
KULTUR
SURREALISTISCHE MEISTERWERKE
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KREATIV SCHREIBEN
LERNEN IN FREIBURG
SURREALISTISCHE MEISTERWERKE
KREATIV SCHREIBEN
LERNEN IN FREIBURG
Der Bauzaun vor dem Gebäude am Rotteckring 14 ist bald Geschichte: Am 21. März und dem anschließenden Wochenende wird in dem 1936 als städtisches Verkehrsamt erbauten Haus das Dokumentationszentrum Nationalsozialismus (DZNS) eröffnet.
Damit endet ein zwei Jahrzehnte währender, zuweilen ziemlich holperiger Prozess um die Schaffung eines solchen Hauses. (Die wichtigsten Schritte im
Zeitstrahl unten.) Nun ist, 80 Jahre nach dem Ende der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte, ein Ort geschaffen, an dem eine fundierte Auseinandersetzung mit diesem Thema auch in Freiburg möglich wird.
Dabei geht es außer um die Jahre von 1933 bis 1945 auch um die Vorgeschichte in der Weimarer Republik sowie die Kontinuitäten in der Bundesrepublik. Im ehemaligen Luftschutzkeller im Untergeschoss, im EG und im 1. OG ist auf
2002: Stolperstein-Initiatorin Marlis Meckel schlägt OB Dieter Salomon die Einrichtung eines Lern- und Dokumentationszentrums vor. 2009: zweiter verwaltungsinterner Vorstoß durch die Initiative „Freiburg braucht ein Mahn- und Dokumentationszentrum“. 2012: dritter Versuch, mit ausgearbeitetem Konzept. Das Anliegen wird abschlägig beschieden wegen Geldmangels.
Oktober: Bei Umgestaltungsarbeiten des Platzes der Alten Synagoge stößt man auf Steine der Fundamentreste der 1938 zerstörten Synagoge. November bis Oktober 2017: Ausstellung „Nationalsozialismus in Freiburg“ im Augustinermuseum mit 80.000 Besuchern.
Vorbereitung und Erarbeitung einer umfassenden Ausstellung zum Thema Naziterror in Freiburg – auch als Test, ob das Thema überhaupt auf Interesse stößt.
Erste Vorschläge, das Dokuzentrum im ehemaligen Verkehrsamt unterzubringen. OB Salomon spricht sich dagegen aus: Die Immobilie ist im Besitz der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) und anderweitig versprochen. Martin Horn wird OB. Nach Verhandlungen mit der Stadt tritt das Angell-Zentrum vom bereits mit der FWTM geschlossenen Mietvertrag zurück. 24. Juli: Einstimmiger Grundsatzbeschluss des Gemeinderats (GR) zur Einrichtung eines NS-Dokumentationszentrums.
September: Start eines Dialogverfahrens zwischen Stadt und jüdischen Gemeinden; Ergebnis: Die Steine sollen an einem Gedenkort aufbewahrt werden. November: Interfraktioneller Antrag zur Einrichtung eines NS-Dokumentationszentrums (DZNS).
rund 800 Quadratmetern Platz für Dauer- und Sonderausstellungen sowie Veranstaltungen. Der künftige Lernort wird außerdem den Teil der Bibliothek Gertrud Luckners beherbergen, der bisher in der nach ihr benannten Berufsschule war. Das 2. OG wird zudem von der Landeszentrale für politische Bildung genutzt, die in das unmittelbar benachbarte Rotteckhaus an der Rathausgasse einzieht.
Die Kosten für Umbau, Sanierung und Erstausstattung des DZNS beliefen sich auf 7,5 Millionen Euro, für den jährlichen Betrieb sind 693.000 Euro veranschlagt. Trotz hoher Kosten sind alle Beteiligten froh, dass das Dokumentationszentrum nun endlich Wirklichkeit geworden ist. Es komme, sagt die wissenschaftliche Leiterin Julia Wolrab, „zwar spät, aber gerade noch zur richtigen Zeit“.
Oktober: Julia Wolrab wird wissenschaftliche Leiterin des DZNS.
Beschluss des GR, das ehemalige Verkehrsamt für das DZNS zu nutzen. Übereinkunft mit der Landeszentrale für politische Bildung, ins benachbarte Rotteckhaus einzuziehen. Start der Planungsphase: Ein wissenschaftlicher Beirat und ein AK Gedenken beraten über die Nutzung des Hauses und die Gestaltung des Gedenkraums. Vorgesehener Eröffnungstermin: Ende 2022.
Historischer Ort: Im ehemaligen städtischen Verkehrsamt (o.) befindet sich das Dokumentationszentrum Nationalsozialismus. Die wissenschaftliche Leiterin Julia Wolrab freut sich auf die Eröffnung am 21. März
2023
Beginn der Bauarbeiten. März: Gründung eines Fördervereins auf Initiative von Kultur- und Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach.
Die Stadt kauft den denkmalgeschützten Gebäudekomplex Verkehrsamt/Rotteckhaus für 6,8 Millionen Euro.
2022
2025
September: Landtagspräsidentin Muhterem Aras besucht die Baustelle und übernimmt die Schirmherrschaft für das DZNS. November: GR beschließt, in den ersten 12 Monaten keinen Eintritt für das DokuZentrum zu erheben.
Im März wird ein 1938 als Auftragsarbeit gefertigtes Wandgemälde von Theodor Kammerer entdeckt. Nach Prüfung durch das Amt für Denkmalschutz wird eine Umplanung des bisherigen Konzepts nötig: Zusätzliche Kosten von 420.000 Euro und erneute Verschiebung der Eröffnung auf Frühjahr 2025.
21. bis 23. März: Eröffnung DZNS 22. März: Tag der offenen Tür in den neuen Räumen der Landeszentrale für politische Bildung
Fuguren aus Stoff: Marta Kuhn-Webers (li, mit „Marilyn“) imposante Puppen bevölkern das Museum für Neue Kunst in Freiburg
MARTA KUHN-WEBERS
von Erika Weisser
arta! Puppen, Pop & Poesie“: Unter diesem Titel ist im Freiburger Museum für Neue Kunst vom 14. März bis 21. September eine Ausstellung zu sehen, die sich mit dem Werk von Marta Kuhn-Weber beschäftigt. Zum Glück: Die Künstlerin, die während ihres sehr bewegten Lebens auch ein paar Jahre in Freiburg verbrachte, ist heute fast vergessen.
Sie gehört zu jenen Frauen, die man gerne zu Lebzeiten kennengelernt hätte. Denn die 1903 geborene Performerin und Puppenbauerin war in jeder Hinsicht ihrer Zeit voraus: Eigenwillig war sie, die keine Haushaltsschule absolvierte, sondern mit gerade mal 20 nach einer Steinmetz-Lehre an der Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe ein Studium begann – als eine der ersten Frauen. Extravagant war sie, die aus ihrem Talent kein Damen-Hobby machte, sondern 1924 nach Paris zog, um dort an der École des Beaux-Arts weiter zu
studieren. Selbstbewusst war sie, die nicht brav eines versorgenden Ehemanns harrte, sondern schon 1930 ihre erste eigene Ausstellung in der Berliner Galerie Gurlitt bestritt. Und sie war experimentierfreudig, unabhängig und grenzenlos – in ihrem Denken, ihrer Kunst, ihrem Leben, ihren Beziehungen. Sie pflegte diverse Liebschaften, heiratete mit 77 einen 23 Jahre jüngeren Mann. In ihrem Werk verband sie bildende Kunst, Theater, Musik, Literatur, Film, Showbusiness und Mode. In den frühen 1930er-Jahren war sie Mitherausgeberin der linken Künstlerzeitschrift Zakpo, zu späteren Zeiten widmete sie sich mit Hingabe der Geschichte und dem Drama von Marilyn Monroe. Eine der Puppen, die sie während der Jahre in der Freiburger Wiehre schuf, stellt diese Leinwandikone denn auch dar – allerdings mit Blick auf deren innere Wahrheit hinter der perfekten Fassade.
Diese Figur wird in der Ausstellung mit insgesamt 36 – teilweise bis zu 1,20 Meter großen – Puppen präsentiert, dazu gesellen sich ihre teils gewagten Interpretationen von Mick
Jagger, Julie Driscoll und Janis Joplin. Diese Musiker·innen, die mit ihren Songs die Gefühle einer ganzen Generation ausdrückten, inspirierten auch sie. „Der künstlerische Reiz lag für Marta Kuhn-Weber darin, die Reduktion der Stars auf ihr öffentliches Image, etwa das der ,Hippie Queen‘ oder des ,Bad Boy‘, mittels der Puppen um die jeweils eigene Verletzlichkeit und Wahrhaftigkeit als Mensch zu ergänzen“, betonen die Ausstellungskuratorinnen Christiane Litz und Verena Faber.
Sie bezeichnen es als „Glücksfall“, dass bei der 2021 begonnenen Recherche zu Marta Kuhn-Weber ein komplettes Œuvre zum Vorschein kam, das es erlaubte, ihr Werk anhand vieler Objekte kennenzulernen. Gerade experimentelle Arbeiten, die sich keiner kunsthistorischen Gattung zuordnen ließen, seien besonders gefährdet, in Vergessenheit zu geraten. Aus dieser wird die Künstlerin mit dieser Ausstellung nun herausgeholt.
INFO
https://museen.freiburg.de/museen/mnk
Foto: Peter Schälchli,
Blauer Walzer, 1954 Öl auf Leinwand , 130 x 97 cm Collection Hersaint © 2025 ProLitteris, Zürich
MEISTERWERKE DES SURREALISMUS IN DER FONDATION BEYELER
DFoto: Peter Schälchli, Zürich
Dalí / ProLitteris, Zürich
ie Fondation Beyeler feiert einmal mehr eine Weltpremiere: Unter dem Titel „Der Schlüssel der Träume“ zeigt das Museum erstmalig eine Auswahl surrealistischer Meisterwerke der Collection Hersaint. Bis zum 4. Mai sind rund 50 Exponate zu sehen, darunter Bilder von Max Ernst, Joan Miró, René Magritte und Salvador Dalí.
von Erika Weisser
lich gezeigt wurden“. Sie – und auch andere – korrespondieren dabei aufs Beste mit wohlüberlegt platzierten Bildern und Skulpturen der Sammlung Beyeler. So durchschreiten etwa Alberto Giacomettis Figuren den großen Saal mit Porträts und Aktstudien unter anderem von Balthus. Eine beeindruckende Gesamtansicht.
Gala-Salvador
Fotos: Dorothea Tanning
Zürich; Salvador Dalí Das finstere Spiel, 1929 Öl und Collage auf Karton, 44,4 x 30,3 cm Collection Hersaint © 2025 Fundació
Claude Hersaint (1904 – 1993) gilt als einer der frühesten und bedeutendsten Sammler der Kunst des Surrealismus. Bereits 1921, als 17-Jähriger, erwarb der spätere Bankier sein erstes Bild „Käfig und Vogel“ von Max Ernst. Dem kleinen Bild, das nach den Worten der Tochter Evangéline Hersaint „den Ausgangspunkt der Sammlung bildet, die mein Vater von da an unermüdlich vervollständigt hat“, steht denn auch ein besonderer Platz zu: Es hängt gleich am Eingang zur Ausstellung. Es ist der langen Freundschaft der beiden Kunstsammler Claude Hersaint und Ernst Beyeler und ihrer Familien zu verdanken, dass die Tochter nun die wichtigsten Objekte der „Collection“ erstmals in einer einzigen Ausstellung einem breiten Publikum zugänglich macht. 14 Werke von Max Ernst sind darunter, eines davon heißt schlicht „Evangéline“. Mit „Valse Bleue“ und „Intérieur“ von Dorothea Tanning oder Toyens „Prometheus in Ketten“ sind außerdem die Arbeiten von zwei zentralen Surrealistinnen vertreten, die nach Angaben von Chef-Kurator Raphaël Bouvier „so gut wie noch nie öffent-
Unauffällig ist hingegen René Magrittes ausstellungstitelgebendes Bild „Schlüssel der Träume“ in Saal 1.: Sechs auf dunklen Grund gemalte Gegenstände wirken irgendwie so gar nicht surrealistisch; sie geben erst bei näherem Hinsehen Rätsel auf. Denn die zugeordneten geschriebenen Begriffe passen nicht. Das Werk soll anregen, darüber nachzudenken, wie die komplexen Beziehungen zwischen Wort, Bild und Objekt zu entschlüsseln sind.
In Saal 6 hingegen fällt das einzige dort hängende Bild regelrecht über die Besucher her: Max Ernsts „Hausengel“ von 1937. Riesenhaft erhebt dieses tanzende Ungeheuer sich über einer Berglandschaft und rammt mit beängstigender Heiterkeit einen mit Eisen beschlagenen Huf in den Boden. Der andere, mit Nägeln besetzte Fuß holt zum nächsten Tritt aus.
Ernst selbst sagte über das während des Bürgerkriegs in Spanien entstandene farbenfrohe Gemälde, dass es seine Sorge angesichts des sich ausbreitenden Faschismus spiegele: „Eine Art Trampeltier, das alles, was ihm in den Weg kommt, einfach zerstört und vernichtet.“ Gerade heute ein höchst beängstigender und realer Traum.
INFO
www.fondationbeyeler.ch
Niki de Saint Phalle
Frankreich, Belgien 2024
Regie: Céline Sallette
Mit: Charlotte Le Bon, John Robinson, Damien Bonnard, Judit Chemia, Alain Fromager u.a.
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 98 Minuten
Start: 20. März 2025
Im ganzen Film ist keine einzige ihrer weltberühmten Nanas zu sehen, auch kein anderes Werk aus Niki de Saint Phalles vielfältigem und oft hart erkämpftem künstlerischen Schaffen. Und auch keiner der skurrilen Bewegungsapparate, die ihr Künstlerkollege, Inspirator und zweiter Ehemann Jean Tinguely konstruiert hat. Dennoch wird das Kinopublikum Zeuge der Entstehung der einen oder anderen Skulptur: Etwa, wenn die metallischen Geräusche ineinandergreifender Zahnräder zu hören sind. Oder wenn die großartig spielende Charlotte Le Bon in der Rolle der Künstlerin mit einem Gewehr auf ein nicht sichtbares Objekt zielt und schießt. Oder sie das Unsichtbare geradezu panisch mit Messern, Äxten und anderen Wurfgeschossen malträtiert.
Die Dämonen, mit denen Niki de Saint Phalle bis zu diesen Ausbrüchen zu ringen hatte, waren auch für sie lange unsichtbar. Doch sie erscheinen nach und nach im ersten Film-Kapitel, das den Titel „was Niki nicht mehr weiß“ trägt und in den 1950er-Jahren spielt: Nachdem die junge, zerbrechlich und verletzlich wirkende Frau nach einem
Bei ihren einsamen Spaziergängen im Park des Sanatoriums begegnet sie einem Patienten, der seine Erfahrungen in vielfarbiger Kunst verarbeitet. Sie ist sofort fasziniert, beginnt Collagen aus allen möglichen Fundstücken zu fertigen. Obwohl ihr eine Kunsttherapie zunächst verweigert wird, kämpft sie ihrem Arzt, ihrem sie sehr unterstützenden ersten Ehemann und schließlich sich selbst die Darstellung ihrer inneren Abgründe ab. Mühsam und mit vielen Rückschlägen bahnt sie sich ihren Weg zu einer der eigenwilligsten, kompromisslosesten und bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts.
Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wehrt sie sich gegen jede Form der Unterdrückung, die sie selbst erleiden musste und muss. Kunst wird für sie im Wortsinn zur Waffe: Sie schafft aus Verletzung und Zerstörung etwas faszinierend Neues, erfindet sich selbst neu. Dass sie dabei immer noch von Angst getrieben ist, wird in einem kurzen Dialog mit ihrem kleinen Sohn deutlich: Als er ihr vor dem Schlagengehen sagt, dass er Angst vor Monstern habe, antwortet sie: „Ich auch.“
Mit dem anrührenden, doch an keiner Stelle kitschigen und bei aller Abgrünvon Erika Weisser
Deutschland 2025
Regie: Tom Tykwer
Mit: Nicolette Krebitz, Lars Eidinger, Tala Al-Deen u.a.
Verleih: X-Verleih
Laufzeit: 162 Minuten
Start: 20. März 2025
(ewei). Familie Engel lebt gut situiert in Berlin. Tim ist in der Werbebranche erfolgreich, Milena plant für das Entwicklungsministerium Kultureinrichtungen in Afrika. Die Teenie-Zwillinge Frieda und Jon sind vor allem mit Chillen beschäftigt. Milenas Sohn Dio aus einer anderen Beziehung erweitert alle 14 Tage das Familienleben. Die Idylle ist freilich längst Fassade. Jeder geht jedem aus dem Weg. Die Eltern flüchten in die Karriere, die Kids in Drogen oder VR-Spiele. Eine Paartherapie soll’s richten. Doch Tim bekommt von Milenas dort eingestandenen verdrängten Versagensängsten nichts mit: wie immer erscheint er zu spät zum Termin. Die Lage ändert sich schlagartig, als die neue Haushälterin Farrah in die Familie kommt. Die aus Syrien geflohene Frau hat für jeden viel Verständnis, gewinnt schnell das Vertrauen aller. Und sie verfügt über eine Lampe mit mysteriösem Flackerlicht. Opulentes Arthaus-Kino der vergnüglich raffinierten Art; Eröffnungsfilm der Berlinale 2025.
Großbritannien 2024
Regie: Hanna Ladoul, Marco La Via
Mit: Catherine Deneuve, Morgan Saylor u.a.
Verleih: Filmwelt
Laufzeit: 93 Minuten
Start: 27. März 2025
(ewei). Laura und ihre Tochter Charlotte verstehen sich nicht wirklich. Die Aussteigerin, die fernab der Großstädte allein einen Bio-Hühnerhof betreibt, hat kein Verständnis für die 20-Jährige, die sich in ihrem Studium ausgerechnet mit dem internationalen Finanzwesen beschäftigt. Und die des Neoliberalismus Bezichtigte kann mit dem bescheidenen Leben ihrer Mutter nichts anfangen.
Die beiden müssen es aber dennoch miteinander aushalten: Laura ist schwer erkrankt und kann ihre Arbeit nicht allein bewältigen, Charlotte zieht vorübergehend aufs Land und steht ihr nach Kräften bei – trotz anstrengenden Studiums. Und trotz Lauras Vorwurf, „prestigeträchtig wie der Vater“ zu sein.
Als das intergenerationelle Zusammenleben halbwegs klappt, taucht die exzentrisch-feministische Mutter und Großmutter Solange auf, die sich nach jahrelanger Abwesenheit wieder annähern will. Und schließlich triumphiert eine sehr heitere weibliche Solidarität über die gegensätzlichen Lebensentwürfe.
Deutschland 2025
Regie: Constanze Klaue
Mit: Anton Franke, Camille Moltzen u.a.
Verleih: Across Nations
Laufzeit: 110 Minuten
Start: 3. April 2025
(ewei). Die Brüder Philipp und Tobias wachsen um die Jahrtausendwende in der ostdeutschen Provinz auf. Ihre monotone und frustrierende Kindheit ist geprägt von der Perspektivlosigkeit der ganzen Region, aber auch vom allmählichen Zerfall der eigenen Familie. Anfangs scheint mit dem Hausbau der Eltern alles im Wachstum zu sein, doch mit dem Einzug in das noch unfertige Haus beginnt der Niedergang. Der Vater verliert seinen Job, beginnt zu trinken. Die Mutter versucht, die Dinge weiter am Laufen zu halten, ist aber bald überfordert. Das Haus, das einst Freiheit versprach, wird zur Schuldenfalle, die sich auf das Leben aller überträgt.
Tobi und Philipp sind alleingelassen mit sich selbst, ohne Orientierung, ohne Idee von Zukunft. Dafür mit zunehmendem Bedürfnis nach Halt, Zusammenhalt und Anerkennung. Die Natur wird zu ihrem Rückzugsort aus einem Leben, in dem es wenig Lichtblicke gibt. Hier treffen sie auf ältere Jungs, die Abenteuer versprechen, aber Fremdenhass meinen.
Mögen es wild
(von links): Carlo Borth, Friedrich Hecking, Joshua Dorn, Vincent Fuchs, Muriel Herth und Johannes Niemann
Harter deutscher Indie aus Freiburg“. So nennen die sechs Musiker*innen der Newcomerband Elektrosauna ihren Sound. In der Sauna haben sie sich nicht kennengelernt. Aber ihre Shows sollen die Menge zum Schwitzen bringen.
„Jetzt ist alles am Schwimmen und nichts am Untergehen.“ Das singt Johannes Niemann in „Schwimmen“. Es ist nur einer von zwei Songs, die von der Band auf Spotify zu finden sind. Aber schon jetzt ein Lied, das etwas Eigenes hat. Verträumt, melancholisch und ungeschliffen.
Zuletzt machte die sechsköpfige Formation in Freiburg häufiger von sich reden: Im Sommer rissen sie beim Vauban Sommerfest mit. Im Dezember standen sie bei den Uni-
corn Sessions im Ruefetto auf der Bühne. Ende Februar enterten sie das Finale des Freiburger Bandcontests „Die Rampe“.
Auf der Bühne sieht man eine Truppe, die Bock hat auf Live-Ekstase und ihr Publikum findet. Mit einem wilden Mix aus melodischem Indie und kreischenden Gitarren. So auch im zweiten veröffentlichten Track „Richter“. Er zeigt die fauchende Seite der Gruppe mit einem Text über Depressionen. Ein Richter spricht dort mit einem Angeklagten über Drogen und Zahnpasta.
Musiklehramtstudium kennengelernt haben“, erinnert sich Niemann. Alle spielten in der Bigband und haben als Studienprojekt Songs von „The Doors“ gecovert.
Das hat so gut funktioniert, dass sie Lust auf mehr hatten. Eins kam zum anderen. „Ich habe den guten Carlo im PH-Musiktrakt im Keller gesehen. Er machte Musik und sah
„Die Chemie, der Humor und die Musik haben gepasst“
Wie die Band entstanden ist, erzählen Sänger Johannes Niemann (24) und Gitarrist Joshua Dorn (23) im Videocall mit dem chilli Mitte Februar. Ihr Ursprung liegt an der Pädagogischen Hochschule. „Das Ganze hat angefangen als ich, Bassist Carlo und Gitarrist Winnie uns dort im
cool aus. Also habe ich ihn angesprochen“, berichtet Joshua Dorn. Auch Sängerin Muriel Herth kam unverhofft dazu und sagt: „Die Chemie, der Humor und, am wichtigsten, die Musik haben gepasst – ich war dabei.“
Mit einem Auftritt im KuCa der PH ging es Anfang 2024 los. Kurz vorher einigten sie sich auf ihren Namen. „Ein Kumpel von mir hat reiche
Eltern und eine Sauna“, erzählt Niemann. Dort hätten die beiden an einem alkoholgetränkten Abend voll Bock gehabt, Techno zu hören. Also nannten sie sich die Elektrosauna. Sein Vorschlag, auch die Gruppe so zu betiteln, habe sich dann aus Mangel an Alternativen durchgesetzt.
Mit der Gründung haben sie sich selbst beschenkt: „Es war ein lang gehegter Traum, eine Band zu haben, eigene Lieder zu schreiben und damit Spaß zu haben.“ Einfach herrlich sei es, etwas zu offenbaren und zu merken, dass die Leute damit etwas anfangen können. „Ein geiles Gefühl.“
Das teilen sie als Kollektiv, beschreibt Sängerin Herth: „Bei Elektrosauna ist jeder gleich viel wert.“ Gerade auch beim Songwriting. „Ideen werden frei geteilt und bleiben offen für Vorschläge von anderen.“ Wie sie die Musik beschreiben würde? „Bunt, frei, experimentell und vor allem ehrlich.“
Rund 15 Shows haben sie 2024 gespielt. Am meisten bewegt hat sie der Auftritt beim Vauban Sommerfest. „Das war richtig krass, eine Wahnsinns-Stimmung“, erinnert sich Niemann.
Zwölf Songs haben sie im Repertoire. Weitere sind am Entstehen. Ab April wollen sie ins Studio. Eine EP soll noch dieses Jahr erscheinen. Dennoch sehen sie sich vor allem als Liveact. „Einige Lieder, die live extrem gut funktionieren, nehmen wir nicht auf“, sagt Dorn. „Weil sie beim Recording einfach nicht die gleiche Energie haben.“ Man kön-
ne im Studio nicht erzeugen, was auf der Bühne kreiert werde. Für Dorn ist es ein wunderbares Gefühl, dort zu stehen und zu sehen, was passiert: „Wie der Raum abgeht, alle sind am Schwitzen, an den Wänden ist Kondenswasser.“ Das wird zelebriert. „Musik ist die schönste Sache auf der ganzen Welt“, betont Niemann. Sie sei in ruppigen Zeiten immer ein Anker gewesen. „Ein wunderschönes Gefühl, diese Erfahrung mit so geilen Leuten zu machen.“ Für hohe Temperaturen braucht es dann nicht mal eine Sauna.
WE ARE ALVA UND LOLA & BVCK GEWINNEN DIE RAMPE
Das hat’s noch nicht gegeben: Gleich zwei Acts haben Ende Februar den Freiburger Bandcontest Die Rampe gewonnen. Im Jazzhaus setzten sich We Are Alva (Indie) und das Duo Lola & Bvck (Elektro) durch. Entschieden haben das eine vierköpfige Jury und das Publikumsvoting.
Vier Bands, vier Stile. Beim größten Freiburger Contest für aufstrebende Musikacts traten an: We Are Alva, Ok was solls, Lola & BVCK und Elektrosauna. Nach vier Sets à 20 Minuten konnte das Publikum abstimmen. Zeitgleich beriet sich die Jury um Nico Schrader vom Jazzhaus Freiburg. Dann gab’s das überraschende und ziemlich unübliche Ergebnis: Erstmals wurden zwei zweite Plätze vergeben – und zwei erste Plätze. Auf den zweiten Rängen landeten Elektrosauna und Ok was soll’s. Den ersten Platz teilen sich Lola & Bvck sowie We Are Alva.
Die Sieger bekommen ein Preisgeld von jeweils 500 Euro sowie Auftritte im Jazzhaus-Vorprogramm sowie bei ZMF und Kulturbörse. Hinter dem Event stehen das Jazzhaus Freiburg, das Zelt-Musik-Festival, die Jazz- und Rockschulen, RegioNet und die Internationale Kulturbörse.
We Are Alva haben mit filigranem Indie-Pop überzeugt. Fein komponiert, hervorragend gespielt und facettenreich umgesetzt mit tollen Stimmen. Und das auf dem kniffligen ersten Slot des Abends. Der Gegenpol waren Lola & Bvck mit düster-brachialem Elektrosound, Live-Drums von Silas Benz, Effektspielereien und der markanten Stimme von Lola.
Den größeren Tanz- und Partyeffekt hatten die Zweitplatzierten: Elektrosauna bot treibenden Indie-Punk-RockSound mit einer verwegenen und eingespielten Truppe. Ok was solls rissen mit Party-HipHop und feinem Entertaining mit – und lieferten mit „Halblang“ den Song des Abends.
Mehr Fotos: bit.ly/chilli_rampe25 Till Neumann
Lola & Bvck. Sie teilen sich den Sieg.
Die Freiburger Musikinitiative Multicore fordert mehr Geld für die Förderung von Projekten im Bereich Rock, Pop und Jazz. Der Verein hofft auf eine Erhöhung von 14.000 Euro auf 50.000 Euro im Doppelhaushalt. Was dahintersteckt, berichtet Multicore-Vertreter Franck Mitaine im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann.
Warum fordert ihr mehr Geld?
Im Topf ist zu wenig für eine Stadt wie Freiburg. Der Verein Unicorn Sessions kam auf uns zu, weil er bei den Fördergeldern leer ausgegangen ist. Ich habe mir gesagt: Das kann doch nicht sein. Die veranstalten jede Woche Konzerte. Es muss eine Lösung geben. Auch für andere Projekte, die regelmäßig nichts bekommen. Also wollen wir den Fördertopf vergrößern.
Wie wollt ihr das schaffen?
Der Gemeinderat soll die Projektgelder im Doppelhaushalt erhöhen. Ich habe mich dazu umgehört, das Feedback war ziemlich gut. Die Kulturliste will den Antrag einbringen. Ich bin optimistisch, dass es dafür eine Mehrheit gibt.
Das Geld wird über Anträge vergeben? Genau. Es soll Kreativen helfen, die etwas Besonderes planen. Es kann einfach nicht sein, dass sie wichtige Arbeit leisten und nicht vorankommen. Bei den Unicorn Sessions geht es um 150 Euro pro Woche. Wenn da wegen schlechtem Wetter mal niemand kommt, müssen sie das aus ihrer eigenen Tasche zahlen. Die 14.000 Euro beim Popbeauftragten Tilo Buchholz sind oft im Juni aufgebraucht. Wenn wir mehr Geld haben, bekommen wir bessere Angebote – davon profitiert die ganze Stadt.
(tln). Das Ein-Mann-Metal-Projekt Up to the Stars hat Anfang März den Song „Fact“ veröffentlicht. Dahinter steht der Freiburger Miro Lange, der unter seinem bürgerlichen Namen auch Ambient-Sound macht und zudem als Fotograf aktiv ist.
Bei Up to the Stars geht’s wilder zu. Die E-Gitarre dröhnt durch die Box. Das Schlagzeug schiebt nach vorne. Dann wird der Wind besungen. Der Song ist eine Widmung für dessen Kraft. „A silent touch of Life, a Whispering in the Darknees“, singt Lange. Und es wird grimmig: Mit fauchender Stimme und einem Mix aus Englisch und einer selbst konzipierten Sprache werden die Urgewalten der Natur heraufbeschworen. Gutturaler Gesang nennt sich die Technik mit Lauten aus dem Kehlkopf.
Das klingt düster und brachial. Man fühlt die Blitze zucken und den Donner grollen. Ein Statement in turbulenten Zeiten? Zum Schluss legt sich der Sturm, es wird ruhiger. Bringt der Wind dann doch etwas frische Luft in eine stürmische Ära?
Metal-Fans können reinhören. Ein spannender Künstler zeigt eine weitere Facette und schlägt sprachlich interessante Pfade ein. Bei der Produktion ist noch Luft nach oben. Da wünscht man sich mehr Klarheit und Druck. Für den Wow-Effekt fehlen ein paar Prozente.
(pt). Nach einigen Bands und Umwegen ist Rika Bender dort gelandet, wo sie sich musikalisch zu Hause fühlt: in den 80ern. Die sechste Single Stroboskop geht da keine Umwege mehr: retro-futuristischer Synthwave Made in Freiburg. Das Klangbild ist ebenfalls geradeaus, raumgreifend, dabei aber dunkel gehalten.
Der knapp dreiminütige Song pinselt neongefärbte Nächte, wüste Vokuhilas und ganz viel Jeansstoff: entspannt genug für die Couch in F-Dur, dabei aber treibend und tanzbar jenseits der 125-BPM-Marke. Sich selbst ordnet die Band aus Rika Bender und Fabian Martin irgendwo zwischen The Cure, OMD, Talk Talk und Neuer Neue Deutsche Welle ein.
„Du poppst Champaign / in deiner Lieblingsbar / schreibst deinen Namen / auf meine Haut / Feeling extrem in deinem / Flamingodress / die Lichter der Nacht / strahlen den Weg / hast ihn lang nicht gesehen“, säuselt Bender mit klarer Stimme über die Produktion aus Synthies und Drum-Machine.
Das Stakkato gelingt, die Frequenz stimmt: Wie schnelle Lichtblitze scheinen die Songtexte von Stroboskop Bewegungen und schließlich den Song zu verlangsamen. Nicht grell, aber eingängig, angenehm unaufgeregt und eben geradeaus.
(pid). The Deadnotes haben ihr neues Album „Rock’n’Roll Saviour“ veröffentlicht. Darius Lohmüller und Jakob Walheim, die in Freiburg aufgewachsen sind und inzwischen in Köln wohnen, präsentieren mit der Platte ein vielseitiges Rock-Album.
2011 als Trio gestartet, hat die Band schon einiges durch: Nach der zweiten Platte steigt Drummer Yannic Arens aus. Dann Pandemie, dann geklautes Equipment in Birmingham – harte Zeiten.
The Deadnotes geben nicht auf und sind facettenreicher zurück als zuvor: Von Funk („Show Me What Love Is“) über Akustik („The Soundtrack Of Our Love“) bis Elektro („Reservoir“) ist alles dabei. Das Album kommt poppiger daher, die letzten Releases waren punkgetränkter. Opener „December 31st“ startet düster – „I’m trying hard to be less suicidal / Try to pay more respect to the dead“, doch bald wird’s upbeat und hymnisch. Auch wenn das Duo viel ausprobiert – Saxophon, Synthies, Streicher –, bleibt doch die E-Gitarre und Lohmüllers Gesang der Kleister, der alles zusammenhält.
The Deadnotes spielen am 14. März um 17 Uhr im Plattenladen Flight13 und einen Tag später um 19 Uhr im Räng.
(tln). Die Freiburger Ukulele-Spielerin Larissa Leaves hat mit „Awula (Instrumental Version)“ im Februar ihren ersten Song für dieses Jahr veröffentlicht. Er ist ein Vorbote ihres Albums „This Kitchen is for dancing“, wie sie kürzlich im chilli verraten hat.
„Awula“ ist ein Song zum Innehalten. Akustische Klänge treffen auf dezente und erdige Percussion. Leaves lädt mit verspielten Sounds zum Träumen und Schweben ein. Ein Song als Soundtrack für eine Reise in ferne Länder. Oder einfach zum Wegträumen.
Produziert hat ihn die Freiburgerin alleine. Fürs Recording zuständig: ihre Mitbewohnerin Anna M.lion. Das Ergebnis klingt hörenswert. Dazu gibt’s ein Musikvideo mit den Freiburger Tänzer·innen Florence Bachatazouk und Alexej Zouk.
Leaves ist in mehreren Formationen aktiv. Unter anderem bei „Cuatrio“ und dem Chor „Soulfamily“. Sie tritt zudem solo mit Loopstation auf und nutzt ihre Ukulele auch für perkussive Klänge. „Mega unterschätzt“ werde ihr Instrument, sagt Leaves. Sie möchte zeigen, dass es viel mehr kann als den Evergreen-Hit „Somewhere over the Rainbow“. Mit „Awula“ als Vorbote eines Albums ist ein vielversprechender Auftakt geglückt.
Die Freiburger Geschmackspolizei ermittelt schon seit 20 Jahren gegen Geschmacksverbrechen, vor allem in der Musik. Für die cultur.zeit verhaftet Ralf Welteroth fragwürdige Werke von Künstlern, die das geschmackliche Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich beeinträchtigen.
Achtung, Verwechslungsgefahr! Wir müssen aus aktuellem Anlass warnen, dass aufgrund eines Buches und Musikstücks gleichen Namens die Gefahr eines Kulturschocks besteht und damit auch die geistige Gesundheit Schaden nehmen kann. Es geht weder um den Wackel-Dackel noch um einen Wackelkandidaten, ein bestimmter Wackelkontakt ist vielmehr der Stein des Anstoßes.
Der Bayerische Barde Oimara hat ein Lied mit dem Titel „Wackelkontakt“ veröffentlicht. Es klingt in etwa wie Hans Söllner auf RedBull und E-Zigaretten: „Wär ich ein Möbelstück, dann wär ich eine Lampe aus den Siebzigern, I glüh gern vor, i geh gern aus, mir hauts die Sicherungen naus, …I hob an Wackel-Wackel-Wackel-Wackel-Wackel-Wackel-Wackelkontakt“
Schlimm genug. Nun aber hat just in diesen Tagen der von uns geschätzte und für gut befundene Österreichische Autor Wolf Haas ein neues Buch mit eben genau dem gleichen Titel auf den Markt gebracht – Wackelkontakt. Da sind natürlich verhängnisvollen Verwechslungen und Kalamitäten Tür und Tor geöffnet. Ein Hörbuch wird bestellt und geliefert wird der musikalische Wackelkontakt samt weiterer Taten des selbsternannten Liedermachers wie zum Beispiel auch „ Cocktailschirm im Arsch“.
Halten Sie deshalb die Augen und vor allem die Ohren auf – wir werden in jedem Fall nicht lange wackeln, äh fackeln.
Es grüßen die Wackelpuddings von der Freiburger Geschmackspolizei
Wer lernen und ausprobieren will, wie Ideen und selbst erfundene oder erlebte Geschichten literarisch umzusetzen sind, kann sich in Freiburg an ein privat geführtes Institut wenden: Im Institut für Kreatives Schreiben gibt es Kurse und Schreibwerkstätten für das Verfassen von Romanen, Kurzgeschichten, Krimis oder auch lyrischer sowie autobiografischer Texte. Es ging 2017 aus dem „Zentrum für Schreibtraining“ hervor, das die Schriftstellerin und Schreibpädagogin Sibylle Zimmermann 2005 gründete.
Die gebürtige Freiburgerin kehrte damals nach einem bewegten und recht abenteuerlichen Berufsleben, das die Diplom-Biologin als Schäferin, als Hochschuldozentin, als Managerin und Redakteurin in Tübingen, München, Berlin, Israel und Neuseeland verbracht hatte, in ihre Heimatstadt zurück. Und setzte die Idee um, die sich im Lauf der Zeit und Wanderjahre in ihrem Kopf festgesetzt hatte: Literarisch Interessierten das zu vermitteln, was sie sich mit vielen eigenen Schreibversuchen zunächst selbst und dann in einem Zusatzstudium angeeignet hat: Erzählerische
Stolze Buchautoren:
Bei der ersten Freiburger Buchmesse freut sich Sibylle Zimmermann (M) über den Erfolg ihrer „Eleven“ Anna Carle und Peter Klisa.
Kompetenz – oder wie aus einem Rohstoff ein literarisch geschliffenes Kleinod werden kann.
Nicht in dem Ausmaß, doch ähnlich wie ihr berühmter Kollege Hanns-Josef Ortheil hatte sie damit Erfolg: Die Nachfrage nach den Kursen war so groß, dass Zimmermann nach und nach ein Team an Schreibpädagoginnen aufbaute. Heute sind außer ihr selbst acht Dozentinnen für das Institut tätig, die „aus langjähriger Praxis viel Erfahrung mitbringen“. Dennoch gibt es Wartezeiten: Bei diversen Versuchen, sich für einen der seit Corona online angebotenen Schreibkurse anzumelden, erhielt die Autorin dieses Textes die Auskunft, dass alles ausgebucht sei. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir wissen, was wir tun“, sagt Sibylle Zimmermann stolz.
Die „Dienstleisterin in Sachen Literatur“, der es nach wie vor „viel Freude“ bereitet, „angehenden Autoren dabei zu helfen, Vertrauen in die eigene Begabung zu fassen“, freut sich natürlich auch über das große Interesse. Und darüber, dass bei den „besonders beliebten“ Jahreskursen für Schreibhandwerk immer wieder Menschen teilnehmen, denen es hernach gelingt, einen Text in einer Anthologie oder gar ein eigenes Buch zu veröffentlichen. Dazu gehört etwa die Freiburger Krimi-Autorin Anne Grießer, die im allerersten Kurs war und von der seither mehr als 20 Bücher erschienen sind. Oder Anna Carle und Peter Klisa, die bei der Freiburger Buchmesse 2024 ihre druckfrischen Erstlinge präsentierten: „Leuchtturm der vergessenen Wünsche“ und „In den letzten Stunden der Dunkelheit“. Wie viele ihrer Eleven verspürt die inzwischen 68-Jährige noch immer „so ein inneres Vibrieren“, wenn sie schreibt. So, wie sie es schon in ihrer frühen Jugend kennenlernte, als sie „alles, was mich bewegte“, ihrem Tagebuch anvertraute. Was sie übrigens bis heute macht.
von Lucie Rico
Übersetzung:
Milena Adam
Verlag:
Matthes & Seitz, 2025
235 Seiten, gebunden
Preis: 22 Euro
(ewei). Hannah kann seit Jahren keine Hühner mehr essen. Und schon gar nicht schlachten. Doch genau das muss sie heute tun. Théodore heißt der Todeskandidat – er trippelt gerade nichtsahnend den Rasen vor dem Haus nieder.
Sie hat ihrer Mutter zu einem für Widerworte unpassenden Zeitpunkt versprochen, ihm den Garaus zu machen: am Sterbebett. Diesen letzten Willen will Hannah noch erfüllen, ehe sie in die Stadt zurückfährt, um ihr vegetarisches Leben weiterzuleben. Doch dann fallen ihr die „300 Masthähnchen, 50 Hennen und 10.000 Euro“ ein, die die Mutter ihr hinterlassen hat. Ein Erbe, von dem die Familie seit drei Generationen lebt.
Schweren Herzens schnappt sie Théodore und bringt ihn ins Haus. Und schreibt ins Kondolenzbuch ihrer Mutter, dass der „Spaßvogel unvergessen bleiben wird“. Dann drückt sie zu; ein „vergeblicher letzter schwacher Atemzug verfliegt“. Sie schreibt einen Nachruf auf den toten Hahn, vakuumiert ihn und verkauft ihn mitsamt der Biografie auf dem Markt – nicht ahnend, dass sie damit eine höchst einträgliche Marketingidee gebar: Hannahs Hähnchen werden zum Verkaufshit, sie selbst gerät jedoch in eine unerbittliche Hackordnung.
Lucie Rico bringt ihren irrwitzig-amüsanten Roman ins Centre Culturel Français: 9. April, 20 Uhr.
von Dmitrij Kapitelman
Verlag:
Hanser Berlin, 2025
192 Seiten, Hardcover
Preis: 23 Euro
(ewei). Der Roman beginnt mit einem geradezu biblischen Bild: In einer Wetterwarnung an das russische Fernsehvolk wird ein sibirischer Ort gezeigt, dessen zum Durchhalten aufgeforderte Bewohner sich zwischen hoch aufgetürmten Wänden eines „geteilten russischen Schneemeers“ bewegen. Doch sie fliehen nicht etwa vor dem volksfeindlichen Eisregen, sondern gehen „seelenruhig ihrer schneegepeitschten Frühlingswege“.
Die „russisch fernsehvölkische“ Mutter des Erzählers, die mit ihrer Familie vor Jahrzehnten aus Kyjiw nach Leipzig kam, nimmt die Warnung dennoch für bare Münze. Wie alles, was über RT über ihren Bildschirm flimmert. So faselt sie, die seit ihrer Geburt nicht mehr in Russland lebte, von einer Spezialoperation gegen das ukrainische Naziregime. Dabei übersieht sie, dass die „von Putin beliebäugelten deutschen Faschisten immer mehr Wahlen gewinnen“. Und dass der Krieg auch ihrem eigenen russischen Spezialitäten-Laden ein Ende setzt, weil die Kunden wegbleiben.
Der Sohn, der seine Mutter ebenso liebt wie die russische Sprache und Kyjiw, reist verzweifelt dorthin. Um der Poetik der Verständigung willen, mit der er sie von den Fernsehlügen wegbringen will. Seine Reise ist schwer – doch nicht vergeblich. Und das Buch einfach genial.
von Katharina Domschke & Peter Zwanzger
Verlag:
Herder, 2025
270 Seiten, Hardcover
Preis: 24 Euro
(ewei). Angst, sagt Katharina Domschke, ist „unsere wichtigste Emotion“. Es handelt sich um eine Empfindung, „die uns als körpereigenes Alarmsystem vor Bedrohungen warnt und vor Gefahren schützt“. Die Professorin und Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Freiburg hat nun mit ihrem Wasserburger Kollegen Peter Zwanzger ein Buch verfasst, das „200 Fakten“ rund um diese Emotion beleuchtet.
Das in Anlehnung an Loredana Nemes’ gleichnamiges Gedicht „Alphabet der Angst“ genannte, wissenschaftlich fundierte und sehr verständlich geschriebene Werk beginnt mit dem Stichwort „Abgrund“ und endet mit dem Begriff „Zwangsstörung“. Dazwischen nehmen die Autoren die Leser mit auf eine Reise durch die Welt dieser facettenreichen Empfindung, die alle kennen, doch nicht daran erkranken oder leiden sollten.
Dabei fächern sie das Thema breit – und sogar unterhaltsam auf: Außer mit medizinischen Gesichtspunkten untersuchen sie das Phänomen auch aus literarischer, kunstgeschichtlicher, theologischer und soziologischer Perspektive. Und unter dem Aspekt, wie bestimmte Drogen wie Koffein, Alkohol oder Cannabis diese Urempfindung, der die Menschheit ihr Überleben verdankt, beeinflussen können. Sehr erhellend.