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EULEN GEGEN LÄRM
Wie Die Nachtmediatoren Am Seepark Vermitteln
Sie sollen vermitteln, ansprechen, aufklären: Seit Mai sind in Freiburg vier Nachtmediator·innen unterwegs. Von Donnerstag bis Samstag versuchen sie an Party-Hotspots, Konflikten vorzubeugen. Größter Brennpunkt ist der Seepark. chilli-Redakteur Till Neumann hat dort zwei „NightOwls“ (Nachteulen) begleitet. Er erlebte Verständnis, aber auch Empörung. Und hat herausgefunden, was die Wunderwaffe des Duos ist.
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Donnerstagabend. 20 Uhr. Die Sonne scheint. Die Wiesen rund ums Seepark-Ufer sind voll. Junge Leute spielen Volleyball, hören Musik, die ersten sind am Schlauchsaufen. Es waren gerade Abiprüfungen.
Für die Nachtmediatoren Jade-Victoria Decker (26) und Sebastian Reimann (29) beginnt der Einsatz. „Relax mit Respekt“ steht auf ihren roten Shirts. In schwarzen Umhängetaschen haben sie Müllbeutel, ein Erste-Hilfe-Set, eine Zeckenzange und was zu trinken. Entspannt schlendern sie am Rosengarten los Richtung Partywiese.
Nach zehn Wochen Dienst haben sie ein Auge für Problembären: „Wenn die ne Badehose anhaben und sonst nix dabei, sind sie nach dem Sonnenuntergang weg“, sagt Reimann. Wer mit Bierpong-Tisch oder Bierkasten komme, wolle aber nicht nur baden. Schon grölt die erste Gruppe. Es fließt Hochprozentiges. Die NightOwls nehmen das gelassen zur Kenntnis. „Zwei von denen sind schon nach Hause“, sagt Decker.
„Von vielleicht zwei Prozent der Angesprochenen werden wir belächelt“, erklärt Reimann. Von den allermeisten gebe es dafür positive Rückmeldungen. „Die freuen sich fast schon überschwänglich, dass wir kommen – und nicht die Polizei“, ergänzt Decker. Den ersten Gruppen bieten sie Mülltüten an. Sie fragen, wer gerade Geburtstag feiert, gratulieren, gehen wieder. „Habt ne schöne Zeit“, sagt Reimann einer Gruppe Mädels. Um Lärm oder Probleme geht’s hier erst mal nicht.
Hotspot: Die Nachtmediatoren sind unterwegs auf der Partywiese am Seepark
Auch an der neuen Grillstelle beim Aussichtsturm ist die Wiese voll. Das Duo macht sich ein Bild, plaudert. Vor kurzem hatte sich hier ein Feiernder verletzt. „Er ist gestolpert, wir haben ihn verarztet“, berichtet Decker. Ihre Freund-und-HelferRolle führt dazu, dass sie so einige Drinks ausschlagen müssen. „Wir kriegen viel angeboten“, erzählt Decker. Doch Alkohol ist tabu. Ein gegrilltes Knoblauchbaguette haben sie dafür angenommen. „Dann hat man Zeit zum Reden“, erklärt Reimann.
Am Seeparkufer treffen sie auf eine Gruppe Studierender. „Hi, wir machen ein bisschen Awareness“, stellen sie sich vor. „Ihr könnt uns gerne ansprechen, wenn sich jemand verletzt oder ihr euch nicht sicher fühlt.“ Als die neuerdings per städtischer Verordnung mögliche Bluetooth-Boxen-Konfiszierung zur Sprache kommt, wird’s lebendig. „Seid ihr eine laufende Streife?“, fragt ein Kerl mit Fischerhut verdutzt. Die Nachteulen verneinen.
„Boxen konfiszieren ohne Vorwarnung? Das ist scheiße“, empört sich einer. „Beim Ordnungsamt machen sie so was gerne“, ergänzt ein Kollege. Vor ihm steht eine Flasche Rotwein. Sein Kumpel hat einen Molotow-Cocktail aufs Bein tätowiert. Zwei Freunde, die dabeisitzen, wohnen selbst am Seepark. „Manchmal fragt man sich bei dem Krach: ‚Stirbt hier gerade jemand?‘, erzählt die Studentin. Sie findet Maßnahmen dagegen okay. „Ich verstehe es, der Lärm ist schon belastend – auch als junger Mensch.“ Warum sie kein Oropax nutzt? „Oropax, in der eigenen Wohnung?“, antwortet sie empört. Boxen konfiszieren können die Eulen nicht. Nur die Polizei und der Kommunale Ordnungsdienst dürfen das. Für Ärger sorgen auch die 100 Euro, die fällig werden, wenn man eine kassierte Box abholen möchte. „Das ist keine Verwaltungsgebühr, das ist eine Strafgebühr“, poltert einer. Da kaufe er sich lieber eine neue.
Reimann und Decker zeigen auch hier Verständnis. Und das kommt an. „Ich find’s cool, dass ihr das macht“, lobt ein Feiernder. „Mit euch habe ich eher Lust zu sprechen als mit der Polizei.“ Hitziger wird’s am Tempelchen-Turm. „Oooh, die Eulen kommen“, raunt ein oberkörperfreier Mann, Teil einer Gruppe mit dröhnender Box. Die Konfiszierung ohne Vorwarnung findet die Gruppe „behindert“. Doch auch hier kann das Duo mit ruhigem Ton ins Gespräch kommen. „Das haben wir oft“, sagt Reimann. Je früher sie den Dialog suchten, desto erfolgreicher laufe es. Brenzlig wurde es bisher nur einmal für Decker. Im Forsthaus am Seepark baute sich ein junger Mann vor ihr auf und schickte sie weg. „Dann gehen wir – aus Eigenschutz“, sagt Decker. Die Gruppe war am Abifeiern, betrunken. Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) hat ihre Box kurz darauf kassiert. Reimann hat das leidgetan. „Abi macht man nur einmal, ich verstehe es.“ Die Rolle der Nachteulen beschreibt auch Ordnungsbürgermeister Stefan Breiter als Brückenbauer: „Das sind keine Petzer, keine Vorhut des KOD.“
Die Blaue Geheimwaffe
Wie sie das schaffen, zeigen die zwei kurz darauf bei ihrer allabendlichen Müllrunde. Mit blauen Säcken gehen sie auf der Partywiese von Gruppe zu Gruppe und sammeln Abfälle ein. Sogar Pizzakartons bringen sie für andere zur Tonne. Das kommt an. Und öffnet Türen für konfliktive Momente zu späterer Stunde. Die simple Mülltüte entpuppt sich hier als echte Geheimwaffe.
Das Fazit des Teams ist bisher positiv: „Der Erfolg ist schwer messbar, aber wir haben das Gefühl, dass es funktioniert“, sagt die Nachteulen-Leiterin Annika Merthin. Alle seien super happy. Das liege auch an der menschlichen Art der vier Eulen. Für die Mediator·innen ist der Job erfüllend. „Ich hatte noch nie mit so vielen Leuten Kontakt“, schwärmt Reimann. Dafür opfern sie Woche für Woche die wertvollen Abendstunden. Reimann nimmt das gerne in Kauf: „Wenn du hörst, dass sie wegen uns nicht gleich den Ordnungsdienst rufen und die Leute ein bisschen ruhiger schlafen können“, gebe ihm das ein gutes Gefühl. Manchmal geht das auch mit einfachen Tipps: Feiernde mit lauten Boxen schicken sie hin und wieder auf die Wiesen beim Westbad. Da hallt es weniger zu den Anwohnenden.
Entspannte Unterhaltung: Jade-Victoria Decker und Sebastian Reimann sind mehr Helfer als Aufpasser – das kommt an.