Heide Warkentin (Hrsg.)
Gipfelgebete Gebete und Segenstexte zum Wandern in den Bergen
Claudius
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I n h a lt
Vorwort 7
I. Die Berge in der Bibel – die schönsten Texte 15
II. Berge und Beten –
Gebete für unterwegs 25 III. Gipfel-Philosophisches 77 IV. Die Berge und Täler des Lebens 85
V. Zwei Gipfelmeditationen 97 VI. Unbeschriebene Blätter – für eigene Gebete, Lieblingstexte … 107 VII. Quellennachweis 126
Vorwort
In den Bergen fühlen wir uns Gott näher.
„Für mich sind Wanderungen wie eine Meditation. Dabei fühle ich mich Gott am nächsten und führe die intensivsten Gespräche mit ihm“, sagte mir eine Freundin, als ich ihr von der Herausgabe der „Gipfelgebete“ erzählte. Viele Menschen fühlen sich in den Bergen Gott besonders nah. Nicht nur die vielen Gipfelkreuze, Bergkapellen oder Kreuze am Wegesrand legen Zeugnis davon ab. Auch Berggottesdienste oder Wanderexerzitien werden immer populärer. Warum ist das so? Die Berge lehren uns vieles: Sie sind Quelle der Freude, aber auch der Gefahren. Sie lehren uns Grenzen zu überschreiten, lassen uns aber auch an unsere Grenzen stoßen. Sie laden uns ein, immer wieder über Gottes schöne Schöpfung zu staunen. Sie lehren uns Demut und Umkehr. Hoch auf den Bergen kommen wir bei uns selbst an – und bei Gott. Die Berge verwandeln uns. Auch in der Bibel spielen die Berge eine wichtige Rolle, denn die Verfasser der biblischen Texte waren durch das Leben in bergigen Gegenden geprägt und das findet in der biblischen Sprache und in biblischen Bildern seinen Ausdruck. Mose erhält von Gott die Zehn Gebote auf dem Berg 8
Sinai/Horeb und am Ende seines Lebens wird er von Gott auf den Berg Nebo/Nabo geführt, wo Gott ihm das gelobte Land zeigt. Gott offenbart sich Mose auf den Bergen – und er offenbart sich dort auch uns. Auch von Jesus wird ein Aufenthalt auf einem Berg berichtet; seine Jünger haben dort ein visionäres Erlebnis. Und einer der bekanntesten Texte der Bibel ist die Bergpredigt. Aber nicht nur als Teil der Landschaft, auch als gewaltiges Sprachbild spielen die Berge in der Bibel eine wichtige Rolle: „Es sollen wohl Berge weichen/wanken …“ „An dir, DU, berge ich mich“, übersetzt Martin Buber einen Vers aus Psalm 31 und bringt damit die sprachliche Verbindung zwischen den Berggipfeln und dem Begriff „bergen“ im Sinne von „retten, schützen, Geborgenheit finden“ auf wundervolle Weise zum Ausdruck. Die schönsten Bibelstellen zum Thema Berge finden Sie im ersten Kapitel dieses Buches. Schon immer sind Menschen gewandert. Und Gott mit ihnen. Freilich waren die allermeisten Menschen nicht wie heute oft aus touristischen oder sportlichen Zwecken unterwegs und ihre 9
Wege führten sie auch nicht immer nur über die Berge. Viele Jahrhunderte waren die Berge eher Quelle der Gefahr denn Ort der Erholung und der Inspiration. Namen wie das „Höllental“ im Schwarzwald und der Ort „Himmelreich“, der sich am Ausgang dieses von steilen Felsen gesäumten, bis heute engen Durchgangs im Schwarzwald befindet, erzählen davon. Im zweiten Kapitel finden Sie Gebete und Segenstexte für Ihre Wanderungen und Bergtouren und auch einen Text, wie ihn Menschen beten, die in den Bergen leben: den Betruf aus der Schweiz. Sie müssen die Gebete in diesem Buch natürlich nicht wortwörtlich nachbeten, die Texte sind Einladungen, die eigenen Anliegen und Gefühle vor Gott zu bringen. Die Verfasserinnen und Verfasser benutzen verschiedene Anreden für Gott – nehmen Sie die, mit der Sie sich wohl fühlen: liebender Gott, Gott, Vater, guter Gott, Herr Jesus, Göttin, DU, himmlische Macht, Vatermutter oder Muttervater. Die Aussicht von den Bergen weitet auch unseren Horizont. Das dritte Kapitel „Gipfel-Philo10
sophisches“ regt an, die Gedanken beim Gehen schweifen zu lassen und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Spirituelle Gipfelerlebnisse gibt es natürlich auch ohne Berge. Ein besonderes Ereignis, ein Erfolg, eine tiefe Erkenntnis oder ein bewegendes Erlebnis – viele Menschen beschreiben solche Erfahrungen als „Gipfelerlebnis“ oder Höhepunkt. Aber es geht im Leben eben leider nicht nur von Höhepunkt zu Höhepunkt. Oft gleicht das Leben einer Bergwanderung: Mal läuft es sich leicht bei Sonnenschein über satte Almwiesen, mal ist der Weg mühsam und steil, gar gefährlich, Nebel erschwert die Orientierung. Und wähnen wir uns nach vielen Anstrengungen endlich in der Nähe des Gipfels, sehen wir uns plötzlich mit einem zähen Gegenanstieg konfrontiert. Und immer wieder schickt Gott uns durch die finsteren Täler und Schluchten des 23. Psalms. Diese inneren Berge und Täler sind oft besonders schwer zu überwinden: Unzufriedenheiten mit uns selbst, Schicksalsschläge, Trauer und Verluste, Angst oder einfach nur Berge an Arbeit, die den Blick auf das Wesentliche versperren. Von 11
diesen Bergen und Tälern handeln die Texte im vierten Kapitel. Im fünften Kapitel schließlich stelle ich Ihnen zwei Bergmeditationen vor. Sie können die Texte allein oder mit anderen lesen, darüber meditieren und sprechen. In den Bergen brauchen wir Wanderkarten zur Orientierung – mögen die „Gipfelgebete“ der inneren Orientierung dienen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für Ihre Berg- und Lebenswanderungen viele beglückende Augenblicke: wunderbare Ausblicke, inspirierende Begegnungen mit der Natur und anderen Menschen, das Erleben der Erhabenheit und Stille der Berge – und das herrliche Gefühl, abends verschwitzt und glücklich wieder im Tal anzukommen. Am allermeisten aber wünsche ich Ihnen für Ihre Wege – ob über Berg und Tal oder im Alltag –, dass Sie sich selbst und Gott jeden Tag aufs Neue begegnen. Es lohnt sich. Heide Warkentin
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I.
D i e B e r g e i n d e r B ib e l
Die schรถnsten Texte
Der Herr selbst zieht vor dir her. Er ist mit dir. Er lässt dich nicht fallen und verlässt dich nicht. Du sollst dich nicht fürchten und keine Angst haben. 5. Mose 31,8
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbtest mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. Psalm 23
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Du stellst meine Füße auf weiten Raum. Psalm 31,9
Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes und dein Recht wie die große Tiefe. Herr, du hilfst Menschen und Tieren. Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben! Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses, und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Licht sehen wir das Licht. Psalm 36,6-10
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Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertrau ihm; er wird es fügen. Psalm 37,5
Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Psalm 91,11-12
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Da erhoben sich Berge und senkten sich Täler an den Ort, den du für sie bestimmt hast. Du hast den Wassern eine Grenze gesetzt, die dürfen sie nicht überschreiten; nie wieder sollen sie die Erde bedecken. Du lässt die Quellen hervorsprudeln in den Tälern, die Wildesel stillen ihren Durst daraus. An den Ufern wohnen die Vögel des Himmels, aus den Zweigen erklingt ihr Gesang. Du tränkst die Berge aus deinen Kammern, aus deinen Wolken wird die Erde satt. (...) Ewig währe die Herrlichkeit des Herrn; der Herr freue sich seiner Werke. Er blickt auf die Erde und sie erbebt; er rührt die Berge an und sie rauchen. Ich will dem Herrn singen, solange ich lebe, will meinem Gott spielen, solange ich da bin. Möge ihm mein Dichten gefallen. Ich will mich freuen am Herrn. Psalm 104,8-13.31-34
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II.
B e r g e u n d B e t e n
Gebete fĂźr unterwegs
Berge erleben – Bergerlebnis Aufbrechen Träumen Fantasie entwickeln Ein Ziel in den Blick nehmen Sich entschließen Sich vorbereiten Sich auf den Weg machen Den Alltag verlassen Raus aus dem Alltagstrott Termine hinter sich lassen Ärger und Sorgen zurücklassen Frei sein Ohne Termindruck Nicht erreichbar sein Nicht reagieren müssen Selbstbestimmte Schritte Freude Die Natur bestaunen Die Sonne genießen Das Rauschen eines Bergbaches hören Den Duft der Blumen einatmen Die Bergwelt aufsaugen 26
Kraft tanken Zeit zum Nachdenken haben Auf einem Stein ausruhen Kühles Wasser aus einer Quelle trinken Gesicht und Hände im Gebirgsbach erfrischen Den Blick in die Weite schweifen lassen Inspiriert Sich selbst als Geschöpf Gottes wahrnehmen Dem Sinn des Lebens nachspüren Neue Ideen steigen auf Hoffnungsperspektiven entwickeln sich Grenzen spüren Eigene Begrenzungen akzeptieren Erschöpfung annehmen Allmachtsfantasien verschwinden Entscheiden Immer wieder Weggabelungen Sich verlassen auf Wegweiser Dem eigenen Orientierungssinn trauen
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Dem Himmel nah Ankunft auf dem Gipfel Das Ziel erreicht Stolz auf sich selbst Überwältigt von der Kulisse Das Tal weit weg Loslassen können Gottes Nähe spüren Thomas Roßmerkel
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Wir wandern mit dem Wort Gottes wir wandern mit dem Wort Gottes durch das Wort Gottes und im Wort Gottes das Wort das Mensch wurde und Blume und Berg Wasser und Sonne das Wort das manche LIEBE buchstabieren wir wandern durch die Taten Gottes durch seine makellos schÜne Handschrift die nach dem ersten Wort noch unzählige weitere hervorbrachte wir wandern mit dem Segen Gottes wir wandern Licht entgegen Miriam Falkenberg
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Morgenlob in den Bergen Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom unerschaffnen Lichte, schick uns diese Morgenzeit deine Strahlen zu Gesichte, und vertreib durch deine Macht unsre Nacht. Christian Knorr von Rosenroth
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Aufbruch I Gott sei vor dir, um dir den rechten Weg zu zeigen. Gott sei neben dir, um dich in die Arme zu schließen und zu schützen. Gott sei hinter dir, um dich zu bewahren. Gott sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst. Gott sei in dir, um dich zu trösten, wenn du traurig bist. Gott sei um dich herum, um dich zu verteidigen, wenn andere über dich herfallen. Gott sei über dir, um dich zu segnen. So segne euch der barmherzige und gütige Gott. Der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Altkirchlicher Segen
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Aufbruch II Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott, sei mit uns durch deinen Segen. Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, sei um uns auf unsern Wegen. Eugen Eckert
Aufbruch III Geh mit uns. Segne uns, Gott, und segne die Erde, die unsere Füße trägt. Und segne, Gott, den Weg, den wir gehen. Segne, Gott, die Menschen, die uns begegnen. Quelle unbekannt
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Aufstieg Ankommen möchte ich, Gott, am Ziel, der Weg ist lang und beschwerlich, Steine lassen mich stolpern, doch du schenkst mir langen Atem. Schritt für Schritt gehe ich weiter. Ankommen möchte ich, Gott, bei mir, mich loslösen von dem, was mich im Tal beschwerte, mein eigenes Tempo finden, feste Schritte wagen, du lässt mich zur Ruhe kommen mit jedem Schritt. Ich richte meinen Blick nach vorne. Ankommen möchte ich, Gott, bei dir, meinen Blick in den Horizont versenken, Ausblicke wagen, Freiheit fühlen, mich gehalten wissen, wo nur du mich umgibst. Regina Westphal
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Rast Gott, ich bin eine lange Strecke gewandert Habe einen anstrengenden Weg hinter mir Steile Auf- und in die Knie gehende Abstiege Nun sitze ich hier und ruhe aus Entspanne und spüre in mich hinein Merke, wie ich bei mir ankomme Die Ruhe tut meinem Körper gut Meine Seele holt mich langsam wieder ein Ich komme zu und bin bei mir Und in diesem Bei-mir-Sein Berührst du mich Bist bei und in mir Das gibt mir neue Kraft Mich auf die nächste Wegstrecke einzulassen Und am Ziel meiner Wanderung anzukommen Markus Caspari
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Gebet zur Brotzeit Guter Gott, du nährst unsere Körper und unsere Seelen. Wir danken dir dafür. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Du stillst unseren Durst und führst uns zum Wasser des Lebens. Segne nun diese Brotzeit, stärke und belebe uns, sei in uns und unter uns. Amen Heide Warkentin
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