SOZIALE PROTESTE; MENSCHENRECHTE UND POLITISCHE REPRÄSENTATION DER BAUERNSCHAFT 1988 – 2012

Page 1

Spezialbericht SOZIALE PROTESTE; MENSCHENRECHTE UND POLITISCHE REPRÄSENTATION DER BAUERNSCHAFT 1988 – 2012 IN KOLUMBIEN

Zentrum Für Forschung Und Bildung / Programm Für Den Frieden (CINEP/PPP) August 2013

Informe Especial CINEP/ Programa por la Paz. Luchas sociales, Derechos Humanos y representación política del campesinado 1988-2012. Agosto de 2013


Spezialbericht des CINEP/ Programm für den Frieden General Direktor Dr. Luis Guillermo Guerrero Guevara Koordinator des Allgemeinen Informationssystems Alejandro Angulo Novoa, S.J. Koordinatorin Advocacy und Kommunikation Laura González Pérez An der erstellung dieses spezialberichtes haben mitgearbeitet: Team Soziale Bewegungen: Martha Cecilia García Velandia Álvaro Delgado Guzmán Leonardo Parra Team Land und Landrechte: Diana Victoria Márquez Pinzón Zohanny Arboleda Mutis Javier Lautaro Medina Bernal Dana Barón Romero Sergio Andrés Coronado Delgado Team Konflikt und Staat: Víctor Barrera Ramírez Team Advocacy und Kommunikation: Jennipher Andrea Corredor Sánchez Allgemeines Informationssystem: Ana María Restrepo Rodríguez Alejandro Cadena Benavides Datenbank für Menschenrechte und Politische Gewalt: Vladimir Támara Támara Zentrum für Forschung und Bildung / Programm für den Frieden (CINEP/PPP) Carrera 5 No. 33 B – 02 Teléfono (57–1) 245 61 81 Fax (57–1) 287 90 89 Bogotá D.C. – Colombia cinep@cinep.org.co www.cinep.org.co

Informe Especial CINEP/ Programa por la Paz. Luchas sociales, Derechos Humanos y representación política del campesinado 1988-2012. Agosto de 2013


SOZIALE PROTESTE; MENSCHENRECHTE UND POLITISCHE REPRÄSENTATION DER BAUERNSCHAFT 1988 – 2012 IN KOLUMBIEN* ZUSAMMENFASSUNG Dieser Spezialbericht greift eines der kritischsten Themen der kolumbianischen Gegenwart auf: die politische Anerkennung der Bauernschaft. Um sich einem besseren Verständnis der politischen und gesellschaftlichen Dynamiken der Bauerschaft anzunähern, präsentiert dieser Bericht Daten über die Tendenzen der sozialen Proteste, die von den Sektoren der Bauern ausgingen, über die Dynamik der Menschenrechtsverletzungen und die Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht von denen sie betroffen sind sowie einige Charakteristiken des Prozesses der Konstruktion von Staat angesichts der Bedürfnisse und Forderungen dieser gesellschaftlichen Gruppen. Die sozialen Proteste, die das Land aktuell erlebt, in denen sich die Bauern und andere gesellschaftiche Bereiche lautstark artikulieren, laden ein, an die Verbindungen und Zusammenhänge zu erinnern, die die Prozesse in denen sie zu Opfern wurden, mit der Entwicklung der sozialen Proteste und der Formulierung öffentlicher an diesen gesellschaftlichen Sektoren orientierten Politiken hatten. Der vorliegende Bericht ist ein Aufruf den Prozess der politischen Anerkennung der ländlichen/bäuerlichen Sektoren zu vertiefen, angefangen von den historischen Schulden, die der zentrale Staat sowie die regionalen Regierungen ihnen gegenüber haben, die schweren und systemathischen Verletzungen der Menschenrechte sowie die Notwendigkeit der Implementation öffentlicher Politik die ihren Bedürfnissen und denen der gesamten Bevölkerung entspricht. Ebenso geht der Bericht darauf ein, dass politische Anerkennung der Landbevölkerung über die notwendige Schaffung von Institutionen und öffentlicher Politik stattfindet, bei welchen die Partizipation funktioniert. Das Dokument präsentiert Informationen über die sozialen Proteste und Verletzungen der Menschenrechte an Bauern und Landarbeitern im Zeitraum von 1988 bis 2012. Das Fortdauern der Motive der sozialen Proteste und das Auftauchen neuer Forderungen in den Bewegungen, erlaubt es den dynamischen Charakter dieses Sektors und seine Fähigkeit zu neuen Vorschlägen, sowohl zur Lösung struktureller Probleme – z.B. die hohe Konzentration von Landbesitz - als auch zur Implementierug von sektorieller und /oder territorialer Politik, zu verstehen. Im Bereich der Menschenrechte sind die Bauern eine der gesellschaftlichen Gruppen, die als Opfer unter der politischen Gewalt und dem bewaffneten Konfliktes in Kolumbien am meisten zu leiden hatten. Die Datenbank für Menschenrechte und politische Gewalt des CINEP/PPP berichtet, dass zwischen 1988 und 2012 17.559 Bauern/ Landarbeiter Opfer von Verletzungen der Menschenrechte und Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht wurden. Während der letzten Jahre konnte man beobachten, dass viele dieser Taten im Laufe von Protesten, die von Bauernorganisationen angeführt wurden, geschehen sind. Es ist notwendig die Stigmatisierung sozialer Proteste zu überwinden und die Entwicklungen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen sowie die Forderungen zu verstehen, die diese motivieren, um die strukturellen Elemente, die zu den Protesten führen, berücksichtigen und überwinden zu können. Auch wenn dieser Bericht ausdrücklich die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Proteste und die Opfer im Bereich der Bauernschaft behandelt, ist die fehlende politische Anerkennung ebenfalls eine Realität für andere Bereiche der Landbevölkerung, wie die indigenen Völker und die afrokolumbianischen Gemeinschaften. So ist es notwendig, die historische Schuld gegenüber den ländlichen Bauern, der indigenen Bevölkerung und den Afrokolumbianern anzuerkennen, deren hauptsächliches Merkmal im Land das ständige Scheitern der Einführung / Anwendung politischer Landreformen ist. Zu dieser Situation hinzu kommen die unzureichenden Möglichkeiten ihrer Beteiligung und Einflussnahme bei den regionalen und nationalen Planungsprozessen sowie bei der Ausgestaltung * CINEP/Programa por la Paz respectfully addresses the gender perspective and recognizes diversity in all of its expressions. This report does not use inclusive language so as to facilitate its reading and production, and not in disregard of the gender perspective in our approach

Informe Especial CINEP/ Programa por la Paz. Luchas sociales, Derechos Humanos y representación política del campesinado 1988-2012. Agosto de 2013


der ländlichen Entwicklungspolitik. Der Bericht präsentiert Daten, die zeigen, dass die Verfassung der Instanzen zur Partizipation mangelhaft ist, sowie dass sich diese Situation möglicherweise in Verbindung mit den nicht erfüllten Forderungen der ländlichen Sektoren im Fortdauern der sozialen Proteste in den genannten Regionen des Landes ausdrückt. Die politische Anerkennung der Bauernschaft erfordert ausserdem ihre Entschädigung als Opfer schwerer und systematischer Verletzungen der Menschenrechte, eine Vertiefung der Demokratie, die es ihnen erlaubt, an der Formulierung und Anwendung der Agrarpolitik und der ländlichen Entwicklungspolitik, die sie direkt betreffen, teilzunehmen und effektiv einzugreifen. Die derzeitige Gestaltung einer Verhandlungskommision, um die Krise, die die Region Catatumbo erlebt, zu überwinden, die Wiederherstellung des Tisches für Gespräche im Süden von Bolívar oder die Gestaltung des intersektoralen Tisches für ländliche Entwicklung in den Montes de Maria, sind Anzeichen politischer Anerkennung, die prioritär in den Regionen des Landes vertieft und nachgeahmt werden sollten, in denen die gesellschaftlichen Proteste sich über lange Zeit erhalten haben oder in denen die Verletzungen der Menschenrechte gegen diese gesellschaftlichen Bereiche in systematischer Form begangen wurden. Die Anerkennung spezieller Rechte der Bauern kann dazu beitragen, die politische Anerkennung dieses Sektors zu stärken, etwas, das auch im Angesicht des Prozesses zur Schaffung eines nachhaltigen und dauerhaften Friedens notwendig erscheint.

4

Informe Especial CINEP/ Programa por la Paz. Luchas sociales, Derechos Humanos y representación política del campesinado 1988-2012. Agosto de 2013


SOZIALE PROTESTE; MENSCHENRECHTE UND POLITISCHE REPRÄSENTATION DER BAUERNSCHAFT 1988 – 2012 IN KOLUMBIEN EMPFEHLUNGEN An die kolumbianische Regierung: •

Die Einführung von gesetzlichen und institutionellen Mechanismen fördern, die die Anerkennung der Bauer und Landarbeiter, der indigenen Bevölkerung sowie der Afroklolumbianer als politische Akteure voranbringen und stärken, darunter freiwillige Richtlinien über eine verantwortungsvolle Ordnungspolitik für Land, Fischerei und Wald im Kontext der nationalen Ernährungssicherheit.

Förderung eines differenzierten ländlichen Standpunkts bei der Anwendung der Politik zur Entschädigung der Opfer und der Landrückgabe. Dies wird den Schutz der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen der Bauern zu Land und Territorium beförden.

Unterstützung der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Rechte der Bauern und Bäuerinnen durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Einführung von politischen Massnahmen zum Schutz und zur Förderung der landwirtschaftlichen Familienbetriebe und der Systeme öklogischer Landwirtschaft.

Einfühung von Kontrollen und Richtlinien zum Schutz der Menschenrechte der Bauern, der indigenen Bevölkerung, der Afrokolumbianer sowie weiterer Bürger, die an sozialen Protesten teilnehmen. Im Besonderen Neugestaltung der Art der Operationen des Escuadrón Móvil Antidisturbios (Esmad) (Mobilen Antistörungsschwadrons, der Übers.) gegenüber den sozialen Protesten.

Anerkennen der von den sozialen Organisationen kommenden Gesetzesinitiativen, Initiativen zur Landwirtschaftspolitik sowie zur Politik ländlicher Entwicklung, speziell das Projekt des Gesetzes zu Land und ländlicher Entwicklung (ley de tierras y de desarrollo rural), entwickelt von der Mesa de Unidad Agraria (Tisch der Landwirtschaftlichen Einheit, der Übers.)

Unterstützung der Schutz und Selbstschutzstrategien, die von den Organisationen der Bauern, der Indigenen und der Afrokolumbianer selbst stammen, die sich Risikosituationen im Zusammenhang mit der Forderung nach Recht auf Land und Territorium ausgesetzt sehen.

An die internationale Gemeinschaft: •

Unterstützung der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Rechte der Bauern und Bäuerinnen durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Rahmen der Erklärung des Jahres 2014 zum internationalen Jahr der familiären Landwirtschaft.

Begleitung der kolumbianischen Regierung bei der Implementierung freiwilliger Richtlinien über die verantwortungsvolle politische Ordnung von Land, Fischerei und Wald im Kontext der nationalen Ernährungssicherheit.

Informe Especial CINEP/ Programa por la Paz. Luchas sociales, Derechos Humanos y representación política del campesinado 1988-2012. Agosto de 2013

5


Förderung von unterstützenden Aktionen zur Stärkung einer die Institutionen übergreifenden Arbeit, die die Entstigmatisierung und die volle Anerkennung der Rechte der Bauern in Kolumbien begünstigt.

An die lokalen Regierungen: •

Gestaltung und Einberufung von Planungs- und Beteiligungsinstanzen der Organisationen der Bauern, der Indigenen Bevölkerung und der Afrokolumbianer bei der Ausgestaltung der Politik ländlicher Entwicklung auf Gemeinde- und Departmentebene.

Anwendung der internationalen Empfehlungen und der nationalen gesetzlichen Rahmenregelungen mit Rigorosität, auf den vollen Respekt der Rechte der Bauern achtend.

Raum für den Dialog und das Zusammenreffen mit den Bauern und weiteren Bürgern aus ihrem Regierungsbereich schaffen, offen gegenüber ihren Erwartungen und Bedürfnissen.

Das legitime Recht auf sozialen Protest respektieren und schützen, mit den Autoritäten von Militär und Polizei Aktionen der Begleitung und nicht der Stigmatisierung koordinieren und die staatlichen Kräfte gegen solche Vorkommnisse einsetzen.

An die Zivilgesellschaft:

6

Fördern von Szenarien der Diskussion und Verankerung der von den eigenen sozialen Organisationen entwickelten Vorschläge öffentlicher Landpolitik und Politik ländlicher Entwicklung.

Zur Verfügung stellen und begleiten von regionalen Räumen zum Gespräch, die die Annäherung der vielfältigen in die Anwendung der Land- und ländlichen Entwicklungspolitik verwickelten Akteure suchen.

Stimulierung des offenen und vielfältigen Wissens der bäuerlichen Gemeinschaften, basierend auf der Anerkennung der Diversitäten und des Reichtums ihrer Beteiligung am gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben des Landes.

Informe Especial CINEP/ Programa por la Paz. Luchas sociales, Derechos Humanos y representación política del campesinado 1988-2012. Agosto de 2013


www.cinep.org.co


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.