Die Automatisierung der Herrschaft Chinas Sozialkreditsystem: Für alle Bürger, Firmen und Behörden Chinas soll es ein Punktesystem geben, das ihre Vertrauenswürdigkeit ausweist. Es ist ein sozialtechnologisches Experiment von grossem Ausmass. Ein Artikel von FAZ.NET, 11. Mai 2018 Mark Siemons Die Testläufe für das chinesische «Sozialkreditsystem» kommen gut voran. Ab 2020 sollen alle Bürger, Firmen und Behörden der Volksrepublik ein digital und zentral erfasstes Punktekonto haben, das ihre finanzielle, moralische, politische, mit einem Wort: gesellschaftliche Vertrauenswürdigkeit ausweist. Welche Bereiche des Lebens genau den Punktestand beeinflussen sollen, wird zurzeit noch erprobt; klar ist nur, dass alle rechtlich relevanten Informationen eine Rolle spielen werden, von Steuerhinterziehung über die Vernachlässigung der alten Eltern bis zum Überqueren der Kreuzung bei Rot. Durch gute Taten soll man seinen Punktestand verbessern können, sei es durch eine besondere berufliche Leistung oder ein als wertvoll, also «stabilitätsfördernd» eingestuftes soziales Engagement. Experimentiert wird auch mit den im System vorgesehenen Belohnungen und Bestrafungen; in jedem Fall wird die Regel gelten: Je höher der Punktestand, desto grösser soll aufgrund entsprechend günstiger Kredite und Marktkonditionen die Bewegungsfreiheit sein. Umgekehrt wird der Radius sogar ganz physisch bei niedrigem Punktestand immer kleiner. Im April landeten 10 360 000 Bürger wegen mangelnder Zahlungsmoral oder weil sie Geldbussen nicht entrichtet hatten, auf einer von Gerichten veröffentlichten Schwarzen Liste von Leuten, die nicht mehr ohne weiteres Tickets für Flugreisen oder für Fahrten mit Hochgeschwindigkeitszügen kaufen dürfen. Erprobt werden des Weiteren Einschränkungen bei Immobilienkäufen, der Schulanmeldung und der Nutzung von Autobahnen (erst ab einer Punktzahl von 550).
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