Susanne Breit-KeSSler
GĂśttergatten, SchwiegermĂźtter & himmlische Sonntage
Claudius
Bibliografische Informationen Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. © Claudius Verlag München 2014 Birkerstraße 22, 80636 München www.claudius.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Mario Moths, Marl Layout und Satz: TypoGraphik Anette Klinge, Gelnhausen Druck: fgb, freiburger graphische betriebe ISBN 978-3-532-62463-0
Vorwort Ehe: Zwei Menschen werden zu einem ganzheitlichen Ich, weil es ein Du gibt. Zu diesem Einswerden gehört das Behutsame ebenso wie die Ekstase, das »aus sich Heraustreten« – im Vertrauen darauf, sich im Partner, der Partnerin gerade deshalb wiederzufinden, weil man sich an ihn, an sie hingegeben, in einem Augenblick der Unendlichkeit verloren hat. Im anderen bei sich selber sein – das ist eine Bewegung aufeinander zu. Eine Bewegung, durch die man wegkommt vom Kreisen um das eigene Ich und gerade dadurch bei sich selber landet – verändert und bereichert. Das kann und das wird so bleiben, wenn zwei Menschen ein Geschenk annehmen,
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das direkt von Gott kommt: die Zehn Gebote. Sie sind Lebenssätze, die Christen und Juden unauflöslich miteinander verbinden – Lebenssätze auch für die Ehe.
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Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Gรถtter haben neben mir.
Meine Göttin Der Partner, die Partnerin – er ist einfach himmlisch, sie ist seine Göttin. So soll es sein, wenn beide spielerisch und lächelnd, vielleicht auch mit ein wenig zärtlicher Ironie damit umgehen. Es gehört zur Ehe dazu, Verliebtheit kreativ zu kultivieren und Wolke sieben des Anfangs immer wieder mal am Horizont vorbeiziehen zu lassen. Die Wolke, auf der Fantasie, Träume und Wünsche wohnen – Kostbarkeiten, die eine Beziehung gegen das Nichts abschotten. Aber Menschen sind nicht Gott. Sie sind nicht perfekt. Zwei, die sich lieben, sind nicht dazu da, einander zu erlösen von allen Übeln. Wer das weiß, der erwartet mit Recht Wundervolles von seiner Part-
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nerschaft – aber nichts Unmögliches. Und: Ein Mann, eine Frau, sie sind gerade schön in ihrer Unvollkommenheit – so, wie eine ungerade Nase, zwei verschiedene Augenfarben oder ungewöhnliche Ohren einen Menschen erst richtig interessant machen. Gott ist der Herr. Von ihm darf man sich ewige Zuwendung erhoffen. Deshalb kann man sich getrost wechselseitig entlasten vom Terror Und doch, welch Glück, der totalen Verantgeliebt zu werden, wortung für das Und lieben, Götter, ganze eigene und welch ein Glück! gemeinsame Leben Johann Wolfgang von Goethe – rechtzeitig, bevor man einander womöglich als »Teufelin« oder »Satansbraten« beschimpft. Irdische Endlichkeit, sie zeigt sich im begrenzten Glück. Es ist unbedingt ein Gewinn, sich in der Freude auch am halb Gelungenen einzuüben.
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Echt? Du bist das? Manche Menschen sind stolz darauf, mit traumwandlerischer Sicherheit zu wissen, was der oder die andere denkt, gleich sagen oder tun wird. Im Restaurant verschwindet die Liebste schnell, um sich die Nase zu pudern. Inzwischen bestellt er die Pasta und den Rotwein, den sie immer trinkt. Sie erzählt im Freundeskreis, welche Urlaubspläne er für dieses Jahr hat, obwohl er daneben sitzt und für sich selber sprechen könnte. Man ergänzt ungefragt die Sätze des anderen – es ist eh klar, was kommt. Schön, so eine Vertrautheit. Wirklich? Es stecken allerhand Gefahren darin, wenn man sich zum Herrn oder der Herrin über den anderen aufschwingt. Vielleicht hätte sie diesmal gerne Fisch gegessen. Er will sie mit einer Reise überraschen und
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kann sich nicht in aller Öffentlichkeit dazu erklären. Dem anderen mit Worten in die Parade fahren ist auch nicht eben partnerschaftlich – möglicherweise hatte er vor, etwas ganz anderes zu sagen. Vertrautheit im Übermaß kann zur Fremdbestimmung werden. Sie nimmt einem die Luft zum Atmen und den Raum zur Entfaltung. Wie aufregend dagegen, mit Lust und Liebe daranzugehen, den wunderbaren Menschen an der eigenen Seite wieder neu zu entdecken. Ihm die Chance zu geben, unbekannte Seiten an sich zu sehen oder verloren gegangene Vorlieben wiederzubeleben. Mozart hängt ihm zum Hals ´raus, denn er ist ein Rock´n Roller und war lange auf keinem Konzert? Sie will nicht länger ständig Fernsehen schauen, denn sie liebt Gedichte und genießt Autorenlesungen? Beide möchten längst in Asien Urlaub machen, wagten es einander aber nicht zu
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sagen? Na, dann los: Liebe lebt von Überraschungen – und von Freiheit!
Zwischenschaften »Wie der Herr, so´s Gscherr« sagt man. Oder, ganz passend zur Paradiesgeschichte: »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«. Gott, der Herr, hat an seiner Schöpfung ziemlich lange und intensiv gearbeitet – auch an der Gestaltung von Frau und Mann. Für die tägliche Neuerschaffung der eigenen Ehe muss man deshalb ebenfalls etwas tun. Mein eigener Mann spricht gerne von den »Zwischenschaften« zweier Menschen, die nur miteinander wachsen können. Die wertvollste Zwischenschaft ist die Liebe. Alle individuellen Eigenschaften, mögen sie noch so großartig sein, können nur in Liebe etwas Gutes bewirken. Rhetorik
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ohne Liebe ist Schall und Rauch. Intelligenz, Klugheit, Schönheit, Frömmigkeit: Ohne Liebe taugen sie nichts. Erst Liebe ermöglicht Leben. Wollen wir mal kurz einen liebevollen ehelichen Dialog belauschen? »Ach«, seufzt sie, »ich bin eben schwierig«. »Schwierig?« fragt er. »Wie kommst du da drauf? Ich finde, du bist eine wundervolle Frau.« Sie lächelt. »Nett von dir.« »Unsinn«, meint er. »Mit dir ist ganz leicht auszukommen.« Sie schaut ihn zweifelnd an. »Im Ernst?« »Klar«, sagt er. »Es ist schön mit uns.« Sie lacht. »Das ist, weil du so charmant bist.« »Ich?« fragt er. »Das ist ja das Neueste…« So ist es: Ein Mensch hat nicht bloß Eigenschaften. Es gibt auch persönliche Zwischenschaften. Was anderen an ihr mühsam scheint, findet er hinreißend. Was Menschen an ihm »verwickelt« finden, kommt bei ihr als liebenswert an. Wenn zwei sich beschenken lassen…
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