DaCabrio Carrera Panamericana

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DaCabrio

DaCabrio TOUREN – LIFESTYLE – GENUSS

Carrera Panamericana

2000 Meilen Kurven und Hitze

Sonderdruck Nr. 4


Technische Daten des Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen, der 1952 die Carrera Panamericana gewann: Motor: 6 Zylinder: 6 in Reihe, Bohrung: 86,5 mm, Hub 88 mm, Hubraum 3103 ccm,Verdichtung 1:8,7, Leistung 180 PS, Drehmoment: 277 Nm, LxBxH: 4220 x 1789 x 1265 mm, Radstand 2400 mm, Leergewicht: 870 kg, Gesamtgewicht: 1131 kg, Höchstgeschwindigkeit 240 km/h

Das Variodach öffnet sich beim 350 SL binnen 16 Sekunden

3100 km lang ist „the Mexican Race“, wie die Carrera in den USA genannt wird

Typisch für Mexiko: Verkauf der Waren auf der Straße

Die SL-Klasse – ein Sportwagen, der begeistert


Die Carrera Panamericana gilt als das härteste Oldtimer-Rennen der Welt. 1952 war der Doppelsieg von zwei 300 SL-Sportwagen bei diesem legendären Straßenrennen ein wichtiger Motorsporterfolg von Mercedes-Benz. Für DaCabrio ein Grund, in einem SL 350 durch das unwegsame Hochland die 3.100 Kilometer zu erfahren und an die turbulenten Ereignisse des Jahres 1952 zu erinnern. TOUR TUXTLA GUTIÉRREZ 왘 OAXACA 왘 PUEBLA 왘 MEXICO CITY 왘 LEON 왘 DURANGO 왘 PARRAL 왘 CHIHUAHUA 왘 JUAREZ

Die Carrera Panamericana, in den Staaten lediglich „the Mexican Road Race“ oder „The Panam“ genannt, führt über 3100 km quer durch Mexico von der Grenze zu Guatemala im Süden nach Ciudad Juarez an der Nordgrenze zu den USA. Das erste Rennen fand 1950 statt und wurde fünf Jahre lang jedes Jahr veranstaltet. Große Höhen, tausende von Kurven und sengende Hitze waren nur einige der Herausforderungen an die Starter. Die abgehärtesten und erfahrensten Veteranen waren sich darüber einig, dass es in der ganzen Welt keinen anderen vergleichbaren Geschwindigkeits-Wettbewerb gab. Dabei gelang 1952 dem Team aus Karl Kling am Steuer und Beifahrer Hans Klenk ein sensationeller Streckenrekord: 18 Stunden, 51 Minuten und 19 Sekunden Fahrzeit bedeuteten eine sensationelle Durchschnittsgeschwindigkeit von 165 km/h auf riskanter, im Grunde öffentlicher Straße ohne ernsthafte Sicherheitsvorkehrungen. Die Zweitplatzierten, das SL-Team mit Hermann Lang und Erwin Grupp, erreichten das Ziel 35 Minuten nach den Siegern. Die damals 3113 Kilometer lange, materialzehrende Straßenrennroute forderte einen logistischen Marathon von Service- und Reifenwechselpunkten. In acht bis zu tausend Kilometer langen Etappen führte die „Carrera“ in nur vier Tagen von Tuxtla Gutiérrez im tropischen Süden entlang den Oberkanten tiefer Schluchten über

(3.100 KM)

hohe Pässe nach Ciudad Juarez im Norden Mexicos. Fahrer und Rennwagen trotzten brennender Sonne, Temperaturschwankungen von 5° bis 40° Celsius im Schatten, Höhenunterschieden vom Meeresspiegel bis 3300 Meter, dem extrem „lebensfeindlichen“ Streckenprofil, ungezählten Pannen und erreichten dabei Geschwindigkeiten, die selbst 50 Jahre später als „Fabelwerte“ empfunden werden. 1950 hatte das prosperierende Mexico als erstes lateinamerikanisches Land seinen Teilabschnitt des Pan-American-Highways fertig gestellt, ein Stück jener Traumstraße, die Nord- und Südamerika durchquerte und somit die erste direkte Landverbindung zwischen Alaska und Feuerland bildete. Diese faszinierende Tatsache an sich reichte jedoch nicht aus, um das Interesse der Weltöffentlichkeit auf Mexico und den neuen Stolz der Nation zu lenken.Was tun? Die Lösung lag buchstäblich auf der Straße, wie man zuerst im mexikanischen Verkehrsministerium erkannte: Mit der Idee, ein internationales Autorennen auszurichten, begeisterte der damalige Behördenchef seinen Staatspräsidenten Miguel Alemán auf Anhieb. Die „Carrera Panamericana” würde, so das Kalkül des Regierungschefs, die Welt auf Mexico aufmerksam machen. Er hatte richtig kalkuliert. „La Carrera DaCabrio

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Den SL 350 gibt es jetzt als exklusives SL-Sondermodell „Edition 50“ mit 180 kW/ 245 PS und Fünfgang-Automatik ab 91814 Euro. Zusammen mit dem SL 500 werden insgesamt eine limitierte Stückzahl von 500 Fahrzeugen angeboten

Hundert Blumensorten gibt es auf mexikanischen Märkten

Bestimmt das Tagesgeschehen: die Siesta

Die Gebirgsetappe der Panamericana gehört zu den faszinierernsten Straßen der Welt

Landschaft bei Chihuahua


Panamericana” – dieses exotisch und verheißungsvoll klingende Synonym für Abenteuer und Nervenkitzel ließ nicht nur erklärte Motorsportfans aufhorchen. In Amerika war das Rennen sofort äußerst populär.Auch in Europa löste es eine ungeahnte Euphorie aus. Kein Wunder, traten doch nahezu alle an, die damals Rang und Namen in der Automobilszene besaßen. Das galt für die Fahrer – von Juan Manuel Fangio über Karl Kling, Hermann Lang und Alberto Ascari bis hin zu Giovanni Bracco – ebenso wie für die Hersteller: Aus Europa reisten Werksteams von Ferrari, Jaguar,Alfa Romeo, Lancia, Maserati, Gordini und Porsche an. Die USA waren durch die größten Hersteller der Welt Chrysler, Ford und General Motors mit den Marken Buick, Cadillac und Oldsmobile nicht minder prominent vertreten. EineVorraussetzung des Mercedes-Erfolges bei diesem Straßenrennen war die Entscheidung des DaimlerBenz Vorstands vom Sommer 1951, grünes Licht für den Bau eines neuen Rennsportwagens zu geben. Am 13. März 1952, nur neun Monate nach dem wegweisenden Vorstandsbeschluss, stand das erste Exemplar auf den Rädern.Topfit für den ersten Einsatz beim italienischen Straßenrennen Mille Miglia, wo der Mercedes-Sportwagen als Zweiter durchs Ziel fuhr. Selten hat seitdem eine Buchstabenfolge wie die Modellbezeichnung SL – eigentlich nur als Kürzel für „sportlich“ und „leicht” gedacht – einen ähnlich charismatischen Glanz erreicht, was weitere viel beachtete Siege bewiesen. Sportlichen Erfolge beim Großen Preis von Bern und in Le Mans motivierte die Stuttgarter Automobilmarke, weitere, exotischere Ziele ins Auge zu fassen – auch in Übersee, bei der Carrera Panamericana. Obwohl der Zeitpunkt für ein Engagement von MercedesBenz nicht günstiger hätte sein können, war einer der Hauptverantwortlichen zunächst noch skeptisch: Rennleiter Alfred Neubauer. Der erfahrene Motorsportler erinnerte sich, dass die Bestimmungen des ersten Rennens im Jahr 1950 nur Fahrzeuge zugelassen hatten, die in großen Serienstückzahlen gefertigt wurden und über mindestens fünf Sitze verfügten. Als Folge dieser aus europäischer Sicht ungewöhnlichen Vorgabe, die wohl hauptsächlich die verfügbaren Fahrzeuge in den nahe gelegenen USA berücksichtigte, nahmen große, schwere und für ein extrem schnelles, kurvenreiches Straßenrennen wenig taugliche Wagen teil. Erster Sieger war der Amerikaner Hershel McGriff mit einem Oldsmobile 88. Seine Zeit: über 27 Stunden, rund acht Stunden mehr

als Kling und Klenk im 300 SL nur zwei Jahre später benötigten. Im Folgejahr 1951 liberalisierten die Veranstalter das Reglement und 1952 schließlich ließen die Bestimmungen auch Fahrzeuge zu, die für raue Renneinsätze speziell präpariert worden waren. Der neu konstruierte 300 SL von Mercedes-Benz schien wie geschaffen für den Einsatz in Mexico: Mit einem Leergewicht von nur 870 Kilogramm, einem Radstand von 2,40 Metern, aus damaliger Sicht leistungsfähigen Trommelbremsen, einer Motorleistung von 180 PS, einer niedrigen Stirnfläche und einem für damalige Verhältnisse sensationell geringen Cw-Wert von 0,25 war er mit 240 km/h Topspeed der richtige Sportwagen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Neubauer überwand alle Vorbehalte und witterte, gestärkt durch die bemerkenswerten Erfolge in Europa, auch Ruhm in Mexico. So entschied man im Vorstand, sich mit drei Fahrzeugen an der dritten Carrera Panamericana vom 19. bis 23. November des Jahres zu beteiligen. Da die verbleibende Zeitspanne für die notwendigen Vorbereitungen eines Straßenrennens dieser Extremkategorie denkbar knapp war, eilte Rennfahrer Karl Kling bereits am Tag nach dem Vorstandsbeschluss in die Alpen, um bei Höhenversuchen die Zündung und die Vergaserdüsen des 300 SL auf die extremen mexikanischen Höhen von bis zu 3300 Meter einzustellen, mehr als 800 Metern höher als jeder europäische Pass. Um so früh wie möglich vor Ort zu sein, gingen Anfang Oktober 1952 die Fahrzeuge und die Servicemannschaft mit der „MS Anita” von Hamburg aus auf die mehrwöchige Seereise in die mexikanische Hafenstadt Veracruz. Ende des Monats folgten Alfred Neubauer mit den Fahrerteams Karl Kling/Hans Klenk und Hermann Lang/Erwin Grupp an Bord einer DC 6 der KLM von Stuttgart-Echterdingen via Amsterdam, Gander, Montreal und Monterey, damals eine strapaziöse Tortur von rund 2 Tagen. In Mexico wartete bereits der Pilot des dritten 300 SL, der junge amerikanische Rennfahrer John Fitch. Seine Begeisterung über seinen ersten Kontakt mit dem 300 SL, es war im Gegensatz zu den Coupés von Kling und Lang ein Roadster, hat er später wie folgt umschrieben: „Wenn das kein Rennwagen ist! Der unverkennbare Geruch eines besonders harten Bremsbelags, gemischt mit einem Hauch heißen Öls, hängt im Cockpit Gas- und Bremspedal sind ideal zueinander angeordnet, sodass man den rechten Fuß während des DaCabrio

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Bremsens zum Gaspedal hinüberschwenken kann. Das Getriebe ist ein Gedicht – es lässt sich ungewöhnlich leicht und präzise schalten.“ Vor Ort war große Eile und konzentrierte Vorbereitung angesagt. Nur drei Wochen verblieben den drei Dutzend Mercedes-Motorsportspezialisten, den Fahrern, Helfern und Mechanikern, um sich auf das extrem lange und harte Straßenrennen in schwierigsten geografischen und klimatischen Bedingungen vorzubereiten. In dieser kurzen Zeit gelang es, die 300 SL für die extremen Anforderungen tauglich zu machen. Überdies versuchten die Teams, sich die über 3100 Kilometer lange Strecke mit ihren ungezählten Kurven, schmalen Brücken und anderen Gefahrenquellen, die meistens bei hoher Geschwindigkeit vorher nicht auszumachen waren, zu notieren und einzuprägen.Am meisten Sorgen bereitete der ausgesprochen raue Asphalt, der in tausenden von Kurven das Reifenprofil im Zeitraffer regelrecht abfräste. Am Mittwoch, den 19. November 1952, fiel endlich der Startschuss: Ab 6:30 Uhr morgens gingen in Tuxtla Gutiérrez 90 Wagen (29 Sport- und 61 Tourenwagen) in Minutenabständen auf die Strecke. Zu den ebenso monumentalen wie optimalen Randbedingungen der Straßenrennen zählten rund 40000 Soldaten, 3 000 Sanitäter sowie 600 Funktionäre. 65 Flugzeuge transportierten Menschen und Material von Etappe zu Etappe. Wie sich in den Vorbereitungsfahrten angedeutet hatte, entwickelte sich das Rennen zur Materialschlacht. Für Kling und Klenk erwies sich bereits die erste Etappe als schicksalhaft. Kling, der mit 200 Kilometern pro Stunde auf eine lang gezogene Rechtskurve zuraste, erkannte die Geier zu spät, die neben der Straße hockten. Einer von ihnen flog auf und schlug durch die Frontscheibe des 300 SL. Beifahrer Hans Klenk wurde im Gesicht getroffen und war für kurze Zeit bewusstlos. Doch er bewältigte den Schock professionell:Als Klenk aus seiner kurzen Ohnmacht erwachte, rief er: „Karle, fahr weiter!”. Und Karl Kling gab weiter Vollgas. Rund 70 Kilometer später, beim Reifenwechsel, wäscht sich Klenk das Gesicht, Helfer klaubten Glasscherben und die Überreste des Vogels aus dem Wagen und schon preschten beide weiter in Richtung Etappenziel Oaxaca. Dort wurde Hans Klenk kurz untersucht und mit einem „vaya con Dios” als geheilt entlassen. Um sich vor weiteren Kollisionen solcher Art zu schützen, schraubten Kling und Klenk acht vertikale Stahlstreben vor die neue Frontscheibe und diskutierten über die zoologische Zugehörigkeit des toten Vogels. Man einigte sich schließlich auf eine Spannweite von 115 Zentimetern und auf das Gewicht fünf fetter Gänse. Im Rückblick machte der Zwischenfall, der die beiden Piloten eher anspornte, den Sieg und die Carrera Panamericana erst zur Legende. Weiter hasteten die Mercedes-Teams in ihren 300 SL durch Mexico: Karl Kling und Hans Klenk, Hermann Lang und

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Erwin Grupp, John Fitch und Eugen Geiger. Die Gebirgsetappen gehören zu den gefährlichsten Straßen der Welt; mit tückischem, abschüssigen Profil, abrupten Windungen und gemeinen Haarnadelkurven fordern sie Bremsen, Fahrwerk und Reifen sowie Mut und Konzentration des Piloten extrem. Zu beiden Seiten der Piste klaffen Felsspalten und Schluchten mit bis zu 300 Meter Tiefe. Doch allzu große Vorsicht bremst. So sorgten die 300-SLPiloten auf ihre Art vor: Hans Klenk hatte bei der Erkundungsfahrt wesentliche Gefahrenstellen mitsamt Kilometerangaben notiert. Kling war zunächst nicht überzeugt von dieser mühsamen Schreibarbeit; doch nach einigen Tests gab er zu: „An der Sache scheint was dran zu sein.“ Der Erfolg bestätigte es, und deshalb gilt Hans Klenk als der veritable Erfinder des so genannten Gebetbuches, das sich nach wie vor bei jeder Rallye als unverzichtbares Hilfsmittel erweist. Karl Kling konnte sich also neben seinem enormen Instinkt unbekannte Strecken sehr schnell „auf Sicht“ zu fahren auch auf diesen Aufschrieb berufen. Die mörderische Strecke fordert Mensch und Material, Fahrer und Beifahrer retten sich mit kleinen Reparaturen über die Etappen. Die Mechaniker sind die stillen Helden; sie wechseln am Ende der Etappen Übersetzungen, Scheiben, Reifen, Kupplungen, Stoßdämpfer,Türen; oft auch die durchschwitzten Hemden. Am letzten Tag der Carrera Panamericana gingen Karl Kling und Hans Klenk als Viertplatzierte an den Start. Kling und Klenk „flogen“ dann in einer Fabelzeit über die letzte Etappe und siegten überlegen vor tausenden begeisterten Zuschauern aus Mexico und Texas. Karl Kling: „Auf einigen der Etappen fuhren wir so schnell, dass Rennleiter Alfred NeuDer Amerikaner John Fitch fuhr den dritten 300 SL, der im Gegensatz zu den Coupés von Kling und Lang ein Roadster war



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