln. Punkt für die geheimnisvolle Spanierin.
Sitze
Die alte Dame setzt auf Retrocharme: weinrote Plastikschalen an hellbraunen Wänden. „Die Sitze sind sehr einfach gestrickt“, sagt Waibel. „Wie man das früher so gemacht hat.“ Darunter hängen in regelmäßigen Abständen graue „Heizmonster“ (Bild: dritte Reihe von oben). Wer daneben steht, hat qualmende Füße – wer weiter weg ist, kriegt kalte Zehen. Im Schoß der Spanierin sitzt es sich deutlich gemütlicher: ergonomisch geformte Sitzschalen mit rot-schwarzen Polstern. Dabei wird man über die Bildschirme im Innenraum berieselt. Eine Klimaanlage regelt Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Punkt für die Neufreiburgerin.
Fazit
Trotz eklatanter Unterschiede haben die beiden Ladys viele Ähnlichkeiten:„Jeder Fahrer muss ja alle Modelle fahren können“, sagt Waibel. Auch die rot-weiß-schwarze Lackierung ist ähnlich. Am Ergebnis ändert das aber nichts: Die schweigsame Spanierin schlägt die deutsche Plaudertasche mit 6:2. Ob der Kantersieg auch langfristig Erstklassigkeit sichert, ist aber ungewiss. Wie sagte schon Otto Tramhagel? Die Wahrheit liegt auf den Gleisen. Till Neumann Mai 2015 CHILLI 25
VERANSTALTUNGSKALENDER Foto: © Timo Volz
Termine
Partys 16. 5.– 21.6.
Moi Et Les Autres mit Juliette Brousset (Les Brünettes) Swing Chanson am 21 Mai 2015 um 20 Uhr im Jazzhaus Freiburg
VERANSTALTUNGSKALENDER Samstag
16.5.2015 Ausstellungen Raymond Depardon: Berlin
Z um Jubiläum: 30 Jahre freiburger film forum, 18.4.-3.6. Centre Culturel Français, Freiburg Info: www.ccf-fr.de
I ch Mann. Du Frau – Feste Rollen seit Urzeiten?
ie Unterschiede zwischen den D Geschlechtern, 16.10.-17.5. Archäologisches Museum, Colombischlössle, Freiburg Info: www.freiburg.de/museen
Andy Warhol
erke des berühmten amerikanischen W Künstlers, 2.5.-27.9. Kunsthalle Messmer, Riegel Info: www.kunsthallemessmer.de
Events F oir‘Expo 2015 – Foire de Mulhouse
Rohvolution
Spook me!
Kammermusikabend
Offene Jahrgangspräsentation
European Dance Award 2015
1. Kaufhaus Serenade 2015
er Weg zur gesunden Ernährung, 10-18 Uhr D Messe, Freiburg ★ 10 Uhr Info: www.rohvolution.de en Markgräflern ins Glas geschaut, 11-18 Uhr D Markgräfler Weingüter ★ 11 Uhr Info: www.markgraefler-weingueter.de
14. Internationales Fest
it Musik, Tanz, Gesang & m kulturellen Darbietungen Markgräfler Platz, Müllheim ★ 12 Uhr Info: www.muellheim.de
igital Music Design – Kreative D Musikproduktion am Computer I nfoveranstaltung zur Kursreihe Hochschule für Kunst, Design & Populäre Musik, Freiburg ★ 14 Uhr Info: www.hkdm.de
Freiburger Frühjahrsmess‘
1 4.-25.5., 14-24 Uhr Messe, Freiburg ★ 14 Uhr Info: www.freiburgermess.freiburg.de
Self-Help-Group
6 8. Frühjahrsmesse, 10-21 Uhr Messegelände, Mulhouse ★ 10 Uhr Info: www.parcexpo.fr
E in Projekt von Mouchacha Theaterplatz, Basel ★ 15 Uhr Info: www.theater-basel.ch
Gartenfest
Mörderischer Wein
lütenrausch, 10-18 Uhr B Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin, Sulzburg-Laufen ★ 10 Uhr Info: www.graefin-von-zeppelin.de
26 CHILLI Mai 2015
einkellerführung mit Kriminaltstück & W Weinprobe Badischer Winzerkeller, Breisach ★ 18 Uhr Info: www.vinothek-breisach.de
as musikalische Geisterbankett D Teatro dell‘Arte im Europa-Park, Rust ★ 18.45 Uhr Info: www.europapark.de erleihung des Goldenen Colibri V Kurhaus, Baden-Baden ★ 20 Uhr Info: www.badenbadenevents.de
Hyrrätytö
F ortsetzung des Cirque NiveauSpektakels hyrrä Saal im E-Werk, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.ewerk-freiburg.de
Music Barry Male Voice Choir
I m Vorprogramm die Liederlichen aus Rheinfelden Vocondo-Dome im Kulturpark Tutti Kiesi, Rheinfelden ★ 17 Uhr Info: www.rheinfelden.de
Metal Café Live
Verschiedenste Metal-Spielarten Altes Wasserwerk, Lörrach ★ 19.30 Uhr Info: www.alteswasserwerk.de
Omer Klein Trio
D Releasekonzert ‚Fearless Friday‘ C Jazzhaus, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.jazzhaus.de
Wolfgang Gerbig
L iedermacher aus Bad Krozingen mit aktuellen Songs Litschgikeller, Bad Krozingen ★ 20 Uhr Info: www.bad-krozingen.Info
erke von Haydn, Debussy & Thuille W Galerie depot.K, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.depot-k.com onzert des Sanssouci-Quartett K Historisches Kaufhaus am Münsterplatz, Freiburg ★ 20.15 Uhr Info: www.historischeskaufhaus.freiburg.de
Blut Zucker Sex Magie
est of Chilli Pepers B Mehlsack, Emmendingen ★ 20.30 Uhr Info: www.mehlsack.com
Nat Su Quartet
Intelligent-feinsinniger Jazz Bird‘s Eye Jazz Club, Basel ★ 20.30 Uhr Info: www.birdseye.ch
F.B.I. – Fast Beat Inc
Ska-y-Rock Wodan Halle, Freiburg ★ 20.30 Uhr Info: www.wodan-halle-freiburg.de
5 Richtung Wir & Parka auf A Frühjahrstour
Deutschsprachige Pop-Band KIK – Kultur in der Kaserne, Offenburg ★ 21 Uhr Info: www.kik-online.de
Sporting Blissett & Pat Hargreaves E lektroPop aus Freiburg & Rock/Country/ Folk aus Basel Furioso, Freiburg ★ 21 Uhr Info: www.facebook.com/furiosofreiburg
› Alle Angaben ohne Gewähr
VERANSTALTUNGSKALENDER Musical
Theater
The Lion King
Don Quijote
Oper
Der eingebildete Kranke
as original Broadway-Musical, bis 11.10. D Musical Theater, Basel ★ 19.30 Uhr Info: www.thelionking.ch
Così fan tutte
per von Wolfgang Amadeus Mozart O Große Bühne, Theater Basel ★ 18.30 Uhr Info: www.theater-basel.ch
Die Königin von Saba
per von Karl Goldmark O Großes Haus, Theater Freiburg ★ 19.30 Uhr Info: www.theater.freiburg.de
Party Moneyboy Live
ach dem Stück von Michael Bulgakow N Theater im Marienbad, Freiburg ★ 19 Uhr Info: www.marienbad.org omödie von Molière K Kammerspiele im E-Werk, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.puck-freiburg.de
Stammheim
v on Kreitmeier & Wetter Theater der Immoralisten, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.immoralisten.de
Frau Müller muss weg
omödie von Lutz Hübner K Wallgraben Theater, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.wallgraben-theater.com
Immer noch Sturm
ftershow-Party by Schlangencrew A Hans-Bunte-Areal, Freiburg ★ 21 Uhr Info: www.facebook.com/rotationtechno
tück von Peter Handke S Kleines Haus, Theater Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.theater.freiburg.de
2 Jahre Showdown
as große Jubiläum D Etage Eins, Marlener Str. 9, Offenburg ★ 22 Uhr Info: www.etageeins-og.de
Pure Vernunft darf niemals siegen Js: Leon MC, Dänny, Michel Mabelle, D Jannf Jut & Moltke 38 Jos Fritz Café, Freiburg ★ 22 Uhr Info: www.josfritzcafe.de
One Night
ith Session Victim w Passage 46, Freiburg ★ 23 Uhr Info: www.passage46.com
Projekt 95 – Eden Hotel
T heaterstück von Philipe Braz Salmen, Offenburg ★ 20 Uhr Info: www.kulturbuero.offenburg.de
Die Wunderübung
aarberater-Komödie von Daniel Glattauer P Cala Theater, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.calatheater.de
Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
rama von Friedrich Schiller D Haus der Volksbildung, Weil am Rhein ★ 20 Uhr Info: www.fugit.de
Tanz
Fellinicittà oder eine 1/2 Stunde Glück
Follies 2015
ie Show der Musical-TAP-Company Freiburg D Augustinum, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.augustinum-freiburg.de
Rock, Pop, Metal
I Pelati Delicati Schauspielhaus, Steinentorstr. 7, Basel ★ 20 Uhr Info: www.theater-basel.ch
Nüt als Theater im Theater
Foto: © Roger Mueller
Fürstenberg Lokal Derby Crash, Freiburg
Freitag, 15. Mai, 20 Uhr
Band-Battle Rock, Pop, Metal, Hip Hop und Partymusik – beim Lokal Derby der Fürstenberg Brauerei ist die Vielfalt der Musikstile groß. Von mehr als 90 Bewerbungen hat eine Jury 16 ausgewählt, weitere vier haben Fans per Online-Voting gewählt. Je fünf von ihnen treten nun in vier Locations gegeneinander an. Im Freiburger Crash sind das: Blackslash mit ihrem Oldschool Heavy Metal, die Rocker In Haze, Lia Reyna mit ihrem Indie Pop, Shy Guy At The Show mit Dark Wave Rock und die Freiburger The Heron Theme, die ihren Alternative Rock vorstellen. Wer damit noch nicht genug hat: Am 22. Mai geht es in Tuttlingen weiter, am 29. in Karlsruhe – dort dann auch mit dem Freiburger Hip-HopDuo Zweierpasch. www.lokalderby.fuerstenberg.de
E ine Komödie. Eine Farce. Ein Schwank. Alemannische Bühne, Freiburg ★ 20.15 Uhr Info: www.alemannische-buehne.de
komödie
Viva la Diva
iven & Eskapaden D TAM – Theater am Mühlenrain, Weil am Rhein ★ 20.15 Uhr Info: www.tam-weil.de
Foto: © Mathias Lauble
Abgesoffen
Frau Müller muss weg Wallgraben Theater, Freiburg Sa., 16. Mai, 20 Uhr
Kampf in der Schule Eltern vs. Lehrer: Den Kampf, wie er in zahlreichen Klassenzimmern tobt, bringt Lutz Hübner auf die Bühne. Für die Eltern der 4b ist Klassenlehrerin Müller Schuld, dass einige Schüler den Sprung aufs Gymnasium nicht schaffen. Ein urkomischer Elternabend. www.wallgraben-theater.com Karten-Infos: 0761/496-8888
ach dem gleichnamigen Roman N von Carlos Eugenio Lopez Kammertheater im E-Werk, Freiburg ★ 20.30 Uhr Info: www.ewerk-freiburg.de
Sonntag
17.5.2015 Ausstellungen Frauensache
usstellung im Rahmen der A Tschechischen Kulturtage, 3.5.-25.6. Rathaus, Umkirch Info: www.tschechische-kulturtage.de
Malerei & Objekte
erke von Thomas Koch & Gerd Kanz, W 17.4.-17.5. Badisches Kunstforum, Ebringen Info: www.badisches-kunstforum.de
Finissage: Ukraine Barfuss
ultimedia Installation, 25.4.-17.5. M Galerie II im E-Werk, Freiburg Info: www.ewerk-freiburg.de
Events Foir‘Expo 2015 – Foire de Mulhouse 6 8. Frühjahrsmesse, 10-20 Uhr Messegelände, Mulhouse ★ 10 Uhr Info: www.parcexpo.fr
Rohvolution
er Weg zur gesunden Ernährung, 10-18 Uhr D Messe, Freiburg ★ 10 Uhr Info: www.rohvolution.de
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MUSIK REZIS
4 FRAGEN AN
Offshore
Tonomat 3000 Tono EP
Matou Noir Tanzkellerhölle
Eigenvertrieb
Eigenvertrieb
Foto: © Offshore
Durch dick und dünn Die Freiburger Rockband Offshore feiert ihr 40Jahre-Jubiläum am 22. Mai im Waldsee. Bandleader Jörg Deger plauderte mit chilli-Redakteur Till Neumann über ein Megakonzert, ein bankrottes Plattenlabel und einen zu lauten Bassisten. 40-Jahre-Jubiläumskonzert, was habt ihr dafür alles in petto? Unsere Greatest Hits aus vier Jahrzenten – von Ballade bis wilder Progrock! Und viele eingeladene ehemalige Bandmitglieder. Ein paar Anekdoten wird es auch geben, aber nur in ein, zwei Sätzen. Wir spielen lieber als zu reden (lacht). 40 Jahre, das sind sicher auch Höhen und Tiefen ... Klar. Ein Höhepunkt war ein Konzert in den 70ern. Im Haus der Jugend haben wir damals vor mehr als tausend Leuten gespielt. Tiefpunkt war der Tod unseres ehemaligen Sängers im Jahr 2001. Deswegen aufzuhören war aber kein Thema. Sie sind seit der Gründung 1975 dabei. Bassist Martin Himmelsbach seit 39 Jahren. Kann man sich da noch riechen? Na klar, bei uns ist alles harmonisch. Ich bin Martins größter Fan. Wenn ich die Songs mische, ist der Bass immer zu laut. In den ersten Jahren hatten wir sogar einen Plattenvertrag. Dann ist die Plattenfirma pleitegegangen. Seit den 90ern lassen wir es ruhiger angehen. Hängt ihr nochmal zehn Jahre dran? Wir machen so lange weiter, wie wir unsere Instrumente halten können. Aktuell klappt das noch sehr gut. Wer uns zu Hause hören will, kann im Waldsee eines unserer zwei Alben kaufen. Das andere ist längst vergriffen. 66 CHILLI Mai April 2012 58 CHILLI 2015
Diese Frau, dieser Riff
Ende einer Odyssee
Auf dem ZMF 2014 brannten Tonomat 3000 im Fürstenbergzelt ein musikalisches Feuerwerk ab. Federleichte Texte – mal gerappt, mal gesungen –, getragen von handgemachten Livebeats: Schlagzeug, Gitarre, Bass, Piano. Der Pop-RockRap-Soundkosmos der fünf Mannheimer reißt mit. Das Ganze gibt’s seit Mai nun auch auf Platte. Endlich. Die Tono EP bietet sechs fein produzierte Songs der Popakademie-Studenten aus dem Szeneviertel Jungbusch. Der in Freiburg groß gewordene Frontmann Julian Schwizler, so manchem bekannt als Lingulistig-Rapper, textet über Zwänge des Alltags (Zwei Welten), den Ausbruch aus den eigenen vier Wänden (18m2) und knisternde Liebe im Highlight der Scheibe: Femme Fatale. Die Gitarre fesselt ab dem ersten Takt – verschrobelter Kopfkino-Riff. Schwizler erzählt dazu von einer berauschenden Dame: „Wenn ich mit dir tanz, geht in dunklen Clubs die Sonne auf.“ Der Refrain braucht nur den einen Riff und zwei Worte „Femme Fatale“. Und dann auf Replay. Noch mal hören. Und noch mal. Tonomat 3000 spielen auf hohem Niveau. Der atmosphärische Sound ist aus einem Guss, reduziert auf das Wesentliche. Schwizlers verschmitzte Stimme schwebt in der Goldenen Mitte und trifft auch gesungen den Ton. Frühlings-Sommer-Mucke – Fenster auf, Sonne atmen, tanzen.
Multikulti. Mehrsprachig. Mitreißend. Seit Jahren bringt das Freiburger Akustik-Ensemble Matou Noir seine Fans zum Tanzen. Die sieben Musiker mischen Balkan, Klezmer, Tango und Jazz. Mitte Mai haben sie nun ihr viertes Album Tanzkellerhölle im Jazzhaus releast. Dass dabei höllisch getanzt wurde, ist so sicher wie das andächtige Lauschen in der Kirche. Denn wer Matou Noir (Französisch für schwarzer Kater) hört, bewegt sich automatisch. Mit Geige, Cello, Akkordeon, Gitarre, Kontrabass und Perkussion entführt die Band in exotische Welten: eine staubige spanische Straße, ein osteuropäischer Basar, ein verborgener Hinterhof. Auch der Gesang ist multikulti: Camilla Chimiak singt in acht Sprachen. Auf Anfrage muss Cellospieler Christian Buchholz selbst nachzählen: Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Roma, Jiddisch, Ladino und sogar eine eigene Fantasiesprache sind auf Tanzkellerhölle zu hören. Die Palette reicht von „Serbischer Schinken“ über „La vie“ bis zu „ikh hob dikh tsufil lib“. Gleich im ersten Titel wird zum „dance with me“ aufgefordert, der „Ladino Song“ versprüht sanfte Melancholie, und „Ederlezi Revisited“ mündet in einem furiosen I-like-to-move-it-Finale. Eine Platte für Balkanfans, Akustikliebhaber und Tanzbären.
Till Neumann
Till Neumann
Two Bears North Comeocean
Francesca Belmonte Anima
Devilduck Records
False Idols
Der Sounddreck zum Handy Titel: Handy Lied Urheber: Die neuen Barden Jahr: 2011
Retro. Wir können dieses Wort nicht mehr hören. Retro. Heute häufig der Deckmantel für mittelschwere bis schwerste Verbrechen.
Luftige Kompositionen
Kraftvoll und persönlich
Mit „Comeocean“ haben „Two Bears North“ ihr Debütalbum vorgelegt. Die kanadische Presse lobt die Band um die beiden Gründerinnen Sophie Heppell und Melissa Walker eindrucksvoll. Bei den Edmonton Music Awards 2014 gewann sie den Publikumspreis und war insgesamt fünf Mal nominiert. Gigcity.ca bezeichnete den Erstling als bestes Album in Edmonton in 2014. Das muss ja irre gut sein, denkt man – und wird nicht enttäuscht. Es sind wirklich gute Songs auf dem Album, größtenteils nur spärlich instrumentiert, was die Kompositionen sehr luftig macht. Die beiden Frauen haben hier einen eigenen Sound geschaffen. „I don´t think we even had any idea what we wanted the songs to sound like“, sagt Heppell: Hier aber liegt auch der Schwachpunkt der Produktion. Das Album klingt nicht schlecht, aber irgendwie selbst produziert: Es ist eben manchmal schon schade, dass die wirklich guten Gesangsmelodien in der lauten Snare etwas untergehen. Sieben Jahre haben Heppell und Walker an vielen Songs in vielen verschiedenen Phasen gearbeitet, um diese zehn Songs aufzunehmen. Man hört ihnen und ihrem Schlagzeuger Nich Davis den Spaß am Spielen und Komponieren deutlich an. Viele Ideen werden verarbeitet, viele Instrumente eingesetzt.„Comeocean“ ist in musikalischer Hinsicht absolut gelungen.Man darf auf das zweite Album gespannt sein – und den Reifeprozess beim Produzieren.
Fast hypnotisierend wirken die Klänge von Francesca Belmontes Debütalbum. Die Sängerin mit irischen und italienischen Wurzeln zeigt, dass ihre Musik genauso vielfältig ist wie sie: Eine Mischung aus Electro, R’n’B, Soul, Pop und avantgardistischen Einflüssen, düstere Klänge wechseln sich mit einer kräftigen Soulstimme ab. Mit neun Jahren hat die Sängerin angefangen, Gedichte zu schreiben und zeigt diese poetische Ader auch in ihren Liedern: Sie singt über eigene Erfahrungen, Liebe und Schmerz. Vielleicht entstand daraus der Titel „Anima“, der im Italienischen Seele bedeutet. Gleich im ersten Song „Hiding In The Rushes“ kommt die hypnotisierende und mystische Atmosphäre durch dramatische Synths besonders zur Geltung. Ruhigere Töne schlägt sie in „Walk With You“ an. In der Ballade schafft Belmonte einen fließenden Übergang von Trip-Hop zu Soul und überzeugt mit ihren Texten: „I hear the people crying, I see them rise and fall, walking with no direction, waiting for your protection“. Der Song „Joker“ unterscheidet sich mit Rhythmen voller Spannung und Dramatik von den modernen Stücken und erinnert an die Titelmusik eines James Bond-Klassikers. Ein tolles Debütalbum, das den Spagat zwischen mystischen Klängen und persönlicher Tiefe schafft.
Marc Bargmann
Valeska Martin
Die schlimmsten Seuchen im Retro-Milieu sind Mittelaltermärkte oder historisch-spirituell verklärte keltische Sonnwendfeiern und Ähnliches. Dass sich die Teilnehmer hierbei in die Zeiten der häufig wenig rücksichtsvollen körperlichen Züchtigungen und einer wenig durchlässigen Klassenstruktur zurücksehnen, ist ja vielleicht noch zu tolerieren. Aber warum müssen sich Musiker im 21. Jahrhundert Minnesänger oder Barde nennen. Und woher nehmen sie das Recht, Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft wie das Handy zu kritisieren? „Du triffst keine Menschenseele – du bist völlig allein. Denn die Leute kriechen förmlich in ihr Handy rein, und du fragst dich, warum die alle so was freiwillig tun, bis dir endlich klar wird – der Hirntod geht um.“ Aua. Aua. Das ist also die Reimkunst der „Neuen Barden“. „Glaubst du im Ernst, dass 60.000 Masten hier im Land. Und 40 Millionen Handy‘s in deutscher Hand. Sich nicht in Kürze rächen in deinen Gehirn. Wo doch vielen Menschen heute schon die Schädel schwirr‘n.“ Keine Handystrahlung kann so schlimm sein. Ein Strafmaß zu finden wird hier schwer. Das Telefon klingelt, wir müssen Schluss machen, für Ihre Geschmackspolizei Benno Burgey
Illustrationen: © Belser Verlag/Peter Gaymann
Kaleidoskop des Homöobadischen Das neue Buch des Freiburgers Peter Gaymann
P
eter Gaymann hat ein neues Buch veröffentlicht. „Typisch Badisch von Titisee bis Tuniberg“ heißt es, und er hat es sich selbst zum Geburtstag geschenkt: Im Juni wird er 65 Jahre jung. Und schon auf der ersten Seite des schmalen quadratischen Bändchens schmettert ein verrücktes Hühnerorchester ein Geburtstagsständchen: das Badnerlied. Das Lied passt – der spitzfindige Zeichner, der die deutsche Cartoon-Landschaft seit Jahren mit eben diesen schrägen Vögeln bevölkert, ist schließlich richtiger
Peter Gaymann: Das Federvieh hat ihn schon in seiner Kindheit begleitet.
64 CHILLI Mai 2015
Foto: © Belser Verlag
Südbadener: Freiburger. Und die Hühner, die längst zu seinem Markenzeichen geworden sind, haben ihn bereits bei seinen ersten Geh- und Skizzierversuchen im heutigen Stadtteil Mooswald begleitet: Als Kind wohnte er in einem Häuschen in der damaligen West-Siedlung am Waldrand. Mit einem Gemüsegarten vor dem Haus, einem Schweinestall dahinter und einem Hühnerhof daneben. Heute gibt es dort kaum mehr Spuren von dieser ländlichen Idylle mit Hühnern. In Gaymanns Cartoons existieren sie weiter. Auch in „Typisch Badisch“ taucht zwischen schön gemalten Landschaftsaquarellen immer wieder ein solches Federvieh auf, etwa als Yoga-Lehrer für Schwarzwälder, als Wasserspeier oder als Demonstrant. Er kennt sich nicht nur mit badischen Hühnern aus. Er weiß auch sehr genau Bescheid über die Eigentümlichkeiten der badischen Menschen, über das, was sie unter Todsünde verstehen, oder das, was sie nie sagen würden. Obwohl er seit 30 Jahren nicht mehr hier lebt, kann er immer noch treffsicher bezeichnen, was typisch badisch ist. Er ist tief vertraut mit dieser besonderen Spezies, die die Welt augenzwinkernd in Badische, Unsymbadische und Homöobadische einteilt. Die gern gut isst, noch lieber Wein trinkt und am liebsten den eigenen. Die wortreich ausufernden Selbstdar-
stellungen mit knappen Kommentaren begegnet, im Ernstfall gar mit wortkarger Endgültigkeit:„Nai hämmer gsait.“ In diesem Satz liegt die ganze Widerborstigkeit, zu der diese beschauliche Sorte Mensch fähig ist. Der Protestkultur, die vor 40 Jahren im Wyhler Wald mit diesen drei Worten ihren Anfang nahm, ist denn auch ein eigenes Kapitel eingeräumt. Ebenso der speziellen Sprache und dem angeblich immer guten Wetter. Und selbstverständlich den Hühnern. Peter Gaymann widmet dieses vergnügte, charmant-ironische und ausgesprochen „symbadische“ Kaleidoskop hiesiger Befindlichkeiten „seinen“ Badenern. Und das Museum für Neue Kunst widmet ihm und seinem Schaffen vom 26. Juni bis 25. Oktober eine große Einzelausstellung – ein besonderes Präsent zum Geburtstag. „Kunst kommt von kaufen“ heißt sie, und das Begleitbuch hat Gaymann gerade in Arbeit. Er hat also noch nicht vor, Rentner zu werden.
Erika Weisser Peter Gaymann Typisch Badisch von Titisee bis Tuniberg 64 Seiten, gebunden Belser Verlag 2015, 16,95 Euro
BÜCHER Kolumne
Zwischenmiete
Oskar Roehler Mein Leben als Affenarsch 224 Seiten, gebunden Ullstein Verlag, 2015 18 Euro
Udo Pollmer, Georg Keckl, Klaus Alfs Don’t Go Veggie! 222 Seiten, Taschenbuch S. Hirzel Verlag, 2015 19,80 Euro
Wut und Wahnsinn
Reine Polemik
Die Mutter ist eine versoffene, egozentrische Schreiberin, der Vater, einst Kassenwart der Roten Armee Fraktion, auch ziemlich am Ende. Vom Internat in der fränkischen Provinz ist er geflogen und bislang hatte er nur Blümchensex – Robert muss raus. Dabei ist es nun „eine Frage der Moral, ob man lieber in München verspießert oder in Berlin total verzweifelt ist“. Diese Frage stellt der renommierte Regisseur und Drehbuchautor Oskar Roehler in seinem zweiten Roman „Mein Leben als Affenarsch“ in den Raum und streift so nebenbei seine eigene Familiengeschichte. Es geht also nach Berlin, in die Frontstadt der Achtzigerjahre: Graue Hinterhöfe, der Geruch nach Kohlsuppe, jede Menge Wodka, Speed und Punkrock, hier geht die Welt jeden Tag erneut unter, hier sind alle anderen Wahnsinnigen gestrandet. Robert, der verhinderte Literat, putzt in einer fiesen Peep-Show das Sperma weg, hat endlich hemmungslosen Sex und wandert in seinen Springerstiefeln scheinbar ziellos durch die eingemauerte Stadt. Das eingängige Buch hat den harten, energetischen Sound der Mauerstadt, es ist ein anklagender, witziger und schamlos offener Monolog, Übrigens: Mit dem gleichzeitig in die Kinos gekommenen Film „Tod den Hippies, es lebe der Punk!“ (Grandios: Tom Schilling) gibt es nur grobe Überschneidungen. Wie den väterlichen Rat: „Junge, am Ende zählt nur die Missionarsstellung.“
Ein extremer Titel ist ein zugkräftiger Titel, und eine Wortwahl wie „vegetarischer Wahn“ kurbelt sicherlich die Verkäufe an. Schade nur, wenn es zwischen den Buchdeckeln ebenso reißerisch und einseitig weitergeht: In der „gepfefferten Kampfschrift“ der drei Autoren ist von einem Pro und Kontra leider nichts zu finden – Argumente, die für eine Veggie-Lebensweise sprechen, werden komplett ausgeblendet. Manches, wie der Sinn des Tiermehlverbots, die BioRichtlinien zur Behandlung kranker Tiere oder der Einfluss des Veganismus auf den Flächenverbrauch, ist sicherlich eine Überlegung wert. Doch sich ohne weitere Quellen eine fundierte Meinung zu bilden, ist unmöglich. Die Reihenfolge der 75 Fakten ist komplett willkürlich, eine Ordnung nach Relevanz oder nach ethischen, umweltschutztechnischen und gesundheitlichen Aspekten ist nicht zu erkennen, was die Lektüre verkompliziert. Sprachlich werden die Autoren gerne polemisch: Um Argumente zu unterstreichen, werden Tierrechtler als Menschen bezeichnet, die therapeutische Hilfe brauchen, oder Veganismus wird als Gelegenheit beschrieben, „Persönlichkeits- und Essstörungen als ethische Hochbegabung auszugeben“. Schwer nachzuvollziehen, was das mit einem Kampf für Toleranz zu tun haben soll, den die Autoren angeblich führen.
„Sobald man in andere als die üblichen Räume geht, passieren andere Dinge als die erwarteten.“ Martin Bruchs Feststellung ist nicht etwa das Ergebnis einer intensiven philosophischen Auseinandersetzung über das komplexe Thema Zeit und Raum. Es ist vielmehr die Quintessenz der Erfahrungen, die der Leiter des Literaturbüros mit dem Projekt „Zwischenmiete“ gemacht hat: Die seit vier Jahren gemeinsam mit dem Freiburger Studierendenwerk organisierten Lesungen junger Autoren in Wohngemeinschaften seien die am besten besuchten Veranstaltungen des Literaturbüros. Das lassen die vielen Schuhe schon ahnen, die, haufen- und paarweise im Treppenhaus angeordnet, den Weg zur Gastgeber-WG für Raphaela Buder und ihr Erstlingswerk weisen. Der gar nicht mal so kleine Gemeinschaftsraum ist bis zum letzten Millimeter besetzt; wer auf Sofas und Sesseln keinen Platz findet, lässt sich einfach auf dem Boden nieder. Auf den bunten Sitzkissen, die das Literaturbüro den Zwischenmietern zur Verfügung stellt. Das Stimmengewirr des studentischen Publikums verebbt, die außeruniversitäre Vorlesung beginnt. Und die ist, wie es der Natur einer Graphic Novel entspricht, nicht besonders wortreich. „Roar“ liest die junge Berlinerin, immer wieder. Und das, was sonst noch in den Sprechblasen der Zeichnungen zu lesen ist, die auf großer Leinwand zu sehen sind. „Die Wurzeln der Lena Siebert“ heißt Raphaela Buders Buch, und es ist die Abschlussarbeit ihres Kommunikationsdesign-Studiums. Es wurde auch schon prämiert: Mit dem Förderpreis AFKAT 2015, dem zu verdanken ist, dass es überhaupt erschienen ist. Und zur Freiburger Zwischenmiete kam. In andere als übliche Räume.
Tanja Bruckert
Dominik Bloedner
Foto: © Raphaela Buder
Andere Räume
Erika Weisser
Wir im Süden feiern volles Programm:
Brauereifest 13. - 14. Juni 2015 Brauereihof, Donaueschingen
Samstag, 13. Juni von 18-24 Uhr
LOKAL DERBY-Finale 4 Top-Bands live & Special Guest „Otto Normal“
Sonntag, 14. Juni von 11-17 Uhr
Tag der Bierkultur Genießen & feiern mit der ganzen Familie » Brauerei-Rundgang: Schauen, wie wir brauen » Handgemachte Musik » Autogrammstunde mit den Wild Wings-Stars Sascha Goc und Simon Danner
Unser Fürstenberg: Bierkultur seit 1283.
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Dies war eine Leseprobe der Mai-Ausgabe 2015.
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