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65 65 65 Finnland ist anders Finnland ist anders Finnland ist anders Finnland ist anders
Finnland ist anders www.observer.atWien, am 03.02.2021, Nr: 5, 51x/Jahr, Seite: 10-11 Druckauflage: 368 200, Größe: 86,14%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13365347, SB: Ischgl
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Geschäfte haben in Helsinki offen.
Finnland gilt als Musterschüler in der Corona-Pandemie. In kaum einem anderen europäischen Staat gibt es so niedrige Infizierten- und Todeszahlen. Und das, obwohl das nordische Land derzeit auf Ausgangsbeschränkungen verzichtet.
In Finnlands Hauptstadt Helsinki 58. „Als im Frühjahr 2020 die Coro- Krise weit verbreitet, die Finnen sind herrscht reges Treiben. Fußgänger fla- na-Zahlen nach oben geschnellt sind, technisch gut ausgestattet. Auch für nieren durch Einkaufsstraßen. Res- hat Finnland schnell reagiert. Es wur- Schüler gehören Laptops zur Stantaurants und Geschäfte sind offen – den harte Ausgangsbeschränkungen dardausrüstung. „Es wird gerne ungeachtet der Corona-Krise. verhängt, von denen wir noch heute selbstständig und alleine gearbeitet.“ Das 5,5-Millionen-Einwohner-Land profitieren.“ Unter anderem waren Während die Wirtschafsleistung im meistert die Pandemie besser als die Reisen in und aus der Hauptstadt EU-Durchschnitt im zweiten Quar anderen europäischen Staaten. Der- Helsinki verboten. Die Stadt wurde zeit zählt Finnland rund 45.000 Infi- abgeriegelt. zierte und rund 670 Tote. Nirgendwo Danach gab es keinen „Lockdown“ sind die Zahlen so niedrig. Zum Ver- mehr. „Die Grundrechte werden in gleich, in unserem Land gibt es mehr Finnland sehr ernst genommen.“ als 410.000 Infizierte und rund 7.700 Todesfälle. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist in „Finnen sind distanzierter und haben mehr Respekt für die Spielregeln“ Finnland zuletzt ange- Positiv für die Corona-Statistik ist stiegen, liegt aber im die Weitläufigkeit des Landes. Mit tal 2020 um 14 Prozent sank, waSieben-Tages-Mittelwert 340.000 Quadratkilometern ist Finn- ren es in Finnland nur 6,4 Prozent. immer noch bei 380. land vier Mal so groß wie unser „Auch heute stehen wir besser da als Bei uns waren es etwa Land. „Viele Menschen haben ein der Rest von Europa“, sagt die finni1.500. Sommerhaus, in das sie flüchten.“ sche Botschafterin in Wien, Pirkko Warum das nordi- Zudem gelten die Finnen als dis- Hämäläinen. sche Land verhältnis- tanziert und haben mehr Respekt für „Sehr gut funktioniert die Kontaktmäßig gut durch die die Spielregeln als anderswo. „Es gilt, verfolgung von Menschen, die mit Finnlands Krise kommt, erklärt wir sitzen alle im selben Boot und Infizierten in Verbindung standen. Minister- die Finnland-Exper- müssen rudern.“ Rund jeder zweite Finne hat dafür präsidentin tin Johanna Laakso, Heimarbeit war bereits vor der das Programm (App) ‚Corona-Flash‘ Sanna Marin, 35. Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 01/29160*233). Nr. 5/21 Pressespiegel Seite 65 von 77
„Die Kontaktverfolgung funktioniert in Finnland sehr gut.“
Pirkko Hämäläinen, finnische Botschafterin
auf seinem Mobiltelefon.“ Hinge- Vernetzung der Corona-Nachverfol- men. Im November waren es noch gen nutzt bei uns nur jeder Fünfte gung per Mobiltelefon aus. 38 Prozent. Bis heute starben in den die „Stopp Corona-App“ des Roten Weiters will sie künftig nur noch Heimen rund 3.300 Menschen.
Kreuzes. Corona-geimpfte Menschen ins Land Für den SPÖ-Bundesgeschäftsfüh-
Wenn in Finnland Infektionsherde lassen, kontrollierbar durch einen rer Christian Deutsch, 58, ist dies auftreten, werden sie lokal durch Re- Impfpass. Streit gab es auch um den „traurig und schockierend“. Er will striktionen bekämpft. Das soll ein Mund-Nasen-Schutz. Er ist erst seit „Personal und Bewohner regelmäßig
Herunterfahren des Staates verhin- August in Bus und Bahn sowie in testen. Besucher sollen FFP2-Masken dern. Bis jetzt was das erfolgreich. öffentlichen Einrichtungen verpflich- tragen und sich vor dem Eintritt ei-
Die Zufriedenheit mit der finni- tend. Ebenso in den Schulen. nem Antigen-Test unterziehen.“ schen Regierung, insbesondere mit der Auf ältere Menschen wird beson- Inakzeptabel sind für Deutsch sozialdemokratischen Ministerprä- ders geachtet. Ein Fünftel der Finnen auch die Vorkommnisse in Jochberg sidentin Sanna Marin, 35, ist daher ist älter als 65 Jahre. Etwa so viele Se- (T), wo britische Staatsbürger wähgroß. „Sie ist äußerst populär, denn nioren gibt es auch bei uns. In finni- rend einer Schilehrer-Ausbildung sie bleibt stets sachlich und sucht das schen Altenheimen werden bei im „Lockdown“ feierten, teils sogar
Gespräch“, erklärt Laakso. jedem Corona-Fall das Per- mit Covid-19-Symptomen. 17 Briten
Marin ist der Meinung, „der sonal und alle Bewohner wurden daraufhin positiv auf die Vieinzige Weg, um die Wirtschaft getestet. Besucher dürfen rus-Mutation B.1.1.7 getestet. Gerade zu retten, besteht darin, das ihre Angehörigen nur auf in Tirol gibt es immer wieder solche
Virus zu besiegen.“ Kürzlich Distanz sehen. Fälle. hat sie den Reiseverkehr ein- Hierzulande hat die Einnerungen an Ischgl (T) werden geschränkt. Nur in Ausnahme- türkis-grüne Regierung dabei wach, von wo sich das Corofällen, etwa zum Arbeiten, die dramatische Lage in na-Virus im vergangenen Jahr rasant dürfen Menschen den Altenheimen kei- verbreitete. „Die Regierung hat aus ins Land. Zudem löste sie eine hitzige Debatte um eine EU-weite Christian Deutsch, 58, SPÖ.Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 01/29160*233). nesfalls im Griff. Fast 44 Prozent der Corona-Toten kommen aus Heiihren Fehlern nichts gelernt. Es wundert nicht, dass rund sechs von zehn Menschen mit deren Krisenmanagement unzufrieden sind.“ rb