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Harald Naegeli – Der Sprayer von Zürich

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Caveman

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Meinung nach voherrschenden Lüge das Streben nach Wahrem entgegensetzen. Die Reformer legen dabei nicht nur ihre Kleider ab, sondern ebenso das geistige Korsett, an dem die Gesellschaft zu ersticken droht. Auch Hanna Leitner, die 29jährige Mutter zweier Töchter, zieht es im Jahr 1906 in das Sanatorium – vordergründig, um von ihren Ohnmachtsanfällen geheilt zu werden, im Wahrheit, um ihrer bürgerlichen Rolle zu entfliehen. Ihr Mann, ein berühmter Porträt-Photograph, hat ihr verboten, sich ebenfalls mit Photographie zu beschäftigen, stattdessen zwingt er sie permanent zum Sex in der Erwartung, dass sie endlich den erhofften Sohn zur Welt bringt. Hin- und hergerissen zwischen Schuldgefühlen gegenüber ihrer heimlich zurückgelassenen Familie und der faszinierenden Perspektive eines selbstbestimmten Lebens, findet Hanna in der idyllischen Natur auf dem Monte Verità nicht nur die Freiheit, ihre Leidenschaft für Kunst der Photo-

graphie auszuleben, sondern sie findet auch ihre eigene Stimme und ihren eigenen Weg zur Selbstverwirklichung. So vollzieht Hanna auf dem Monte Verità, wo sich auch der junge Dichter Hermann Hesse und die englische Tänzerin Isadora Duncan sowie Lotte Hattemer, die Tochter des Berliner Bürgermeisters, aufhalten, schließlich den endgültigen Bruch mit ihrem despotischen Gatten …

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Monte Verità – Der Rausch der Freiheit — Schweiz / Österreich / Deutschland 2021 — Regie: Stefan Jäger — Drehbuch: Kornelija Naraks — Kamera: Daniela Knapp — Musik: Volker Bertelmann • Mit Maresi Riegner (Hanna), Hannah Herzsprung (Lotte), Max Hubacher (Otto), Julia Jentsch (Ida), Joel Basman (Hermann Hesse) u.a. — 116 Minuten

Visionärer Rebell

Harald Naegeli: Der Sprayer von Zürich

——–—— mit Regisseurin Nathalie David: Di 7.12. um 18.30 Uhr ——–—— Cinema Flashlightim Cinema & Kurbelkiste: Do 9.12. um 18.30 Uhr So 12.12. um 11.00 Uhr Di 14.12. um 18.30 Uhr

Harald Naegeli sprayte 1977 seine ersten Strichmännchen an die Betonwände von Zürich. Der inzwischen 81jährige gilt seitdem als Vorläufer der Street Art. Bis heute spaltet der Junggebliebene mit verschmitztem Humor die öffentliche Meinung: Macht er Kunst oder handelt es sich bei seinen Graffiti um Sachbeschädigung? Von seiner freigeistigen und systemkritischen Haltung hat Naegeli freilich auch im Alter nichts eingebüßt. Das zeigt eindringlich das feinfühlige Porträt von Regisseurin Nathalie David.

Harald Naegeli wurde verurteilt, saß im Gefängnis und lebte lange in Düsseldorf. Seit 2020 ist der 81-Jährige wieder in Zürich – und sprayte während des ersten Lockdowns über 50 »Totentänze«. Der Kanton verklagte ihn, die Stadt verlieh ihm den Großen Kunstpreis. Der Dokumentarfilm ist Naegelis Testament und eine Hommage an den Utopisten.

Harald Naegeli: Der Sprayer von Zürich — Schweiz / Deutschland 2021 — Regie und Drehbuch: Nathalie David — Musik: Andrina Bollinger und Sophie Hunger — 97 Minuten

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