Eva Meder-ThĂźnemann
Sanft & wild stark & weise Lebenskunst fĂźr die Wechseljahre
Claudius
Bibliografische Informationen Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. © Claudius Verlag München 2015 Birkerstraße 22, 80636 München www.claudius.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Julia Niedermeier, www.julaila-design.de Umschlagfoto: Tänzerin: © proxyminder/ iStockphoto.com Mohnblüte: © Manuel Schäfer/Fotolia.com, Rose: © elena.rudyk/Fotolia.com 2 Bilder Mohnblume: © A_Bruno/Fotolia.com Illustrationen, Layout und Satz: Julia Niedermeier, www.julaila-design.de Druck: fgb - freiburger graphische betriebe ISBN 978-3-532-62471-5
Ich widme dieses Buch meinen Schwestern, den leiblichen und den geistigen.
Inhalt
Kapitel 1
Seite 11
Kapitel 2
Seite 18
Kapitel 3
Die Botschaft des Fischreihers Perspektivenwechsel Siehe, es ist ein Raum bei mir; da sollst du auf dem Fels stehen Sehnsucht nach Raum
Seite 26
In meinem Kopf, in meinem Bauch Verwirrende Vorgänge
Seite 33
Und etwas in ihr will fast zerspringen Neue Sehnsucht
Seite 42
Wohin soll ich mich wenden? Richtungssuche
Seite 47
Fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben Dunkle Zeiten
Seite 58
Euer Ja sei ein Ja und Euer Nein sei ein Nein Eigenwillig werden
Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 Kapitel 7
Kapitel 8
Seite 68
Übers wilde Meer der Lust zum stillen See der Zartheit und zurück? Neue Sinnlichkeit
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Kapitel 9
Seite 74
Kapitel 10
Seite 85
Wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert Die etwas andere Erneuerung Dunkel war’s, der Mond schien helle Verkehrte Welt
Kapitel 11
Einmal verrückt sein und aus allen Zwängen fliehen Nochmal ganz neu anfangen?
Kapitel 12
Das fließende Licht der Gottheit Spiritualität (neu) entdecken
Kapitel 13
Schlaflos in der Lebensmitte Unruhige Nächte
Kapitel 14
Reisende soll man nicht aufhalten Wenn die Kinder aus dem Haus gehen
Kapitel 15
Ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe Die Eltern werden älter
Kapitel 16
Die Jahre lehrten uns viele Dinge, von denen die Tage nichts wussten Da geht noch was!
Seite 103 Seite 119 Seite 133 Seite 147 Seite 159 Seite 180
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S a n f t
u n d
W i l d
&
Sta r k
u n d
w e i s e
Vorwort
Als ich gefragt wurde, ob ich einen spirituellen Ratgeber über die Lebensmitte, speziell die Wechseljahre schreiben würde, war ich sofort begeistert, war ich doch selbst mittendrin in dieser spannenden Lebensphase und hatte mir schon oft gedacht: Dazu hätte ich wirklich etwas zu sagen! Wenn ich heute versuche mich zu erinnern, was ich eigentlich damals gemeint hatte, unbedingt zu diesem Thema sagen zu wollen, fällt es mir schwer, diese Idee kurz gefasst wiederzugeben. Ich versuche es trotzdem: Ich will Mut machen, das Leben mit allen seinen merkwürdigen Veränderungen und Zumutungen anzunehmen, so wie es kommt. Seinem Fluss zu folgen, sich selbst zu beobachten und festzustellen: „Aha, so geht es mir gerade“, ohne gleich zu überlegen: „Wie kann man das wegmachen?“ Ich will dazu anregen, im nächsten Schritt zu fragen: „Gibt es vielleicht eine Botschaft für mich in all diesem Neuen, auch in den Veränderungen, die ich mir bestimmt nicht so ausgesucht hätte?“ Mir ist es wichtig, Ihnen die „Frohe Botschaft“ zu verkünden, dass Wechsel und Wandel bei allen unangenehmen Begleiterscheinungen keine Katastrophe darstellen, sondern eine oder sogar viele Chancen bieten. Um das zu erfahren, darf man sich mutig erst einmal mitten hineinstellen in den Wandel. Was kann nun dieses Buch dazu beitragen? Ich denke, das entscheiden Sie am besten selbst. Ich möchte es Ihnen anbieten wie eine Art Schatzkiste oder einen Steinbruch. Öffnen oder bearbeiten können Sie das Ganze nur selbst, aber Sie dürfen nach Herzenslust wühlen, graben, suchen und finden. Sie können in Ruhe prüfen, was für Sie passt und hilfreich sein kann. Vielleicht wird das, was Sie zunächst überblättern,
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später doch einmal interessant für Sie. Manchmal mag vielleicht auch ein Tipp, der Ihnen absolut fremd und seltsam erscheint einen Prozess einleiten, in dem sie selbst anfangen, nach einer für Sie besser passenden Idee zu suchen. Das würde mich ungemein freuen. Am Ende des Buches zitiere ich den Apostel Paulus, der seiner Gemeinde rät: „Prüfet alles, das Gute behaltet!“ Ich wünsche mir, dass Sie mit diesem Buch getrost so umgehen. Wie Sie dieses Buch für sich nutzen können:
Natürlich kann man dieses Buch an einem Tag durchlesen. Dazu würde ich Ihnen aber nicht raten. Vielmehr würde ich empfehlen, täglich ein kleines Stück zu lesen oder beispielsweise jeden Sonntag. Sie könnten auch darin blättern, bis sie eine Stelle finden, die Sie jetzt gerade anspricht und von dort aus weiterlesen. Sie könnten auch einfach den Mailwechsel von Almuth und Sandra, der sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, hintereinander lesen und die anderen Texte später. Vielleicht möchten Sie auch an einem stillen Tag besonders die Gedichte oder die Gebete lesen. Ich denke, Sie merken selbst, dass Ihre Lust und Kreativität, vielleicht auch Ihre Not und Ihre Fragen das Lesezeichen sein können, dass Ihnen die Stelle im Buch zeigt, die Sie jetzt anspricht. Und wenn ich Sie jetzt mit diesem Buch alleine lasse, dann fühlen Sie sich einfach einmal ganz fest von mir umarmt: Kommen Sie gut durch, liebe Schwester da draußen!
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A l m u t h u n d S a n d r a
Almuth und Sandra sind natürlich keine echten Personen, aber irgendwie gibt es sie doch. Sie sind für mich sehr lebendige Begleiterinnen geworden, denen ich skrupellos zum Teil meine eigenen Erfahrungen und zum Teil die Erfahrungen anderer Frauen angedichtet habe. Dabei habe ich alles gut durchgemischt, sodass weder ich noch andere Menschen wirklich erkannt werden können. Auch wenn z.B. Almuth mir prinzipiell ähnlicher ist, hat sie doch auch ziemlich viele Eigenschaften, die ich ganz sicher nicht habe (z.B. kann ich nicht stricken) und Sandra ist mir in gewisser Weise ebenfalls sehr vertraut, obwohl sie so viele Dinge anders macht, als ich sie tun würde. Beide sind Kunstfiguren, verdichtete Erfahrungen und – sie sind keineswegs in irgendeiner Weise repräsentativ. Ich weiß sehr wohl, dass nicht alle Singlefrauen ständig Partys feiern und nächtelang durch die Clubs ziehen. Selbstverständlich sind nicht alle Familienmütter glücklich auf dem Land, meditieren und üben Yoga und sind gerne in der Natur. Alles könnte auch genau andersrum sein. Eine alleinerziehende Mutter hätte vielleicht auch noch einen Platz in diesem Buch gebraucht und eine geschiedene Frau oder eine verheiratete Frau mit unerfülltem Kinderwunsch und eine Hausfrau... Sie alle haben in der Lebensmitte ihre speziellen Fragen und Themen. Aber ich musste mich entscheiden. Ich hoffe einfach, dass Sie alle sich irgendwo in diesem Buch wiederfinden und wenn nicht: Schreiben Sie Ihr eigenes Buch, schreiben Sie Tagebuch und tauschen Sie sich mit Ihren Freundinnen und Frauen in Ihrem Bekanntenkreis aus. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Sie werden überrascht sein, auf wie viel Gesprächsbedarf und Gemeinsamkeiten Sie stoßen werden. Mein ganz besonderer Dank gilt auf jeden Fall Sandra und Almuth. Ihr werdet mir fehlen!
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K a p i t e l
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Die Botschaft des Fischreihers Perspektivenwechsel
A l m u t h
Majestätisch steht der Fischreiher auf dem Rand des Bootes. Unbeweglich. Schön. So nahe hat Almuth noch nie einen Reiher gesehen, obwohl sie täglich mit dem Fahrrad diese Strecke fährt und hier immer wieder Enten, Gänse, Wasserhühner und Kormorane beobachtet. Doch dieser Reiher ist etwas ganz Besonderes. Sie ist spät dran, bleibt aber dennoch stehen, um diesen Anblick in sich aufzunehmen. Da dreht sich der Vogel langsam zu ihr um und blickt ihr direkt ins Gesicht. Seine Ruhe geht vollkommen auf sie über. Sie kann nur noch dastehen und schauen. Dann, ganz langsam, beginnt er, seine Füße zu bewegen. Wie in Zeitlupe hebt er zuerst das rechte, dann das linke Bein. Die Zehen elegant gespreizt setzt er jeden einzeln wieder auf dem Bootsrand auf. Dieses Schauspiel wiederholt sich mehrere Male. Almuth ist wie hypnotisiert. Der Blick und die Bewegungen des Tieres gehen ihr durch und durch. Sie hat ganz deutlich das Gefühl, die Bewegungen des Reihers am eigenen Körper zu spüren. Für einen winzigen Moment sind die Schranken zwischen ihnen gefallen, die Grenzen zwischen zwei völlig verschiedenen Wesen sind aufgelöst. Almuth empfindet die sanften Bewegungen des Reihers als ihre eigenen – und umgekehrt? Das weiß sie nicht. Auf jeden Fall kann sie nicht länger bleiben, der Bann
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ist zu stark. Sie steigt auf ihr Fahrrad und fährt davon. Vergessen kann sie diese Begegnung nicht, auch wenn das Tagesgeschäft seine Aufmerksamkeit fordert. Bei jeder Bewegung, die sie an diesem Morgen ausführt, spiegelt sich die Eleganz des Reihers wieder. In den Arbeitspausen denkt sie: „Er wollte mich etwas lehren!“ und als sie mittags zum Essen geht, stellt sie fest, dass sie ihre Beine anders bewegt als sonst. Federleicht. Almuth ist 49 und sie weiß, dass man dieses Alter als Lebensmitte bezeichnet. Vieles, was früher leicht war, wird auf einmal schwer. Und Manches, was früher gar nicht ging, stellt sich auf einmal von alleine ein. Diese Veränderungen empfindet sie als sehr verwirrend. „Plötzlich empfange ich Botschaften von Fischreihern“ schreibt sie am Abend in ihr Tagebuch und fürchtet sich ein bisschen davor, wunderlich zu werden. Schrullig, wie eine alte Tante. Ist es schon so weit? Eigentlich hat ihr die Begegnung mit dem Reiher gefallen. Es war eine Sternstunde, ein Geschenk, das sie sich bewahren will. „Tierbotschaften, wie im Märchen“ schreibt sie weiter, „an jeder Wegkreuzung ein Tier oder ein Zauberwesen, das einem kleine Geschenke für den weiteren Weg mitgibt. Wenn ich ehrlich bin, träume ich mein Leben lang von solchen Begegnungen und es würde mich nicht wundern, wenn hinter dem nächsten Baum ein Zwerg erscheinen würde“. Auf ihren langen, einsamen Spaziergängen erscheint jedoch weder Zwerg noch Fee. Aber Sie bemerkt, dass sie immer sensibler wird für die feinen Zeichen der Natur, die ihr auf dem Weg begegnen. Andächtige Gefühle befallen sie beim Anblick eines leuchtenden Pilzes unter dem Laub, ein Lächeln breitet sich in ihrem Gesicht aus, wenn Sonnenstrahlen auf dem Wasser glitzern, ein Gefühl des Berührtseins stellt sich ein, wenn an einem nebligen Morgen Tautropfen in einem Spinnennetz hängen. Alles spricht zur ihr, sie spürt es genau. Doch sie versteht die Botschaft nicht, noch nicht. Sie weiß nur: Alles wird anders. Und: Sie ist gemeint, wie nie zuvor.
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Liebe Almuth, danke, dass du mir von deiner Begegnung mit dem Reiher erzählt hast. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dich für schrullig halte. Ich wollte, ich könnte meine Wechseljahre ebenfalls in so leuchtenden Bildern sehen und mein Leben als Wanderung durch eine Märchenwelt. Ich fühle nur Beklemmungen, wo ich früher sicher war, Aggressionen, wo ich früher Verständnis hatte und Angst, wo ich früher mutig war. Du weißt, ich bin eher eine Frohnatur, ich neige nicht zum Grübeln und liebe das Leben, so wie es kommt. Aber scheinbar verändert sich da gerade ganz viel in meinem Leben und meine bisherigen Strategien, mit unterschiedlichen Stimmungen umzugehen, scheinen nicht mehr so gut zu funktionieren. Momentan bin ich öfter lustlos und antriebslos und muss mich aufraffen, um abends rauszugehen und Spaß zu haben. Das alles macht mich ziemlich ratlos. Also: Sei dankbar, dass du „Reiher-Botschaften“ erhältst. Und wenn es dir nichts ausmacht, lass mich daran teilhaben. Es tut mir gut. Sandra
Almuth und Sandra befinden sich in einem spannenden Lebensalter, in dem es wieder einmal scheinbar „um alles“ geht. Ähnlich wie in der Pubertät wird der gesamte Mensch auf den Kopf gestellt. Es fühlt sich an, als wollte alles noch einmal von vorne beginnen. Mädchenhafte Träume geistern durch das Gemüt erwachsener Frauen, denen die ersten grauen Haare wachsen und die vom Lachen bereits kleine Fältchen haben. Verwirrend ist das, verwirrend und schön. Vieles verführt uns jetzt, im Außen abzuarbeiten, was uns bedrohlich erscheint und Angst macht: Haare färben, Fältchen glätten lassen, ein neues Fitnessprogramm für die Figur probieren, schicke Klamotten kaufen und sündhaft teure Schuhe. Alles das kann gut tun und Spaß machen und das soll es auch. Aber solche Aktivitäten sind nicht zu verwechseln mit den tiefer sitzenden Aufgaben, die das Leben uns Frauen in der Lebensmitte stellt.
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Der H er r war n icht im Stu rm, er war im Säuseln. Da zog der H er r vorü ber: Ei n starker, heftiger Stu rm, der di e Berge zer riss u n d di e Felsen zerbrach, gi ng dem H errn voraus. Doch der H err war n icht im Stu rm. Nach dem Stu rm kam ei n Erdbeben. Doch der H err war n icht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ei n Feu er. Doch der H err war n icht im Feu er. Nach dem Feu er kam ei n san ftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, h ü llte er sei n Gesicht i n den Mantel, trat h i naus u n d stellte sich an den Ei ngang der Höh le. (1. Kön ige 19,11-13)
Die leisen Botschaften, die wir leicht überhören und übersehen können, rufen uns zu: Lerne, genauer hinzuhorchen! Traue dich, tiefer nachzuspüren! Erkenne, welches Leben darauf wartet, endlich gelebt zu werden. Wenn ich die Bibelstelle vom Sturm und vom Säuseln in Ruhe auf mich wirken lasse, werde ich tief berührt von der Botschaft, die für mich dahinterstecken kann. Es tobt und es stürmt, auch und besonders in der Zeit des Wandels. Es stürmt sogar so sehr, dass ich es nicht schaffe, diesen Sturm zu ignorieren und zu meinem Tagesgeschäft überzugehen. Mein Körper, mein Geist, meine Gefühle fordern mich heraus. Ich kann nicht anders: Ich stelle mich. Doch dann kommt die erlösende und befreiende Botschaft: „Der Herr“ ist gar nicht in diesem Sturm. Es gilt vielmehr, die Stürme zu überstehen und auf die leiseren Zeiten zu warten. Von hierher, aus der Stille, aus der Achtsamkeit
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und der Besinnung auf kleine, kaum wahrnehmbare Zeichen kommt die wohltuende Wende. Hier erkennt Elija seinen Gott. Sehr frei ausgelegt könnte das bedeuten, dass der Mensch an der Schwelle des Wandels jenseits von Stürmen und Unruhe mit der nötigen Ruhe etwas für sich finden kann, etwas, das zum Dreh-und Angelpunkt werden könnte. Für Eilja ist es Gott, Sinn und Ziel seines Lebens. Wäre es nicht schön, wenn uns von jenseits der Schwelle eine solche Qualität entgegenkäme? Doch Achtung: Das was laut und mit viel Spektakel daherkommt, sich wichtig macht, uns ängstigt und erschreckt hat nicht das letzte Wort! Es ist erlaubt, auf die leisen Töne zu warten. Ausprobieren Gehen Sie raus in die Natur, auch an weniger reizvollen Tagen. Lassen Sie sich ein auf die Schönheit und Lebendigkeit von Nieselregen, Nebel, Wind oder Kälte. Und suchen Sie nach ganz kleinen Dingen, hören Sie auf ganz leise Geräusche. Suchen Sie zum Beispiel nach einem kleinen Tier, einem Vogel, einem Wurm, einer Schnecke. Vielleicht finden Sie Ihre „Tier-Botschaft“. Hilfreich Sprechen Sie darüber, was in Ihnen vorgeht. Versuchen Sie Ihrem Partner und Ihrer Familie zu erklären, dass Sie spüren, dass sich etwas verändert. Es kann sein, dass Ihre Liebsten Sie an manchen Tagen plötzlich nicht mehr verstehen. Es hilft ein bisschen, offen mit diesen verwirrenden Gefühlen umzugehen. Aber nur ein bisschen: Denn möglicherweise wird es von Ihrer Umwelt nicht gern gesehen, dass Sie auf einmal „schwieriger“ werden. Dann suchen Sie sich andere Frauen, denen Sie vertrauen können und tauschen sich mit ihnen aus. Ich konnte erleben, wie bei einem gemeinsamen Mittagessen meine Kolleginnen auf ein Stichwort hin plötzlich anfingen zu erzählen.
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„Mein Mann findet mich seit einiger Zeit arrogant“, sagte die Eine. Allgemeines, gutmütiges Lachen. „Meiner sagt, ich sei so kompliziert geworden“, sagt die Nächste, und eine Dritte meint: „Mein Mann nennt das zickig.“ Na so was, da muss also doch irgendwas dahinterstecken! Und schon waren wir mittendrin in einem sehr schönen, verständnisvollen Gespräch.
A l m u t h
„Sprich mit Zwergen von kleinen Dingen“ steht auf der Karte, die Almuth aus dem Briefkasten holt. Auf der Rückseite prangt ein dickes Smile-Gesicht und darunter steht nur: „Liebe Grüße, Sandra“ Soll sie den Spruch so verstehen, dass kleine Leute eben nur kleine Sachen verstehen – also als Abwertung an Jene gedacht, die einfach keine innere Größe besitzen? Oder ist es eher so gemeint, dass „Zwerge“ Dinge wahrnehmen, die den Mächtigen und den Großtuern verborgen bleiben? Die zweite Deutung gefällt ihr besser. Aber ist doch eigentlich auch egal. Es ist ein schönes Gefühl, so eine einfallsreiche kleine Aufmerksamkeit von ihrer Freundin zu bekommen. Almuth fühlt, dass die Botschaft sie tiefer trifft, auf einer Ebene, wo alle Wertungen und Abwertungen verhallen, wo sie ganz sie selbst sein darf. Die Karte erhält einen schönen Platz am Fenster, ein Schneckenhaus vom letzten Spaziergang legt sie daneben. Kleine Dinge.
Liebe Almuth! Hast du meine Karte bekommen? Du hattest dich ja gefragt, ob du langsam schrullig wirst, da hab ich mir gedacht: Warum eigentlich nicht? Wir sind doch in einem Alter, in dem wir uns das leisten können, oder nicht? Ich hab mir heute türkisfarbenen Nagellack gekauft, der auch noch glitzert. Ich weiß genau, meine Kolleginnen in der Buchhandlung werden blöde Bemerkungen machen und die Chefin wird demonstrativ auf meine Hände starren. Ist mir doch egal, alles Zwerge! Sandra
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P.S. Gestern hat mir eine Kollegin erzählt, Sie hätte an einem schamanischen Krafttier-Ritual teilgenommen, in dem man sein persönliches Krafttier entdeckt. Klingt ziemlich esoterisch, aber ich musste an deinen Reiher denken.
Liebe Sandra! Also doch: Die Zwerge sind für dich die engstirnigen Kleingeister? Na ja, ich in meiner Märchenwelt hab das genau anders herum gesehen. Aber egal. Ich würde liebend gerne deinen Nagellack bewundern. Bin ich jetzt eine Riesin? Almuth
An den klei n en Kobold An der Geistlosigkeit u n d am Klei ngeist sich so richtig schön r ei ben Ü berei fer ei n fach lächerlich machen Provozi er en d gut drau f sei n oder ü berraschen d ü bel gelau nt ei n fach ei n paar klei n e Lau n en ausleben H i lfst du mi r dabei, klei n er Kobold ?
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