Clicclac - September 2020

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KINDERSCHUT K INDERSCHU T Z – GEH T UNS AZ LLE AN Social distancing im wörtlichen Sinn – hier bitte nicht!

Von Martine Runge-Rustenbeck, Schulärztin der Freien Waldorfschule und Kindergartenärztin der Waldorfkindergärten in Braunschweig

I

mmer wieder lesen wir in der Zeitung oder sehen Berichte

jeder Schulklasse 1-2 Kinder sitzen, die schon Übergriffe sexueller

im Fernsehen von sexuellem Kindesmissbrauch, Vernach-

Natur erlebt haben.

lässigung von Kindern, körperlicher und emotionaler Ge-

walt gegen Kinder u.a.m. Jedes mal schaudern und erschre-

Jede/r von uns kann im Alltag bei sorgsamer Beobachtung An-

cken wir, empfinden tiefes Mitleid mit den Opfern, aber auch

zeichen für verbale, emotionale, gewalttätige und sexuelle Über-

Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber diesen schrecklichen

griffe gegen Kinder wahrnehmen. Subtile Gewalt ist es zum Bei-

Vorkommnissen.

spiel, wenn Erwachsene ihre Wut, ihre Sorgen, ihre Launen

erwarten,

dass

an Kindern auslassen, denn

schon

Hebammen

Pro-

diese benötigen Sicherheit

erken-

und Verlässlichkeit und wer-

nen, Erzieher*innen und

den durch Rollenunklarheit

Lehrer*innen

Anzeichen

überfordert, da sie unwillkür-

wie die weiter unten im Text

lich Verantwortung überneh-

genannten

deu-

men. Das tun sie zum Beispiel

ten und sachgerecht rea-

auch dann, wenn ihre Eltern

gieren,

Kinderärzt*innen

suchtkrank oder durch ande-

Jugendamts-

re psychische Probleme über-

blemfamilien

und

richtig

mitarbeiter*innen bei Verdachtsmomenten

fordert sind.

rasch

und konkret handeln und

Grenzüberschreitend wirken

im Bedarfsfall die betrof-

auf Kinder auch laute Stim-

fenen Kinder in Obhut ge-

men

nommen werden, kurz: dass schon kein Kind durch das Netz fällt.

(Schreien,

Schimpfen,

Brüllen), Liebesentzug (Ignorieren des Kindes), vielsagende Blicke (abwertend, anzüglich, begehrend) sowie Witze auf Kosten des

Wir hoffen, dass Kindern in unserem Umfeld so etwas nicht pas-

Kindes, abschätzige, sexistische Bemerkungen, Beleidigungen

siert, und neigen dazu, die Möglichkeit auszublenden, dass bei-

und Drohungen. Ohrfeigen, Kopfnüsse, die Tracht Prügel etc. sind

spielsweise auffälliges Verhalten, Entwicklungsstörungen und

zum Glück gesetzlich verboten, Kinder haben ein Recht auf eine

wiederholte Verletzungen Folgen gewalttätiger Übergriffe durch

gewaltfreie Erziehung. Die sogenannte körperliche Züchtigung

Erwachsene oder auch Jugendliche sein können oder dass (Cy-

wurde in den Grundschulen (früher Volksschulen) erst 1970 abge-

ber-)Mobbing dahinter stecken kann, wenn Kinder depressiv wer-

schafft, das elterliche Züchtigungsrecht sogar erst im Jahr 2000

den, sich verschließen und ihr Selbstvertrauen verlieren.

durch das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung ersetzt. Darin heißt es u.a.: „körperliche Bestrafungen, seelische Verlet-

Und wir wollen nicht wahrhaben, dass es sexualisierte Gewalt in

zungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“

unserem Freundeskreis, Kollegium, ja in unserer Familie geben kann. Denn die Täter sind meist freundlich und hilfsbereit, nie-

Die Würde des Kindes also gilt es zu wahren – siehe § 1 des Grund-

mand würde ihnen grenzverletzendes Verhalten bis hin zu schwe-

gesetzes, in dem es heißt: „die Würde des Menschen ist unantast-

rem Missbrauch zutrauen. Sie kommen in nahezu allen Fällen aus

bar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staat-

dem direkten Umfeld des Kindes, und die Statistik zeigt, dass in

lichen Gewalt.“ Das heißt, wir alle haben diese Pflicht und sind

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Photo by Hannah Busing on Unsplash.

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