Burgenland kompakt, Ausgabe 1/2021

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Fotos: Stephan Huger, Wolfgang Sziderics, Stefan Wiesinger

KOMPAKT

VOLKSGRUPPEN IM BURGENLAND

ALFONS HAIDER IST DER NEUE INTENDANT Interview über Ziele und seine Liebe zum Burgenland S. 29–30

Gespräche mit Volksgruppen-Vertretern. Geschichte der Volksgruppen S.16–23

Amtliche Mitteilung 2021 01

100 Jahre, 100 Plätze

Doskozil-Pläne 2021

Verena Dunst kocht

Orte, die das Burgenland bewegten S. 3; 6–9

Projekte des Regierungsteams S. 4–5; 25–28

Zu Tisch bei der Landtagspräsidentin S. 30–31


i n h a l t | e d i to r i a l

Liebe Leserinnen, liebe Leser, 2021 ist für das Burgenland ein ganz besonderes Jahr. Das jüngste Bundesland Österreichs feiert seinen 100. Geburtstag, ein Jubiläum, das umfassend gewürdigt wird. Vier Seiten in dieser Ausgabe von „Burgenland kompakt“ geben aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Burgenlands Einblick in diverse Projekte. Ein Schwerpunkt widmet sich den Volksgruppen, die wesentlich zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt im Land beitragen. „Burgenland kompakt“ hat die Vertreter der kroatischen Volksgruppe, der ungarischen Volksgruppe und der Roma-Volksgruppe getroffen und vieles über die Vergangenheit und die aktuellen Anliegen der Volksgruppen erfahren. Zum tieferen Verständnis für die Geschichte des ­Burgenlands werden ab dieser Ausgabe die Texte des ­bekannten Historikers Gerald Schlag beitragen. Wir sind stolz, dass wir ihn für die Serie „Geschichte und Geschichten“ gewinnen konnten. Einen umfassenden Ausblick auf die Vorhaben in diesem Jahr – und eine Rückschau über Geleistetes – gibt Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Auch alle Landesräte stellen ihre wichtigen Projekte für dieses Jahr vor. Ausbau der Pflege, ein Vermarktungssystem für Bio-Produkte, Bildungsinitiativen und Förderung des Wohnbaus sind nur einige Highlights. Ausführlich zu Wort kommt Alfons Haider, der neue Generalintendant des burgenländischen Musiktheaters. Er verspricht Visionen und will neue Wege beim Festival in Mörbisch beschreiten. Und last but not least serviert uns Landtagspräsidentin Verena Dunst traditionelle Speisen aus dem Südburgenland: Rahmsuppe mit Bohnensterz.

INHALT

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100 JAHRE, 100 PLÄTZE

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PLÄNE FÜR DAS BURGENLAND​

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JUBILÄUM „100 JAHRE BURGENLAND“

Infografik

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil

Projekte

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JÜDISCHES ZENTRALARCHIV

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GESCHICHTE UND GESCHICHTEN

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KROATISCHE VOLKSGRUPPE

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Interview mit IKG-Präsident Oskar Deutsch

Erzählt von Historiker Gerald Schlag

Gespräch mit Stanko Horvath und Martin Ivancsics ROMA-VOLKSGRUPPE Stimme der Roma: Emmerich Gärtner-Horvath

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UNGARISCHE VOLKSGRUPPE

25

BIO-SHOPPING RUND UM DIE UHR

Treffen mit Iris Zsótér

Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf

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PFLEGE UND BETREUUNG WIRD FLEXIBLER

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WOHNEN UND VERKEHR

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BILDUNG

Herzliche Grüße, Freude beim Lesen, alles Gute und vor allem bleiben Sie gesund.

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NEUER GENERALINTENDANT

Ihr Redaktionsteam Chefredakteurin Margaretha Kopeinig, Christian Bleich, Wolfgang Sziderics, Nadja Tschank, Nina Sorger und Stefan Wiesinger

31

ZU TISCH IM SÜDBURGENLAND

Landesrat Leonhard Schneemann legt Modell vor

Pläne von Landesrat Heinrich Dorner

Pläne von Landesrätin Daniela Winkler

Interview mit Alfons Haider

Landtagspräsidentin Verena Dunst kocht

Impressum: Medieninhaber: Land Burgenland. Herausgeber und Redaktion: Amt der Burgenländischen Landesregierung, Landesamtsdirektion/Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, Europaplatz 1, 7000 Eisenstadt, Tel.: 02682/600 20 93, E-Mail: post.oa-presse@bgld.gv.at, Produktion, Akquise und visuelle Gestaltung: CRM Medientrend GmbH, Neudorferstraße – Betriebsgebiet 3, 7111 Parndorf, Druck: ­Leykam Druck GmbH & Co KG, ­Zustellung: Österr. Post AG, Verlagsort: Eisenstadt, Herstellungsort: Neudörfl. OFFENLEGUNG GEMÄSS § 25 MEDIEN­GESETZ: Medieninhaber: Land Burgenland. Erklärung über die grund­legende Richtung: ­Information der Bürgerinnen und Bürger über die Arbeit der Landesregierung, der Landesverwaltung und des Landtags.

2 | Burgenland KOMPAKT

Fotos: R.E.F.U.G-I.U.S/LPD Burgenland/www.burgenland-suedburgenland.com/Landesarchiv Fotosammlung/Land Burgenland=

EDITORIAL


i n h a l t | e d i to r i a l

100 Jahre, 100 Plätze EINE AUSWAHL DER ORTE Das Team „100 Jahre Burgenland“ hat gemeinsam mit Kuratoren und Politikern 100 Orte und Plätze ausgesucht, die in den vergangenen 100 Jahren Geschichte geschrieben haben.

Klingenbach: Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ Nickelsdorf

Am 27. Juni 1989 durchschnitten Außenminister Alois Mock, sein ungarischer Amtskollege Gyula Horn und Burgenlands Landeshauptmann H ­ ans Sipötz den Grenzzaun bei Klingenbach. Danach ­überschlugen sich die Ereignisse. Am 19. August 1989 kam es bei St. Margarethen zum „Paneuropäischen Picknick“. Etwa 600 DDR-Bürgern gelang damals die Flucht von Ungarn nach Österreich.

Zehntausende Flüchtlinge überquerten die Grenze im Herbst 2015.

Seebühne Mörbisch 1957 fanden die ersten Seefestspiele auf der neu errichteten Freiluftbühne statt. „Der Zigeunerbaron“ wurde aufgeführt. Seither ist Mörbisch ein Hotspot des burgenländischen Kultursommers.

Synagoge von Kobersdorf Die jüdische Gemeinde von Kobersdorf entstand 1526/27. 1938 wurde die Synagoge von Nazis verwüstet. 2019 kaufte das Land die Synagoge. Derzeit wird sie renoviert.

Kreuzstadl von Rechnitz In der Nacht auf den 25. März 1945 wurden am Ortsrand von Rechnitz rund 180 ungarische Jüdinnen und Juden ermordet, die zu Zwangsarbeiten beim Bau des „Südostwalls“ eingesetzt waren. Nazis, die zuvor im Schloss der Familie Batthyány feierten, verübten dieses abscheuliche Verbrechen beim Kreuzstadl.

Luising Ungarn trat erst am 10. Jänner 1923 die südburgenländische Gemeinde Luising an Österreich ab.

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aus dem Landhaus

Die wichtigsten Projekte: Handwerkerbonus

ist seit Anfang 2020 in Kraft. Kleinund Mittelbetriebe und Arbeitneh­ mer profitieren davon. Der Hand­ werkerbonus hat bis zu 55 Millio­ nen Euro Auftragsvolumen für ­burgenländische Betriebe gebracht. Corona-Hilfen

Nach Ausbruch der Krise wurden Fixkosten- und Mietzuschüsse aus dem Härtefall-Fonds und Finanzie­ rungsunterstützungen in Form von Kleinkrediten sowie Haftungsüber­ nahmen gewährt. Mit dem Wachs­ tums- und Beteiligungsfonds des Landes werden existenzbedrohte Unternehmen aufgefangen. Mit dem Fonds beteiligt sich das Land an Unternehmen. Masterplan Burgenlands Spitäler

Der Bau des Krankenhauses Ober­ wart verläuft nach Plan. Burgenland-Bonusticket

Bis Mitte Dezember wurden 12.492 Bonustickets eingelöst. 42.000 Nächtigungen sind mit dem Bo­ nusticket direkt verbunden. Die Fördersumme beträgt rund 935.000 Euro. Damit wurde eine Gesamt­ wertschöpfung von rund 6,5 Milli­ onen Euro ausgelöst. Die Aktion wurde bis April 2021 verlängert. Hilfspaket für Kulturschaffende

Über Kulturgutscheine sollen mit einem Kofinanzierungsanteil des Landes von 200.000 Euro insge­ samt 800.000 Euro in die Kultur fließen. Zusätzlich wurden 40 Künstler-Stipendien in Höhe von 2500 Euro vergeben. Mindestlohn in Höhe von 1700 Euro netto pro Monat wurde im Landesdienst, in der KRAGES und in der Landesholding eingeführt. Marke Burgenland vereint Touris­ mus, Wirtschaft, Wein und Kultur. Pflege-Service Burgenland wird für Betreuung von Menschen mit Behinderung ausgeweitet. 2020 wurden 170 pflegende und betreu­ ende Angehörige angestellt.

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Pläne für das Landeshauptmann Hans Peter Doskozil will im Jahr 2021 Projekte vorantreiben, die nachhaltig und gut für das ganze Land und die Menschen sind. VON MARGARETHA KOPEINIG

D

ie Umsetzung des Re­ gierungsprogramms schreitet auch in die­ sem Jahr voran. „Der Zukunftsplan Burgen­ land wird auch 2021 mit Hochdruck umgesetzt. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns aus der Krise investieren müssen. Deshalb halten wir an unseren Vorhaben fest“, verteidigt Landes­ hauptmann Hans Peter Doskozil die geplanten Maßnahmen im Kampf ge­ gen die Corona-Pandemie. Die Pflege soll weiter ausgebaut werden, der Mindestlohn gilt für die Gemeinden ab 1. Jänner 2021 und auch der Bildungsbereich soll gestärkt wer­ den. Gerade das Jahr 2020 habe ge­ zeigt, „wer die wahren Leistungsträger in unserer Gesellschaft sind: die Mitar­ beiterinnen im gesamten Gesundheitsund Sozialbereich, in den Pflegehei­ men und Spitälern, im Handel sowie die Kräfte im Rettungsbereich“, wür­ digt Doskozil die Leistungen. Die Ausdehnung des Mindestlohns auf Gemeindebedienstete ist „eine Frage des Respekts und der Wertschät­ zung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welche die Lebens­ qualität in den Gemeinden stärken, ­gerade auch derzeit in der CoronaKrise“, betont Doskozil. Er weist auf das Faktum hin, dass die Löhne in den vergangenen Jahren nicht annähernd so gestiegen sind wie die Lebens­ haltungskosten. „Unsere Aufgabe ist deshalb, dafür zu sorgen, dass die Men­ schen von ihrer Arbeit auch gut leben können.“

Ein wichtiges Projekt für 2021 ist die Umsetzung des Raumplanungs­ gesetzes. Dadurch wird das Bauen im Burgenland günstiger. Ziel des neuen Gesetzes ist, der Spekulation mit unbe­ bautem Bauland einen Riegel vorzu­ schieben. „Um soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten, wird es Ausnahmen für Kinder und auch Enkelkinder geben“, stellte Doskozil fest. Mit der Neuerung in der Raum­ planung, der Verbesserung der Wohn­ bauförderung und dem Erfolgsmodell Handwerkerbonus sorgt die Landes­

„Ich bin überzeugt, dass das Burgenland mit seinen Stärken die kommenden Herausforderungen bewältigen kann.“ Landeshauptmann Doskozil regierung dafür, dass das Leben im Burgenland leistbarer wird. Die unterstützenden Maßnahmen für Bereiche der Wirtschaft und der Kultur im Kampf gegen die Folgen der Corona-Krise werden auch 2021 fort­ geführt. Außerdem wird sich das Land bei Unternehmen, die durch die Krise kurzzeitig in Schieflage geraten, betei­ ligen, wenn eine positive Zukunfts­ prognose besteht. „Auch so können wir Arbeitsplätze und Wirtschaft schützen“, unterstreicht Landeshaupt­ mann Hans Peter Doskozil.

Foto: Andi Bruckner

RÜCKBLICK 2020


aus dem Landhaus

Burgenland

Corona-Impfung: Vormerksystem Gesundheit für alle Bürger ist oberste Priorität der Landesregierung. So gibt es ein Vormerksystem des Landes Burgenland für die Schutzimpfung ­gegen das Coronavirus. Vorausgesetzt ist ein Wohnsitz im Burgenland. Auf folgender Online-Plattform kann man sich für eine Impfung registrieren: www.burgenland.at/coronavirus Für Fragen zur Impfung gibt es die E-Mail-Adresse: coronaimpfung@bgld.gv.at Bei einer Vormerkung für eine Impfung bekommt man zum Zeitpunkt, an dem der Impfstoff verfügbar ist, einen Link per E-Mail, über den die Verein­ barung eines Impftermins mit einem Arzt aus der Region erfolgen kann. Bei der Reihung impfwilliger Personen folgt man dem bereits vorgestellten 4-Phasen-Modell des Burgenlands. Entscheidend für die Reihung ist nicht der Zeitpunkt der Vormerkung, sondern die Zugehörigkeit zu einer ­bestimmten Personengruppe (Alter, Beruf). Neben ausgewählten Impf­ ärzten wurden für die Impfungen und Antigen-Schnelltests Impf- und Testzentren eingerichtet. Für Fragen gibt es auch die Impf-Hotline des Gesundheitsministeriums: 0800 555 621 Eine Informationsbroschüre des Landes wurde an alle Haushalte verschickt und kann auf der Homepage des Landes www.burgenland.at/coronavirus heruntergeladen werden.

Landeshauptmann Doskozil legt den Fokus auf Gesundheit, Soziales und Pflege

Und nicht zuletzt geht es um das J­ubiläum „100 Jahre Burgenland“, das heuer feierlich begangen wird. Dieses Ereignis nimmt die Landesregierung zum Anlass, sich mit der eigenen Ge­ schichte und Identität auseinander­ zusetzen, das Bewusstsein und die

Wahrnehmung für die Gegenwart zu schärfen und nachhaltig in die Zukunft zu blicken. „Es ist mein Anliegen, dass in diesem Jahr das Wir-Gefühl und der Zusammenhalt im Burgenland gestärkt werden“, sagt Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. n Burgenland KOMPAKT | 5


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Werden Sie Teil des Jubiläums! Das ganze Burgenland macht Geschichte. REDAKTION DANIELA AUER

Foto: KBB

I

m Sommer 2021 eröffnet anlässlich 100 Jahre Burgenland die Jubiläumsausstellung auf der ­ Friedensburg im südburgenländischen Schlaining. Die Vorbereitungen von Kurator Oliver Rathkolb und Gestalter Christof Cremer sind voll im Gange. Parallel zur physischen Schau in der historischen Burg gibt es auch eine digitale Ausstellung im Internet, die von allen Burgenländerinnen und Burgenländern selbst gestaltet werden soll. Auf www.wirsind100.at werden historische Fotos, Filme, Postkarten, Briefe, Tagebücher oder sonstige Objekte gesucht. Die Idee dahinter: Die vielen Geschichten der burgenländischen Familien und Menschen gestalten sich Click für Click zu einer großen Geschichte – nämlich der des ganzes Burgenlands. Durch­ stöbern Sie (natürlich coronakonform) gemeinsam mit Ihren Familien alte ­Fotoalben, erinnern Sie sich an schöne und wichtige Momente und laden Sie dann Ihre Schätze hoch. Die derzeitigen Einschränkungen sind vielleicht die perfekte Zeit für dieses Vorhaben. Also machen Sie mit und werden Sie Teil des 100-jährigen Jubiläums! www.wirsind100.at

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10 0 Ja Ah HRE re Bu Ur Rg Ge ENL nla An ND d

Geschichte-Film Jubiläumsjahr 2021 mit Paukenschlag eröffnet REDAKTION DANIELA AUER

A

m 1. Jänner wurde das große Jubiläum mit einem musikalischen Paukenschlag eröffnet – im Rahmen des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker, des berühmtesten Neujahrskonzerts der Welt. Dieses wird alljährlich vom ORF in mehr als 90 Länder übertragen – die TV-Übertragung erreichte in diesem Jahr alleine in Österreich rund 1,265 Millionen Zuseher. Unter dem Titel „Happy Birthday, Burgenland! 1921–2021“ präsentierte der rund 25-minütige Pausenfilm das Burgenland und sein Jubiläum mit fulminanten Bildern einem Millionenpublikum auf der ganzen Welt. Seit 1992 werden die ORF-Filme zur Konzertpause gemeinsam mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker international ausgestrahlt. Mit dem Anliegen, Österreich mit seinen Kultur- und Naturschätzen in der ganzen Welt von der besten Seite zu zeigen, präsentieren die Produktionen jedes Jahr ein besonderes Thema. Die größte Herausforderung für Pausenfilm-Regisseure ist die Nonverbalität und es dürfen ausschließlich Natur- und Kulturschätze in Szene gesetzt werden. Die Produktion ist kein Image- oder Werbefilm, wo man Inhalte vorgeben oder gar „bestellen“ kann, sondern eine künstlerisch freie Arbeit der Wiener Philharmoniker und des Regisseurs. Dass das 100-jährige Jubiläum des Burgenlands als Thema im diesjährigen

Pausenfilm aufgegriffen wurde, ist also eine besondere Ehre, da man sonst eher Ereignisse aus der Musikwelt (z. B. Beethoven-Jahr 2020) favorisiert. Nonverbal erzählt der von Felix Breisach gestaltete Film die historisch verbriefte Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg durch die Amerikaner und vermittelt durch die von ausgewählten philharmonischen Ensembles dargebotenen Kompositionen musikalischer Größen wie Franz Liszt, Karl Goldmark und Joseph Haydn auch die Vielfalt der burgenländischen Landschaften und Kulturen. Insgesamt 33 Mitglieder der Wiener Philharmoniker wirkten mit, so auch die burgenlän­ dischen Virtuosen Lara Kusztrich und Paul Halwax. Weiters erklang im Film die eigens für das 100-Jahr-Jubiläum von Johann Hausl komponierte Burgenland-Fanfare. Der im Film dargestellte US-ame­ rikanische Geograf Major Lawrence Martin lieferte mit seinen Studien über die Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur Deutschwestungarns die Grundlage für die Grenzziehung und war so etwas wie der „Geburtshelfer“ des Burgenlands. Trotz seines Wirkens ist er kaum einem größeren Publikum bekannt. Der renommierte burgenländische Historiker Dr. Herbert Brettl unterstützte Regisseur Felix Breisach bei seiner Recherche. Fazit der 33 Philharmoniker und der knapp 30-köpfigen Filmcrew: „Wir wurden noch nirgends so herzlich empfangen!“

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Oliver Liebl ve rkörperte Major Lawrence Martin und be reiste im Paus enfilm das Burgenland vo n Nord bis Sü d. Infos zu den Drehorten finden Sie hier : www.burgenl and.info/neuja hrskonzert

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10 0 Ja h r e B u r g e n l a n d

Serie „100 Jahre – 100 Plätze“ gestartet Entdecken Sie Besonderheiten des Burgenlands immer montags und donnerstags im ORF.

D

er ORF Burgenland würdigt das Jubiläum das ganze Jahr über mit zahlreichen Sendungen. So z. B. mit der 100-teiligen Serie „100 Jahre – 100 Plätze“, einem Kooperationsprojekt mit Kultur Burgenland, das immer montags und donnerstags nach „Burgenland heute“ im TV zu sehen und im Programm Radio Burgenland zu hören ist. 100 Plätze, die unser Land im Laufe seiner Geschichte be-

wegten und bewegen, wurden von einem Gremium aus Historikern und Vertretern des ORF, von Tourismus, Kultur und Bildung akribisch recherchiert und dokumentiert. Diese Plätze sind natürlich nur eine Auswahl der vielen bemerkenswerten Orte in unserem Bundesland, es sind also weder die historisch wichtigsten, schönsten oder bekanntesten. Es sollen keine Super­ lative präsentiert, sondern einfach 100

Besonderheiten des Burgenlands vor­ gestellt und in Szene gesetzt werden. Also schöne, touristisch interessante, geschichtlich bedeutsame, aber auch unbekannte und skurrile Plätze, die vielleicht neugierig auf einen Besuch machen. Sie können die von Elisabeth Pauer-Gerbavsits präsentierten Beiträge immer bis sieben Tage nach Ausstrahlung in der ORF TVthek oder laufend auf www.wirsind100.at sehen.

Fotos: ORF, KBB, Andi Bruckner

Maestro Riccardo Muti feiert 2021 seinen 80er und Burgenlands 100er

S Riccardo Muti freute sich sehr über die erste Flasche Jubiläumswein

ieben hochqualitative burgenländische Weine wurden im Rahmen einer Wein-Burgenland-Ausschrei­ bung durch eine prominent besetzte Jury zu den „Jubiläumsweinen“ gekürt. Die allererste Flasche erhielt niemand Geringerer als Riccardo Muti, Dirigent des Neujahrskonzerts 2021. Vertreter des Projektteams „100 Jahre Burgenland“ überreichten ihm während der Probenzeit Ende Jänner die Top-Cuvée

„Eichkogel 2017“ vom Weingut Kollwentz aus Großhöflein. Der italienische Maestro, der heuer seinen 80er feiert, freute sich sehr über diese Geste: „Ich glaube, das Burgenland ist Italien, was den Genuss betrifft, sehr ähnlich! Ich werde diesen edlen Tropfen gemeinsam mit meiner Familie genießen und an das Burgenland denken.“ Die Jubiläumswein-Kollektion wird demnächst offiziell vorgestellt. Burgenland KOMPAKT | 9


interview

„Die Sichtbarmachung des Erbes der burgenländischen Juden“ Das Land Burgenland hat der Israelitischen Kultusgemeinde Wien das Jüdische Zentralarchiv übergeben. Die Dokumente werden digitalisiert. IKG-Präsident Oskar Deutsch wünscht sich, „jüdisches Leben wieder im Burgenland erblühen zu lassen“. VON MARGARETHA KOPEINIG

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil den Entschluss gefasst, das Jüdische Zentralarchiv der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien zu übergeben. „Das ist der richtige Platz für dieses ­Archiv“, sagte der Landeshauptmann anlässlich der Übergabe des Zentralarchivs an IKG-Präsident Oskar Deutsch. „Burgenland kompakt“ sprach mit dem

Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde über die Bedeutung des Jüdischen Zentralarchivs. Burgenland kompakt: Herr Präsident, am 10. November 2020 hat das Land Burgenland der Israelitischen Kultusgemeinde das Jüdische Zentralarchiv übergeben. Welchen Wert, welche Bedeutung haben die Dokumente, aber auch Objekte für die Kultusgemeinde? Oskar Deutsch: Mit der Rückgabe des

Jüdischen Zentralarchivs des Burgenlands ist die Israelitische Kultusgemeinde Wien ihrem Ziel des Wiederaufbaus des Archivs der IKG Wien

einen großen Schritt nähergekommen. Das Jüdische Zentralarchiv stellt ein einzigartiges kulturelles Erbe dar und spielt eine wesentliche Rolle für das ­individuelle und kollektive Gedächtnis des Burgenlands. Das Archiv ist somit Teil der jüdischen Kultur und Identität von ­Österreich und spiegelt die jüdische Geschichte des Landes Burgenland wider. Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus diesem Archiv, das zum Teil in das 17. Jahrhundert zurückreicht?

Besonders wichtig ist, dass das Jüdische Zentralarchiv die Geschichte und Kultur der ehemaligen sieben burgenlän­ dischen Kultusgemeinden, der Schewa

Landeshauptmann Doskozil und IKG-Präsident Deutsch bei der Übergabe des Jüdischen Zentralarchivs an die Kultusgemeinde

10 | Burgenland KOMPAKT

Foto: Landesmedienservice Burgenland, Bandat

B

is zum Jahr 1938 hat es im Burgenland zehn bedeutende jüdische Gemeinden gegeben – von Kittsee im Norden bis Güssing im Süden des Landes. Tausende Verträge, Urkunden, Schriftstücke und Gegenstände wurden jahrzehntelang im Jüdischen Zentralarchiv in Eisenstadt aufbewahrt. Dann hat


interview

Das Jüdische Zentralarchiv umfasst wertvolle Dokumente der ehemaligen sieben jüdischen Gemeinden des Burgenlands, der Schewa Kehilot. Es finden sich hier u. a. amtliche Korrespondenzen, Gemeinde­ vorstandsakte, Unterlagen zu Grundherrschaften, Vorstandsprotokolle, Verordnungen des (Ober-)Stuhlrichters, Amtsbescheide, Verlassenschaftsakte. Auch ein Richterstab ist Teil des Archivs

Kehilot, bis zum Jahr 1938 widerspiegelt, denn nach der Vertreibung der burgenländischen Jüdinnen und Juden nach dem Anschluss im März 1938 blieben nur Fragmente jüdischen Lebens im Burgenland übrig. Welche Dokumente sind historisch gesehen besonders wertvoll?

Das Jüdische Zentralarchiv umfasst das Schriftgut der ehemaligen jüdischen Gemeinden des Burgenlands, der Schewa Kehilot (Deutschkreutz, ­Eisenstadt, Frauenkirchen, Gattendorf, Güssing, Kittsee, Kobersdorf, Lackenbach, Mattersburg [Mattersdorf], Rechnitz und Stadtschlaining) sowie die Schularchive der Israelitischen Schulen. Alle Dokumente sind historisch gese-

hen sehr wertvoll, darunter die amt­ liche Korrespondenz, Unterlagen zu Grundherrschaften, Gemeindevorstandsakte, Vorstandsprotokolle, Verordnungen des (Ober-)Stuhlrichters, Amtsbescheide, Verlassenschaftsakte,

„Das Jüdische Zentralarchiv ist ein einzigartiges kulturelles Erbe und spielt eine wesentliche Rolle für das individuelle und kollektive Gedächtnis des Burgenlands.“ IKG-Präsident Oskar Deutsch

matrikenverwandte Dokumente, Unterlagen zu Kultusangelegenheiten, Schulangelegenheiten, Steuerangelegenheiten, Militaria sowie Schriftgut von jüdischen Vereinen und auch Informationen von Privatpersonen. Alle diese Dokumente wurden bis zum heutigen Zeitpunkt nicht systematisch durchgesehen oder historisch ausgewertet. Die Israelitische K ­ ultusgemeinde Wien freut sich auf viele Forscherinnen und Forscher, Studentinnen und Studenten sowie alle Interessierten, die ins Archiv kommen, um die Geschichte der einzelnen jüdischen Gemeinden im Burgenland wissenschaftlich aufzuarbeiten, zu publizieren oder die ErgebBitte lesen Sie weiter auf Seite 14

Burgenland KOMPAKT | 11


interview

So lagerte das Jüdische Zentralarchiv im Landesarchiv des Burgenlands

Gibt es in diesem Archiv auch ­Dokumente über die gewaltsame Verfolgung burgenländischer Juden durch das Nazi-Regime?

Die Unterlagen enden mit Februar/ März 1938. Aus diesem Grund gibt es im gesamten Bestand keine Archivalien, welche die gewaltsame Verfolgung burgenländischer Jüdinnen und Juden dokumentieren. Was passiert jetzt mit dem ­Jüdischen Zentralarchiv?

Nach der Übernahme und fachgerechten Unterbringung der rund 460 Archivkartons beginnt in den Räumlichkeiten des Archivs der IKG Wien die Digitalisierung der Dokumente, welche mit finanziellen Mitteln des Landes Burgenland, des Zukunftsfonds, des Nationalfonds, der Kulturabteilung der Stadt Wien sowie des United States ­Holocaust Museum gefördert wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs der IKG Wien werden den gesamten Archivbestand nach archivwissenschaftlichen Standards erschließen und die Archiv- und Verwaltungsgeschichte aufarbeiten. Danach werden die Findmittel in der Archiv-Datenbank gemeinsam mit den Digitalisaten der Forschung der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. 12 | Burgenland KOMPAKT

Zur Gegenwart und Zukunft: Das Land Burgenland hat die Synagoge von Kobersdorf gekauft, derzeit wird sie restauriert. Wofür soll die Synagoge künftig genützt werden? Hat die IKG Einfluss auf die programmatische Ausrichtung? Wird es in der Synagoge Veranstaltungen geben, zum Beispiel Lesungen, ­Diskussionen, Ausstellungen?

Die Synagoge in Kobersdorf soll nach der Generalsanierung zukünftig als Ausstellungs-, Kultur- und Bildungszentrum genutzt werden. Die Räumlichkeiten sollen für etwa 100 Veran­ staltungstage im Jahr zur Verfügung stehen. Die Kultusgemeinde ist hierbei in die zukünftige Nutzung und deren Programmgestaltung eingebunden. Auch in der Burg Schlaining gibt es eine Synagoge. Wie soll diese ­genützt werden?

Diesbezüglich planen wir Gespräche mit dem Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Die sieben jüdischen Gemeinden im Burgenland sind weltweit bekannt. Wie soll an das reiche jüdische Erbe des Burgenlands am besten erinnert werden?

Einer der wichtigsten Bestandteile der Erinnerungskultur ist die Aufarbeitung der Geschichte sowie die Förderung und Vermittlung neu gewonnener Er-

kenntnisse zur Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinden des Burgenlands auf allen Ebenen. Aus diesem Grund werden die Israelitische Kultusgemeinde Wien und das Land Burgenland in Zukunft auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet verstärkt zusammenarbeiten. Die Sichtbarmachung des Erbes der burgenländischen Jüdinnen und Juden sollte zum einen durch Ausstellungen sowie durch das Anbringen von Erinnerungszeichen im öffentlichen Raum stärker an Bedeutung gewinnen. Ist eine jüdische Gemeinde im ­Burgenland, konkret in Eisenstadt, geplant oder bereits im Aufbau ­begriffen?

Natürlich ist unser großer Wunsch und unser Ziel, ehemalige Gemeinden wie auch die in Eisenstadt und dem Burgenland wieder erblühen zu lassen und somit in ganz Österreich jüdisches Leben zu etablieren. Eine jüdische Infrastruktur und Aktivitäten sind hierbei eine Voraussetzung. Wir hoffen sehr, dass in Zukunft, unter anderem auch durch das neue Staatsbürgerschafts­ gesetz, Jüdinnen und Juden nach Österreich ziehen werden, um somit auch ehemals florierende kleine Gemeinden wie in Eisenstadt und dem Burgenland mit jüdischem Leben zu erfüllen, das leider aktuell so gut wie nicht mehr vorhanden ist. n

Fotos: Land Burgenland/Sziderics

nisse an Schulen, Jugendliche und Erwachsene weiterzugeben.


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S ERIE

Wie die Volksgruppen das Burgenland prägten SERIE HISTORIKER GERALD SCHLAG ERZÄHLT GESCHICHTE UND GESCHICHTEN

D

er verstorbene Schriftsteller und Wahlburgenländer György Sebestyén betitelte eines seiner Bücher mit „Burgenland, wo sich die Wege kreuzen“ und wies damit auf eine Tatsache hin, die die Geschichte dieses Landes und das Wesen hier lebender Volksgruppen und die ethnische Struktur des Grenzlandes entscheidend prägte. Wenn man heute von den burgenländischen Volksgruppen spricht, denkt man nach ihrer historischen ­Ansiedlung gereiht an die Magyaren (seit dem 20. Jahrhundert als „Ungarn“ bezeichnet), an die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung, an die Kroaten, die sich als „Gradišćanski Hrvati“ bezeichnen (Burgenland-Kroaten) und schließlich an die Roma, Sinti und Lovara, die man lange unter dem Begriff „Zigeuner“ subsumierte. Wenn in diesem „Streifzug“ nur auf die heute noch das Land prägenden großen Volksgruppen eingegangen wird, sei nicht vergessen, dass sich die ethnische Struktur auch durch andere Elemente und Kulturen – in der Gegenwart mehr denn je – immer wieder veränderte. Wenn man heute die einzelnen Volksgruppen nach Sprachen definiert, sei betont, dass sie alle schon seit der frühen Neuzeit durch eine Zwei- oder Mehrsprachigkeit geprägt sind. In ihrer Siedlungsstruktur verzahnt, erwarb

14 | Burgenland KOMPAKT

man schon aus praktischen Gründen Kenntnisse der Sprache der Nachbarn und seit dem 19. Jahrhundert durch Schule und Medien die jeweilige Staatssprache – bis 1918 Ungarisch und nach dem Anschluss an Österreich Deutsch. Aus diesem Umstand entwickelten sich regionale Dialekte, die Begriffe und Wörter übernahmen, diese in die eigene Muttersprache integrierten und sie nicht mehr als fremde Lehnwörter betrachteten. So entwickelten sich neue Umgangssprachen, die sich von der Schriftsprache unterschieden. Erste Gruppe waren Magyaren

Die erste Volksgruppe, die sich nach der Entstehung der europäischen Staatenstruktur im 9. und 10. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Burgenlands niederließ, waren die Magyaren. Sie waren als letzte Welle der Großen ­Völkerwanderung aus Zentralasien in das Karpatenbecken eingedrungen und hatten im 10. Jahrhundert ihre Staatsgrenze an den Flüssen Leitha und Lafnitz fixiert. Zur Absicherung dieser Grenze bzw. zum Schutz ihres Siedlungsgebiets in der östlichen Tiefebene wurden an den „Einfallspforten“ mag-

yarische Wehrbauern als Grenzwächter angesiedelt, deren Nachfolge noch heute in den Sprachinseln von Oberpullendorf und jener „in der Wart“ nachvollziehbar sind. Wie die Bezeichnung „Wart“ (Warte) signalisiert, bestand ihre Aufgabe darin, die Grenze zu beobachten und notfalls auch militärisch zu verteidigen, bis ein Heer aus Innerungarn kommen konnte. Als Angehörige des „Kriegerstands“ wurden sie in den Rang von Kleinadeligen erhoben, die später militärdienstpflichtig, dafür aber bis 1848 fast von allen Steuern befreit waren. Sie besaßen eine eigene Selbstverwaltung und als Adelige besondere Freiheiten, so auch die freie Wahl der Konfessionszugehörigkeit. So sind bis heute die Bewohner von Unterwart (Alsóör) römisch-katholisch, die von Siget (Örisziget) evangelisch-lutherisch, jene von Oberwart schlossen sich dem reformierten Bekenntnis Calvins an. Als Ende des 18. Jahrhunderts auf den Latifundien östlich des Neusiedler Sees Meierhöfe entstanden, holten deren Besitzer Landarbeiter aus Innerungarn, die man als „Béres“ bezeichnete. Ihre Wohnstätten bildeten eigene Dörfer mit Kirchen und Schulen, sozusagen magyarische Enklaven. Erst im 20. Jahrhundert, als sich die Meierhofwirtschaft radikal veränderte, mussten viele diese Arbeitsplätze verlassen. Sie zogen in Nachbardörfer oder Städte und assimilierten sich. Im Zuge der „Magyarisierung“, die der ungarische Staat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts forcierte, entstand eine magyarisch geprägte Elite im Burgenland, die entweder aus Bitte lesen Sie weiter auf Seite 16

Fotos: Land Burgenland/Wolfgang Sziderics

Wanderungsbewegungen in vergangenen Jahrhunderten, verschiedene Sprachen und Kulturen prägten das Zusammenleben in der Region. Die Entstehung von Vielfalt hatte auch einen hohen Preis: Vertreibung und Verfolgung der Roma.


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Innerungarn zugewandert war oder sich aus Karrieregründen zum Magyarentum bekannte. Diese im Volksmund als „Magyaronen“ bezeichnete Schicht bekannte sich bald nach dem Anschluss an Österreich wieder zu ­ihrem ursprünglichen deutschen oder kroatischen Volkstum. Deutschsprachige Mehrheit

Als die ungarischen Könige im 11. Jahrhundert das Christentum übernahmen und Benediktiner und Zisterzienser als Missionare aus dem deutschen Westen ins Land holten, folgten diesen bald auch Bauern aus dem süddeutschen Raum. Eine ebensolche Entwicklung nahmen die Besitzungen von Adeligen, die als „Militärberater“ geholt und mit Güterschenkungen in dem nur spärlich besiedelten Grenzraum „entlohnt“ wurden. Als sich später in den Städten deutsche Handwerker und Händler ­ansiedelten, wurde der Großteil des westungarischen Raums deutsch geprägt und die Mehrheitsbevölkerung deutschsprachig. Als die Grenzkriege des Spätmittelalters und die beiden osmanischen Feldzüge gegen Wien 1529 und 1532 weite Gebiete Deutsch-Westungarns entvölkerten, warben die Herrschaftsinhaber kroatische Ansiedler an, um die verlassenen Orte neu zu besiedeln. Diese kamen aus allen Teilen des noch habsburgisch gebliebenen Kroatien, von der norddalmatinischen Küste bis aus Slawonien, wo durch Flüchtlinge aus den von den Türken eroberten ­Gebieten ein Überbevölkerungsdruck herrschte. Durch ihre Herkunft sprachen sie verschiedene Dialekte, brachten ihr altes Liedgut und ihre Sitten mit, die sie in den neuen Ansiedlungsgebieten weiter pflegten. So gab es Dörfer, wo man einen čakavischen, in anderen einen štokavischen oder kajkavischen Dialekt sprach. Sprachformen, die sich bis in die Gegenwart erhalten haben. Inselartig in den deutsch dominierten Sprachraum eingefügt, entwickelte sich eine spezielle Dorfkultur, die durch ihre „Buntheit“ bis heute eine reizvolle Vielfalt aufzeigt. 16 | Burgenland KOMPAKT

Die zeitlich als letzte im Burgenland ankommende Volksgruppe waren die lange unter dem Begriff „Zigeuner“ subsumierten Roma, Sinti und Lovara. Über ihre Herkunft gibt es verschiedene Theorien. Gesichert scheint zu sein, dass sie Ende des Spätmittelalters aus dem Balkan bis in die südlichen Gebiete des ungarischen Königreichs herankamen. Dafür mag ein von König Sigismund 1423 ausgestellter Freibrief sprechen, in dem „einem Vojwoden Ladislaus und seinen Leuten das Recht, als Nomaden in seinem Reich herumzuziehen“, eingeräumt wurde. Das dürfte mit der ansässigen Bevölkerung zu Konflikten geführt haben, sodass sich der ungarische Palatin Georg Thurzo 1611 erneut veranlasst sah, eine Art „Schutzbrief “ für das „arme ägyptische Volk, das man Zigeuner nennt“, auszustellen. „Zigeunerkonskription“

1674 erteilte Christoph Batthyány, Herrschaftsinhaber über weite Teile des heutigen Südburgenlands, dem ­Zigeuner-Woiwoden Marton Sarközi mit seinen Leuten das Recht, sich in nur schwach besiedelten Teilen seiner Herrschaften ansiedeln zu dürfen. Andere Magnaten, wie die Esterházy, ließen sofort wandernde Roma-Gruppen vertreiben. Man beschuldigte sie des Flurdiebstahls, kleinkrimineller Handlungen sowie der Unruhestiftung. Die Konflikte zwischen Bauern und RomaSippen bewogen Königin Maria-Theresia, zwischen 1758 und 1767 mehrere Verordnungen zu erlassen, die eine Zwangsansiedlung dieser Gruppen und das Ergreifen von „ehrlichen Gewerben“ vorsah. Erstmalig erfahren wir in einer „Zigeunerkonskription“, welche Tätigkeiten in Westungarn Roma ausübten: So waren 761 Musiker, 4229 Schmiede, 5309 Tagelöhner, 79 Pferdehändler und 131 Bettler. Kaiser Joseph II. erweiterte die Verfügungen seiner Mutter und verbot die Benützung von Romanes. Da die Roma im Verkehr mit ihrer Umwelt die Sprache der Bewohner verwendeten, ihre eigene Sprache Romanes aber nur im

engen Kreis benützten, hatte diese den Geruch einer „geheimen Gaunersprache“ bekommen und wurde daher als bedrohlich empfunden. Diskriminierung

Jene, die sich in der Folgezeit als ­Kleinbauern oder Handwerker in den Dörfern und Kleinstädten einfügten, wurden nicht mehr als „Zigeuner“ betrachtet. Jene aber, die weiterhin ihre alten Lebensgewohnheiten hochhielten, mussten weiterhin Diskriminierung und brutale Verfolgungen erdulden, auch wenn man zwischendurch Reise- und Handelsverbote aufhob. Dies kam einer im 19. Jahrhundert aus der Slowakei und dem Karpatenraum zugewanderten Gruppe zugute, die Pferdehandel betrieb und davon den Namen „Lovara“ (Ló, ungarisch Pferd) bekam. Im 19. Jahrhundert kamen Sinti aus dem böhmischen und deutschen Raum ins Burgenland. Sie unterschieden sich in ihrer Sprache, die deutsche Lehnwörter beinhaltete, deutlich von jener der Roma. In der Öffentlichkeit wurden sie als Musikanten wahrgenommen, deren Musikstil durch kreative Interpretation bald als „Zigeunermusik“ berühmt wurde und auf die klassische Musik großen Einfluss nahm. Die unausrottbaren Vorurteile, dass Roma arbeitsscheu, unzuverlässig und kleinkriminell seien, führten dazu, dass sie aus der normalen Arbeitswelt ausgeschlossen blieben, damit keine ­reguläre Sozialversicherung bekamen und häufig in bittere Armut und Not fielen. Als Asoziale gebrandmarkt, wurden sie nach der Machtergreifung des NS-Regimes im Jahre 1938 zur Zwangsarbeit in Arbeitslager gesperrt und schließlich im Zuge des Rassenwahns der NS-Ideologie in Konzen­ trationslagern durch entsetzlich unmenschliche Behandlung umgebracht oder ab 1941 in den „Vernichtungslagern“ von Chelmo und Auschwitz-Birkenau planmäßig in den Gaskammern ermordet. Von den geschätzten 6000 Roma überlebte nur ein kleiner Teil den Holocaust. n


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Harmonisches Miteinander Die kroatische Volksgruppe im Burgenland hat zwei engagierte Repräsentanten: Stanko Horvath und Martin Ivancsics setzen sich für die Anliegen der Volksgruppe ein. Auch bei den Feiern zu „100 Jahre Burgenland“ wollen sie eingebunden sein.

„Der EU-Beitritt hat die Identität der Kroaten im Burgenland gestärkt. Kroaten in verschiedenen Ländern haben jetzt ein gemeinsames Dach, und das ist die Europäische Union.“ Martin Ivancsics

18 | Burgenland KOMPAKT

K

UGA – das ist im Burgenland und weit darüber hinaus mehr als nur eine griffige Abkürzung. KUGA ist das Zentrum der kroatischen Kulturvereinigung Großwarasdorf (KUlturna zadruGA Veliki Borištof). Keine Frage, dass die beiden Repräsentanten der kroatischen Volksgruppe im Burgenland die KUGA als Treffpunkt für unser Gespräch vorschlagen. Stanko Horvath ist Präsident des größten kroatischen Kulturvereins, der ÖVP-nahe ist. Martin Ivancsics leitet als Vorsitzender das sozialdemokratisch ausgerichtete kroatische Kulturund Dokumentationszentrum. Beide Vereine haben ihren Sitz in Eisenstadt

– und beide Volksgruppen-Vertreter versichern, dass sie ihre Aufgabe fernab der Tagespolitik verstehen. „Nach außen hin sprechen wir mit einer Stimme. Wir ziehen an einem Strang“, sagen Horvath und Ivancsics gleichlautend. „Und wenn wir schon einmal streiten, dann trinken wir danach gemeinsam einen Kaffee“, sozusagen zur Versöhnung, betont Ivancsics. Abwechselnd führen Horvath (2020) und Ivancsics (2021) den Sitz der Kroaten im Volksgruppenbeirat der Bundesregierung in Wien. „100 Jahre Burgenland“, das 2021 ­offiziell begangen wird, ist auch für die kroatische Volksgruppe eine turbulente Zeitspanne voller Auf und Abs.

Foto: Landesmedienservice Burgenland/Wiesinger

VON MARGARETHA KOPEINIG UND NADJA TSCHANK / FOTO STEFAN WIESINGER


V o l ksg r upp e n

Sie fühlen sich wohl auf der Bühne des kroatischen Kulturzentrums (KUGA): die Vertreter der kroatischen Volksgruppe Martin Ivancsics (l.) und Stanko Horvath

„Nach 500 Jahre langer Präsenz in diesem europäischen Raum wurden Kroaten durch neue Grenzziehungen nach dem Ersten Weltkrieg auf Ungarn, die Slowakei und das Burgenland aufgeteilt. Die Entstehung des Burgenlands 1921 war dann schon sehr einschneidend für uns. Wir wurden einfach auseinandergerissen“, bemerkt Horvath. Zwischenkriegszeit

Auch die Zwischenkriegszeit war für die kroatische Volksgruppe nicht einfach. Massenarbeitslosigkeit, Lebensmittelknappheit, autoritäre Strukturen und ab 1938 das Nazi-Regime und die Auslöschung Österreichs. „Viele burgenländische Kroaten mussten nach Wien oder in andere Regionen pendeln, wo es Jobs und Geld zum Überleben gab. Kroatische Bauern, die etwas Grund und Boden hatten, betrieben ihre Landwirtschaft weiter. Diese unterschiedlichen sozioökonomischen Milieus und die daraus resultierenden unterschiedlichen Lebensbedingungen für burgenländische Kroaten begrün-

„Hier auf diesem Gebiet fanden Kriege statt, es wurde gekämpft. Als Kroaten haben wir immer zusammengehalten. Das hat uns bis heute geholfen.“

Bewusstsein in der deten auch die pargesamten Region.“ teipolitische DiffeWas die Feiern renzierung: Arbeiter zum Jubiläum „100 orientierten sich weJahre Burgenland“ gen der prekären angeht, erwarten die ­sozialen Frage eher Stanko Horvath Volksgruppenveran den Sozialdemotreter, dabei „zu kraten, Bauern und Wort zu kommen“ kleine Gewerbetreibende sahen ihre Interessenvertreter und „Teil des Programms zu sein“. auf der Seite der Christlichsozialen, Nicht als Folklore, auch nicht als Randfiguren, sondern als Partner, wie später der ÖVP. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Stanko Horvath und Martin Ivancsics es zu größeren Differenzen zwischen unisono erklären. Horvath ergänzt, den beiden Vereinen. Die Konser­ dass er die Bereitschaft, am Jubiläum vativen drängten auf Erhaltung der aktiv teilzunehmen, schon bei LandesSprache, den Sozialdemokraten war hauptmann Hans Peter Doskozil dedas nicht so wichtig: Um aufzusteigen, poniert habe. „Wir sind es gewohnt, alles gemeinsam zu machen“, fügt ­einen Arbeitsplatz zu bekommen und ­ den auch zu behalten, plädierten sie Ivancsics rasch hinzu. dafür, rasch Deutsch zu lernen und sich zu assimilieren. „Im Laufe der Mehr Anerkennung 1980er-Jahre kam es zum Kurswechsel Geht es um die Zukunft der kroatiunter SPÖ-nahen Kroaten. Wir haben schen Volksgruppe, hoffen beide, dass uns dann zusammengerauft“, erklärt die Zahl jener, die sich als Kroaten Ivancsics. „Es war ein Reifungspro- ­deklarieren, nicht weiter sinkt. Rund zess“, fügt sein Vis-à-Vis hinzu. Die 30.000 Burgenländer bekennen sich ­gemeinsame Sprache wird seither von derzeit zur Volksgruppe und sprechen beiden Seiten hochgehalten, ist sie in der Familie und mit Freunden im doch Ausdruck von Tradition, Kultur, Ort kroatisch. Im zweisprachigen SiedToleranz und Völkerverständigung. lungsgebiet wird Kroatisch in den KinWarum in der kroatischen Volks- dergärten und Schulen als Unterrichtsgruppe – trotz unterschiedlicher Par- fach angeboten. In Oberwart gibt es teizugehörigkeit – am Ende das Ge- ein zweisprachiges Gymnasium mit meinsame vor dem Trennenden liegt, Kroatisch-Deutsch sowie Ungarischdafür hat Horvath eine historische Er- Deutsch. Zum Spracherwerb und klärung: „Wir wurden von anderen Spracherhalt tragen auch die kroatiMächten und Truppen überrollt, hier schen Radio- und Fernsehsendungen auf diesem Gebiet fanden Kriege statt, des ORF Burgenland bei. es wurde gekämpft. Als Kroaten haben Stanko Horvath und Martin wir aber immer zusammengehalten. ­Ivancsics sind sich in einem Punkt Das hat uns bis heute geholfen.“ ­einig: Das Interesse der Mehrheits­ Ivancsics weist darauf hin, dass in bevölkerung an der kroatischen Volksden vergangenen Jahrzehnten auch gruppe im Burgenland ist gegeben. „der EU-Beitritt die Identität der Kro- Aber sie würden in den Augen i­hrer aten im Burgenland gestärkt hat. Kro- Mitglieder die Aufgabe als Volksgrupaten in den verschiedenen Ländern penvertreter nicht gut erfüllen, würden haben jetzt ein gemeinsames Dach, sie nicht auch sagen: „Aber wir wünund das ist eben die Europäische schen uns noch mehr Interesse und Union. Dadurch gibt es ein kollektives Repräsentanz.“ n Burgenland KOMPAKT | 19


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„Es geht um Dialog“ Der Vertreter der Roma-Volksgruppe im Burgenland, Emmerich Gärtner-Horvath, kämpft seit 25 Jahren unermüdlich für die Akzeptanz der Roma in der Gesellschaft. Bildung und staatliche Unterstützung sind für die Volksgruppe unerlässlich. VON MARGARETHA KOPEINIG / FOTO WOLFGANG SZIDERICS

der Bevölkerung. Alte Klischees und Vorurteile sind immer noch da.“ Und dagegen kämpft Gärtner-Horvath aus Kleinbachselten unermüdlich an. Bildung ist für ihn der Schlüssel zu Selbstbewusstsein und Stolz für die ­eigene Kultur und Herkunft. Nichts macht ihm eine größere Freude als zu berichten, wie viele Roma bereits eine Lehre absolviert haben, die Matura geschafft, ein Studium beendet und Erfolg im Job haben. „Es werden immer mehr“, sagt er und lächelt zufrieden.

I

Roma-Kapelle: Der Geiger (Zweiter von links) ist der Vater von Gärtner-Horvath

m Stiegenhaus stapeln sich die Kartons von „dROMa“, der zweisprachigen Zeitschrift des Vereins „Roma-Service“ in Oberwart. Im Büro im ersten Stock empfängt uns Emmerich Gärtner-Horvath, der seit mehr als 25 Jahren die ­Interessen der Roma im Burgenland vertritt. Ohne große Worte führt uns der Vorsitzende des Volksgruppenbeirats der Roma durch die Ausstellung über „Lebensgeschichten burgenländischer Roma“. Auf 15 Schautafeln sind mehr als 80 Jahre Geschichte aus persönlicher Sicht – von der Zwischenkriegszeit bis heute – in Form von Testimonials niedergeschrieben, um ­ das Leben der Roma den interessierten Besuchern zu vermitteln. In berüh­ renden Worten erzählen sie alle über Verfolgung, Diskriminierung, Schmerz und Enttäuschung, aber auch von Lebensfreude, der Musik, dem Feiern, von Hoffnung und Zuversicht. „Die Berichte zeugen von einem Glauben an die eigene Identität“, sagt Gärtner-Horvath und fügt hinzu, dass es für Roma so wichtig und lebensnot-

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wendig ist, „das Selbstbewusstsein zu stärken“. 3000 bis 3500 Roma leben derzeit im Burgenland, viele bekennen sich heute nicht mehr zu ihrer Herkunft, auch weil sie negative Erfahrungen von Unterdrückung und Ausgrenzung gemacht haben. Gärtner-Horvath bedauert, dass sich die Mehrheitsbevölkerung kaum für die Roma interessiert. „Das Miteinander wird stärker, der Dialog besser, aber trotzdem fehlt oftmals das Wissen über die Roma in weiten Teilen

Roma machen regelmäßig eine Wallfahrt nach Mariazell

Ein paar Türen weiter von seinem Büro gibt es täglich Lernbetreuung für Schüler, die aus ökonomisch schwachen Haushalten kommen und keinen Computer oder Internet-Anschluss besitzen. Wir sehen eine Lehrerin und Schüler, die über ihren Büchern sitzen, Vokabeln lernen und Texte wiederholen. Gerade wenn es um Bildung geht, würde sich Gärtner-Horvath Hilfe vonseiten des Landes erwarten. „Romanes in das Online-Unterrichtstool ,Skooly‘ aufzunehmen, wäre für uns eine große Unterstützung.“ In unserem Gespräch erzählt er, dass sich seit der Gründung des Vereins Roma im Jahr 1989, der ersten Organisation der Roma im Burgenland, viel Positives getan hat. Bevor es zu dieser Gründung kam, erhielten die Roma 1988 erstmals eine Opfer-Rente, für die sich der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky persönlich eingesetzt hatte. „Das hat uns sehr geholfen.“ Im Jahr 1993 wurden Roma als offizielle Volksgruppe mit eigener Sprache, dem Romanes, anerkannt. Insgesamt gibt es sechs autochthone Volksgruppen in Österreich: die Burgenland-Kroaten, Slowenen in Kärnten und in der Steier-

Fotos: Emmerich Gärtner-Horvath/Landesmedienservice Burgenland/Sziderics

Schlüsselfaktor Bildung


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Emmerich Gärtner-Horvath ist die Stimme der Roma-Volksgruppe im Burgenland

mark, die ungarische Volksgruppe, die tschechische und die slowakische sowie die Volksgruppe der Roma. Auch vonseiten der Burgenländischen Landesregierung „gibt es Unterstützung für die Roma“. Das Minderheitenschutzgesetz wurde erlassen, die Sprache kodifiziert und 1999 Romanes als Freigegenstand in manchen Schulen eingeführt. „Was leider fehlt, sind Pädagogen und ausgebildete Sprachlehrer“, formuliert Gärtner-Horvath ein Anliegen an das Bildungsministerium. Im Jahr 2011 nahm die Österreichische UNESCO-Kommission Romanes (oder Roman), die Sprache der Burgenland-Roma, in das Verzeichnis des nationalen immateriellen Kultur­ erbes in Österreich auf. Das Jubiläum „100 Jahre Burgenland“ ist auch für die Volksgruppe der Roma Anlass, nicht nur über die eigene Geschichte nachzudenken, sondern vielmehr Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Der Roma-Vertreter erinnert an schreckliche Kapitel der Vergangenheit: „Unsere Kultur wurde 1938 ermordet.“ Wenn man seine Familie kennt, dann weiß man, wovon Emmerich Gärtner-Horvath spricht. Die Großeltern kamen als „Zigeuner“ im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ums Leben, sein Vater war im Konzentrationslager Buchenwald, die Mutter konnte sich bei niederösterreichischen

„Wir müssen lernen, miteinander zu leben. Das möchte ich gerne allen Politikern in Österreich und in der EU sagen.“ Emmerich Gärtner-Horvath Bauern verstecken, die damit in der Nazi-Zeit großen Mut und Menschlichkeit bewiesen. Seine drei Halbgeschwister starben – so die Annahme – im polnischen Ghetto Lódź (Litzmannstadt). In der Nähe von Lódź wurden insgesamt zwischen 4000 und 5000 österreichische Roma und Sinti ermordet, eine Gedenktafel erinnert auch heute noch an jene burgenländischen Roma, die Opfer des Nazi-Regimes waren. Emmerich Gärtner-Horvath hat nie aufgegeben: Als er sich um eine Lehrstelle als Einzelhandelskaufmann bemühte, bekam er nur Absagen. Im Geschäft seines Bruders erhielt er einen Ausbildungsplatz, ein Glück. Heute ist er stolz auf seine Karriere und seine drei Kinder, mit denen er zweisprachig kommuniziert: Romanes und Deutsch. Eine Tochter studiert gerade Lehramt Mathematik und Geschichte. Oft denkt er auch an seinen Vater, ein Meister vieler Berufe. Im Winter musizierte er, trat in Lokalen in Rust

auf und ist mit seiner Kapelle im zweiten Teil der Sissi-Trilogie mit seiner Musik verewigt. Im Sommer verdiente er Geld mit dem Besenbinden und dem Schleifen von Scheren und Messern. „Das bräuchten wir heute auch wieder“, bemerkt sein Sohn Emmerich. Und er hat recht: Nachhaltigkeit ist gefragt. Von den rund 11.000 österreichischen Roma und Sinti überlebten nur ca. 1500 den Nazi-Terror. Im Burgenland verhält es sich ähnlich. Ausgehend von einem Bevölkerungsanteil von rund 8000 Burgenland-Roma überlebten nach einer Befragung aus dem Jahr 1948 ungefähr 900 Personen, knapp elf Prozent, das menschenverachtende Hitler-System. Viele von ihnen kamen ins Burgenland zurück und standen vor dem Nichts. Ihre ohnedies ärmlichen Häuser waren größtenteils dem Erdboden gleichgemacht. Zudem begegnete man ihnen nach dem Krieg mit Vorurteilen und Ausgrenzung. Neue Kraft für die Zukunft

Diese erschütternde Geschichte der Familie bestimmt die Identität von Gärtner-Horvath. Aus dem Blick zurück schöpft er stets auch neue Kraft für seine Arbeit und die Zukunft der Roma, im Besonderen der burgenländischen Roma. „Es geht um Dialog und Akzeptanz.“ Für die bessere Zusammenarbeit wünscht er sich eine Person in der Burgenländischen Landesregierung, die für Roma-Angelegenheiten zuständig ist. Sozusagen die Subvention eines Jobs. Das Trauma des Terroranschlags vom 4. Februar 1995 wirkt bis heute nach. Dabei wurden vier junge Roma durch ein rassistisch motiviertes rechtsradikales Bombenattentat, den schwersten Anschlag in Österreich seit 1945 mit innenpolitischem Hintergrund, ermordet. „Wir müssen lernen, miteinander zu leben. Das möchte ich gerne allen Politikern in Österreich und in der EU sagen.“ Bis heute erhält der Roma-Vertreter Emmerich Gärtner-Horvath beleidigende, aggressive, verachtende und ­rassistische Drohbriefe. Wir haben die Postsendungen gesehen. n Burgenland KOMPAKT | 21


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„Mehrsprachigkeit ist ein Vorteil“ Iris Zsótér ist eine Vertreterin der ungarischen Volksgruppe im Burgenland. Sie verlangt den Ausbau der Sprachförderung in den Schulen, mehr UngarischLehrer, mehr ORF-Sendungen auf Ungarisch und höhere Vereinsförderung. VON MARGARETHA KOPEINIG UND NADJA TSCHANK / FOTO STEFAN WIESINGER

kirche, die neueren Ursprungs ist. Sie wurde 1792 bis 1794 erbaut und dient als Gotteshaus für viele Bürger, die der ungarischen Volksgruppe angehören. „Die Ungarn sind eine Minderheit in der eigenen Heimat“, stellt Iris Zsótér, Vertreterin der ungarischen Volksgruppe, fest. Sie spannt den historischen Bogen weit zurück in die Zeit der Monarchie, in der das Gebiet mehrheitlich von ­einer ungarisch sprechenden Bevölkerung besiedelt war. Ungarn waren hier über viele Jahrhunderte als Grenzwächter eingesetzt. Dafür wurden sie auch belohnt – mit einem Prädikat als Kleinadelige. Eine Kopie dieses Dokuments hängt zur Erinnerung im evangelischen Gemeindesaal. „Lange Zeit war das Bürgertum in dieser Region ungarisch, ebenso die Beamtenschaft. Auch die ­Jüdinnen und Juden im Burgenland waren mehrheitlich Ungarn. Das ging verloren“, bedauert Iris Zsótér. Die Professorin, die mit ihrer Familie in Siget in der Wart lebt, unterrichtet Ungarisch und Kroatisch am zweisprachigen Gymnasium in Oberwart. Ihre Muttersprache ist Ungarisch, ihr Mann ist aus Kroatien. Die Familie kommuniziert mehrsprachig. „Das ist selbstverständlich. Die Volksgruppen l­eben hier zusammen und sind multilingual. Vielsprachigkeit gehört einfach zur Kultur des Burgenlands.“

Unterwart im Burgenland: ein junges Paar in ungarischer Tracht vor einem Bauernhaus um 1953

22 | Burgenland KOMPAKT

Heute wird in vier Orten des Burgenlands noch Ungarisch gesprochen: In Oberpullendorf, Oberwart, Unterwart und Siget in der Wart. Auf eine konkrete Zahl der Mitglieder der unga­ rischen Volksgruppe will sich Frau ­Zsótér nicht einlassen: „Man muss sich nicht auf eine konkrete Zahl festlegen. Ungarisch gehört zum Burgenland“, ­betont sie mit resoluter Stimme. Sie ist stellvertretende Obfrau des burgen­ ländisch-ungarischen Kulturvereins in Oberwart, der seit dem Jahr 1968 besteht. Gleichzeitig ist Iris Zsótér auch stellvertretende Vorsitzende im Volksgruppenbeirat im Bundeskanzleramt in Wien. Mehr Sendungen auf Ungarisch

Sie bedauert, dass „zu wenig für den Spracherhalt getan wird.“ Seit 1992 gebe es zwar ein zweisprachiges Bundesrealgymnasium in Oberwart. „Doch allein der Spracherwerb in der Schule ist zu wenig“, bemerkt die engagierte Päda­ gogin. Sie wünscht sich auch mehr ­Sendungen auf Ungarisch im ORF. „Das Burgenland sollte sich seiner Vielsprachigkeit bewusst sein. Der ungarischen Volksgruppe hilft es nicht, wenn nur bei offiziellen hochrangigen Besuchen die Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt hervorgehoben wird. Gleichzeitig wird aber auf die Förderung der Volksgruppe vergessen.“ Ungarisch ist in Österreich als Amtssprache verankert. „Das sollte auch heute noch selbstverständlich sein“, betont Iris Zsótér. Für zweisprachige topografische Aufschriften, das heißt für zweisprachige Orts- und Hinweisschilder, müssen die Ungarisch sprechenden Burgenländerinnen und

Fotos: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung/Landesmedienservice Burgenland, Wiesinger

S

iget in der Wart (ungarisch: Őrisziget) verdient das Prädikat einer der „idyllischsten Orte des Burgenlands“ zu sein. Er ist absolut sehenswert. Das Dorf, am Zickenbach gelegen, hat rund 300 Einwohner und gehört zur Marktgemeinde Rotenturm an der Pinka im Bezirk Oberwart. Die Ortsmitte besticht durch zwei Kirchen, die in unmittelbarer Nähe zueinander stehen: Die alte römisch-katholische Filialkirche romanischen Ursprungs wurde urkundlich erstmals 1368 erwähnt. Die alten Fresken, die erst in den 1980er-Jahren freigelegt wurden, gelten in Kreisen der Denkmalschützer und Künstler als Sensation. Die möglicherweise älteste Kirche des Burgenlands steht heute u ­nter Denkmalschutz. Einen Steinwurf entfernt befindet sich die evangelische Pfarr­


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Iris Zsótér ist stolz auf die Kirchen in Siget in der Wart: links die evangelische Pfarrkirche, rechts die römisch-katholische Kirche. Neuesten Forschungsergebnissen zufolge ist sie möglicherweise die älteste Kirche im Burgenland

Burgenländer noch immer kämpfen. Erst vor zwei Jahren wurden zweisprachige Orts­tafeln in Siget in der Wart aufgestellt. Als selbstbewusste Vertreterin der ungarischen Volksgruppe wünscht sich Zsótér mehr Unterstützung vonseiten der Politik und der Gesellschaft. Das heißt mehr Sprachenförderung, mehr Unterricht in den Schulen, eine umfassendere Ausbildung für UngarischLehrer an der Pädagogischen Hochschule, mehr Vereinsförderung und mehr Wertschätzung. Die Liste der ­Anliegen ist lang. Sie hebt aber auch positiv hervor, dass die Burgenländische Landesregierung in letzter Zeit die Förderungen für die BurgenlandUngarn deutlich erhöht hat. Auftrieb erhielt das Ungarische in den vergangenen Jahren durch die ­Freizügigkeit des Personenverkehrs in

„Es geht mir darum, die ungarische Volksgruppe sichtbarer zu machen. Es geht auch um mehr Akzeptanz vonseiten der Mehrheitsbevölkerung.“ Iris Zsótér der Europäischen Union. Die Ungarn können jetzt ohne Probleme zwischen Ungarn und Österreich bzw. dem Burgenland pendeln. Für Iris Zsótér ist das selbstverständlich: „Das Burgenland ist sehr mit Westungarn verbunden.“ Noch werden die Gottesdienste in der evangelischen Kirche von Siget in der Wart auch in ungarischer Sprache gehalten. Die Religion ist ein wichtiger

Faktor der sprachlichen und kulturellen Identität. „Aber wie lange noch wird das so bleiben?“, stellt Zsótér die rhetorische Frage. „Für Leute über 40 Jahre ist Ungarisch noch die Umgangssprache. Für Jüngere nicht mehr.“ Sie selbst definiert sich „als Burgenländerin“, auch wenn sie neben Deutsch ihre Muttersprache Ungarisch sowie Kroatisch und auch etwas Romanes spricht. Für die Zukunft wünscht sich die Burgenländerin nur eines: „Mehrsprachigkeit. Das ist immer ein Vorteil.“ Es geht ihr auch darum, die Volksgruppe „sichtbarer zu machen“ und ihr „mehr Akzeptanz vonseiten der Mehrheits­ bevölkerung entgegenzubringen“. Stolz verweist sie auch darauf, dass in Siget in der Wart, im alten Gebäude der Volksschule und des Kindergartens, im Juni 2015 der ORF-Landkrimi „Kreuz des Südens“ gedreht worden ist. n Burgenland KOMPAKT | 23


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aus d e m La n d h aus

Für seine Straußenfarm hat Florian Wimmer den „Bio-Innovationspreis Burgenland“ von Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf überreicht bekommen

Bio-Shopping rund um die Uhr Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf will in diesem Jahr als zuständige Agrarlandesrätin eine Vermarktungsgesellschaft für Bioprodukte im Burgenland aufbauen. Nachhaltigkeit und faire Preise sind die Folge.

Fotos: Land Burgenland

D

ie Corona-Pandemie untermauert einmal mehr: Wir brauchen eine zeitgemäße Agrarpolitik. Regionale Lebensmittel in Bioqualität werden von den Konsumenten mehr denn je geschätzt. Die Nachfrage steigt seit den Lockdowns sukzessive. Auf diesen Zug ist das Burgenland mit seinem Weg der Biowende schon längst aufgesprungen. „Das Virus kritisiert unsere Lebensweise“, sagte der deutsche Intellektuelle Alexander Kluge in einem StandardInterview. Umso mehr muss Bio unterstützt und gefördert werden. Das Burgenland soll Bioland Nummer eins werden. „Die Biowende ist unsere Leitidee, sie hat oberste Priorität in den kommenden Jahren“, sagt Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf. Das Burgenland soll eine Modellregion für die Verknüpfung von Bio und Regionalität werden. „Das bedeutet eine weitere Erhöhung des Bioanteils im Essen von Schulen, Kin-

dergärten und Spitälern. Parallel dazu – und das ist das zentrale Anliegen für 2021 – soll eine eigene Biovermarktungsgesellschaft im Burgenland aufgebaut werden. Neue Marktchancen für die heimischen Landwirte sollen damit geschaffen werden“, erklärt Eisenkopf. Sie ist für den Agrarbereich zuständig. Kurze Versorgungskette

Damit soll eine nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit biologischen und regionalen Lebensmitteln gesichert werden. Kurze Versorgungsketten in Produktion und Vermarktung von Biolebensmitteln sollen aufgebaut werden. Durch den Wegfall von Zwischenhändlern können hochwertige Bioprodukte zu fairen Preisen angeboten werden. 2020 wurde ein Modell für eine Bio­ vermarktungsorganisation erarbeitet, das heuer Schritt für Schritt umgesetzt werden soll. Zuerst werden kurze Versorgungsketten für burgenländische Bioerzeugnisse zwischen Produzenten und Gemeinschaftsverpflegung (Kin-

dergärten, Schulen, Krankenanstalten) realisiert. In Folge soll die Vermarktungsgesellschaft auch gegenüber Endverbrauchern aktiv auftreten und mehrere 24-Stunden-Shops im Burgenland eröffnen. Damit werden neue zusätzliche Ertragschancen für regionale und biologische Produzenten eröffnet. Damit leistet das Burgenland seinen Beitrag für eine vernünftige Lebensweise und gibt somit den Bioweg für Österreich vor. Agrarlandesrätin Eisenkopf ist überzeugt: „Im Burgenland arbeiten wir sehr aktiv an einer Biovermarktungsstrategie, damit die Wertschöpfung auch in der Region bleiben kann. Für mich ist klar, dass Bio und Regionalität als ein Ganzes gesehen werden müssen, sie schließen einander nicht aus. Ich möchte für das Burgenland gesunde biologische und regionale Lebensmittel in höchster Qualität zur Verfügung stellen und einen langfristig nachhaltigen Weg für das Burgenland einschlagen.“ n Nadja Tschank

Burgenland KOMPAKT | 25


aus dem Landhaus

Pflege und Betreuung wird flexibler

Landesrat Leonhard Schneemann auf Besuch im Pflegekompetenzzentrum Raiding

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s wird in Zukunft kaum eine Familie geben, die nicht in irgendeiner Form mit Pflege oder Betreuung eines Angehörigen konfrontiert sein wird. Die Zahl der über 75-Jährigen wird burgenlandweit bis 2030 um 20 Prozent steigen, auf etwa 37.000 Burgenländerinnen und Burgenländer. „Wir dürfen nicht riskieren, dass Betroffene künftig vor unlösbaren Problemen stehen. Daher haben wir bereits 2019 gehandelt und mit dem Zukunftsplan Pflege Antworten auf mögliche Probleme gegeben“, sagt Landesrat Leonhard Schneemann. Um die Versorgung der älteren Generation sicherzustellen, hat die Landesregierung ein Pflege-Maßnahmenpaket im Zukunftsplan geschnürt, welches 21 Maßnahmen beinhaltet, die Pflege und Betreuung optimieren. Ein Herzstück dieses Maßnahmenpakets ist das Anstellungsmodell für pflegende und betreuende Angehörige, ein Modell, das einzigartig und international

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gefragt ist. Rund 170 Personen sind derzeit bei der Pflegeservice Burgenland GmbH, einem Tochterunternehmen des Landes, angestellt. Diese Zahl steigt konstant. Nicht ohne Grund, denn dieses System bietet den Angehörigen viele Vorteile. Sie gehen ein Dienstverhältnis

„Ziel ist, so viele Personen wie möglich zu Hause in guter Pflege und Betreuung zu wissen.“ Leonhard Schneemann ein und bekommen den Mindestlohn von 1700 Euro netto bei Vollzeit. Mit ­einer Ausbildung, die vom Land finanziert wird, ist auch eine berufliche Perspektive nach dem Betreuungsfall gegeben. Mit diesem Modell wird auch dem Wunsch der älteren Generation entsprochen, so lange wie möglich zu Hause betreut zu werden. „Auch Ange-

hörige von Menschen mit Behinderung können dieses Anstellungsmodell nutzen“, ergänzt Landesrat Schneemann. Um die Versorgung der pflegebedürftigen Burgenländerinnen und Burgenländer garantieren zu können, wird die Landesregierung 2021 weitere Schritte setzen. Die Ideen basieren auf gutem Schnittstellenmanagement zwischen mobiler Betreuung sowie teilstationären und stationären Angeboten. „Ich stelle mir eine übergreifende Zusammenarbeit bei betreuten Wohnformen von Pflegeheimen und mobilen Diensten, den Gemeinden und den pflegenden Angehörigen vor. Es ist ­unsere Aufgabe, alternative Modelle zu entwickeln und das Thema neu zu denken“, sagt Schneemann. Dabei geht es um Synergien. Wir wollen die starken sozialen Strukturen in Burgenlands Dörfern und Gemeinden nutzen. Aktuell werden neue Ansätze in der Mehrstundenbetreuung ausgearbeitet. Das Anstellungsmodell für pflegende und betreuende Angehörige könnte Vorbild für eine neue Form der Mehrstundenbetreuung sein. Bestätigt wurde der Ansatz auch in zahlreichen Beratungsgesprächen der Pflegehotline mit Pflege- und Sozialberatern. Mehr als die Hälfte der 24-Stunden-Betreuerinnen und -Betreuer könnten Schätzungen zufolge mit einer Mehrstundenbetreuung ersetzt werden. Dazu Schneemann: „Daran wollen wir weiterarbeiten, damit es 2021 eine neue Versorgungsform für pflege- und betreuungsbedürftige Menschen bei uns gibt. Ziel ist, so viele Personen wie möglich zu Hause in guter Pflege und Betreuung zu wissen. Das gelingt uns derzeit bereits mit dem Anstellungsmodell für pflegende und betreuende Angehörige.“ n

Fotos: Land Burgenland/Stefan Wiesinger

Ziel von Soziallandesrat Leonhard Schneemann ist, in diesem Jahr ein Modell für eine Mehrstundenbetreuung vorzulegen und das Pflege-Thema „neu zu denken“. Dabei sollen die starken sozialen Strukturen in den Gemeinden genutzt werden.


aus d e m La n d h aus

Landesrat Heinrich Dorner besucht eine Baustelle

Dorner. Insgesamt werden so 55 Mil­ lionen Euro Auftragsvolumen für die Wirtschaft ausgelöst – das Fünffache der Fördersumme. E-Auto-Förderung verdoppelt

Bauen und Verkehr Landesrat Heinrich Dorner legt 2021 den Fokus auf ökologischen Wohnbau mit höheren Förderungen und den Ausbau besserer Verkehrsverbindungen.

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us der Krise herausin­ vestieren“, lautet die Prämisse von Landesrat Heinrich Dorner. Die Wo h n b au f ö r d e r u n g sieht er als wichtigen Impuls für die ­regionale Wirtschaft und den Arbeitsmarkt sowie für die Schaffung von günstigem Wohnraum. Mit dem neuen Raumplanungsgesetz soll ungenutztes Bauland mobilisiert und sollen leistbare Grundstückspreise definiert werden. Bauland und Bau eines Eigenheims sollen so billiger werden. „Mit fast 38 Prozent an unbebautem Bauland liegt das Burgenland deutlich über dem Bundesschnitt von 23,5 Prozent und bundesweit an erster Stelle. Hier wollen wir gegensteuern und Spekulation verhindern.“ Geplant ist eine Abgabe auf bauland­gewidmete, für Häuslbauer jedoch nicht verfügbar gemachte Grundstücke. Ausgenommen von der Abgabe sind Grundstücke für den familieneigenen Bedarf. Das seit Anfang 2021 gültige Wohnbauförderungsgesetz bietet noch ­attraktivere Darlehenskonditionen.

„Eine Fixverzinsung von 0,9 Prozent für 30 Jahre ist österreichweit einzig­ artig“, ­betont Dorner. Deutlich verbesserte Förderquoten gelten künftig auch für die energetische Sanierung (bis zu 45.000 Euro Fördersumme) und für ökologisches Bauen, für das eine bis zu 40 Prozent höhere Förderung winkt. Flächensparendes Bauen, etwa in einer Baulücke im Ortsgebiet, wird ebenso höher gefördert (maximal 20.000 statt bisher 12.600 Euro) wie Bauen in einer Abwanderungsgemeinde. Enormer Impuls Handwerkerbonus

Der Handwerkerbonus habe sich als „effektives Unterstützungsinstrument für die heimischen Handwerksbetriebe und als deutliche Entlastung für die Menschen in schwierigen Zeiten“ bewährt, sagt Dorner. Der Bonus wurde 2020 nochmals ausgeweitet und der Fördertopf von sechs auf elf Millionen Euro erhöht. „Das ist ein positives Signal an die Wirtschaft und die Burgenländerinnen und Burgenländer. Jedes Ansuchen, das die Förderkriterien erfüllt, wird auch bewilligt“, verspricht

Eine Umfrage für die Gesamtverkehrsstrategie zeigt klar: Die Bevölkerung wünscht sich einen Mix an Angeboten (Individualverkehr, Öffis, Räder, zu Fuß gehen). Für den Umweltschutz soll neben dem weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs der Umstieg auf klimafreundliche Mobilität forciert werden. 2021 wird die E-Auto-Förderung auf 2000 Euro verdoppelt und es werden auch privat errichtete Ladestationen gefördert. In allen Bezirken sollen öffentliche Lademöglichkeiten geschaffen werden. Mit der Errichtung von Radbasisnetzen in allen Bezirken soll Radeln ­attraktiver werden, nicht zuletzt mithilfe des E-Bike-Booms. Die bisher so erfolgreiche E-Bike-Förderaktion, die 150 Euro pro E-Bike beim Kauf bei ­einem heimischen Händler vorsieht, wird es daher auch 2021 geben. Bessere Verkehrsverbindungen

Größtmögliche Sicherheit im Straßenverkehr sollen Projekte wie der Sicherheitsausbau der S 31 und der S 4 sowie die Instandhaltung von Landes- und Gemeindestraßen gewährleisten. Für mehr Sicherheit wird heuer der Fokus auf Schwerverkehrs- und Radarkon­ trollen gelegt. Hohe Priorität haben bessere Verkehrsverbindungen in Regionen mit schlechten Anbindungen an den öffentlichen Verkehr. Die landes­ eigene Buslinie, die mit Jänner ihren Vollbetrieb aufgenommen hat, ermöglicht nun Pendlern aus den Bezirken Güssing und Oberwart in 80 Minuten nach Graz zu kommen. n Hans-Christian Siess

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gischen Lebensmitteln bestehen. Bis 2024 will man 100 Prozent erreichen. Gesunde Bioprodukte aus regionaler Produktion werden auf die Teller der Kinder und Jugendlichen kommen. Wichtig ist für Familien die Essens­ förderrichtlinie. Für die Verpflegung in Kindergärten wird einkommensabhängig ein Essenszuschuss gewährt. Auch für Kinder in Pflichtschulen wird es künftig seitens des Landes eine Unterstützung in dieser Form geben.

Hilfestellungen des Landes für Familien im Lockdown: Landesrätin Daniela Winkler

Projekt „fit4future“ Landesrätin Daniela Winkler stellt eine neue Initiative für die Ferienbetreuung von Schülerinnen und Schülern vor. Sie setzt auch Initiativen für Familien und Jugendliche.

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ildung, Familien, Jugend – das sind die Bereiche, für die Landesrätin Daniela Winkler zuständig ist. Am Beginn des Jahres präsentierte sie eine Vielzahl von Projekten. Ein bunter Blumenstrauß sozusagen für Schüler, Eltern und junge Erwachsene. Erweitert wird in diesem Sommer das Bildungsangebot für Schülerinnen und Schüler in den Ferien. In Kooperation mit der Bildungsdirektion und der Pädagogischen Hochschule Burgenland wird das Projekt „fit4future“, also „fit für die Zukunft“, ausgedehnt. Bereits 2020 hat es während der Sommerferien ein Bildungsangebot für Schülerinnen und Schüler gegeben, heuer wird das Angebot deutlich verbessert. „Es wird Lerncamps mit Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler geben, nicht nur Online-Unterricht wie bisher“, erklärte Winkler. Das Angebot richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Volksund Mittelschulen sowie der AHS-Unterstufen und betrifft die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch. Die Teilnahme ist freiwillig und unabhängig von der schulischen Leistungsbeurteilung. „Diese Initiative ist nicht nur eine

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Unterstützung für den Bildungsfortschritt der Kinder, sie bekommen auch wieder Gelegenheit, vermehrt soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Das vermissen die Kinder seit Monaten sehr stark. Zudem ersparen sich Familien teure Nachhilfe und die Lerncamps ersetzen eine Ferienbetreuung.“ Digitalisierung

Besonderes Augenmerk legt Winkler auf die Digitalisierung. Die Erfahrungen in der Corona-Krise haben diesen Prozess beschleunigt. Sehr gute Dienste hat dabei im Schulbereich die kostenlose App „Skooly“ geliefert. „Aufgrund der positiven Erfahrungen haben wir die App für die Kindergärten adaptieren lassen und allen Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt.“ Die Kiga-App wurde im Dezember auf die Einrichtungen ausgerollt und kann neben administrativen Abläufen auch für die Essensbestellung verwendet werden. Ausgebaut wird in diesem Jahr auch die gesunde Ernährung im Bildungsbereich. Mit Ende 2021 soll das Essen in den Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen zu 50 Prozent aus biolo-

Der Landesrätin ist aber auch bewusst, welchen Herausforderungen Familien in den Lockdowns ausgesetzt sind. Dafür gibt es Hilfestellungen vom Land. „Diese umfassen unter anderem die Kinderbetreuungsförderung, das Schulstartgeld, den Kinderbonus, die Mehrlingsgeburten und das Familienauto, um nur einige zu nennen.“ Für Tipps, Auskünfte und persönliche Beratungen stehen im Burgenland zahlreiche Stellen zur Verfügung. Bei Homeschooling und Homeoffice kann es zu Überforderungen kommen. In solchen Fällen hilft ein Gespräch oder ein professioneller Rat. Winkler verweist dabei auf das umfangreiche Angebot der mehr als 60 Anlauf- und Beratungsstellen für Familien, die unter www.burgenland.at und auf www.dani ela-winkler.at abrufbar sind. Umfangreiche Infos und Tipps bietet auch das neue Magazin mit dem Titel „Burgenland Family“, das vierteljährlich erscheint und auf vielfältige Möglichkeiten für Familien hinweist. Besonders wichtig ist Landesrätin Winkler die Arbeit für Jugendliche und mit Jugendlichen. Jugendkongresse bieten Gelegenheit für persönliche Treffen der Jugendlichen mit der Landesrätin. Zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements von Jugendlichen wurde eine Offensive ins Leben gerufen. Dafür wird ein Katalog erstellt, in dem Organisationen und Vereine eine Mitarbeit anbieten. „Ich möchte junge Menschen anregen, sich in ihrer persönlichen Freizeit in dieser Form zu engagieren“, sagt die Landesrätin. n

Fotos: Land Burgenland/Stefan Wiesinger/Irina Mocnik

Hilfe für Familien


K u l tu r

„Ich habe ein heimatliches Gefühl zum Burgenland“ Der neue Generalmusikintendant Alfons Haider kennt das Burgenland von zahlreichen Auftritten als Schauspieler. VON MARGARETHA KOPEINIG

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eit Anfang 2021 ist Alfons ­Haider, international bekannter Schauspieler, Sänger, Fernsehmoderator, Kabarettist und Entertainer, Generalmusikintendant des Burgenlands. Haider verspricht, neue Wege zu gehen, mit einem neuen Programm die Menschen zu begeistern und seine Visionen umzusetzen. Alfons Haider wird die Kultur des Landes prägen. Das Burgenland bezeichnet er als „kulturelle Großmacht“.

Herr Haider, Sie wurden von Herrn Landeshauptmann Doskozil als ­„Persönlichkeit mit Strahlkraft“ ­vorgestellt. Welche Beziehung haben Sie zum Burgenland?

Ich liebe das Burgenland, ich habe hier so oft Theater gespielt, ich war mit meinen Tourneen in den Kulturzentren in Oberschützen, Mattersburg und Eisenstadt.

Alfons Haider:

Sie spielten ja auch in Mörbisch …

Ja, vor 45 Jahren. Ein Jungschauspieler ist ausgefallen und ich sprang ein. Es war eine kleine Szene: Mitten in die Ouvertüre, verfolgt von zwölf galoppierenden Pferden, bin ich in die Bühne hineingelaufen und hab’ geschrien: „Sie kommen, sie kommen!“. Und dabei bin ich nicht überrannt worden. Der Intendant kam dann zu mir und sagte: „Sie werden eine große Karriere machen.“ Ich erinnere mich heute noch an Mörbisch. Als

Hat Visionen im Kopf: Burgenlands Generalmusikintendant Alfons Haider

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K u lt u r

17-Jähriger habe ich begonnen, Mör­ bisch zu erobern. Ich liebe den Neu­ siedler See und die Menschen, die be­ geisterungsfähig sind. Das Burgenland hat ein tolles Publikum. Ich habe im­ mer ein heimatliches Gefühl zum ­Burgenland gehabt. Auftritte im Bur­ genland waren für mich immer ein Ausflug, etwas Spezielles. Jetzt sind Sie Generalintendant für die Musiktheater. „Eine sehr gute Besetzung“, „ein Mann, der mit allen reden kann und Musical beherrscht“ und einer, der auch „diplomatisch“ ist, hat Harald Serafin in einem KURIER-Talk zu Ihrer Bestellung ­gesagt. Was sind Ihre Pläne?

Der Landeshauptmann wollte jeman­ den haben, der Visionen hat. Die bringe ich mit. Das Burgenland ist eine kulturelle Großmacht. Werden Sie das Operetten-Erbe von Mörbisch fortführen oder neue Wege gehen?

Mörbisch muss jünger werden. Meine Aufgabe ist, den Zuschauerschwund zu stoppen. „Es ist nichts in Stein ge­ meißelt“, sagte der Landeshauptmann. Ich habe Stücke schon im Kopf. In die­ sem Jahr wird „West Side Story“ ge­ spielt, das ist mutig von Intendant Edelmann. Ich hoffe, dass wir diesen Wind für eine Veränderung überneh­ men können. Die Operette wird nicht eingestellt, es gibt viele operettenähnli­ che, große, klassische Musicals. Wir werden dem Publikum Neues liefern. Sie haben den kulturellen Reichtum angesprochen. Wie wollen Sie Ihre neuen Ideen an den Spielorten ­Mörbisch und im Süden auf Schloss Tabor künstlerisch, strategisch und kommunikativ umsetzen?

Strategisch nur mit den Verantwortli­ chen, den Mitarbeitern und der Bevöl­ kerung vor Ort. Die Menschen in Jen­ nersdorf müssen sich wohlfühlen. Ich werde auf Professionalität und Qualität achten. Mörbisch, Schloss Tabor, aber auch Kittsee sind harmonische Plätze mit einer Aura. Da gibt es Magie, auf 30 | Burgenland KOMPAKT

die ich setze. Das haben andere OpenAir-Festivals nicht. Ich kenne keinen Platz, der so schnell ins Herz geht wie zum Beispiel Mörbisch. Für den Platz kann der Intendant nichts. Er kann ihn aber mit hineinnehmen, Regie und Bühnenbild modernisieren. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich das Bur­ genland ein Open-Air-Festival leistet. Eine finanzielle Stütze pro Ticket ist nicht selbstverständlich. Der Politik ist es das aber wert. Kultur muss auch leistbar sein. Und die Politik weiß, dass ein Land vom Tourismus erhalten wird und vom Tourismus lebt. Aber der Tourismus weiß noch mehr, dass er nur durch die Kultur lebt. Die besten Bot­ schafter sind die Künstler eines Landes oder die, die auftreten dürfen. Wie wollen Sie den Reichtum an Kultur, Volksgruppen und Sprachen im Burgenland in Ihre Arbeit miteinbeziehen?

Ich möchte Einflüsse einfangen und Initiativen einbinden, auch die Volks­ gruppen. Es soll ja nicht nur bei zwei Festspielorten bleiben. Ich werde die Synergien nutzen. Der Jugend-Kinder­ chor in Jennersdorf ist mir sehr wich­ tig. Mit den vielen Musikschulen im Burgenland – es gibt mehr als 20.000 Musikschüler – will ich einen großen Contest organisieren. Die beiden Sie­ ger (ein Mädchen und ein Bursche) werden ein Engagement in Mörbisch und Jennersdorf bekommen. Außerdem habe ich die Vision von ei­ nem Ort im Burgenland, wo Absolven­ ten aus Regieschulen, Musikschulen oder darstellenden Schulen in Eigen­ verantwortung ihre erste gemeinsame Produktion erarbeiten und zeigen. First time, sozusagen. Das Burgenland hat den Mut, das zu machen. Ich freue mich, dass man mir das Vertrauen ­entgegenbringt – und damit auch an meine Visionen glaubt. Gibt es Auftritte von Ihnen während der Jubiläumsfeiern zu „100 Jahre Burgenland“?

Es kann sein, dass ich eine große Ver­ anstaltung moderieren werde. n

Zu Tisch

Landtagspräsidentin Verena Dunst kocht gerne traditionelle Speisen aus ihrer Heimat, dem Süd­ burgenland. Sie bevorzugt regionale Bioprodukte.

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enn man die Landtags­ präsidentin um ein Rezept bittet, schreitet sie gleich selbst zur Tat. In ihrer gemütlichen Kü­ che im Familienhaus in Moschendorf wird dann groß aufgekocht. Ihre bei­ den Töchter gehen ihr gerne zur Hand. „Jede hat andere Vorlieben, aber auf ­eines können wir uns einigen: Bohnen­ suppe, Bohnensterz und zwei Nach­ speisen, B’soffene Liesl und Apfelstru­ del“, sagt Verena Dunst und richtet den

Sterz an. Apropos Apfelstrudel: Dafür nimmt sie nur südburgenländische ­Äpfel und schneidet sie grob-würfelig. Die Rezepte für Bohnensuppe und Bohnensterz unterliegen keinen Mode­ trends. „Ich bereite sie zu, wie es schon meine Großmutter gemacht hat. Mit diesen Speisen bin ich ja groß gewor­ den“, erzählt uns die leidenschaftliche Politikerin. Einfache Gerichte sind es, die hier im Süden des Burgenlands mit den Produkten der Region gekocht werden. „Darauf lege ich Wert.“ Verena Dunst erwähnt, dass immer mehr junge Leute aufs Land ziehen. „Wieder daheim sein“, lautet eine ihrer Initia­ tiven. Die Landtagspräsidentin weiß, dass es dafür auch Arbeitsplätze braucht. Jobs entstehen, darum küm­ mert sie sich. n Margaretha Kopeinig


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bei Landtagspräsidentin Dunst Landtagspräsidentin Verena Dunst reicht Bohnensterz als ­Einlage für die Suppe

REZEPTE

Bohnensuppe (6 Portionen): 300 g Wachtelbohnen, 250 g Sauerrahm, 2 Knoblauchzehen, 2 EL Mehl, 1,5 EL Salz, Pfeffer

Fotos: Land Burgenland/Stefan Wiesinger

Bohnensterz 450 g Mehl, 370 ml Boh­ nenwasser von der Suppe, 200 g Wach­ telbohnen (gekocht, von der Suppe), 70 ml Schweineschmalz, 1 EL Salz Zubereitung 1. Für den Sterz am Vortag der Zubereitung die Bohnen in einem großen Topf mit zwei Litern Wasser auf­ gießen. Bis zum nächsten Tag einwei­ chen lassen. 2. Am nächsten Tag zuerst die Suppe zubereiten: Wasser mit Boh­ nen zum Kochen bringen, rund zwei Stunden garen. Zwischendurch immer wieder Wasser aufgießen. Zum Schluss Salz einrühren. Herdplatte ausschalten, den Topf noch zehn bis 15 Minuten ­stehen lassen. Gekochte Bohnen und Garflüssigkeit für Sterz in eine Schüssel umfüllen. 3. In Suppentopf mit verblie­ benem Sud ungeschälte Knoblauch­ zehen geben. Sauerrahm, Mehl und ein wenig Sud in einer Schale glattrühren, dann in den Topf geben und gut umrüh­ ren. Die Suppe zum Kochen bringen,

dabei rühren. Die Knoblauchzehen aus fertiger Suppe fischen. 4. Für den Sterz das Mehl in einen großen Kochtopf ­füllen und mit Salz mischen. Auf dem Herd bei hoher Temperatur zehn bis 15 Minuten lang erhitzen, dabei ständig rühren. Das Bohnenwasser in kleinen Portionen unterrühren. Anschließend gekochte Bohnen unterheben. Zuletzt Butterschmalz in einer Pfanne zerlassen und unter den Sterz rühren. Mit der Bohnensuppe servieren. Den Bohnensterz wie folgt servieren: Die Rahmbohnensuppe in tiefe Teller füllen, den Sterz auf dem Tellerrand ­verteilen. Erst beim Essen mischt jeder Sterz und Suppe selbst. Anstelle der Suppe kann man auch ein beliebiges Kompott zum Sterz servieren.

einer Rührschüssel schaumig schlagen und die Brösel vorsichtig untermengen. Die Masse in die Springform füllen und im Backrohr 20 Minuten backen. 3. Für den Uhudler-Aufguss alle Zutaten gemeinsam in einem Topf einmal aufko­ chen lassen; anschließend die Gewürze abseihen und etwas auskühlen lassen. 4. Torte aus der Springform nehmen, auskühlen lassen und in Stücke schnei­ den. Zum Schluss mit dem Uhudler-­ Aufguss übergießen und servieren.

Wir haben die Speisen gekostet. Sie schmeckten köstlich.

B’soffene Liesl (rund 4 Portionen) 0,5 l Uhudler, 2 Zimtrinden, 6 Nelken, 1/2 Zitrone, 1 EL Öl für die Form Zutaten für den Teig: 6 Eier, 6 EL Brösel, 6 EL Zucker Zubereitung 1. Für die B’soffene Liesl das Backrohr auf 200 Grad Ober-/Unter­ hitze vorheizen und eine Springform mit Öl ausstreichen. 2. Eier und Zucker in

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Ab 14 Jahren, in allen teilnehmenden burgenländischen Raiffeisenbanken, solange der Vorrat reicht.


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