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»WOLLEN NICHT VERSTECKT SEIN«
WARUM DIE AHMADIYYA-GEMEINDE EINE MOSCHEE MIT ZIERMINARETT PLANT
Seit Jahren sucht die Ahmadiyya-Gemeinde in Freiburg einen Ort für eine Moschee. 2016 war das Vorhaben in Zähringen nach Protesten gescheitert. Jetzt hat die Gruppe ein Gebäude im Industriegebiet Haid gekauft. Bevor es losgeht, suchen die Vertreter den Kontakt in viele Richtungen. „Wir wollen Transparenz“, erzählen sie in ihrem kleinen Gebetsraum im Stühlinger.
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Freitagmittag. Rund 20 Männer knien auf bunten Teppichen und beten. Sie tragen Mützen, lange Hosen, keine Schuhe. Über ihnen rotiert ein Ventilator. „Der übelste Mensch ist derjenige, der zwei Münder hat“, predigt der Imam Mobahil Monib Ahmad im Gebetsraum der Gemeinde Ahmadiyya Freiburg. Die Gläubigen lauschen andächtig.
Seit 1995 ist die Gemeinde an der Klarastraße 73. In dem Raum wird nicht nur gebetet, die 160 Mitglieder planen auch Events, treffen sich zum Austausch und geben Koranunterricht. Stühle und eine Kaffeemaschine stehen an den Wänden. Auch ein Waschbecken ist dort.
Da es eng ist, hoffen sie auf einen Ort, der mehr Platz bietet. „Wir suchen seit sehr vielen Jahren, schon eine Ewigkeit“, erzählt Iftikhar Ahmad. Der 40-Jährige ist Vorsitzender der
Freiburger Ahmadiyya-Gemeinde. Für ihn ist es der dritte Anlauf nach einer Absage an der Tullastraße und dem nervenaufreibenden Hin und Her in Zähringen. Vor sieben Jahren schien da ein Standort für einen Moscheebau bereits sicher, doch dann kippte die Stimmung und das Rathaus zog zurück. „Die Stimmung hat sich in Zähringen schlagartig geändert“, erinnert sich Ahmad. Es hätte viele Sorgen gegeben von Menschen, die den Islam nicht kennen. Die Leute hätten Angst gehabt vor einem Gebetsruf in einem Wohngebiet. Dabei war der gar nicht geplant. „Damals war die Zeit noch nicht so weit, jetzt ist sie reif“, sagt Ahmad. Die Gemeinde blicke immer nach vorn.
Die Chancen stehen gut, dass es klappen könnte. Ein Gebäude hat die Gemeinde gekauft. Es liegt am Christaweg 54 im Industriegebiet Haid und beherbergte bis vor einigen Jahren den „Manhattan Media Store“, eine der letzten Videotheken der Stadt. Vom Rathaus gibt es einen positiven Bauvorbescheid. Nun soll dort in den kommenden zwei Jahren die erste Moschee Freiburgs mit Zierminarett entstehen. 7,50 Meter hoch – und damit gut sichtbar. „Wir wollen nicht versteckt sein, keine Hinterhof-Moschee bauen“, erklärt Kamran Khan. Der 28-Jährige leitet den Koranunterricht der Gemeinde.
Transparenz ist den „Ahmadis“ wichtig. Jeder ist bei ihnen willkommen, betonen sie. „Wichtig ist, dass man das Minarett von außen erkennt und sieht, dass es eine Moschee ist“, sagt Iftikhar Ahmad. Wer sich für die Gemeinde interessiere, könne jederzeit kommen. Zweimal im Jahr laden sie zum Tag der offenen Tür ein. Der ist sehr gut besucht, berichtet Ahmad.
Dass der Bau einer Moschee mit Minarett kommuniziert und erklärt werden muss, davon sind die Gemeindevertreter überzeugt. Und sie stellen klar: „Einen Gebetsruf wird es nicht geben, das macht auch keinen Sinn“, sagt Ahmad. Schließlich seien die Gemeindemitglieder eh in Freiburg weit verteilt.
„Wir wollen ein harmonisches Miteinander“, betonen die Ahmadis. Mit Oberbürgermeister Martin Horn und anderen muslimischen Gemeinden der Stadt hatten sie kürzlich ein Treffen. Auch mit dem Bürgerverein Weingarten gab es einen Austausch. „Wir hatten ein sehr gutes Gespräch“, berichtet dessen Vorsitzender Hermann Assies. Er wünscht sich einen behutsamen Umgang mit dem Thema: „Fragen wie die zu einem Moscheebau sind sensibel, weil viele Menschen sich mit etwas für sie ‚Fremdem‘ auseinandersetzen müssen.“ Es bestünde die Gefahr, dass Rassismus, Vorurteile et cetera schwer wiegen. „Offenheit und klare Kommunikation sind daher dabei wichtig“, sagt Assies. Zudem braucht es gute Möglichkeiten der Begegnung und des Kennenlernens. Eine gemeinsame Infoveranstaltung ist angedacht. Mehr als 30 Moscheen hat die Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) in Deutschland nach eigenen Angaben bereits gebaut. Dass das nicht immer reibungslos läuft, ist auch in Freiburg bekannt. „Es gibt meist kritische Stimmen bei solchen Vorhaben“ sagt Kamran Khan. Doch die Kritiker seien eine Minderheit und die Stimmung ändere sich, sobald eine Moschee da ist. Auch Pressesprecher Navid Ahmad weiß um Konflikte: „Es werden Ängste geschürt, auch mit Schweinsköpfen.“
Auch er ist überzeugt: „Wenn die Moschee gebaut ist, wird es harmonisch.“
Spannungen direkt aus Freiburg sind ihnen nicht bekannt. „Wir sind anerkannt“, sagt Ifthikar Ahmad.
In der islamischen Welt haben es die Ahmadis dafür schwer. Die Reformbewegung stammt aus Indien und schreibt über sich: „Die AMJ ist mit ihren vielen zehn Millionen Mitgliedern in über 195 Staaten der Erde die größte islamische Reformbewegung unserer Zeit.“ burger Islamwissenschaftlerin Johanna Pink die Ahmadiyya-Gemeinde. Aber auch als konservativ: „Die Ahmadis haben eine relativ starke Geschlechtertrennung“, sagt die Wissenschaftlerin der Uni Freiburg. Führungspositionen hätten beispielsweise nur Männer. Auch gebetet wird getrennt durch einem Vorhang, berichtet Ifthikar Ahmad. Kopftuchpflicht gebe es keine.
In mehreren Ländern wird sie verfolgt. Insbesondere von orthodoxen Muslimen. In Pakistan wird ihnen verboten, das islamische Glaubensbekenntnis auszusprechen, informiert die Seite ahmadiyya.de. Und in Saudi-Arabien sei es Mitgliedern der Ahmadiyya-Gemeinde nicht erlaubt, für die Wallfahrt nach Mekka einzureisen.
In Freiburg geben sie sich größte Mühe, ein positiver Teil der Gesellschaft zu sein: Am 1. Januar räumen sie traditionell die Reste der Silvester-Feier rund um den Kanonenplatz weg. Zudem organisieren sie einen Charity Walk & Run am Seepark. 4700 Euro kamen dabei vergangenes Jahr zusammen. Das Geld spendeten sie dem Förderverein für krebskranke Kinder Freiburg. Warum sie das tun? „Wir dienen der Stadt“, sagt Pressesprecher Navid Ahmad. Als friedliebend, kommunikativ und bildungsorientiert beschreibt die Frei-
Dass die Gemeinde eine Moschee mit Minarett in Freiburg baut, findet Pink einen logischen Schritt. „Sie sind Teil unserer Gesellschaft. Es gibt eine religiöse Gemeinde, die eine gewisse Größe und dieses Bedürfnis hat.“ Sie sehe nicht, dass das Probleme verursachen wird. Vielmehr könnte die Moschee auch eine Brücke bauen zu dem Glauben: „Vielleicht ist sie auch für Nichtmuslime, die nicht so viel Berührung zum Islam haben, noch mal anders ansprechend.“ Und damit ein neuer Raum für Begegnung.
Für die Gemeinde ist der Schritt ein großer. Bisher können bis zu 35 Gläubige bei ihnen beten. Im neuen Gebäude sollen es 120 sein. „Die Sehnsucht ist groß“, sagt Iftikhar Ahmad. Manche Mitglieder seien im Grundschulalter gewesen, als die Suche begann. Heute seien sie im Job. Der Gebetsraum ist mittlerweile noch voller als zu Beginn. Der Bedarf nach mehr Platz und einem würdigeren Ambiente ist an diesem Freitag offensichtlich.
Till Neumann