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185 Jahre TSC

185 Jahre TSC

«Wer mutig vorangeht, muss auch mal verliebt zurückschauen»

Happy Birthday! Am 8. März wird das TSC 185 Jahre alt. Ein Gespräch mit Rektor Dr. Benedikt Walker und seinen Stellvertreter Dr. Dr. Beat Schweitzer.

Interview: Michael Gross

Was würde wohl der Gründer, Christian Friedrich Spittler, heute über sein TSC sagen?

Benedikt Walker: Er würde sich freuen, dass wir weiterhin in die theologische Bildung verschiedener Generationen investieren. Dass wir Menschen befähigen, das Evangelium von Jesus Christus zu den Menschen zu bringen. Er würde uns aber auch ermutigend ermahnen: Nehmt wahr, was die Welt braucht.

Dr. Benedikt Walker, Rektor TSC

Welche Gründungsidee findet sich heute noch im TSC?

Beat Schweitzer: Spittler ging am 8. März 1840 von Basel nach St. Chrischona hinauf und gründete seine Schule für Pilgermissionare (das heutige TSC) in der damals zerfallenen Kirche, um junge Handwerker auszubilden, damit sie das Evangelium verständlich unter den Menschen vorleben und verbreiten können. Diese Überzeugung teilen wir auch heute noch. Es ist uns nach wie vor wichtig, dass Menschen mit Berufsausbildung, die weder Abitur noch Matura haben, bei uns studieren können.

Dr. Dr. Beat Schweitzer, Stv. Rektor TSC

Benedikt Walker: Theologische Bildung ist nicht der akademischen Elite vorbehalten. Dem bleibt das TSC treu.

Was aus der TSC-Geschichte beeindruckt oder berührt euch?

Benedikt Walker: Mit der Kirche auf dem Chrischona Berg hatte Spittler einen ganz besonderen Ort mit Weitsicht und Strahlkraft entdeckt. Der Chrischona Berg und was hier geschieht, ist ein Geschenk. An diesem Ort wurden bisher mehr als 6700 Menschen ausgebildet, geprägt und ausgesandt – zum Segen für die Welt. Darüber staune ich. 185 Jahre bedeuten auch: Das TSC hat bisher viele Krisen dieser Welt miterlebt – und überlebt. Das gibt Hoffnung.

Christian Friedrich Spittler

Beat Schweitzer: Mich beeindruckt, dass hier auf Chrischona immer schon Neues gewagt wurde. Zum Beispiel die Gründung der ersten Frauenbibelschule im Jahr 1909. Oder die Heiligungsbewegung mit den jährlichen Heiligungskonferenzen. Auf dem Chrischona Berg haben unzählige Menschen wertvolle geistliche Impulse erhalten. Das berührt mich. Vieles habe ich selbst erlebt. Schon als Kind war ich mit meiner Familie auf St. Chrischona bei Konferenzen und Ferienlagern.

Benedikt, zehn dieser 185 Jahre prägst du bereits als Rektor das TSC. Ist dir das TSC schon ans Herz gewachsen?

Benedikt Walker: In meiner Position muss man bereit sein, sich ins TSC zu verlieben, mit allem, was es ausmacht. Wer mutig vorangeht und die Zukunft gestaltet, muss auch mal verantwortungsbewusst und verliebt zurückschauen. Ich lasse mich gerne begeistern von Lebensgeschichten der Menschen, die dem TSC bereits Jahrzehnte verbunden sind.

Mit 185 Jahren wagt das TSC etwas Neues: die Partnerschaft mit dem IGW, das ein duales Theologiestudium anbietet. Wie bewertet ihr diese Weichenstellung im Lichte der TSC-Geschichte?

Benedikt Walker: In der Geschichte des TSC haben die Verantwortlichen immer wieder Neues gewagt. Sonst hätten wir den 185. Geburtstag nicht erreicht. Für viele war es überraschend, dass das TSC und das IGW aufeinander zugegangen sind. Ich finde, dass «miteinander» sehr biblisch ist. Den Wunsch nach mehr Miteinander finden wir auch in der Gesellschaft, gerade unter jungen Menschen. Viele von ihnen haben genug von Abgrenzungen. In der theologischen Ausbildung brauchen wir einen weiten Blick. Auf dem Chrischona Berg hatte man immer schon den Blick fürs ganze Reich Gottes. Aber in kaum einem anderen Berufsfeld ist die Ausbildung so zersplittert wie in der Theologie. Wir brauchen mehr Miteinander statt Gegeneinander.

Bibelschule für Frauen 1909

Beat Schweitzer: Wir Christen haben die Tendenz, gerne unser «eigenes Ding» zu machen. Das führt manchmal zur Verzettelung von Ressourcen und Angeboten. Ich meine, es ist höchste Zeit, dass wir Christen mehr zusammenstehen und wieder lernen, mit Unterschiedlichkeiten umzugehen. Das gehört zu einem Miteinander dazu.

Keine Zukunft ohne Herkunft. Woran hält das TSC fest bei aller notwendigen Veränderung?

Benedikt Walker: Seit jeher bilden wir zum einen für die pietistische Gemeinschaftsbewegung in Deutschland und für die freikirchlich-pietistische Szene in der Schweiz aus, zum anderen für die Mission (weltweit und vor unserer Haustüre). Diesem Fokus bleiben wir treu. Ich wünsche mir, dass wir gerade durch das Zusammengehen mit dem IGW Mut zu neuen Kontakten innerhalb der evangelischen Allianz haben.

In diesem Jahr hat die Zusammenarbeit – das Joint Venture – zwischen TSC und IGW offiziell begonnen. An welchen gemeinsamen Projekten seid ihr konkret dran?

Benedikt Walker: Die Zusammenarbeit von TSC und IGW beginnt in den höchsten Gremien. Wir zwei bilden mit den beiden Co-Rektoren vom IGW eine Gesamtleitung TSC-IGW. Wir kommen wöchentlich zusammen. Dieses Miteinander prägt unser Handeln und mündet in konkreten Projekten.

TSC-Absolventen 1867

Beat Schweitzer: Grosses Potenzial sehen wir im Bereich der theologischen Weiterbildung. Das IGW bietet bereits MAS-Programme an in praktischer Theologie (Master-Level). Wir bieten mit dem ifge fach- und berufsfeldspezifische Weiterbildung für haupt- und ehrenamtliche Gemeindemitarbeiter (CAS-Programme).

TSC und IGW behalten ihre bewährten Bachelorstudiengänge bei. Gemeinsame Angebote entstehen also in der Weiterbildung oder auf Master-Level.

Beat Schweitzer: In der Schweiz sind CAS (Certificate of Advanced Studies) und MAS (Master of Advanced Studies) bekannt. Das sind berufsbegleitende und modular aufgebaute Weiterbildungsabschlüsse bis hin zum MasterLevel. Darüber hinaus wollen wir das Quereinsteiger-Programm gemeinsam weiterentwickeln. Um Menschen mit anderweitiger Berufserfahrung den Umstieg in einen pastoralen Dienst zu ermöglichen.

Wie sieht theologische Bildung im Jahr 2040 aus – wenn das TSC dann 200 wird?

Benedikt Walker: Ich erwarte, dass das Miteinander unter den theologischen Ausbildungsstätten wächst. Die Segmentierung können wir uns nicht mehr leisten. In den letzten 100 Jahren lag der Fokus auf der theologischen Ausbildung der jungen Generation. Das erweitert sich bereits. Mit der Akademie GenerationPLUS haben wir ein Bildungsangebot für die ältere Generation gestartet. Ein weiteres Segment sind die 40- bis 50-Jährigen, die einen Quereinstieg in den pastoralen Dienst wagen. An seinem 200. Geburtstag wird das TSC zusammen mit dem IGW allen drei Generationen theologische Bildungsangebote bieten.

TSC-Studierende heute

Zeitleiste mit wichtigen Ereignissen aus der TSC-Geschichte

  • 1840 Christian Friedrich Spittler gründet die Pilgermission St. Chrischona in der zerfallenen Kirche auf dem Chrischona Berg.

  • 1845 Erste Absolventen beginnen Dienst unter Auswanderern in den USA.

  • 1854 Erste Chrischona-Missionare in Ägypten und Äthiopien

  • 1864/1878 Erste Chrischona-Gemeinden in der Schweiz und in Deutschland

  • 1871 Reform der Ausbildung: Erstes Prediger- und Missionsseminar im deutschsprachigen Europa

  • 1909 Bibelschule für Frauen gegründet

  • 1919 Chrischona Gründungsmitglied der Dachorganisation Schweizer Freikirchen

  • 1950 Heiligungskonferenzen knüpfen wieder an die Heiligungsbewegung der Vorkriegszeit an.

  • 1968 Kurzbibelschule für Ehrenamtliche

  • 1994 Neu: Bachelor-Abschlüsse in Theologie und Gemeindepädagogik

  • 2015 Start des Fernstudiums Theologie

  • 2016 Studienreform: BTh Kommunikative Theologie, BA Theologie & Pädagogik und neu BA Theologie & Musik

  • 2019: das TSC wird eigenständig, Gründung des TSC-Netzwerks

  • 2024 Start Akademie GenerationPLUS

  • 2025 Start der Zusammenarbeit von TSC und IGW (Joint Venture)

Unterricht in der Bibelschule für Frauen 1961
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