curt Magazin München #81 // Lecko mio

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CURT # 81 // STADTMAGAZIN MÜNCHEN // SOMMER 2015

CURT # 81 // STADTMAGAZIN MÜNCHEN // SOMMER 2015


20. GEBURTSTAG

KINO, MOND & STERNE

03.06. – 06.09.2015 auf der Seebühne/Westpark

PREMIERE

Sa 11.07. DIE NACHT DES NOCH

UNBEKANNTEN FILMS.

So 28.06. Die Tribute von Panem -

Do 02.07. Fr 03.07. Sa 04.07. So 05.07. Mo 06.07.

Das weitere Programm für Juli, August & September bekommt ihr mit der kostenlosen Kino, Mond & Sterne App.

Das ewige Leben + Der Knochenmann

Sa 27.06. Honig im Kopf

Mi 01.07.

Mi 08.07. Selma Fr 10.07. EINE NACHT IN ÖSTERREICH.

Fr 26.06. Interstellar

Di 30.06.

KINO, MOND & STERNE ALS APP

Do 09.07. Whiplash (OmU)

Do 25.06. Still Alice

Mo 29.06.

Di 07.07. Wir sind die Neuen

Mockingjay Teil 1 Wild Tales - Jeder dreht mal durch! Reel Rock 9 (OmU) DER 20. GEBURTSTAG. 20. Mamma Mia! #Zeitgeist Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere Best Exotic Marigold Hotel 2 The F-Word 5 Zimmer Küche Sarg GEBURTSTAG

So 12.07. Traumfrauen Mo 13.07. European Outdoor Film Tour 14/15 (OmU) Di 14.07. Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit

iOS App

Mi 15.07. Monsieur Claude und seine Töchter Do 16.07. The Imitation Game Fr 17.07. EINE NACHT, EIN AUFSTAND.

Die Tribute von Panem: Catching Fire + Mockingjay Teil 1 Sa 18.07. BENEFIZ. Frau Müller muss weg! AB 19.07. WEITERE TERMINE

EINTRITT: € 6,- bzw. Double Feature € 9,- im Vorverkauf zzgl. VVK-Gebühr. EINLASS: 20.00 Uhr. Start: Im Juni 21.30 Uhr und im Juli 21.15 Uhr und im August 21.00 Uhr. Vorstellungen finden bei jedem Wetter statt. KARTEN und alle INFOS im Internet. Kino, Mond & Sterne. Die besten Nächte des Jahres.

www.kino-mond-sterne.de

Android App


Wenn man in Deutschland erstaunt, bestürzt, verärgert oder begeistert ist, ruft man: „Leck mich am Arsch!“ Der Amerikaner sagt „fuck“, wir lassen uns den Hintern küssen – jeder, wie er’s mag. In Bayern sagt man „ja leckst mi am Oarsch“ und wenn man jünger als 45 ist „lecko mio“.

TEXT: THOMAS KARPATI

In München ist diese pseudo-italienisierte Wendung ganz besonders ausgeprägt, weil man schließlich in der nördlichsten Stadt Italiens lebt und das auch allen deutlich machen muss – als wenn es nicht eh klar wäre. Ich meine, schaut euch doch mal die Gebäude an, die Plätze, das Licht, München im Sommer: Das ist Italianita pur, ich bitte euch. Jedenfalls werden bei uns dem „Lecko mio“ besonders gerne Zusätze wie „bella frutta“, „popo blanco“ oder „dello questo“ angehängt, die zwar sprachlich überhaupt keinen Sinn ergeben, aber trotzdem okay sind. Denn die Bitte, sich am Hintern lecken zu lassen, ist ohnehin bei den meisten ja auch nicht im Wortsinn gemeint. Passt also. „Lecko mio“ ist unbestritten ein Universalausruf, der immer geht und auch immer verstanden wird. Wenn einer vom Fahrrad fällt: Lecko mio, ist das glatt! Oder in Erwartung des besten Sommers eures Lebens: Lecko mio, wird das ein Sommer! Oder dann im Herbst: Lecko mio, so viel Regen in einem Sommer hatte ich noch nie! Angenommen, die Liebe eures Lebens hat euch gerade verlassen, dann wird die Reaktion von etwa 50 Prozent der Freunde, denen ihr das mitteilt, sein: Lecko mio! Wenn auf der Straße vor euch eine Frau entlanggeht und den bezauberndsten Hintern hat, den ihr je gesehen habt (das Beispiel geht natürlich auch umgekehrt, ihr müsst euch das alles korrekt durchgegendert vorstellen): Lecko mio! Wenn sich die Frau zufällig umdreht und ihr merkt, dass es ein Mann ist: Lecko mio! Toller Arsch und was für ein Schnurrbart! Wenn ihr das aus Versehen laut gesagt habt und der Typ euch blöd kommt: Lecko mio, nichts wie weg. Wenn euch ein Schimpanse in einem Cordanzug begegnet, der Zigarre raucht und auch noch Schopenhauer zitiert – in abgewandelter Form zwar, aber immerhin (vielleicht: Gehst du zum Menschen, vergiss die Peitsche nicht, oder so) –, wäre ein beherztes LECK – O – MI – O eine nachvollziehbare Antwort. Dann sollte man sich allerdings schleunigst aus dem Staub machen. Schimpansen sind nämlich nicht nur stark, sondern auch sehr schnell. Das heißt, im Grunde gibt es, wenn ihr dieses Heft druckfrisch in den Händen haltet, nur eine einzige angemessene Art, darauf zu reagieren: curt? Ja lecko mio!


04 ZUNGENSPIEL – HARD FACTS ZUR ZUNGE

62 C URT PRÄSENTIERT: FEINE KONZERTE

12 ZUFALLSGENERATOR: LECK MICH ...

64 FESTIVALS –

14 DAS TIPI-DORF IM NIRGENDWO

DER SOUNDTRACK UNSERES SOMMERS

ILLU: ANDY WEIXLER andyweixler.de Andy ist Kommunikationsdesigner, charismatischer Supertyp, seit kurzem Vater und Katzenliebhaber.

22 WISSENSWERTER ZUR FRAUENKIRCHE

74 DAS CURT-LECKO-MIO-VERLOSUNGS-PAKET

24 BILDERRÄTSEL

76 P ORTRÄT: °REDSUN FX

26 WASCHDLS GRANTNOCKERL

80 I M GESPRÄCH: CAFÉ UNTERZUCKER

aufs Papier. Uns fallen jedes Mal fast die Augen raus.

28 I M GESPRÄCH MIT GERHARD POLT

84 SCHON WIEDER EIN BILDERRÄTSEL

Abgesehen von der Illu auf dem Cover sind noch einige

32 WIE GELECKT:

86 D ER VERGLEICH: SEX

UNTERWEGS MIT DEN U-BAHN-REINIGERN

(MITTELALTER VS. ZUKUNFT)

38 EIN VIERTEL IM SOMMER

92 D IE PASSIONIERTE ZWEIFALTIGKEIT

56 EISKREATIONEN AVANTGARDE

94 IMPRESSUM

58 PORTRÄT: 1.000 DRAWINGS

96 HINTEN RAUS

Er schüttelt mit einer souveränen Leichtigkeit die geilsten Illustrationen einfach so mir nichts, dir nichts

andere Illus von ihm in dieser Ausgabe vertreten. Seit drei Ausgaben gestaltet er zusammen mit Birgit Andorf „Die passionierte Zweifaltkeit”. Siehe Seite 92. Wie geil ist das denn bitte?



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ZUN |  GE Substantiv, feminin Besonders dem Schmecken und der Hervorbringung von Lauten (beim Menschen besonders dem Sprechen) dienendes und an der Nahrungsaufnahme, am Kauen und am Schlucken beteiligtes, am Boden der Mundhöhle befindliches, oft sehr bewegliches, mit Schleimhaut bedecktes, muskulöses Organ der meisten Wirbeltiere und des Menschen. Quelle: Duden

TEXT: HEIKE FRÖHLICH, MIRJAM KARASEK ILLUS: ANDY WEIXLER


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Der l채ngste offiziell best채tigte

ZUNGENKUSS dauerte 58 Stunden, 35 Minuten und 58 Sekunden. Der Kussmarathon wurde 2013 von einem thail채ndischen Ehepaar absolviert: im Stehen und ohne Pausen.


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Die Zunge des Großen Ameisenbären misst um die 60 cm. Bei der Giraffe sind es noch stattliche 54 cm. Der Blauwal hat dagegen mit rund drei Tonnen die schwerste aller

ZUNGEN


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GESCHMACKSNicht vier, sondern fünf RICHTUNGEN

DIE LÄNGSTE ZUNGE DER WELT

nehmen wir wahr: süß, sauer, salzig, bitter und der sogenannte Fleischgeschmack „umami“ (von japanisch „umai“ für fleischig, herzhaft, wohlschmeckend).

besitzt der Kalifornier Nick Stoeberl mit 10,1 cm. Die 18-jährige US-Amerikanerin Adrianne Lewis will ihm diesen Rang mit ihren 10,16 cm jetzt streitig machen.

REKORDBREITE

8,3 cm misst die Zunge des US-Amerikaners Byron Schlenker, auf der ganze 14 Tic Tacs Platz finden.

Ein erwachsener Mensch verfügt etwa über 2.000 bis 5.000

GESCHMACKSKNOSPEN Bei einem Säugling sind es noch doppelt so viele. Zum Vergleich: Katzen haben nur etwa 400 Geschmacksknospen.

Eines der Symptome der Infektionskrankheit Scharlach ist die

HIMBEERZUNGE Die Zunge erscheint glänzend rot mit hervorstehenden Geschmacksknospen.

DAS SCHÄRFSTE GEWÜRZ der Welt ist laut Guinness-Buch der Rekorde „Blair’s 16 Million Reserve“. Es besteht aus puren Capsaicin-Kristallen und rangiert mit 16 Millionen Scoville derzeit auf der obersten Sprosse der Schärfeskala.


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Etwa 63 % aller Menschen, die sogenannten

SCHMECKER haben die Fähigkeit, Phenylthioharnstoff als bitter zu schmecken. Der Rest nimmt PTH nicht wahr.

GESCHMACKSEs gibt zirka 25 REZEPTOREN

ROLLER

Die Mehrheit der Menschen sind Nur etwa 30 % können ihre Zunge beim Herausstrecken nicht zu einer Röhre zusammenrollen.

Das schmaler werdende, auslaufende Ende eines Gletschers nennt man

GLETSCHERZUNGE

die auf Bitteres reagieren. Für den Süßgeschmack wurde bislang dagegen nur ein einziger Rezeptor nachgewiesen.

HERAUSSTRECKEN

Die Zunge ist der einzige Muskel im der nur an einem Ende befestigt ist.

KÖRPER

Das der Zunge beim Kriegstanz Haka der Maori dient dazu, den Feind einzuschüchtern. Bei den Tibetern ist es eine Art der Begrüßung.

ZUNGENABDRÜCKE sind so einmalig wie Fingerabdrücke.


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Schnecken und andere Weichtiere verwenden ihre

RASPELZUNGE (Radula) zum Zerkleinern der Nahrung.


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SCHUHZUNGE

Die sogenannte oder Schuhlasche befindet sich vorne im Schuh und ist Teil des Vorderblatts des Schuhs.


HAARZUNGE

Für das Gestalten des Logos der

ROLLING STONES

Bei der schwarzen handelt es sich um eine Krankheit, die bei 3 % der Bevölkerung zu finden ist, hauptsächlich bei Männern.

der herausgestreckten Zunge, erhielt der Zeichner und Grafikdesigner John Pasche zunächst nur 50 Pfund.

ASSELZUNGE

Im Verhältnis zur Größe ist die Zunge der stärkste Muskel im menschlichen Körper. Außerdem ist die Zunge auch der am schnellsten heilende

Die Asselart Cymothoa exigua befällt Fische und übernimmt als Parasit in deren Maul die Funktion der Zunge, nachdem diese abgestorben ist.

MUSKEL

Hunde hecheln, um über ihre Zunge

WÄRME abzuführen. Sie können sonst nur über die Pfoten schwitzen.

SEEZUNGE

(Solea solea) ist einer der begehrtesten und teuersten Speisefische.

Wenn ein Gorilla die Zunge herausstreckt, heißt das, er ist

ÄRGERLICH

Am 19. Juli 2003 wurde von einem Ärzteteam des Wiener Allgemeinen Krankenhauses weltweit zum ersten Mal eine

MENSCHLICHE ZUNGE verpflanzt.


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INTERVIEWS: HANNA KAUFHOLD // FOTOS: GUNNAR MENZEL, FRANCESCA KARMRODT

DER ZUFALLSGENERATOR Dass der Mozart ein ganz Derber war, ist ja hinreichend bekannt – nicht umsonst trägt ein Kanon von ihm den unverschämt ordinären Titel „Leck mich im Arsch”. Das Werk wurde allerdings nicht zu seinen Lebzeiten veröffentlicht und fiel nach seinem Tod einem Verlag zum Opfer. Dieser bretterte einmal quer mit der Zensurmaschine drüber und veröffentlichte es als „Lasst froh uns sein”. Lahm, oder?

... Musikwunsch à la „Haste mal was von David Guetta?“ MR. PINK, 23 // STUDENT UND DJ

Wir haben ein paar Münchner gebeten, mal so richtig Dampf abzulassen und zu sagen, wer sie mal am Arsch lecken kann. So ganz unzensiert.


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... „freie Liebe“. Wir wollen lieber wissen, woran wir sind!

... CSU. Eure Rückständigkeit geht mir auf den Sack. Geht endlich mal mit der Zeit!

... Dissertation. Die zieht sich wahrscheinlich noch bis Dezember.

AMELIE, 21 & CARMEN, 22 // STUDENTINNEN

LARS, 24 // POSTBOTE

SERGEY, 32 // LOGISTIKER

… patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes.

... FETT! Einer der ersten Ausdrücke, die ich in Bayern gelernt habe.

… Fahrradfahrverbot.

VLO, 27 // STUDENT

FRANCESCA, 20 // STUDENTIN

POTTY, 26 // STUDENT


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TEXT: CARINA NEUMANN // FOTOS: TERESA HIRTE

DAS TIPIDORF IM NIRGENDWO

Ein heißer Junitag, irgendwo im Nirgendwo. Wir sind auf der Fährte „von so ’nem abgefahrenen Tipidorf“ und auf der Suche nach „Waschtl“, dem Gründer und Häuptling dieses mundpropagierten Indianerreservats. „Einfach über die Brücke am kleinen Bächlein, da, wo das Wasserrad ist“, heißt es. Noch bevor wir besagtes Wasserrad sehen, entdecken wir zwei leicht bekleidete Männer, die sich im Bach waschen. Sie sehen wild aus. Der eine trägt Mähne, der andere Vollbart. Hier muss es sein. „Ist einer von euch Sebastian?“ „Ne, der ist auf ’ner Demo. Der kommt vielleicht so gegen sieben, acht, neun, zehn.“ Ach so. Umschauen dürfen wir uns trotzdem.


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„Reservat“ besagt der rustikale Wegweiser ins Dickicht; „Kinder haften für ihre Eltern“ warnt das handgeschriebene Eingangsschild. Wir befolgen die Hausregel, die auf vergilbtem Papier aus dem Geäst ragt, legen brav einen Stein auf den bereits stolzen Haufen und treten ein. Vor uns ragen Tipis aus ungezähmten Wiesen, ein imposanter Marterpfahl streckt sich erhaben gen Himmel und inmitten des Dorfes steht eine rostrote Kapelle aus eisernem Krimskrams. Hölzerne Talismane und Voodoopüppchen schaukeln träge im lauen Lüftchen, die Moskitos saugen uns schamlos aus und weit und breit ist keine Realität in Sicht. Nur Felder, Wälder und ein nepalesischer Gebetsschrein am Horizont. Wir befinden uns in einem Paralleluniversum und doch in Bayern. Irre! „Servus!“ Ein Mann in weißem Hemd bewegt sich in unser Radar und streckt uns die Hand entgegen: „Ich bin Sebastian!“ Also doch! „Ja, lieber Sonne als Demo, bei der Hektik in der Stadt!“ Waschtl ist braun gebrannt und hat ein schelmisches Grinsen. Er geht zum Dorfbrunnen und schöpft uns Wasser aus der agrarischen Tränke. „Beste Trinkwasserqualität.“ Wir gehen in die Bibliothek. Waschtl erzählt gern und viel. Er ist eigentlich alles mit Kunst: Kunstglaser, Künstler und irgendwie auch Architekt, denn fast alles auf dem Tipiplatz einschließlich der eisernen Dorfkapelle hat er selbst erbaut. Es begann vor 25 Jahren – mit Vollmondpartys, die sich von einem kleinen nahegelegenen Weiher immer weiter aufs freie Feld verlagerten. Frei blieb das Feld auch nach den vielen Partys noch, denn der Bauer, dem es gehörte, fand keine Verwendung dafür.


DIE KAPELLE. WASCHTL BRAUCHTE SIEBEN JAHRE, UM SIE FERTIG ZU BAUEN. SIE ENTSTAND AUS EINER „NEUROTISCHEN SCHROTTSAMMLUNG“, IN DER NUN ALLE WELTRELIGIONEN VEREINT SIND.


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WASCHTL VOR SEINEM FERIENDOMIZIL. DER SCHLÜSSEL IST FÜR „IRGENDWAS“.


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Schließlich pachtete Waschtl den Grund, der seit jeher ein Rückzugsort für naturliebende Menschen mit den verschiedensten Hintergründen war. „Welcher kleine Junge spielt nicht gern Indianer? Verdammtes Glück“, sagt er. „Wie viele wir sind?“ Achselzuckend schaut er in die Ferne. „Na ja, mit uns verhält es sich etwa so wie mit den Hühnern oder dem Bienenstock da hinten. Die kommen und gehen ja auch.“ Das Tipidorf ist mittlerweile als Spielplatz bei der Gemeinde eingetragen. „Trifft zu“, lacht Waschtl. Jeder in der Dorfgemeinde hat sein eigenes Tipi und nutzt den Platz in seiner Freizeit für „allerlei Unfug“, der im normalen Leben oder in der Stadt keinen Platz hat. „Seltene Pflanzen, Schwitzhütten, Schafe, Schweinchen – jeder schleppt hier irgendwas an.“ „Küchen entstehen einfach“, meint Waschtl, als wir die urige Außenküche bewundern, die aussieht, als wäre sie direkt dem Boden entwachsen. Wir reden gerade über Kornkreise und Ufos, als wir in einer Rauchwolke verschwinden. „Der Gärtner“ räuchert das Dorf mit einer speziellen Tannenzapfen-Holzkohle-Mischung gegen Mücken aus. Zwei Cape tragende Halbstarke, die mit ihren verspiegelten Fake-Ray-Bans nicht so ganz zum Ambiente passen wollen, starren uns unterdessen verwundert an, murmeln ein schüchternes „Hallo“ und streifen weiter neugierig durch das Reservat.

DIE BIBLIOTHEK IM HERZEN DES DORFES

„Die Touris“, sagt Waschtl beim Kaffee auf seiner Terrasse. „Von denen haben wir hier viele.“ Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass da irgendwo auf dem Feld ein Indianerdorf ist. „Mittlerweile kommen hier


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täglich Hunderte von Menschen her, um sich anzuschauen, was da so gemunkelt wird“, erklärt Waschtl. Das kann wohl ganz schön nerven. Als sich der Kaffee bemerkbar macht, geleitet uns Waschtl zum Klo, einem Märchenschloss aus Holz, das ein Künstler vor Kurzem errichtet hat – dem „olfaktorischen Inferno“, wie der Gärtner es liebevoll nennt. Er muss es wissen, denn mit der Mission, dass alles, was oben reinfällt, unten am Ende als Pflanzendünger wieder herauskommt, kultiviert er Klowürmer. „Alles echt bio“, schmunzelt Waschtl. Es riecht nach Lagerfeuer und die Dorfgemeinde lacht in der Ferne. Doch es ist spät und wir müssen gehen. Wir danken für die interessanten Geschichten und verlassen den Mikrokosmos mit vielen Eindrücken. Das Reservat spuckt uns zurück in die Realität und bereits auf der Straße erinnern nur noch die Mückenstiche daran, dass es einen solchen Ort ohne WLAN, Plastik und Zeitdruck gibt. „Dies ist ein offener, jedoch nicht öffentlicher Ort Platz Fleck“, steht am Eingang des Tipidorfes. Die beste Antwort auf die Frage nach der Adresse ist daher wohl das Symbol des Reservats.



TEXT: CHRISTIAN GRETZ // ILLU: KATHARINA KONTE (KATHARINA-KONTE.DE)

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FAKTEN RUND UM DIE MÜNCHNER FRAUENKIRCHE


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Das Münchner Wahrzeichen wurde keineswegs den Frauen im Allgemeinen, sondern „Unserer lieben Frau“ geweiht – der von den Katholiken verehrten „Mutter Gottes“. Der Frauenplatz, der die Kirche umgibt, hieß auch nicht immer so, sondern von 1340 bis 1789 „Unser Frauen Freithof“ (Friedhof), und wurde als solcher genutzt. Obwohl die Münchner dort jahrhundertelang natürlich ebenso die verstorbenen Männer bestatteten.

Erbaut wurde die Frauenkirche in 20 Jahren (1468 bis 1488). Im 15. Jahrhundert eine Rekordzeit für ein Bauwerk dieser Größenordnung. Zum Vergleich: Der Bau des Regensburger Doms dauerte über 600 Jahre.

Etwa 2.000 Bäume wurden im Dachstuhl des Gebäudes verarbeitet. Die meisten stammen aus der Gegend um Tölz und wurden auf der Isar nach München befördert. Überreste des uralten Gebälks, das nach der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg in den Trümmern gefunden wurde, findet heute als edles „Domholz“ bei Geigenbauern Verwendung.

Die Wahl des Baumeisters fiel auf Jörg von Halspach, weil die Kirche als Ziegelbau, also gemauert, und nicht als Steinmetzarbeit errichtet werden sollte. Ausschlaggebend waren die Kosten: Der Lehm kam aus dem Umland und war deshalb verhältnismäßig billig.

Der Ziegelsteinbau ist zwar eindeutig gotisch, die Kuppeln der beiden Türme, die als „welsche Hauben“ bezeichnet werden, markieren jedoch schon den Beginn der Renaissance. Sie wurden erst über drei Jahrzehnte nach Fertigstellung der Kirche aufgesetzt.

Die Frauenkirche ist 109 m lang, 40 m breit und 37 m hoch, wobei der Innenraum genau dreimal so lang wie breit ist. Er hat sich über die Jahrhunderte mehrmals entscheidend verändert. Vor allem durch eine – später wieder rückgängig gemachte – Barockisierung im 17. Jahrhundert. Der Kenotaph (ein Scheingrab) für Kaiser Ludwig den Bayern z. B. stand lange zentral im Altarraum; heute findet man ihn in der südwestlichen Ecke des Innenraums.

Fast 100 m ragen die Türme in die Höhe, sind aber nicht gleich hoch (98,57 m bzw. 98,45 m). Sie sind weithin sichtbar, da die Stadtverwaltung im Stadtzentrum innerhalb des Mittleren Rings keine Gebäude mit einer Höhe von über 100 m erlaubt. Die Türme gehen von unten nach oben von einer quadratischen in eine achteckige Form über.

Von insgesamt zehn Glocken hängen sieben im Südturm. Die „Susanna“ ist mit 8.000 kg die größte und schwerste. Die dünne „Chorherrenglocke“ wiegt dagegen nur 350 kg. Sie stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist somit älter als das Gebäude selbst.

1802 wurde das Bistum Freising aufgelöst und das Erzbistum München und Freising mit dem Sitz des Erzbischofs in München neu gegründet. Dafür musste eine repräsentative Kirche her: Auserwählt wurde die 1494 eingeweihte Pfarr- und Stiftskirche „Zu Unserer Lieben Frau“, die sich so von der Kirche zum „Dom“ (Bischofskirche) wandelte.

Unser Redakteur Christian bietet außergewöhnliche Stadtführungen an. Probiert’s aus! Anmelden unter ui-muenchen.de mit Code „ui-ui-ui curt“ und 10 % sparen! Gültig bis Okt. 2015


WADLBEISSER SCHWAMMERL

LUTSCHER

Sind es nicht jene kleinen Nettigkeiten, die sich Bayern tagtäglich an den Kopf werfen, welche den feinen, aber bedeutenden Unterschied zu jedem anderen Dialekt machen? „Lecko mio“ hat dann auf einmal nicht mehr den unliebsamen Ton, sondern ist ein süßer Ausdruck des Erstaunens. Welche netten Schimpfwörter sind hier bildlich dargestellt? Die Auflösungen sind eh klar, oder?

BAGAGE

TAGEDIEB

IDEE & FOTOS: LORRAINE HELLWIG // VIELEN DANK AN HELFER ADRIAN, MATHILDA UND SABRINA

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WASCHDLS GRANTNOCKERL

Weißwürschd, Lederhosen und

Es gibt da diese recht bekannte Nummer von Gerhard Polt. Longline. Ein Tennisfan erzählt darin von einem Match seines Sohns mit einem, wie Polt es liebevoll nennt, „Kindkollegen“. Dessen Mutter spornt diesen immer und immer wieder zu Leistungssteigerungen an, bis dem von Polt dargestellten Charakter irgendwann die Hutschnur platzt und er die gegnerische Mutter im Rahmen seiner bajuwarischen Möglichkeiten – und dieser Rahmen ist recht ausladend – beschimpft. Eine sehr heitere Episode fiktiver Satire. Fiktiv, möchte man meinen.

das beruhigende Rauschen der Isar: München ist ein Traum von einer Stadt. Aber weil München nicht München wäre ohne eine ordentliche Portion Grant, lässt curt-Redakteur Sebastian Klug (bayerisch: „Waschdl“) an dieser Stelle in jeder Ausgabe einmal so richtig den Grantler raus und zeigt auf, was schiefläuft in der Landeshaupstadt. Diesmal ist das eine Begegnung mit einer „Soccermum“ im Schwimmbad.

TEXT: SEBASTIAN KLUG ILLU: TOBIAS HAMMERBACHER

Weil jetzt kommt’s: Genau diese Mutter ist mir neulich begegnet. Im Pullacher Schwimmbad. Während sich jeder andere Schwimmer im voll belegten Becken einen Weg zu bahnen versuchte, ohne die anderen Schwimmer unnötig zu belästigen, übte die Mutter in lauter und rücksichtsarmer Manier mit ihrem ungefähr 10-jährigen Sohn Lenny (bei Bedarf darf man sich ihre Namenswahl gerne auf der Zunge zergehen lassen) leistungsorientiertes Schwimmen, besser: Sie ließ ihn üben. Mit schriller Stimme und verkniffenem Watschngesicht versuchte sie, ihrem Sohn den Spaß an der Bewegung nachhaltig zu vermiesen und durch Leistungsorientierung zu ersetzen. Als der Bub altersgemäß eine kurze Drillpause (die Unmutter musste sich am Beckenrand mit einem isotonischen Getränk erfrischen) nutzte, um die letzten Scherben des zerbrochenen Badespaßes bei einem kurzen Tauchgang am Fliesenboden des Schwimmbeckens zu suchen, begrüßte ihn seine Erzeugerin beim Auftauchen mit den Worten „Hab ich nicht gerade gesagt, du sollst unter Wasser ausatmen?“ sowie einem nachgeschobenen „Hab ich das nicht gerade gesagt, hä?“ und einem liebevollen „Luft holen über Wasser, ausatmen unter Wasser – und jetzt 50 Meter kraulen, ich will Leistung sehen!“. Während ich noch am Überlegen war, ob ich nicht die Mutter im tiefen Bereich des Beckens ein wenig tauchen sollte (was allerdings den Piktogrammen in den Duschen zufolge verboten ist), geschah Folgendes: Eine Mitschwimmerin bittet sie dezent, aufgrund des vollen Beckens doch nach Möglichkeit auf Flossen und andere Hilfsmittel zu verzichten (nebenbei bemerkt ebenso wie das Tauchen anderer Kinder im Schwimmbetrieb verboten) – woraufhin die Höllenmami diese mit einem verächtlichen Blick und der Aufforderung, „doch einfach still“ zu sein, sowie dem Zusatz „Preissnpritschn“ beehrt. Und hier liegt der entscheidende Fehler: Denn


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im Poltschen Original ist sie es, der diese Bezeichnung zusteht, sogar in der Steigerung „Hämorrhoidenpritschn“ – einem bayerischen Schimpfwort, das einen Menschen mit einem schlecht gefederten und zugigen Automobil vergleicht, das einem eben diese unschönen, vergrößerten arteriovenösen Gefäßpolster verschafft, die ringförmig unter der EnddarmSchleimhaut angelegt sind und im Normalbetrieb dem Feinverschluss des Afters dienen, bei einer Vergrößerung jedoch zu großen Schmerzen und unangenehmen Blutungen am Anus führen. Und als wäre das nicht genug, wird die Mutter in der Satire darüber hinaus noch als „bleeds Kracherl“, als „Matz, verreckte“, „Schoaßwiesn, mistige“, „Schoaßblodan“ sowie als „Brunzkachen, o’gsoachte“, die „mit der Scheißbiaschdn nausg’haut“ gehöre, bezeichnet. Titel, die zwar auch der realen Coverversion aus dem Schwimmbad zustünden, die zu benutzen sich ihrer aber nicht ziemt. Lenny hatte sich währenddessen übrigens lautlos aus dem Staub gemacht, um im Außenbecken seinen Spaß nicht nur zu suchen, sondern auch zu finden. Der Bademeister dagegen gab sich mittlerweile sichtlich Mühe, zwischen den beiden Damen zu vermitteln, die es jedoch vorzogen, im bereits vollkommen leeren Becken direkt nebeneinander zu schwimmen und sich mehrere Male beinahe berührten. Die Leistungsmami ermahnte er noch zwei Mal, die Mitschwimmerin nicht erneut mit ihren Flossen zu provozieren, was sie jedoch nicht zu hören vorgab – woraufhin er ihr die Schwimmgeräte unter lautem Protest abnahm und ihr mitteilte, sie könne sie nach Badeschluss am Eingang abholen. Und wie er dann so dastand, auf das von zwei Streithennen zerwühlte Wasser blickte und sich zur Stärkung einen Energieriegel reinpfiff, hörte man ihn murmeln. Nicht schimpfen, nur murmeln. Er blickte auf die Motzgöre im Wasser, schüttelte den Kopf, nahm einen Schluck von seiner Cola und sagte leise, aber bestimmt: „Lecko mio“. Dem Gerhard Polt hätte es gefallen.


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Lecko mio – eine schöne Verbindung von Italienisch und Bairisch. Das Italienische klingt sehr verwandt mit dem Bairischen, mehr als mit Hochdeutsch. Sicher, klar. Weil das Bairische sehr vokalreich ist und das Italienische auch.

AUF EINEN ESPRESSO BEI GERHARD POLT

Gerhard Polt, geboren 1942 und aufgewachsen in München, wohnt inzwischen am Schliersee. Einige Monate im Jahr verbringt er in Terracina, im Süden Italiens. TEXT: CLAUDIA PICHLER // ILLU: ANDY WEIXLER

Wann hast du Italienisch gelernt? So konzentriert hab ich das nie gelernt. Ich hab mir schon mal ein Buch genommen, aber im Wesentlichen über die Medien und die Leute gelernt. Durch das blanke Reden und Zuhören, durchs Lauschen. Im Italienischen gibt es eine Entsprechung für die deutsche Wendung „Vom Regen in die Traufe“. Nämlich: „Von der Pfanne auf den Grill“. „Dalla padella alla brace!“ Also von der Pfanne ins Feuer. Diese symbolischen Beschreibungen gibt’s ja in jeder Sprache. Aber was noch besonders ist bei Italienisch und Bairisch: Weil Italien so nah ist und aufgrund der Kontakte gibt es im bairischen Dialekt unglaublich viele Wörter, die aus dem Italienischen kommen. Also, ich mein jetzt bewusst Italienisch, nicht lateinische Fremdwörter oder so. Wie Stubn, das kommt von stufa, der Ofen. Oder Strizzi von strizzare, das heißt auswinden; ein Strizzi ist also ein Ausgewundener. Oder Stuzal von stuzzicadenti, der Zahnstocher; der ist auch gestutzt. Oder auch schön: etwas dachen, wenn jemand was mitgehen lässt. Und taccheggiare heißt Ladendiebstahl begehen. Auch im Kasperltheater der Kasperl Larifari. Was das genau heißt, weiß ich jetzt leider nicht. Aber fari sind auf jeden Fall die Lichter, und das kommt auch aus dem Italienischen. Wer mit solchen Wortbildungen viel gearbeitet hat, das war der Carl Orff, mit der Carmina Burana oder Astutuli, die Schlaumeier, des san die ganz Gscheidn. Der Carl Orff hat sich dessen sehr stark bedient,


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weil er auch wusste, wie stark so lautmalerische italienische Wörter, wie kokolores zum Beispiel, im Bairischen verwendet werden. Das Bairische hat ja schon eine Ähnlichkeit, weil in weiten Teilen Italiens wird auch das Zungen-R geredet, wie im Bairischen. Es gibt zwar in Italien auch Zonen, wo es das Zäpfchen-R gibt, aber das Zungen-R ist am meisten verbreitet. Und dann, wie gesagt, durch den Vokalreichtum hast du eine Ähnlichkeit mit dem Bairischen, weil die auch so offen reden. Kann man das grob datieren, wann diese Wörter ins Bairische gekommen sind? Es hat ja schon vor Mozarts Zeiten kaum einen Musiker gegeben, der nicht irgendwie mit dem Italienischen umgegangen wäre. Italienisch und Französisch waren halt die zwei Sprachen für die Künstler, auch die Maler. Die sind alle nach Italien gegangen und haben ihre Kenntnisse mitgebracht. Denk auch an die Lüftlmaler: Da sind Leute gekommen, um die Häuser anzumalen, das waren alles Italiener. Die Verbindung Italien-Bayern, die ist immer enorm stark gewesen. Auch über den Wein. Und damit auch die Begriffe. Ich glaub auch, dass das Wort Knödel oder Nocken von dem Italienischen gnocchi kommt. Und der Norddeutsche sagt auch gern notschi. Wenn du in Italien bist, was fehlt dir dann von hier? Ich vermiss ja nix, ich bin ja nicht im Gefängnis in Italien. Ich vermiss ehrlich g’sagt gar nix. Und auf was freust du dich, wenn du wieder zurückkommst? Das Einzige wär jetzt vielleicht beim Essen: Eine Geschmacksrichtung, die es in Italien nicht gibt, das ist das Süßsaure, also das Wurstsalatartige.


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Italiener würden nie Essig mit Zwiebeln in dieser Form essen. Ich glaub auch, einen Obazdn wird’s da nicht geben. Es gibt einfach so Grundgewürze. Die Italiener verwenden zum Beispiel komischerweise keinen Dill oder sehr selten. Dill ist eine Pflanze, die vom Süden kommt, aber in Italien relativ selten benutzt wird. Kümmel auch, komischerweise. Wo ist der Unterschied, wenn man in München in ein Wirtshaus geht und in Rom? Das weiß ich nicht. Weil das kommt drauf an, wo in Rom und bei uns genauso. Ob du in dem Münchner Lokal gut essen kannst oder schlecht. Danebenliegen kann man in beiden Fällen. Ja, das ist eine sehr individuelle Frage. Du kannst in Rom in eine sogenannte Falle gehen, das heißt auf Italienisch intrappolato – in die Falle gegangen. Das kann dir hier aber auch passieren. Was nach wie vor ein grundsätzlicher Unterschied ist, glaub ich, dass du bei uns da den Salat schon angerichtet bekommst, und da dorten würzt du ihn dir selber. Du bekommst Salat, Öl, Essig – alles extra. Wobei man sagen muss, in Süditalien war der Essig früher gar nicht so bekannt. Die haben alles mit Zitrone gesäuert, Salz und Zitrone. Aber nicht mit Essig. Es gibt den berühmten Essig aus Modena, wo eine Essigkultur ist, der Balsamico, der auch 30, 40, 50 Jahre alt sein kann. Und das ist ein Gewürz, das man nur tropfenweise benutzt. In Italien hat sich das Essen auch sehr verändert. Es ist erst in der Mussolini-Zeit passiert, dass die Süditaliener den Reis kennengelernt

haben. Den hat es zuvor nur im Norden gegeben. Die Italiener haben das größte Reisanbauland in Europa mit mindestens vierzig verschiedenen Reissorten. Oder Polenta, Maismehl, das ist typisch für den Norden, das hat es früher im Süden auch nicht gegeben. Das ist alles runtergebracht worden. Dafür gab es aber auch Leute, die vom Norden runtergekommen sind, um die Pontinischen Sümpfe freizulegen. Die haben noch nie in ihrem Leben eine Olive gesehen. Gibt es denn auch andersrum Begriffe im Italienischen, die aus dem Deutschen kommen? Ja, Blitz zum Beispiel. Das kommt natürlich aus dem Militärischen, von Blitzkrieg. Aber interessant ist, wenn die Italiener eine Razzia machen – also so wie wir das in Deutschland verwenden, nämlich fälschlicherweise als Polizeirazzia, wo die bei Verbrechen auf die Suche gehen. Im Italienischen ist Razzia eher ein Überfall, aber im negativen Sinn. Und zu einer Polizeiaktion, die wir als Razzia bezeichnen, sagen die Italiener Blitz. „La policia ha fatto un blitz!“ Also wenn irgendwelche mafiosen Leute verhaftet werden, dann ist das ein Blitz. Oder ein Wort, das manchmal in der Zeitung gebraucht wird, ist Leitmotiv. Es gibt schon ein paar Wörter, die aber vor allem in der Zeitungssprache verwendet werden. Oder zum Beispiel una kermesse, also eine Kirmes. Im Bairischen sagst du halt Dult. Das ist ja mal wenigstens was Positives. Schöner als Blitz. Ja. Manchmal sagen sie auch il panzer, meinen damit aber meistens Fußballspieler. Da hab ich das oft gehört: il panzer.


Gibt es in Italien eine Entsprechung zur bayerischen Volksmusik, wie sie typischerweise im Bierzelt gespielt wird? Nein, da gibt es keine Entsprechung. Inzwischen haben sie zwar so was importiert, Oktoberfest in Carrara oder so was. Aber es gibt diese Form der Biermusik nicht. Es gibt schon die sogenannte sagra, sagra di polenta oder so, wo eine bestimmte Frucht angeboten wird und dazu gibt es Essen. Und dazu gibt es eine Musik, aber das ist was ganz anderes. In Italien gibt’s so etwas wie ein Bierzelt nicht. Drum gibt es auch diese Art der Musik nicht. Dafür haben sie was, wo sie die Vorreiter waren. Das sind die Alleinunterhalter. Mit einer Rhythmusmaschine. Der drückt ein paar Knöpfe, da dröhnt ein ganzes Konzert raus, singt dazu, wenn er lustig ist, und wenn er zum Bieseln muss, drückt er ein paar Knöpfe. Da fällt es gar nicht auf, dass er kurz weg ist. Also diese Form von Alleinunterhalter ist ausgeprägt in Italien. Da ist wirklich nur dieser Kasten da. Irgendwann kommt er dann, macht ein paar blöde Sprüch’, dann gibt er die verschiedenen Instrumente ein, die dudeln dann da raus. Das ist wirklich irr! Bei Hochzeiten hab ich das oft schon gesehen. Tastierista heißt er, wir sagen Alleinunterhalter oder so, aber halt mit Maschine. Der braucht nimmer selber spielen. Der braucht nur eine Steckdose, dann macht er Stimmung. Bei Stromausfall wär die Stimmung dahin. Dann sagt er: „Ham Sie ein Notaggregat? Sonst ist’s mit der Stimmung vorbei.“


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AUF SCHICHT MIT DEN U-BAHN-REINIGERN


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EINE REPORTAGE VON LEA HERMANN // FOTOS: LORRAINE HELLWIG

Was für eine immense Arbeit es kostet, die Münchner U-Bahnhöfe sauber zu halten, ist den jährlich rund 450 Millionen Fahrgästen meist nicht bewusst. Tag und Nacht, quasi rund um die Uhr, werden U-Bahn-Stationen unter großem Einsatz von Staub und Dreck befreit. Ein Mittwochvormittag Ende Mai. Draußen ist es so gar nicht frühsommerlich, im zugigen U-Bahnhof „Münchner Freiheit“ hetzen die Menschen zwischen Bahnsteig und Ausgang hin und her. Arglos werden Taschentücher auf den Boden geworfen, leere Zigarettenschachteln oder die zerknüllte Tüte vom Bäcker liegen nicht in, sondern neben dem Abfalleimer. Seit 25 Jahren ist dies Sheriffs Revier. Der grauhaarige Mann in neongelber Weste schiebt seinen Reinigungswagen vorbei an den Passanten. Sheriff besitzt keinen Colt, wie er lachend bemerkt, dafür sind er und sein Wägelchen bestens bewaffnet für alle Eventualitäten. Und davon gibt es am U-Bahnhof „Münchner Freiheit“ viele. Gerade eben hat ein Passant seinen Kaffee vor einer Drogerie verschüttet. Die vielen Geschäfte, die es mittlerweile „unter Tage“ gibt, und deren Laufkundschaft bereiten zusätzlich Arbeit. Sprich: Es fallen noch mehr Dreck und Schmutz an. Das ist nicht nur an der Münchner Freiheit so, ganz besonders schlimm ist es auch am Hauptbahnhof. Pro Jahr sammelt das Reinigungspersonal bis zu 1.700 Tonnen Müll an den rund 100 Münchner U-Bahnhöfen ein. Tendenz: steigend. In seiner Tagschicht, die von fünf Uhr morgens bis 13.30 Uhr geht, ist Sheriff neben der Münchner Freiheit auch verantwortlich für die Haltestellen „Universität“, „Giselastraße“, „Scheidplatz“ und „Bonner Platz“. Drei- bis viermal besucht er während seiner Dienstzeiten die einzelnen Stationen. Zu tun gibt es genug. Immer im Visier haben Reinigungskräfte wie Sheriff dabei ihre drei größten Feinde: Taubenkot, Kaugummis und den Bremsstaub der


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OSMAN OGLU BYROL


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Züge, der sich überall festsetzt und einen feinen schwarzen Film hinterlässt. Wie ein Kampf gegen Windmühlen ist das. Die Kaugummis müssen per Hand entfernt werden und hinterlassen hässliche dunkle Flecken auf dem Boden. 
 Die Kaugummis sind auch Christian Straube von den Münchner Stadtwerken und dem zuständigen Objektleiter Dirk Weinstein vom Dienstleister Herrmann & Schmidt ein Dorn im Auge. „Wer einen abwechslungsreichen Job haben will, soll zu uns kommen“, lacht Weinstein, während er und Straube sich am U-Bahnhof umblicken. Dort kennen die beiden sich aus. Die „Münchner Freiheit“ ist eine von Weinsteins Lieblingsstationen. „Ein sauberer U-Bahnhof wäre langweilig. Ich brauche die Herausforderung.“ Nicht nur die blau leuchtenden Säulen und die verspiegelte Decke stellen eine solche Herausforderung dar, sondern auch die vielen Großveranstaltungen. So wie im vergangenen Jahr beim Finale der Fußballweltmeisterschaft. Zusätzliches Personal musste damals anrücken, um den Bahnhof für den nächsten Tag auf Vordermann zu bringen. Ergebnis des Großeinsatzes: Pfandflaschen im Wert von 170 Euro wurden eingesammelt.

CADIR TAYFUN

Wummernd tuckert ein weiterer Gebäudereiniger auf einer Aufsitzmaschine vorbei. Den Kaffeefleck vor der Drogerie hat er längst beseitigt. Gerade die moderneren Stationen sind schwieriger zu reinigen als die alten, die noch auf Funktionalität ausgelegt waren. Heutzutage wird mehr Wert auf Optik gelegt. „In der U-Bahn gibt es keine Fläche, die nicht mindestens einmal im Jahr gereinigt wird“, erklärt Straub, „auch die verspiegelte Decke an der Münchner Freiheit.“ Solche sogenannten Turnusreinigungen finden nachts statt, wenn kaum noch Fahrgäste unterwegs sind. Christians Straubes Steckenpferd sind aber nicht die Turnusreinigungen, sondern Kritzeleien und Graffitis. Zwei Mitarbeiter kümmern sich tagein, tagaus im gesamten U-Bahngebiet um nichts anderes, als sie zu entfernen. „Die Präsenz hält nicht länger als drei Tage. Das ist natürlich frustrierend für die Szene. Wir sind stolz, diesen Stand seit 20 Jahren halten zu können“, betont Straube. Fast so schlimm wie die Schmierereien sind Aufkleber, zum Beispiel die der Ultras, die selbst nach der Entfernung noch Spuren auf dem Edelstahl hinterlassen.


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Natürlich geht an den U-Bahnhöfen auch allerhand verloren oder wird liegen gelassen. Abgegeben werden die Fundstücke von den Gebäudereinigern am Infopoint. Darunter Alltägliches wie Schirme, aber auch Ausgefallenes wie Gebisse. „Einer meiner Mitarbeiter hat vor Jahren einen Koffer mit 85.000 Mark gefunden“, erinnert sich Weinstein. 
 Der Job hat neben den anstrengenden Arbeitsbedingungen noch weitere Schattenseiten. So wurden 2015 bereits fünf Tote auf öffentlichen Toiletten gefunden. Strapaziös ist auch das Wochenende, das eigentlich schon am Donnerstagabend beginnt. Gerade an den „Partymeilen“ wie am Hauptbahnhof oder der Fraunhoferstraße finden sich dann verstärkt – dezent ausgedrückt – „menschliche Hinterlassenschaften“ aller Art. Ein Knochenjob, der dennoch sehr begehrt ist. 
 Mittlerweile ist es Abend geworden. Der Feierabendverkehr ist bereits wieder am Abflauen, als sich Dirk Weinstein mit der Nachtschichttruppe vom Hauptbahnhof aus auf den Weg macht. Natürlich per U-Bahn. Das Reinigungsfahrzeug wird mithilfe einer Rampe in den Zug bugsiert. An diesem Abend wird an der Haltestelle „Harthof“ geputzt. Kurz nach acht ist dort nicht mehr allzu viel los. Weinsteins Zweierteam kann loslegen. Der Fahrer des Reinigungsfahrzeugs verteilt Wasser mit einer Gießkanne auf dem Boden, sein Kollege beginnt, unter den Bänken zu wischen. Der Schmutz des Tages verfärbt das Wasser dunkel. Innerhalb kürzester Zeit erfüllt ein Putzmittelgeruch die Luft, der an den heimischen WC-Reiniger erinnert. Unangenehm riecht das nicht. Noch sind Passanten unterwegs, die über die frisch geputzte Fläche tappen. Eine weitere Herausforderung für Weinsteins Männer, müssen sie doch nun auf die Fahrgäste Rücksicht nehmen. „Die Passanten nehmen nur wahr, wenn nichts gereinigt wird“, sagt Weinstein. „Der Großteil der Arbeit findet versteckt in der Nacht statt. Die Fahrgäste kriegen davon nichts mit.“ Auch der Müll, der „versehentlich“ auf die Gleise fällt, wird zu später Stunde mit dem „Schluckspecht“, einer Art Spezialstaubsauger, entfernt. Die Treppen werden mit einem Hochdruckreiniger geputzt, damit am nächsten Tag pünktlich zum Beginn des Berufsverkehrs alles wie geleckt aussieht. Fast so, hätte es dort nie ein Staubkörnchen oder einen Kaffeefleck gegeben.


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Eine kleine Liebeserkl채rung der Redaktion an ein paar Stadtviertel und deren Eigenleben im Sommer. Absolut subjektiv, in nicht chronologischer Reihenfolge und vollst채ndig schon gar nicht.


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Der Charme von Giesing offenbart sich nicht unbedingt auf den ersten Blick, doch es lohnt sich, näher hinzuschauen. Abseits der großen Verkehrsadern, die das Viertel durchschneiden (Tegernseer Landstraße, Humboldtstraße) und sich im Dauerstauzustand befinden, gibt es etliche schöne Ecken zu entdecken. Die alte Arbeitergegend hat viele, wenn auch schlichte Altbauten, herrlich grüne Koloniewohnblocks, eine extrem hohe Boazndichte und zur Isar ist es auch nicht weit.

TEXT UND FOTOS: PATRICIA BREU, PETRA KIRZENBERGER


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GRÜNSPITZ Noch bis Ende des Jahres wird der brachliegende Spitz zwischen Tegernseer Landstraße und Martin-Luther-Straße als Gemeinschaftsgarten genutzt. So stickig und vielbefahren die Straßen ringsum sind, so lebendig und entspannt ist dieses Fleckchen wildes Grün. Jeder, der mitmachen und sein eigenes Gemüse anbauen will, darf donnerstags ab 16 Uhr und samstags ab 14 Uhr vorbeikommen. Besucher können es sich auf Palettenbänken unter alten Kastanien gemütlich machen. Der Grünspitz versteht sich als Begegnungsraum für das Viertel und so finden hier auch hin und wieder Konzerte und kleine Feste statt. Grünspitz // Ecke Tegernseer Landstr. / Martin-Luther-Str. // Special: Sommerfest am 25. Juli

CARLITOS MINIBAR Charmante, gut sortierte Bar nah der Isar. Der Chef Carlito alias Caius Prien ist ein Wirt der seltenen Sorte: Er hat (sehr wahrscheinlich) ein Herz aus Gold, eine gute Portion Humor und enormes Wissen über allerhand kulturelle, politische und sportliche Ereignisse in München und andernorts. Auch als Barkeeper verhilft er seinem Berufsstand zur Ehre: Es lohnt sich so gut wie immer, seinen Empfehlungen zu folgen und die mitunter eigenwilligen Getränkekreationen zu probieren. Hier macht das Sprichwort „Wia da Herr so des G’scher“ einen positiven Sinn. Die Atmosphäre ist ungezwungen und entspannt und wenn bei Schönwetter die Tische vor der Tür nicht ausreichen, wird schon mal flugs mit einer kleinen Bank oder auch einem leeren Bierkasten samt Kissen für weitere Sitzgelegenheiten gesorgt. Carlitos Minibar // Ohlmüllerstr. 11 // täglich ab 18 Uhr

EISDIELE ARTE FREDDA Die Familie von Enzo Dalfovo betreibt die kleine Eisdiele inzwischen im vierten Jahr. Das Eis schmeckt nicht nur Bombe, es wird auch ohne Konservierungs- und Farbstoffe hergestellt. Es gibt biologische, vegane und zuckerfreie Sorten. Sogar die Eisschälchen sind aus Maismasse und lösen sich in Wasser von selbst auf. Die Sorten wechseln häufig und Enzo schreckt nicht vor abgefahrenen Sorten wie Spargel oder Joghurt-Meerrettich-Schnittlauch zurück. Aber auch die klassischen Sorten von Apfel bis Zitrone sind vertreten. Zum Eisessen gibt es innen seit Neuestem nette Tische – am schönsten ist es aber, samt Eis durchs Viertel zu schlendern. Kleine Häuschen mit grünen Gärten und die idyllische Stille scheinen wie aus der Zeit gefallen. Eisdiele Arte Fredda // Tegernseer Landstr. 38 // 11–19 Uhr


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CURT?


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KAFFEE SONNENSCHEIN An kaum einem Ort in Giesing kann man die Strahlen des namengebenden Himmelskörpers besser genießen als im Mini-Sitzgarten vorm Kaffee Sonnenschein. Doch auch bei Regenwetter wärmen das familiäre Ambiente, blendend aussehende Bedienungen und die selbst gebackenen Kuchen einem Herz und Gemüt. Die Betreiber Stefanie Buck und Sebastian Reimann (Doolee) wollen vor allem einen Ort der Begegnung für Künstler, Nachbarn und Freunde schaffen. Die Oberammergauerin und der Münchner kennen sich schon aus der Zeit vor Steffis Kunststudium in Wien. Der Traum vom eigenen Café ist ein lang geträumter – 2010 wurde er schließlich wahr. Seither kann man hier die Kunstaffinität der Chefin vor allem im Ambiente und den kreativen selbst gekochten und täglich wechselnden Gerichten genießen. „Ein absoluter Gewinn fürs Viertel!“, schwärmt eine Stammkundin. Finden wir auch! Kaffee Sonnenschein // Gietlstr. 17 Mo – Mi, Fr und So 10 – 17 Uhr, Do 18 – 22 Uhr, Sa Ruhetag


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Wer kennt sie nicht, die Leopoldstraße, die sich in 3,6 Kilometern durch Schwabing schlängelt? Nicht-Schwabinger vermeiden es aber meist, abseits der Prachtstraße zu spazieren. Zu groß ist die Angst, sich im Schwabinger Straßenwirrwarr zu verlaufen. Will man aber die wahre Perle Schwabings erleben, so lohnt sich ein Abstecher zum Nikolaiplatz.

TEXT: MARGARITA SEREDA-WILDENAUER, KATHRIN STEIN FOTOS: MARGARITA SEREDA-WILDENAUER


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Am Nikolaiplatz steht ein echter Münchner Kultbau, der 1905 errichtet wurde: die Seidlvilla. Damals ein bürgerliches Wohnhaus, ist das zum Denkmal ernannte Anwesen heute für alle da. Täglich finden kulturelle Veranstaltungen im Inneren der Villa statt. Im riesigen Garten drumherum kann man den ganzen Tag über die Sonne genießen – Bierbänke, Tische und Gartenstühle stehen bereit. Essen und Trinken mitzubringen ist natürlich erlaubt! Wer Lust auf Kaffee verspürt, kann sich in der Cafeteria der Villa seine Dosis Koffein abholen. Bei Magenknurren schafft das schnuckelige Bistro „Alles Wurscht“ direkt daneben Abhilfe: Neben Wurst in allen Variationen (darunter „die beste Currywurst südlich des Weißwurstäquators“) bereitet Besitzerin Claudia Ott höchstpersönlich auch heimische Gerichte zu. Und die Feierabendhalbe für unschlagbare 2,60 Euro gehört im hauseigenen und wohl kleinsten Biergarten Münchens auch dazu.

OCCAM DELI Im Herzen Schwabings herrlich gelegen, trifft im Occam Deli Big City Life auf Laissez-faire. Wer hätte gedacht, dass Industrial Chic so gut nach Schwabing passen würde? Das Konzept ist einfach: entweder schnell Grundnahrungsmittel einkaufen oder doch gleich länger verweilen. Man würde es ohne Probleme schaffen, dort einen ganzen Tag zu verbringen. Angefangen beim Frühstück bis zu den Drinks am Abend, dann mit wunderbarer musikalischer Untermalung. Tendenziell im höheren Preissegment angesiedelt, ist die Karte überschaubar, die Küche super lecker und der Service angenehm und entspannt! Raussetzen, zurücklehnen und Schwabing genießen! Occam Deli // Feilitzschstraße 15 (Ecke Occamstraße) // Mo–Fr, 8–1 Uhr; Sa–So 9–1 Uhr

DRUGSTORE PIZZERIA Die kleine Pizzeria von 1967 ist mittlerweile eine wahre Schwabinger Institution. Auch wenn die spärliche Einrichtung vielleicht nicht besonders einladend wirken mag, kommt man hier in den Genuss der absolut leckersten Pizza – und das bis zu später Stunde! Beim Pizzaboden scheiden sich ja bekanntlich die Geister. Hier gibt’s die perfekte Mischung aus knusprig und luftig. Beim Belag sind keine Grenzen gesetzt, es warten über 50 Variationen auf den hungrigen Magen. Zum Inventar gehört auch der Pizzabäcker, der Tag für Tag in absoluter stoischer Gelassenheit die Pizzen zubereitet. Mit einer Geste aus Nicken und Murmeln wird er deutlich machen, dass er nun bereit ist, die Bestellung entgegenzunehmen. Drugstore Pizzeria // Feilitzschstr. 12 (Ecke Siegesstraße) // Mo–So 12–1 Uhr


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TAGESCAFÉ SCHWABING Wer einen Streifzug durch Schwabing machen möchte, der darf natürlich die Hohenzollernstraße nicht außer Acht lassen. Zwischen all den Läden und Cafés hat sich ein besonders schönes Exemplar niedergelassen: das Tagescafé Schwabing. Bei einem Nachmittagscappuccino kann man hier entweder die Leute beobachten, die auf der Hohenzollernstraße flanieren, oder im Café bei einem guten Stück Kuchen, einem frisch gepressten Saft oder Paninis, Salaten und Pasta von der Tageskarte die Seele baumeln lassen. Innen findet man alles andere außer einer 08/15-Einrichtung; hier hat sich jemand Gedanken gemacht. Viel Echtholz, viel Kupfer und viel Liebe zum Detail. Tagescafé // Hohenzollernstraße 41 // täglich (außer Sonntag) bis 18.30 Uhr


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ARTS ‘N‘ BOARDS Das Arts ‘n‘ Boards versteht es bestens, Fernweh auszulösen. Als wäre man in einer Strandhütte auf Maui gelandet, fühlt man sich im Arts ‘n‘ Boards sofort im Urlaub. Und wer sich gerne die Surfer am Eisbach ansieht, der wird hier ein wahres Surfer-Eldorado erleben. Der Besitzer, Ulrich Richter, eröffnete in Frankreich einst die erste deutsche Surfschule Europas. An den Wänden hängen alte Surfbretter aus Hawaii, Südfrankreich und Kalifornien, allesamt vom Besitzer persönlich gesurft. Wer lieb fragt, der bekommt sogar eine Geschichte dazu erzählt. Außerdem können Surfer mithilfe der Tauschbörse ihre alten Bretter loswerden und sich nach neuen umsehen. Der ruhige Biergarten im Hinterhof macht die Surfer-Idylle perfekt. Wer nichts für Wasser übrig hat, der sollte sich trotzdem mal hier hereinwagen. Arts ‘n‘ Boards // Belgradstraße 9 // Mo–Mi 10–24 Uhr, Do–Sa bis 1 Uhr, So bis 16 Uhr


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Wer in der Nähe des Roecklplatzes wohnt, braucht keinen Fernseher, keinen Psychiater, keinen Berater und keinen Balkon. Im Sommer sowieso nicht. Niemand käme auf die Idee, den Sommer im Dreimühlenviertel allein daheim zu verschwenden.

TEXT: SONJA PAWLOWA FOTOS: MIRJAM KARASEK, SONJA PAWLOWA

EISCAFÉ ITALIA Den Frühstückskaffee, auch den späten, nimmt der Roeckler im „Eiscafé Italia“ ein. Zu allen Jahreszeiten, bei Wind und Wetter sitzen die Stammgäste draußen – wenn es sein muss, eingemummelt in eine Decke.

Das Eiscafé gibt es schon seit 1970 und sommers ist es schwer, einen Platz zu ergattern. Elio übernimmt die Aufgabe aber gerne und setzt sie alle zusammen an einen Tisch. Berührungsängste sind hier fehl am Platz. Der quirlige Italiener kennt einen jeden, weil er


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hier aufgewachsen ist. Und die, die er nicht kennt, lernen ihn kennen, denn keiner entkommt seinen Sprüchen. Mal sind sie frech, mal charmant, aber wortlos wird hier keiner geduldet. Das tut gut. Jeder ein Individuum, jeder wird wahrgenommen und unterhalten. Elio arbeitet hart. Ebenso sein im Vergleich eher schweigsamer Bruder Tomaso – der Ruhepol des Cafés. Doch nicht in Zauberwasser, Capuccino oder Eisbecher liegt die Anziehungskraft, sondern in der besonderen Atmosphäre. Als Gast hat man stets das Gefühl, ein Star zu sein. Die „wichtigen“ Leute der Stadt sitzen beieinander und „meinereiner“ hat das Glück, dabei sein zu dürfen. Und zwar nicht bussi-bussi-schickimickimäßig, sondern extra cool uncool. Am Roecklplatz finden im Sommer einfach alle zueinander. Eltern schicken ihre Kinder über die verkehrsberuhigte Straße auf den eingezäunten Spielplatz gegenüber, um ungestört bei Kaffee und Kuchen palavern zu können. Anhängliche Kinder werden mit Eis oder überbackenem Toast ruhiggestellt. Oder von Elio lautstark zu mehr Selbstbeschäftigung animiert. Eiscafé Italia // Ehrengutstr. 23 // tägl., außer Mo, 8–23 Uhr

FRISEURSALON LA FORBICE Hilft alles nichts, könnten sie nebenan bei Franco, dem Friseur, den Salon fegen – natürlich gegen eine kleine Entlohnung. „La Forbice“ heißt sein Salon, seit über 25 Jahren eine feste Institution am Platz. „Familiäre Atmosphäre“ verspricht Franco. Hält er auch, denn drei seiner fünf Kinder arbeiten mit im Salon. Hier wird eindeutig Mehrwert geboten. Neben „Haarschnitt statt Arschtritt“ – so der Slogan auf Francos Visitenkarte – erhält der Kunde kostenlos Schwangerschaftsberatung, der Salon bietet Partnerbörse und Wohnungsvermittlung, für Erwachsene ab 30 gibt’s Psychologie gratis. Auch Tangostunden für Anfänger sind im Laden zu haben. Erst jüngst legte Franco mit einer Kundin vier Stunden am Stück zwischen den Friseurstühlen einen Tango aufs Parkett. Tatsächlich ist „La Forbice“ ein Mikrokosmos für sich: Wer keinen neuen Haarschnitt braucht, kommt einfach kurz auf ein Pläuschchen vorbei, den Cappuccino von nebenan noch in der Hand. La Forbice // Ehrengutstr. 25

Und wenn es dunkel wird, geht’s einen Katzensprung weiter, um sich in der Taverne Yol mit türkischen Spezialitäten für die Nacht zu stärken. Wer nicht im Open-Air-Kino samt Biergarten „Zur Freiheit“ auf dem Viehhof versandelt, trifft sich zum Essen im Bavarase oder auf ein Helles im „Wohnzimmer des Viertels“, dem Valentin Stüberl. Überhaupt: Das Viertel ist winzig, die Dichte an Restaurants dagegen riesig. Das Leben findet auf der Straße statt: Stimmengewirr erfüllt die Luft, Kinder rennen barfuß umeinander, von der nahegelegenen Bahntrasse hört man die Güterzüge vorbeirattern. Die Sommernächte sind schließlich lau und lang. Besonders im Dreimühlenviertel.


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Zugegeben, Lehel ist nicht unbedingt das angesagteste und hippste Viertel Münchens. Wer hier durch die Straßen schlendert, begegnet selten skurrilen Gestalten oder erlebt absurde Momente. Es hat fast den Eindruck, als könne man von der Straße essen, so geleckt schaut alles aus. Ein paar unschlagbare Sommerspots gibt es trotzdem.

TEXT UND FOTOS: ANNIKA LIEBEKNECHT


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FRÄULEIN GRÜNEIS Wer zwischen Eisbachwelle und Chinesischem Turm nach einem gemütlichen Plätzchen und einem gesunden, leckeren Snack sucht, der ist in Fräulein Grüneis, dem Kiosk am Eisbach, genau richtig. Das ehemalige Klohäuschen – einst Schwulen- und Drogentreff – hat eine turbulente Geschichte hinter sich, um die sich so manche Mythen ranken. Im Frühjahr 2011 wurde es mit viel Liebe zum Detail zum Kiosk umgebaut. Heute erinnert nur noch der alte Schriftzug „Frauen“ an die zum Teil wenig charmante Vergangenheit als Bedürfnisanstalt. Neben Brotzeit, Kuchen und anderen feinen Schmankerln lockt vor allem die tägliche Mittagskarte die Geschäftigen im Lehel zu Fräulein Grüneis. Wer also im Sommer seine Mittagspause mit Blick auf den englischen Garten genießen will, findet hier alles, was er braucht. Die Bio-Küche hat für jeden etwas zu bieten. Von veganem Curry bis hin zu leckerem Nudelsalat oder Suppen ist alles frisch und selbst zubereitet. Fräulein Grüneis // Lerchenfeldstrasse 1a // Mo–Fr 8 Uhr bis kurz nach Dunkelheit // Sa und So 10 Uhr bis kurz nach Dunkelheit

BAYRISCHE EISMANUFAKTUR Und nach dem Mittagessen noch ein Eis! Das genießt man neuerdings am besten zwischen Paradies- und Himmelreichstraße – in der Bayerischen Eismanufaktur. Klingt erst mal paradox, doch die Namensgebung macht Sinn. Betreiber Alexander Bartl wollte den italienischen Eismachern Paroli bieten und mit der bayerischen Kunst des Eismachens überzeugen. Daher wird hier, soweit es geht, ausschließlich mit regionalen Lebensmitteln gearbeitet. Da exotische Eissorten allerdings auch gefragt sind und Mangos eher selten in Bayern wachsen, müssen einige Lebensmitteln außerhalb des bayerischen Freistaates eingekauft werden. Doch die Eismanufaktur kann nicht nur mit Eis überzeugen: Auch herzhafte Snacks, Cocktails und andere Kaltgetränke gehören zum Sortiment und lassen keine Wünsche offen. Bayerische Eismanufaktur // Oettingenstr. 42a // täglich 10–22 Uhr


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In Untersendling genießt man den Sommer meist in seinem Hinterhof. Wenn man durch die Straßen geht, hört man immer ein irgendwo schallendes Lachen, glucksende Kinder oder Nachbarschaftstratsch aus den Patios. Oder man sitzt einfach auf einer Bank vor seinem Haus und trinkt Bier. Hach, Sendling ist einfach so herrlich entspannt.

TEXT: CARINA NEUMANN, MELANIE CASTILLO FOTO: SENDLINGERBUNKER.DE


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SENDLINGER BUNKER Er stand einfach so da, 22 Meter hoch, efeubewachsen und apathisch, und wartete auf sein Schicksal: der Sendlinger Bunker. Und wie das immer so ist, wenn in München buchstäblich Waisenhäuser entstehen, zerren alle auf einmal an dem guten Kind. „Wir wollen ’nen Club“, schreien die Kids, „einen Kindergarten“ die Mütter. „Luxussanieren“, tönt es von der Baukommission herüber und „Kunstbunker“ von den Künstlern. Meistens gewinnt die Baukommission. Und dieses Mal? Die unvollendete Geschichte eines Kriegsrelikts. 2011 waren noch 16 ehemalige Luftschutzbunker in der Münchner Innenstadt verteilt. Mittlerweile ist die Zahl auf eine klägliche Handvoll gesunken. Die meisten Bunker wurden abgerissen oder luxussaniert. Platz für Kultur blieb da wenig. Auch Übergangslösungen wie der Elektroclub „Herr Hotter“ in der Hotterstraße hielten sich nicht lange. Eben auch, weil es von Anfang an Übergangslösungen waren. Das wollen die Mitglieder des Sendlinger Bunker e. V. nun ändern – denn „Lösungen“ für welches Problem eigentlich? Bunker sind schließlich vom Naturell her platzsparend gebaut. Sie befinden sich unsichtbar und versteckt unter der Erde oder sind hoch-

gewachsen wie der Sendlinger Hochbunker in der Thalkirchner Straße 158. Eines jedenfalls haben beide Varianten gemeinsam: Sie wurden einst dafür geschaffen, möglichst viele Menschen zu beherbergen. Wieso also keine Kulturschaffenden? „Auf jeden Fall sollte hier Kunst Raum finden. Ausstellungen, temporäre Studios und Ateliers wären hier gut untergebracht“, lautet einer von vielen Einträgen mit kulturellen Nutzungsideen in dem Bunkerbuch mit der Aufschrift „Was soll aus diesem Bunker werden? Ideen gesucht!“, welches das Sendlinger Kollektiv „Kunst in Sendling“ während seiner Öffnungstage Mitte Juni 2015 im Bunker für die Bürger auslegte. Denn nach seinem zweijährigen Stillstand und seiner Rolle als Quartier eines Motorradclubs, des MC Gremium, stehen die Bunkertüren nun erstmalig wieder offen. Engagierte Bewohner möchten jetzt Raum für kreative Ideen und künstlerisches Potenzial schöpfen. „Das geschichtsträchtige Denkmal bietet sich an als Ort, an dem man Geschichte erleben und Toleranz, Vielfalt und friedliches Zusammenleben für die Zukunft gestalten kann“, so die Mitglieder des Bunker e. V. Und mit dieser

Meinung sind sie nicht alleine – über 700 Besucher von Kunst in Sendling haben sich mit ihrer Unterschrift dafür stark gemacht, dass der leer stehende Bunker nicht verkauft, sondern künftig für Kunst- und Kulturveranstaltungen genutzt wird. Momentan ist der Kulturbunker noch in der Probezeit und wird wegen fehlender Heizung vorerst nur bis Oktober genutzt. Der Stadtrat tüftelt derzeit noch an einer „Lösung“. Bis dahin können wir aber ganz getrost und problemfrei noch allerlei Kunst und Kultur im Bunker erleben. Mehr Infos zum Programm, zur Mitwirkung und Unterstützung findet ihr hier: sendlingerbunker.de

BEIRUTBEIRUT & MANOUCHE Unschlagbar in Sendling in Sachen Sommerins-Herz-und Wohlbefinden-in-den-MagenZaubern ist der kleine, feine libanesische Imbiss BeirutBeirut in der Valleystraße. Authentisch und traditionell zubereitete Falafel, mmmh! Schräg gegenüber lädt der große Imbissbruder Manouche mit libanesicher Pizza auf seiner überdachter Terrasse zum Verweilen ein. Absolut symphatischer Libanon-Doppelpack mit viel Liebe zum Detail. BeirutBeirut // Valleystr. 28 // Mo–Sa 11.30–20 Uhr Manouche // Valleystr. 19 // Mo–Sa 9–22 Uhr


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Die Kunstliebhaber kommen aus der Galerie Lothringer 13, die Sonnenanbeter steigen von der Isar rauf, die Shopaholics verlassen den letzten kleinen Laden am Weißenburger Platz – denn mit der Dämmerung beginnt die Zeit der Nachtschwärmer und alle versammeln sich am Wiener Platz, dem Zentrum von Haidhausen, wo die schönsten Nächte beginnen. Wir haben uns das genauer angesehen.

TEXT: CLAUDIA PICHLER, JARA DRESSLER FOTOS: ACHIM SCHMIDT


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HOFBRÄU-BIERGARTEN Obwohl meistens voll, findet man doch immer noch ein Plätzchen (Obacht bei der Wahl der Tischnachbarn!). Der Hofbräu-Biergarten am Wiener Platz ist der perfekte Auftakt für unseren Abend. Alte Kastanienbäume, Lichterketten und gemütliche Stimmung machen den Hofbräukeller zum schönsten Biergarten der Welt! Das finden wir zumindest nach der ersten kühlen Mass. Hofbräukeller am Wiener Platz // Innere Wiener Str. 19 // täglich 10–24 Uhr

EL PERRO Y EL GRIEGO Wir verlassen den typisch bayerischen Biergarten und spazieren durch unser Viertel. Vorbei am bayerischen Japaner, einem afghanischen und vielen italienischen oder französischen Restaurants – auch kulinarisch ist Haidhausen international! Wir entscheiden uns heute für Spanisch. Im El Perro y el Griego in der Belfortstraße läuft uns allein beim Anblick der Tapas-Auslage das Wasser im Mund zusammen. Mit spanischer Tortilla, Bier, Hauswein und sympathischster Bedienung lässt sich zwischen den gekachelten Wänden in spanischem Flair die Zeit gut vergessen. El Perro y el Griego // Belfortstraße 14 // Mo–Fr 12–1 Uhr, Sa–So 16–1 Uhr

JOHANNIS CAFÉ Und wie am Ende jeder typischen Nacht in Haidhausen gibt es nur noch ein Ziel: das Johannis Café! Haben alle anderen Kneipen schon die letzte Runde eingeläutet, beginnt im Café im Schatten der Johanniskirche die Nacht – und das schon seit 1926. Die „charmante“ Einrichtung – Jukebox neben riesiger Wandtapete, kultiges Mobiliar sowie allerhand Krimskrams – ist aus den 50ern, seit Jahrzehnten unverändert und wird das wohl noch ewig bleiben. Hier vergeht kein Besuch ohne skurrile Begegnungen und kurioseste Gespräche. Aber Vorsicht: Kein Haselnussschnaps ohne die legendäre Hauspizza! Johannis Café // Johannisplatz 4 // Di–Fr 18–1 Uhr, Sa 14–1 Uhr, So 14–20 Uhr


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EISKREATIONEN AVANTGARDE

Fürst-Pückler – einst das Must-have und Omma damit der Hipsterboss. Die Eis-Fashion-Crowd isst heute Fürst-Pückler international: Schoko-Dattel, Erdbeer-Lavendel, Vanille-Tonkabohne. Was ist hot in der Summer Season 2016? Inspiriert von Delikatessen aus aller Welt haben wir ein paar Eiskreationen erdacht, mit denen ihr up to date bleibt.

TEXT: HENRIKE HEGNER // ILLU: RONIT WOLF

SCHOKO-MEERSCHWEINCHEN Putzig sind die pummeligen Viecher ja schon. Aber mit ihren Stummelfüßen und der enttäuschend geringen Lernfähigkeit sind sie als Nutztiere vollkommen ungeeignet. Das sieht man vor allem in Peru anders. 60 Mio. Mal im Jahr passiert mit ihnen Folgendes: Hammer auf den Kopf, Kräuter in den Magen und ab damit in den Backofen. Et voilà: die Spezialität „Meerschweinchen gefüllt“! Bei uns könnte sich das Meerschweinchen in der Waffel mit etwas Schoko nützlich machen. Vielleicht noch garniert mit etwas Antibiotikum. Denn die nächste Beulenoder Lungenpest wird mit dieser Delikatesse auch gerne mitgeliefert. Aber no risk, no fun! Bon Appétit!

ERDBEER-GAMMEL-HAI Ja, Island ist toll, weil alles etwas komisch ist. Denk an Björk. Auch der Grönlandhai ist komisch, der pinkelt nämlich nicht einfach ins Wasser, sondern lagert den Harnstoff erst mal in seiner Haut. Der ist für Menschen giftig. Die Isländer wollen ihn aber essen und verbuddeln den Hai deswegen in der Erde und lassen über Monate alle Giftstoffe herausgammeln. Das Ergebnis ist eine Delikatesse: ein intensives und

stechendes Aroma, das nicht annähernd mit dem Odeur einer ungeleerten Dixie-Klo-Kolonne nach drei Tagen Festival beschrieben werden kann. Liebliches Erdbeereis könnte die Gammel-HaiKomponente etwas abmildern. Und man sollte Schnaps dazu reichen – kübelweise.

VANILLE-RINDER-MUTTERKUCHEN Eine Kugel mit dieser thailändischen Spezialität ist das Passende für Gesundheitsfanatiker, schließlich steckt Plazenta voller Nährstoffe. Und wenn wir sie nicht essen – dann macht es die Kuh eben selbst oder thailändische Marktbesucher in Form einer kräftigenden Brühe. Nachgeburt rutscht allerdings nur mit Vanillecremeeis geschmeidig die Kehle herunter – die Konsistenz soll Schuhsohle verblüffend ähnlich sein. Schaut nicht so angeekelt. Plazenta macht auch noch schön. Oder wisst ihr etwa nicht, woher die Gesichtscreme Hormocenta ursprünglich ihren Namen her hat? Was gesund und schön macht, das kann doch auch im Eis nun wirklich nicht verkehrt sein. Sonst lasst euch doch mal das auf der Zunge zergehen: Blauer-Engel-Hühnerfötus, EierlikörStierhoden, Schlumpf-Urineier, WaldmeisterMaiskolben à la Maisbeulenbrand. Ich kann mir ganz genau den Ausdruck vorstellen, den ihr jetzt im Gesicht habt. Wahrscheinlich genau der meiner französischen Freunde, als ich ihnen von meiner Schwarzbrotstulle mit Schimmelkäse zum Frühstück erzählte.



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Köpfe tief gesenkt über einem kleinen Stück Papier. Umgeben von Bastelutensilien, Bleistift, Schere und Tusche. Die Atmosphäre ist tiefenentspannt, die Menschen extrem konzentriert und trotzdem wird kommuniziert: gedoodelt, wie Felix Frankenberger es nennt. Sein Projekt sind die 1000 Drawings, die es sich zum Ziel machen, Kunst und Fundraising unter einen Hut zu bringen. Herzlich eingeladen sind dazu alle, die Lust haben, den Pinsel für die gute Sache zu schwingen. Felix, der das Projekt mit einigen Helferlein von Johannesburg nach München gebracht hat, ist stolz darauf, für soziale Projekte Künstler wie Laien an einen Tisch oder wahlweise auf einen Fußboden zu bringen. Es wird gemalt, gezeichnet, fotografiert, porträtiert oder geklebt. Auf allem, mit allem, auf A5. Die dabei entstandenen Bilder können in eigens kreierte Drop-off-Boxen geworfen werden. Am Samstag, den 18. Juli, der Night of 1000 Drawings, werden diese dann im Rahmen einer kulturellen Groß-Doodle-Veranstaltung im Kreativquartier in der Dachauerstraße für je 10 Euro das Stück versilbert. Der Erlös geht an die Organisationen Refugio München, Outreach und WECF curt war bei einem der letzten Doodle-Sessions im Tante Emma Café an der Destouchesstraße dabei und hat neben einem Blick hinter die Kulissen auch ein kleines, aber hochfeines Doodle erlebt.

TEXT: TIM BRÜGMANN // FOTOS: ACHIM SCHMIDT

Felix, du bist der Gründer der 1000 Drawings. Wie kam es dazu? Ich habe in Südafrika für eine kleine Organisation gearbeitet, die in Johannesburg für Obdachlose Suppen und Unterkunft geboten hat. Es war aber mehr als eine Suppenküche, denn an jedem Mittwochabend wurde richtig Programm gemacht. Es wurden Geschichten erzählt und wir haben versucht zu helfen, wo es nur ging. Die Suppe war ein Weg, das Brot zu brechen. Als uns schließlich das Auto geklaut wurde und wir wie jede gute soziale Organisation keine Versicherung hatten, standen wir am Ende und haben uns Gedanken gemacht, wie wir uns neu organisieren können. Ausgangslage war die Idee eines Grafikers aus China, dem das alles zu administrativ war und der meinte: „Jungs, ich gehe, ich kann nur malen.“ Frei nach dem Motto, wenn du malen kannst, kann ich das auch? Ganz genau! Als wir im Endeffekt nur noch zu zweit waren, schickten wir eine kleine, aber geniale E-Mail rum, und die ging viral. Da kamen Bilder aus Australien, Amerika und Deutschland. Und so haben wir unsere Freunde involviert. Wir hatten 1.600 Bilder und es kamen über 600 Leute zu unserer ersten Ausstellung. Mit diesem Event konnten wir auch wieder ein Auto kaufen und das ganze nächste Jahr finanzieren. Bald kamen erste Anfragen aus anderen Städten und so haben wir das bereits sieben Mal in Johannesburg gemacht, aber auch in Kapstadt, Dubai, Fulda, Berlin, Amsterdam und bald auch in Miami. So wurde aus einer kleinen Idee in der Freizeit ein riesiges Monster.


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Wie macht ihr euch auf die Suche nach den Locations für eure Doodles? Verfolgt ihr einen roten Faden? In Südafrika haben wir einen Namen und können uns das aussuchen. Da sind wir vor allem in der Innenstadt unterwegs, da diese in Johannesburg mitunter sehr verpönt ist. Wir wollen zeigen, wie schön die Innenstadt ist und Leute dorthin zurückbringen. In Amsterdam und Berlin läuft das wieder umgekehrt. Da müssen wir erst mal jemanden finden, der uns überhaupt nimmt. Nach einigen Enttäuschungen haben wir eine Liste von über 40 Plätzen gemacht, die wir angesprochen haben. Cold-Calling quasi. Und es waren immer wieder Leute, die helfen wollten, aber nicht viele Möglichkeiten hatten. Es gab dutzende Stolpersteine und Leute, die uns auch einfach abzocken wollten. Trotzdem war es eine tolle Erfahrung und wir sind froh, dass wir im Kreativquartier, dem Leonrodhaus, mit offenen Armen empfangen wurden. Warum sagen die Leute letztlich Ja zu eurem Projekt? Wir hatten bis jetzt die verrücktesten Leute aus allen möglichen Richtungen wie Tattoo-Artists, Kirchengemeinden oder Meditationszentren. Ich verfolge immer das Kredo: „Why not?“ Für mich geht es um das Gemeinschaftliche, sich hinsetzen und Leute kennenlernen. Gerade in München, wo es doch sehr schwierig ist, wenn du keine Leute kennst. Wir wollen, dass die Leute ihre Netzwerke mitbringen. Bei unserem Partner Refugio geht es nicht darum, einfach das Geld über den Zaun zu werfen, sondern gemeinschaftlich zu helfen und Leute aufmerksam zu machen. Zwanglos, aber motivierend. So werden auch Leute involviert, die eigentlich keine Lust haben und die einfach anfangen zu malen. ft sind die Leute selbst verblüfft, wie gut sie sind. Jeder kann malen, jeder ist ein Künstler und jeder hat kreative Aspekte. Die Leute sollen sich mit sich selbst auseinandersetzen.

Womit wäre euch geholfen und wie können curt-Leser euch unterstützen? Natürlich hapert es wie immer am Geld. Das Event wird größer als geplant und es kommen mit Sicherheit an die 1.000 Leute. Auf freiwilliger Basis also ein extrem schwieriges Unterfangen, erst recht aus privaten Ressourcen. Allein Print und Poster kosten einiges. Viel wichtiger ist aber das Programm. Gute Musiker, die spielen wollen. Egal welcher Stil. Barleute und Supplier, die uns helfen wollen. Ideen für den Abend an sich: Entertainer, Live-Puppets, Doodle-Battles mit bekannten Künstlern. So haben uns in Südafrika schon Firmen wie Adobe bei Gewinnspielen unterstützt. Aber auch Kontakte, die uns an coole Locations bringen können, wollen wir unbedingt nutzen. Immer her damit! Jede helfende Hand ist willkommen und jede Idee hören wir uns an. Wir wollen auf keinen Fall als Partyveranstaltung verstanden werden. Wir brauchen einfach kreative Leute, die mithelfen und sich hinsetzen und malen. Wir wollen so viele Bilder wie möglich, um den größten Gewinn für alle zu erzielen. Darüber hinaus ist es mein Ziel, München ein wenig aufzuwecken und zu ärgern. Holt euch eine Decke und ein Glas Wein, fangt an zu doodlen und habt Spaß! Und genau das haben wir an diesem lauen Frühsommerabend zusammen mit Felix Frankenberger und vielen anderen auch getan. Bei kühlen Getränken und etwas Musik mit sympathischen Leuten den Geist und den Stift schweifen lassen. Auf A5 und mit einer herzlichen Einladung zur Night of 1000 Drawings.

Night of 1000 Drawings // 18. Juli // Kreativquartier München // munich.1000drawings.org 1000 BILDER * 10 EURO PRO ORIGINAL * 1 RAUSCHENDES FEST


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„KUNST UND FUNDRAISING UNTER EINEN HUT BRINGEN.” FELIX FRANKENBERGER VON 1000 DRAWINGS


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TEXTE: MIRJAM KARASEK

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ZU ALLEN KONZERTEN VERLOSEN WIR 3 X 2 KARTEN! ALLE GEWINNSPIELE FINDET IHR AUF CURT.DE/MUENCHEN

PAUL WELLER | TECHNIKUM Paul Weller, Punk, Godfather of Mod und Ikone des Britpop gibt in diesem Sommer sein einziges Deutschlandkonzert – in München. Rückt die schmalen Krawatten zurecht, packt euch ein paar delikate Gurkensandwiches ein, dazu einen Gin Tonic und „Saturns Pattern“ live! TESS PARKS & ANTON NEWCOMBE | STROM Leadsänger und Mastermind von The Brian Jonestown Massacre, Anton Newcombe, und die kanadische Sängerin Tess Parks gehen gemeinsame Wege: psychedelische Wehmut von Tess, Anton steuert den traditionellen BJM-Sound und impulsiven Psychedelic-Rock bei. Das passt wie Faust aufs Auge. MÜNCHEN HILFT NEPAL | MUFFATHALLE Spontane Hilfe für Nepal: Jesper Munk und The Whiskey Foundation verzichten auf ihre Gage, die Muffathalle stellt alle Produktionsmittel, ihr bekommt einen Konzertabend de luxe und die „Freunde Nepals e.V.“ und „Nepalhilfe Starnberg e.V.“ die gesamten Erlöse. Win-win für alle Beteiligten! OTHER LIVES | STROM Die drei Multiinstrumentalisten aus Stillwater, Oklahoma, sind mit ihrem dritten Album am Start: „Rituals“. Sie haben hart und kompromisslos daran gearbeitet, um genau den richtigen, ihren perfekten Klang zu finden. Fans können sich auf gewohnt üppigen, vielschichtigen und sehr persönlichen Indie-Folk-Rock freuen.


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BOY | TECHNIKUM Vier Jahre nach ihrem Debüt „Mutual Friends“, gibt’s endlich Nachschub von Boy. Ihr neues Album „We Were Here“ stellen die beiden Musikerinnen im Technikum vor. Und schwupps, schon waren alle Tickets weg. Wie gut, dass wir noch welche für euch in petto haben! DIE KRUPPS | KRANHALLE Hart, härter, Die Krupps: Kaum zu glauben, aber auf ihrem neuen Release „V – Metal Machine Music“ geht es noch einen Ticken heftiger zur Sache. Auch nach 20 Jahren hauen euch die Wegweiser in Sachen Industrial-Metal extrem brachiale Gitarren und härteste Sequenzer um die Ohren. RACHEL SERMANNI | MUFFATCAFÉ Die junge Singer/Songwriterin Rachel Sermanni mag es gefühlvoll und heimatverbunden. Mit gerade mal 20 Jahren veröffentlichte die Schottin ihr Debütalbum „Under Mountains“. Und sie bleibt auch auf dem Nachfolger „Tied To The Moon“ bei ihren eindrucksvollen Folk-Noir-Balladen. Musik, die berührt! TORRES | STROM Futuristische, abgedrehte Klänge plus konservative Southern-(Nashville-)Wurzeln? Das geht bei Mackenzie Scott alias Torres zusammen. Ihr zweites Album „Sprinter“ bezeichnet die 23-Jährige deshalb auch als „Space Cowboy-Record“. E-Gitarre, Verstärker und Mikro: Mehr braucht’s nicht.

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TOUR OF TOURS | AMPERE Weil’s beim ersten Mal so grandios war, gibt es eine Wiederholung: Tour of Tours, die zweite! 10 Musiker, die alle abwechselnd ihre Songs zum Besten geben und gemeinsam mit euch feiern. Diesmal mit Tim Neuhaus, Town of Saints, Jonas David, Ian Fisher & The Present und Honig. BLACK LIZARD | AMPERE Nach dem Debütalbum 2013 legt die Fuse-PsychelicRockband Black Lizard (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen japanischen Film von ’68) aus Helsinki mit ihrem neuen Tonträger „Solarize” nach und nimmt uns im Spätsommer im Ampere auf eine hypnotische, abgedrehte Reise mit. Schwiiiing! THE PHANTOM BAND | AMPERE Die schottische Indie-Folk-Artrockband, die seit ihrer Gründung 2002 häufiger ihren Namen als Slips gewechselt hat – und seit 2006 wohl mit „The Phantom Band“happy ist –, veröffentlichte mit „Fears Trending“ das zweite Album innerhalb eines Jahres. Wie gewohnt mit schönen Ecken und Kanten! FIVA | MUFFATHALLE Die symphatische Münchnerin Fiva aka Nina Sonnenberg rappt, schreibt, moderiert, betreibt zusammen mit DJ Radrum seit 2005 ihr eigenes Label und ist Meisterin der großen Kunst, die kleinen Momente zu beobachten. „Alles leuchtet”, wenn Fiva auf die Bühne geht. 13. Oktober = Pflichttermin!


FOTO: MICHAEL DENGLER

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DER SOUNDTRACK

UNSERES SOMMERS Musik gehört zum Sommer wie die Wurst auf den Grill. Dazu ein kühles Helles, gute Freunde und die Abendsonne im Rücken. Das Rezept für den perfekten Sommer! Alles zusammen könnt ihr jetzt fast jedes Wochenende erleben. Entweder ganz gechillt am Flaucher oder im großen Stil auf einem der unzähligen Festivals und Outdoor-Events der Saison. Den Soundtrack unseres Sommers findet ihr auf den folgenden Seiten. Eine Auswahl unserer Lieblingsfestivals, Bands und Aktivitäten. Und damit euch mehr Geld für Bier bleibt, nehmen wir euch für lau mit. Natürlich plus Begleitung, denn ohne auf das Leben und die Liebe anzustoßen, trinken wir nicht. Hoch die Tassen!

TEXTE: ANDREEA HULA, MELANIE CASTILLO, CARINA NEUMANN, MIRJAM KARASEK


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FOTO: SIMON KRATZMEIER

Das hat uns gerade noch gefehlt ... Nach dem Sonnenrot verabschiedet sich nun auch noch das geliebte PLUS aus dem Festivalkalender. Freising bekommt eine Westtangente und die führt direkt am Festivalgelände vorbei. Die Bauarbeiten sind bereits im Gange, die ersten Bäume wurden schon gefällt. Die gute Nachricht: Die Bagger rollen erst nach dem PLUS an. Am 31. Juli und 1. August kann also beherzt ein letztes Mal gelacht, getanzt und im Fottinger Weiher geplantscht werden. Mit Karacho und Tamtam verabschieden wir, was eine Handvoll Abiturienten vor 22 Jahren begonnen hat. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch wenn es im Moment nicht so aussieht, als würde das PLUS 2016 nochmal stattfinden: Die Festival-Wiese wird an und für sich von den Bauarbeiten nicht betroffen sein und stünde theoretisch auch im nächsten Jahr zur Verfügung. Aber ob und wenn ja was und wie – das steht aktuell noch in den Sternen. Es zählt das Jetzt. Und das heißt Vorfreude auf das sympathischste Festival der Region! Als Stammgäste werden wir dieses Jahr einmal mehr ein Paket großartiger Erinnerungen mit nach Hause nehmen. Wir sind uns sicher, dass der Name Prima Leben und Stereo noch lange leben wird.

Soundtrack: Fresh & Familiar Playlist: Talisco, Booka Shade Live, Roger & Schu, TNT (Blumentopf und Texta), Saalschutz … Spieldauer: 31.07.–01.08.2015 Preis: 34 Euro (Tagesticket) bis 61 Euro (Festival-Ticket mit Camping) zzgl. Gebühr Bandlaufrichtung: Freising, Vöttiger Weiher Booklet: Prima-leben-und-stereo.de Ticketverlosung: curt.de/muenchen


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Ja, die Welt ist wahrhaftig ein Dorf. Nirgends trifft das besser zu als auf dem Puch Open Air, das in ländlicher Idylle auf einem Hügel im Grünen stattfindet. Diesen Sommer sperrt Biobauer Lueg seine Schweinchen zum 26. Mal in Folge für ein Wochenende in den Stall, damit Musikliebhaber auf der Koppel erneut die musikalische Sau rauslassen können. Tolles Ambiente, super Line-Up!

Soundtrack: Beat auf dem Feld Playlist: Schlachthofbronx, Die goldenen Zitronen, Aloa Input, Pollyester, Trümmer ... Spieldauer: 18.07.2015 Preis: 25 Euro zzgl. Gebühr, AK 30 Euro Bandlaufrichtung: Lueg 1 in 85305 Jetzendorf Booklet: puch-openair.de Ticketverlosung: curt.de/muenchen

Oh, wir ehren den Elektrogeist und versammeln uns heuer zum siebten Mal auf dem Gelände der ehemaligen US-Kaserne in Bad Aibling, um auf dem Echelon Festival mit gepflegtem Minimal und Techno durchzudrehen: Outdoor bei der Main-, Weird- und Katerstage und indoor in der Fliegerhalle mit „Electronic Motion” – audiovisuelle Klangwelten aus Salzburg. Tickets gewinnen!

Soundtrack: Weird & Electronic Playlist: Fritz Kalkbrenner, Klangkarussel, Bakermat, Sascha Braemer, Karotte, Monkey Safari, Westbam … Spieldauer: 21.–22.08.2015 Preis: ca. 35 Euro–100 Euro Bandlaufrichtung: Bad Aibling Booklet: echelon-openair.de

Ticketverlosung: curt.de/muenchen


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Seit der Gründung des Vereins Void e.V. 2012 wird in D.I.Y.Manier immer darauf geachtet, familiär zu bleiben und ambitionierte Musikmenschen zusammenzubringen. Neben fair gehandelten, selbstgemachten Siebdruck-Shirts und Merch bekommt jede Band ihr eigenes handgezeichnetes Plakat. Das Festival wird von Vereinsmitgliedern in ihrer Freizeit organisiert und umgesetzt. Top!

Soundtrack: Wuid im Void Playlist: Rosetta, Pastor, Kasan, Phantom Winter, The Picturebooks, Hemelbestormer ... Spieldauer: 31.07.–01.08.2015 Preis: Leider schon ausverkauft, aber wir haben noch 1x2 Freikarten! Bandlaufrichtung: Buchberg bei Wettzell, 93444 Bad Kötzting Booklet: voidfest.de

Dass der Sommer hierzulande auf zwei Tage fällt ist ja an sich nichts Ungewöhnliches. Umso besser, wenn diese zwei Tage dann so bunt, laut und schön sind! Füllt sich der Dachauer Rathausplatz mit feuchtfröhlichen Tönen und Herden musikhungriger Menschen, heißt es: Dachauer Musiksommer!

Soundtrack: Heartbeats & Punk Playlist: José Gonzáles, Jupiter Jones, Luxuslärm, Sinkane Spieldauer: 03.–04.07.2015 Preis: je Konzertabend ca. 30 Euro zzgl. Gebühr Bandlaufrichtung: Rathausplatz in Dachau Booklet: bit.ly/Dachauer-Musiksommer

Ticketverlosung: curt.de/muenchen

Wir verlosen Karten für José González am 4. Juli!

Ticketverlosung: curt.de/muenchen


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Zugegeben, von München aus nicht unbedingt der allernächste Weg, aber soviel ist sicher: Die Reise lohnt sich! Eine Woche auf der Insel der Freiheit, 50 Bühnen mit 200 Programmpunkten täglich. Was damals als Studentenfest mit 9.000 Besuchern startete, geht als Festival-Gigant heuer in die 23. Runde – noch besser, noch bunter, noch verrückter als erwartet. Geschwört!

Soundtrack: Multikulti Playlist: Interpol, Florence and the Machine, Cro, Alt-J, Future Islands, Foals, Kings Of Leon ... Spieldauer: 10.–17.08.2015 Preis: ca. 55 Euro (Tagesticket), ca. 253 Euro (7-Tage-Festivalpass) Bandlaufrichtung: Donauinsel Óbuda mitten in Budapest Booklet: szigetfest.de Ticketverlosung: curt.de/muenchen


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Sommer-Backstage-Spezial! Das Free & Easy-Festival geht ab dem 22. Juli wieder an der Start: 18 Tage lang Konzerte, Partys, Filme, politische Diskussionen Kleinkunst, Theater uvm. und das bei freiem Eintritt! Kreuz und quer durch den musikalischen und kulturellen Gemüsegarten findet jeder sein passendes Programm inklusive Biergarten, Sonnenterrasse mit lecker Cocktails und Essen.

Soundtrack: Legalize & Friendship Playlist: Truckfighters, Sepultura, Wanda, Biohazard, Dog Eat Dog, Russkaja, Macka B., Triska, Tuxedo ... Spieldauer: 22.7.–8.8.2015 Preis: Eintritt frei Bandlaufrichtung: Reitknechtstraße 6 // S-Bahn: Hirschgarten Booklet: backstage.eu

Seit 15 Jahren kommt die Umweltorganisation Green City e.V. gemeinsam mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt der Vision eines nachhaltigen Münchens beim Streetlife Festival immer ein Stückchen näher. Für ein Wochenende stehen Mensch und Umwelt im Mittelpunkt, die Straße wird mit Musik, Sport und Kultur zum Lebensraum für Groß und Klein. Mehr davon!

Soundtrack: München ist bunt Playlist: tba Spieldauer: 12.–13.09.2015 Preis: Eintritt frei Bandlaufrichtung: Ludwigund Leopoldstraße (Odeonsplatz bis Georgenstraße) Booklet: streetlife-festival.de


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FOTO: DDBPHOTOGRAPHY – ION

Whips, ausgefallene Backflip-Combos oder Underflips go Elektro! Für drei Tage verwandelt sich die 10.000 Einwohner starke Stadt Geisenfeld bei Ingolstadt zur Actionsport- und Elektrometropole: Tagsüber legen die Freestyle-Motocross-Fahrer, Wakeboarder und Stand-Up-Paddling-Athleten in Sachen Adrenalin vor, abends drehen dann nationale und internationale Größen der Techno- und House-Szene an den Reglern. Headliner des Eröffnungsabends ist Minimal-Techno-Exportschlager Dominic Eulberg, am zweiten Tag gibt's das EuropaDebüt von Victor Ruiz & Any Mello, die in ihrer Heimat Brasilien schon lang zu den größten Namen der elektronischen Musik zählen. Die Besucher sind eingeladen, alle Sportarten vor Ort selber auszuprobieren und auch für die Jüngsten ist was beim Fun-Sport dabei: Am letzten Tag können 16 angehende SUP-Sportler ab 12.30 Uhr beim kostenlosen Kids-Race gegeneinander antreten! Darüber hinaus gibt es Fotoworkshops im Bereich Action- und Sporfotografie. Wir verlosen 1 Weekend-Pass für 2 Leute!

Soundtrack: Sports & Beats Playlist: Dominik Eulberg, Victor Ruiz & Any Mello, Julien Bracht, Acoma ... Spieldauer: 17.–19.07.2015 Preis: 12,50–25 Euro (Single-Tagesticket), 35–45 Euro für einen Familienpass (Eltern mit eigenen Kindern), 49 Euro (Wochenendpass) Bandlaufrichtung: Geisenfeld (bei Ingolstadt) Booklet: speedpilots.com Ticketverlosung: curt.de/muenchen


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DORIS UHLICH MORE THAN NAKED FOTO: ANDREA SALZMANN

It’s all about dance! Zum 25. Mal wird dieses Jahr die TANZWERKTSTATT EUROPA (TWE) mit Workshops, Performances und einem Symposium zum place to be der zeitgenössischen Tanzszene in München. Amateur trifft auf Profi: Renommierte internationale Choreografen und Performer stellen vom 29. Juli bis 8. August im Muffatwerk ihre aktuellen Arbeiten vor – gleichzeitig werden tagsüber hochkarätig besetzte Workshops im Bereich Contempory Dance, Choreographic Labs und Bodyart angeboten. Neben der Eröffnungshow am 29. Juli „As It Empties Out” der schwedischen Choreografin Jefta von Dither, die auch schon mit Röyksopp ein Video gedreht hat, legen wir euch die Performance „more than naked” der österreichischen Choreografin Doris Uhlich am 31. Juli in der Muffathalle ans Herz. 20 Nackerte wackeln, wabern, schnalzen, schieben, schlängeln und schwabbeln ihr Fleisch zu Dancefloor-Hits und barocken Klängen. Lecko mio! Nackheit frei von Ideologien und Provokation auf der Bühne. Mehr Infos, Anmeldeformulare für die Workshops und eine Übersicht vom kompletten Performance-Programm findet ihr auf jointadventures.net

Soundtrack: Dance, Performance, Art Spieldauer: 29.07.–08.08.2015 Preis: Kurs- und Performance-Preise siehe TWE-Programm auf jointadventure.net. Für Studenten werden spezielle Gruppenrabatte angeboten! Bandlaufrichtung: Muffatwerk, Tanztendenz, Turnhalle Städtische Berufsschule München Mitte Booklet: jointadventures.net Ticketverlosung: curt.de/muenchen


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Das Viehhof-Open-Air-Kino mit Biergarten auf dem Gelände der ehemaligen Großviehhalle feiert heuer Jubiläum! Dort, wo Initiator Hartmut Senkel vor fünf Jahren erstmals den Projektor angeschmissen hat, ist noch bis zum 16. August großes Kino unter herrlich weitem Himmel angesagt. Über 50 Filmvorführungen, diesmal erstmals auch im Original mit Untertiteln. Wo früher noch die Pferde verkauft wurden, tobt heute zwischen Großleinwand, Zirkuszelt, Fotoinstallationen, Mini-Fußballplatz, Hüpfburg und Plantschbecken unter Palmen das urbane Leben: entspannt und herrlich unprätentiös. „Des ko ma ned erklären, des ko ma nur spüren!“

Sage und schreibe 20 Jahre hat das urigste Open-Air-Kino im Westpark auf dem Buckel und gehört damit zum Urgestein des Münchner Kultursommers. Das KMS-Team hat mal wieder eine fein ausgewogene Mischung aus Mainstream, Geheimtipps, Komödien, Mädchenschnulzen und kleinen Filmkunstperlen zusammengestellt – Picknick, Schlemmereien und die einzigartige Kulisse der Seebühne im Westpark inklusive. So schön! Wir verlosen noch bis zum Ende der Saison am 6. September einmal die Woche 1 x 2 Freikarten auf facebook.com/muenchen

OPEN-AIR-KINO IM VIEHHOF // Bis 16. August // Mo–Do 18–1 Uhr, Fr 16–1 Uhr, Sa–So 14–1 Uhr // Tumblingerstr. 29 // viehhof-kino.de

KINO, MOND & STERNE // Bis 6. September // Seebühne im Westpark // kino-mond-sterne.de


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EN WILL HAB

Wir haben da mal was vorbereitet und schenken euch ein Paket voller netter Sachen für den Sommer. Weil wir's können.

LECKO-MIO-GEWINNSPIEL: Tutto haben wollen? Einfach E-Mail an ichwillgewinnen@curt.de mit Betreff curt-Lecko-mio-Sommer-Paket plus Postanschrift und einem netten Satz an die Glücksfee – und schon seid ihr im Lostopf dabei!

WILD WEATHER LONG ANORAK Dieser kuschelige Softshellparka hat ein flauschiges Fleece-Innenleben, ist windundurchlässig und hat eine Wassersäule von 8.000. Bäm!

Die Gewinner werden Anfang August gezogen! Toi toi toi!

139,95 Euro shop.blutsgeschwister.de

SWOX SONNENCREME Sonne und Wellen waren die Inspirationsquellen für die Jungs von SWOX, die auf einem Buddy-Trip durch Australien auf die Idee kamen, eine hochwertige und wirklich funktionale Sonnencreme für Surfer auf den Markt zu bringen. Die Creme wird in der Schweiz hergestellt, hat Faktor 30 und ist besonders wasserfest. Paraben- und mineralölfrei sowie dermatologisch getestet.

EASTPAK RUCKSACK – HAMMERHEAD Altbewährter, alpiner Rucksack aus der Authentic Outwards-Kollektion mit weißen Baumwollborten und klassischen Lederriemen. Inkl. Fassungsvermögen für Laptops, mehreren Taschen und Fächern und Schulterriemen mit doppeltem Gurtband für ein bequemes Tragefühl.

CHERRYDOT Seit 2013 stellt Julia Deuringer individuelle KopfschmuckLieblinge, Dirndl-Fascinator, Accessories und sonstige Nettigkeiten in Handarbeit her. Im Rahmen des curtSommer-Pakets verschenkt sie ihre bedruckten, luftigen Espandrillos und romantischen Festival-Blüten-Kränze – und 100 % Liebe. Voilá!

17,90 Euro swox.com

75 Euro eastpak.com

30 Euro cherrydot.de


NACHTKONSUM

NACHT, FLOHMARKT TonHalle München

MÜNCHEN im Feierwerk am

am

12.

SEP 2015 am

4. juli

TonHalle München Ostbahnhof · Grafingerstr. 6 Kultfabrikgelände

Feierwerk . Hansastr. 39-41 . 81373 München

Hansastraße 39-41 · München

Einlass 17 Uhr · Eintritt: 3 Euro

Einlass 17 Uhr · Eintritt: 3 Euro

Standbuchung nur auf

umwerk

www.NACHTKONSUM.com

Einlass 17 Uhr · Eintritt: 3 Euro


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red sun fx

FINGERLICKIN’ GOOD SOUND BY °RED SUN FX – GUITAR EFFECTS HANDMADE WITH

IN MUNICH


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TEXT: TIM BRÜGMANN // FOTOS: LION BISCHOF

Von Aschaffenburg nach Hamburg nach München. In einer sonst für eher ruhige Töne bekannten Stadt baut Nico Hemmelmann mit Leidenschaft und von Hand Gitarren- und Basspedale für den nimmer leisen Teil der Bevölkerung. Auf einem kleinen Tisch in seiner Wohnung werden Begriffe wie Orange Juice, White Fuzz oder Big Fuzz zu einem eigenen Mikrokosmos. All das in seiner Freizeit – für den richtigen Sound. Fuzz? Distortion? Hinter diesen Namen verbergen sich die bunten Gerätschaften, die viele Konzertbesucher aus der ersten Reihe vom Bühnenboden kennen dürften und die nicht selten wie alte C64-Controller aussehen. In diesen Effektpedalen steckt seit jeher das Geheimnis von Gitarristen wie Jimi Hendrix, Josh Homme (Queens of the Stone Age) oder Matthew Belamy (Muse), die für satte und bisweilen abgefahrene Soundpaletten stehen. Eigenem Bekunden nach ist Nico selber kein Gitarrengott. Sein Projekt °red sun fx lebt vom Input seiner Zielgruppe. Hobbymusiker und aufstrebende Bands aus dem Umfeld härterer Saitenklänge sind seine Auftraggeber, für die er in kleinen Stückzahlen handgefertigte Effektgeräte anbietet. Und das mit Herz und steigendem Erfolg. Zeit für ein Porträt. Nico, warum Gitarreneffekte handmade in Munich? Zuerst einmal habe ich die typische Musiklaufbahn verfolgt. Ein bisschen Gitarre, ein bisschen Bass und ein paar Auftritte. Geworden ist aus dem Ganzen natürlich nie etwas und als es mich von Aschaffenburg für ein Studium der Medientechnik nach Hamburg verschlagen hat, hing die Gitarre

sowieso an der Wand. Seit 2006 arbeite ich als Videotechniker an den Münchner Kammerspielen und habe ich mich dann ab 2009 immer mehr mit dem technischen Aspekt von Gitarren, Effekten und Verstärkern beschäftigt. Als erstes Projekt habe ich einen eigenen Röhrenverstärker gebaut. Im Rückblick eine ziemlich krasse Aktion. Das ist viel gefährlicher als das, was ich jetzt mache. Mit wenig Wissen habe ich also an 600 Volt rumgeschraubt, was witzigerweise gut funktioniert hat. Nachdem ich immer mehr Erfahrung mit dem Bau von Effekten sammeln konnte, bekam das Kind dann einen Namen. Es gibt einen Film aus den 70ern namens „Rote Sonne“, in dem meine Wahlheimaten Hamburg und München eine Rolle spielen. In München gibt es die „Rote Sonne“ und so entstand der Name °red sun fx. Du bist nach wie vor bei den Kammerspielen tätig. Ist °red sun fx da überhaupt ein vollwertiger Job? Es hat lange gedauert, einen Fluss in das Projekt zu bekommen, so ganz ohne Werkstatt. Die Frontplatten werden beispielweise in Berlin gelasert, was es mir ermöglicht, günstig kleine Serien anzubieten. Das Schwarz-Weiß wurde mit der Zeit zum Markenzeichen. °red sun fx soll natürlich kein Verlustgeschäft werden, der große Reibach schwebt mir aber auch nicht vor. Ich finde persönliche Beratung wichtig, deshalb antworte ich auf jede E-MailAnfrage. Bei der ganzen Konkurrenz will ich mich durch die persönliche Komponente von großen Herstellern abheben. Rückgaben bedeuten


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bei so einem kleinen Projekt immer ein finanzielles Risiko, weswegen ich schon im Vorhinein viel herausfinden muss, was der Kunde haben will. Für mich ist es ein tolles Nebenprojekt, aber es gibt natürlich auch Leute, die davon leben, Effekte zu bauen. Was zeichnet deine handgemachten Effekte aus? Ich habe großen Einfluss auf die Bauteile und verbaue, anders als viele große Hersteller, sehr hochwertige Komponenten. Außerdem gibt es bei mir eine lebenslange Garantie. Weit aus dem Fenster gelehnt, ich weiß, aber bei den kleinen Stückzahlen kann und will ich diesen Service anbieten. Was inspiriert dich zu einem neuen Effekt und wie gehst du normalerweise an ein Projekt heran? Der erste Schwung war reines Experimentieren anhand von Bauplänen aus dem Netz. Alle Schaltungen waren ja schon einmal irgendwann da und von da aus kann man rumprobieren und bestimmte Bauteile tauschen. Inzwischen lasse ich mir für Sonderanfertigungen fertige Platinen kommen, modifiziere die Schaltung anhand der Kundenwünsche und biete sie dann in meinem Design, mit meinen Optimierungen an. Für Seriengeräte entwerfe ich die Platinen selbst. So gibt es beispielsweise den Moon Boost und das White Fuzz in größerer Auflage. Reparaturen und Modifikationen von anderen Pedals biete ich auch an. Zuletzt habe ich für einen Kunden ein Axis Fuzz aus den 70ern von Roger Mayer (Guitar-Tech von Jimi Hendrix) gewartet und optimiert.

Wie kam es zu Kollaborationen wie mit The Picturebooks, für die du nun eine eigene Serie im Portfolio hast? Initialzündung war das letztjährige Keep it Low Festival im Feierwerk. Dort wurde mir von Matte Vandeven (My Sleeping Karma) die Möglichkeit geboten, einen kleinen Stand mit meinen Effekten zu machen, der während des Festivals auch von Bands wie Stoned Jesus oder den Picturebooks frequentiert wurde. So kam es dann auch zu der Zusammenarbeit mit meinen Partnern von Toaster Cables. Da ging es einen großen Schritt weiter und es sind erste Projekte mit Bands zustandegekommen, wie eben das aktuellste – der Pictureboost, den es derzeit limitiert auf 25 Stück bei mir zu kaufen gibt. Dabei geht es nicht darum, Geld mit dem Namen einer Gruppe zu machen, sondern um die Handmade / DIY-Herangehensweise. Das Ganze darf nicht beliebig werden, ich will keine Massenware anbieten. Was hast du mit °red sun fx noch vor? Ich kann mir gut vorstellen, weitere Projekte mit kleinen Bands zu starten. Für große Namen habe ich keine Kapazitäten, aber mit den Leuten von Toaster Cables arbeite ich beispielsweise an einem Bass-Loop. Aus dem könnte ebenfalls eine kleine Serie werden. Und sonst, mal gucken. Momentan hat es sich gut eingespielt mit Einzelanfertigungen und ab und an Reparaturen. Von daher bin ich gut ausgelastet, freue mich aber nach wie vor über Aufträge und interessante Zusammenarbeiten. Man wird sehen.

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Sich im Sommer samt vollgestopfter Familienkarosse in den Stau Richtung Italien zu stellen, ist meist schon schlimm genug. Dem Nachwuchs zuliebe dazu noch pausenlos Kinderlieder hören zu müssen, lässt Papas Stressader pulsieren und zerrt an Mamas Nerven. Das neue Album von Café Unterzucker bietet eine hörenswerte Alternative zu nervigem Kinderpop, präsentiert sich musikalisch vielfältig und bietet Hörern jeder Altersstufe unterhaltsame Geschichten und Wortspiele. Themenmäßig geht’s querbeet durch Sommer, Sonne und Urlaub. Von „Eis am Stecken“ bis „Sonnenbrand“ wird alles humorvoll poetisch zerpflückt und mit ohrwurmträchtigen Arrangements zu kleinen musikalischen Gesamtkunstwerken zusammengezimmert, die das urlaubsreife Gemüt erhellen. curt traf das Gründungsduo Tobi Weber und Richard Oehmann zum Gespräch über Musik, den Sommer und Italien.

TEXT: PETRA KIRZENBERGER // FOTO: STEFANIE GIESDER

RICHARD OEHMANN, INTENDANT VON DOCTOR DÖBLINGERS GESCHMACKVOLLEM KASPERLTHEATER, SPRECHER, AUTOR


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Wer seid ihr’s? Wir – Tobi Weber und Richard Oehmann – kennen uns schon, seit wir 18, 19 Jahre alt waren. 2012 haben wir diese Kapelle erstmals zusammengebracht für Dr. Döblingers „Xingel-Xangel“-Kasperlmusik. Wir fanden gleich, dass die Kombi Banjo-Tuba-Schlagzeug sehr gut funktioniert. Danach wollten wir eine Platte mit bayerischen Gassenhauern machen, haben aber immer mehr eigene Lieder geschrieben. Das ging uns leichter von der Hand! Was macht ihr? Wir machen Lieder für humorbegabte Familien und Musik, die uns selbst Spaß macht. Richard schreibt die Texte, Tobi die Musik. Genregrenzen gibt es dabei nicht. Wir machen Blues, Jazz, Shanties, Bluegrass ... Bei Konzerten stellen wir immer wieder fest, dass unsere Musik mit in die Familienkultur einfließt. Oft können die Kinder alle Texte auswendig! Ein Vater sagte neulich: „Ihr habt ja keine Ahnung, wie präsent ihr bei uns seid!“ Wie macht ihr’s? Meist ist der Text zuerst da, manchmal gibt es eine Melodie-Idee. Oft spielt der Zufall eine Rolle. „Autogrill“ z. B. sollte eigentlich ein Swingoder Balkantitel werden – zu guter Letzt wurde es eine Tarantella.

TOBI WEBER, MULTI-INSTRUMENTALIST UND KOMPONIST

„Bitte, Mammi, hol mich ab!“ – ist das eine persönliche Erinnerung? Tatsächlich haben wir uns in einem Kinderzeltlager am Staffelsee kennengelernt. Dort waren wir und auch Greulix als Betreuer dabei. Ein Schnöselkind hat uns dann zu diesem Text inspiriert.


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Seid ihr italophil? TOBI: Ich war noch nie im Urlaub in Italien. Nur auf der Durchreise und einmal kurz in Rom. Im Grunde verhält sich also Tobi zu Italien wie Karl May zu den USA. RICHARD: Ich war oft in Italien und denke dabei vor allem an 50erJahre-Eisdielen-Rock-’n’-Roll à la Fred Buscaglione. Und ans Eisessen. Für unsere Lieder haben wir uns hauptsächlich das Sprachklischee zunutze gemacht. Italiener sprechen z. B. kein Ü. Aus „Felicita“ wird so „Gluckseligkeit“. Mit „Autogrill“ wollen wir italienischen Raststationen eine Hommage verpassen. Hier findet sich quasi ganz Italien in einem Lied: Mandolinenspiel, Autogrill, Oper, Poebene ... Eben diese muss man nämlich erst mal durchlitten haben! Da gibt’s nichts zu schauen, den Kindern wird’s langweilig. Und dann wird gefragt: Wann samma denn do?

Café Unterzucker – „Bitte, Mammi, Hol Mich Ab!“ (Trikont) // cafeunterzucker.de Neben den Köpfen Richard Oehmann und Tobi Weber besteht die „Rumpfband“ aus dem Schlagzeuger Greulix Schrank (Theatermusiker an der „Schauburg“, Portemanteau), der humoristischen Einzelbegabung Anton Gruber (Besserwisser Blues Band) und Micha Acher an der Tuba und Trompete (MS John Soda, Tied & Tickled Trio, Hochzeitskapelle). Musikalische Gäste auf dem neuen Album: Maria Hafner – Gesang (Zwirbeldirn, Hasemanns Töchter), Evi Keglmaier – Geige, Gesang, Tuba (Zwirbeldirn, Hochzeitskapelle), Anna Hermann – Gesang Termine in und um München 18.07. Münchner Volkstheatersommerfest // 06.09. Isarinselfest, München // 23.09. Herzkasperlzelt, Oide Wiesn, München // 24.10. Kultur-Etage, Messestadt-München // 05.12. Lustspielhaus, München


WORKSHOPS curt 83

CONtEMPORARy DANCE Ori FlOmin charlie mOrrissey BOsmat nOssan Felix ruckert milan tOmáŠik k atja Wachter

CHOREOgRAPHiC l AbS

F O t O : lu c van p ut g e s t a lt u n g : s o s e i e s . c o m

WORKSHOPS & PERFORMANCES 29. Juli – 8. AuguSt 2015 .. MuNCHEN

jOnathan BurrOWs / matteO FargiOn lisBeth gruWez / ma arten van cauWenBerghe rasmus Ölme nOÉ sOulier

bODy WORK

steFan Dreher verOnica Fischer

PERFORMANCES jeFta van Dinther „ as it empties Out” DOris uhlich „mOre than nakeD” juDith hummel „ akt tracing, rememBering, FinDing pOses FrOm venus, Olympia anD us” mette ingvartsen „69 pOsitiOns” simOne aughterlOny „supernatural” lisBeth gruWez / vOet vOlk „it’s gOing tO get WOrse anD WOrse anD WOrse, my FrienD.” jOnathan BurrOWs / matteO FargiOn „BOth sitting Duet” & „BODy nOt Fit FOr purpOse” teachers’ time mit Ori FlOmin, helena FranzÉn & charlie mOrrissey

E I N p R O J E K T VO N J O I N T A D V E N T U R E S – WA lT E R h E U N G E f ö R D E RT D U R c h D A S K U lT U R R E f E R AT D E R l A N D E S h A U p T S TA D T M ü N c h E N

SyMPOSiuM 1.+2. august 2015 DispOsitive Des kÖrpers haus Der kunst

iNFORMAtiONEN > WWW.JOiNtADvENtuRES.NEt


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Unter allen E-Mails an muenchen@curt.de mit Betreff „Bilderrätsel # 81” und den richtigen Lösungen verlosen wir Freikarten für Konzerte eurer Wahl (aus den gelisteten Präsentationen auf Seite 63). Viel Glück!

IDEE UND UMSETZUNG: NURIN KHALIL

Ja, schon wieder. Wir stehen einfach auf die Teile. Unsere Redakteurin und Nicht-Illustratorin Nurin Khalil hat sich an Ausrufen des Erstaunens als Pendant zu Lecko mio ausprobiert. Ach ja, auf Verlosungen stehen wir übrigens auch, dewegen könnt ihr bei Einsendung der richtigen Lösungen auch was gewinnen!



TEXT: SONJA PAWLOWA, HENRIKE HEGNER // ARTWORK: RONIT WOLF

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CURT HAT EINEN MÜNCHNER BLOG AUS DER ZUKUNFT ERGOOGELT.

Bloggerin sexysternchen2083 Thread hottie67_muc Post NO SEX NO LIFE Montagmorgen um 4.59 Uhr hat Siri Alarm geschlagen: Meine Sollwerte für Sex waren fast nicht mehr im messbaren Bereich. Über Tinder87.0 hat sie dann mit der Siri von hottie67_muc ein Date ausgemacht. Auf meine gute Siri ist Verlass: Er war der ideale Partner für das, was ich da im Zeitplan gelesen habe: 5.15–5.22 Uhr, Müller’sches Volksbad, Sauna 4a, Doggy-Style, kein Vorspiel. INFO: Bordelle existieren nur noch in altertümlichen Rollenspielen. Sex gibt es immer für umme, denn alle Menschen sind per iPhone6007 weltweit vernetzt. Diese Verbindung ist technisch hocheffizient organisiert. Die Siris fungieren als perfekte persönliche Assistentinnen: Sie sammeln und werten alle physischen und psychologischen Daten ihres Besitzers und der Umwelt aus. Geregelt wird so auch das Sexleben, um optimales Wohlbefinden und Gesundheit aller zu sichern.

CURT HAT EINE VERHANDLUNG ÜBER DIE MINNE IM MITTELALTERLICHEN MÜNCHEN AUSGEGRABEN. Klägerin Mechthild vom Rosental zu München Angeklagter Eberhard, Messner zu St. Peter, ihr Mann In Sachen KEIN SEX, KEIN LEBEN An einem Sonnabend war es. Der Baaderlehrling hat zum Baden geläutet. Wir haben uns alle wie immer daheim schon ausgezogen. Die Mechthild war die erste, die nackert rüber ist ins Badehaus, gleich als der Baader ins Horn gestoßen hat zum Zeichen, dass das Bad gerichtet ist. Die Mechthild hat sich einen Maibuhl suchen wollen. Das hat sie laut verkündet, nachdem sie mit den Pfennigweibern in der Frauenstraße geredet hat. INFO: Die Bordelle, so bezeichnet, weil sie am Stadtrand bei der Stadtmauer lagen, wurden durch Beamte verwaltet, denn sie waren Eigentum und Einnahmequelle der Stadt. Die Puffstandorte trugen oft klingende Namen wie Frauengasse (Nürnberg, Frankfurt), Frauenfleck (Wien), Rosengasse (Berlin), Rosental (München, Leipzig, Frankfurt) oder auch Herrengasse und Hurengasse. Mancherorts verzichtete man eher auf ein Rathaus als auf ein Frauenhaus.

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INFO: Rezepte für Liebestränke gibt es zuhauf. Nicht immer ist die Wirkung so lange anhaltend wie im Falle von Tristan und Isolde. Aber gegen schlaffe Männer soll allerlei helfen. Selleriesaft mit Honig wird empfohlen. „Schmier dem zagel damit und die hoden, so machst du als wohl, das ir kein andrer für dich liebt.“ Petersilie, Waldmeister, Gewürznelken, Muskatnuss, Kardamon und Ingwer sollen auch anregen.

Angefangen mit dem Lottern hat die Mechthild wegen dem Herrn Thannhäuser mit seinem Venusberg. Seine Lieder hat die Mechthild gehört und natürlich, wie alle jungen Frauen, geschwelgt und gelechzt. Die Frauenzimmer waren toll vor Geifer, allesamt. Die Männer haben ihnen Keuschheitsgürtel angelegt und sie ins Haus gesperrt und gezüchtigt. Bloß der Eberhard, der hat den Schwanz eingezogen. Womöglich hat sie ihn verhext.

INFO: Religiös-sexuelle Bräuche waren auch oft als leichte Schläge mit „Lebensruten“ wie Ästen, Zweigen und Stöcken, die klar als Penissymbole zu verstehen sind, auszuführen und dienten der Fruchtbarkeit. In der Oberpfalz hieß das „kindeln“ oder „fitzeln“ und wurde weit über das Mittelalter hinaus praktiziert, obwohl es sich um vorchristliche Traditionen handelte.

Die Mechthild hat keinen Pfingstbrauch ausgelassen. Sie ist vors Stadttor gegangen, nach Giesing rauf. Da umarmen sich Mann und Frau ganz ohne Kleidung und rollen den Berg runter, damit sie den Acker segnen zwecks der Fruchtbarkeit und sich selber auch. Hernach ist die Mechthild sogar noch die halberte Isar nunter, weil es in Harlaching den Brauch gibt, dass sich die Verlobten entgegengehen. Die Braut aus Harlaching, der Hochzeiter aus Sendling. Bis sie sich zufällig treffen unterwegs. Und wurscht wo, reißen sie sich die Kleider vom Leib und dann swiven sie (to swive = vögeln). Das besänftigt die Götter und die Liebsten auch. Nur, dass die Mechthild und ihr Maibuhl gar nicht verlobt waren.

INFO: Es gibt so viele Rentner wie noch nie und die wollen ihren Lebensabend nicht mehr mit Rosenzucht oder Bustouren an der Mosel ausklingen lassen. Sie wollen Sex wie in der Jugend. Dürfen sie auch. Kein Problem! Rentnersex ist nicht mehr bäh und die Pharmaindustrie hat längst erkannt, wie lukrativ potenzsteigernde Mittel sind. Und die verhalten sich zu Viagra wie ein Backpacking-Trip durch Kolumbien zu einer Bustour an der Mosel.

Ich hatte gestern die ganze Nacht Sex mit einem sehr attraktiven 80-Jährigen, heute schon wieder und etwas Krasses entdeckt: Monogamie. Mit ein und derselben Person Sex zu haben. Und nie eine andere – auch nicht mal kurz zwischendurch. Und auch nicht, wenn der mal unterwegs ist. Stellt auch das mal vor! Siri muss mir mal ein Briefing darüber geben. Das wäre vielleicht eine Alternative zu diesen Mischungen aus Polygamie, Sologamie, One-Night-Stands oder Gruppensexgamie.

INFO: Kirche, Religion, Traditionen? Diese Begriffe muss Siri für ihre Besitzer in FremdwörterApps suchen. Auspeitschen? Sado-Maso? Gesellschaftlich nun immer und überall akzeptiert – wie alle sexuellen Praktiken. Sie müssen nur einer Sache dienen: allen Beteiligten gut tun. Und Sex, um Nachwuchs zu zeugen, ist passé: Perfekte Babys entstehen 2115 besser im Labor als beim Sex.

Ich hab mich daneben gestellt, weil es der Treffpunkt mit StrengeSveax war. Nach den 14 Minuten Smalltalk über leichte Mondwanderungen hat sie mich dann auf dem Ledersofa am Eingang ausgepeitscht.

Ich würde nie einen Termin von Siri ignorieren. Sie hat mich in eine Bar in diesem neuen Münchner In-Viertel Wolfratshausen geleitet. Überall standen Hipster in trendy C&A-Klamotten herum. Aber ein Pärchen nicht. Ihre Kleidung lag verteilt auf dem Tresen und das Paar halb drauf.

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INFO: Das Zölibat für Priester gibt es seit 1139. Danach ging es so richtig ab mit Lüsternheit und Perversion. Durch die Ohrenbeichte samt Checkliste zum Aushorchen, dem Beichtspiegel, konnte der Pfarrer nicht nur erfahren, wer mit wem Unzucht treibt, sondern auch Einzelheiten über sexuelle Praktiken. Sieben Punkte umfasst der Beichtspiegel: Sodomie, Inzest, Vergewaltigung, Onanieren, Stalken, Pornografie, Analsex. So und so oft, heißt es in der Litanei und muss gezählt und gebeichtet werden. Dass das zu einer unglaublichen Macht der Kirche führte, liegt auf der Hand.

Am Sonntag war die Mechthild bei der Beichte. Da war sie lang im Beichtstuhl. Der Pfarrer ist ganz rot und feucht rausgekommen. Wahrscheinlich hat sie ihm von Beischlaf und Fellatio gebeichtet. Wo er sich wieder gefangen hat, der Pfarrer, hat es mit der Buße begonnen. Gegeißelt hat er sie und zur Strafe hat sie sich den Mund rot anmalen müssen. Den Rock hat er ihr über die Schulter gelegt und auf den Arsch gehaut. Die Mechthild hat keinen Mucks gemacht. Wo er fertig war, ist sie stolz zum Altar nauf und hat die Monstranz geholt. Da, hats gsagt, die Vagina dentata gib i dir. Da hat der geschaut, der Pfaffe, weil die Mechthild weiß, wie der stachelige Strahlenkranz heißt.

Die Menschen hatten 2115 gemerkt, dass YouPorn wahnsinnig Spaß, aber weder die Menschheit noch die Steuererklärung so richtig voranbringt.

Der weltberühmte Wissenschaftler James Watson dazu: „Hätte ich früher geheiratet, hätte ich die Doppelhelix nicht gefunden. Samstags hätte ich immer auf die Kinder aufpassen müssen.“

INFO: Wer nicht fickt, ist schlau! Die Menschen machten sich Erkenntnisse antiker Studien aus dem Jahr 2000 zunutze: Knapp 90 % aller College-Studenten hatten schon einmal Sex, an den Elite-Universitäten wie Princeton oder Harvard lagen diese Zahlen bei mickrigen 55 %.

Am Sonntag ist der alljährliche Brunch beim Domina e. V. Ich werde vorher noch zu H&M gehen, die haben immer ganz süße Lederpeitschen neben den Kassen. Die Sado-MasoAktionswochen bei Lidl habe ich leider verpasst und von den Auslagen dieser edlen Lack-und Ledergeschäfte am Gärtnerplatz kann ich nur träumen.

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Auch wenn nichts mehr sicher sein wird, etwas wird uns noch bleiben: Katzen und Wein. Und damit sollten wir für die Liebe der Zukunft bestens gerüstet sein!

INFO: Die Zukunft schmeißt alles durcheinander: Herkunft, Schicht, Religion, Beruf, globale Grenzen – scheiß drauf. Davon sind die Menschen befreit. Sie haben unendliche Freiheiten und Möglichkeiten und basteln sich das Leben selbst zusammen. Der Bäckersohn muss nicht mehr im Dorf bleiben, Bäcker werden, Tochter vom Nachbarn heiraten, Haus, Kind, Baum in die Welt setzen und dann beruhigt ins Grab steigen. Er kann schwul und amerikanischer Präsident werden und nach Ablauf der Amtsperiode Bäcker im Heimatdorf. Auch Beziehungen werden daher unkonstanter. Dort heißt es: zunehmende Spezialisierung! Polygame Beziehungen, in denen man ein, zwei Partner für heißen Sex, einen anderen für lauschige Restaurantbesuche und dann noch einen anderen fürs Theater hat, scheinen die angemessene Beziehungsform der Zukunft zu sein. Angesichts der immer weiter steigenden Scheidungsraten ist die Ehe, bis dass der Tod einen scheidet, eh längst angezählt. Wem das Angst macht, dem sei Woody Allens Zitat ans verunsicherte Herz gelegt: „Sagen Sie jetzt nichts gegen Masturbation. Es ist Sex mit jemanden, den ich wirklich liebe.“ INFO: Dass das Mittelalter starke Gegensätze vereinte, rührt unter anderem daher, dass sich in dem Zeitraum von 1.000 Jahren Veränderungen nicht überall gleichzeitig abspielten. Das römische Reich war zusammengebrochen und damit das Rechtssystem und die Leitkultur der Besatzer in vielen Teilen Europas. Die katholische Kirche stellte noch nicht die allein selig machende Macht in Sachen Moral und Rechtsprechung dar. In keltischen Gebieten, zu denen auch Bayern zu zählen ist, herrschten noch keltische Gesetze – zumindest bei den Bauern. Es gab noch die „Ehe auf Probe“, die bis in die heutige Zeit als „Fensterln“ bekannt ist. Ausprobiert wurde, ob der Mann nicht impotent ist oder sonst was stört. Und zwar so lange, bis das Mädel schwanger war. Dann wurde geheiratet oder abgetrieben, jedenfalls nicht die Katze im Sack gekauft. In vorrömischer Zeit wurde der Braut ein persönliches Vermögen in die Ehe mitgegeben. Sie konnte den Mann auch nach einem ganzen Jahr verlassen und das Geld wieder mitnehmen. Fortschrittlicher als heute. Kirchliche Eheschließungen gab es übrigens erst ab dem 11. Jahrhundert. Trotzdem wurde die lebenslange Ehe, bis dass der Tod sie scheidet, auch Jahrhunderte später noch nicht akzeptiert. Ein Bauer konnte seine ungewollte Frau symbolisch auf dem Viehmarkt verkaufen. „Will sie jemand? Nehmt sie mit.“

Das Urteil des Liebesgerichts Unsere Gesellschaft ist individualisiert. Die Menschen haben in Zukunft in allen Lebensbereichen die Qual der Wahl: Es gibt viel mehr Freiheiten und Möglichkeiten, das Leben zu gestalten. Urteile und Richtlinien gibt es nicht mehr in diesem Ausmaße, wie wir es heute noch kennen. Jeder kann, ach, er muss machen, was er will.

Das Urteil des Liebesgerichts Eberhard hat Schuld auf sich geladen. Denn wer keine Eifersucht spürt, der liebt nicht. Er hat seine eheliche Pflicht vernachlässigt, denn eine Frau bleibt bei einem Mann, der ein guter Liebhaber ist. Das Spiel der Liebe hat er nicht erwidert, da kann er auch von seiner Frau nicht erwarten, dass sie weiterhin mit ihm spielt.

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ILLU: PAUL GRABOWSKI // PAULGRABOWSKI.DE


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DIE PASSIONIERTE ZWEIFALTIGKEIT

Gibt so Tage, da könnte man die ganze Welt umarmen. Da werden in England Prinzessinnen geboren, am Südpol tanzen die Pinguine Sirtaki und das Kondenswasser glitzert am Masskrug. Nur ... so einer ist das heute nicht. Heut ist einer von den Tagen, an denen schmelzen die Polkappen, jemand kotzt einem nachts auf die Fußmatte, George Clooney heiratet und der verfilzte Typ vor mir in der U-Bahn stinkt wie ein Gully. An solchen Tagen will man eigentlich jedem eine reinschlagen. Quasi im Endlos-Loop. Kandidaten gäb’s ja genug ...

IDEE UMD UMSETZUNG: ANDY WEIXLER UND BIRGIT ANDORF

ZEIGE FALT-BEREITSCHAFT! FALTE DIE RECHTE SEITE SO, DASS SICH DIE PFEILSPITZEN BERÜHREN, UND DU ERFÄHRST, WAS EINEM AN MANCHEN TAGEN UNGESAGT AUF DER ZUNGE LIEGT.


LEDERHOSEN-TRÄGER, AUS DEREN MUND LEDIGLICH SÄCHSISCH QUILLT. WIE VERRÜCKT RASENDE LIEGERAD-NAZIS, DIE DEN ISAR-RADWEG IN EIN KRIEGSGEBIET VERWANDELN. MITBEWOHNER, DIE IM FRESSFLASH MEINEN PIZZA-VORRAT VERNICHTEN. SI CH WIE BLÖD VERMEHRENDE FRUCHTFLIEGEN, DIE MAN UM IHR SEXLEBEN BENEIDET. AMI-SEGWAY-GRUPPEN, DIE EINEN SCHEISSGUT GELAUNT ÜBER DEN HAUFEN FAHREN. ARMWEDELNDE KANTINENHILFEN, DEREN ACHSELSCHWEISS DIREKT IN MEINEN NACHTISCH TROPFT. WAS ICH EUCH IMMER SCHON MAL SAGEN WOLLTE ...


FOTO: SALVADORE GLASER


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CURT MEDIA GMBH GESCHÄFTSFÜHRUNG Reinhard Lamprecht. lampe@curt.de ART DIREKTION & CVD CURT MÜNCHEN Melanie Castillo. mel@curt.de SCHLUSSREDAKTION & LEKTORAT Mirjam Karasek. mirjam@curt.de LITHO & FINAL COUNTDOWN Petra Kirzenberger. petra@curt.de DRUCK Kastner & Callwey Medien GmbH

AN DIESER AUSGABE HABEN MITGEWIRKT: Mirjam Karasek, Melanie Castillo, Carina Neumann, Stefanie Giesder, Petra Kirzenberger, Patricia Breu, Thomas Karpati, Sonja Pawlowa, Christian Gretz, Achim Schmidt, Claudia Pichler, Nurin Khalil, Andy Weixler, Birgit Andorf, Heike Fröhlich (auch Lektorat), Tim Brügmann, Gunnar Menzel, Hanna Kaufhold, Lea Hermann, Margarita Sereda-Wildenauer, Annika Liebeknecht, Adrian Leeder, Lorraine Hellwig, Ronit Wolf, Henrike Hegner, Katharina Konte, Kathrin Stein, Jara Dressler, Tobias Hammerbacher, Lion Bischof, Paul Grabowski und Andreea Hula (unsere Social-Media-Uschi). curt München erscheint 4 x im Jahr in einer Auflage von 10.000 Stück und liegt kostenlos aus. Das idealistische Projekt ist der Zusammenarbeit kreativer Köpfe zu verdanken – Journalisten, Grafiker, Illustratoren, Künstler und Fotografen, die mit Herzblut ein Stadtmagazin von München für München gestalten. Danke an alle Beteiligten! DU WILLST AUCH MITMACHEN? Dann meld dich bei uns! muenchen@curt.de

AUSGABE # 82 ERSCHEINT IM HERST/WINTER 2015.

CURT MAGAZIN MÜNCHEN curt Media GmbH // Geschäftsführer: Reinhard Lamprecht (ViSdP), Gerald Gömmel Widenmayerstr. 38, 80538 München Tel.: 089 520 306 81 // Fax: 089 520 306 15 E-Mail: muenchen@curt.de

Bis dahin sind wir online auf curt.de/muenchen für euch da und lassen nichts anbrennen: Termine, Konzertreviews, Theater, Filme, Rezensionen, massenhaft Verlosungen und Pipapo

CURT MAGAZIN NÜRNBERG Chefredaktion: Reinhard Lamprecht Bogenstr. 43, 90441 Nürnberg Tel.: 0911 940 58 33 // Fax: 0911 80 15 317 E-Mail: info@curt.de

DIE CURT-DEALER DER STADT Feierwerk, Südstadt, City Kino, Café Kosmos, Bergwolf, deinkiosk am Sendlinger Tor, Trachtenvogl, Substanz, Backstage, Münchner Volkstheater, Muffatwerk, Glockenbachwerkstatt, Corleone, Valentin Stüberl, Zentraler Hochschulsport (ZHS) ...

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Ein Nachdruck der Texte oder Fotos in curt – auch im Internet – ist nur mit schriftlicher Genehmigung gestattet. Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird keine Haftung übernommen.


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