Tagung
Klimapolitik: Verantwor tung von Politik und Wir tschaft
Veranstaltet von Bundesamt f체r Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) und World Economic Forum Cologny, 18. M채rz 2005
Inhaltsverzeichnis
Bericht über die Tagung «Klimapolitik: Verantwortung von Politik und Wirtschaft» vom 18. März 2005, veranstaltet von Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) und World Economic Forum
Einführungen Philippe Roch, BUWAL, und André Schneider, World Economic Forum
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Klimapolitik: Gemeinsame Erklärung von BUWAL und World Economic Forum
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Plenum I Stand Klimapolitik, international und national Jürgen Lefevere, Europäische Kommission: Die EU-Politik zur Klimaveränderung Arthur Mohr, BUWAL: Stand der Umsetzung des CO2 -Gesetzes in der Schweiz Franziska Teuscher, Nationalrätin: Klimapolitik in der Schweiz bis und nach 2012
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Schweizer Klimapolitik nach dem Bundesratsbeschluss vom 23. März 2005
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Plenum II Erfolgsgeschichten – Thema: Reduktion der CO2 -Emissionen Holcim, Novartis, Coop, Flumroc Michael Kohn, economiesuisse: Die Sicht der Wirtschaft
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Impressum
Workshops Workshop 1: Die Zeitspanne bis 2012 Workshop 2: Die langfristige Zeitspanne nach 2012
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Podiumsdiskussion Claude Martin, WWF International Yves Christen, Nationalrat Beat Bürgenmeier, Universität Genf Philippe Roch, BUWAL David Bayne, Ciba Spezialitätenchemie AG
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Schlussfolgerungen von BUWAL und World Economic Forum
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Konzept, Textredaktion und Produktion Thomas Streiff, BHP– Brugger und Partner AG, Zürich
Tagungsprogramm
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Autor Stefan Moser
Herausgeber Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), CH-3003 Bern, www.umwelt-schweiz.ch, in Zusammenarbeit mit dem World Economic Forum, CH-1223 Cologny, www.weforum.org
Das BUWAL ist ein Amt des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) © BUWAL, Bern, 2005
Projektmanagement Ursula Finsterwald, BUWAL Sarah Saffar, World Economic Forum Design und Gestaltung Markus Galizinski und Katharina Gassmann, d signsolution, Zürich Bestellungen BUWAL, Dokumentation CH-3003 Bern Fax + 41 (0) 31 324 02 16 docu@buwal.admin.ch www.buwalshop.ch Diese Publikation ist auch auf englisch und französisch erhältlich. Bestellnummern: Deutsch: DIV-1209-D Englisch: DIV-1209-E Französisch: DIV-1209-F Fotos Copyright für alle Fotos der Tagung: teamreporters.ch Copyright für Fotos auf den Seiten 8–9: bei den jeweiligen Unternehmen
Einführungen
Für Umwelt und Innovation
Gemeinsam für die Umwelt
Das BUWAL ist Fachstelle des Bundes für Umweltfragen. Als solche ist es auch Fachstelle für Fragen des Klimas und der Klimapolitik. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben hat die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft einen hohen Stellenwert. Die Klimaänderung ist eine der grossen Herausforderungen, mit denen die Menschheit sich konfrontiert sieht. Die Erwärmung wird erhebliche Veränderungen von Menge und Verteilung der Niederschläge und von lokalen Temperaturen zur Folge haben. In der Schweiz werden sich die Flächen, die durch Rutschungen und Überschwemmungen bedroht sind, ausweiten. Erwärmung und Zunahme extremer Witterungsereignisse haben weit reichende Folgen für Gesundheit, Landwirtschaft und Tourismus. Klimapolitik ist zentraler Teil der Umweltpolitik. International stützt sie sich auf Klimakonvention und Kyoto-Protokoll, in der Schweiz auf das CO2 -Gesetz. Dieses setzt klare Ziele und nennt eine Reihe von Instrumenten, wobei die freiwilligen Massnahmen der Wirtschaft im Vordergrund stehen. Erst wenn sich zeigt, dass diese Massnahmen nicht ausreichen, hat der Bundesrat eine CO2 -Abgabe einzuführen. Klimapolitik ist aber auch Innovationspolitik. Entwicklung und Förderung klimafreundlicher Aktivitäten, Prozesse und Produkte nutzen der Wirtschaft. Sie mindern die Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern, erlauben Einsparungen bei den Betriebskosten, eröffnen neue Marktchancen und stärken langfristig die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Tagung, die World Economic Forum und BUWAL über die Klimapolitik durchgeführt haben, belegt diesen Sachverhalt. Eine intakte Umwelt ist Voraussetzung für eine prosperierende Wirtschaft. Umweltpolitik und Wirtschaft verfolgen zwar unterschiedliche Ziele, doch kann die Umweltpolitik durchaus auch wirtschaftliche Interessen abdecken. Dazu braucht es das Wahrnehmen von Verantwortung und die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Wirtschaft und Behörden. Ich danke Generaldirektor André Schneider und seinen Mitarbeitenden für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Sie soll auch in Zukunft verständnisvoll und offen, im gemeinsamen Interesse von Umwelt und Wirtschaft, fortgesetzt werden.
Das World Economic Forum leistet einen Beitrag zur Lösung der Probleme unserer Zeit. Als global tätige Plattform fördern wir die Meinungsbildung unter den Entscheidungsträgern und Meinungsbildnern aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft. Im Rahmen diverser Aktivitäten entwickeln wir zudem konkrete Lösungen. Wir vom World Economic Forum erachten die Erhaltung der Umwelt und insbesondere die Klimaänderung als ganz grosse Herausforderungen der Menschheit. Wir setzen uns deshalb ein für eine globale und kohärente Klimapolitik. Wir fördern den weltweiten Dialog zwischen Wirtschaft und Politik zum Thema Klimapolitik. Zentrales Instrument der Klimapolitik ist das Kyoto-Protokoll. Mit der Davos Climate Alliance und mit dem Greenhouse Gas Register haben wir zudem Initiativen entwickelt, die konkrete Beiträge zur Problemlösung darstellen. Die Verantwortung für eine zukunftsgerichtete Klimapolitik liegt bei den Regierungen bzw. Parlamenten der einzelnen Staaten. Sie legen die Rahmenbedingungen fest, welche für die Akteure der Wirtschaft und für Individuen gelten. Deshalb müssen auf der Ebene der einzelnen Länder die Bemühungen für einen nachhaltigen Klimaschutz verstärkt werden. Da das World Economic Forum seinen Sitz in der Schweiz hat und mit seiner Klimapolitik die gleichen Ziele ver folgt wie die zuständigen Behörden, liegt es auf der Hand, dass wir in dieser Frage gemeinsam aktiv geworden sind. Zum zweiten Mal haben nun das BUWAL und das World Economic Forum eine Tagung durchgeführt. Gemeinsam haben wir auch eine Erklärung zur Klimapolitik verabschiedet. Ich bedanke mich bei BUWALDirektor Philippe Roch und seinem Team für ihren grossen Einsatz zum Gelingen dieser zweiten Tagung. Wir wollen die Partnerschaft zwischen BUWAL und World Economic Forum weiter ausbauen – im Interesse einer nachhaltigen und kohärenten Umweltpolitik.
André Schneider, Direktor und Chief Operating Officer, World Economic Forum
Philippe Roch, Direktor, BUWAL
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Klimapolitik: Gemeinsame Erklärung von BUWAL und World Economic Forum
í˘ą Die Klimaänderung gehĂśr t zu den grossen Herausforderungen der Menschheit. Ihren Gefahren kann nur begegnet werden, wenn alle Staaten gemeinsam die Ursachen bekämpfen. Gleichzeitig mĂźssen sich aber auch BehĂśrden und Wir tschaft zusammenschliessen, um in gemeinsamer Verantwor tung sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Ziele zu setzen und Massnahmen zu ergreifen. í˘˛ Das BUWAL ist die Fachstelle des Bundes fĂźr Fragen der Umwelt und damit auch des Klimas. Zu seinen Aufgaben gehĂśrt die Vorbereitung politischer Entscheide. Das World Economic Forum ist die weltweite Plattform fĂźr den weit gefächerten Dialog zwischen Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Es will einen Beitrag leisten zur Verbesserung des Zustandes der Welt. Deshalb sind BUWAL und World Economic Forum vor einigen Jahren Ăźbereingekommen, ihre Zusammenarbeit zu vertiefen. í˘ł Das Thema der gemeinsamen Tagung vom 18. März 2005 lautet: ÂŤKlimapolitik: Verantwortung von Politik und WirtschaftÂť. BUWAL und World Economic Forum halten deshalb fest: – Das Kyoto-Protokoll ist ein wichtiges Instrument, um der Klimaänderung auf internationaler Ebene zu begegnen. Ein grosser Stellenwer t kommt dabei dem internationalen Emissionshandel zu. Die Politik muss weiterentwickelt werden: Nächste wichtige Schritte sind die Erweiterung der Zahl der Vertragsparteien und die Definition neuer Ziele und Massnahmen Ăźber die Verpflichtungsperiode 20082012 hinaus. – Das CO2 -Gesetz ist KernstĂźck der schweizerischen Klimapolitik. Es baut auf freiwillige Massnahmen der Wirtschaft und auf marktwirtschaftliche Anreize des Staates. Derartige Anreize sind langfristig das wirksamste und effizienteste Instrument. Sie unterstĂźtzen die freiwilligen Massnahmen der Wirtschaft. Gemäss Gesetz ist der Bundesrat verpflichtet, rechtzeitig neue, Ăźber das Jahr 2010 hinausgehende Ziele zu definieren.
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– Die Klimapolitik ist Teil einer prosperierenden Wirtschaft. Sie mindert die Abhängigkeit der Wirtschaft von den fossilen Energieträgern. Gleichzeitig ist sie auch Innovationspolitik. Entwicklung und FÜrderung klimafreundlicher Aktivitäten, Prozesse und Produkte sind im Interesse von Klimaschutz und Wirtschaft. Sie erlauben Einsparungen bei den betrieblichen Kosten, erÜffnen neue Marktchancen und stärken langfristig die internationale Wettbewerbsfähigkeit. – Es liegt im Interesse der Wirtschaft, ihre Eigenverantwortung wahrzunehmen. Von den Unternehmen getätigte Investitionen und ergriffene Massnahmen nßtzen nicht nur dem Klima, sondern auch den einzelnen Unternehmen selbst. Dieser Sachverhalt ist durch zahlreiche Beispiele belegt. – Eine wirksame und effiziente Klimapolitik setzt die Zusammenarbeit zwischen BehÜrden und Wirtschaft voraus. Dabei mßssen klare Ziele gesetzt, innovative LÜsungen gesucht und stabile Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Schweiz verfßgt bei dieser Zusammenarbeit ßber eine lange Tradition. Sie ist deshalb besonders geeignet, ihre Erfahrungen mit Public-Private-Partnerships auch auf der internationalen Ebene einzubringen.
í˘´ BUWAL und World Economic Forum engagieren sich im Kampf gegen die Klimaänderung, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Sie unterstĂźtzen die Eigeninitiative der Wirtschaft und betonen die Wichtigkeit einer konsequenten, langfristig orientierten und auf wirtschaftliche Anreize abgestĂźtzten Politik. Sie betonen die Verantwortung der Industriestaaten, um auch die Länder der Dritten Welt fĂźr eine Zusammenarbeit zu gewinnen. í˘ľ Die beiden Institutionen haben 2003 erstmals eine gemeinsame Veranstaltung zum Thema ÂŤGlobalisierung und Nachhaltige EntwicklungÂť durchgefĂźhrt. Sie werden ihre Zusammenarbeit mit weiteren Aktivitäten zu spezifischen umweltpolitischen Themen fortsetzen. Die Frage der Eigenverantwortung und des freiwilligen Engagements der Wirtschaft wird dabei immer eine zentrale Rolle spielen. Bern und Cologny, 18. März 2005
Plenum I Stand Klimapolitik, international und national
Das erste Plenum hatte den Zweck, den Teilnehmern einen Überblick über die Klimapolitik in der EU und in der Schweiz zu verschaffen. Jürgen Lefevere von der EUKommission beschrieb die Entwicklung der EU-Politik, deren Emissionshandelssystem und die Strategie für die Zeit nach 2012. Arthur Mohr vom BUWAL fasste den Stand der Umsetzung des CO2 -Gesetzes in der Schweiz zusammen, und Nationalrätin Franziska Teuscher machte sich grundsätzlichere Gedanken über die Problematik des Klimawandels und dessen langfristige Folgen.
Jürgen Lefevere, Europäische Kommission: Die EU-Politik zur Klimaveränderung Internationale Führerschaft und interne Massnahmen sind die Hauptmerkmale der EU-Klimapolitik. Seit der Lancierung des Europäischen Programms zur Klimaänderung (ECCP) im Jahre 2000 ist eine grosse Anzahl von Reduktionsmassnahmen mit einem Gesamtsparpotential von 578–696 Mt CO2eq. pro Jahr identifizier t worden. Reduktionsmassnahmen, die bereits ergriffen worden sind und sich in der Umsetzung befinden, belaufen sich auf etwa die Hälfte dieses Betrages. Das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) ist eine der Hauptmassnahmen. Weitere Initiativen konzentrieren sich auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien, das Verkehrswesen und bestimmte Produkte. Mit den gegenwärtigen Massnahmen (auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten) und durch die Anwendung der Kyoto-Mechanismen erwartet die EU, ihr im Kyoto-Protokoll festgelegtes Reduktionsziel zu erreichen, auch wenn bezüglich der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bestehen. Das EU ETS verpflichtet die Betreiber von Industriebetrieben (Anlagen), ihre CO2 -Emissionen mit Emissionsrechten abzugelten. Diese Emissionsrechte werden kostenlos zugeteilt und können im ganzen EU-Raum gehandelt werden. Den Anlagenbetreibern ist es freigestellt, ihre Emissionen zu senken und die überschüssigen Emissionsrechte zu verkaufen oder zusätzliche Emissionsrechte zuzukaufen, um steigende Emissionen zu decken. Zum jetzigen Zeitpunkt werden in den 25 EU-Mitgliedstaaten etwa 12’000 Anlagen in energieintensiven Industrien vom System erfasst. Das Handelssystem der EU ist aber nicht nur intern angelegt. Es ist mit dem ausdrücklichen Ziel entwickelt worden, weitere Länder einzubeziehen. Es kann mit Handelssystemen von anderen Industriestaaten, die einem KyotoZiel verpflichtet sind, verbunden werden und lässt die Ver wendung von Emissionsgutschriften aus «Joint Implementation»und «Clean Development Mechanism»-Projekten zu.
Die Hauptinstrumente, mit denen die EU das Kyoto-Protokoll er füllen will, stehen bereit. Für die Zeit nach 2012 sind jedoch weitere Massnahmen notwendig. Die offizielle Mitteilung der EU-Kommission «Winning the Battle against Global Climate Change» vom 9. Februar 2005 gibt Empfehlungen für Elemente der EU-Strategie für die Zeit nach 2012 ab. Sie bezeichnet drei weitere Herausforderungen, denen begegnet werden muss: Beteiligung, Innovation und Anpassung. Länder, die das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet haben, müssen eingebunden werden, und um die Teilnehmerschaft auf Entwicklungsländer auszuweiten, sind Anreize notwendig; die Ver wendung und Entwicklung neuer sauberer Technologien ist zu fördern; trotzdem werden sowohl in der EU als auch global Anpassungsmassnahmen notwendig sein, um die Verletzbarkeit zu reduzieren sowie die Reaktionsmöglichkeit auf den verbleibenden Klimawandel zu verbessern.
Lefevere: «Die Hauptinstrumente, mit denen die EU das Kyoto-Protokoll er füllen will, stehen bereit. Weitere Massnahmen werden jedoch für die Zeit nach 2012 notwendig sein.»
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Mohr: «Das CO2 -Gesetz bietet die Konsistenz, Langzeitperspektive und Berechenbarkeit, welche die Wirtschaft von der Umweltpolitik erwartet.»
Arthur Mohr, BUWAL: Stand der Umsetzung des CO2 -Gesetzes in der Schweiz
Franziska Teuscher, Nationalrätin: Klimapolitik in der Schweiz bis und nach 2012
Die schweizerische Umweltpolitik hat sich von ihrem ursprünglichen Schwerpunkt auf Geboten, Verboten und Subventionen hin zur Verwendung von ökonomischen Instrumenten gewandelt. Das CO2 -Gesetz wurde in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entwickelt, um sicherzustellen, dass die subsidiäre CO2 -Abgabe sowohl ihre Umweltziele erreichen kann als auch die Anforderungen der Wirtschaft abdeckt. Das Gesetz beruht auf einem innovativen Konzept, das freiwillige Massnahmen und wirtschaftliche Sanktionen miteinander verbindet. Die CO2 Abgabe ist einzuführen, falls durch andere politische Massnahmen und freiwillige Handlungen der Wirtschaft die vereinbarten Reduktionsziele nicht erreicht werden sollten. Trotz ermutigender Resultate in der Industrie, im Handel und im Dienstleistungsbereich ist unterdessen klar, dass die Reduktionsziele nicht erreicht werden können. Als Alternative zur CO2 -Abgabe ist die Einführung eines Klimarappens vorgeschlagen worden: ein auf freiwilliger Basis erhobener Aufschlag von 1 bis 1,6 Rappen pro Liter Treibstoff soll zur Finanzierung von Reduktionsmassnahmen in der Schweiz verwendet werden, vor allem aber für den Kauf von Emissionszer tifikaten aus dem Ausland. Der Bundesrat hat auf diesen Vorschlag mit der Ausarbeitung von vier verschiedenen Varianten für weitere Reduktionsmassnahmen reagier t: 1) eine reine CO2 Abgabe, 2) eine CO2 -Abgabe, die teilweise an spezielle Zwecke (flexible Mechanismen) gebunden ist, 3) eine Kombination von CO2 -Abgabe und Klimarappen und 4) ein reiner Klimarappen. Unternehmen, die sich zu Emissionssenkungen verpflichten, werden von der CO2 Abgabe befreit. Sie können von den flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls (Emissionsrechte) Gebrauch machen, für welche die Schweiz ein nationales Register aufbauen muss. Die Schweiz strebt eine Verknüpfung mit dem EU-Handelssystem an. Eine CO2 -Abgabe ist aber Voraussetzung dafür, denn sie würde den notwendigen Sanktionsmechanismus gewährleisten.
Der Klimawandel ist das grösste Umweltproblem, mit dem sich die Menschheit heute konfrontiert sieht. Eine wachsende Anzahl von extremen Wetterereignissen hat grosse Teile der Welt und der Schweiz in Mitleidenschaft gezogen. Obwohl es keinen absoluten Beweis dafür gibt, dass diese Ereignisse durch den Klimawandel verursacht worden sind, deutet ihre Häufigkeit klar darauf hin. Der Klimawandel ist nicht mehr zu stoppen – er kann nur verlangsamt werden. Massnahmen sind in verschiedenen Bereichen erforderlich. Wir brauchen eine CO2 - Abgabe auf Treib- und Brennstoffen, aber weitere Massnahmen sollten auch Anreize in Bundes- und Kantonssteuern für umweltfreundliche Automobile einschliessen. Im Bereich der Energieeffizienz müssen wir MINERGIE (www.minergie.ch) zum verbindlichen Standard für Neubauten und Renovationen machen. Zur Förderung energieeffizienter Technologien brauchen wir aber auch Konsumregeln, Informationskampagnen und Förderungsprogramme. Erneuerbare Energien können durch das neue Stromversorgungsgesetz und durch eine Erhöhung des Budgets von EnergieSchweiz (www.energieschweiz.ch) unterstützt werden. Im Bereich der Mobilität schliesslich sollte das Instrumentarium eine weitere Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene, Steueranreize und höhere Siedlungsdichten in der Raumplanung umfassen. Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass die Schweiz eine echte Klimaschutzstrategie für die Zeit nach 2012 braucht, mit einem Horizont bis zum Jahr 2050. Diese Strategie sollte auf dem Ziel der EU fussen, die globale Erwärmung auf 2° über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen; es wird geschätzt, dass dies eine Verringerung der CO2 -Emissionen um 15–30% bis zum Jahr 2030 und von 60–80% bis zum Jahr 2050 bedingt, gemessen am Niveau von 1990. Der Emissionshandel ist für die Schweiz aufgrund der kleinen Anzahl grosser Emittenten kein geeignetes Mittel. Statt dessen sind Anreize für private Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen gefragt.
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Das BUWAL hat grosses Interesse daran, die Zusammenarbeit mit der Privatwir tschaft fortzusetzen. Das CO2 -Gesetz bietet die Konsistenz, Langzeitperspektive und Berechenbarkeit, welche die Wirtschaft von der Umweltpolitik erwartet.
Teuscher: «Der wichtigste Punkt ist, dass die Schweiz eine echte Klimaschutzstrategie für die Zeit nach 2012 braucht, mit einem Horizont bis zum Jahr 2050.»
Schweizer Klimapolitik nach dem Bundesratsbeschluss vom 23. März 2005
Der Bundesrat hat am 23. März 2005 beschlossen, auf Brennstoffen eine CO2 -Abgabe einzuführen und bei den Treibstoffen dem Klimarappen eine Chance zu geben. Falls der Klimarappen bis 2007 zu wenig Wirkung zeitigt, soll auf Benzin ebenfalls eine CO2 -Abgabe erhoben werden. Die CO2 -Abgabe auf Brennstoffen beträgt 35 Franken pro Tonne. Dies entspricht ca. 9 Rappen pro Liter Heizöl. Die Erträge fliessen an Bevölkerung und Wirtschaft zurück. Mit CO2 -Abgabe und Klimarappen müssen die CO2 Emissionen bis 2010 um 2,5 Mio. Tonnen gesenkt werden, damit die Ziele des schweizerischen CO2 Gesetzes und des Kyoto-Protokolls erreicht werden können.
Die Umsetzung des bundesrätlichen Beschlusses er fordert zwei Verordnungen und eine Vereinbarung. Die Verordnung über die CO2 -Abgabe regelt die Einführung der Abgabe, die Höhe der Abgabe, die Befreiung sowie die Rückverteilung der Einnahmen. Der Abgabesatz ist vom Parlament zu genehmigen. Die Verordnung über die Anrechnung von im Ausland erzielten Emissionsverminderungen legt Umfang und Qualität der anrechenbaren ausländischen CO2 -Zertifkate fest. Die Vereinbarung mit der Trägerschaft des Klimarappens umfasst unter anderem den Beitrag an die Zielerreichung, den Anteil der Reduktionsleistung, die im Inland erzielt werden muss, sowie die Wirkungsanalyse und das Controlling.
Unternehmen, die sich von der CO2 -Abgabe befreien lassen wollen, müssen sich gegenüber dem Bund verpflichten, ihre CO2 -Emissionen zu begrenzen. Bisher haben mehr als 300 Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Im Rahmen ihrer Verpflichtungen wird die Menge Tonnen CO2 festgelegt, welche die Unternehmen im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 höchstens ausstossen dür fen. Die Begrenzungsziele, die mit den Unternehmen ausgehandelt werden, bilden die Grundlage für das schweizerische Emissionshandelssystem nach dem «Cap-and-Trade»-Prinzip.
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Plenum II Er folgsgeschichten – Thema: Reduktion der CO2 -Emissionen
Das zweite Plenum konzentrierte sich auf die freiwilligen Massnahmen, welche die Wirtschaft in der ersten Umsetzungsphase des CO2 -Gesetzes ergriffen hat. Vertreter von Holcim, Novartis, Coop und Flumroc beschrieben eindrücklich, welche strategischen Ansätze und Innovationen diese Unternehmen verfolgten, um ihre CO2 Emissionen substantiell verringern zu können. Michael Kohn schloss die Sitzung mit einer Wertung aus der Perspektive von economiesuisse.
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Durch eine praktische Ausbildung erlernen die Lastwagenfahrer von Holcim einen sparsameren Fahrstil
Dampferzeugung bei Novartis Schweizerhalle durch Verbrennen von Abfalllösungsmitteln
Holcim Alleine in der Schweiz und in Süddeutschland verbraucht die Lastwagenflotte von Holcim etwa 6 Millionen Liter Dieselöl jährlich und verursacht so 16’000 Tonnen CO2. Bei der Untersuchung neuartiger Methoden zur Reduktion dieser Emissionen fand Holcim heraus, dass neben Treibstoffqualität und technologischen Faktoren wie Motorenkonstruktion und -einstellung die menschliche Dimension der Fahrzeugbedienung ebenfalls eine Schlüsselrolle spielt. Deren Sparpotential wurde auf ca. 5% des Gesamtverbrauches eingeschätzt. Holcim Schweiz entschied sich deshalb, ein praktisches, anwendungsorientiertes Trainingsprogramm zu lancieren, um seinen Fahrern eine effizientere Fahrweise beizubringen. Diese umfasst Elemente wie Stressvermeidung, Vorausdenken, Ausnützen der Fahrzeugmasse, optimier tes Schalten, Kenntnis der Kraft- und Drehzahlmöglichkeiten sowie ideale Fahrgeschwindigkeit. In der ersten Phase des Programms werden 250 Lastwagenfahrern total 25 Eintageskurse in drei Sprachen angeboten. Je acht bis zwölf Fahrer absolvieren gemeinsam einen Kurs mit ihren eigenen Fahrzeugen an einem von acht Ausbildungszentren, wo sie von einem externen Fachmann instruiert werden. Zwei Testfahrten vor und nach der Ausbildung werden anhand von Schlüsselkriterien wie Anzahl Stopps und Schaltvorgänge, Geschwindigkeit und Anzahl Umdrehungen (auf der Autobahn) und Treibstoffverbrauch miteinander verglichen. Die Resultate der ersten 100 Fahrten sind sehr ermutigend ausgefallen: Der durchschnittliche Treibstoffverbrauch ging während der zweiten Testfahrt um 11% zurück, während die durchschnittliche Geschwindigkeit um 6% stieg! Die Verbesserungen scheinen auch nachhaltig zu sein: auf einer Testanlage lag der durchschnittliche Verbrauch sieben Monate nach der Ausbildung immer noch 5,6% tiefer. Holcim plant jetzt, das Programm auf die Fahrer seiner Radlader, Bagger, Bulldozer, Kipplaster usw. auszuweiten.
Novartis Die durch den Energieverbrauch bedingten CO2 -Belastungen von Novartis betrugen im Jahre 2004 459’000 Tonnen. Zum jetzigen Zeitpunkt hat das Unternehmen Reduktionsverpflichtungen für 41% dieser Emissionen. 39% fallen in der EU an, wo der Reduktionsbedarf für 2005 bis 2007 auf 52’000 Tonnen geschätzt wird und für 2008 bis 2012 auf 329’000 Tonnen. Die verbleibenden 2% sind in der Schweiz zu reduzieren, wo Novartis im Rahmen des CO2 -Gesetzes ein freiwilliges Übereinkommen unterzeichnet hat. Novartis kommt diesen Verpflichtungen im Rahmen einer freiwilligen globalen Energieund CO2 -Politik nach. Für den Zeitraum zwischen 2001 und 2003 erreichte das Unternehmen eine absolute Reduktion seiner CO2 -Emissionen von 2,8%, trotz einer Ausweitung der Produktion. Für den Zeitraum zwischen 2004 und 2006 wurde ein neues Indikatorensystem eingeführt, um den spezifischen Bedingungen in den verschiedenen Geschäftseinheiten besser Rechnung zu tragen: das globale relative Reduktionsziel ist jetzt als jährliche Effizienzsteigerung von 2% festgelegt, und die einzelnen Einheiten verwenden die für ihre Aktivitäten sinnvollsten Nenner (z. B. Umsatz, Produktion, Mitarbeiter usw.). Die gesamte bis Ende 2004 erreichte Effizienzsteigerung betrug 9,3%. Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sind in diversen Bereichen ergriffen worden. Dazu gehören zum Beispiel weltweite Kommunikations- und Ausbildungsanstrengungen, gelockerte Rentabilitätskriterien für energiesparende Projekte, internationale Energie-Workshops sowie Energieziele in den individuellen Anreizsystemen von Managern auf verschiedenen Stufen. In der Schweiz konnte Novartis seinen Energieverbrauch schon zwischen 1990 und 2000 um 17% senken und seine CO2 -Emissionen um 54%. Während Bewusstseinskampagnen für «kleine Dinge» wie das Ausschalten von Licht und Büromaschinen einen guten Beitrag leisteten, umfassten ambitiösere Initiativen den Umstieg von Öl auf Naturgas, die Überprüfung der vorhandenen Kapazitäten aufgrund der effektiven Bedür fnisse, Einkaufsrichtlinien, Energiemonitoring-Konzepte, verbesser te Isolationen und die Ver wendung von Abwärme.
Alle neuen und modernisierten Filialen von Coop basieren auf einem umfassenden Energiekonzept
Das erste Passivhaus in der Schweiz nach MINERGIE-P-Standard
Coop Der Umweltschutz ist bei Coop seit 1991 eine strategische Priorität. 2002 trat das Unternehmen der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) bei und führte im Anschluss umfassende Energie-Audits durch. Für 33 Verteilzentren und Produktionsstätten wurden quantitative CO2 -Reduktionsziele im Bereich von 16 bis 39% unter dem Niveau von 1990 festgelegt, die bis 2010 zu erreichen sind. Mit zehn Verteilzentren und den Verkaufsfilialen wurden freiwillige Abmachungen getroffen (mit einem Reduktionsziel von 37% für die letzteren). Gruppenweite Massnahmen umfassen die Verpflichtung, über die nächsten Jahre aus Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie sowie Biogas hergestellte Elektrizität zum Wert von 4,5 Millionen Franken zu kaufen. Das Reduktionsziel von 37% für die Verkaufsfilialen basiert auf einem umfassenden Energiekonzept für neue sowie modernisierte Ladenlokale. Zu seinen Kernelementen gehören das Heizen mittels Wärmerückgewinnung aus den Kühlungsanlagen, die Verwendung von Kompressorenabwärme für die Wassererwärmung, das Kühlen mit zurückgewonnener Luft aus den Gefriertruhen und automatische Jalousien. Die einzelnen Standorte haben weitere Massnahmen ergriffen. Das Einkaufs- und Verteilzentrum in Pratteln beispielsweise bezieht etwa 5’600 MWh seines Energiebedarfes von 10’000 MWh für Heizung und Prozessenergie aus einer lokalen Klärschlammverbrennungsanlage. Dies spart jährlich etwa 500’000 Liter Mineralöl und hat die CO2 -Emissionen um 560 Tonnen oder 30% gesenkt. Die Grossbäckerei Panofina verwendet systematisch die Abwärme aus dem Backprozess; sie kann so ihren gesamten Heizbedarf decken und zusätzlich 600 MWh Energie einem Nachbarsgebäude zuführen. Coop unternimmt auch grosse Anstrengungen, um Transporte von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Eine zentralisierte Lagerhaltung hat es ermöglicht, Bahntransporte aus den zwei nationalen Verteilzentren um 30% zu steigern. Die Lastwagen von Coop, welche für die Feinverteilung an die Verkaufsstellen unverzichtbar bleiben, sind mit Motoren ausgerüstet, welche die Euro-3oder Euro-4-Norm erfüllen. Motoren der Euro5-Emissionsklasse werden diese ersetzen, sobald sie erhältlich sind.
Flumroc Isolationsmaterialien helfen, die Energieeffizienz von Häusern zu steigern, sind selbst aber sehr energieintensiv in der Herstellung. Im Jahre 2004 produzierte Flumroc 600’000 m3 Isolationsmaterial aus 45’000 Tonnen Stein und verbrauchte dabei 100 Millionen kWh thermische und elektrische Energie. Flumroc unternimmt seit langem grosse Anstrengungen, um den Energieverbrauch im eigenen Betrieb zu senken. Mit Investitionen, die mehr als 10% des Jahresumsatzes ausmachen, hat die Firma Prozess- und Produktinnovationen durchgeführt, die bemerkenswerte Effizienzsteigerungen in seinen Hauptproduktgruppen ermöglicht haben: 2004 betrug der spezifische Energieverbrauch im Flachdachsegment 43% des Niveaus von 1982, bei Mauerisolationen 40%, bei hinterlüfteten Fassadenisolationen 62% und bei Doppelmauerwerkisolationen 75%. Ein Hauptenergieträger in thermischen Prozessen ist Koks. Interne Massnahmen zur Rückgewinnung und Rückführung von Abwärme aus dem Prozess haben bereits zu Ersparnissen von 1’000 Tonnen Brennstoff pro Jahr geführt. Ein erstes externes Fernwärmekonzept, das Wärme und warmes Wasser an etliche Mehrfamilienhäuser und Industriegebäude liefer t, wurde 1999/2000 eingerichtet und gewinnt Abwärme im Gegenwert von etwa 100 Tonnen Brennstoff zurück. Flumroc ist überzeugt, dass die Welt langfristig wesentlich energieeffizienter werden muss, und setzt sich deshalb für das Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft ein, eine Vision, wonach der Primärenergieverbrauch pro Person 2000 Watt beträgt, bei gleicher Lebensqualität wie heute.
Michael Kohn: die Sicht der Wirtschaft Economiesuisse hat das schweizerische CO2 -Gesetz und seine Reduktionsziele (10% insgesamt, 15% resp. 8% für Brenn- und Treibstoffe) ehrlich unterstützt. Aber die Organisation spricht sich auch klar für die Umsetzung des Kyoto-Protokolls und dessen flexiblen Mechanismen aus, die notwendig sind, um die Kosteneffektivität von Klimaschutzmassnahmen zu verbessern. Die Wir tschaft hat mit ihren freiwilligen Massnahmen eindrückliche Emissionsreduktionen erzielt, wie die Erfolgsgeschichten von Holcim, Novartis, Coop und Flumroc beispielhaft zeigen. Ungefähr die Hälfte des totalen Reduktionsziels von 2,4 Millionen Tonnen CO2 für Brennstoffe musste von der Wirtschaft erbracht werden. Die Zementindustrie allein hat ihre Emissionen um 800’000 Tonnen gesenkt, und die EnergieAgentur der Wirtschaft (EnAW) hat Reduktionsvereinbarungen für 500’000 Tonnen unterzeichnet, dank erfolgreichen Verhandlungen mit etwa 1’000 Firmen. Die Wirtschaft hat also ihr Reduktionsziel bereits erreicht. Zur Schliessung der verbleibenden Ziellücken bestehen allerdings gegensätzliche Strategien: die CO2 -Abgabe, ein kostspieliges und zeitaufwendiges Instrument mit nationalem Charakter, und der Klimarappen, ein kosteneffizientes Instrument, das die Tür zu den flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls öffnet. Für die Zeit nach 2012 verlangen «Konservative» neue und strenge Reduktionsziele. «Reformer» hingegen wollen das Kyoto-Protokoll modifizieren – mittels relativen Zielen und Branchenansätzen sowie der Förderung von Technologie und Forschung und Entwicklung.
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Workshops
Workshop 1
Die Zeitspanne bis 2012 Nach den anregenden Beiträgen des Morgenprogramms trafen sich die Teilnehmer am Nachmittag zum offenen Dialog in den Workshops. Diese waren um zwei Hauptthemen organisiert: Drei Gruppen diskutierten die Zeitspanne bis zum Ende der ersten Verpflichtungsphase im Jahr 2012, während sich drei weitere Gruppen mit den langfristigen Entwicklungen nach 2012 beschäftigten.
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Die drei parallelen Workshops, die sich auf die Entwicklungen bis ins Jahr 2012 konzentrierten, offenbarten einen breiten Konsens über die Ziele der schweizerischen Klimapolitik. Die Diskussionen identifizierten auch dieselben Problembereiche, in denen Handlungsbedar f besteht. Bei der Festlegung geeigneter Instrumente wurden hingegen unterschiedliche Positionen deutlich. Rückblickend auf die im Morgenprogramm präsentier ten Er folgsgeschichten waren sich die Teilnehmer einig, dass die freiwilligen Massnahmen der Wirtschaft eindrückliche Resultate hervorgebracht hatten, auch wenn die Aussicht auf eine CO2 -Abgabe sicherlich die Wirkung eines Damoklesschwerts hatte. Auch wenn der Nutzen weiterer freiwilliger Massnahmen betont wurde, herrschte ein allgemeiner Konsens, dass es regulatorischer Massnahmen bedar f, damit die Schweiz eine reelle Chance hat, ihre CO2 -Reduktionsziele zu erreichen. Niemand stellte ernsthaft in Abrede, dass sich die Reduktionsanstrengungen auf die Haushalte und den privaten Verkehr konzentrieren sollten, jene zwei Bereiche mit den grössten CO2 -Emissionen. Die Diskussionen offenbarten jedoch Skepsis, ob dieser Ansatz durchführbar sei, zumindest kurzfristig. Einige Vertreter der Wissenschaft gaben sich optimistisch, dass eine CO2 -Abgabe, welche den Literpreis für Treibstoff um 20 bis 30 Rappen verteuern würde, das Konsumentenverhalten massgeblich verändern könnte. Andere Teilnehmer teilten diese Zuversicht nicht; sie betrachteten es als durchaus möglich, dass der Automobilgebrauch nach einem kurzfristigen Rückgang bald wieder zunehmen würde. Einigkeit bestand hingegen bezüglich der Ansicht, dass der Wohnsektor wenig Aussicht auf wesentliche Emissionssenkungen bis 2012 bietet. Im schweizerischen Wohnsektor wurde ein institutionelles Problem ausgemacht: Weil die Mieter für die Heizungskosten aufkommen müssen, die Vermieter aber für Investitionen in energieeffiziente Technik verantwortlich sind, besteht eine Interessenasymmetrie. Dieses Problem könne nur durch innovative Änderungen der Rahmenbedingungen gelöst werden, so die Teilnehmer. Vor dem Hintergrund dieser Hindernisse stellten die Verfechter des Klimarappens ihr Instrument als effiziente Methode dar,
um kurzfristig Emissionsreduktionen zu erzielen. Befürworter der CO2 -Abgabe hingegen betonten deren fiskalische Neutralität und bezweifelten die Wirksamkeit des Klimarappens. Angesichts dieser divergierenden Meinungen befasste sich die Diskussion über weite Strecken mit den Grundlagen der schweizerischen Klimapolitik. Die Befürworter des Klimarappens erinnerten daran, dass das Konzept entwickelt worden war, um von den flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls zu profitieren, und hoben seinen effizienten und internationalen Charakter her vor. Aber während in einem der beiden Workshops die Idee einer Dualstrategie mit Verwendung sowohl der CO2 -Abgabe als auch des Klimarappens unterstützt wurde, argumentierten andere Teilnehmer, dass der Gegensatz zwischen interner und externer Umsetzung die beiden Instrumente unvereinbar mache. Die unterschiedlichen Meinungen zur Vereinbarkeit der zwei Instrumente brachten auch das Thema Supplementarität zur Sprache: Die Teilnehmer waren sich einig, dass es eine gründliche Debatte zur Frage brauche, ob der Handel mit Emissionsrechten anteilsmässig zu inländischen Reduktionsanstrengungen beschränkt werden soll. Die Zusammenarbeit mit dem EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) war ein weiteres Kernthema. Unter den Teilnehmern zeigte sich grosse Unsicherheit bezüglich der Frage, ob der Klimarappen den Schweizer Unternehmen erlauben würde, am europäischen Handelssystem teilzunehmen. Kritisiert wurde schliesslich ein Mangel an Konsistenz, den die Teilnehmer im Bereich der Klimapolitikentwicklung ausmachten. Der Wirtschaft wurde vorgeworfen, dass sie zuerst die CO2 -Abgabe befürwortet habe, durch die Unterstützung des Klimarappens dann aber eine Kehr twendung vollzogen habe. Andere Teilnehmer nahmen die Bundespolitik ins Visier und fragten sich, ob die Entwicklung von vier verschiedenen Varianten ohne erkennbare politische Führung sehr schlau gewesen sei. Dies habe ein labiles rechtliches Umfeld geschaffen und dadurch zu Verwirrung und Unsicherheit in der Privatwirtschaft geführt.
Workshop 2
Die langfristige Zeitspanne nach 2012 Die drei Workshops, die sich mit der Zeitspanne nach 2012 beschäftigten, nahmen einen etwas unterschiedlichen Verlauf: In zwei Workshops entpuppte sich die Zukunft des Kyoto-Protokolls klar als das Kernthema. Im dritten fand eine breitere Diskussion statt, die sich auch mit grundsätzlichen sozialen und wir tschaftlichen Veränderungen auseinandersetzte. Die Diskussion über die Zukunft des KyotoProtokolls beschäftigte sich im Kern mit der Frage, wie dessen Hauptschwäche überwunden werden könne – die Nichtteilnahme der USA und der grossen Entwicklungsländer. Dabei wurde auf zwei verschiedene Grundpositionen verwiesen, die sich in den Debatten der jüngsten Zeit herauskristallisiert hätten: Die eine Position schlägt demnach vor, mit dem bestehenden Rahmenwerk fortzufahren, aber die Reduktionsziele zu senken. Die Umsetzungserfolge des Protokolls würden dann mit der Zeit andere Länder ebenfalls von einer Teilnahme überzeugen. Die andere Position hingegen verweist auf den Widerstand vieler Länder gegen das Kyoto-Protokoll und setzt sich dafür ein, dass die Länderziele durch Branchenziele auf der Basis von Intensitätskennzahlen ersetzt werden. Innerhalb einzelner Branchen würden jene Unternehmen mit der tiefsten CO2 -Intensität (gemessen an einer physikalischen Grösse wie kWh oder Tonnen) als Benchmark dienen. In beiden Workshops schien ein Konsens darüber zu bestehen, dass Branchenziele erhebliche Vorteile bieten würden. Dadurch wäre es eher möglich, Entwicklungsländer zu einer Teilnahme zu ermutigen, da Länderbeschränkungen von diesen in absehbarer Zukunft kaum akzeptiert werden. Auch würden Branchenziele einheitliche Bedingungen schaffen für Branchen wie zum Beispiel Aluminium-, Chemikalien-, Stahl- und Zementindustrie, die grosse Emissionsmengen verursachen und unter der Kombination von Länderzielen und internationalem Wettbewerb leiden. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass Branchenziele prinzipiell die Grundlage für ein «Cap-and-Trade»-System schaffen würden; sie könnten so eine Alternative für den «Clean Development Mechanism» bieten, dem ein nicht zu bewältigender administrativer Aufwand nach 2020 prophezeit wurde. Andere Stimmen warnten jedoch, dass die Messbarkeit von Intensitätszielen ein ernsthaftes Problem darstellen könnte.
Die vorherrschende Stimmung in zwei der Workshops war, dass Branchenziele als zusätzliche Massnahme dienen sollten und nicht zu einer Abschaffung oder Aufweichung von Länderzielen führen dürfen. Um abseitsstehende Länder anzusprechen, wurde ein Mehrphasenansatz empfohlen, der flexiblere Lösungen ermöglichen würde. Grössere Komplexität nach 2012 ist jedoch die unvermeidliche Folge solcher Vorschläge. Guter Planung und klarer Kommunikation seitens der Regierungen und Behörden wird deshalb noch grössere Bedeutung zukommen, um Ver wirrungen und Blockierungen zu vermeiden. Im dritten Workshop konzentrierte sich die Diskussion auf die grundlegenderen sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen, die notwendig sind, um den Klimawandel zu
bekämpfen. Vorausschauendem Denken und dem Erkennen der Zusammenhänge zwischen verschiedenen Problemen wurde eine Schlüsselrolle zugesprochen. Zum Beispiel wurde argumentier t, dass die Erschöpfbarkeit der natürlichen Ressourcen viel stärker in die Klimapolitik einbezogen werden sollte. Dies würde die Suche nach einer Wirtschaftspolitik nach sich ziehen, die den Übergang ins post-fossile Zeitalter einleiten könnte. An die Unternehmen wurde die Forderung gerichtet, vermehrt in ganzen Produktzyklen zu denken und entsprechende Managementsysteme für das ganze Beschaffungswesen zu entwickeln. Wohl der grundsätzlichste Einwurf war aber derjenige, dass wir unsere vorherrschenden Vorstellungen von ökonomischem Wohlstand kritisch überdenken sollten.
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Podiumsdiskussion
Claude Martin, WWF International
Yves Christen, Nationalrat
«Besonders aufgefallen ist mir das schein- «Aus globaler Perspektive müssen zwei
Die Tagung wurde mit einer Podiumsdiskussion beschlossen, an der sich fünf Vertreter aus der Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft beteiligten. Unter der Moderation von Barbara Rigassi nutzten die Teilnehmer die Gelegenheit, um jene Herausforderungen und Probleme aufzugreifen, welche in ihrem Urteil aus den vorangehenden Vorträgen und Diskussionen über Klimapolitik hervorstachen.
bare Spannungsverhältnis zwischen freiwilligem Handeln und der Notwendigkeit von Rahmenbedingungen. Die Leute sprechen oft von diesen zwei Konzepten: Das erste besagt, dass freiwilliges Handeln absolut notwendig ist und dass Technologie sowie Forschung und Entwicklung das Problem schon lösen werden. Wenn man aber auf verantwortungsvolle Wirtschaftsführer hört, welche Massnahmen befürworten, sagen diese zweitens, dass sie gleich lange Spiesse für alle wollen und brauchen. Freiwilliges Handeln alleine schafft aber noch keine gleich langen Spiesse. Die zwei Ansätze sind deshalb keine wirklichen Alternativen, und das eine oder andere vorzuziehen, verschiebt das Problem lediglich. In Wirklichkeit brauchen wir beides: Wir sind darauf angewiesen, dass die vorausdenkenden Kräfte freiwillig handeln, aber wir brauchen auch die Klarheit von gleich langen Spiessen. Unglücklicherweise laufen Industrieverbände häufig Gefahr, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu repräsentieren – sie warten, bis die Zauderer den niedrigsten Standards zustimmen. Wir sollten lieber mit den fortschrittlichen Unternehmen zusammenarbeiten und so herausfinden, wie Schwellenwerte und Rahmenwerke festgelegt werden können, insbesondere für die künftigen Kyoto-Verhandlungen. (…) Die Klimapolitik ist schon unter dem gegenwärtigen Kyoto-Protokoll enorm komplex geworden. Viele haben zum Beispiel Mühe, das Prinzip des ‹Clean Development Mechanism› zu verstehen, geschweige denn, ihn anzuwenden. Die kommende Phase könnte noch komplexer werden. Ich glaube deshalb, es wäre gut investiertes Geld, diese Herausforderungen zu kommunizieren und über die Kosten des Handelns respektive des Nichthandelns zu debattieren, in Europa und anderswo. Soviel ich weiss, hat die EU entsprechende Pläne, und wir müssen dasselbe auch hier tun. Ohne ein breiteres Verständnis wird es schwierig sein, den notwendigen politischen Willen zu schaffen.
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Aspekte der Energiepolitik im Auge behalten werden – der erste ist der Klimawandel und die Reduktion der CO2 -Emissionen, der zweite ist die allmähliche Erschöpfung der fossilen Brennstoffe. Wenn es uns in diesem pragmatischen Land nicht gelingt, diese zwei Aspekte zusammen zu betrachten, werden wir keine vernünftige Politik entwickeln können. Dies bedeutet, dass wir allen Unternehmen sagen müssen, dass Investitionen in Energiesparmassnahmen einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, sich gleichzeitig aber auch lohnen, weil die fossilen Brennstoffe allmählich zu Ende gehen. Niemand kann dies in Frage stellen. Aber es handelt sich dabei um eine langfristige Angelegenheit mit einem Zeithorizont von drei bis vier Jahrzehnten. Investitionen in erneuerbare Energien sind langfristig immer profitabel, sogar von einem rein finanziellen Standpunkt aus. Deshalb muss nicht nur die Gesellschaft als Ganzes langfristig denken, sondern jedes einzelne Individuum. (…) Betrachten wir die privaten Haushalte, welche durch Energieverbrauch und Verkehr den grössten Anteil an CO2 produzieren. Alle in diesem Land scheinen sich darüber einig zu sein, dass sich Investitionen in erneuerbare Energien nicht auszahlen. Nun, ich bin Präsident von Swissolar und gebe zu, dass die Technologie im Moment noch teuer ist. Für meinen älteren Sohn habe ich jedoch folgendes getan: Häufig zahlt man 10’000 oder 20’000 Franken auf ein Sparkonto ein, und wenn das Kind volljährig wird, erhält es die gesamten Erträge des Kontos. Ich habe statt dessen für 10’000 Franken eine Solarpanele gekauft und werde jedes Jahr den Gegenwert der Stromproduktion auf ein Konto einzahlen; auf diese Weise wird mein Sohn mit 20 Jahren mehr Geld besitzen, als wenn die 10’000 Franken auf eine Bank einbezahlt worden wären! Womit wir uns also in diesem Land im Innersten schwer tun, ist Angst vor der Zukunft, weil wir zur Zeit kein Wachstum haben. Und es liegt jetzt an den Politikern, ein Zeichen zu setzen.
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Beat Bürgenmeier, Universität Genf
Philippe Roch, BUWAL
David Bayne, Ciba Spezialitätenchemie AG
«Meiner Meinung nach liegen die Schwie- «Es ist normal, dass das Resultat von
«Als Vertreter eines international tätigen
rigkeiten mit dem Kyoto-Protokoll nicht nur darin, dass es ausschliesslich auf ökonomischen Instrumenten beruht, sondern, dass es auch das Problem der Einkommensverteilung auf globaler Ebene ignoriert. Weltweit ist die grösste Herausforderung die Armutsbekämpfung. Die gegenwärtigen Modelle, die eine Verbindung zwischen Klimawandel und wirtschaftlicher Tätigkeit herstellen, sind auf Wachstumsmodellen aufgebaut, welche von der Annahme ausgehen, dass eine Angleichung der unterschiedlichen Entwicklungsgrade auf der Welt stattfinden wird. Falls diese Annahme zutrifft, wird dies bedeuten, dass die Verschmutzung markant ansteigt. Es wird ein grösserer Volumeneffekt ausgelöst werden, als wir ihn heute erwarten. Auch wenn wir durch die Anwendung von ökonomischen Instrumenten, welche die relativen Energiepreise zu ändern vermögen, die Verschmutzung reduzieren, werden wir in diesem Fall dem Problem gegenüber stehen, dass der resultierende Wachstumspfad grosse Innovationsanstrengungen und wirklich neue Organisationsmuster für ein nachhaltiges Management erfordern wird. Mit Bezug auf die Erfolgsgeschichten, die wir heute gehört haben, möchte ich die Frage stellen, warum es in unserer Wirtschaft und in unserer Gesellschaft so schwierig ist, all das Wissen anzuwenden, das wir bereits besitzen. Warum wird die beste erhältliche Technologie nicht auf breiterer Ebene eingeführt, und warum können wir so starke Widerstände gegen die effiziente Anwendung des gegenwärtig vorhandenen Wissens beobachten? Von einer Studie, die unlängst von den Mitgliederfirmen des World Business Council for Sustainable Development durchgeführt wurde, wissen wir, dass Unternehmen, welche das Konzept der Nachhaltigkeit unterstützen, eine bessere Performance als der Gesamtmarkt aufweisen und dass ein starker, aber vielleicht falsch verstandener Anreiz existiert, weitreichende Reformen an den gängigen Wirtschaftspraktiken vorzunehmen.
Unternehmens mit Sitz in der Schweiz bin ich der Meinung, dass dem Thema ‹Global Denken aber lokal Handeln› – oder wie zuvor gesagt wurde: ‹internationale Führerschaft und interne Massnahmen› – zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Die Vorreiterrolle eines Landes wie der Schweiz ist etwas, das wir wohl unterschätzt haben, und unsere Produktionsstätten in Übersee wollen von mir wöchentlich wissen, was denn die ‹Best Practices› aus der Schweiz seien. Im Jahre 2000/2001 war ich in der Lage zu sagen, dass die Schweiz bis zu diesem Zeitpunkt wohl die weitsichtigste Umweltpolitik hatte, und mit dem CO2 -Gesetz konnten wir ebenfalls eine Führungsrolle in diesem Bereich beanspruchen. Was mich aber enttäuscht, ist, dass wir in der politischen Diskussion der letzten Jahre an Richtung verloren und einen Zick-Zackkurs eingeschlagen haben. Heute müssen wir auf die EU als den Ort verweisen, aus dem die ‹Best Practices› kommen. Nicht ohne Mängel allerdings – ich muss das Emissionshandelssystem der EU in fünf verschiedenen Ländern in die Praxis umsetzen, und das Subsidiaritätsprinzip hat ebenfalls seine Tücken, wenn man in verschiedenen nationalen Gremien sitzen muss, um die EU-Gesetzgebung zu interpretieren. Aber trotzdem glaube ich, dass die Schweiz hier als Land die Führung verloren hat und Gefahr läuft, vom Weg abzukommen. Ich bin der Meinung, dass wir zuerst unsere Politik umsetzen müssen und dann die nächste Phase des Kyoto-Protokolls in Angriff nehmen. Falls wir keine positiven Erfahrungen in der ersten Phase von Kyoto sammeln und ständig die Zielsetzungen ändern, befürchte ich, dass wir nachhinken und nicht führen werden.
internationalen Verhandlungen den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt. Dies trifft auch auf das Kyoto-Protokoll zu. Es ist wahr, dass nicht alle Nationen beteiligt waren und dass ein sehr grosser Partner, die USA, den Vertrag nicht ratifizierten. Aber intern bewegen sich die USA, und ich bin mir sicher, dass sie sich sehr schnell bewegen. Gleichzeitig können wir mit dem Kyoto-Protokoll vorwärtsmachen und es umsetzen. In einer Beurteilung des KyotoProtokolls sollten wir zwei Dinge nicht vergessen: Erstens haben wir die UN-Konvention über Klimawandel. Wenn wir diese Konvention umsetzen würden – obwohl sie keine Zahlen enthält –, gingen ihre Ziele viel weiter als das Kyoto-Protokoll, weil sie auf eine Stabilisierung der Situation auf einem Niveau zielt, das die Umwelt nicht beeinträchtigt. Der zweite Aspekt wurde heute von vielen erwähnt: Wir sollten nicht vergessen, dass das Kyoto-Protokoll auch eine indirekte Wirkung hat, und die Tatsache, dass wir es ausgehandelt haben und es in jedem Land auf höchstem Niveau diskutieren, treibt eine Entwicklung in Richtung Verpflichtungen und Fortschritte an. All die freiwilligen Leistungen, von denen wir heute gute Beispiele gehört haben, haben ihren Ursprung in der Tatsache, dass wir uns auf der politischen Ebene immerhin auf die Ziele und Absichten der Konvention einigen konnten. Die Unternehmen, die heute morgen über ihre Erfolge berichteten, demonstrieren interne Führung. Klimapolitik bildet einen wichtigen Teil in ihren Strategien. Indem sie Massnahmen ergreifen, können sie ein gutes Geschäft machen, Kosten senken und Synergien zwischen Klimaschutz und Geschäft finden. Vergessen wir dies also niemals und verzweifeln wir nicht: Es gibt viele positive Dinge im Prozess des KyotoProtokolls, auch wenn er nicht so klar und so schnell verläuft, wie wir uns das erhoffen würden.
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Schlussfolgerungen von BUWAL und World Economic Forum
«Klimapolitik: Verantwortung von Politik und Wirtschaft» war die zweite Tagung, welche BUWAL und World Economic Forum gemeinsam organisierten, um einen konstruktiven Dialog unter den wichtigen Stakeholders zu fördern. Diese Zielsetzungen wurden eindeutig erfüllt: Eine Auswahl von hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, des öffentlichen Sektors, des akademischen Bereichs und von Nichtregierungsorganisationen besuchte den Anlass und demonstrierte eine hohe Bereitschaft, sich an den offenen, weitsichtigen Diskussionen zu beteiligen. Im Verlaufe des eintägigen Programms am World Economic Forum in Cologny zeichnete sich allmählich eine Anzahl von Schlüsselthemen ab. Während ein breiter Konsens über die wichtigsten Probleme und Herausforderungen bestand, wurden bezüglich der geeigneten Vorgehensweisen allerdings unterschiedliche Auffassungen deutlich. Aber dies ist der richtige Weg: offene Gespräche führen, unterschiedliche Ansichten erkennen und sie ausdiskutieren, um wieder eine gemeinsame Handlungsbasis zu schaffen. Der private Sektor fand Anerkennung für seine führende Rolle bei der Senkung der CO2 -Emissionen in der Schweiz. So haben seine freiwilligen Übereinkommen mit der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) eindrückliche Resultate geliefert. Wie die vier Er folgsgeschichten von Holcim, Novartis, Coop und Flumroc trefflich zeigten, haben viele Firmen Klimapolitik zu einer strategischen Aufgabe gemacht und innovative Ansätze verfolgt. Während die Wirtschaft ermutigt werden sollte, den Weg des freiwilligen Handelns weiterzuverfolgen, müssen sich die Reduktionsanstrengungen in Zukunft wesentlich stärker auf die Haushalte und den privaten Verkehr konzentrieren. Diese Sektoren sind weit davon entfernt, die angestrebten Reduktionsziele zu erreichen. Insbesondere im Wohnbereich wird ein Teil des Problems durch eine für die Schweiz typische institutionelle Eigenheit verursacht: Zwischen der grossen Anzahl von Mietern, welche die Wohnmieten zahlen, und den Hauseigentümern, welche für Innovationen in energieeffiziente Technologien verantwortlich wären, 14
besteht eine Interessenasymmetrie. Um dieses Problem zu überwinden, sind innovative Änderungen der Rahmenbedingungen gefragt. Das Ziel, den privaten Verkehr zu reduzieren, war ein Schlüsselthema in den Diskussionen um die jeweiligen Vorzüge der CO2 Abgabe und des Klimarappens. Befürworter der Abgabe vertraten den Standpunkt, dass eine Preiserhöhung von 20 bis 30 Rappen pro Liter Treibstoff einen spürbaren Wandel im Konsumentenverhalten bewirken würde. Gegner bezweifelten jedoch, dass die Wirkung von Dauer sein würde, und verwiesen auf den Klimarappen als kosteneffizientes Mittel, um die Reduktionsziele bis zum Jahr 2012 zu erreichen. Der Zugang zum EUEmissionshandelssystem (EU ETS) entpuppte sich in diesem Kontext als wichtige Frage. Einerseits ist das Handelssystem der EU explizit darauf angelegt, neue Teilnehmer ausserhalb der EU aufzunehmen, andererseits blieb aber unklar, ob die Schweiz zum jetzigen Zeitpunkt die Aufnahmebedingungen erfüllen würde. Die Tagung verfolgte ausdrücklich das Ziel, eine Diskussion über mögliche Strategien für die Zeit nach 2012 anzuregen. Mindestens drei Positionen wurden in den Debatten erkenntlich: Die erste besagt, dass das Kyoto-Protokoll in der gegenwärtigen Form beibehalten werden sollte, dass in den Industriestaaten aber neue und strenge Reduktionsziele festgelegt werden müssen. Die zweite Position will ebenfalls mit dem jetzigen Rahmenwerk for tfahren; angesichts der starken Widerstände gegen das Protokoll verlangt sie jedoch, dass die Reduktionsziele gesenkt werden, um abseitsstehende Nationen einzubeziehen. Die dritte Position schliesslich argumentiert, dass das ganze System modifiziert werden muss, um die Widerstände zu überwinden. Sie fordert relative, auf Intensitätskennzahlen basierende Ziele anstelle von absoluten Zielen, Branchenbenchmarks und verstärkte Anstrengungen im Bereich der Forschung und Entwicklung. Das Kyoto-Protokoll wird häufig als mangelhafter Kompromiss abgetan, der den kleinsten gemeinsamen Nenner der Teilnehmerstaaten widerspiegelt. An der Tagung wurde jedoch dafür plädier t, das beträchtliche
Potential des Vertrages im Auge zu behalten und seine verschiedenen Instrumente optimal zu nutzen. Auch ist nichts gewonnen, wenn man freiwilliges Handeln und rechtliche Rahmenbedingungen gegeneinander ausspielt. Was statt dessen gebraucht wird, ist eine innovative Kombination von verschiedenen Instrumenten und den Willen, den Klimawandel mit einem flexiblen Mehrphasenansatz zu bekämpfen. Als Folge davon ist allerdings zu erwarten, dass das ganze Regelwerk zusehends komplexer wird. Eine verbesserte Kommunikation, im speziellen für die breite Öffentlichkeit, sowie eine starke und klare politische Führung werden deshalb noch wichtiger werden. Der private Sektor braucht diese Stabilität und Transparenz, um strategische und wirkungsvolle Antworten formulieren zu können.
Programm
Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) und das World Economic Forum möchten sich bei den folgenden Teilnehmern für den Er folg der Tagung bedanken: Begrüssung und Einführung Philippe Roch, Direktor, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Klaus Schwab, Gründer und Präsident, World Economic Forum Plenum I: Stand Klimapolitik, international und national Moderation: André Schneider, Direktor und Chief Operating Officer, World Economic Forum Referenten: Jürgen Lefevere, Internationaler und institutioneller Koordinator Klimawandel, Direktion Klima, Ozon und Energie, GD Umwelt, Europäische Kommission, Arthur Mohr, Leiter Abteilung Ökonomie, Forschung und Umweltbeobachtung, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Franziska Teuscher, Nationalrätin
Plenum II: Erfolgsgeschichten – Thema: Reduktion der CO2 -Emissionen Einführung: André Schneider, Direktor und Chief Operating Officer, World Economic Forum
Peter Guldbrandsen, Leiter Konzern Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltprüfung, Konzern Energiekoordinator, Novartis International AG, Blaise Hochstrasser, Leiter Corporate Logistics, Holcim (Schweiz) AG, Kurt Köhl, ehemaliger Direktor, Flumroc AG, Michael Kohn, Energiekonsulent, economiesuisse, Georges Spicher, Direktor, cemsuisse, Brigitte Zogg, Verantwortliche für Nachhaltigkeit, Coop Referenten:
Workshop I: Die Zeitspanne bis 2012 Marco Berg, Projektleiter, Factor Consulting + Management AG, Gabi Hildesheimer, Geschäftsleiterin, Vereinigung für ökologisch bewusste Unternehmensführung ÖBU, Rolf Iten, Mitglied der Geschäftsleitung, INFRAS AG
Moderatoren:
Teilnehmer: Pierre Ammann, Services Industriels de Genève (SIG), Andreas Burgener, auto-schweiz, Christoph Füllemann, SWISS International Airlines, Rolf Hartl, Erdöl-Vereinigung, Jean-Marc Hentsch, Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG), Blaise Hochstrasser, Holcim (Schweiz) AG, Rolf Jeker, SGS Société Générale de Surveillance SA, Ion Karagounis, Praktischer Umweltschutz Schweiz Pusch, Kurt Köhl, Flumroc AG, Frédéric Lelièvre, Le Temps, Jürg Michel, Schweizerischer Hotelierverein, Michel Monbaron, Universität Freiburg, Andreas Mörikofer, Bundesamt für Energie (BFE), Christoph Ritz, ProClim – Forum for Climate and Global Change, Philippe Roch, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Peter Schnurrenberger, F. Hoffmann-La Roche AG, Laurent Viguier, Universität Genf, Brigitte Zogg, Coop
Workshop II: Die langfristige Zeitspanne nach 2012 Reinhard Madlener, Energieökonom, Centre for Energy Policy and Economics (CEPE), ETH Zürich, Beat Nobs, Botschafter und Leiter Abteilung Internationales, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Thomas Stocker, Professor für Klima- und Umweltphysik, Universität Bern
Moderatoren:
Teilnehmer: David Bayne, Ciba Spezialitätenchemie AG, Céline Ehrwein, Institut für Theologie und Ethik (ITE) des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds, Hans-Peter Fricker, WWF Schweiz, Jürg Gerber, Alcan Technology & Management AG, Peter Guldbrandsen, Novartis International AG, Peter Kälin, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Michael Kaufmann, Bundesamt für Energie (BFE), Lucien Keller, Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie SSES, Michael Kohn, economiesuisse, Jürgen Lefevere, DG Umwelt, Europäische Kommission, Claude Martin, WWF International, Arthur Mohr, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Georges Müller-Fürstenberger, Universität Bern, Brett Orlando, IUCN The World Conservation Union, Thomas Patzko, Bâloise-Holding, André Schneider, World Economic Forum, Othmar Schwank, INFRAS AG, Cyrill Studer, Greenpeace Schweiz Rapporteure: Isabel Guggisberg und Thomas Streiff, BHP – Brugger und Partner AG, Gareth Phillips, SGS Société Générale de Surveillance SA
Podiumsdiskussion Moderatorin:
Barbara Rigassi, Partner, BHP – Brugger und Partner AG
David Bayne, Energiebeauftragter (Konzern), Ciba Spezialitätenchemie AG, Beat Bürgenmeier, Professor für Volkswirtschaftslehre, Direktor des Instituts für Humanökologie und Umweltwissenschaften, Universität Genf, Yves Christen, Nationalrat, Claude Martin, Generaldirektor, WWF International, Philippe Roch, Direktor, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)
Panelteilnehmer:
Schlusserklärung Philippe Roch, Direktor, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) Organisation und Support Ursula Finsterwald, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Sarah Saffar, World Economic Forum
Rappor teure: Stefan Huber, Anja Meinecke und Roland Peter, BHP – Brugger und Partner AG
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08.05 7000 860137618