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19 19 19 Liebe Leserinnen und Leser, Liebe Leserinnen und Leser, Liebe Leserinnen und Leser, Liebe Leserinnen und Leser

Liebe Leserinnen und Leser,

Am 31. Dezember 2019 wurde der Ausbruch einer mysteriösen Lungenkrankheit in der chinesischen Provinz Wuhan offiziell bestätigt. Doch nicht darüber diskutierte man in Österreich zum Jahreswechsel – sondern natürlich über die neue Regierung. „Was halten Sie von Türkis-Grün?“ , haben wir gefragt und zahlreiche Antworten erhalten. Sie reichen von „Das beste was Österreich bieten kann“ über „Verlegenheitslösung“ bis hin zu „Beide Parteien haben ihre Wähler getäuscht“.

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Eine interessante Frage zum neuen Regierungspartner der Volkspartei warf „Presse am Sonntag“-Chefin Ulrike Weiser im Jänner in einem Leitartikel auf: „Können die Grünen fünf Jahre lang vermitteln, dass sie irgendwie Teil dieser Regierung sind, aber irgendwie auch nicht?“ Den Konflikt zwischen den doch sehr unterschiedlichen Koalitionspartnern konnte man im ersten Jahr immer wieder beobachten, etwa bei der heftigen Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Lager in Moria .

Hinzu kam, dass die Grünen im Oktober in Wien in Opposition gingen und durch die Neos in der Stadtregierung abgelöst wurden. Was „Presse“-Leser in der Hauptstadt erwarten (oder befürchten), lesen Sie hier.

Aber zurück zu den ersten Monaten des Jahres: Während sich im Jänner also die neue Regierung zusammenfand und wir unter anderem darüber diskutierten, wie böse der SUV ist oder ob das Bargeld ein Auslaufmodell ist, breitete sich die nicht mehr ganz so mysteriöse Krankheit (der Erreger hatte mittlerweile den Namen SARS-CoV-2 erhalten) immer weiter aus – auch in Ländern außerhalb Chinas. An eine weltweite Pandemie wollte zunächst noch niemand denken.

Doch dann ging alles ganz schnell. Nach einer Zunahme der Fälle in Österreich und nach mehr als beunruhigenden Berichten aus Italien stieg auch hierzulande die Angst vor dem neuartigen Coroanvirus – und die Regierung reagierte mit Lockdown Nummer eins. Es gebe keinen Grund, die Supermärkte zu stürmen, schrieb damals Chefredakteur Rainer Nowak in einem Leitartikel. Und: „Wir haben eine große Verantwortung“.

Wien, am 28.12.2020, 365x/Jahr, Seite: 1-4 Druckauflage: 46 000, Größe: 91,65%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13309330, SB: Ischgl Ganz zu Beginn der Pandemie betrafen sie vor allem Ischgl, wo sich zahlreiche Touristen mit dem Coronavirus infizierten. Der Tourismusort wurde zum Sinnbild für die Unterschätzung und dem falschen Umgang in der Krise. Heute schweigen viele in Ischgl, fühlen sich ungerecht behandelt. Wenn die Bewohner doch reden, hört sich das manchmal so an, wie Heide Rampetzreiter in unserer beliebten Rubrik TV-Notiz festhält: „Wer hat’s denn brocht?“, fragt da ein Mann in einer ORF-Reportage mit Verweis auf die Urlauber.

Wenn es ums Thema Eigenverantwortung ging, schielten viele in Österreich vor allem zu Beginn der Krise nach Schweden, das einen Sonderweg ging (der heute als gescheitert gilt). Auch Österreichs Regierung setzte nach dem Abebben der ersten Welle auf mehr Eigenverantwortung, offene Grenzen und weniger Regeln. Wir fragten damals: Soll Österreich den schwedischen Weg gehen? Und bekamen zahlreiche unterschiedliche Antworten.

Ein paar Monate später, als die Corna-Zahlen vor allem bei Reiserückkehrern stiegen, lautete unsere Frage: Kamen die Lockerungen zu früh? Viele Leser kritisierten das unverantwortliche Verhalten der Österreicher im Urlaub, auch wenn die Infektionszahlen damals noch vergleichsweise niedrig blieben.

Nicht ohne Kritik (etwa von Querschreiber Christian Ortner) blieben auch die überraschend großen Demonstrationen in Österreich im Juni: Insgesamt 100.000 Menschen gingen auf die Straße, um für die Rechte Schwarzer zu demonstrieren, nachdem sich die Proteste Monate vor den Wahlen in den USA weltweit ausbreiteten. Die Demonstartionen seien „einmalig in Österreich“, schrieben damals die Journalisten und Aktivisten Beverly Mtui und Simon Inou in einem Gastkommentar. Und forderten: „Nehmt die Black Live Matters Bewegung ernst“. Auch Kollege Köksal Baltaci, der Corona-Erklärer Nummer eins der „Presse“, schrieb Anfang Jänner in einem Leitartikel über Alltagsrassismus. Anlass waren Hassnachrichten und Drohungen, die die Justizministerin Alma Zadić (Grüne) erhielt. Baltaci schrieb zum Thema Rassismus: „Diskriminierung ist keine Frage der persönlichen Wahrnehmung, sondern ein objektiv erklär- und benennbarer, wenn auch nicht immer vorsätzlicher Affront."

Grund zur Klage hatte dieses Jahr auch das Krankenhaus-Personal: In der „Presse“ schilderten eine Pflegerin und ein Pfleger aus Wien die Zustände auf den Wiener Intensivstationen. Es lässt sich nicht nur herauslesen, wie sehr sich die Lage im Herbst zugespitzt hat, sondern auch Frust über die

Arbeitsbedingungen und die mangelnde Anerkennung. „Wir fühlen uns gänzlich unverstanden und allein gelassen“, schreibt die Pflegerin.Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 01/51414*70). Pressespiegel Seite 20 von 76

Viele Ärzte und Pfleger hätten sich im Herbst eine früheres Eingreifen der Wien, am 28.12.2020, 365x/Jahr, Seite: 1-4 Regierung gewünscht, denn die Coronapandemie traf das Gesundheitssystem Druckauflage: 46 000, Größe: 90,47%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13309330, SB: Ischgl hart, das lässt sich leicht belegen. Was sich schwerer quantifizieren lässt, sind aber die sogenannten „Kollateralschäden“ durch die Maßnahmen: Psychische Probleme, häusliche Gewalt, unentdeckte oder unbehandelte Krankheiten, weil man nicht rechtzeitig zum Arzt ging und natürlich die Folgen für die Wirtschaft und alle Probleme die sich daraus ergeben. Mit der Zeit wurde immer mehr Kritik an den Maßnahmen, wie etwa den Gästelisten, den Massentests oder den Schulschließungen, laut.

Auch Querschreiberin Gudula Walterskirchen schrieb in ihren wöchentlichen Kolumnen oft gegen die Corona-Politik an. Sie ortet eine falsche Prioritätensetzung: „Pflegeheime werden nicht durch geschlossene Schulen geschützt“, meint sie in einem ihrer Texte.

Kolumnistin Andrea Schurian, die schon während der ersten Welle einen Freund durch Covid-19 verlor, berichtete indes im Herbst über ihre eigene Covid-19-Erkrankung und der Umgang der überlasteten Behörden damit. Ihr Fazit: „Schneller als gedacht könnte man ein Superspreader werden“ . Immer wieder warnte sie in ihrer Kolumne vor dem fahrlässigen Umgang mit dem Coronavirus – und warb zuletzt auch für die Impfung.

Denn viele stehen den anlaufenden Impfungen skeptisch gegenüber. Brauchen wir vielleicht sogar eine Impfpflicht, zumindest für bestimmte Berufsgruppen? Oder ist die freie Entscheidung des Individuums wichtiger? Darüber wurde in der „Presse“ bereits viel diskutiert und wird wohl auch im neuen Jahr viel debattiert werden.

Sicherheit und Freiheit waren auch abseits der Coronapandemie das große Thema auf den Kommentarseiten, etwa nach dem islamistisch motivierten Attentat, das Anfang November die Wiener Innenstadt erschütterte. Vor einem Kerzenmeer standen die Tage darauf die Menschen in Wien und fragten sich: Wäre das zu verhindern gewesen? Die Emotionen spielten vermutlich auch noch eine Rolle, als wenige Tage später Razzien bei mutmaßlichen Mitgliedern der Muslimbruderschaft stattfanden. Die Frage der Verhältnismäßigkeit wurde aufgeworfen. Und eine hitzige Debatte zum Thema „Politischer Islam“ und „Islamophobie“ entbrannte, die wir hier zusammengefasst haben. Das gekippte Kopftuch-Verbot an Schulen sowie ein neues Gesetzespaket der Regierung zur Terrorbekämpfung sorgt ebenfalls für Debatten. „Ein Staat muss sich wehren, aber auch viel aushalten“, schrieb dazu Philipp Aichinger in einem Leitartikel.

des Antisemitismus konfrontiert. Andere sahen dadurch die Freiheit der Kunst insgesamt in Gefahr. Besonders oft gelesen wurde dazu ein Gastkommentar des Kabarettisten Thomas Maurer in der „Presse“. Seine Haltung: „Der virtuelle Droh-Mob, egal, welcher politisch-religiösen Gesinnung, sagt neuerdings, was Kunst und was Satire ist. Das ist nicht akzeptabel.“ In der „Zeit“ hat sich später auch die Schriftstellerin Eva Menasse zu Wort gemeldet und verteidigte die Kabarettistin gegen den Autor Maxim Biller.

Eine Entscheidung über die Freiheit darüber, wie wir unser Leben führen – und beenden, traf nach breiter Diskussion am Ende des Jahres der Verfassungsgerichtshof. Das Verbot der Beihilfe zum Suizid wurde gekippt. Gibt es ein Recht zu sterben - auch wenn man dabei auf Hilfe angewiesen ist?, fragten wir. Viele machten sich darüber Gedanken, so auch Eva ReisingerLöbl. Ihr Vater, der Doyen der Musikkritik Karl Löbl, wollte mit seiner Frau selbstbestimmt sterben - und kam davon ab. Reisinger-Löbl schreibt in einem Gastkommentar: „Wir sind geboren, um zu leben, zu leiden, zu lieben, zu wachsen, zu schaffen, kreativ zu sein, neue Dimensionen zu erobern und uns in Demut zu üben. Demut vor dem, was uns geschenkt wurde. Das Leben."

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