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Krisen, Krieg, Konflikte – Ein Blick in unser Gehirn
Fünf Fragen an… den Braunschweiger Hirnforscher Prof. Dr. Martin Korte
Die schlechten Nachrichten nehmen kein Ende, fressen sich in unseren Alltag. Doch was macht das eigentlich mit dem Gehirn eines Kindes? Und warum kommen Erwachsene besser durch Krisen als ihr Nachwuchs? Wir haben für euch mit Hirnforscher Dr. Martin Korte gesprochen. Der Braunschweiger TU-Professor erklärt, wie wir in unsicheren Zeiten ticken.
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1Corona, Krieg, steigende Preise für Strom, Gas, Lebensmittel – seit längerem kämpfen wir gegen verschiedene Krisen an. Was macht das auf Dauer mit uns und unserem Gehirn?
Chronischer Stress ist schädlich für unser Gehirn. Gerade Nervenzellen im Hippocampus – eine Gehirnregion, die für viele Gedächtnisfunktionen wichtig ist – können leiden, wenn der Stresshormongehalt im Blut dauerhaft zu hoch ist. Ein ständiger Wechsel zwischen Frust und Hoffnung kann tatsächlich die Emotionszentren im Gehirn schädigen, was neben Angststörungen auch Depressionen auslösen kann.
Kinder leben wesentlich mehr im Jetzt als Erwachsene, deshalb sind sie weniger anfällig für Zukunftssorgen, dafür aber empfänglicher für akute Krisensituationen zuhause.
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Kommen Erwachsene psychologisch gesehen besser durch die Krise als Kinder?
Wie Kinder durch Krisen kommen, hängt vor allem davon ab, wie Eltern mit den Problemen umgehen. Haben sie Angst, sind unsicher und abgelenkt, dann übertragen sie dies auch auf die Kinder. Kinder leben wesentlich mehr im Jetzt als Erwachsene, deshalb sind sie weniger anfällig für Zukunftssorgen, dafür aber empfänglicher für akute Krisensituationen zuhause – und Erwachsene, die Angst haben, können unsicherer, manchmal sogar unbewusst aggressiver sein, und das gilt es Kindern gegenüber zu verhindern. Gelingt einem das, kommen Kinder in jedem Fall sehr gut mit den aktuellen politischen und finanziellen Krisenzeiten klar.
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Wie geht unser Gehirn mit einem dauerhaften Unsicherheits- oder Angstpegel um?
Dies ist keine Frage der objektiven Gefahr, sondern der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit. Jemand, der Selbstvertrauen hat und den Glauben, selbst noch Handlungsmöglichkeiten zu haben – sei es eine Impfung gegen Corona, die Suche nach preiswerten Produkten in Zeiten der Inflation oder Spenden, um Menschen in der Ukraine zu helfen –, kann mit Angst und Unsicherheit besser umgehen, als jemand, der schnell frustriert ist und dazu neigt, die Flinte ins Korn zu werfen, wenn es auch nur die geringsten Widerstände gibt.
4Können Sie Strategien benennen, die Familien helfen, dem psychischen Druck von außen standzuhalten?
Wichtig ist, die Krisen zu thematisieren, zu erklären und einzuordnen. Vor allem ist es auch von Bedeutung, zu zeigen und auszusprechen, wovor Eltern Angst haben und wie sie mit ihren ängsten umgehen. Den Kindern muss das Gefühl gegeben werden, dass sie mit ihren Familien sicher sind, dort immer Rückzugsmöglichkeiten haben, dass sie niemals allein sind und die Hoffnung nicht aufgeben müssen, da die Zeiten auch wieder besser werden.
5Können die aktuellen Krisen auch die Robustheit bei Kindern fördern beziehungsweise lernen sie dadurch besser mit Problemen umzugehen?
Kinder sind für viele Gefahren, die wir sehen, nicht so anfällig – sie reagieren weniger stark auf abstrakte Krisen, wie etwa ein möglicher Krieg mit Russland, oder dass die Inflation die Ersparnisse auffrisst. Kinder lernen besser mit Problemen umzugehen und werden robuster, wenn wir ihnen dies vorleben. Chronischer Stress in Familien ist für Kindergehirne ausnahmslos schädlich – das heißt im Umkehrschluss aber auch für uns, dass wir immer wieder aktiv mit unseren Kindern versuchen müssen, die Krisen hinter uns zu lassen, gemeinsam zu spielen, zu lachen, etwas zu unternehmen. Dass muss nichts Teures, Gefährliches oder „Künstliches“ sein. Jede Zeit hat ihren Raum zum Trauern, Angst haben, aber auch zum Konfrontieren oder Auszeiten nehmen. Das tut sowohl den Kindern gut als auch den Eltern oder erwachsenen Menschen.