DAIMLER TECHNICITY

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AUSGABe 02 2010 MaGaZin fÜr innoVation teChnoloGie MoBilitÄt

TECHNICITY MAGAZIN FÜR INNOVATION TECHNOLOGIE MOBILITÄT

TECHNICITY

CHANCE DER ZELLE Noch nie war die Brennstoffzellentechnologie dem integrierten Serieneinsatz so nahe.

TECHNICITY MAGAZIN issn 2190-0515

FÜR

Eine Publikation der Daimler AG © Stuttgart 2010

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MoBilitÄtsKonZePte

innoVationsProZesse

Warum neue Mobilitätskonzepte zur Verbesserung des Individualverkehrs in Metropolen beitragen.

Wie Komfort messbar wird – und Kunden Innovationsprozesse in Unternehmen mitgestalten.

intelliGentes liCht

ideenManaGeMent

Wie intelligente Lichttechnologien für noch mehr Sicherheit und Wohlbefinden sorgen.

Warum heute modernes Ideen- und Patentmanagement für Unternehmen unverzichtbar ist.

INNOVATION TECHNOLOGIE MOBILITÄT

AUSGABE 02 2010

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• Kunde: Mercedes-Benz

Eine Marke der Daimler AG

Zukunft ab Werk.

• Jung v. Matt

• 216 x 279 mm

Die C-Klasse BlueEFFICIENCY ist die effizienteste C-Klasse, die jemals gebaut wurde. Dank der innovativen Motorentechnologie ist sie nicht nur sparsamer, sondern auch kraftvoller. BlueEFFICIENCY ist unser Weg zur emissionsfreien Mobilität. Jetzt in über 85 Mercedes-Benz Modellen. Schneller von heute nach morgen. www.mercedes-benz.de/blueefficiency

Wasser ist die Kohle der ZuKunft „die energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen strom zerlegt worden ist. die so zerlegten elemente des Wassers, Wasserstoff und sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die energieversorgung der erde sichern.“ Jules Verne (aus: Die geheimnisvolle Insel, 1874)

Unsere BlueEFFICIENCY Modelle: C 200 CDI, C 220 CDI, C 250 CDI, C 250 CDI 4MATIC, C 350 CDI, C 350 CDI 4MATIC, C 180 CGI, C 200 CGI, C 250 CGI, C 350 CGI. Kraftstoffverbrauch kombiniert: 4,4–8,9 l/100 km; CO -Emission kombiniert: 117–208 g/km. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen.

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TECHNOLOGIE Wenn man genau hinschaut, sieht die Mobilit채t von morgen bestechend simpel aus: ein Brennstoffzellenstack in Nahansicht.

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in the CitY Ein Mercedes-Benz Citaro FuelCELL-Hybrid mit Elektromotor und Brennstoffzellentechnologie beim Einsatz in Hamburg

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CHANCE TECHNOLOGIE Um die sichersten Fahrzeuge der Welt zu bauen sind neben Computersimulationen reale Crashtests nicht mehr wegzudenken. Hochgeschwindigkeitsvideotechnik

125! JAHRE INNOVATION – dafür stehen wir bei Daimler. Als Innovationstreiber sind von uns in dieser Zeit viele wegweisende Entwicklungen und Trends für die gesamte Automobilindustrie auf den Weg gebracht worden. Heute wie damals geht unser Blick weit über die Entwicklung von Fahrzeugen hinaus: Die Mobilität der Zukunft, wie wir sie verstehen, birgt viele Facetten. Wir bei Daimler verstehen dies als Chance und handeln entsprechend.

und Sensoren erfassen die wesentlichen Daten in Sekundenbruchteilen. Seite 10

Die Hightechrevolution, wie wir sie zum Beispiel mit der Kaltstartfähigkeit von BRENNSTOFFZELLENSYSTEMEN erzielt haben, bestätigen uns hierbei. Heute ist der integrierte Serieneinsatz dieser Technologie in einem emissionsfreien Elektrofahrzeug in greifbare Nähe gerückt. Und sie wird die Elektromobilität der Zukunft wesentlich verändern.

TALENTE Das Prinzip der Leichtbauweise wird in modernen Technologieprodukten immer konsequenter umgesetzt. Ein Ziel ist die Einsparung von Ressourcen bei deren Herstellung und Nutzung. Seite 62

TOLERANZ Wir verändern uns täglich und damit auch unsere Definition und Wahrnehmung von Komfort. Was werden wir in Zukunft als angenehm empfinden? Wie Komfort messbar wird – und Kunden Innovationsprozesse in Unternehmen mitgestalten.

Ein leistungsfähiges IDEEN- UND PATENTMANAGEMENT ist dabei unverzichtbar, denn es bildet den visionären Horizont eines Unternehmens und seiner Forschungs- und Entwicklungsleistungen ab – und treibt dessen Dynamik an. Die Tradition, die Gottlieb Daimler und Carl Benz vor fast 125 Jahren mit ihren Patentanmeldungen begonnen haben, verpflichtet uns bis heute - und fordert uns jeden Tag aufs Neue heraus. Eine solche Dynamik wird auch die STÄDTE VON MORGEN rasant verändern. Mobilität ist dort bereits ein intelligent vernetztes Geflecht aus hyperlokalen Informations- und Mobilitätssynapsen. Maßgeschneiderte, vollflexible, preiswerte und ökologisch effiziente Transportsysteme setzen sich durch. Mit unserem Mobilitätskonzept CAR2GO und unserer Web-2.0Mitfahrzentrale CAR2GETHER haben wir bereits Zukunftstrends in Deutschland und den USA antizipiert. Die Reaktionen auf solche neuen Konzepte sind weltweit überragend.

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Erfahren Sie mehr über diese und weitere Themen! Viel Freude bei der Lektüre von TECHNICITY wünscht Ihnen Ihr Thomas Weber Vorstandsmitglied der Daimler AG, verantwortlich für Konzernforschung und Entwicklung Mercedes-Benz Cars

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TRANSFER

Intelligentes Licht

Sensorgesteuerte Stadt

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Mobilitätskonzepte

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CHANCE DER ZELLE Die Brennstoffzellentechnologie rückt dem Serieneinsatz immer näher. • TECHNOLOGIE Von der Vision bis zum Antriebskonzept: die Brennstoffzelle zwischen Alltagseinsatz und faszinierender Zukunfts– technologie • SYSTEM Das Antriebssystem aus Elektromotor, Batterie und Brennstoffzelle: das Zusammenspiel der Hightechelemente in Mercedes-Benz F-CELL-Fahrzeugen im Überblick • INFRASTRUKTUR Von der Produktion bis in den Tank: Wie kommt der Energieträger Wasserstoff heute und morgen zur Anwendung? • EXPERTENSICHT Warum Wasserstofftechnologie die Basis einer dritten industriellen Revolution sein könnte, erklärt Jeremy RIFKIN, Präsident der „Foundation on Economic Trends“.

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INDEX

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Neue Technologien sind unverzichtbarer Treibstoff für Innovationen und den Fortschritt im 21. Jahrhundert – spannend, elektrisierend und faszinierend.

„Der Kampf um Talente entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg“, sagt Richard FLORIDA, US-Ökonom. In den Innovationsregionen definieren Kreative die Zukunft.

Toleranz, Offenheit und kulturelle Vielfalt sind entscheidend für wirtschaftliches Wachstum in Metropolen – und Ausdruck eines neuen urbanen Lebensstils.

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TECHNOLOGIE

Sicherheitsstrategie Um die sichersten Fahrzeuge der Welt zu bauen, sind neben Computersimulationen reale Crashtests nicht wegzudenken. Modernste Videotechnik und Sensoren erfassen die wesentlichen Daten in den entscheidenden Sekundenbruchteilen, die ein Crash dauert.

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TALENT

Faszination Brennstoffzelle Die Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie schreitet mit großen Schritten voran. Der integrierte Serieneinsatz im Fahrzeug ist in greifbarer Nähe.

Mobilitätskonzepte Die Stadt von morgen ist ein intelligent vernetztes Geflecht aus hyperlokalen Informations- und Mobilitätssynapsen. Maßgeschneiderte, vollflexible, preiswerte und ökologisch effiziente Transportsysteme setzen sich durch.

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CHANCE DER ZELLE

METROPOL

SPEKTRUM

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Treibstoff der Zukunft Wachsende Energieansprüche und knapper werdende Ressourcen: Welchen Beitrag Biokraftstoffe zum Energiemix leisten können, wird heftig diskutiert.

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ANALOGIE

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POSITION Ideenmanagement Modernes Ideen- und Patentmanagement bildet den visionären Horizont eines Unternehmens ab – und hält dessen visionäre Dynamik am Laufen.

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Materialstrategie Das Prinzip der Leichtbauweise wird in modernen Technologieprodukten immer konsequenter umgesetzt. Ein Ziel ist die Einsparung von Ressourcen bei deren Herstellung und Nutzung.

Innovationsprozesse Wir verändern uns täglich und damit auch unsere Definition und Wahrnehmung von Komfort. Was werden wir in Zukunft als angenehm empfinden? Wie Komfort messbar wird – und Kunden Innovationsprozesse in Unternehmen mitgestalten.

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Intelligentes Licht LEDs und eine digitale Lichtsteuerung sorgen für eine verbesserte Sicherheit und steigern das Wohlbefinden. Vom Scheinwerfer bis zur Straßenlampe lässt LED-Technologie unsere Beleuchtung intelligent und interaktiv werden.

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DIGITAL

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TRANSFER Sensorgesteuerte Stadt Am SENSEable City Lab des MIT untersuchen Forscher, wie digitale Technologien Städte und damit auch das Leben und die Arbeit von Millionen von Menschen in einem von Technologie geprägten Umfeld verändern und prägen.

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TOLERANZ

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IMPRESSUM UND KONTAKT

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PROJEKTOR

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Mehr Sicherheit auf den Straßen: Unsere Innovationen helfen, Unfälle zu vermeiden. Das Fahren mit vorausschauenden Assistenzsystemen findet immer mehr Freunde: Der „Active Brake Assist“ in unseren Mercedes-Benz Actros warnt den Fahrer, wenn der Abstand zum Vorausfahrenden zu gering wird und ein Unfall droht. Der elektronische Assistent bremst das Fahrzeug sogar bis zum Stillstand ab, wenn es notwendig ist. Mit dieser Innovation bietet Daimler Lösungen für weniger Unfälle im Straßenverkehr. Damit kommen wir unserer Vision vom unfallfreien Fahren wieder ein Stück näher.

www.daimler.com www.daimler.mobi

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Simulation

Region

geneRation

etwa 500 mal pro Jahr werden im süddeutschen Sindelfingen Fahrzeuge von mercedes-Benz crashtests unterzogen. Die gesammelten Daten aus der Simulation von Unfällen sind die Grundlage zur maximierung der passiven Fahrzeugsicherheit. (Seite 10) Globaler Fokus auf Technologie und innovation: TechniciTy präsentiert die spannendsten hightechnews aus jeder innovativen Region europas, asiens und nordamerikas sowie Kommentare und Perspektiven internationaler Wissenschaftsjournalisten. (Seite 22) Um weltweit wachsenden energieansprüchen begegnen zu können, ist es nicht allein ausreichend, die energieeffizienz zu steigern oder weitere fossile energiequellen zu erschließen. Während der potenzielle Beitrag von Biokraftstoffen zum energiemix diskutiert wird, werden Biokraftstoffe der zweiten geneRation bereits in nutzfahrzeugen getestet. (Seite 28)

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TexT Andreas KUNKEL

FOTOGRAFIe Stefan HoHLocH

Im BruchteIl eIner Sekunde damIt dIe SIcherheIt aller verkehrSteIlnehmer nIcht alleIn von computerSImulatIonen aBh채ngIg ISt, werden Im S체ddeutSchen SIndelfIngen t채glIch craShS durchgef체hrt.

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PARAMETER NAMe: crashhalle Sindelfingen, Deutschland GRüNduNG: 1975 MITARbeITeR: ca. 150 TesTs: ca. 500 Aufpralltests im Jahr sTANdORT: Werkshalle 16

Berlin

Stuttgart sINdelFINGeN

duMMys, dATeN uNd deTAIlARbeIT 30 verschiedene Aufprallsituationen muss ein Fahrzeug sicher bestehen, um internationale Zulassungsanforderungen und ratings zu erfüllen. Bei Daimler werden darüber hinaus viele weitere crashversuche durchgeführt, deren Anforderungen zum Teil weit über die gesetzlichen Bedingungen hinausgehen. So hat beispielsweise allein die aktuelle mercedes-Benz E-Klasse im Laufe ihrer mehrjährigen Entwicklung mehr als 150 reale crashtests und 5.000 wirklichkeitsgetreue crashtestsimulationen mit dem Gesamtfahrzeug absolviert. insgesamt finden im Sindelfinger Entwicklungszentrum jährlich rund 500 Aufprallversuche statt. Dabei kommen rund 150 Sensoren in und an den Dummys und weitere 50 bis 100 messaufnehmer im Fahrzeug zum Einsatz. Die Auswertung der so gewonnenen Daten dauert rund eine Woche.

Ruhe vOR deM cRAsh Das Tor, hinter dem das Testfahrzeug bereitsteht, ist noch geschlossen. Die Seilzuganlage im Hallenboden dient der exakten Beschleunigung auf die gewünschte Geschwindigkeit.

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leTzTe vORbeReITuNGeN Das Fahrzeug, eine mercedes-Benz E-Klasse, wird mit crashdummy und messmarkierungen pr채pariert.

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GeGNeR Aus sTAhl mit 56 km/h wird das Testfahrzeug frontal auf eine unverrĂźckbare Stahlwand prallen. Die Scheibe im Boden ermĂśglicht die visuelle Datenerfassung auch von unten.

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MAKROSKOP

experimental-sicherheits-Fahrzeug 2009 Das ESF 2009 ist das erste Experimental-SicherheitsFahrzeug von Mercedes Benz seit 1974. Wie seine historischen Vorgänger fasst es wegweisende und teils unkonventionelle Innovationen auf dem Gebiet der Sicherheit zusammen. Das Fahrzeug, das auf Basis eines Mercedes-Benz S 400 Hybrid entwickelt wurde, demonstriert damit am „fahrenden Objekt“, woran die Daimler-Sicherheitsexperten momentan forschen, und zeigt neue Ansatzpunkte zur weiteren Steigerung der Fahrzeugsicherheit. Zu seinen bedeutendsten Merkmalen gehören unter anderen: • PRE-SAFE Structure: Im Falle des Falles erhöhen aufblasbare Metallstrukturen die Stabilität der Türverstärkungen. • Braking Bag: Prognostiziert das Fahrzeug einen Aufprall, entfaltet sich der „Braking Bag“ 100 Millisekunden vor der Kollision und bremst das Fahrzeug über einen Reibbelag zur Fahrbahn ab. • Interactive Vehicle Communication: Über Ad-hocNetzwerke und WLAN-Funktechnik kann das ESF 2009 mit anderen Fahrzeugen kommunizieren, beispielsweise, um Schlechtwetter- oder Hinderniswarnungen zu empfangen und zu senden. • PRE-SAFE Pulse: Bei einem Seitencrash wird die Belastung des Oberkörpers der Insassen bis zu einem Drittel reduziert, weil sie mithilfe eines aufblasbaren Lehnenpolsters um bis zu 50 Millimeter zur Fahrzeugmitte bewegt werden. • Spotlight-Lichtfunktion: Das partielle LED-Fernlicht strahlt potenzielle Gefahrenstellen an. Erkennt die Infrarotkamera des Nachtsicht-Assistenten Plus beispielsweise Wild in der Ferne oder Personen auf der Fahrbahn, können diese wie mit einem Richtscheinwerfer über den ausgeleuchteten Fernlichtbereich hinaus kurz angestrahlt werden.

Knautschzone Das Testfahrzeug ist vom Hindernis abgeprallt und zum Stehen gekommen. Die Frontairbags sind ausgelöst und die Türen lassen sich nach wie vor mit geringem Kraftaufwand öffnen.

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dER wEG ZUm UNfallfREIEN fahREN

INtEGRalE SIchERhEItSphIlOSOphIE BEI daImlER

die daimler-Strategie für Sicherheit

VORBEUGEN

REaGIEREN

SchÜtZEN

REttEN

• den Fahrer permanent entlasten • schwierige Situationen aktiv mit dem Fahrzeug meistern • die Verkehrsteilnehmer bestmöglich schützen

sicher fahren, rechtzeitig warnen und assistieren

bei Gefahr mit PRE-SAFESystemen reagieren

beim Unfall bedarfsgerecht schützen

nach dem Unfall Schlimmeres vermeiden und schnell helfen

aktive Sicherheit

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passive Sicherheit

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uNFAllheRGANG Der Kühler des Testfahrzeugs hat einen deutlichen Lackabdruck auf dem Hindernis hinterlassen. Kameras haben den Aufprall über einen Auslöser in Bodennähe festgehalten.

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hART IM NehMeN Vollgestopft mit modernster Sensortechnik liefern crashtestdummys detaillierte informationen über die körperlichen Belastungen während eines Unfalls.

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SIcherheIt ISt eIne ganzheItlIche aufgaBe, dIe weIt üBer dIe erfüllung von craShteStnormen hInauSgeht cRAshTesTduMMys mit dem ersten crashtest gilt der 10. September 1959 als Geburtsstunde moderner und richtungweisender Sicherheitstests bei Daimler. Denn seit diesem Tag führen immer ausgefeiltere crashversuche zu immer aussagekräftigeren Ergebnissen, um den Schutz der Verkehrsteilnehmer zu verbessern. Heute gehören akribisch vorbereitete crashtests und hochentwickelte crashtestdummys zu den Selbstverständlichkeiten der Entwicklung passiver Sicherheit. immerhin sind in jeder minute weltweit knapp vier millionen menschen am Verkehrsgeschehen beteiligt. in 20 Jahren wird sich der heutige Pkw-Bestand weltweit verdoppelt haben und in 40 Jahren werden rund zwei milliarden Personenwagen zugelassen sein. in der crashhalle in Sindelfingen wurden deshalb seit ihrer inbetriebnahme im Jahr 1975 und einer grundlegenden modernisierung im Jahr 1998 weit über 10.000 crashversuche durchgeführt. Getestet werden die einzelnen Konfigurationen dabei in verschiedenen Entwicklungsphasen und mit unterschiedlichen motoren- und Getriebevarianten. Dabei untersuchen die ingenieure unterschiedlichste Unfallsituationen: darunter auch der Frontalaufprall mit 56 km/h gegen die starre Wand und der offsetcrash mit 64 km/h, also der Kollision nur eines Teils der Fahrzeugfrontseite gegen ein Hindernis. Getestet wird auch das Verhalten des Fahrzeugs bei beispielsweise einem Seitencrash, dem Aufprall auf einen Pfahl, einem Heckcrash, in Bezug auf die Kindersicherheit oder auf den Fußgängerschutz. Zum Versuchsprogramm gehören 30 Aufprallkonfigurationen, die für die weltweite Zulassung neuer Automobile vorgeschrieben sind. Zusätzlich testet mercedes-Benz die Sicherheit seiner Personenwagen noch bei vielen weiteren und besonders anspruchsvollen crashversuchen. Dazu gehören beispielsweise Überschlag- und Dachfallversuche sowie spezielle Frontal-, Seiten- und Heckcrashtests. Ziel all dieser Tests ist es, das Sicherheitskonzept eines Fahrzeugs auf das reale Verkehrsund Unfallgeschehen auszurichten, alle Elemente des Sicherheitsschutzes aufeinander abzustimmen und Verkehrsteilnehmer optimal zu schützen. Dafür verfügt die crashhalle über eine bis zu 92 meter lange Beschleunigungsstrecke. Auf der ersten Hälfte der Anlaufstrecke werden die Fahrzeuge mithilfe einer Seilzuganlage beschleunigt und in der zweiten Hälfte exakt auf den gewünschten Geschwindigkeitswert geregelt. Danach koppelt sich das Aggregat aus und das Fahrzeug trifft samt seiner künstlichen insassen beispielsweise auf eine deformierbare Barriere oder überschlägt sich mithilfe einer rampe. Der eigentliche crash „dauert“ dann nur rund 100 bis 150 millisekunden: Während dieses Sekundenbruchteils registrieren bis zu 200 Sensoren jede reaktion von dem Fahrzeug und den Dummys. Jeder Sensor ist mit einem eigenen iD-System ausgestattet, sodass sich die gewonnenen Daten später einwandfrei zuordnen lassen. Zusätzlich filmt und speichert modernste Videotechnik den Verlauf mit 1.000 Bildern pro Sekunde, sodass sich der crashversuch später auch optisch und in Superzeitlupe auswerten lässt. Außerdem wird eingedrungenes material (sogenannte intrusionen) und entsprechende Verformungen millimetergenau vermessen. Auch die Kräfte, die für das öffnen der Türen

nötig sind, werden genau bestimmt. crashtests sind der augenscheinlich spektakuläre Teil der Daimler-Sicherheitsphilosophie. Sicherheit aber ist eine ganzheitliche Aufgabe, die weit über die Erfüllung von crashtestnormen hinausgeht. Die Daimler-ingenieure verwenden deshalb vergleichbares Engagement etwa zur Entwicklung des Experimental-Sicherheits-Fahrzeugs ESF 2009 oder auch für die Unfallforschung: Weil sich das Sicherheitskonzept von Daimler an der „real Life Safety“-Philosophie und damit am realen Unfallgeschehen orientiert, analysieren Daimler-Experten jährlich rund 130 bis 170 Unfälle, an denen Daimler-Pkw oder -Nutzfahrzeuge beteiligt sind. Sie erforschen das Deformationsbild, untersuchen die Unfallstelle und eventuelle Verletzungen der insassen. Aus ihren Fotos, Skizzen und dem Unfallbericht lassen sich später auch computersimulationen erstellen, mit denen rückschlüsse auf den Hergang gezogen werden können. computersimulationen ergänzen die klassischen Tests in der Sindelfinger crashhalle. Auch wenn sie reale Tests vermutlich nie ersetzen werden: Sie erweitern die Palette der möglichkeiten, um das Zusammenspiel der diversen Bauteile und Systeme zu verstehen und auf dieser Basis maßnahmen zu erarbeiten. Dafür führen die ingenieure in jeder Entwicklungsphase eines Fahrzeugs mehrere Tausend crashberechnungen durch. rund 5.000 mal ist ein Fahrzeug in einen virtuellen Unfall verwickelt, bevor es in der crashhalle seine letzten (realen) Sicherheitstests bestehen muss, um den allgemeinen gesetzlichen Standards und den deutlich höheren Sicherheitsanforderungen von Daimler zu entsprechen und zugelassen zu werden.

HYPERLINK Weitere Informationen zu diesem Beitrag finden Sie unter:

daimler-technicity.com/crash unter anderem mit folgenden Features: • FOTOGAleRIe Safety first: ausführliche Bildergalerie zur mercedes-Benz crashhalle • INTeRvIew „Wir verlassen uns nicht nur auf den computer“: rodolfo ScHöNEBUrG, Leiter Passive Sicherheit und Fahrzeugfunktionen bei Daimler, über crashtests zur Sicherheitsoptimierung • vIdeO Demonstration am „fahrenden objekt“: Das Experimental-SicherheitsFahrzeug (ESF) • hINTeRGRuNd Zahlen, Daten und Fakten: Detailinformationen zur mercedes-Benz crashhalle

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SPEKTRUM HocHgescHwindigkeitsdetektor für gefäHrlicHe Bakterien (Daejeon, Südkorea) Durch das schnelle und akkurate Finden von pathogenen Keimen ließen sich zahllose Menschenleben retten. Das Korea Advanced Institute of Science and Techno­ logy (KAIST) hat jetzt einen Sensor ent­ wickelt, der potenziell tödliche Keime binnen weniger Stunden finden kann. Bislang sind dafür Tests von bis zu drei Tagen erforderlich, wobei die Fehlerquote oft bei über 50 Prozent liegt. Während dieser Zeit sind manche Pa­ tienten bereits gestorben. Der neue Sensor funktioniert mit äußerst dünnen Goldfäden im Durchmesser von Nanometern, an denen DNA­Agenten zur Identifizierung der Keime hängen. Für 47 verschiedene Typen von Bak­ terien liegt die Erfolgsquote bei 99 Prozent. homelandsecuritynewswire.com

daeJeon, südkorea

tokio, Japan

seoul, südkorea tsukuBa, Japan

singapur

asien HIGHTECHNEWS AUS DER INNOVATIONSREGION „Das Jahr 2010 markiert den Beginn der dreidimensionalen Ära in der digitalen Welt. Wer einmal räumliche Bilder erlebt hat, will dieses starke Sehgefühl wieder spüren.“ Martin FriTz, TECHNICITY­Korrespondent, Tokio

solarstroM für alle Im japanischen Tsukuba kann man sein E­Fahrzeug mit Solarstrom betanken.

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tsukuBa wird elektroMusterstadt (TSukuba, japan) Ex­ perten halten den Einsatz von batteriegetriebenen Elektrofahrzeugen nicht per se für umweltfreundlich. Eine Möglichkeit, Elektroautos groß­ flächig mit emissionsfrei gewonnenem Strom zu betanken, wird jetzt in der Universitätstadt Tsukuba 60 Kilometer nordöstlich von Tokio er­ probt. Im Rahmen eines Modellprojektes wird dort eine Infrastruktur für E­Autos aufgebaut, die mit umweltschonendem Solarstrom laufen. Dazu gehören Schnellladestationen an öffentlichen Orten wie den Parkplätzen einiger Mini­Supermärkte von FamilyMart. Solarzellen versorgen sie direkt mit Strom. Zwischen den Tankvorgängen wird der Solarstrom in Akkus gespeichert und beim Tanken als Gleichstrom abgegeben, was den Ladevorgang erheblich beschleunigt. Eine Reihe von Unternehmen unterstützt den Modellversuch. hybridmile.com

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PERSPEKTIVE Martin fritz Asien­Korrespondent und Buchautor, seit 2001

nanokristalle aus sauBerer produktion (Singapur) Forscher an der Uni­ versität Singapur haben einen schnelleren und sparsamen Weg zur Herstellung von Na­ nokristallen gefunden. Beteiligt waren auch Forscher der Universität Nanyang und der saudi­arabischen Abdullah­Universität. Die Kristalle werden in der Medizin und im Bio­ Imaging benutzt. a-star.edu.sg nanokristall Elektrische und thermodynamische Eigenschaften; geeignet zur Solarenergiegewinnung.

4-gigaBit-speicHercHips geHen in Massenproduktion (SeouL, Südkorea) Samsung, der weltgrößte Chiphersteller, hat mit der Massenfertigung von Speicherchips im Sub­50­Nanometer­Bereich begonnen. DRAM­Chips in dieser Dimension werden die Arbeitsspeicherkapazität eines Compu­ ters von derzeit 2 auf 4 Gigabit verdoppeln. fujitsu.com

solarzelle von sHarp Energieversorgung für Satelliten und Raumstationen

BiegsaMe solarzelle fürs weltall (Tokio, japan) Sharp hat eine neue Solarzelle für den Einsatz in Satelliten oder Raumstationen entwickelt. Sie ver­ wandelt nicht nur Licht in Strom mit sehr hoher Effizienz, sondern kann auch wie Papier gebogen und gefaltet werden. Die Zellen bestehen aus drei extrem dünnen Kristallschichten aus Indium­Gallium, Galliumarsenid und Indium­Galliumarsenid. Jede Schicht ist weniger als 20 Mikrometer dick. e.nikkei.com augenBewegungen steuern Mp3-spieler (Tokio, japan) Japans größ­ ter Mobilfunkkonzern NTT Docomo hat eine Methode entwickelt, das Handy oder den MP3­Spieler mithilfe von Augenbewegungen zu bedienen. Die Kopfhörer sind dabei gleichzeitig Elektroden, die eine Schwankung des elektrischen Potenzials zwischen den Augen messen können, wenn diese ihre Position verändern. Das elektrische Signal wird aufgefangen und über eine Software als Steuerbefehl für ein elektronisches Gerät wie ein Handy oder einen Musikspieler aufgefasst. telegraph.co.uk

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für den Norddeutschen Rundfunk (NDR Info) in Tokio

3-d-zeitalter Die digitale Welt betritt eine neue Dimension: Erst kamen die Kinobilder von „Avatar“, die uns auf einen fernen Plane­ ten entführten. Dann boten uns die ersten 3­D­Flachbildfernseher Fußballspiele so echt wie nie zuvor. Es folgten 3­D­Monitore für PC und Laptop und schließlich Kompaktkame­ ras, die räumliche Bilder mit einer einzigen Linse erzeugen können. Bei Nintendos trag­ barer Spielekonsole mit 3­D­Effekten, die ohne Brille zu sehen sind, gerieten sogar abgebrühte Technikfreaks ins Schwärmen. Ganz eindeutig markiert das Jahr 2010 den Beginn der dreidimensionalen Ära in der digitalen Welt. Sie verändert unsere visuellen Erfahrungen auf tiefe Weise. Denn bislang waren unsere Medien – ob Bild, Foto, Film, Fernsehen oder Internet – ausschließlich flach. Doch bald werden räumliche Bilder allgegenwärtig sein. Architekten und Ärzte, Designer und Ingenieure können so besser und leichter arbeiten. Bei Videokonferenzen bekommen wir einen viel umfassenderen und lebendigeren Eindruck von unseren Ge­ sprächspartnern. Im Internet wird das Format HTML gerade mit XML3D­Befehlen erweitert. Damit lassen sich sogar Schatten und Reflexionen ohne optische Tricks korrekt darstellen. Natürlich hat die neue Technik noch Kinderkrankheiten, etwa die Geister­ bilder bei LCD­Bildschirmen. Einige Nutzer reagieren mit Kopfschmer­ zen und Übelkeit. Die Übertragung von 3­D­Inhalten erfordert mehr Bandbreite im Netz. Und noch sind 3­D­Geräte teuer. Doch auch die ersten Flachbildfernseher hatten keine gute Bildqualität – trotzdem haben sie sich recht schnell durchgesetzt. Für den Siegeszug von 3­D spricht der Wow­Effekt: Wer einmal räumliche Bilder erlebt hat, will dieses starke Sehgefühl wieder spüren. 3­D­ Bilder sind natürlich: Wir Menschen sehen räumlich – und unser Gehirn erzeugt die drei Dimensionen mit den gleichen Tricks wie unsere digitale Technik.

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SPEKTRUM nordaMerika HIGHTECHNEWS AUS DER INNOVATIONSREGION „Eine neue Ära der Biotechnologie hat begonnen, gegen die der stürmische Siegeszug der Informationstechnologie bald wie ein laues Lüftchen aussehen wird.“ Steffan heuer, TECHNICITY­Korrespondent, San Francisco

Kanada

cHicago, usa san francisco, usa rocHester, usa

caMBridge, usa Batterie in sekunden Herstellung einer Batterie aus Kohlen­ stoff, Silberdrähten und ganz gewöhnlichem Papier

Mexiko

nanoteilcHen entsorgen cHolesterin (ChiCago, uSa) Wissenschaft­ ler in Chicago haben Nanopartikel entwickelt, um dem menschlichen Körper auf elegante Weise schädliches Cholesterin zu entlocken. Dr. Shad Thaxton, Urologe an der Northwestern University, designte die synthetischen Putzkolonnen gemeinsam mit seinem Kollegen Chad Mirkin vom National Institute for Nanotechnogy. Ihre Oberfläche ist mit Fetten und Proteinen beschichtet, sodass sich Cholsterol an sie bindet anstatt sich an Gefäßwänden abzulagern und Verengungen zu verursachen. Die unschädlich gemachte Fracht wird über den Blutkreislauf entsorgt und über die Leber ausgeschieden. Thaxton und Mirkin planen ihre Nanomedizin mit einer Firma namens AuraSense zu kommerzialisieren. technologyreview.com

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instantBatterie (San FranCiSCo, uSa) Forscher der Universität Stanford setzen Nanotechnologie ein, um in Sekundenschnelle eine hauchdünne, biegsame Batterie zu bauen. Dazu tauchen sie ein normales Blatt Papier in eine spezielle Tinte aus Kohlenstoffpartikeln und mikros­ kopisch dünnen Silberdrähten, in denen sich Energie speichern lässt. Die Instantbatterie funktioniert selbst dann noch, nachdem das Blatt zerknüllt wurde. Mit bis zu 40.000 Ladezyklen ist der hauchdünne Kondensator au­ ßerdem langlebiger als herkömmliche Lithium­Batterien, so Materialwissenschaftler Yi Cui. news.stanford.edu toaster aM netz (roCheSTer, uSa) Die Neugrün­ dung Tenrehte Technologies hat einen handlichen, in­ telligenten Stromzähler entwickelt, mit dem sich jedes Haushaltsgerät nicht nur überwachen, sondern auch per Handy steuern lässt, um den Energieverbrauch zu senken. Das Gerät namens PICOwatt sitzt zwischen Steck­ dose und Gerät und sendet Verbrauchsdaten in Echtzeit per WLAN. So hat jeder Toaster künftig seine eigene Webseite. tenrehte.com

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künstlicHe augen (San FranCiSCo, uSa) Wenn es nach den Plänen des Lawrence Livermore National Laboratory und des US­ Energieministeriums geht, werden Chirurgen in ein paar Jahren künst­ liche Netzhäute einpflanzen können, um Millionen von Blinden das Augenlicht wiederzugeben. Die Forscher arbeiten an drei kritischen Komponenten des bio­ nischen Auges: ein mit Elektroden beschichteter, hauchdünner Film, der die Netzhaut ersetzt, eine mikroskopisch kleine Steuereinheit, die mit dem Sehnerv verbunden wird und vom menschlichen Körper nicht abgestoßen wird, sowie neuartige chirurgische Werkzeuge, um das Hightech­Auge einzusetzen. Für den Prototypen ihrer künstlichen Retina namens Argus II haben die Livermore­Forscher bereits mehrere Innovationspreise gewonnen. publicaffairs.llnl.gov

PERSPEKTIVE steffan Heuer USA­Korrespondent für Brand Eins und die deutsche Ausgabe von Technology Review, Fachgebiete: Hightech und Ökonomie

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1 Die kamera an der Brille nimmt ein Bild auf und sendet die Informationen an den am Gürtel getragenen Videopro­ zessor.

2 Der prozessor setzt das Bild in ein elektronisches Signal um und sendet es an den Transmitter an der Brille.

Mikroprozessor konstruiert sicH selBst (CaMbriDge, uSa) Ein Team von MIT­Wissenschaftlern ist dem Traum vom Mikroprozessor, der sich wie von Geister­ hand selbst konstruiert, einen Schritt näher gekommen. Dazu kombinierten die Ingenieure zwei Polymerketten oder unterschiedlich lange Stränge von Molekülen. Ihr Verhalten lässt sich aufgrund ihrer chemischen Eigenschaf­ ten programmieren, sodass sie sich auf ei­ nem Chip in vorherbestimmte Bahnen legen wie ein Lasso um einen Pfosten. Mit der Methode könnten Chip­Designer schon bald Silizium­Schaltkreise der Zukunft entwerfen, für die herkömmliche Technologien nicht mehr präzise genug sind. web.mit.edu

3 Anschließend wird das elektronische Signal an den empfänger im Auge gesendet.

4 Die Daten werden zu elektroden an der netzhaut übertragen und über den Seh­ nerv ans Gehirn gesendet.

Bakterien unter deM Mikroskop Kontrollier­ bare Bewegungen wie in einem Uhrwerk

Bakterielle zaHnräder (ChiCago, uSa) Forscher der Northwestern University mischten Miniaturzahnräder mit gewöhnli­ chen aeroben Bakterien in einer Nährlösung. Sobald die ziellos umherschwimmenden Bak­ terien auf die Zahnräder trafen, begannen sie sich in eine bestimmte Richtung zu drehen. Je nach Konstruktion der Zahnradanordnung, so berichtete das Team, halten die emsigen Bakterien die Maschinerie wie ein Uhrwerk in Schwung. anl.gov DAIMLER­TECHNICITY.COM

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HandlicHe BiotecHnologie Craig Venter hält sich nicht mit Problemen auf, er löst sie. Erst schlug der eigenwillige Biologe eine Armee öffentlicher Labors im Wettlauf um die Entzifferung des menschlichen Ge­ noms, jetzt hat er als erster Wissenschaftler künstliches Leben geschaffen. Zuvor war es noch niemandem gelungen, Gott am Computer und im Reagenzglas zu spielen. Jetzt werden bald Handbücher vorlie­ gen, wie man am PC neues Erbgut entwirft und diese Bio­Software in Bakterien und andere Organismen einschleust. Damit hat die Evolution nach 3,5 Milliarden Jahren zum ersten Mal Konkurrenz bekommen. Die unmittelbaren Folgen liegen auf der Hand. Mit etwas Verfeinerung lassen sich neue Lebensformen entwerfen, die Krankheiten heilen und Energiesorgen lösen können. Aber der Kulturschock reicht viel tiefer: Eine neue Ära der Biotechnologie hat begonnen, gegen die der stürmische Siegeszug der Informationstechnologie bald wie ein laues Lüftchen aussehen wird. Biotechnologie 2010 entspricht den ersten Computern, die ganze Räume füllten. Doch am Horizont stehen kleine, handliche Bio­Computer für ein paar Hundert Dollar. Was heute noch wenigen Labors vorbehalten ist, wird in wenigen Jahrzehnten ein Volks­ sport sein ­ so wie Laptops und Smart­ phones ungeahnte Rechenleistung zum Zeitvertreib gemacht haben. Der Biotech­ Visionär Freeman Dyson beschrieb bereits vor Jahren eine neue Welt, in der Schüler und eifrige Hobbyforscher neue Lebens­ formen kreieren ­ so wie wir früher mit dem Chemiekasten spielten: „Genom­Design wird zur neuen Kunstform werden, die so kreativ wie Malerei oder Bildhauerei ist.“ Schon jetzt treffen sich in der Hightech­ hochburg San Francisco regelmäßig be­ geisterte Tüftler, „die Biotech zum Selber­ machen“ praktizieren. Behörden wie Firmen, die ihnen die Zutaten des Lebens liefern, wissen nicht genau, wie sie reagie­ ren sollen. Politiker und Forscher wären gut beraten, ethische Grenzen des DNA­ Designs so früh wie möglich abzustecken, bevor der Quellcode für neue Viren im Web steht und jeder Hacker seine eigenen Organismen brüten kann. 25

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SPEKTRUM

PERSPEKTIVE philipp Jarke Europa­Korrespondent in Hamburg und London für die internationale

gÖteBorg, schweden

Journalistenagentur „Zeitenspiegel“

augMented reality Erinnert sich noch jemand an Second Life? Vor zwei, drei Jah­ ren war die Welt der Avatare noch megahip, heute will niemand mehr etwas von ihr wissen. Zu Recht, wer verliert sich schon im Cyberspace, wenn er per Smartphone die virtuelle Welt mit der realen verschmelzen kann? Augmented Reality, die digital ange­ reicherte Realität, ist dabei, unseren Alltag zu verändern. Zum Beispiel beim Tennis­ turnier in Wimbledon: Zuschauer konnten quasi durch Wände gucken, wenn sie eine entsprechende Software auf dem Telefon installiert hatten und dieses auf die Stadien richteten. Auf dem Display erschien eine Liveübertragung der jeweiligen Matches. So musste niemand spektakuläre Ballwechsel verpassen, nur weil er sich die traditionelle Portion Erdbeeren mit Sahne kaufen ging: eine schöne Spielerei. In Zukunft wird Augmented Reality rele­ vantere Aufgaben erfüllen, etwa bei der Frage, welche Inhaltsangaben Lebensmittel­ konzerne auf Verpackungen angeben müs­ sen. Morgen könnten wir unser Smartphone auf die Verpackung richten ­ im Handumdre­ hen erhielten wir eine Analyse sämtlicher Inhaltsstoffe. Augmented Reality kann uns wertvolle Informationen liefern, wann und wo wir sie brauchen. Zu den führenden Anbietern zählt das niederländische Start­up Layar. Es kombiniert die Kompass­ und GPS­ Funktionen von Smartphones mit Hunderten Datenbanken im Internet. So weiß das Han­ dy, wohin wir schauen, und findet passende Informationen. Wer eine Wohnung sucht, spaziert durch sein favorisiertes Viertel und filmt per Handy die Häuser, in denen er gern wohnen würde – schon listet Layar freie Wohnungen dieser Adressen auf. Kritisch wird es, sobald nicht nur Tennisplätze und Häuser, sondern per Gesichtserkennung auch Menschen durchleuchtet würden. Fotos, kombiniert mit Profilen aus sozialen Netzwerken, würden uns ungefragt zu gläser­ nen Menschen machen. Hier sind techni­ sche und rechtliche Sicherheitsmechanis­ men gefragt, damit uns an dieser nützlichen und unterhaltsamen Entwicklung nicht der Spaß vergeht.

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london, großbritannien

MüncHen, deutschland reading, großbritannien

Barcelona, spanien

grüner Beton Laborversuch bestätigt luftreini­ gende Wirkung des neuartigen Baustoffs.

Beton reinigt die luft (LonDon, großbritannien) Ohne Beton kommt kaum ein modernes Gebäude dieser Welt aus. Das Problem: Bei der Herstellung von Zement, ei­ ner der wichtigsten Bestandteile von Beton, wird enorm viel Kohlendioxid freigesetzt – pro Tonne Zement bis zu 920 Kilogramm CO2. Das Unternehmen Novacem aus London will das jetzt ändern: „Grüner Beton“ soll nicht nur klimaneutral sein, pro Tonne soll er der Atmosphäre netto sogar 100 Kilogramm CO2 entziehen. Statt Kalk wird Magnesium­ oxid in den Zement gemischt, das sich mit dem CO2 der Luft zu Karbonaten verbindet und aushärtet. novacem.com

parkplatz oHne sucHe (barCeLona, Spanien) Hat die lästige Parkplatzsuche bald ein Ende? Forscher der Abteilung für Tele­ kommunikation und Anlagentechnik an der Autonomen Universität von Barcelona haben im Verbund mit WorldSensing und dem ka­ talonischen Centre for Telecommunications Technology ein System namens XALOC ent­ wickelt, das Autofahrer, mithilfe eines Netz­ werks von Sensoren, zur nächstgelegenen Parklücke dirigiert. Das drahtlose Netzwerk schickt die ge­ sammelten Daten in Echtzeit an Fahrerinnen und Fahrer. Dabei wird ein personalisierter Informationsfluss über eine portable Navi­ gatoreinheit ermöglicht, der Stau und Stress gleichermaßen vorbeugt. alphagalileo.org die Molekulare datenspeicHerung (reaDing, großbritannien) An der Univer­ sität von Reading ist es Chemikern gelungen, synthetische DNA zu erzeugen, die über gigantische Speicherkapazitäten verfügt. Die Inspiration dazu stammt vom menschlichen Genom, das eine enorme Informationsfülle auf winzigem Raum enthält. Diese biologisch­chemische Speicherung von Daten ist jetzt auf künstlichen Polymer­ ketten reproduziert worden und könnte den Weg in ein Informationszeitalter weisen, in dem der Datenaustausch auf molekularer Ebene erfolgt. reading.ac.uk

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e-HigHway (MÜnChen, Deutschland) Elektroautos haben derzeit noch einen großen Mangel: die Reichweite. Das Konzept „Speedway“ des Münchner Industriedesig­ ners Christian Förg lässt dieses Problem verschwinden: Die Straße wird einfach zum elektrischen Linearmotor. In die Fahrbahn von Autobahnen wird eine Spule integriert, in dessen elektromagnetisches Feld sich die E­Autos über einen Gegenpart berührungslos einklinken. Wie eine Magnetschwebebahn sausen die Elektro­ autos Hunderte Kilometer weit und können dabei sogar ihre Akkus für die nächsten Stadtfahrten aufladen. Gleich­ zeitig können konventionell angetriebene Autos weiterhin auf diesen Elektroautobahnen fahren. Der Autobahn­ umbau würde 8,5 Millionen Euro pro Kilometer kosten.

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Externer Linearmotor

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Elektromagnetisches Feld

3

Elektrofahrzeug

3

2

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christian-foerg.de

europa HIGHTECHNEWS AUS DER INNOVATIONSREGION „Augmented Reality, die digital angereicherte Realität, verändert unseren Alltag. Wir richten unser Smartphone auf eine Verpackung und erfahren sofort alles über die Inhaltsstoffe.“ Philipp jarke, TECHNICITY­Korrespondent, London

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1 Unterwasserdrachen von Minesto: Achtförmige Schleifenbewegung ermöglicht höheren Turbinendurchfluss. 2 Konventionelles System für Gezeitenkraftwerke: fest im Untergrund verankert

dracHen als wasserkraftwerk (gÖTeborg, Schweden) Mit einem Unterwasserdrachen will das schwedische Unternehmen Minesto die Gezeitenkraftwerksbranche revolutionieren. Statt fest im Untergrund sitzt die Turbine in einem Zugdrachen, ähnlich dem System für Containerschiffe von Skysails. Nur „fliegt“ der Minesto­Drachen unter Wasser. Durch ein Kabel, das am Grund verankert ist, wird der Drachen automatisch durch die Meeresströmung gelenkt und vollführt dabei eine achtförmige Schleife. Durch die Eigenbewegung des Drachens steigt die Geschwindigkeit des Wassers, das durch die Turbi­ ne strömt, auf das Zehnfache im Vergleich zur Meeresströmung. Dadurch können die Drachen an Stellen eingesetzt werden, wo das Wasser für konventionelle Gezeitenkraftwerke zu langsam strömt. Der Drachen hat eine Spannweite von 12 Metern, die Leistung soll ein halbes Megawatt betragen. Im kommenden Jahr werden die ersten Drachen unter realen Bedingungen vor der Küste Nordirlands getestet. minesto.com

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teXt Stephan WeNGeNROTh

FUELING THE FUTURE? um den weltweit wachsenden energieansprüchen begegnen zu können, ist es nicht allein ausreichend die energieeffizienz zu steigern oder weitere lagerstätten fossiler energiequellen zu erkunden. Die Notwendigkeit eines umweltschonenden und cO2-armen energiemix wird deutlich. Welchen Beitrag Biokraftstoffe hierzu leisten können, wird heftig diskutiert.

Co2-bILaNZIerUNg: weLL-to-wheeL-reChNer IM INterNet energiequelle

Prozess

kraftstoff

benzinfahrzeug der kompaktklasse

antrieb

0

5

0 holzreste

Sammlung > Straße > Zellstofffabrik > Vergasung und Dieselsynthese > Straße

Biomass-to-liquid (BTl)

40

Dieseldirekteinspritzung (DIcI)

10

80

120

15

160

Komplette Kette

Nur Fahrzeug

10,2

5,3

Komplette Kette

Nur Fahrzeug

5,8

124 Kraftstoffverbrauch in liter Benzinäquivalent pro 100 km Treibhausgasemissionen in Gramm cO2-Äquivalent pro km

Alternative Antriebe sind nicht zwangsläufig ein Garant für cO2-arme Mobilität. Für die Bilanzierung ebenso bedeutend wie die Verbrennung des Kraftstoffs sind die Verarbeitungsschritte bis zum Tank und die Wahl der richtigen Antriebstechnologie. Berücksichtigt man die Vielzahl aller Optionen, so entsteht eine letztlich schwer überschaubare Fülle an verschiedenen Zukunftsszenarien. einen „Vergleich auf Knopfdruck“ des jeweils spezifischen energieverbrauchs und der damit erzielbaren cO2-einsparungen ermöglicht im Internet der Well-to-Wheel-Rechner „Optiresource“. In einer beispielhaften energiekette (siehe oben) lässt sich die Gesamtbilanz bei der Motorisierung mit Biokraftstoffen aus holzresten ablesen.

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bIokraftstoffe Vs. koNVeNtIoNeLLe kraftstoffe: eIN eMIssIoNsVergLeICh NaCh PhaseN Auf dem Weg zur emissionsfreien Mobilität nehmen Biokraftstoffe der ersten und zweiten Generation die Stufe vor Wasserstoff aus regenerativen energiequellen ein. Dass sie im Verhältnis deutlich weniger emissionen im Betrieb verursachen (Mittelwerte in g cO2-Äquivalent / km), als konventionelle Kraftstoffe, macht sie für die Transportbranche besonders interessant. wtt (Well to Tank): Mittelwerte in g cO2-Äquivalent/km, um den Kraftstoff im Tank bereitzustellen

ttw (Tank to Wheel): Mittelwerte in g cO2-Äquivalent/km, um die Fahrzeuge im NeFZ zu betreiben

wtw (Well to Wheel): Mittelwerte in g cO2-Äquivalent/km für die gesamte Kette

druckwasserstoff Wind

wasserstoff, strom Basierend auf regenerativer energie

7,6 (WTT) +0,0 (TTW) 7,6 (WTW)

biokraftstoffe  (zweite generation) Basierend auf Biomasse

synthetischer diesel Restholz

–55,0 (WTT) +126,8 (TTW)

–116,7 (WTT) +126,8 (TTW)

71,8( WTW)

10,1( WTW)

biokraftstoffe      (erste generation)

druckbiogas Biomüll

biodiesel (100 %)  Raps

Äthanol (100 %)  Zuckerrohr

Basierend auf Biomasse

–75,6 (WTT) +107,6 (TTW)

–51,1 (WTT) +136,5 (TTW)

–114,5 (WTT) +135,9 (TTW)

32,0 (WTW)

85,4( WTW)

21,4( WTW)

erdgas (CNg),  Verringerte emission, weniger Co2

NexbtL Sonnenblumenöl

wasserstoff* Basierend auf erdgas *aus Dampfreformation

druckerdgas erdgas

druckwasserstoff  erdgas

26,3 (WTT) +107,6 (TTW)

82,2 (WTT) +0,0 (TTW)

133,9( WTW)

82,2 (WTW)

konventionelle kraftstoffe Basierend auf Rohöl diesel Rohöl

25,1 (WTT) +131,1 (TTW)

23,5 (WTT) +138,8 (TTW)

156,2( WTW)

162,3 (WTW)

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benzin Rohöl

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,1

NACHWACHSENDE KRAFTSTOFFE WELTWEIT weLtweIter bIokraftstoffhaNdeL Aufgrund regional unterschiedlicher Produktionsbedingungen und Nachfrage hat sich ein globaler Biokraftstoffmarkt entwickelt. Geschätzte Produktion und Verbrauch im Jahr 2015 (in Mrd. liter Benzineinheiten).

79,5 68,1

34,1 a

as

p ro

eu

24,6 n ie

7,2

3,8 a ik er m

a rd No en st

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49,2 z Pa

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6,8

1,5

a ik

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üd

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n te

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- u

l ra

22,7

Verbrauch im Jahr 2015 in Mrd. liter Benzineinheiten Produktion im Jahr 2015 in Mrd. liter Benzineinheiten

dIe grÖssteN bIokraftstoffProdUZeNteN (IM Jahr 2008)

eu 60 %

uSA 51 %

uSA 17 %

Brasilien 37 %

andere 12 %

china 4 %

Indonesien 4 %

eu 4 %

Malaysia 3 % Brasilien 2 %

Kanada 2 %

china 1 %

andere 2 %

Kanada 1 %

bioethanol 52,0 Mrd. liter

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biodiesel 10,2 Mrd. liter

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ob al gl

waChseNde NaChfrage NaCh bIokraftstoffeN Die Nachfrage nach Kraftstoffen im Straßenverkehr wird bis 2015 stark anwachsen. Biokraftstoffe werden hierbei eine immer größere Rolle spielen. Das Diagramm gibt die erwarteten regionalen

en

a

di In

Ch

0,2 %

20 10 20 15

0,2 Mtoe

des Weltbedarfs

0,1 Mtoe

0,4 %

des Weltbedarfs

1,5 Mtoe

2,8 %

0,7 Mtoe

8,4 Mtoe

10,4 Mtoe

des Weltbedarfs

1,7 %

20 10 20 15

19 %

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in

ik a La

20 %

20 10 20 15

20,5 Mtoe

15,4 Mtoe

20 10 20 15

18,0 Mtoe

des Weltbedarfs

14,8 Mtoe

38 %

des Weltbedarfs

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m

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eU

37 %

33 %

20 10 20 15

54,5 Mtoe

41,5 Mtoe (Megatonnen Öleinheiten)

36 %

20 10 20 15

Quelle: u.S. Department of energy, World Biofuels Production Potential (2008), FAO – Biofuels: prospects, risks and opportunities (2008), FAPRI 2008 u.S. and World Agriculture Outlook

entwicklungen unter der Bedingung unveränderter politischer Situationen an.

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beNZIN, dIeseL, erdgas: fossILe kraftstoffe koMMeN aNs LIMIt ein Jahrhundert lang war die Frage, mit welchen Kraftstoffen wir die Mobilität gewährleisten, einfach zu beantworten. ebenso klar ist auch, warum dies in Zukunft nicht so bleiben kann: erstens, weil die weltweiten Vorräte an erdöl und erdgas unwiederbringlich zur Neige gehen. um der globalen Nachfrage zu entsprechen, müssen immer schwieriger zu erreichende Vorkommen erschlossen werden. Bereits in den kommenden Jahrzehnten werden sich die Förderkosten der fossilen energieträger also erheblich verteuern. Zweitens muss in den kommenden Jahren den Anforderungen des Klimaschutzes Rechnung getragen werden. eine der Aufgaben dabei ist es, die Nutzung fossiler energieträger zugunsten von regenerativen energien zu verringern. Für den Straßen- und Güterverkehr, der in Industriestaaten wie Deutschland für rund 20 Prozent der Kohlendioxidemissionen verantwortlich ist, bedeutet dies, dass alle Möglichkeiten geprüft werden müssen, effiziente Antriebstechnologien und klimafreundliche Kraftstoffe zu nutzen. Stefan Bringezu, leiter der Gruppe Biofuels des Weltressourcenrates: „Beides zusammen kann den größten Gewinn für die cO2-Bilanz bringen.“

PreIsgefÄLLe: kosteN Pro gIgaJoULe bIokraftstoff (euro pro Gigajoule)

cellulose

31 €

Weizen

24 €

Raps

24 €

Soja

23 €

Zuckerrüben

22 €

Mais

20 €

Zuckerrohr

19 €

Jatropha

12 €

JatroPha – gÜNstIger rohstoff fÜr bIodIeseL  Auf einem 100 hektar großen Areal im indischen Bundesstaat Tamil Nadu wächst Jatropha, ein Grundstoff für Biodiesel. Die zusätz-

„Auch die fortschrittlicheren Biokraftstoffe können nur einen Teil der Treibstoffnachfrage decken.“

liche erwerbsquelle für die Bauern wurde mit unterstützung einer Daimler-Bürgschaft initiiert: Die Bauern erhalten Kleindarlehen, um die Ausgaben der ersten fünf Jahre finanzieren zu können. Daimler übernimmt eine Abnahmegarantie. Ab dem fünften Jahr zurückgezahlte Darlehen werden für Kredite an weitere Klein-

stefan brINgeZU

bauern eingesetzt. So entsteht ein Kreislauf, der die wirtschaftliche

leiter der Gruppe Biofuels des Weltressourcenrates

Situation der Dorfgemeinschaften nachhaltig stützt.

Biokraftstoffe der ersten Generation, die aus dem Öl von Raps, Sonnenblumen oder Ölpalmen oder als Alkohol aus Zuckerrohr, Mais oder Weizen gewonnen werden, können den cO2-Ausstoß zwar theoretisch verringern. In der Praxis jedoch sind positive ergebnisse keinesfalls gesichert. Zwar ist die Rechnung korrekt, dass bei ihrer Verbrennung nicht mehr Kohlendioxid entsteht, als die Pflanzen während ihrer Wachstumsphase aus der Atmosphäre aufgenommen haben. eine solche Betrachtung greift jedoch zu kurz. Denn entscheidend ist die cO2-Bilanz entlang der gesamten erzeugungs- und Verarbeitungskette der Biokraftstoffe. und nicht zuletzt kommt es beim Gesamtergebnis auch auf die Kombination aus Kraftstoffalternativen und den dazu passenden Fahrzeugtechnologien wie effizientere Benzin- und Dieselmotoren oder hybride Antriebskonzepte an. um trotz dieser komplexen Fragestellungen entscheiden zu können, welche lösungen einen optimalen Beitrag zum Klimaschutz bieten, arbeiten die Ingenieure bei Daimler in einer Reihe von Forschungskooperationen mit. eines der ergebnisse ist ein Well-to-Wheel-Rechner, eine Softwarelösung, mit der sich der Kraftstoffverbrauch und die cO2-Bilanz unterschiedlichster Kombinationsmöglichkeiten aus energiequelle, Kraftstoffart und Fahrzeugtechnik vergleichen lassen. Grundlage der errechneten Werte bilden dabei die im Rahmen einer europäischen Studie durchgeführten Analysen der einzelnen Biokraftstoffe, von der „Quelle bis zum Rad“, also von der erzeugung der Biomasse über die Raffinierung bis zum einsatz der daraus gewonnenen energie im Fahrzeug. ein Teil der erfassten Möglichkeiten, wie etwa die Verwendung wasserstoffbetriebener Brennstoffzellen, ist allerdings derzeit noch nicht im breiten einsatz im Straßen- und Güterverkehr. In der Realität längst angekommen sind dagegen Biodiesel und aus Pflanzen gewonnenes Bioethanol. 32

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NaChhaLtIge MobILItÄt: Mehr aLs dIe beIMIsChUNg VoN bIokraftstoffeN Die erneuerbare-energien-Richtlinie der europäischen union zum Beispiel verpflichtet die Kraftstoffproduzenten, bis zum Jahr 2020 von der Gesamtmenge aller Otto- und Dieselkraftstoffe einen Anteil von zehn Prozent aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. In der derzeitigen Praxis geschieht dies zu einem großen Teil durch Beimischung zum herkömmlichen Benzin oder Diesel. Der Vorteil dabei: Das Kraftstoffgemisch mit einem Anteil von fünf bis zehn Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen lässt sich ohne technische Veränderungen in herkömmlichen Fahrzeugen verwenden und erfordert keine separate Verteilungsinfrastruktur. Für die mittel- und langfristige Perspektive gilt die bisherige Beimischungsstrategie allerdings nicht als der Königsweg. Denn um den Verkehr der Zukunft möglichst klimafreundlich zu gestalten und die fossilen energielieferanten mehr und mehr zu ersetzen, muss es auch möglich werden, die Fahrzeuge mit höheren Anteilen an Biokraftstoffen zu betanken. Die entwicklung entsprechender Motoren- und Abgastechnik ist dabei nur eine Seite der Medaille. Gleichzeitig muss die Gewinnung der Biokraftstoffe auch in großen Mengen nachhaltig gesichert werden. und sie muss zu einer deutlichen cO2-einsparung führen. Dass dies nicht wie selbstverständlich erwartet werden kann, belegt eine Studie des uN-umweltprogramms uNeP zum aktuellen, weltweiten Status quo bei den Biokraftstoffen. In Brasilien wird Zuckerrohr vergoren und zu ethanol destilliert. Dabei anfallende Abfälle werden zusätzlich zur Stromerzeugung eingesetzt. Die Klimabilanz dieses Verfahrens im Vergleich zur Betankung mit herkömmlichem Benzin: Reduktion des cO2-Ausstoßes um 70 ProT

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zent und mehr. Beim NexBTl-Flottentest von Daimler wird ein speziell nach Nachhaltigkeitsrichtlinien zertifizierter Kraftstoff verwendet. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch Negativbeispiele. Werden etwa in Südostasien Flächen in Regenwäldern oder hochmooren genutzt, um dort Palmölplantagen aufzubauen, hat dies nicht nur negative ökologische Auswirkungen, auch die Produktion des daraus gewonnenen Biokraftstoffs kann klimaschädlicher ausfallen als beim erdölraffinat. In Deutschland verpflichtet eine seit dem Jahr 2009 gültige Nachhaltigkeitsverordnung die Kraftstoffproduzenten, den positiven effekt ihrer erzeugungskette zu analysieren und nachzuweisen. Nicht zu lösen ist damit jedoch ein weiteres Problem, das mit dem zunehmenden erfolg der Biokraftstoffe immer mehr an Brisanz gewinnt: Noch werden weltweit nur etwa 36 Millionen hektar vom Anbau von Biokraftstoffpflanzen belegt. Ihr ertrag liefert einen Anteil von weniger als zwei Prozent der gesamten Kraftstoffproduktion für Fahrzeuge rund um den Globus. um jeden zehnten liter Kraftstoff für Transportzwecke aus dem Anbau von Pflanzen für Biokraftstoffe der ersten Generation gewinnen zu können, müsste jedoch bereits fast ein Viertel der weltweiten Ackerfläche (etwa 118 Millionen der verfügbaren 508 Millionen hektar) als energielieferant genutzt werden – eine Vorstellung, die angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und bestehender Nahrungsmittelknappheit in vielen Regionen der Welt weder sinnvoll noch wünschenswert ist.

de Fortschritte gibt es nicht nur bei den biologischen Grundstoffen, sondern auch bei den Produktionstechnologien für Biokraftstoffe. Von erheblicher Bedeutung ist dies vor allem deshalb, weil die lösungen für Dieselantriebe bislang noch große unzulänglichkeiten aufweisen. Grund dafür ist unter anderem, dass sich der aus Ölsaaten gewonnene Biodiesel in der chemischen Zusammensetzung zu stark vom herkömmlichen Diesel aus erdöl unterscheidet. eine lösung bieten die Biokraftstoffe der zweiten Generation, die sogenannten BTl-Kraftstoffe (Biomass-to-liquid). Aus dem biologischen Ausgangsmaterial wird dabei in einem ersten Prozessschritt ein Synthesegas erzeugt und in dem anschließenden Syntheseverfahren zu komplexeren Kohlenwasserstoffverbindungen umgewandelt. Das so gewonnene Material lässt sich als Rohstoff zur herstellung von Kraftstoffen für Otto- wie Dieselmotoren verwenden. Vorteil dieses Verfahrens ist nicht nur die erzeugung von Kraftstoffen, bei denen sich die entscheidenden chemischen Parameter kaum von denen herkömmlicher Produkte unterscheiden.

dUrChsChNIttLIChe JahresertrÄge Pro hektar  aNbaUfLÄChe (liter Kraftstoffäquivalente/ha)

dIe NÄChste geNeratIoN: keINe koNkUrreNZ ZwIsCheN erNÄhrUNg UNd taNk Weltweit forschen Wissenschaftler und Industrie daher nach Alternativen zum Treibstoff vom Acker. Ihr Ziel ist es, eine „regenerative Mobilität“ zu erreichen, ohne die Konkurrenzsituation zwischen ernährung und Tank zu verschärfen. eines der ergebnisse ist die Kultivierung der Wildpflanze Jatropha. Ihre Früchte sind mit einem Ölgehalt von über 30 Prozent bestens für die Kraftstoffgewinnung geeignet. Gleichzeitig kann das widerstandsfähige und anspruchslose Gewächs auf Grenzflächen angebaut werden. Der Anbau ist demnach auch auf Böden möglich, die bei Nahrungspflanzen keinen ertrag bringen würden. Auf bestehenden Brachflächen verhindern Jatrophakulturen sogar eine weitere erosion.

„Wir wollen technische Lösungen, die zwischen biologischem und fossilem Kraftstoff keinen Unterschied machen.“ roland doLd

Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

Projektleiter Flottentest NexBTl, Nutzfahrzeuge Vorentwicklung

„Welche biologischen Rohstoffe sowohl ökologisch wie ökonomisch zur Gewinnung von Biokraftstoffen am besten geeignet sind, lässt sich nicht einheitlich global beantworten. Jede Region muss für sich unter den gegebenen klimatischen und strukturellen Bedingungen den optimalen Weg finden. Global einheitlich gilt allerdings: Die Wellto-Wheel-Bilanz muss stimmen“, sagt Stefan Keppeler, experte für Biokraftstoffe bei Daimler. einen anderen Weg gehen Forscher zum Beispiel an den Küsten Spaniens, Frankreichs oder in Südkalifornien: Sie setzen auf Omega-3-Fettsäuren von Algen als Kraftstoffbasis. Besonders geeignete Algenarten lagern während ihres Wachstums große Teile ihres Gesamtgewichts als Fettreserven ein. Als Anbauflächen werden sowohl Küstengewässer als auch Aquakulturen auf dem land wie beispielsweise in Wüstengebieten erprobt. Solch vielversprechen-

4.977 l

Biowasserstoff

4.739 l

BTl-Diesel

3.910 l

Bioethanol (Mais)

2.440 l

Biodiesel (aus Rapsöl)

1.450 l

grosse aUsbeUte  Bei der Methanerzeugung aus Biomasse lassen sich die durchschnittlich höchsten erträge erzielen.

Das einsetzbare Rohstoffspektrum wird dabei auch erheblich ausgeweitet: Neben den Ölfrüchten der Kraftstoffpflanzen lässt sich nun auch die übrige Biomasse der Pflanzen verwenden. Biokraftstoffe der zweiten Generation erzielen somit einen höheren ertrag pro hektar. Zudem ist es möglich, auch andere cellulosereiche Biomasse wie Stroh von Nahrungspflanzen oder bei der Forstbewirtschaftung anfallendes Restholz als Ausgangsstoff zu verwerten. Bis diese herstellungstechnologien zu konkurrenzfähigen Kosten und im industriellen Maßstab umgesetzt werden können, sind allerdings noch eine Reihe von entwicklungsanstrengungen nötig. Parallel arbeiten Daimler-Ingenieure bereits an der dazu passenden Motorentechnik. Neben zukunftsfähigen Antriebstechnologien für Pkw spielt der Gütertransportverkehr dabei eine wichtige Rolle: erstens verursacht der Warentransport von lkw mit 3,5 Tonnen und mehr einen erheblichen Teil der cO2-emissionen im Verkehrssektor. und zweitens führt am Dieselantrieb im lastverkehr auf längere Sicht kein Weg vorbei. Während im Pkw-Sektor, bei Transportern und Bussen auch elektrofahrzeuge mit Batterie oder Brennstoffzelle Zukunftsoptionen bieten, fokussiert sich beim effizienten Transport von Gütern die technische entwicklung auf verbrauchsarme und möglichst umweltfreundliche Dieselantriebe.

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Biogas (Angabe für Biomethan)

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BIODIESELKRAFTSTOFF IN DEUTSCHLAND btL-aNLage IN saChseN Derzeit wird im sächsischen Freiberg die weltweit erste Demonstrationsanlage für BTl (Biomass-to-liquid) in Betrieb genommen. Mit dem carbo-V-Verfahren wird ein hochreines, teerfreies Synthesegas erzeugt, das mit

bIodIeseLkraftstoff IN NUtZfahrZeUgeN

einer Fischer-Tropsch-Synthese in Kraftstoff umgewandelt

Der einsatz von Biodieselkraftstoffen in Nutzfahrzeugen bietet ein enormes Potenzial für die Reduzierung des

wird. Die Kapazität der Anlage beträgt 18 Millionen liter

hamburg

BTl. Als Rohstoff werden holzhackschnitzel eingesetzt.

Treibhausgasausstoßes. Von größter Bedeutung sind in

Die Betreiberfirma chOReN Industries kooperiert dabei

diesem Zusammenhang der einsatz und die konsequente

eng mit Daimler und VW. Technische Details zur Anlage:

Weiterentwicklung nachhaltigen Biodieselkraftstoffs. Zum

• 31,5 km Rohrleitungen,

Vergleich: Über 1,7 Millionen Tonnen Biodieselkraftstoff

• 5.000 Messsignale,

wurden schon 2007 im Bereich der Nutzfahrzeuge in

• 181 Behälter und Reaktoren,

hannover

Deutschland getankt – gegenüber 0,96 Millionen Tonnen

• 45 MW thermische leistung.

für Pkw.

leipzig Dresden

biodieselkraftstoffraffi nerie  NexbtL-flottentest stUttgart: Vier Mercedes-Benz citaro für die Stuttgarter Straßenbahnen AG Raum NÜrNberg: Fünf Mercedes-Benz Atego und fünf Mercedes-Benz Actros für die Deutsche Post Dhl

Köln

FREIBERG

Frankfurt

Produktionsstandorte Werke MaNNheIM und NeU-ULM: Produktion citaro Werk wÖrth: Produktion Actros und Atego

NÜRNBERG

MANNHEIM

WÖRTH STUTTGART

NEU-ULM München

PILotVersUCh MIt daIMLer-bUsseN UNd -Lkw Bereits seit 2008 wird in einem gemeinsamen Pilotprojekt von Daimler, Deutsche Post Dhl, OMV, der Stuttgarter Straßenbahnen AG und weiteren Partnern der Dauereinsatz von NexBTl in lkw und Bussen erprobt: • 5 Atego, 5 Actros und 4 citaro von Mercedes-Benz • tanken umweltfreundlichen NexBTl-Diesel, • fahren insgesamt 3,3 Millionen Kilometer, • sparen dabei über 2.000 Tonnen cO2-emissionen ein • und senken den cO2-Ausstoß um mehr als 60 Prozent Mercedes-benz atego Flottentest mit Biodiesel

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gegenüber fossilen Kraftstoffen.

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DIALOG roland doLd Projektleiter Flottentest NexBTl, Nutzfahrzeuge Vorentwicklung

Daimler produziert Fahrzeuge und keinen Sprit. Warum beteiligen Sie sich dennoch intensiv an der Entwicklung von Biokraftstoffen? Derzeit werden strategische Ansätze im Bereich der biogenen energieträger in der Politik, bei den Mineralölherstellern und auch bei den Fahrzeugherstellern diskutiert. Insbesondere die laufende cO2-Diskussion hat einen erheblichen einfluss auf mögliche zukünftige energieszenarien. Bei dem NexBTl-Feldtest geht es uns darum, neuartige Biokraftstoffe im Realverhalten besser kennenzulernen, die technische Verträglichkeit unserer Fahrzeuge gegenüber solchen energieträgern abzusichern und insgesamt den laufenden Produktstrategieprozess in unserem hause zu unterstützen.

Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

Wie wird das in der Praxis aussehen? Werden wir schon beim Fahrzeugkauf entscheiden müssen, ob wir Biosprit oder die herkömmliche Zapfsäule bevorzugen? Nein. unsere Kunden haben auch zukünftig einen berechtigten Anspruch auf eine einfache, ganzheitliche und zuverlässige energieversorgung ihrer Fahrzeuge. Dies bedeutet, dass es auch künftig allgemeingültige Kraftstoffstandards geben muss. Wir haben schon heute biogene Anteile im „Normdiesel“, die ohne einschränkung genutzt werden können. ein großer Teil der derzeit laufenden Diskussion beschäftigt sich mit der Frage, wie diese biogenen Anteile zukünftig gestaltet sein sollten. Natürlich werden auch künftige Kraftstoffqualitäten im Sinne der Normung ohne einschränkung nutzbar sein. Warum ist das Thema Biokraftstoffe gerade für den Nutzfahrzeugbereich so wichtig? Weil für den Antrieb schwerer Nutzfahrzeuge auf absehbare Zeit hocheffiziente Dieselmotoren unverzichtbar sein werden. Biogene Kraftstoffe können hier einen Beitrag zur Verringerung der cO2-Bilanz leisten – bei gleichzeitiger einhaltung strenger Abgasnormen und unter Beibehaltung der sehr guten effizienz.

NUr ZUsaMMeN sINNVoLL: dIe eNtwICkLUNg VoN aNtrIeb UNd kraftstoff um das Zusammenspiel aus Technik und der neuen Generation Biokraftstoffe frühzeitig und ausgiebig testen zu können, nutzen die DaimlerIngenieure eine Zwischenlösung. Der energierohstoff Pflanzenöl wird dabei in Festbettreaktoren mit Kobalt- und Nickelmolybdän-Katalysatoren bei 350 bis 450 Grad celsius und einem Wasserstoffpartialdruck von 48 bis 152 bar zu Kraftstoff hydriert. Das ergebnis des Prozesses entspricht in seiner chemischen Zusammensetzung sowohl künftigen BTl-Kraftstoffen als auch dem herkömmlichen erdöldiesel. Gemeinsam mit der Deutschen Post Dhl, dem energiekonzern OMV, der Stuttgarter Straßenbahnen AG und weiteren Partnern startete Daimler vor zwei Jahren einen noch bis ins Jahr 2011 andauernden deutschlandweiten Flottenversuch mit NexBTl. In der Zwischenbilanz nach einem Jahr und der ersten Million gefahrener Kilometer wurde nicht nur nachgewiesen, dass der Biokraftstoff ein vollwertiger ersatz für erdöldiesel ist. Dank strenger Nachhaltigkeitsauflagen für den Anbau der Ölpalmen wurde auch erreicht, dass die cO2-Bilanz bis auf den energieverbrauch für die Kraftstoffherstellung nahezu neutral ist. Zudem sorgt die hohe Reinheit und Qualität des Biokraftstoffs für eine deutliche Verringerung beim Ausstoß von Stickoxiden gegenüber der Fahrt mit normalem Diesel. Der Feldversuch soll jedoch nicht nur zeigen, wie der heutige lastverkehr umweltfreundlicher gestaltet werden kann. Die ergebnisse nutzen die Daimler-Ingenieure vor allem auch für die entwicklung kommender Fahrzeuggenerationen. Sie helfen ihnen dabei, die Motorentechnik und Abgassysteme für Nutzfahrzeuge zu optimieren, die den ab Januar 2015 verbindlich geltenden euro-VI-Standard erfüllen, und auf dem Transportsektor noch weitere, hochgesteckte umweltziele in Angriff zu nehmen. Auch bei der herstellung von Biokraftstoffen arbeiten die Forscher an lösungen für eine langfristige und nachhaltige Antwort auf die weltweiten Mobilitätsbedürfnisse. Mit dem BTl-Verfahren beispielsweise dürfte es künftig möglich sein, Kraftstoff aus einer Vielzahl an Abfallprodukten zu gewinnen: Für die herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation kann prinzipiell jede Art von tierischer und pflanzlicher Biomasse eingesetzt werden. unabhängig vom Ausgangsmaterial werden daraus qualitativ gleichbleibend hochwertige Kraftstoffe, die nicht nur als Beimischung, sondern auch in Reinform getankt werden können.

HYPERLINK Weitere Informationen zu diesem Beitrag finden Sie unter:

daimler-technicity.com/biofuels unter anderem mit folgenden Features: • hINtergrUNd Auf Biogas umgerüstet: Nutzfahrzeuge mit ökologischem Antrieb • INterVIew Die chancen von Biokraftstoffen aus expertensicht: Stefan BRINGeZu, leiter der Gruppe Biofuels des Weltressourcenrates, spricht über die ergebnisse seiner Studien. • hINtergrUNd Der Well-to-Wheel-Rechner: Berechnen Sie Ihren Kraftstoffmix.

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ANALOGIE 2 HOCHLEISTUNGSANTENNE Bündelung des Sende- und Empfangssignals zur Kommunikation mit der Bodenstation 4 STAR TRACKER Positionsbestimmung der Sonde im Raum durch die Identifizierung benachbarter Sterne

3

1

5

SOLARMODUL Energiegewinnung mit nahezu 20 m langen Solarzellenflügeln

XENONTANK Treibstoffmitführung im Hochdruckbehälter mit Titanabdichtung IONENTRIEBWERK Energieversorgung mit Strom aus den Solarmodulen

4

2 3

1 5

Projektbeginn 2007

Gewicht

Start

Antrieb

Effizienz

Weitere Features

Energiegewinnung

Elektrische Leistung

Masse bei Start: 1,1 t (davon 425 kg im Xenontank)

Start mit Trägerrakete Delta II 7925H, Beschleunigung auf 11,4 km/s, danach übernimmt der Ionenantrieb

3 Ionentriebwerke mit solarelektrischer Energieversorgung

10-fache Effizienzsteigerung gegenüber konventionellen Antrieben, geringere Kosten durch weniger Treibstoffmitführung

Konventionelle Hydrazintriebwerke zum Einschwenken in den Orbit

Fotovoltaik

Solarmodule mit 10 kW Leistung zum Startzeitpunkt

Raumsonde Dawn Auf ihrer Mission zur Erforschung der Geburt unseres Sonnensystems bezieht die Raumsonde der NASA die Energie zum Betrieb ihrer Triebwerke aus Solarpanels. Sie ist die erste Sonde, die auf ihrer Reise mehr als ein Himmelsobjekt anfliegen und in dessen Orbit eintreten kann. Zu diesem Zweck schaltet sie von ihrem nicht konventionellen Ionenantrieb auf einen herkömmlichen chemischen Antrieb um – ein Hybrid im All.

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2 HOCHVOLTVERKABELUNG Bestehend aus mehreren Kupferadern (Wechselstrom im Hybridsystem), einzeln isoliert und gemeinsam geschirmt

4

1 5 ELEKTROMOTOR/GENERATOR Ist im Getriebegehäuse integriert, wirkt im Antriebfall als Motor und im Bremsfall als Generator

3 INVERTER Wandelt als Bindeglied zwischen Motor und Batterie beim Laden und Entladen Wechsel- und Gleichstrom um

STEUERUNG Hybridkontrollmodul (HCM) zur Ansteuerung und Überwachung der Hybridkomponenten

HOCHVOLTBATTERIE Lithium-IonenTechnologie in modularem Aufbau mit bedarfsgesteuerter Luftkühlung

1

4

2

3

5

Projektbeginn

Gewicht

Start

Antrieb

Effizienz

Weitere Features

Energiegewinnung

Elektrische Leistung

2008

Zulässiges Gesamtgewicht: 12 t Nutzlast: 5,1 t

Sanftes Anfahren mit Elektromotor, der Dieselmotor übernimmt oberhalb der Schrittgeschwindigkeit die Hauptlast

Paralleler, dieselelektrischer Hybridantrieb: Vierzylinder und E-Motor

Deutliche Verringerung von 10 % bis 15 % des Kraftstoffverbrauchs und Emissionen durch Hybridtechnologie, inkl. Motor-Start-Stopp

Elektromotor unterstützt den Verbrennungsmotor in laufender Fahrt und sorgt für Kraftstoffeinsparungen

Zurückgewonnene Bremsenergie (Rekuperation) und Fahren im Schubbetrieb (ohne Gas)

Spitzenleistung von 44 kW und 420 Nm Drehmoment

Mercedes-Benz Atego BlueTec Hybrid Die anspruchsvolle Mission des Mercedes-Benz Atego BlueTec Hybrid ist eine serienreife Lösung für einen emissionsarmen und effizienten Verteilerverkehr. Durch die Auslegung als selbstversorgendes System benötigt der Atego BlueTec Hybrid keine gesonderte Ladeinfrastruktur und ermöglicht somit eine volle Einsatzflexibilität.

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Eine Marke der Daimler AG

Science-Fiction. Ohne Fiction. Die B-Klasse F-CELL mit dem innovativen Brennstoffzellenantrieb von Mercedes-Benz. Das Elektrofahrzeug bezieht seinen Strom allein aus der chemischen Reaktion von Sauerstoff und Wasserstoff. So erzielt die B-Klasse F-CELL eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern und hinterlässt dabei lokal keinerlei Emissionen – außer Wärme und Wasserdampf. BlueEFFICIENCY ist unser Weg zur emissionsfreien Mobilität. Jetzt in über 85 Mercedes-Benz Modellen. Schneller von heute nach morgen. www.mercedes-benz.de/blueefficiency

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Revolution

innovation

navigation

Forscher und ingenieure auf der ganzen Welt optimieren das Potenzial der Brennstoffzellentechnologie. Zusammen mit Wasserstoff als energieträger wird sie ein Grundpfeiler der dritten industriellen Revolution sein, sagt Jeremy riFkin, Präsident der Foundation on economic Trends (FoeT). (Seite 40) Produkte aus allen anwendungsbereichen werden leichter, jedes eingesetzte Gramm einer innovation beim Produktdesign wird kritisch hinterfragt. Ziel ist es auch, kosten und energie zu sparen. Die Devise: das richtige material am richtigen Platz. (Seite 62) Die fortschreitende Technologisierung des alltags verändert die urbane raumnutzung. Je mehr Daten in Städten elektronisch erfasst werden, desto leichter fällt die navigation durch „sensorgesteuerte“ Stadtgebiete. carlo raTTi, Professor am SenSeable city lab des massachusetts institute of Technology (miT), über seine Vision vom Zusammenspiel der menschen und Sensoren. (Seite 68)

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Protonenleitende MeMbran Das Herz der Brennstoffzelle ist eine hauchdünne protonenleitende Membran, die an eine schwarze Plastikfolie erinnert und gasförmigen Wasserstoff und Sauerstoff trennt. Die einzelnen Membranen sind in Bipolarplatten eingefasst.

Membran-Elektroden-Einheit (MEA) besteht aus der protonenleitenden Membran, die beidseitig mit Katalysatoren für die elektrochemische Energieerzeugung beschichtet ist. Auf beiden Seiten ist eine Gasdiffusionslage aufgebracht, um Wasserstoff und Sauerstoff an jedem Ort der Membran zur Energieerzeugung zur Verfügung zu stellen.

Bipolarplatte dient zur gleichmäßigen Versorgung der MembranElektroden-Einheit mit Wasserstoff und Luft. Außerdem fließt im Inneren der Bipolarplatte ein Kühlmittel, um die entstehende Wärme aus der Zelle abzuführen und die MEA auf der richtigen Betriebstemperatur zu halten.

Dichtung der Brennstoffzelle dient zur Abdichtung der Reaktionskammern für Wasserstoff und Luft gegeneinander und gegen die Umgebung. Dichtet ebenso gegen das Kühlmittel ab, um den sicheren Betrieb bei variablem Druckniveau gewährleisten zu können.

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TExT

FoTogrAFiE

Peter THOMAS

Stefan HOHLOcH

ChanCe der Zelle TEchnologischEr UMBrUch Brennstoffzellen sind überall im Einsatz – in Laptops und Straßenbahnen, in Flugzeugen und Heizungskellern und vor allem im Automobil. Das hochaktuelle Potenzial der Brennstoffzellentechnologie als effizienter und vielseitiger Energiewandler ist erkannt. Zu keinem anderen Zeitpunkt war die Brennstoffzelle der Serienreife so nah wie heute.

TEchnologiE Von der Energievision

sYsTEM Das Antriebssystem aus

inFrAsTrUKTUr Von der Produk-

ExPErTEnsichT Warum Brennstoff-

über die Grundlagenforschung bis zum

Elektromotor, Batterie und Brenn-

tion bis in den Tank: Wie kommt der

zellentechnologie und Wasserstoff

Antriebskonzept: die Brennstoffzelle

stoffzelle: das Zusammenspiel der

Energieträger Wasserstoff heute und

Grundpfeiler einer dritten industriellen

zwischen revolutionärem Alltags-

Hightechelemente in Mercedes-Benz

morgen zur Anwendung?

Revolution sein könnten, erklärt

einsatz und faszinierender Zukunfts-

F-cELL-Fahrzeugen im Überblick

sEiTE 50

Jeremy RIFKIn, Präsident der Founda-

technologie

sEiTE 48

tion on Economic Trends (FOET).

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Zellstapel

brennStoFFZellenStaCk

Für den Aufbau eines Brennstoffzellenstacks werden die Bipolarplatten und Membran-Elektroden-Einheiten abwechselnd gestapelt, um so die gewünschte elektrische Ladung zu erhalten.

Die Brennstoffzellen sind in Stapeln angeordnet. In jeder einzelnen Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff mit Luft und produziert so elektrischen Strom. Die einzige lokale Emission ist Wasserdampf.

lufteinlass Durch die Öffnung wird Luft in die Brennstoffzelle geleitet. Analog dazu befindet sich endseitig an der Endplatte der Luftauslass.

Wasserstoffauslass Von hier aus tritt der Wasserstoff aus der Zelle in den Rezirkulationskreislauf. Endseitig der Endplatte befindet sich dazu analog der Wasserstoffeinlass.

FUnKTionsWEisE DEr BrEnnsToFFZEllE

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Auf die Membran ist beidseitig eine Katalysator-

sorgung. Feine Wasserkanäle in den Bipolarplatten

schicht aus Platin und Kohlenstoff aufgetragen. Dann

dienen zur Kühlung. Wasserstoff und Luft liefern den

folgt ebenfalls auf beiden Seiten eine Gasdiffusi-

Zellen die Zutaten für die kontinuierlich ablaufende

onsschicht (Gas Diffusion Layer, GDL), die für eine

Reaktion, die das Fahrzeug mit Energie versorgt. Der

gleichmäßige Verteilung von Wasserstoffgas und Luft

Wasserstoff reagiert, von der Katalysatorschicht aus

auf der Oberfläche der Zelle sorgt. Abgeschlossen

Platin und Kohlenstoff angeregt, mit dem Sauerstoff

werden die Brennstoffzellen schließlich von einer so-

zu Wasser. Dabei werden die Protonen durch die

genannten Bipolarplatte. Das sind durch Kanäle für

Membran hindurch an den Sauerstoff gebunden, die

den Gasaustausch strukturierte Metallplatten, die

Elektronen des Wasserstoffatoms erzeugen dagegen

gleichzeitig als Elektroden und Kühlelemente dienen:

einen Gleichstrom von der Anode zur Kathode.

An der Anode wird der Wasserstoff zugeführt, an der

Und diese elektrische Energie treibt schließlich den

Kathode die komprimierte Luft zur Sauerstoffver-

Elektromotor an.

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Endplatte Die Endplatte dient der Stromabnahme und als Schnittstelle für die Zuführung der Reaktionsgase und des Kühlmediums.

Verspannung Für die Minimierung aller elektrischen Kontaktwiderstände im Brennstoffzellenstack und der Abdichtung aller Zellen wird der Zellstapel mit einem hohen Anpressdruck belegt und verspannt.

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Energie

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H2 (Wasserstoff) O2 (Sauerstoff) n wa ln

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teChnologie Die Brennstoffzelle bietet faszinierende Zukunftstechnologie und revolutionären Alltagseinsatz zugleich. nie war sie dabei dem integrierten serieneinsatz im Fahrzeug näher als heute. VisionärE WirKlichKEiT Zukunftsweisende Wasserstofftechnologieanwendungen, wie der Einbau einer „Direct Methanol Fuel cell“ (DMFc) in den tragbaren computer genauso wie der Betrieb einer „Solid Oxide Fuel cell“ (SOFc) als Kraftwerk für das Privathaus, kommen bereits heute schon zum Tragen. Das Wirkungsprinzip der verschiedenen Techniken ist dabei gleich: Ein Energieträger (zum Beispiel Wasserstoff, Erdgas oder Methanol) reagiert in der Zelle mit Sauerstoff aus der Luft. Dabei werden Elektrizität und Wärme freigesetzt. Auch die „Proton Exchange Membrane Fuel cell“ (PEMFc), die sich besonders für den Antrieb von Fahrzeugen eignet, funktioniert so. Sie wird mit Wasserstoff betrieben, als einzige Emission entsteht Wasserdampf. Brennstoffzellen bilden einen jungen, globalen Technologiemarkt mit starkem Wachstum über die Branchen hinweg. Die Bedeutung für die Industrie zeichnet sich ab, je mehr Produkte aus der Entwicklung in die Serienfertigung überführt werden. Die Steigerung der Lebensdauer und die Kostensenkung sind nun wichtige Ziele der kommenden Jahre. Der neue Energiewandler fasziniert die Welt. Dabei ist das elektrochemische Prinzip der Brennstoffzelle schon 1839 von William R. Grove entdeckt worden. Doch erst die vergangenen 20 Jahre haben entscheidende Fortschritte in der Forschung gebracht, um die Brennstoffzelle auch für Alltagsanwendungen tauglich zu machen. Davon profitiert die Technologie jetzt, denn Brennstoffzellen starten im 21. Jahrhundert durch – und zwar mit voller Kraft. Wasserstoff ist der Treibstoff für die besonders umweltfreundliche Brennstoffzelle. Die nummer 1 des Periodensystems ist das einfachste und daher häufigste Element auf unserem Planeten. Wasserstoff kommt hier im normalfall als Gas vor, dessen Moleküle aus zwei Atomen bestehen – dafür steht das chemische Kürzel H2. Diese Moleküle sind klein, leicht und haben eine hohe Energiedichte. So wird der Treibstoff zum Schlüssel für einen nachhaltigen Energiekreislauf: Aus Wasser wird durch Elektrolyse der darin befindliche Wasserstoff separiert, der Prozess wandelt dabei die elektrische Energie in chemische Energie um, die bei der erneuten Verbindung von Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser wieder freigesetzt werden kann. Bei dieser Umkehrung des Vorgangs entstehen Elektrizität und Wasserdampf. Am effizientesten lässt sich Wasserstoff auf diese Weise in einer Brennstoffzelle verwerten. gloBAlE VErAnTWorTUng Wasserstoff ist unendlich oft wieder verwendbar, deshalb lässt er sich überall mit Strom aus herkömmlichen oder am besten aus regenerativen Energiequellen durch Spaltung von Wasser gewinnen. Das geschieht entweder direkt mit am Ort gewonnener Energie – zum Beispiel durch einen Windpark neben dem Elektrolyseur. Oder der nachhaltig erzeugte Strom wird über das netz geliefert. Das sind die Eckpunkte einer Wasserstoffwirtschaft, die eine neue Qualität der Versorgung von Menschen in aller Welt mit Bedürfnissen wie Strom, Mobilität und Kommunikationstechnik erlaubt. neue Qualität heißt dabei, dass Emissionen maßgeblich sinken und die Energiegewinnung nicht mehr von fossilen Rohstoffen abhängig ist. Das gilt insbesondere für die individuelle und kollektive Mobilität mit dem 44

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Kraftfahrzeug: Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle, wie die B-Klasse F-cELL von Mercedes-Benz, setzen dazu an, die herkömmliche Technologie vergangener Jahre ganz einfach links zu überholen – und zwar auf den Straßen von heute. Das Fahrzeug ist der hochfokussierte Ausdruck außergewöhnlicher Kompetenz und jahrelanger Forschungsund Entwicklungsarbeit: „In Sachen Brennstoffzelle hat Daimler international eine absolut herausragende Stellung, und in vielen Punkten sind wir eindeutig am besten aufgestellt“, sagt christian Mohrdieck. Der Physiker leitet den Bereich Antriebsentwicklung für Brennstoffzellen- und Batterietechnik bei Daimler. Der Betrieb des Fahrzeugs mit der markanten „F-cELL“-Aufschrift ist denkbar einfach: Tanken an einer der in Deutschland derzeit noch raren Zapfstellen für Wasserstoff, nach zwei bis drei Minuten ist der Tank mit Wasserstoffgas bei einem Druck von 700 bar gefüllt. Einsteigen, den Zündschlüssel drehen, losfahren und die Fahrdynamik des 100 kW starken Elektromotors mit seinem beeindruckenden Drehmoment genießen: keine Spur mehr von einem Experiment an der Grenze zur Machbarkeit.

„In Sachen Brennstoffzelle hat Daimler international eine absolut herausragende Stellung.“ christian MohrDiEcK Leiter Antriebsentwicklung für Brennstoffzellen- und Batterietechnik

rEVolUTionärE AllTäglichKEiT Genau dieser intuitive Umgang mit der Mercedes-Benz B-Klasse F-cELL ist das Kennzeichen einer Revolution. Denn moderne Spitzentechnik wie die Brennstoffzelle kann sich für das Automobil nur dann auf breiter Basis im Markt durchsetzen, wenn sie die Anforderungen der Kunden an Praktikabilität und Leistung erfüllen. Die Mercedes-Benz B-Klasse F-cELL entspricht diesem Leistungskatalog bis hin zu Reichweite und Höchstgeschwindigkeit. Im Jahr 2010 beginnt die Auslieferung der ersten Fahrzeuge an Kunden in Deutschland, nordamerika und norwegen. Sie werden den Elektroantrieb mit Brennstoffzelle unter Alltagsbedingungen erleben. Auf die Reise in die Welt macht sich die Mercedes-Benz B-Klasse F-cELL in Sindelfingen. Hier werden die Fahrzeuge der Kleinserie montiert, während die Prototypen der vergangenen Jahre im süddeutschen nabern bei Kirchheim-Teck entstanden sind. Gerade warten fünf Fahrzeuge in einer Werkshalle auf ihre Auslieferung. Viel Licht umspielt den Lack, Wände und Böden des Raums sind in hellen Farben gehalten – ein bisschen sieht es hier aus wie in der Box eines Formel-1-Rennstalls. Doch die Mercedes-Benz B-Klasse F-cELL ist ein Silberpfeil, der auf das Brüllen der Motoren verzichtet. Wo keine Verbrennung in den Antriebsmaschinen stattfindet, bleibt auch der seit 125 Jahren dominierende Ton der Aggregate aus, der Wagen fährt ganz leise. Daran werden sich die Menschen gewöhnen, denn der Flüstersound ist Teil der elektromobilen Zukunft. Elektroautos mit Brennstoffzelle haben den gleichen leisen und starken Antrieb wie Elektroautos mit Batterie, nur dass Wasserstoff die Energie für die Dauerleistung des Motors mit deutlich höherer Reichweite bereitstellt. Die LithiumT

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WaSSerStoFFtank carbonfaserummantelte Druckgasbehälter speichern den Wasserstoff im Fahrzeugboden bei 700 bar. Über spezielle Sicherheitsventile und -rohrleitungen wird der Wasserstoff zur Umwandlung an die Brennstoffzelle abgegeben.

Ventileinheit beinhaltet Absperrventil zwischen Druckbehälter und Leitungssystem, Temperatursensor im Druckbehälter, Hochdrucksensor und Schmelzsicherung zur Entlastung der Druckbehälter im Brandfall.

serviceanschluss dient zur Entnahme von Gas zu Servicezwecken.

WAssErsToFF/chEMiE Wasserstoff, das im Universum am häufigsten vorkommende Element, ist überall präsent. Auf der Erde kommt er vor allem in Verbindungen von Wasser bis zu Feststoffen vor. Als Energieträger, der in der Brennstoffzelle verwertet wird, muss Wasserstoff allerdings

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Elektrolyse

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elementar vorliegen, als Gas oder als Flüssigkeit.

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Erzeugt wird reiner Wasserstoff zum Beispiel durch Elektrolyse – dabei spaltet elektrische Energie

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Hier kann Wasserstoff als Energiespeicher dienen,

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aus Quellen wie Windkraft und Sonnenenergie.

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bietet große chancen für die nutzung von Strom

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Wassermoleküle in Wasser- und Sauerstoff. Das

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um die Produktion des Ökostroms von der nachfrage zeitlich abzukoppeln.

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Ionen-Batterie der Mercedes-Benz B-Klasse F-CELL dient dagegen – wie in einem konventionellen Vollhybridfahrzeug – zum schnellen Anfahren, zum Abdecken von Leistungsspitzen beim Beschleunigen und zum Speichern der beim Bremsen zurückgewonnenen Energie. Die Mercedes-Benz B-Klasse F-CELL ist damit eigentlich ein Brennstoffzellen-Hybridfahrzeug. Durch die Batterie, welche Leistungsspitzen abdeckt, kann die Brennstoffzelle häufiger und länger in einem sehr guten Wirkungsgrad betrieben werden – das sorgt für eine längere Lebensdauer des einzelnen Stacks. Zum ersten Mal in ihrem Auto-Leben tankt eine B-Klasse F-CELL auf dem Werksgelände von Mercedes-Benz. Die nächste H2-Tankstelle gibt es am Flughafen Stuttgart. Aber auch in Nabern wird Wasserstoff getankt. Dort ragt ein schneeweißer Drucktank wie ein Ausrufezeichen senkrecht in den Himmel, die Burg Teck zeichnet sich weit dahinter am Horizont ab. In dem Hochtank wird das Wasserstoffgas gespeichert, das zur Zapfsäule fließt.

voll alltagstauglich“, sagt Christian Mohrdieck zufrieden. Jetzt geht es um Verbesserungen der wirtschaftlichen Effizienz. Wenn die Naturwissenschaftler und Ingenieure diese Ziele wie geplant erreichen, ist Mohrdieck überzeugt, kann Daimler in fünf bis zehn Jahren Brennstoffzellenfahrzeuge in einem breiten Spektrum von Pkw bis zu Nutzfahrzeugen anbieten.

Sichere VerSorgung Was wenige Menschen wissen – schon heute steht von dem Energieträger Wasserstoff mehr zur Verfügung, als verbraucht wird. „Eine ergiebige Quelle gibt es längst: Wasserstoff, der in der chemischen Industrie als Abfallprodukt entsteht. Allein im Industriepark Höchst bei Frankfurt fallen pro Jahr 30 bis 50 Millionen Kubikmeter Wasserstoff an. Der heute weltweit als industrielles Nebenprodukt erzeugte Wasserstoff reicht aus, um 750.000 Fahrzeuge zu versorgen“, sagt Arwed Niestroj, Leiter Fuel Cell Fleet Operations bei Daimler. Der Physiker betreut die Flotte der bereits weltweit im Einsatz befindlichen Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb aus Bussen, Transportern und Pkw von Daimler und kennt sich wie kaum jemand sonst damit aus, Automobile mit Wasserstoff zu versorgen und deren regelmäßige Wartung zu begleiten. Damit der Bedarf in Zukunft nicht das Angebot überschreitet, muss sich auch die industrielle Produktion von Wasserstoff weiterentwickeln. Schließlich kann dieser bis zum Jahr 2050 einer der wichtigsten Energieträger für den Verkehrssektor werden. Zu diesem Ergebnis kommt der 2009 veröffentlichte Abschlussbericht der Studie „GermanHy“ im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) in Abstimmung mit der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW). Die Automobilindustrie ist ein Wegbereiter dieser Entwicklung und Daimler gehört zu den weltweit führenden Herstellern, was Kompetenz und Erfahrung im Umgang mit Brennstoffzellenantrieben angeht. „Die Funktionalität des Verfahrens ist ausgereift, die Fahrzeuge sind

Kabel, Schläuche, Messgeräte – dazwischen arbeitet ein Brennstoffzellensystem auf Hochtouren. Die Ingenieure von NuCellSys in Nabern testen auf den Prüfständen bereits Brennstoffzellenantriebe der nächsten Generation. Kompakter, leistungsfähiger und vielseitiger einsetzbar als die aktuelle Technik der Mercedes-Benz B-Klasse F-CELL wird das Antriebssystem sein, sagt Massimo Venturi, Geschäftsführer des 100-prozentigen Daimler-Tochterunternehmens. Rund 40 Kilometer von Nabern entfernt montieren Fachleute in Sindelfingen die Antriebe der aktuellen Mercedes-Benz B-Klasse F-CELL. Klare Strukturen prägen die Abläufe, der Kleinserienbau ist am Konzept des „Lean Manufacturing“ ausgerichtet, erklärt Venturi. Das soll auch Basis für die Serienfertigung der nächsten Jahre sein. Im Automobilbereich wird die Niedertemperatur-Protonenaustauschmembran-Brennstoffzelle (Proton Exchange Membran Fuel Cell, PEMFC) eingesetzt. Auch Daimler setzt seit dem ersten Versuchsfahrzeug von 1994, dem NECAR 1, auf diese Technik. Im Mittelpunkt jeder Zelle befindet sich dabei eine 15 bis 20 Mikrometer dünne, protonenleitende Ionomermembran. Sie sorgt für die kontrollierte chemische Verbindung von gasförmigem Wasserstoff und Sauerstoff, weshalb die Funktion der Brennstoffzelle auch „kalte Verbrennung“ heißt. Das Herzstück des Systems ist der sogenannte Stack: Ein Stapel von einigen Hundert (je nach Anwendung 200 bis 400) einzelnen Brennstoffzellen, der in einem spritzwassergeschützten Gehäuse verpackt ist. Entwickelt werden die Stacks in Vancouver bei der Automotive Fuel Cell Corporation (AFCC), einem Joint Venture von Daimler mit

„Die Optimierung der Brennstoffzelle zur Senkung der Kosten in der Serie ist derzeit das wichtigste Ziel.“ Andreas TruckenbrodT Geschäftsführer der Automotive Fuel Cell Corporation (AFCC)

die brennSToffzellenforSchung und -enTwicklung bei dAimler Die Forschung zum Wasserstoff als Energiequelle für den Automobilantrieb bei Daimler beginnt.

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1980

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2000

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konzept- und machbarkeitsstudien

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Sprinter f-cell

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Ford und Ballard Power Systems. „Daimler hält 50,1 Prozent an dem Unternehmen und hat die industrielle Führerschaft übernommen“, sagt AFcc-Geschäftsführer Andreas Truckenbrodt. Die Brennstoffzelle weiter zu optimieren, um die Kosten in der Serie zu senken, das ist auch für AFcc das derzeit wichtigste Ziel, betont Truckenbrodt. Als entscheidende Stellschrauben sieht er dabei höhere Stückzahlen sowie Fortschritte in der Materialforschung und der Produktion. So wollen die Kanadier zum Beispiel den Platinanteil in der Katalysatorschicht senken, die Größe des Stacks verringern und die Abläufe in der Montage vom handwerklichen Prototypenbau auf industrielle Verfahren und Prozesse umstellen: „Wenn ich mittelfristig 10.000 Stacks im Jahr bauen will, kann ich nicht für jede Einheit 250 Zellen von Hand aufeinanderstapeln“, sagt der Geschäftsführer des kanadischen Unternehmens.

„Ein Meilenstein der Brennstoffzellenentwicklung der letzten 10 Jahre war der zuverlässige Kaltstart.“ Massimo VEnTUri Geschäftsführer der nucellSys GmbH

In den Stacks und dem sie umgebenden System steckt viel von der Brennstoffzellenkompetenz von Daimler, betont Massimo Venturi. Das beginnt bei der jahrelangen intensiven Entwicklung, um die konzeptbedingten Probleme der Brennstoffzellensysteme zu lösen. Ein echter technologischer Meilenstein in der Brennstoffzellenentwicklung der letzten zehn Jahre war dabei der zuverlässige Kaltstart, erinnert der Geschäftsführer von nucellSys. Wenigstens genauso wichtig sei aber auch die Integration des Stacks in das gesamte System – und die Entwicklung von dessen Betriebsstrategie. Denn selbst wo technisch identische Brennstoffzellensysteme eingesetzt werden, werden diese nach unterschiedlichen Betriebsstrategien gesteuert. Das betrifft zum Beispiel den MercedesBenz citaro FuelcELL-Hybrid, in dem zwei Personenwagensysteme fest miteinander verblockt sind. Das wird aber auch eine wichtige Rolle für die Einführung des Brennstoffzellenantriebs in nutzfahrzeugen spielen. Die Brennstoffzellentechnologie ist ein dynamisches, spannendes Feld. Deshalb arbeiten bei Daimler Forschung und Entwicklung Hand

A-Klasse F-cEll

2002

2003

in Hand. So können Erkenntnisse der Grundlagenforschung schnell in Serienanwendungen überführt werden. Vor den Herausforderungen haben die Wissenschaftler und Ingenieure Respekt: „Anfangs hat die Automobilindustrie die Komplexität des Einsatzes von Batterie und Brennstoffzelle im Auto unterschätzt“, resümiert christian Mohrdieck. Das habe durchaus auch daran gelegen, dass hier wissenschaftliche Grenzen überwunden werden mussten: Die chemiker kannten die Anforderungen der Autoentwickler nicht, und die Kraftfahrzeugexperten mussten sich erst in die Elektrochemie einarbeiten. In den letzten Jahren habe man aber Lösungen gefunden, eine große Stückzahl von elektrischen Antrieben in hoher Qualität, jedoch noch zu hohen Entwicklungskosten, herzustellen. ATTrAKTiVE nAchhAlTigKEiT Elektromobilität ist umweltfreundlich und macht Spaß. Innovation, Fahrspaß und Verantwortung in einem Fahrzeug – das macht Peter Fröschle die Arbeit einfacher. Der technische Kybernetiker ist Abteilungsleiter Fuel cell Market Development von Daimler. Er kümmert sich um die Markteinführung ebenso wie um die Förderung von Forschungsprojekten und Flottenversuchen. „Es gibt keine Schwellenangst mehr vor der neuen Technik“, sagt Fröschle, die Kunden vertrauten vielmehr bereits heute in den Elektroantrieb mit Brennstoffzelle. Das sei ein Verdienst der langfristigen Vorbereitung des Serienanlaufs, vor allem aber lasse sich mit Brennstoffzelle und Wasserstoff ein Fahrzeug konzipieren, das die heutigen Anforderungen der Kunden erfüllt: Bis zu 400 Kilometer Reichweite mit vier Kilogramm gasförmigem Wasserstoff in den Druckbehältern, kurze Tankzeiten und eine gute Fahrdynamik durch den Brennstoffzellenantrieb. Die Brennstoffzellentechnik muss aber noch günstiger werden, um sich mittelfristig zu einem der wichtigsten Automobilantriebe von der Kompaktklasse bis zur Oberklasse durchsetzen zu können, sagt Fröschle. Vieles werde dabei sicher allein durch höhere Stückzahlen erreicht. Die große Herausforderung seien weitere Optimierungen im Detail. Doch die Brennstoffzelle habe noch ein enormes Potenzial zur Verbesserung bei Leistungsfähigkeit und Kosten. Ihre Entwicklungsmöglichkeiten sind längst noch nicht so weit ausgeschöpft, wie bei den seit mehr als 100 Jahren im Auto eingesetzten Technologien. An der langen Lebenserwartung der Brennstoffzellentechnologie haben Experten sowieso keine Zweifel: „Die chancen der Brennstoffzelle – vor allem in den Bereichen Entwicklung und Markterschließung – sind bereits für die nächsten zehn Jahre einfach gewaltig“, sagt christian Mohrdieck.

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B-Klasse F-cEll

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brennStoFFZellenSYSteM MErcEDEs-BEnZ B-KlAssE F-cEll DiE MErcEDEs-BEnZ B-KlAssE F-cEll

lithium-ionen-Batterie speichert elektrische Energie aus dem Brennstoffzellensystem und aus zurückgewonnener Bewegungsenergie (Rekuperation), unterstützt das Fahrzeug beim Beschleunigen. Elektromotor treibt das Fahrzeug über die Vorderachse an, bezieht seine Energie aus dem Brennstoffzellenstack und der Batterie.

Wasserstofftanks speichern den Wasserstoff in speziellen Druckgasbehältern bei

Brennstoffzellenstack

rund 700 bar.

enthält in Stapeln angeordnete Brennstoffzellen. In jeder einzelnen reagiert Wasserstoff mit Luft und produziert so elektrischen Strom.

Die wesentlichen Antriebskomponenten sowie die Wasserstoff-

Daten und Fakten zur Mercedes-Benz B-Klasse F-cEll

tanks sind im Sandwichboden unter der Fahrgastzelle der B-Klasse

• Spitzenleistung: 100 kW

F-cELL untergebracht. Die zusätzliche Hochvoltbatterie befindet sich

• Drehmoment: 290 nm

im Kofferraum, der Elektromotor und die Kühlung im Motorraum.

• Reichweite: ca. 400 km

Die B-Klasse erreicht mit einer Wasserstofftankfüllung eine stattliche

• Verbrauch (Diesel-Äquivalent): 3,3 l/100 km

Reichweite von ca. 400 Kilometern.

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KoMPETEnZnETZWErK BrEnnsToFFZEllE UnD FloTTEnErProBUng AUF ViEr KonTinEnTEn (1994–2010)

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KAnADA, Vancouver. Automotive Fuel cell cooperation (AFcc) Forschung und Entwicklung Brennstoffzellenstacks

EU, Brüssel. Fördermittelgeber: Europäische Komission Programm: Fuel cells and Hydrogen Joint Technology Initiative (JTI)

UsA, Kalifornien.

JAPAn, Tokio.

EUroPA. chinA, Peking. UsA, Washington. Fördermittelgeber: Department of Energy (DoE) Programm: Fuel cell Vehicle & Hydrogen Infrastructure Demonstration & Validation Program Kamenz. li-Tec Battery gmbh Entwicklung und Produktion Batteriezellen Deutsche Accumotive gmbh & co. Kg Fertigung Zellmodule und Lithium-Ionen-Batterie

1|sindelfingen, 2|rastatt, 3|Mannheim. Daimler Ag Fahrzeugentwicklung und Produktion

WAssErsToFFiniTiATiVEn. DEUTschlAnD, Berlin. Fördermittelgeber: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Programm: nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (nIP) singAPUr.

nabern. • nucellsys gmbh Entwicklung/Herstellung Brennstoffzellensystem • Daimler Ag (Fuel cell & Battery Drive Development, group research & Advanced Engineering) Brennstoffzelle, Antriebsstrang Batteriefahrzeuge • Deutsche Accumotive gmbh & co. Kg Entwicklung Lithium-Ionen-Batterie

AUsTrAliEn, Perth.

H2 MOBILITY (Deutschland) • führende Unternehmen entwickeln Aufbauplan für flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur • bis Ende 2011: geplanter Ausbau des H2-Tankstellennetzes • führende Automobilhersteller treiben Kommerzialisierung von Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb voran CaLIfOrnIa HYDrOgEn HIgHwaY (USa) • Kooperation von Automobilherstellern, Energieunternehmen und Behörden innerhalb der california Fuel cell Partnership (caFcP) • Bereitstellung von Fördergeldern durch kalifornische Behörden (cARB, cEc) für Aufbau von ca. 20 H2-Tankstellen

DEMonsTrATionsProJEKTE UsA hydrogen to the highways, Kalifornien AsiEn hyFlEET:cUTE china, Peking sinergy EDB Project, Singapur Japanese hydrogen and Fuel cell | hyFlEET:cUTE, Program (JhFc), Tokio AUsTrAliEn hyFlEET:cUTE Perth, Perth EUroPA Zero-regio-Projekt, Frankfurt a. M. und Mantova (Italien) | h2movesscandinavia, Oslo | clean hydrogen in European cities (chic), diverse Städte in London, Madrid, Barcelona, Amsterdam, Luxemburg, Hamburg, Berlin, Reykjavik | clean Energy Partnership (cEP), Berlin, Hamburg Europa = abgeschlossen

MArKTErProBUng: DiE MErcEDEs-BEnZ F-cEll-FAhrZEUgE iM FloTTEnTEsT (1994–2009)

60 F-cEll-Fahrzeuge im Kundenbetrieb

36 Busse in Europa, Australien und china

3 sprinter in Europa und den UsA

Zurückgelegte Kilometer: ca. 2.050.000 km

Zurückgelegte Kilometer: ca. 2.120.000 km

Zurückgelegte Kilometer: ca. 64.000 km

Betriebsstunden: ca. 60.000 h

Betriebsstunden: ca. 139.000 h

Betriebsstunden: ca. 2.400 h

QUELLE: Daimler AG

MArKTrEiFE: DiE AKTUEllEn MErcEDEs-BEnZ F-cEll-FAhrZEUgE

B-Klasse F-cEll Kompakt, leistungsfähig, sicher

citaro FuelcEll-hybrid Leise, sparsam und

hysYs sprinter F-cEll Daimler trägt der Bedeutung

und voll alltagstauglich: der erste unter Serienbedin-

emissionsfrei schont der Mercedes-Benz citaro

alternativer Antriebe im Transporterbereich mit dem

gungen gefertigte Elektro-Pkw mit Brennstoffzelle

FuelcELL-Hybrid die Innenstädte. Seit 2003 haben

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von Daimler. Seit Anfang 2010 wurden die ersten

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insgesamt 139.000 Betriebsstunden und über zwei

Sprinter Kombi entwickelt. Sein Antrieb erreicht einen

den USA übergeben.

Millionen Kilometern auf drei Kontinenten bewährt.

besonders hohen Wirkungsgrad.

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infrastruktur Nur in Verbindung mit einer effizienten Infrastruktur kann Wasserstoff als Energiespeicher eine flexible und bedarfsgerechte Energieversorgung garantieren. Woher kommt der Wasserstoff von heute und morgen? DAS HYDROGENE NETZWERK Wasserstoff als Kraftstoff hat dort das größte Entwicklungspotenzial, wo der Aufbau einer Infrastruktur sinnvoll und durchführbar ist: ausgehend von den Ballungsräumen. Das macht die Studie „Woher kommt der Wasserstoff in Deutschland bis 2050“ plausibel. Diese Studie wurde 2009 als Abschluss des Projektes „GermanHy“ vorgelegt. Ziel der Studie war die Erarbeitung einer deutschen Wasserstoff-Roadmap unter Einbeziehung von Resourcenverfügbarkeit, Energieeffizienz, Kosten, CO2-Minderungspotenzialen und Importabhängigkeit. Dazu wurden die Perspektiven einer künftigen Bereitstellung von Wasserstoff als Energieträger in Deutschland bis 2050 untersucht. Die Ergebnisse der Studie bescheinigen dem Kraftstoff Wasserstoff ein enormes Potenzial. So könnte nach einem der angenommenen Szenarien Wasserstoff bis zu 40 Prozent des Energiebedarfs im Verkehrssektor im Jahr 2050 abdecken. Auch in den beiden anderen Szenarien wird von einem Anteil von bis zu 23 Prozent ausgegangen. Bei ihrer Prognose gingen die Forscher von der „verteilten Nachfrage“ aus: Das steht für einen schnellen Ausbau der Tankstelleninfrastruktur mit anfangs zwar geringer Auslastung, aber schnellem Wachstum zunächst in großen Ballungsgebieten und entlang der wichtigen Verkehrsachsen. Die Autoren der Studie weisen allerdings auch darauf hin, dass Wasserstoff ebenfalls in weniger dicht besiedelten Regionen verfügbar sein muss, um wirklich flächendeckend die Akzeptanz des Brennstoffzellenantriebs zu erreichen.

„Der technische Standard ist nun geschaffen. Jetzt müssen wir eine marktfähige Infrastruktur aufbauen.“ Markus bAcHMEIER Leiter Hydrogen Solutions, The Linde Group

Ob Stadt oder Land – was bleibt, ist die Frage, wie der Wasserstoff künftig zur Tankstelle kommen wird. Strömt er durch eine Pipeline, wird er lokal erzeugt oder mit dem Tanklastwagen angeliefert? Auf absehbare Zeit gibt es auf diese Frage mehrere Antworten. Denn in den kommenden Jahren wird die Infrastruktur zur Versorgung von Brennstoffzellenfahrzeugen und anderen Verbrauchern keinen einzelnen Königsweg kennen. Vielmehr entwickeln sich die Netze derzeit parallel zueinander mit großer Dynamik, was Umfang und Technik betrifft – mit der bei den jeweiligen Rahmenbedingungen effizientesten Lösung. Und genau darin liegt eine große Chance, denn so entstehen technische Lösungen für verschiedene Anforderungen und Standorte. Entscheidend sind dagegen standardisierte Befüllvorgänge und einheitliche Schnittstellen zwischen der Tankstelle und dem Fahrzeug – und dieses Ziel ist bereits heute mit Zapfsäulen und den neu entwickelten Betankungstechnologien erreicht, die nach den aktuellen 50

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SAE-Standards (J2601, et al.) arbeiten. „Der technische Standard ist geschaffen, jetzt geht es darum, eine marktfähige Infrastruktur aufzubauen“, sagt Markus Bachmeier von Linde. Das auf Gase und Engineering spezialisierte Unternehmen entwickelt die Kernkomponenten moderner H2-Tankstellen. Mit dem Thema Wasserstoff beschäftigt sich Linde aber über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg: von der Produktion mit konventionellen oder auf erneuerbaren Energien basierenden Methoden bis hin zur Logistik und Speicherung. In den nächsten Jahren, so sagt Bachmeier, werden Tankstellen zum größten Teil durch Tankwagen mit flüssigem oder gasförmigem Wasserstoff versorgt werden. Auch eine der modernsten H2-Tankstellen Europas, die TOTAL im Mai 2010 in Berlin unter Beteiligung von Linde und Statoil eröffnet hat, erhält flüssigen Wasserstoff per Tanklastwagen. Der Treibstoff stammt aus der Linde-Produktionsstätte in Leuna und wird vor Ort in einem hochisolierten Tank vorgehalten.

„Wasserstoff macht Energie so flexibel, dass wir damit umgehen können wie mit digitalen Ressourcen.“ Jeremy RIFKIN Soziologe, Ökonom und Präsident der Foundation of Economic Trends (FOET)

Natürlich kann der Wasserstoff auch vor Ort hergestellt werden. Dazu dient entweder ein Dampfreformierer, der Wasserstoff aus Erdgas oder Biogas erzeugt, oder ein Elektrolyseur, der mit Strom aus herkömmlichen oder erneuerbaren, fluktuierenden Energien den Energieträger gewinnt. Anschließend wird der Wasserstoff dann vor Ort komprimiert und unter Hochdruck gespeichert. Jeremy Rifkin, Präsident der Foundation on Economic Trends (FOET) und einflussreicher Vordenker der Wasserstoffökonomie, sieht in der Verwendung von Wasserstoff die ideale Lösung für das Problem einer flexiblen Speicherung von Energie aus regenerativen Quellen, die gleichzeitig deren optimale Verfügbarkeit garantiert (siehe Interview auf Seite 54). Diese Lösung hat Vorbildcharakter insbesondere für Länder, in denen es keine industrielle Wasserstoffinfrastruktur gibt. Deutschland dagegen beginnt keineswegs bei null, wenn es darum geht, ein Netz zur Versorgung von Autos mit H2 aufzubauen, sagt Markus Bachmeier: „In Deutschland und vielen anderen Industrieländern bestehen längst großindustrielle Wasserstoffinfrastrukturen für industrielle Anwendungen. Hiervon wird der Aufbau einer Tankstelleninfrastruktur profitieren.“ Voraussetzung dafür ist jedoch eine enge Zusammenarbeit von Partnern aus Automobilindustrie, Energieversorgung, Chemie, Anlagentechnik und Verkehrsbetrieben. WASSER, WIND uND uNAbHäNGIGKEIT Deutsches Paradebeispiel für solche Partnerschaften ist das 2002 ins Leben gerufene Projekt „Clean Energy Partnership“ (CEP), in dessen Rahmen auch die Berliner H2-Tankstelle in der Holzmarktstraße betrieben wird. Die CEP ist ein Projekt des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoffund Brennstoffzellentechnologie (NIP) mit dem Ziel, die Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge und der Infrastruktur zu erproben und zu T

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Aggregatzustände von Wasserstoff

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Erneuerbare Energiequellen • Wasserenergie • Windenergie • Solarenergie • Biomasse

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on-site-Versorgung Wasserstoff wird direkt an der Tankstelle produziert und gelagert, bis es benötigt wird.

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cH2 + LH2 Reichweite: 250 km Druck des Tanksystems: 350 bar cO2-Emission: 0,0 g/km

Reichweite: über 300 km Druck des Tanksystems: 350 bar cO2-Emission: 0,0 g/km

Reichweite: 400 km Druck des Tanksystems: 700 bar cO2-Emission: 0,0 g/km

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QUELLEn: The Linde Group, Daimler AG

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h2-ZaPFPiStole Die Wasserstoffbetankung erfolgt wie bei einer konventionellen Betankung, indem die Zapfpistole manuell mit dem Tankstutzen über eine spezielle Kupplung druck-, gas- und kältedicht verbunden wird.

Arretierhebel zum Arretieren der Füllkupplung auf dem Fahrzeugbefüllanschluss

schiebehülse wird auf den Einfüllstutzen aufgeschoben. Im Inneren befindet sich der Spannzangenmechanismus, der mittels Arretierung den Fahrzeuganschluss umklammert.

Easy-Turn-Drehdurchführung dient zum Drehen der Füllkupplung trotz oft starrer Befüllschläuche.

infrarotdatenschnittstelle dient zum Empfangen der vom Fahrzeug ausgesendeten Daten wie z. B. Druck/ Temperatur im Fahrzeug sowie im Fehlerfall des „Abort“-Signals.

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demonstrieren. Der internationale Zusammenschluss besteht aus insgesamt 13 Partnern: Darunter sind die Automobilhersteller BMW, Daimler, Ford, GM/Opel, Toyota und VW sowie Linde, Shell, Statoil, Total, Vattenfall und die Verkehrsbetriebe der Großstädte Berlin und Hamburg. Umgesetzt wird das nIP von der nOW GmbH (nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie). neben der cEP gibt es seit September 2009 die Initiative H2 Mobility, ein Gemeinschaftsprojekt von Daimler, EnBW, Linde, OMV, Shell, Total und Vattenfall und mit der nOW GmbH als neutralem „Moderator“. Ziel des Projekts ist der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Ausgangspunkt ist hierbei Deutschland, mit der Zielsetzung, später auch europäische Aspekte zu berücksichtigen. Durch die Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding, das zwei Phasen vorsieht, soll die Möglichkeit für den Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur zur Versorgung mit Wasserstoff in Deutschland geprüft werden, um die Serienfertigung von Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzelle voranzutreiben. Ebenfalls im September 2009 verabschiedeten die Automobilhersteller Daimler, Ford, GM/Opel, Honda, Hyundai/Kia, Renault/nissan sowie Toyota einen „Letter of Understanding“ zur Entwicklung und kommerziellen Markteinführung von Brennstoffzellenfahrzeugen beginnend im Jahr 2015. Das hat eine besondere Bedeutung. Denn nur wenn der flächendeckende Infrastrukturaufbau und die kommerzielle Markteinführung von Brennstoffzellenfahrzeugen gleichzeitig erfolgen, kann diese neue Antriebsform in Zukunft Erfolg haben. Um den netzaufbau auch in ganz Europa voranzutreiben, wurde 2010 mit 30 namhaften Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen (Automobilhersteller und -zulieferer, Öl- und Gaslieferanten, Energieversorger und öffentliche Organisationen) eine Studie erarbeitet, die das Potenzial der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie beschreibt. Die daraus gewonnenen, vielversprechenden Erkenntnisse sollen für einen sukzessiven Ausbau in Europa genutzt werden. Ähnliche Bemühungen, eine Wasserstoffinfrastruktur Schritt für Schritt voranzubringen, finden aktuell auch in den USA und in Japan statt. schriTT Für schriTT Auch das cEP-Projekt ist in mehreren Stufen aufgebaut. Derzeit läuft die zweite Phase, in der es um die Entwicklung der Schlüsseltechniken zur Serienreife und grundlegende Investitionen in die Infrastruktur geht. Der dritte und letzte Projektabschnitt beginnt 2011 und soll bis zum Jahr 2016 zur Kostensenkung bei Versorgung und Fahrzeugbau beitragen, den Anteil des zur Wasserstofferzeugung verwendeten Stroms aus nachhaltigen Quellen steigern und das Wasserstoffnetzwerk über die Landesgrenzen hinaus erweitern. Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu gewinnen ist ein ökologisches und wirtschaftspolitisches Ziel. Denn nachhaltig erzeugtes Wasserstoffgas macht die Mobilität in Industrienationen unabhängig vom Import fossiler Energieträger wie Erdöl und Erdgas. Außerdem bietet sich die Elektrolyse an, um die von naturfaktoren abhängige Produktionsmenge von Ökostrom und dessen nachfrage durch die Verbraucher voneinander zu entkoppeln. Wasserstoff dient dabei als Speichermedium, das je nach Bedarf in Brennstoffzellen verstromt wird. Die deutsche Hauptstadt Berlin zeigt ab dem kommenden Jahr, wie eine solche unabhängige Tankstelle aussehen könnte: 2011 wird die erste kohlendioxidneutrale Treibstoffversorgungsstation der Welt am Standort des künftigen Flughafens Berlin Brandenburg International BBI gebaut. Die öffentliche TOTAL-Tankstelle soll im Oktober 2011 in Betrieb gehen und neben anderen Kraftstoffen auch gasförmigen

Wasserstoff – je nach Kundenwunsch mit einem Druck von 350 oder 700 bar – anbieten. Der Schlüssel für den cO2-neutralen Betrieb der Anlage ist der Strom, der in einem nahe des Flughafens gelegenen Windpark von EnERTRAG erzeugt wird. Insgesamt 40 Windräder haben eine Kapazität von bis zu 200 Gigawattstunden. Mit dieser Energie wird ein Elektrolyseur betrieben, der lokal Wasserstoff erzeugt. Dieses Gas wird gespeichert und über die Zapfsäulen an Brennstoffzellenfahrzeuge abgegeben. Deutschland hat den Weg eingeschlagen, um bereits kurzfristig einen relevanten Teil der individuellen und kollektiven Mobilität durch Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb zu leisten. Auf der weltweit bedeutendsten Fachveranstaltung zum Thema Wasserstoff, der World Hydrogen Energy conference (WHEc), die 2010 in Essen stattfand, unterstrichen Politik und Industrie das Ziel, bis zum Jahr 2015 diese neue Technologie in die Großserie einzuführen. Ein weiteres Ergebnis der Konferenz war die Botschaft, dass die Förderung der Mobilität auf Basis von Wasserstoff und Brennstoffzelle den Weg für eine große Bandbreite von weiteren Anwendungen bereitet: von nahverkehrszügen für die Ballungsräume der ganzen Welt über Hilfstriebwerke im modernen Passagierflugzeug bis zur Versorgung von Gebäuden verschiedener Art und Größe mit Strom und Wärme. nEUE QUEllEn ErschliEssEn Die Wasserstoffinfrastruktur ist ein wachsendes, sich kontinuierlich veränderndes System. Das betrifft nicht allein die Logistik des Treibstoffs, sondern auch seine Produktion. Denn neben industrieller Dampfreformierung und Elektrolyse gibt es weitere Möglichkeiten, das Gas herzustellen. Linde zum Beispiel hat einen Prozess entwickelt, mit dem in Zukunft Wasserstoff cO2neutral aus Rohglycerin gewonnen werden kann. Rohglycerin entsteht als nebenprodukt bei der Biodieselherstellung und weist einen hohen Wasserstoffanteil auf. Auch weitere Formen der Wasserstoffproduktion aus Biomasse befinden sich derzeit in der Entwicklung. Was am Ende übrig bleibt, gleicht sich jedoch immer: Die einzige Emission, die beim Betrieb von Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzelle entsteht, ist Wasserdampf. Das passt zu einem der nächsten Großprojekte für das Wasserstoffversorgungsnetz in Deutschland: In Hamburg baut Vattenfall die größte H2-Tankstelle ganz Europas in direkter nachbarschaft zum Wasser, in der hochmodernen Hafencity.

HYPERLINK weitere Informationen zu diesem Beitrag finden Sie unter:

daimler-technicity.com/brennstoffzelle unter anderem mit folgenden features: • inTErViEW Wasserstoff als Schlüssel für die dritte industrielle Revolution? Im Gespräch mit Jeremy RIFKIn, Gründer und Präsident der Foundation on Economic Trends (FOET) • hinTErgrUnD H2 als Lösung: Sicherheit beim Umgang mit Wasserstoff • hinTErgrUnD Brennstoffzellenförderung: die Initiative e-mobility • FoTogAlEriE Die Produktion von Brennstoffzellenstacks in Vancouver (Kanada)

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JereMY riFkin Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie werden Grundpfeiler einer dritten industriellen Revolution sein. Diese Ansicht vertritt Jeremy RIFKIn, Pr채sident der Foundation on Economic Trends (FOET) und einer der einflussreichsten Intellektuellen der USA.

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Herr rifkin, ist wasserstoff der Schlüssel für die dritte industrielle revolution? Wasserstofftechnologie ist einer von mehreren Schlüsseln dazu. Sie gehört zu den fünf Pfeilern, auf denen meiner Ansicht nach die dritte industrielle Revolution ruhen wird. Ohne Wasserstoff und Brennstoffzelle werden wir den Schritt hin zu einem nachhaltigen Energiesystem mit neuen ökonomischen Strukturen nicht schaffen. Sie können diese Technik aber nur im Zusammenhang mit den anderen Faktoren sehen: Pfeiler eins ist die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Der zweite Pfeiler ist ein Strukturwandel hin zur Produktion von Energie durch Gebäude. Wasserstoff als Energiespeicher und -träger ist das dritte Standbein. Pfeiler nummer vier ist die intelligente Vernetzung von Energieströmen, und fünftens setze ich auf Mobilität mit nachhaltigen Antrieben wie der Brennstoffzelle. Sie sehen, keiner der Aspekte ist gänzlich losgelöst von den anderen zu sehen. Das ist ein interaktives System, in dem keine Lösung alleinstehen kann. Ein so grundlegender wandel braucht eine neue Perspektive auf die wasserstofftechnologie – von wirtschaft, Verbrauchern und Politik. Ist die Zeit dafür schon reif? Ich denke ja. nehmen Sie die Politik: Gerade Deutschland hat sich früh für die Förderung der Wasserstofftechologie eingesetzt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich dazu bekannt, die dritte industrielle Revolution gezielt zu stärken. Ähnlich sieht es heute in der ganzen EU und in weiteren Ländern der Welt aus. Deutschland hat hier allerdings einen Vorsprung und könnte meiner Einschätzung nach in den kommenden Jahren die dritte industrielle Revolution anführen. Auch die Wirtschaft – hier denke ich an Unternehmen wie Daimler, Linde und RWE – hat die Wichtigkeit des Themas erkannt. was hat sich in den letzten 10 Jahren in der europäischen wasserstoffpolitik bewegt? Ein ganz wichtiger Schritt war, dass man sich heute die Frage stellt, wie künftig Energie aus neuen Quellen gespeichert werden kann. Denn Sonnenergie, Wasser- und Windkraft sind Energiequellen, die nicht ständig mit gleicher Leistung zur Verfügung stehen. Es wird ohne effiziente Speicher sehr schwierig werden, diese Schwankungen auszugleichen. Was passiert, wenn Sie mehrere Tage mit bedecktem Himmel, Windstille und geringen

Wasserständen haben? Dieses Problem haben wir im Jahr 2003 ausführlich diskutiert, als ich die Europäische Union beraten habe. Und die EU reagierte mit einem Programm für Forschung und Entwicklung, das einen Umfang von rund zwei Milliarden Euro hat. Und wie stellen Sie sich die technische Umsetzung dieser Energiespeicher vor? Wasserstoff ist die Lösung für dieses Problem. Das molekulare Element ist universal vorhanden, im gasförmigen Zustand als Energiespeicher lässt sich Wasserstoff je nach Energieangebot lokal herstellen und gut speichern. In Brennstoffzellen wird es dann entsprechend dem Bedarf wieder in Elektrizität verwandelt. Angesichts der großen Vorteile dieses modularen, dezentralen Energiesystems ziehen auch die Vorwürfe nicht, dass die doppelte Konversion von Strom zu Wasserstoff und von Wasserstoff zu Strom nicht effizient sei. Wenn Sie sich das klassische Energienetz mit zentraler Produktion und starren Strukturen vor Augen führen und es mit dem flexiblen netz der sogenannten „verteilten Energie“ vergleichen, dann sehen Sie sofort die Vorteile dieser neuen Form der Energieversorgung. neben dem Wasserstoff werden – je nach Anwendung – sicher auch Technologien wie Batterien, Superkapazitoren und Schwungräder eine Rolle als Speichermedien spielen. Aber nur der Wasserstoff macht die Energie so flexibel verfügbar, dass wir damit umgehen können wie mit einer digitalen Ressource. Batterien könnten dieses niveau von Zugänglichkeit nicht erreichen. wenn sich Brennstoffzellenfahrzeuge durchsetzen sollen, braucht es eine wasserstoffinfrastruktur. werden sich die Menschen an das neue netzwerk schnell gewöhnen können? Das netz zur Wasserstoffversorgung unterscheidet sich grundlegend von der alten Infrastruktur rund um fossile Treibstoffe: Bei Öl und Erdgas haben sich ausschließlich lineare Strukturen mit einem zentralen Produzenten und zahlreichen Kunden herausgebildet. Die Hierarchie in der Wasserstoffwirtschaft wird völlig anders aussehen. Denn dieser Energieträger wird künftig vor allem lokal produziert werden. So entsteht ein ausdifferenziertes netz von Produzenten und Konsumenten – das gilt ebenso für das Stromnetz der nahen Zukunft. Die Steuerung solcher netze wird ähnlich funktionieren wie das Internet, deshalb möchte ich sie als „Intergrids“ bezeichDAIMLER-TEcHnIcITy.cOM

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nen. Und die Kompetenz zum Umgang mit solchen komplexen netzwerken bringen insbesondere die heutigen nutzer der digitalen Daten- und Kommunikationsnetzwerke mit. Sie nennen gebäude und den Bereich der Mobilität als Schlüsselsegmente für die anwendung neuer Energien. was bedeutet das für die Zukunft fossiler Brennstoffe? Brennstoffzellenautos, die nur Wasserdampf ausstoßen, und Gebäude mit einer positiven Energiebilanz sind Anwendungen, die den niedergang der herkömmlichen Technologien vergangener Jahrhunderte einläuten. natürlich können wir die Technikwelt der zweiten industriellen Revolution, die Epoche des Öls, nicht einfach von heute auf morgen verlassen. Vielmehr müssen Produktion, Infrastruktur und Verbrauch in den nächsten 20 Jahren kontinuierlich auf neue Technologien umgestellt werden. Das betrifft auch Strukturen in der Wirtschaft: 100 Jahre lang gab es ein starkes Verhältnis zwischen der Auto- und der Ölindustrie. nun entstehen neue Verbindungen der Fahrzeughersteller zu anderen Energie- und Technologieunternehmen. Der Rollout serienmäßiger Brennstoffzellenfahrzeuge wird diese neuen Verbindungen schnell vorantreiben und visionäre Partnerschaften wie „H2 Mobility“ stärken. Erleben wir einen wandel im nutzungsverhalten von wasserstoff, der mit der Entwicklung vom ersten Personal Computer zum iPad vergleichbar ist? Eine solche Entwicklung ist in vollem Gange: Heutige Verbraucher haben keine Scheu mehr davor, zu Spielern in der Energiewirtschaft zu werden. Und genau das wird die dezentrale und individuelle Produktion und Distribution von Energie ja bedeuten.

CURRICULUM vITaE 65 Jahre +++ Soziologe, Ökonom und Publizist +++ Gründer und Präsident der Foundation of Economic Trends (FOET) +++ Theoretiker der Zugangsgesellschaft +++ Berater der EU-Kommission und diverser Regierungen +++ Autor von 17 Büchern zu wissenschaftlichem und technischem Wandel +++ Kolumnist u. a. für „The Guardian“ und „Los Angeles Times“ +++ sein Buch „Die H2-Revolution“ trieb die Debatte um den Wandel zur Wasserstoffwirtschaft voran +++ Lehrbeauftragter an der Wharton School of Business (University of Pennsylvania) +++ vom „national Journal“ zu einem der 150 einflussreichsten Intellektuellen der USA gekürt +++

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METROPOL

NEW YORK Die „Welthauptstadt“ hat viel zu tun, wenn sie ihren Ausnahmestatus verteidigen will. Beim Nahverkehr ist man mit der größten Flotte von Hybridbussen die Nummer eins.

PARAMETER NEW YORK * STATUS: bevölkerungsreichste Stadt der USA GRÜNDUNGSJAHR: 1624 FLÄCHE: 1.214 km² EINWOHNERZAHL (Stadt): >8 Millionen EINWOHNERZAHL (Metropolregion): 19,5 Millionen BEVÖLKERUNGSDICHTE (Stadt): 10.606 Einwohner/km² INTERNETPRÄSENZ: nyc.gov

KANADA Chicago

USA

Boston NEW YORK

Austin MEXIKO

Miami KUBA Mexiko-Stadt

COMMUNITY New York will dem Hightech-Zentrum Silicon Valley Konkurrenz machen. Stadtverwaltung und Kapitalgeber locken Ingenieure und Tüftler mit subventionierten Büroräumen und anderen Starthilfen an. Zu den Erfolg versprechenden Neugründungen gehören: • der Mobildienst Foursquare, in dem sich bereits mehrere Millionen Smartphone-Nutzer regelmäßig einloggen, • der boomende Online-Basar Etsy für Hobbyhandwerker • sowie Kickstarter, wo Tausende von Künstlern private Mäzene finden. Starthilfe leisten neben der Kommune eine Handvoll neuer, privater Brutkästen wie betaworks und die New York University. Die Hochschule hat an der Südspitze Manhattans einen eigenen Inkubator eingerichtet, in dem sich innerhalb eines Jahres bereits 28 Start-ups etabliert haben. MOBILITÄT Die weltgrößte Flotte von Hybridbussen im öffentlichen Nahverkehr operiert in New York City und Umgebung und sie wächst stetig weiter. Fast 1.700 dieselelektrische Busse helfen aktuell bei der Beförderung von mehr als 6 Millionen Passagieren, die täglich unter dem Banner der Metropolitan Transport Authority (MTA) und ihrer Subunternehmen transportiert werden müssen. Fast alle auf den mehr als 6.000 km langen Busrouten eingesetzten Hybridbusse sind dabei von der zu Daimler Buses North America gehörenden Marke Orion International. In den Jahren 2008 bis 2010 wurden über 1.000 Busse vom Typ Orion VII in den Staat New York ausgeliefert, weitere 132 Orion VII sollen in diesem Jahr noch hinzukommen. daimler-technicity.com/staedteundnetzwerke

* QUELLE: US Census Bureau

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VON DER STADT ZUM IDEENPOOL: INNOVATIONEN AUS VIER GROSSSTÄDTEN.

BARCELONA Die „Stadt am Wasser“ setzt auf sorgfältig durchdachte Entwicklungsprojekte: von Car-Sharing-Modellen über ein neues BRT-System bis zum Ausbau der grünen Lunge.

PARAMETER BARCELONA * STATUS: zweitgrößte Stadt Spaniens und Hauptstadt Kataloniens GRÜNDUNGSJAHR: ca. 300 v.Chr. FLÄCHE: 101,4 km2 EINWOHNERZAHL (Stadt): >1,6 Millionen EINWOHNERZAHL (Metropolregion): >5 Millionen BEVÖLKERUNGSDICHTE (Stadt): 15.991 Einwohner/km2 INTERNETPRÄSENZ: bcn.cat

FRANKREICH Lyon

BARCELONA Madrid

SPANIEN PORTUGAL

Valencia

ITALIEN

MOBILITÄT Barcelona hat ehrgeizige Ziele für den öffentlichen Nahverkehr formuliert. Die Verkehrsbetriebe Transports Metropolitans de Barcelona (TMB) verfügen inzwischen über • 1.080 Busse, • die auf 108 Routen mit einer Gesamtlänge von 923,92 km verkehren • und von denen 11 % mit Biodiesel und 27 % mit Erdgas betankt werden. Die modernsten Omnibusse der Flotte sind Mercedes-Benz Citaro Stadtbusse, deren erste Modelle bereits 2003 in Barcelona ihren Betrieb aufnahmen. Jetzt hat TMB beschlossen, die verbleibenden Dieselbusse auf Hybridantrieb umzurüsten. Zum Jahresbeginn 2011 sollen außerdem die ersten drei Linien des neuen „Bus Rapid Transit“-Systems (BRT) namens RetBus in Betrieb gehen und die Busverbindungen in der katalonischen „Stadt am Wasser“ weiter vereinfachen und effektivieren. STADTENTWICKLUNG Der Trend zur grüneren Stadt spielt sich in Barcelona zunehmend hoch über den Köpfen der Einwohner ab. Auf den Dächern der Metropole finden sich inzwischen rund 3,5 Hektar an Grünflächen und das Potenzial scheint noch lange nicht ausgeschöpft. An die 100 Hektar Grünflächen könnten laut Schätzungen in Zukunft für Energieeinsparungen (durch Isolation), bessere Luftqualität und Biodiversität sorgen – vom mediterranen Flair ganz zu schweigen. Fassaden böten weitere 24 Hektar Fläche. Die Stadtverwaltung, die kürzlich bereits Einrichtungen wie die Biblioteca Zona Nord begrünen ließ, hat inzwischen weitere 64 Hektar auf den Dächern öffentlicher Gebäude zur Bepflanzung ausgewählt. daimler-technicity.com/staedteundnetzwerke

* QUELLE: Instiuto Nacional de Estadística, Demografía

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METROPOL

HELSINKI Alle reden von Smart Grids, die kleine Metropole am finnischen Meerbusen baut eines. Der alte Fischhafen wird zum Versuchslabor der Energiebranche.

PARAMETER HELSINKI * STATUS: Hauptstadt Finnlands GRÜNDUNGSJAHR: 1550 FLÄCHE: 213 km² EINWOHNERZAHL (Stadt): >570.000 EINWOHNERZAHL (Metropolregion): 1,3 Millionen BEVÖLKERUNGSDICHTE (Stadt): 2.707 Einwohner/km² INTERNETPRÄSENZ: hel.fi

SCHWEDEN

FINNLAND

NORWEGEN

HELSINKI Oslo

Stockholm

DÄNEMARK

Riga

RUSSLAND

ENERGIE Im Herzen Helsinkis entsteht ein neuer Stadtteil. Ähnlich wie in der Hafencity in Hamburg werden die Skandinavier ein innenstadtnahes Hafengebiet in ein Wohn- und Büroviertel umwandeln. Kalasatama, der alte Fischhafen, soll einmal 15.000 Einwohner haben. Und die bekommen ein Stromnetz der besonderen Art: ein lokales Smart Grid. ABB, Nokia Siemens Networks und Helsingin Energia wollen das Netz mit sogenannten Demand-Response-Systemen ausstatten, wodurch die örtliche Stromproduktion und der Verbrauch flexibel aufeinander abgestimmt werden. Die neuen Bewohner kommen in den Genuss von dynamischen Stromtarifen und Bonuszahlungen, wenn sie zu Hauptlastzeiten ihren Verbrauch senken. „Die neue Smart-Grid-Technologie ebnet den Weg für die Einführung innovativer Dienste für den Verbraucher – vergleichbar mit Mobilfunknetzen. Neue kundenorientierte Dienstleistungen und die Stromtarifierung in Echtzeit ermöglichen die aktive Mitwirkung der Anwohner“, sagt Jaakko Aho, Leiter Energy Solutions, Nokia Siemens Networks. MOBILITÄT Finnland im Winter bedeutet Eis, Schneestürme und schwieriges Gelände: ideale Bedingungen für den Zetros Hauben-Lkw mit 6 x 6-Antrieb. Der Stromnetzspezialist Eltel hat seinen ersten Zetros Anfang des Jahres in seinen Fuhrpark übernommen. Der Dreiachser wird zum Bau und zur Reparatur von Überlandleitungen eingesetzt. Dafür wurde ein Teleskopkran angebracht, der bis zu 30 Meter ausgefahren werden kann. daimler-technicity.com/staedteundnetzwerke

Berlin

Warschau

* QUELLE: Statistical Yearbook of the City of Helsinki

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SHANGHAI Die Expo 2010 hat Shanghai zur symphatischsten Megacity Chinas werden lassen. Auch nach der Expo blickt die Welt auf den kosmopolitischen Ballungsraum am Jangtse-Fluss.

PARAMETER SHANGHAI * STATUS: Ostchinesische Business- und Finanzmetropole GRÜNDUNGSJAHR: 5.-7. Jahrhundert FLÄCHE: 6.340 km² EINWOHNERZAHL (Gemeinde): >14 Millionen EINWOHNERZAHL (Metropolregion): >19 Millionen BEVÖLKERUNGSDICHTE (Gemeinde): 2.978 Einwohner/km² INTERNETPRÄSENZ: shanghai.gov.cn

MONGOLEI NORD-KOREA Peking SÜD-KOREA

CHINA SHANGHAI

Hongkong

TAIWAN

JAPAN

KULTUR Von der Ausrichtung der Expo 2010 wird Shanghai noch lange profitieren. Eine ihrer zentralen Veranstaltungsorte, eine futuristische Arena am Ufer des Huangpu, die passend zur Weltausstellung fertiggestellt worden war, wird vom kommenden Jahr an auf den Namen Mercedes-Benz Arena hören. Mit 18.000 Sitzplätzen ist ausreichend Raum für groß angelegte Veranstaltungen, die das wachsende Bedürfnis urbaner Chinesen nach Kunst, Kultur, Sport und Unterhaltung stillen können. Die zehnjährige Patenschaft mit Mercedes-Benz wird gleichzeitig das erste Mal sein, dass China ein ausländisches Unternehmen als Namensgeber und Sponsor für eines der nationalen Prestigebauwerke akzeptiert. ARCHITEKTUR Das Wahrzeichen von Shanghai, der Fernsehturm Oriental Pearl Tower, ist inzwischen 15 Jahre alt. Nun soll es von einem neuen Megahochhaus im wahren Wortsinn in den Schatten gestellt werden, dem Gensler’s Shanghai Tower, der bei seiner Fertigstellung 2014 das zweithöchste Gebäude der Welt sein wird: • 128 Stockwerke, • 632 Meter Höhe, • 9 aufeinander gestellte zylindrische Gebäude, die mit einer Art von Haut umgeben und zusammen wie ein gedrehter Drache aussehen werden. Mit dem Gebäude setzt Shanghai zwar seine Tradition fort, die Wolkenkratzer von westlichen Architektenbüros errichten zu lassen, diesmal sind jedoch auch Architekten und Designer von der Tongji-Universität an der Planung beteiligt. daimler-technicity.com/staedteundnetzwerke

* QUELLE: Shanghai Municipal Statistics Bureau

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POSItION TexT

FoTo

Peter Thomas

Kurt hENsELER

Christian HaHner 125! Jahre Innovation – modernes Patentmanagement bildet den visionären horizont eines Unternehmens ab – und hält dessen innovative Dynamik am Laufen. Ein Gespräch mit Christian hahNER, Leiter Intellectual Property & Technology management bei Daimler.

CURRICULUM vItae +++ geb. 1968 in stuttgart +++ studium der Betriebswirtschaftslehre (technisch orientiert) +++ Berufseinstieg bei Daimler als Trainee +++ Entwicklungsprojektplanung a-Klasse +++ Leiter Projektplanung Grundfahrzeug +++ Promotion über Innovationsmanagement am Beispiel eines hybridantriebs +++ Betreuung strategische allianz zwischen Daimler und mitsubishi +++ seit 2006 Leiter Intellectual Property & Technology management +++

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Herr Hahner, die „Patentlösung“ gehört zu unserem kollektiven Wortschatz, aber das Adjektiv „patent“ ist heute ziemlich angestaubt. Welche Bedeutung haben Patente am Anfang des 21. Jahrhunderts? Bedeutung und öffentliche Wahrnehmung des Begriffs klaffen heute auseinander. Ein Patent wird noch immer in erster Linie als schutz einer Innovation durch Verbote verstanden, dabei sollte es doch für die Innovation selbst stehen. Patente spiegeln schließlich die erfinderische Tätigkeit aus Forschung und Entwicklung wider. mit dieser Ressource sollten wir offener umgehen, sie zu einer Basis für den austausch von Wissen machen. Wir wollen heute darüber hinwegkommen, Patente ausschließlich auf dem Weg des Verbotes einzusetzen. Was wäre denn eine Alternative? Wenn ich eine Innovation in Deutschland durch die Erstanmeldung eines Patentes veröffentliche, schaffe ich einen stand der Technik. Diese Innovation kann sich danach weltweit niemand sonst patentieren lassen. selbst wenn wir uns nicht dazu entscheiden, das Patent in anderen Ländern anzumelden, dokumentieren wir so trotzdem unsere Technologie- und Innovationsführerschaft. Zugleich schafft die Veröffentlichung die Grundlage dafür, dass Innovationen, die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben – zum Beispiel für die Fahrzeugsicherheit –, weltweit genutzt werden können. Sind solche Abwägungen eine der großen Herausforderungen des modernen Patentmanagements? Die ganz große herausforderung ist es, zusammen mit Technikern und Ingenieuren immer wieder den stand der Technik zu analysieren. aus diesen Erkenntnissen heraus definieren wir dann jene Felder, in denen wir unsere Technologieführerschaft halten und ausbauen wollen. Das bedeutet für meinen Bereich vor allem Zusammenarbeit: Die Patentleute müssen raus zu den Forschern und Entwicklern! Stellt die Arbeit des Intellectual Property & Technology Management bei Daimler die gleichen Anforderungen wie bei Unternehmen aus anderen Industriezweigen? Die arbeit mit Patenten im automobilbereich ist schon sehr spezifisch. schließlich gehen wir mit einem extrem komplexen Produkt um, in das viele Technologiefelder hineinspielen. In einem Fahrzeug kommen schnell 100 Patente zum Einsatz. In der arzneimittelindustrie kann der patentierte pharmazeutische Wirkstoff auch schon mal direkt das Produkt sein. Grundlagenpatente auf ein ganzes Kraftfahrzeug wie vor 125 Jahren sind

dagegen heute kaum mehr denkbar. aber im Umgang mit den Patenten schlägt die automobilindustrie einen Weg ein, dem sicher auch andere Branchen folgen werden: Das Patent als Basis für Kooperationen und Netzwerke ist die Zukunft des Innovationsmanagements. Lässt sich ihre heutige Arbeit denn überhaupt mit der Situation vergleichen, als Gottlieb Daimler und Carl Benz ihre Patente angemeldet haben? Das gilt wohl nicht für das automobil mit Verbrennungsmotor. Denn in diesem Bereich gab es damals Patente von visionärer Breite, die wir heute nicht mehr erwarten können. aber ich sehe durchaus Parallelen zwischen dem offenen Feld der automobiltechnik von vor 125 Jahren und der aktuellen Entwicklung von alternativen antrieben wie bei Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeugen. Gerade im Bereich der Batterietechnik steigt die Zahl wichtiger Patente gerade weltweit stark an. Wir erleben bei neuen hightechantrieben technische Innovationen, die in Bereiche hineingehen, die so für den automobilbereich noch nicht vorgedacht wurden – und damit auch nicht geschützt sind. Welcher Anteil der patentierten Entwicklungen fließt in die Serienfertigung eines Automobils ein? Dazu kann ich keine absoluten Zahlen nennen. Ein starkes Patent braucht ein großes Portfolio, das es umgibt. Wir vergüten aktuell rund 2.600 Erfinder für die anwendung ihrer Erfindungen in unseren Produkten. Die Daimler-mitarbeiter erfinden momentan mehr als jemals zuvor in der Firmengeschichte. Im letzten Jahr haben wir 2.000 Patente angemeldet – in der deutschen Patentanmeldestatistik liegen wir auf Platz 2 nach siemens. Was genau wird damit geschützt? Das ist sehr unterschiedlich und hängt sehr stark von der Technologiestrategie im Umfeld der Innovation ab. Einen Patentschutz international durchsetzen zu wollen ist teuer: Wenn es unternehmerisch sinnvoll ist, das Patent aktiv gerichtlich gegen unerlaubte Nachahmungen einzusetzen, müssen wir das Patent auf jeden Fall nationalisieren und damit in anderen Ländern gültig machen. Haben Sie denn ein aktuelles Lieblingspatent? Was mich derzeit besonders begeistert, ist das Potenzial für die anwendung von Batterietechnologien im automobilbereich. Da wird ein eigentlich historisches Thema plötzlich durch neue anwendungen hochaktuell. Die entsprechenden Innovationen samt der dazugehörenden Patente haben das Potenzial, Wertschöpfung in Deutschland zu halten. Denn von hier kommt der Nachschub an Ideen für die mobilität der Zukunft.

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Rüdiger Abele

Die neue Leichtigkeit Neue Materialien und Konstruktionsprinzipien im Dienste einer besseren Energieeffizienz

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Vom Tennisschläger über das Fahrrad bis zum Formel-1-Wagen – das Prinzip der Leichtbauweise wird in modernen Technologieprodukten immer konsequenter umgesetzt. Letztes Ziel ist in jedem Falle die Einsparung von Ressourcen bei deren Herstellung und Nutzung. Die angewandte Materialstrategie sorgt wie nebenbei auch für ein neues Gefühl im Umgang mit entsprechenden Technologien.

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ast scheint es ein neues Naturgesetz zu sein: Je mehr Masse die Erde über die Zahl der auf ihr lebenden Menschen bekommt, desto leichter werden die Produkte, die diese Menschen nutzen. Fahr­ räder werden aus Aluminium statt aus Stahl gefertigt, Reisekoffer aus Kunststoff statt aus Leder. Joggingschuhe haben unten einen Schaumkern und oben Netzgewebe. Egal, in welche Branche man schaut – jedes Gramm wird kritisch hinterfragt. Ziel ist stets höchste Energieeffizienz und somit auch oft Kosteneffizienz: Die aufgewendete Kraft für das zu erreichende Ziel soll möglichst gering sein oder die Reichweite bei gegebenem Krafteinsatz möglichst groß. Das ist nichts grundsätzlich Neues, denn Effizienzbetrachtungen sind seit jeher Bestandteil vieler

technischer Aufgaben. Doch Ressourcenknappheit und Klimawandel verleihen dem Thema Energieeffizienz der­ zeit eine stetig wachsende Bedeutung. Neue Konstruktionsprinzipien und neue Materialien sind gefragt. Und wieder einmal übernimmt die Auto­ mobilbranche eine Vorreiterrolle. Denn Energieeffizienz ist für sie der zentrale Schlüssel, um gleich zwei wichtige Ziele zu erreichen: ein geringerer Kohlendioxidausstoß bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und eine höhe­ re Reichweite für Elektrofahrzeuge. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Wird ein Auto um 100 Kilogramm leichter, verbraucht es je nach Fahrweise zwischen 0,3 und 0,5 Liter weniger auf 100 Kilometer, entsprechend acht bis zehn Gramm weniger Kohlendioxid je Kilometer.

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Kohlenstoff/ Carbon

Kohlenstofffasern sind sehr leicht und gleichzeitig äußerst fest. Die industriell aus Kohlenstoff gefertigten Fasern weisen eine grafitartige Struktur auf (siehe illustration) und können zu Kunststoffbauteilen verarbeitet werden.

serie:  Nichtmetall Schalenmodell Carbon

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Das Schalenmodell beschreibt die charakteristische Elektronenhülle von Atomen in Relation zum Atomkern. Die Struktur der hülle bestimmt weitgehend die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Atome.

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darstellung chemisch

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AGGREGATZUSTäNDE fest

flüssig

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VoRKoMMEN natürlich

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synthetisch

PERioDENSySTEM ordnungszahl Symbol Masse (u)

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Kapitel I Die Herausforderung

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oder warum und wann Leichtbau in Produkten notwendig und sinnvoll ist

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s ist nicht schwer, leicht zu bauen. Vorzügliche Ma­ terialien sind vorhanden, vorzügliche ideen eben­ falls. Ließe man beides grenzenlos fließen, bekäme man die leichtesten Produkte zurück. Perfekt würden sie sämtliche Traumvorstellungen erfüllen. Nur einen haken hätten sie vermutlich: ihren Preis. Denn extremer Leicht­ bau kostet extrem viel Geld. Deshalb ist er meist den Anwendungen vorbehalten, bei denen das gesetzte Ziel fast jedes Mittel heiligt: im Spitzensport beispielsweise oder auch in der Luft­ und Raumfahrt. Und selbst dort gibt es selbstverständlich ein Kostenlimit. Mittlerweile hält Leichtbau zunehmend auch in der Automobilproduktion Einzug, zum einen, weil er notwen­ dig ist – etwa, um verbrauchsgünstigere Autos zu bauen –, zum anderen, weil er zunehmend bezahlbar wird: So wird es beispielsweise gelingen, den Preis der extrem teuren Kohlefasern aus der Raumfahrt von rund 3.000 Euro pro Kilogramm auf etwa 30 Euro zu senken. Außerdem be­ herrschen die ingenieure mehr und mehr die notwendigen Konstruktionsprinzipien für eine kostengünstige Fertigung in der Großserie. Und drittens, der Kunde: Schließlich ist er Treiber der Thematik. Die erwähnten Spitzenbereiche – Sport sowie Luft­ und Raumfahrt – sind immer wieder wichtige Know­how­ Lieferanten für Verfahren und Materialkonzepte. hier wer­ den Erfahrungen mit geringen Stückzahlen und geringem Kostendruck gemacht, die später in die Großserie einflie­ ßen. So haben faserverstärkte Kunststoffe beispielsweise beim Airbus A380 bereits einen Anteil von 20 Prozent am Strukturgewicht. Und bei Karosserien für Formel­1­Renn­ wagen kommen 20 verschiedene Arten von Kohlefaserge­ weben zum Einsatz.

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Kapitel II Der gezielte Griff zum Material

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oder auf welchen Wegen die neue Leichtigkeit erreichbar ist

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tellt sich die Frage: Wie gibt man einem Produkt ein geringes Gewicht mit? Stefan Kienzle ist dafür ein Fachmann, er leitet die Forschung und Vorent­ wicklung für Leichtbau in Rohbau und Antriebskomponen­ ten bei Daimler unter anderem mit der Aufgabe, künftige Fahrzeuge leichter zu machen, ohne Einbußen beim Kom­ fort und ohne erheblich höhere Kosten. Dazu gehören sowohl für Personenwagen wie auch Nutzfahrzeuge die Tätigkeitsfelder Exterieur, Rohbau, interieur und Antriebs­ strang mit sämtlichen Komponenten. Jedes Detail wird da­ bei auf sein Potenzial für Gewichtseinsparung betrachtet. Die Zielsetzung formuliert Kienzle bestechend einfach:

„Es geht darum, das richtige Material am richtigen Platz einzusetzen.“ Drei Wege stehen dafür zur Verfügung: die gekonnte Materialauswahl, die richtige Bauteilkonstruk­ tion sowie die passende Fertigungstechnik. Der richtige Materialmix: Nicht jedes Material eignet sich für jedes Bauteil. So lassen sich kohlenstofffaser­ verstärkte Kunststoffe (cFK), die rund 50 Prozent leich­ ter als Stahl und 30 Prozent leichter als Aluminium sind, nicht für jeden Einsatzzweck verwenden. Weil es etwa im Motor und im Getriebe spezielle Anforderungen an hitzeverhalten und Reibungsfestigkeit gibt, kommen Metalle zum Einsatz, allen voran Aluminium. Eine Alter­ native ist Magnesium, das zwar noch weniger wiegt, in der Fertigung allerdings schwieriger zu handhaben ist. Mercedes­Benz ist Pionier beim Einsatz von carbon­ faser­Verbundwerkstoffen im Automobilbau. Beim hoch­ leistungssportwagen SLR McLaren kamen diese Werk­ stoffe bereits im Jahr 2004 in der Serienproduktion für ein Gesamtfahrzeug zum Einsatz: Die komplette Karosserie besteht aus cFK, was die Karosserie bis zu 30 Prozent leichter als eine vergleichbare Aluminiumstruktur macht – bei gleichzeitig massiv höherer Steifigkeit.

Die Zielsetzung: die besten CFKKomponenten für den Großeinsatz im Automobil zu entwickeln. Zur gekonnten Auswahl von Materialien gehört auch de­ ren gezielte Entwicklung, um spezielle Eigenschaften zu erhalten. Bei cFK­Materialien betritt man hier Neuland, weil diese für Straßenfahrzeuge andere Anforderungen er­ füllen müssen als beispielsweise für die Luftfahrt und die Möglichkeiten der Faserauslegung in den Bauteilen enorm sind. Für den gezielten und schnellen Know­how­Aufbau ist Daimler deshalb jüngst eine Entwicklungskooperation mit dem Unternehmen Toray industries, inc. eingegangen, dem weltweit größten Faserlieferanten. Das Ziel: die besten cFK­Komponenten für den Großserieneinsatz im Automobil zu entwickeln. Ein gezieltes Einsatzkonzept: Jedes Material muss auf seine spezielle Weise verwendet werden, um das optimale Ergebnis zu erzielen. So ist eine Trägerstruktur aus cFK anders zu konstruieren als eine aus Stahl oder Aluminium – entsprechend gehen die Konstrukteure vor, mit einem entsprechend anderen Ergebnis. Ständig sind die inge­ nieure dabei auf der Suche nach der perfekten Lösung. Ein herausragendes Beispiel für eine bis ins Detail konse­ quente ingenieurlösung ist das im Jahr 2005 präsentierte Forschungsfahrzeug Mercedes­Benz „bionic car“, das den in tropischen Gewässern lebenden Kofferfisch zum Vorbild hatte: Das „bionic car“ hat nicht nur eine extrem strömungsgünstige Form, sondern zudem ein Leicht­ baukonzept nach natürlichem Vorbild. Die Summe aller Maßnahmen ergibt einen extrem niedrigen Treibstoff­ verbrauch von 4,3 Liter auf 100 Kilometer – mit einem weitgehend unveränderten Seriendieselmotor, bei kons­ tant 90 km/h sind es sogar nur 2,8 Liter. Die passende

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Das Polymer Lignin ist in jeder Pflanze enthalten. Seine Eigenschaften sind denen von holz ähnlich, bieten aber vielfältigere Einsatzmöglich­ keiten. im Leichtbau wird Lignin etwa als Füll­ und Bindestoff in Kunststoffen verwendet und verleiht diesen eine bessere Festigkeit.

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Fertigungstechnik: Neue Materialien erfordern neue Pro­ duktionsverfahren – mit der zusätzlichen Anforderung, große Stückzahlen zu ermöglichen, wie sie in Serienpro­ dukten vorkommen. hier wird Pionierarbeit geleistet, um eine automatisierte Fertigung zu ermöglichen. Die zentra­ le herausforderung dabei ist es, die großen Stückzahlen kostengünstig herstellen zu können. Die ingenieure bei Daimler sind dabei, Antworten zu finden. Viele andere haben sie bereits gefunden, beispiels­ weise, um in herkömmlicher Stahlbauweise leichtere Bauteile zu ermöglichen. hier hat sich unter anderem das Laserschweißverfahren bewährt, das in verschiede­ nen Fahrzeugbaureihen zum Einsatz kommt. Weil dabei zuvor notwendige Materialzugaben für Flansche entfallen, indem die Bleche exakt „auf Stoß“ geschweißt werden, ermöglicht das Laserschweißen leichtere Karosserie­ und Rohbaustrukturen, die sich zugleich kostengünstig produ­ zieren lassen.

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Kapitel III Der reiz des Neuen oder wie die Leichtbauweise in Produkten unmittelbar erfahrbar wird

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eue Materialien gelangen in vielen Produkten im Verborgenen zum Einsatz und erfüllen dort rein funktionale Anforderungen. Sie werden aber auch an der sichtbaren oberfläche verwendet, bei­ spielsweise im Fahrzeuginterieur, wo sie die Leichtigkeit erlebbar machen. Das wird das Design verändern. Das Forschungsfahrzeug F800 Style zeigt in seinem interieur mögliche Ausprägungen. Für einen lichtdurchfluteten in­ nenraum sorgt das teilweise lichtdurchlässige Dach. Die Leichtbausitze bestehen aus einer Magnesiumschale mit einer Rückenlehne aus Kohlefaserlaminat, darüber spannt

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Aluminium

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Das silbrige Metall Aluminium weist eine vergleichsweise geringe Dichte auf und ist darum als Konstruktionswerkstoff für den Leichtbau geeignet. in entsprechenden Legierungen kann eine Festigkeit erreicht werden, wie sie etwa für die Sicherheit in Fahrzeugen erforderlich ist.

serie:  Halbmetall Schalenmodell Aluminium

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Das Leichtmetall Magnesium hat noch rund ein Drittel weniger Gewicht als Aluminium. im Leichtbau können durch den Einsatz von Magnesium als Werkstoff – beispielsweise als Magnesiumblech in der Automobilherstellung – große Gewichtseinsparungen erzielt werden.

serie:  erdalkalimetall Schalenmodell Magnesium

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sich ein hochstrapazierfähiges Netzgewebe – so wird Leichtbau auf ästhetische Weise sichtbar. oder die holz­ furnierelemente des F800 Style: Sämtliche holzteile ha­ ben einen stabilen Aluminiumkern. Somit erfüllen sie nicht nur die für Mercedes­Benz typischen Anforderun­ gen an die crashsicherheit, sondern verbreiten zudem ein wohnliches Flair. Auch die instrumententafel des For­ schungsfahrzeugs ist bewusst mit hellen Materialien und feinen Materialausläufen gestaltet. So scheint sie fast vor dem Fahrer zu schweben – wie auch das großzügige Display des hMi cam­Touch­Pads für ein neuartiges Bedienkonzept.

Der Einsatz von Leichtbaumaterialien muss immer auch dem Charakter des Produkts entsprechen. Für die Serienprodukte von morgen werden die Designer sicherlich noch weitere neue Wege finden, um Leicht­ bau sichtbar zu machen. Wichtig ist dabei ein stimmiges Gesamtkonzept, das dem charakter des Produkts ent­ spricht. Für Mercedes­Benz könnte das bedeuten, dass die Produkte mit dem Stern eine neue Leichtigkeit zeigen – aber sehr gezielt. Und auf der anderen Seite werden sie immer eine Solidität und Verlässlichkeit ausstrahlen, denn das ist eine der Kernbotschaften der Marke.

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Kapitel IV Die Markenidentität im sinn oder was das Leichtbauprinzip mit der Sicherheit von Fahrzeugen zu tun hat

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ie zuvor skizzierte Vorgehensweise der ingenieure und Designer für die Verwendung von Leichtbau­ materialien orientiert sich nicht allein an rein funktionalen und gestalterischen Vorgaben. Sie orientiert sich auch an den Markenwerten. „Diese sind die Basis, um ein Produkt entsprechend gestalten zu können“, sagt Stefan Kienzle. Mercedes­Benz hat beispielsweise als ei­ nen Bestandteil seiner Markenidentität festgeschrieben, Fahrzeuge mit höchster Sicherheit anzubieten. Daran richtet man auch die Auswahl von neuen Leichtbaumate­ rialien und zugehörigen Fertigungsverfahren aus. Kienzle: „Sie müssen sich im crashfall perfekt verhalten und schwere Folgen mindestens vermindern, im besten Fall selbstverständlich vermeiden.“ Zudem eröffnen neue Materialien für das Auto von morgen neue Möglichkeiten in Sachen Sicherheit – die­ se werden natürlich ausgeschöpft, um sie zum Kunden­ wohl in konkrete Produkte umzusetzen. hier gibt es auch Transferideen aus der Formel 1 und der Luftfahrt, doch für weitere Details lässt Kienzle sich nicht in die Karten schauen – noch nicht. Wer weiß, vielleicht hat das nächs­ te Forschungsfahrzeug von Mercedes­Benz ja Merkmale in dieser Richtung?

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Kapitel V Nur noch ein Hauch oder wie sich unsere technologische Umwelt in Zukunft

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as Materialien angeht, ist die Tätigkeit der De­ signer und ingenieure für die kommenden Jahre somit umrissen: immer leichter sollen Produkte werden, um die Energieeffizienz zu verbessern. in der computerbranche ist man bereits einen Schritt in diese Richtung gegangen: Der Trend – auch bekannt unter dem Begriff cloud computing – geht dort in die Richtung, dass man seine computerprogramme und Da­ ten nicht mehr auf dem eigenen computer hat, sondern über das internet auf einem zentralen Server ablegt. Auf diesen hat man dann Zugriff von jedem Punkt der Welt über ein Endgerät, das sicherlich in irgendeiner Weise ma­ teriell sein wird. Sicherlich, physisch liegen die Daten auf einem computer. Doch der eigene Rechner kann dann „leichter“ werden, vermutlich sogar physisch, weil er selbst nicht mehr so viel Speicherkapazität bieten muss. Auch Lesegeräte für elektronische Bücher stehen gewis­ sermaßen für eine Dematerialisierung, denn das Medium ist nicht mehr auf Papier vorhanden, ganze Bibliotheken werden transportabel. Man mag über die Vor­ und Nach­ teile derartiger innovationen streiten – sie spiegeln Mög­ lichkeiten der Technik wider. Nur beim Auto fällt die Vorstellung einer extremen Dematerialisierung schwer. Sie wird wohl noch das ein oder andere Jahrhundert dauern, bis die Quantenphysik die Voraussetzungen für die Teleportation geschaffen hat: für das Transferieren einer Person oder eines Körpers, ohne dass das objekt den dazwischen liegenden Raum physisch durchquert. Aber das ist nun wirklich fernste Zu­ kunftsmusik.

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Weitere Informationen zu diesem Beitrag finden Sie unter:

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daimler­technicity.com/leichtbau unter anderem mit folgenden Features: • iNTerVieW Wie Produkte noch leichter werden: Stefan KiENZLE, Leiter des Bereichs Leichtbau, Produktion und Material in der Daimler­ Forschung und ­Vorentwicklung, erklärt wie es geht.

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• HiNTerGrUND Flexibel, schnell und sparsam: im Laserschweiß­ verfahren können metallische Werkstücke unlösbar miteinander verbunden werden. • HiNTerGrUND Kohlenstoffverstärker Kunststoff: Wie die Elemente gefertigt werden

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immer weiter dematerialisieren wird

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TRANSFER TexT

FOTOGRAFIe

Steffan Heuer

Sascha PFLÄGING

„Digitale Technologie erobert die Städte.“ Carlo rATTI, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), hat eine Vision. In den intelligenten, „sensorgesteuerten“ Städten der Zukunft wird das Zusammenspiel von Millionen Menschen und Milliarden Sensoren Arbeit, Freizeit und Verkehrssysteme gestalten.

Carlo Ratti mit dem Journalisten Steffan Heuer

Professor Ratti, Sie sind immer auf dem Sprung. Wohin fliegen Sie heute und was steht auf dem Programm? Ich fliege nach London, um ein Projekt für Olympia 2012 zu besprechen. „The Cloud“ wird nicht nur eine neue Art von Aussichtsplattform sein, sondern auch ein umfassendes echtzeit-Informationssystem. Wir wollen Daten über die Bevölkerung erfassen und auf eine digitale Wolke am Himmel projizieren, die aus großen Blasen mit zahlreichen integrierten LeDs besteht. „the Cloud“ ist eines von vielen Projekten aus ihrem SENSEable City Lab, einer abteilung am Mit, und untersucht, wie Millionen Menschen in einem von technologie geprägten Umfeld leben und arbeiten. Können Sie uns einen Überblick über die arbeit in ihrem Labor geben? Das Labor besteht seit sechs Jahren und hat hier in Cambridge 30 bis 40 Mitarbeiter. Hinzu kommt unsere neue Außenstelle in Singapur, die bis Jahresende zehn Mitarbeiter haben wird. Das Labor versucht, Visionen und Prototypen für die Städte der Zukunft zu entwickeln. Wir leben nun einmal in einer Ära der Städte. China allein baut mehr Städte, als in der gesamten übrigen Welt jemals errichtet wurden. Letztes Jahr lebte die Mehrheit der Weltbevölkerung erstmals in Städten.

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es gibt noch einen anderen Grund für unsere Forschung: Technologie hat in einem nie da gewesenen Ausmaß einzug in unser Leben gehalten. und sie ist so „klein“ und preiswert, dass sie allgegenwärtig ist. Digitale Technologie erobert die Städte. Wir beschäftigen uns mit den Schnittstellen zwischen Mensch und Technologie. Was können Sensoren messen und was haben die Leute davon? Diese allgegenwärtige Technologie hat weitreichende Auswirkungen auf die raumplanung. Bei der raumplanung geht es nicht mehr nur um Menschen oder Verkehr, sondern darum, der Technologie einen raum zu geben. Daher versuchen wir, erkenntnisse vieler verschiedener Fachrichtungen zusammenzubringen: Mathematik, Physik, Architektur, Informatik, Sozialwissenschaften. Sprechen wir doch einmal über die Städte von morgen. Das, was Städte letztlich lebendig macht, sind die Menschen, die dort ihren tätigkeiten nachgehen. Wo und wie passt digitale technologie dort hinein? Verschiedene Technologien breiten sich in den raum aus und verändern die raumnutzung. Nehmen Sie als Beispiel unser Projekt „real-Time rome“. Für die Zusammenstellung von Informationen über den rhythmus der Stadt brauchten wir nur die Nutzer-

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MiKRoSKop SenSATIOnelle SenSORen Das SeNSeable City Lab hat seit seiner Gründung 2004 mehrere Dutzend aufsehenerregende Projekte lanciert, die den Datenfluss von Handys, Kameras, Straßen und ganzen Gebäuden kreativ erfassen und auswerten, um so detaillierte und oft ungeahnte einsichten in den urbanen Alltag zu bieten. Die praktische umsetzung überlässt das Team von Carlo ratti meist Sponsoren oder Ländern und Kommunen, die so ein praktisches Problem – wie bessere Verkehrsplanung oder eine Modernisierung ihrer Informationssysteme – lösen wollen. Die Spannbreite der futuristischen Messtechnik reicht von der erfassung der Verkehrsströme in rom und Tsunami-sichere Wohnhäuser samt mobilem Warnsystem in Sri Lanka über vernetzte Müllberge in New york bis zu roboterinsekten, die als ein LeDSchwarm Nachrichten in den Himmel schreiben. senseable.mit.edu

daten von Handys, Bussen, Taxis und Zügen zusammenzustellen und zu analysieren. Die Leute können diese Daten jederzeit sehen und haben damit eine bessere entscheidungsgrundlage. Navigationssysteme in Fahrzeugen oder Smartphones sind bereits Bestandteil der „sensorgesteuerten“ Stadt, die Sie sich vorstellen. Wie kann man dieses Konzept weiterentwickeln? Dieses ganze Arbeitsgebiet steckt voller Herausforderungen. es gibt noch eine Menge zu tun, um Verkehrsinformationen wirklich in echtzeit messen und verarbeiten zu können: Wir müssen genauer und treffsicherer werden. Das Steuerungssystem insgesamt ist eine große Herausforderung. Wir alle haben Optimierungsalgorithmen im Kopf. Aber wenn Sie sich auf intelligente Systeme im Auto verlassen und alle Autos auf dieselbe Art programmiert sind, verbessert sich nichts. Weil es irgendwo ein Problem gibt, fahren alle dieselbe Ausweichstrecke und schaffen ein neues Problem. ein anderes gutes Beispiel ist die Börse. Alle nutzen ähnliche Algorithmen für den Wertpapierhandel und schreien: „Kaufen, kaufen, kaufen!“ oder „Verkaufen, verkaufen, verkaufen!“ Damit macht man nur ein größeres Problem aus identischen entscheidungen.

„Technologie breitet sich aus und verändert die Raumnutzung“, behauptet Carlo rATTI, Leiter des SeNSeable City Lab am MIT.

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TRANSFER Nehmen wir an, dass schon bald jedes Objekt seinen Standort kennt und Daten senden kann. Wie soll man aus dieser informationsflut schlau werden? Als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte, gab es ein ähnliches Problem. Die Leute fragten sich, was sie mit all diesen Links und Seiten anfangen sollten. Dann kam Google. Die Suchmaschine verbirgt diese Datenflut hinter einer übersichtlich gestalteten Schnittstelle und beantwortet so viele unserer Fragen. Wir haben mit einer Änderung unseres Surfverhaltens darauf reagiert. Mit unserem Verhalten gestalten wir das ganze System und sorgen dafür, dass man sich einfacher im Netz zurechtfindet. Auch in unserer in echtzeit sensorgesteuerten Welt hat ein Google seinen Platz. Aber wir wissen noch nicht, wie die Architektur und Infrastruktur eines globalen, in echtzeit funktionierenden Sensornetzwerks aussehen werden, wie zentralisiert ein solches System sein wird, welche Personen und Maschinen Zugriff auf die Daten haben und sie gemeinsam mit anderen usern oder Systemen nutzen können.

09:30 Uhr aBFaHRt von rATTIS Haus in Cambridge

19. Febr. 2010 09:30 –18:45 Uhr

Wie wird der Verkehr in diesen sensorgesteuerten Städten aussehen? Sobald Technologie wirklich allgegenwärtig ist, wird sie fast unsichtbar. Man geht z. B. davon aus, dass jeder raum einen Lichtschalter hat und macht sich keine Sorgen wegen der Beleuchtung. Dasselbe gilt für WLAN-Verbindungen und künftig auch für alle anderen Daten und Instrumente. Man kann sich daher ganz auf das konzentrieren, was einen wirklich interessiert. Das beste Beispiel dafür ist der Computer. Am Anfang standen riesige Geräte im Keller. Dann zogen sie auf unsere Schreibtische um und wir mussten an einem Ort sitzen bleiben. Nun halten sie einzug in unsere Jackentaschen. Die Menschen mussten sich früher in ihrem Arbeitsleben an die Anforderungen von Maschinen anpassen. Die raumanforderungen wurden zu 50 Prozent von der Technologie bestimmt. Bald werden sie fast vollständig von den Bedürfnissen der Menschen bestimmt sein.

HARVARD MUSeUM OF nATIOnAl HISTORY

Auf dem Weg zur Harvard university: Parkplatzsuche in der Nähe des Harvard Square

HARVARD ART MUSeUM

15:00 Uhr MaNaGEMENtMEEtiNG Harvard university

16:15 Uhr MEEtiNG Kennedy School of Government

HARVARD BUSIneSS SCHOOl Diskussion neuer Ansätze Meeting an der universität

14:00 Uhr MEEtiNG Massachusetts Institute of Technology (MIT)

rATTI stellt an der Kennedy School seine neuesten erkenntnisse zu Sensorsystemen vor.

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MIT MUSeUM

Carlo rATTI in seinem Büro

10:00 Uhr MaNaGEMENtMEEtiNG SeNSeable City Lab (MIT)

12:00 Uhr GESCHÄFtSESSEN Cambridge

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CURRiCULUM ViTAE 38 Jahre +++ Direktor des SeNSeable City Lab am

Wird die Verkehrsdichte nicht höher als je zuvor sein, wenn alle ständig unterwegs sein können? Wir werden viel intelligentere und schnellere Verkehrssysteme haben als heute, denn die einzelnen Komponenten werden besser aufeinander abgestimmt sein. Das Auto hat einen Vorteil gegenüber öffentlichen Verkehrsmitteln: Man ist zeitlich und räumlich unabhängiger. Mit Technologien, wie wir sie in meinem Labor entwickeln, ändert sich das. Sobald Busse, Autos, Straßen und Ampeln mit Sensoren ausgestattet sind, kann man über die Situation im Nahverkehr informiert werden. So weiß man, wann man aufbrechen muss und keine Zeit verliert – die Grenzen zwischen Individualverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln werden fließend. In einem nächsten Schritt können die Fahrzeuge bedarfsgerecht an die Haltestellen geleitet werden, denn sie erkennen, wo Fahrgäste warten. Wieder passen sich Maschinen an unsere Bedürfnisse an, und nicht umgekehrt.

Welche Rolle werden private Pkw in Großstädten spielen, die mit zahlreichen Sensoren ausgestattet sind? Pkw werden weiterhin ein wichtiger Bestandteil eines intelligenten Verkehrssystems sein: Sie sind dann an unsere Informationsquellen angeschlossen, haben bessere Telematiksysteme und eine bessere Vorstellung von der Fahrumgebung. Das Auto wird allerdings etwas von seiner Macht als Statussymbol einbüßen. Die jüngere Generation wird andere Wege zur Selbstdarstellung nutzen: ihr ganz individuelles iPhone, ihre Seite bei Facebook. es geht um Geräte mit intelligenter Software, mit denen man die Technologie an die persönlichen Bedürfnisse anpassen und gleichzeitig eine bestimmte Außenwirkung erzielen kann. Autos können dieser veränderten Situation gerecht werden, wenn sie ihren Nutzern eine neue Möglichkeit bieten, in einer sensorgesteuerten Stadt ihre Persönlichkeit und ihr Verkehrskonzept zum Ausdruck zu bringen. Wir leben in aufregenden Zeiten!

Massachusetts Institute of Technology (MIT) +++ Ingenieur und Architekt +++ gilt als einer der renommiertesten experten für moderne Sensorentechnik +++ nach Studium in Paris, Turin und Cambridge ging der gebürtige Italiener im Jahr 2000 nach Neuengland und forschte am MIT Media Lab +++

HYpERLiNK Weitere informationen zu diesem Beitrag finden Sie unter: daimler-technicity.com/transfer unter anderem mit folgenden Features: • InTeRVIeW Mann mit Visionen: Das Interview mit Carlo rATTI, Professor am Massachusetts Institute of Technology, in voller Länge • HInTeRGRUnD Beyond the cloud: eine Übersicht über Carlo rATTIS Arbeit am Senseable City Lab • HInTeRGRUnD LeD-Wolke über London: Das Senseable City Lab Projekt „The Cloud“ • VIDeO Fliegende Pixel im freien raum: Das Senseable City Lab Projekt „Flyfire“

„Bald werden Ampeln und Lichtmasten zur Verbesserung des Verkehrsflusses mit Sensoren ausgestattet sein.“

18:45 Uhr EiNCHECKEN am Logan International Airport für Flug LH 425 nach München und London

In der Stadt: Stau im Berufsverkehr

Der Journalist Steffan Heuer (rechts) begleitet rATTI zum internationalen Flughafen.

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>> Why make a little step when you can jump?

Der smart fortwo electric drive. Etwas Gutes tun hieß bis heute, auch immer ein Stück weit zu verzichten. Doch das ist Geschichte. Denn die Zukunft fährt nicht nur leise, effizient und lokal emissionsfrei – sie beschleunigt auch dynamisch und stufenlos. So tragen Sie bei jeder Fahrt mit dem smart fortwo electric drive nicht nur zu einer geringeren Belastung der Umwelt bei, sondern bekommen auch noch etwas dazu: eine extra Portion Fahrspaß. Machen Sie Autofahren zu einem ganz neuen Erlebnis. Auch für Ihr Gewissen. Mit dem smart fortwo electric drive. www.smart.com

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smart – eine Marke der Daimler AG

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03 Uhr

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KONZEPT

KOMFORT

KONTRAST

Finden, öffnen, fahren – so einfach funktioniert car2go, das innovative KONZEPT für individuelle Mobilität, das in Ulm (Deutschland) und Austin (USA) getestet wird. Der Individualverkehr in der hyperlokalen Stadt von morgen basiert auf maßgeschneiderten, vollflexiblen, preiswerten und ökologisch sinnvollen Mobilitätssystemen. (Seite 74)

Licht emittierende Dioden (LED) kommen den menschlichen Sehgewohnheiten entgegen. Durch die exakte Steuerung von Fokus, KONTRAST und Farbwerten der LED lässt sich die Beleuchtung im Dienste höherer Sicherheit und größeren Wohlbefindens heute optimal einsetzen. (Seite 88)

Do n

au

Der Fahrkomfort im Auto ist mittlerweile zuverlässig messbar. Diese Erkenntnisse fließen zusammen mit den Kundenwünschen in Innovationsprozesse ein, damit die Fahrkondition verbessert werden kann. Wer fährt, soll KOMFORT spüren und auch nach einer langen Fahrt entspannt aus dem Auto steigen können. (Seite 82)

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Hyperlocal A8 B10

PARAMETER uLM STATUS: Wissenschaftsstadt FLÄCHE: 118,69 km2 DEUTSCHLAND

EINWOHNER (Stadt): 121.648 EINWOHNER (Region mit Neu-Ulm): 170.000 CAR2GO-GESCHÄFTSGEBIET: 98 km2

Ulm

(78 km2 in Ulm und 20 km2 in Neu-Ulm)

Do

na u

CAR2GO-FAHRZEUGE: 200 smart fortwo cdi ANGEMELDETE KUNDEN: rund 19.000 BASISSTATIONEN: • Rückgabe auf allen freien öffentlichen Parkplätzen möglich • Speziell gekennzeichnete car2go-Parkplätze: ca. 140 in Ulm und Neu-Ulm

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Mobility DIE STADT VoN MoRGEN IST EIN INTELLIGENT VERNETZTES GEFLECHT AUS INFoRMATIoNS- UND MoBILITÄTSSyNAPSEN. MASSGESCHNEIDERTE, VoLLFLEXIBLE, PREISWERTE UND ÖKoLoGISCH EFFIZIENTE TRANSPoRTSySTEME SETZEN SICH DURCH. TEXT

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Steffan HEUER

PARAMETER AuSTIN USA Austin

STATUS: Hauptstadt des US-Bundesstaates Texas FLÄCHE: 767,28 km2 EINWOHNER (Stadt): 750.525 EINWOHNER (Region): 1.557.829

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CAR2GO-GESCHÄFTSGEBIET: 45 km2 CAR2GO-FAHRZEUGE: 200 smart fortwo (Benzin) ANGEMELDETE KUNDEN: rund 3.000 (Stand vom 20. März 2010)

Colorado River

BASISSTATIONEN: Rückgabe auch auf städtisch bewirtschafteten Stellplätzen im Geschäftsgebiet

QUELLE: ulm.de, car2go GmbH, US Census Bureau

CAR2GO-PARKPLÄTZE: ca. 80

LEGENDE LEERLAUFZEITEN (in Minuten) März 2010, 00:00–23:59 Uhr Die Grafik (links) zeigt, dass in der Ulmer Innenstadt flexible Mobilitätslösungen wie car2go populär sind.

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lange Leerlaufzeit zwischen zwei Mietvorgängen kurze Leerlaufzeit zwischen zwei Mietvorgängen

VERFÜGBARKEIT (März 2010) März 2010, 00:00–23:59 Uhr Die Grafik (rechts) zeigt die verfügbaren car2goFahrzeuge in der Innenstadt von Austin. Nach dem erfolgreichem Projektstart wird eine ähnlich hohe Auslastung wie in Ulm erwartet. geringe Verfügbarkeit hohe Verfügbarkeit

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KOMPLEXE ALGORITHMEN Um die Anforderungen an die Disponierung der car2go-Flotte zu erfüllen, wurde bei der Planung auf die sogenannte Graphentheorie zurückgegriffen. In den Graphen der car2go-Entwickler erscheinen die Fahrzeuge und die Kunden als Knoten, die Reservierungen und die Spontanbuchungen als Kanten. „Mathematisch gesprochen suchen wir nach dem maximalen bipartiten Matching zwischen Fahrzeugen und

Telefonieren“, sagt Robert Henrich, Geschäftsführer der car2go GmbH, einer hundertprozentigen Tochter von Daimler. „Wo ich gerade bin, steht ein Fahrzeug. Ist es verfügbar, dann steige ich ein, fahre los, und muss mich sonst um nichts kümmern.“

Buchungen“, erklärt Axel Blumenstock vom Bereich Qualitätsanalyse der Daimler-Konzernforschung. „Zugleich ermitteln wir die minimale Menge kritischer Fahrzeuge – nur sie müssen für Spontanbuchungen gesperrt werden, um Reservierungen zuverlässig

ERFAHRUNGEN AUS ULM Die Idee der vollflexiblen Miete im Minutentakt hat im Großraum Ulm und Neu-Ulm (Einwohnerzahl rund 175.000) in Süddeutschland begeisterten Anklang gefunden, sodass sich nach einem Jahr bereits mehr als 19.000 Bürger, oder jeder sechste Erwachsene mit Führerschein, angemeldet hat. Die 200 smart fortwo werden Tag für Tag bis zu 1.000 Mal gemietet. Besonders interessant: Zwei von drei car2goNutzern in Ulm sind unter 36 Jahre alt.

einzuhalten.“

URBANE MOBILITÄT – INTERNATIONAL USA, Asien, Europa; Ballungsgebiete, urbane Zentren und große Städte: Wo sich die kreative Klasse dicht an dicht drängt, prallt der Wunsch nach maximaler und spontaner individueller Bewegungsfreiheit auf die Beschränkungen der urbanen Wirklichkeit: Die Straßen sind voll, die Parkplätze rar, die U-Bahnen überfüllt, und für einen eigenen Pkw reicht oft das Budget nicht. Aber es gibt bereits eine praktische Antwort auf die Frage, wie Urban Creatives im 21. Jahrhundert mobil bleiben können – der Prototyp lässt sich in Ulm und Austin besichtigen.

NÄCHSTER SCHRITT: AUSTIN Der Anfangserfolg macht dem Start-up Mut für den Sprung über den Atlantik. Nach einer sechsmonatigen Testphase mit Beschäftigten der Stadtverwaltung in Austin in den USA können die 750.000 Einwohner der texanischen Hauptstadt und Universitätshochburg seit Ende Mai 2010 spontane Mobilität selbst erfahren. „Austin ist die ideale Stadt, um diese Idee nach Nordamerika zu bringen“, sagt Nicholas Cole, der car2go in den USA leitet. „Die Stadt ist für neue Ideen und neue Technologien extrem aufgeschlossen, sie zieht jede Menge kreative Köpfe und junge Leute an. Und die Leute wollen die Verkehrsprobleme aufgrund ihres Wachstums mit neuen Ansätzen lösen.“ Der „neue Ansatz“ steht direkt vor Coles Büro im Zentrum Austins sowie auf Dutzenden öffentlichen Parkplätzen in der Stadt: 200 blau-weiße smart fortwo. Sie alle sind mit einem von Grund auf neu entwickelten Logistiksystem vernetzt. Der Kunde merkt von der Komplexität rein gar nichts. Im Vorbeigehen kann man sehen, ob ein Fahrzeug frei ist. Blinkt eine grüne Diode an der Windschutzscheibe, muss der angemeldete Kunde nur seine Chipkarte schwenken, um den Wagen aufzusperren.

„Wo ich gerade bin, steht ein Fahrzeug. Ist es verfügbar, dann steige ich ein, fahre los, und muss mich sonst um nichts kümmern.“ Robert HENRICH Geschäftsführer der car2go GmbH

Das Daimler-Projekt car2go schlägt seit bald zwei Jahren eine intelligente Brücke zwischen den Erfordernissen des urbanen Stadtlebens und den Mobilitätswünschen seiner Bewohner. Erste Erfahrungen aus Deutschland und den USA belegen, dass eine ungeahnte Nachfrage für diese Art der spontanen und flexiblen Mobilität besteht. „Der Grundgedanke ist denkbar einfach – so einfach wie mobiles 76

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FINDEN, ÖFFNEN, FAHREN – SO FUNKTIONIERT CAR2GO

Calling... Car2go

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Finden

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• per iPhone App • online • telefonisches Buchen optional (Voraussetzung hierfür: Registrierung bei car2go)

Einsteigen/losfahren

3

• elektronisches car2go-Siegel auf Führerschein an den Kartenleser der Windschutzscheibe halten • auf dem Touchscreen PIN eingeben • Fahrzeugzustand bewerten • Zündschlüssel aus spezieller Halterung im Handschuhfach entnehmen

Zwischenstopp

• Fahrzeug bleibt beim Zwischenstopp gesperrt • Nutzung nur durch bisherigen Fahrer möglich

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2

1

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4

Abstellen

• Zündschlüssel ins Handschuhfach zurücklegen • mit dem car2go-Siegel Fahrzeug abschließen

Das Reservierungssystem loggt den Kunden im Zentralrechner in Stuttgart ein – und die Fahrt kann in weniger als fünf Sekunden losgehen. car2go rechnet die Nutzung im günstigen Minutentakt ab, Versicherung und Benzin sind im Preis enthalten, der in Ulm bei 19 Cent die Minute liegt, in Austin bei 35 US-Cent die Minute. Zum Servicebündel gehören ein Navigationssystem sowie der direkte Draht zum Kundendienst mit einem Knopfdruck. „Mehr Flexibilität geht kaum“, sagt Cole. „Ich kann, aber muss nicht reservieren. Ich kann den Wagen so lange behalten, wie ich will, und ich kann ihn irgendwo in der Innenstadt wieder abstellen.“ Damit ist car2go seiner Meinung nach eine ideale Ergänzung für Stadtbewohner, die kein Auto besitzen, ihren eigenen Wagen weniger benutzen wollen oder die letzte Meile nach der Fahrt mit Bahn oder Bus überbrücken wollen. „Das hat Auswirkungen auf den Lifestyle in einer Stadt.“ Dieser Grad an Freiheit innerhalb des Stadtbereichs von 44 Quadratkilometern in Austin (oder 17 Quadratmeilen) geht weit über bestehende Carsharing-Konzepte hinaus, die normalerweise feste Übergabeorte und Zeiten verlangen. DAIMLER-TECHNICITy.CoM

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ZURÜCK IN DEUTSCHLAND Experten geben dieser Form der ungebundenen Mobilität gute Noten. Da ist zum einen der positive Effekt für die Umwelt. Martin Müller, Professor für nachhaltiges Wirtschaften an der Universität Ulm, befragte 400 car2go-Kunden und ließ seine Studenten anschließend hochrechnen, wie das veränderte Mobilitätsverhalten den Ausstoß an Treibhausgasen beeinflusst. Sein Fazit: Allein in Ulm werden mehr als 3.100 Tonnen Co2 im Jahr eingespart. Die Einsparungen addieren sich aus mehreren Gründen auf. Die US-amerikanischen Marktforscher von Frost & Sullivan ermittelten zu Beginn des Jahres 2010, dass CarsharingKunden in den USA im Vorjahr fast ein Drittel weniger Kilometer fuhren als herkömmliche Autoeigentümer. Damit sparen sie im Schnitt umgerechnet 1.375 Euro Unterhaltskosten pro Jahr. Kein Wunder, dass der AutomotivePractice-Analyst David Zhao von Frost & Sullivan dieser Branche in den kommenden fünf Jahren erhebliches Wachstum voraussagt. So soll sich die Zahl der Nutzer bis 2016 von einer auf zehn Millionen erhöhen. Der Vorstoß der Daimler-Tochter car2go nach Austin – ins Herz der Automobilnation USA – besitzt in den Augen von Frost & Sullivan eine besondere Bedeutung, denn er „läutet eine neue Ära für die Automobilindustrie ein.“ Das dürfte Jérôme Guillen, Direktor Business Innovation bei Daimler, freuen, denn seine Gruppe entwickelte die car2go-Idee in nur neun Monaten zum schlüsselfertigen Service. Der gebürtige Franzose sieht das Kundeninteresse in Ulm und Austin ebenfalls als Meilenstein, wie Verbraucher und Autohersteller über Mobilität nachdenken. „Mehr und mehr Menschen entscheiden sich aus den unterschiedlichsten Gründen gegen einen eigenen Wagen“, sagt Guillen. „car2go ist ein Versuch, die Fahrzeugnutzung und -auslastung im Laufe eines Tages zu steigern.“ (siehe Interview auf Seite 81)

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Für den Weg von Brooklyn nach Manhattan steht Henry CHalIan stets vor der Wahl: die volle U-Bahn nehmen oder einen Car Service rufen? „In beiden Fällen riskiere ich, dass ich zu spät komme. Aber das sind die einzigen optionen in New york.“ Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn er sich im Gewühl ManhatHenry CHALIAN

tans zu einem Termin durchkämpfen muss: Bus, Taxi oder zu Fuß

42 Jahre, Medienbranche,

gehen? „Ein kleiner Stadtflitzer wäre ideal für kurze Strecken“, findet

New york

CHalIan. „Man käme überall durch und könnte sogar einen Parkplatz finden.“

Das hängt auch damit zusammen, dass car2go als offenes System angelegt ist. „Informationstechnik ist normalerweise ein Mittel zum Zweck, aber bei diesem Projekt steht sie im Mittelpunkt. Wir haben bei null angefangen, um ein vollflexibles System zu entwickeln“, erklärt Helmuth Ritzer, Chief Technical officer (CTo) des Start-ups, der seit 1993 bei Daimler arbeitet.

„car2go ist ein Versuch, die Fahrzeugnutzung und -auslastung im Laufe eines Tages zu steigern.“ Jérôme GUILLEN Direktor Business Innovation bei Daimler

Da Kunden ihre Fahrzeuge beliebig bewegen und wieder abgeben können, muss das Logistikprogramm hinter den Kulissen reibungslos funktionieren und dafür sorgen, dass an belebten Punkten stets genügend smart fortwo dort stehen, wo Passanten und Pendler ihre Chipkarte zücken. Systemtheoretiker sprechen hier von der „natürlichen Schwerkraft“, die Fahrzeuge über kurz oder lang zu den Knotenpunkten des urbanen Lebens zurückfließen lässt. „Die Details lassen sich schlecht genau vorausberechnen, aber es funktioniert. Ein solches System kann man auch für Millionenstädte ausbauen“, sagt Ritzer. „Die technischen Hürden sind überschaubar.“ MOBILITÄT ALS GEMEINSCHAFT Wie die ideale Mobilität der Zukunft genau aussieht, sollen auch die Kunden mitentscheiden. Gerade jüngere Nutzer nehmen car2go als weit mehr wahr als nur ein Fahrzeug, das sich für kurze Spritztouren von im Schnitt weniger als 15 Kilometern mieten lässt. „Wer car2go nutzt, wird Teil einer Gemeinschaft. Wir denken ähnlich, wenn es um Mobilität in einer 78

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norie FUkUda wohnt mit ihrem Mann Hiro im Südwesten Tokios. In dem Ballungsraum drängen sich über 35 Millionen Menschen, deswegen nutzen die beiden fast ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel. „Die restlichen fünf Prozent legen wir zu Fuß oder mit dem Rad zurück“, sagt FUkUda. „Wenn wir Modelle und anderes Material zu einem Kunden bringen wollen, müssen wir einen Wagen mieten. Das ist mühsam. Es wäre ideal, sich ein Auto zu teilen und es spontan für eine

Norie FUKUDA, 42 Jahre, Architektin, Tokio

halbe Stunde nutzen zu können.“

Stadt und um die Umwelt geht“, berichtet die Studentin Angela Zatopek von der University of Texas in Austin. Sie war eine der ersten Testkundinnen in Austin und lässt ihren Geländewagen inzwischen in der Garage und fährt stattdessen täglich mit einem smart fortwo zum Campus. „Jede Fahrt spart eine Viertelstunde, weil ich mir keine Gedanken mehr über einen Parkplatz machen muss. Und es ist ein Ausdruck meines Lebensgefühls – meine Bekannten finden es einfach cool, wie ich mich fortbewege.“ Da jeder Kunde beim Einsteigen den Zustand des Wagens mit einem Klick auf eine einfache Skala benotet, entwickelt man schnell Verantwortungsgefühl, so Zatopek. „Das ist kein anonymer Mietwagen mehr, sondern wird zu einem Teil meines Lebens.“ Das Umdenken geht längst über 20-jährige Studenten hinaus. Der Immobilienmakler Roland Galang verkauft in Austin Hochhausapartments an junge Programmierer und Pensionäre um die 60, die es aus den Vorstädten in eine lebendige, begehbare Innenstadt mit Cafés, Geschäften und Galerien zieht. „car2go verkauft sich von allein. Als Erstes habe ich alle meine 30 Mitarbeiter angemeldet“, sagt

Galang. „Aber ich sehe noch viel mehr Potenzial – warum sollte ich mir in meinem Apartmentgebäude einen Parkplatz kaufen, wenn ich direkt vor der Tür immer ein paar car2go-Autos stehen habe? Das ist auch eine Imagefrage für Leute, die Urbanität erleben, aber trotzdem mobil bleiben wollen.“ VERNETZUNG ÜBER SOCIAL MEDIA Zu einem von vernetzter Ungebundenheit geprägten Lebensgefühl gehören auch Smartphones und all jene Dienste, um mit Freunden und Verwandten Kontakt zu halten – was Kenner als „Social Media“ bezeichnen. Bereits heute „checken“ Millionen von Menschen über Dienste wie Twitter und Facebook oder ortungsdienste wie Foursquare und Gowalla mehrmals am Tag ein und lassen ihre Umwelt wissen, was sie gerade wo treiben. Diese spontane Vernetzung will insbesondere die jüngere Generation nicht mehr missen. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 2009 des Dachverband der deutschen IT-Industrie Bitkom können sich 97 Prozent aller Deutschen unter 30 ihr Leben nicht mehr ohne Handy vorstellen, aber nur 64 Prozent hängen derart leidenschaftlich am eigenen Wagen.

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Hyperlocality = Hyperlokalität Dieses Phänomen beschreibt die Verschmelzung der physischen Welt mit der virtuellen Welt. Im Zustand der Hyperlokalität funktioniert die reale Welt wie eine Website. Mittels Mobiltelefonen können objekte in der physischen Umwelt angewählt werden, um Informationen über diese zu erhalten oder sie mit Kommentaren zu versehen.

Augmented Reality (AR) = „erweiterte Realität“ Darunter versteht man die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Mithilfe von Bilderkennungssoftware können auf dem Display von Digitalkameras zusätzliche Informationen platziert werden.

THE FUTURE STARTS NOW Über der physischen Welt liegt ein

Smartphone

digitaler Layer, in dem objekte miteinander kommunizieren können und jeder eingeloggte User weiß, wo sich andere

= „smart telephone“ Tragbare Geräte, die den Leistungsumfang eines Mobiltelefons mit dem eines Personal Digital Assistants (PDA) vereinen

User befinden und was sie gerade tun. Gegenstände werden lokalisierbar und damit zu Schnittstellen in einem

GPS

= Global Positioning System Wird zur satellitenbasierten Verortung von Gegenständen, orten und Personen eingesetzt

unbegrenzt nutzbaren Datenraum. Ein Schritt auf dem Weg in eine hyperlokale Welt sind auch neue Mobilitätskonzepte auf Grundlage von Schlüsseltechnologien wie RFID und

RFID = Radio Frequency Identification Automatische Identifizierung und Lokalisierung von Gegenständen und Lebewesen mithilfe von elektromagnetischen Wellen

Mobility = Mobilität Eine grundlegende gesellschaftliche Funktion der Wirtschaft und des Privatlebens und Synonym für ein modernes Selbstverständnis von Bewegung

GeoWeb und mobilen Kommunikationswerkzeugen (z. B. Smartphones).

Profil

= Benutzer- oder Userprofil Persönliche vordefinierte Angaben eines Teilnehmers im Internet: Anhand übereinstimmender Profile können Nutzergruppen (Communitys) festgelegt und mit speziellen Informationen (z. B. personalisierte Werbung) versorgt werden.

GeoWeb = geographical location-based information Unter diesem oberbegriff werden Technologien wie GPS oder RFID zusammengefasst.

Cloud Computing = Informationsverwaltung „in der Wolke“ Der Begriff bezeichnet den Ansatz, abstrahierte IT-Infrastrukturen (z. B. Rechenkapazität oder Datenspeicher), fertige Programmpakete und Programmierumgebungen dynamisch an den Bedarf angepasst über Netzwerke zur Verfügung zu stellen.

GPS-fähigen Chips, dem sogenannten

Google Earth = kostenfreie Software von Google Sie kann Satelliten- und Luftbilder unterschiedlicher Auflösung mit Geodaten überlagern und auf einem digitalen Höhenmodell der Erde zeigen.

Geo Targeted = Geolocation oder Geolokation Beschreibt die Möglichkeit, IP-Adressen, MACAdressen oder IPTC/XMP ihrer geografischen Herkunft zuzuordnen. Kann als Grundlage eines Nutzerprofils dienen.

Mobile Persuasion = „mobile Beeinflussung“ Eine These, die besagt, dass unser Verhalten durch den Einsatz mobiler Kommunikationstools, wie das Smartphone, beeinflusst wird und unsere Wahrnehmung der Realität eingeschränkt wird

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Der Headhunter bereist ganz Europa mit dem Flugzeug und der Bahn, um Unternehmen und Kandidaten für Führungspositionen zu besuchen. „Die Langstrecke ist einfach und bequem, aber für die letzten paar Kilometer ist weder der ÖPNV noch ein Mietwagen praktisch und schnell genug. Der Aufwand steht meist in keinem Verhältnis zu meinen Kurzaufenthalten“, berichtet STEINKRAUSS, der jede Woche in mindestens eine andere Großstadt reist und in seiner Heimatstadt am liebsten mit dem eigenen Wagen fährt.

Rufus SteinkRauSS, 45 Jahre, Recruiter, Hamburg

CaR2GetHeR – „mitfaHRen 2.0“ Das webbasierte System car2gether hilft dabei, Mitfahrgelegenheiten einfach und schnell zu vermitteln. Freie Sitzplätze, Fahrtziele und Startzeitpunkte

Wie wäre es, wenn man beide Komponenten moderner Mobilität miteinander verknüpft? Die car2go-Flotte ist bereits komplett vernetzt, sodass Administratoren dank GPS und Mobilnetz sehen können, wann und wo ein Fahrzeug aus- oder eingecheckt wurde. Aber das ist nur der Anfang. Das Team um Henrich und Cole hat seine Programmierschnittstellen geöffnet und überlässt es absichtlich den Nutzern, innovative Smartphone-Anwendungen zu entwickeln – etwa um verfügbare Fahrzeuge in der unmittelbaren umgebung zu finden. „Bisher haben car2go-Fans schon zwei Apps für das iPhone geschrieben, und sie sind hervorragend“, freut sich CTO Ritzer. „car2go steht und fällt mit dem verlässlichen und effizienten Fahrzeug, dem smart fortwo. Aber auf dieser intelligenten Plattform lassen sich jede Menge neue Dienste aufbauen – Offerten von Geschäften, vor denen ich parke, wo meine Facebook-Freunde gerade herum- fahren oder die Anbindung an den aktuellen Nahverkehr.“ Auch für eine Stadt wie Austin oder ulm hat das System mit seiner hohen Datendichte einen Vorteil: es zeigt in echtzeit, wie sich ihre Bürger Stunde um Stunde, Tag um Tag bewegen, wo sie verweilen und wo möglicherweise wunde Punkte in der Verkehrsplanung liegen. „Wir verfolgen selbstverständlich keine einzelnen Kunden. Datenschutz ist für uns von höchster Priorität“, versichert Ritzer. „Aber im Aggregat kann man gut sehen, wie eine Stadt Minute für Minute tickt – rund um die uhr, sieben Tage die Woche.“ Kein Wunder, dass bereits andere Städte in europa und Nordamerika bei car2go vorfahren, um ihr Transportwesen ebenfalls flexibler, umweltfreundlicher und fit für die Zukunft zu machen. 80

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werden automatisch abgeglichen und sind direkt sowohl am PC als auch von unterwegs aus per Smartphone abrufbar.

HYPERLINK Weitere Informationen zu diesem Beitrag finden Sie unter:

daimler-technicity.com/car2go unter anderem mit folgenden Features: • ViDeO Mobilität leicht gemacht: hinter den Kulissen von car2go • HinteRGRunD Hyperlocality: wenn virtuelle und reale Welt verschmelzen • inteRVieW „Wir schreiben unsere eigenen Regeln“: Jérôme GuiLLeN, Direktor des Bereichs „Business innovation“ bei Daimler, spricht über mobile Netzwerke. • CHROnik eine junge erfolgsstory: die Geschichte des smart

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JÉRÔME GUILLEN: „Wir schreiben unsere eigenen Regeln, um Innovationen zu entwickeln, und haben keine Angst, uns Konzepte auszudenken und sie mit Prototypen zu testen.“ Herr Guillen, wie schwierig war es, eine so revolutionäre Idee wie car2go ins leben zu rufen? Es war ein sehr ehrgeiziges Projekt, eine Flotte frei beweglicher Fahrzeuge aufzubauen, die man spontan mieten und wieder abgeben kann. Das erfordert erstaunliche Programmierkünste und eine gute Integration der Fahrzeuge mit der Software. Wir können stolz sein, dass es von der Gründung des Projektteams 2008 bis zum Start in Ulm im oktober 2009 nur neun Monate dauerte. Fühlt sich ein Job bei car2go denn anders an – braucht eine erfolgreiche Innovation eine komplett freie Start-up-atmosphäre? Der Bereich Business Innovation, in dem car2go projektbezogen begleitet wird, sitzt direkt in Untertürkheim, der Gründungsstätte von Daimler – also im Herzen des Unternehmens. Aber unser Büroalltag ist neu, da es kein Handbuch für unseren Job gibt, Innovationen zu entwickeln. Also schreiben wir unsere eigenen Regeln. Wir haben keine Angst, uns Konzepte auszudenken und sie mit Prototypen zu testen. am Ende des Tages haben Sie sicher genug Material beisammen, um das ultimative Handbuch schreiben zu können ... Wir praktizieren Learning by Doing. Erst einmal überlegen wir, welche neuen Produkte und Dienstleistungen Mehrwert für den Kunden schaffen – und wie sie zweitens Mehrwert für Daimler schaffen. Die Idee hinter car2go ist einfach: Immer mehr Menschen leben in Städten und entscheiden sich aus unterschiedlichen Gründen – finanziellen, ökologischen, philosophischen – gegen ein eigenes Fahrzeug. Wie können wir bei Daimler sicherstellen, dass wir ihnen eine gute Mobilitätslösung anbieten? Das war der Keim für car2go. Nicolas Hayek, der geistige Vater des smart, dachte am Anfang über ein ähnliches Mobilitätskonzept nach. Aber vor 15 Jahren waren die dafür notwendigen Technologien, wie GPS und Mobiltelefone, noch nicht so weit.

Menschen in Ulm übersteigt unsere Erwartungen. Darüber hinaus müssen wir diesen Service so leisten, dass am Ende ein Ertrag für das Unternehmen herauskommt. Wo suchen Sie nach Inspirationen und anregungen für neue Ideen? Wir müssen bescheiden sein, denn unser Bereich ist kein Jungbrunnen toller Ideen, die die gesamte Branche umkrempeln werden. Wir haben die Pflicht, den Unternehmergeist bei einer Viertelmillion Mitarbeiter und bei unseren Partnern zu fördern und zu bündeln. Deswegen ist unser Bereich nach allen Seiten hin offen und gut vernetzt, formell wie informell. Gibt es eine Methode, um solche Ideen am besten und am schnellsten zu identifizieren und zu kanalisieren? Wir haben eine Innovationsplattform für unser Intranet entwickelt, die „BI Community“. Mitarbeiter können Ideen eingeben und über sie abstimmen. Wie bei Wikipedia kann jeder kommentieren und redigieren, wie bei LinkedIn können Teilnehmer Profile anlegen und sich mit anderen vernetzen und wie bei youTube gibt es Videos. Jeder Vorschlag muss bildlich dargestellt werden, bevor man ihn mit Sternen benotet. Dieses System ist eine gute Inspirationsquelle für neue Ideen oder um bestehende Ideen zu verbessern.

CuRRICuLuM VITAE Jérôme GUILLEN seit 01.10.2007 Direktor des Bereichs „Business Innovation“ bei Daimler

+++ 38 Jahre +++ seit 2002 im Unternehmen +++ bis 2007 bei

Wie lässt sich der Erfolg eines so unkonventionellen konzeptes messen? Der kritische Punkt kommt immer dann, wenn wir ein Projekt vom geschlossenen Test für die Allgemeinheit öffnen und echte Kunden mit ihrem Geld für den Service bezahlen müssen. Bislang steht fest: Das Interesse der DAIMLER-TECHNICITy.CoM

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Freightliner für die Entwicklung und Markteinführung des Schwerlastwagens Cascadia verantwortlich +++ angestellt bei der Unternehmensberatung McKinsey & Co., Inc. +++ Promotion für „Mechanical Engineering“ an der Universität in Michigan, USA +++ 1994 Master of Science (M.Sc.) an der Technischen Universität ETSII in Madrid, Spanien +++

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Grundemotionen hat der Mensch:. Neutralität, Freude, Trauer,. Überraschung, Angst, Ärger und ekel..

menschliche Gesichtsmuskeln

reagieren feinfühlig auf jede noch so kleine Gefühlsveränderung.

1.200

60.000

. . Merkmale fließen in die Stimmenanalyse . .ein und erlauben Rückschlüsse auf die . .Stimmungslage der Probanden..

....einzelbilder ergab das aufgezeichnete. Filmmaterial bei der Prüfung im Labor..

250

140

.....Gigabyte an Daten wurden insgesamt im. Rahmen der Fahrspaßstudie erfasst..

....Punkte im menschlichen Gesicht tastet eine. Software der Technischen Universität München ab. und registriert so die aktuelle Stimmungslage..

PIONIeRLeISTUNG IN SACHeN FAHRSPASS Die hier aufgeführten Angaben beziehen sich auf die erste wissenschaftliche Fahrspaßstudie, die im Center „Gesellschaft, Fahrkonzepte und Mensch-Maschine-Interaktion“ bei Daimler zusammen mit experten des Fraunhofer-Instituts Rostock und der Technischen Universität München im Jahr 2008 durchgeführt wurde. Mimik und Stimme erwiesen sich dabei als gute Indikatoren für die Messung von Fahrspaß.

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TexT Rüdiger AbeLe

Die Komforterfahrung Das Komfortbedürfnis der Menschen ist so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Trotzdem lassen sich gewisse Gesetzmäßigkeiten erkennen, die in Verbindung mit den großen gesellschaftlichen Trends Aussagen über unser Leben in der Zukunft erlauben.

D

ie Gesellschaft verändert sich ständig, nach ihren Wünschen und bedürfnissen, aus sich heraus, in allen Ländern der Welt. Jedes Wirtschaftsunternehmen ist von derartigen Zeitströmungen abhängig, denn diese bestimmen, ob ein Produkt attraktiv und damit erfolgreich ist. Die gern genommene Steigerung davon ist, dass ein Produkt nicht einfach nur attraktiv wirkt, sondern es sich so geschmeidig in den Alltag des Kunden einfügt, dass er es als unabdingbaren Teil seiner Lebenswelt begreift. Das Produkt wird zum Partner. Um herauszufinden, welchen Richtungen künftige Produkte folgen werden, führt der Weg nach berlin, in die Zukunftsforschung bei Daimler. Frank Ruff muss auf die Frage nach den bedeutsamsten Zukunftstrends nicht lange überlegen. Der promovierte Psychologe und Soziologe im Center „Gesellschaft, Fahrzeugkonzepte und Mensch-Maschine-Interaktion“ bei Daimler kann auf umfangreiche Trendanalysen

und Zukunftsszenarien zurückgreifen, die von den interdisziplinären Teams dort formuliert und ständig aktualisiert werden. „Die steigende Lebenserwartung der Menschen, das zunehmende Gesundheitsbewusstsein und die Suche nach einer positiven Lebensqualität rücken das Thema Gesundheit und persönliches Wohlbefinden noch mehr in den Mittelpunkt. Und weltweit leben und bewegen sich immer mehr Menschen in Städten, viele davon in großen ballungsgebieten.“ beide Aspekte nähmen einfluss auf die Alltagsgestaltung und damit auch auf künftige Produkte. So würden Autos beispielsweise noch komfortabler und individueller ausgelegt werden, weil Autos als persönlicher, beweglicher Lebens- und entspannungsraum geschätzt werden. Ob in europa, Nordamerika oder Asien – diese entwicklungen seien in allen starken Wirtschaftsregionen erkennbar. Und derzeit noch wirtschaftlich schwächere Länder würden sofort nachfolgen, wenn der gesellschaftliche Wohlstand ein entsprechendes Niveau erreicht hat.

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Komfort als ein Aspekt aus dem Gesamtszenario wird also an bedeutung gewinnen. Was verbirgt sich hinter dem begriff genau? Die Literaturrecherche bringt im Wesentlichen zwei Definitionen hervor. Die eine sagt: Komfort ist ein Zustand des Wohlfühlens, der auf dem Gebrauch von Geräten, Gegenständen oder einrichtung beruht. beispiel haushaltsgeräte: Sie werden als angenehm empfunden, weil sie die Arbeit erleichtern und das Maß der körperlichen Arbeit reduzieren. Die andere Definition lautet: Komfort ist die Abwesenheit von Diskomfort, also von empfindungen, die man gemeinhin als unangenehm empfindet. Geräuschkomfort wäre hier ein beispiel: Ruhe wird zumeist als komfortabel wahrgenommen, Maschinenlärm hingegen als unangenehm, sodass man ihm entgehen möchte. Dem genaueren Verständnis des begriffs Komfort dient auch, was der Schriftsteller eduard Graf Keyserling schon 1905 in seinem Aufsatz „Zur Psychologie des Komforts“ geschrieben hat: er spricht davon, dass Komfort zum Menschen eine „dienende Freundschaft“ eingehe, mit Aspekten beispielsweise des Förderns und Schützens. Noch einmal das beispiel Geräuschkomfort: So wird etwa ein ruhiger Autoinnenraum als förderlich für das Wohlbefinden empfunden und ein entsprechendes Fahrzeug als Freund im Alltag begriffen, der die Konzentration auf angenehme Dinge oder die erholung ermöglicht.

„Der individuell erlebte Fahrspaß hängt in zwei von drei Fällen primär von der Komfortwahrnehmung ab.“ Götz ReNNeR Center „Gesellschaft, Fahrzeugkonzepte und Mensch-Maschine-Interaktion“ bei Daimler

Götz Renner kennt diese begriffsklärungen genau – und deren Vorund Nachteile. „Wohlgefühl, bestandteil der ersten Definition, ist beim Menschen nur schwer exakt zu erfassen. Wesentlich leichter ist es, Diskomfort zu messen“, sagt der promovierte Psychologe im Center „Gesellschaft, Fahrzeugkonzepte und Mensch-Maschine-Interaktion“ bei Daimler. Das Center nimmt eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung künftiger Fahrzeuge ein, indem es die Anforderungen der Kunden erforscht und mit ihnen die neuen Produkte, etwa Sicherheitsausstattungen, frühzeitig erprobt und auf ihre Akzeptanz hin untersucht – wichtige Schritte auf dem Weg zum Serienprodukt. Die herausforderung bestehe darin, einem Produkt konkrete, auf Kundenanforderungen bezogene eigenschaften mitzugeben, die auf fundierten erkenntnissen beruhen. Das Center kann dazu auf zahlreiche Methoden und Werkzeuge zurückgreifen, um verlässliche Aussagen zu treffen. Ortswechsel, ins Auto hinein, in ein aktuelles Fahrzeug: Jedes Mercedes-benz Produkt setzt in seiner Klasse immer wieder neue Maßstäbe, auch und gerade in Sachen Komfort. Das „Look and feel“ der Kunden erzeugt viele spontane empfindungen, die sie als Komfortmerkmale erleben – etwa das satte Geräusch der sich schließenden Fahrertür, den Abstand zum Lenkrad, zu den Schaltern und bedienelementen, die Art und Weise der Sitzeinstellung, das Raumgefühl, den Innenraumgeruch, das Justieren der Klimaanlage, die haptik des Drehdrückstellers in der Mittelkonsole und den intuitiven Menüaufbau im zentralen Farbdisplay. Der unbedarfte Nutzer hätte manches vielleicht dem Luxus zugeordnet. Doch Claus ehlers, Leiter des Centers „Gesellschaft, Fahrzeugkonzepte und Mensch-Maschine-Interaktion“ bei Daimler, sagt

FAHRSPASSeRMITTLUNG Im Rahmen der Fahrspaßpilotstudie wurde die Mimik von acht Fahrerinnen und Fahrern minutiös erfasst. Die Mimik erwies sich dabei als ein guter Indikator für den erlebten Fahrspaß.

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WIe WeRDeN KUNDeNWÜNSChe eRMITTeLT ? Wie Kunden ein Auto wahrnehmen, welche Anmutung

Testpersonen werden Autos gefahren, die Technik von

mit der aufgezeichneten Fahrstrecke können die

die verwendeten Materialien und die Gestaltung von

morgen an bord haben. Neben der Technik werden

Wissenschaftler aus allen Daten das herauslesen,

Cockpit und Innenraum haben und wie die Akzeptanz

die Reaktionen der Menschen minutiös aufgezeichnet.

was sie „physiologische und psychologische

von technischen Neuerungen ist, untersucht Daimler

Untersucht werden unter anderem

Indikatoren für beanspruchung“ nennen. Ist diese

im Center „Gesellschaft, Fahrzeugkonzepte und

• herzfrequenz,

niedrig, werden technische Neuerungen im Sinne

Mensch-Maschine-Interaktion“. Die Untersuchungen

• Muskelspannung,

des leistungsfördernden Komforts als gut bewertet.

betreffen vor allem die emotionen, die ein Auto beim

• Körperbewegungen,

Leistungsfördernder Komfort bedeutet, dass der

Fahrer auslöst.

• Mimik.

Fahrer auch nach einer langen Fahrt entspannt und

Die praktischen Tests umfassen detaillierte Tiefen–

Auf Knopfdruck werden die Probanden über bild- und

zufrieden aus dem Auto steigt – im Idealfall sogar

interviews sowie psychologische Tests zur erfassung

Sprechverbindungen direkt mit den experten bei

in einer besseren Verfassung als bei Fahrtbeginn.

der „User experience“. In den Fahrversuchen mit

Daimler verbunden und können sich so über beobach-

Probanden aus dem Unternehmen und externen

tungen und empfindungen austauschen. Zusammen

WeLChe FAKTOReN beSTIMMeN UNSeR KOMFORTeMPFINDeN ? KOMFORTHIeRARCHIe

eINFLÜSSe AUF DeN FAHReR

MODeLL DeS „POSITIVeN FAHReRLeBeNS“ Das Fahrzeug unterstützt:

Zunehmender Komfort Ambiente „Luxus“

Zeitdruck Handlungs- und Bedienkomfort

aktives Fahren dynamisches, sportliches Fahren

Straße/Verkehrsbedingungen

entspannung bedienungskomfort

persönliche Tagesform

„passives“ Fahren komfortables Gleiten

Fahrzeug Fähigkeiten

ergonomie Klima Umweltkomfort

Motivation

Klima, Lärm Fitness

... entstehung der idealtypischen Gefühlszustände:

Schwingungen, Licht Fahrer

„Flow“ positive Stimmung und erhöhte Aktivierung

Geruch

entspannung positive Stimmung und niedrige Aktivierung

MIT WeLCheN MeThODeN WIRD KOMFORT GeMeSSeN ? MeHReBeNeNMODeLL Die Messung des physischen und psychischen Zustands einer Person erfolgt aufgrund der Komplexität des menschlichen Organismus auf drei unterschiedlichen ebenen:

1.

2.

3.

Somatische ebene, körperliche Veränderungen

Psychische ebene, subjektives erleben

Verhaltens- und Leistungsebene

eeG (elektroenzephalogramm) Aussagen zur Müdigkeit eKG (elektrokardiogramm) Aussagen zur beanspruchung Hormon Cortisol Stressparameter PST (unwillkürliche Pupillenbewegungen) Aussagen zur Schläfrigkeit

Fragebogen zu Stimmung, Schlafqualität, wahrgenommenen Stressfaktoren und erholungsmöglichkeiten

Konzentrationsleistung, Genauigkeit, Geschwindigkeit bei standardisierten Leistungstests Qualität des Fahrverhaltens in der konkreten Situation

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MAKROSKOP DAS PRe-SCAN-FAHRWeRK Karosserie Öl Aktor (hydraulik) Dämpfer Federbein

Rad

Im Jahr 2007 hat Mercedes-benz im Forschungsfahrzeug F700 das PRe-SCAN-Fahrwerk vorgestellt. Dank dieser Innovation passt sich das Fahrzeug an Unebenheiten der Fahrbahn an. es agiert dabei vorausschauend und errechnet Parameter für die einstellung des Aktivfahrwerks, um besten Komfort zu erzielen – die Ingenieure sprechen nicht von ungefähr vom „fliegenden Teppich“. Die Funktionsweise des PRe-SCAN-Fahrwerks: • erfassung des Straßenprofils durch Laserstrahlen im Infrarotbereich, • errechnung der optimalen Fahrwerkregelung auf basis des Straßenprofils durch das Steuergerät, • hydraulikaktoren im Fahrwerk gleichen Straßenunebenheiten durch Regelung des Ölflusses in jedem einzelnen Federbein aus und • die Karosseriebewegung beim Überfahren von Unebenheiten wird deutlich verringert. Seit September 2010 wird bereits die Weiterentwicklung des PRe-SCAN-Fahrwerks in Fahrzeugen von Mercedes-benz verbaut. Anstatt einer Lasersensorik in den Frontscheinwerfern nutzt die „Magic body Control“ genannte Technologie eine Stereokamera hinter der Windschutzscheibe, um die Straßenbeschaffenheit noch besser zu erfassen.

ganz klar: „ein Komfortmerkmal ist eine Annehmlichkeit, die direkt dem Wohlbefinden dient und damit dem Menschen einen Nutzen bietet.“ Damit sei es kein Luxus, denn dieser würde sich vor allem aus einem Überfluss speisen. Ob die Grenzen nicht manchmal fließend seien? „Sicherlich. Aber Komfort hat immer ganz klare funktionale Faktoren.“ Dieser Anspruch ist bei Mercedes-benz sogar in der Markendefinition festgeschrieben. Götz Renner: „Alle Komfortaspekte münden im sogenannten ‚leistungsfördernden Komfort‘. Dieser ist ein fester bestandteil der Markendefinition. Das bedeutet, dass ein Mercedesbenz Fahrer auch nach einer langen Fahrt entspannt aus dem Auto steigt.“ Voraussetzung dafür seien neben einer innovativen Sitzergonomie und optimal abgestimmten Fahrwerken auch modernste Klimatechnik, Sprachbedienung und Assistenzsysteme, sagt Renner. Als aktuelle beispiele nennt er den Adaptiven Fernlicht-Assistenten, der das Fernlicht automatisch und passend zur Verkehrssituation auf- und abblendet, damit der Fahrer stets die maximale Leucht- und damit Sichtweite zur Verfügung hat. „Doch es sind nicht allein technische Maßnahmen, die den entlastungskomfort des Fahrers erhöhen, Fahraufgaben sinnvoll erleichtern und die körperliche Fitness und Leistungsfähigkeit erhalten“, erläutert Renner, „auch psychologische Faktoren, die sprichwörtlichen „Soft Facts“, sind beteiligt, weil sie ebenfalls wichtig für die Motivation und handlungsfähigkeit eines Autofahrers sind.“

„Ganzheitlicher Komfort wird überall auf der Welt zu einem Schlüsselmerkmal führender Produkte werden.“ Frank RUFF Center „Gesellschaft, Fahrzeugkonzepte und Mensch-Maschine-Interaktion“ bei Daimler

eine Zukunftsperspektive umreißt Frank Ruff so: „Ganzheitlicher Komfort wird überall auf der Welt zu einem Schlüsselmerkmal künftiger, führender Produkte werden. ein geschärftes bewusstsein der Gesellschaft für die Faktoren, die Lebensqualität und Gesundheit fördern, ist dafür die basis. heute begreift man Gesundheit als persönliches lebenslanges Leitprogramm, das man mit seinem Lebensstil selbst gestaltet.“ hierfür würden Gestaltungsmöglichkeiten in allen bereichen gesucht – das gesamte Lebensumfeld werde nach Möglichkeit gesundheitsbewusst eingerichtet, beispielsweise über die Wohnsituation, Kleidung, ernährung und den Alltagsrhythmus. Dabei gehe es gleichermaßen um körperliches und seelisches Wohlbefinden. „Und weil viele Menschen immer mehr Zeit in ihrem Fahrzeug verbringen, ob Personenwagen oder Nutzfahrzeug, erwarten sie geradezu, dass es über seine Komfortmerkmale sozusagen ihr Partner für Wohlbefinden und Lebensqualität ist.“ Die Neugier auf das Auto der Zukunft bleibt, egal ob in bezug auf Personenwagen oder Nutzfahrzeuge. Die Forscher bei Daimler haben einige große Themenbereiche für mögliche Fahrzeugmerkmale formuliert. „Das Auto der Zukunft wird noch mehr als Lebensraum begriffen werden, als es heute der Fall ist“, sagt Claus ehlers. Daher gelange man schnell zu Themen wie Innenraumgestaltung, Kommunikationsmöglichkeiten, Unterhaltung sowie Lichtstimmung. Vor allem über Design und Materialien werde das Interieur noch angenehmer gestaltet sein als bisher – das jüngste Forschungsfahrzeug F800 Style

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gibt einen aktuellen Ausblick auf mögliche Innenraumkonzepte. Durch sein teiltransparentes Dach hat es zudem einen lichtdurchfluteten Innenraum. Doch das ist nur eine Variante: Die Forscher und entwickler denken längst an dezente Leuchtpaneele in Dach und Seitenwänden des Fahrzeugs, die verschiedenfarbiges Licht emittieren und ein ganz eigenes Ambiente schaffen. „Und zwar in Lichtfarbe und -intensität so, wie es sich der Fahrer wünscht“, sagt ehlers.

„Der Lebensraum Auto wird sich zunehmend individuell gestalten lassen – etwa über Klimatisierung, Lichtstimmung und Kommunikationsfunktionen.“ Claus eHLeRS Leiter des Centers „Gesellschaft, Fahrzeugkonzepte und Mensch-MaschineInteraktion“ bei Daimler

Der Aspekt Individualisierung gelte für diverse Komfortmerkmale – der Kunde soll sich auf perfekte Weise in seinem Fahrzeug wohlfühlen. Die Unterhaltungs- und Kommunikationstechnik wird ihren Teil dazu beitragen, gleichfalls individuell nutzbar. Schon heute ist für viele Menschen die im Auto verbrachte Zeit ein wichtiger Mußeabschnitt im Alltag. Der eine schätzt sie, um mit der Familie und Freunden zu kommunizieren – die Möglichkeiten werden ihm zukünftig noch besser als heute gegeben werden. Für den anderen ist das Auto ein temporärer Ort des Rückzugs, den er mit großer Stille oder mit passendem Unterhaltungsprogramm nutzt. Mehr lassen sich die Forscher nicht entlocken, doch es wird deutlich, dass das Thema Komfort in künftigen Fahrzeugen eine vollkommen neue Dimension erlebt und das Auto noch mehr als bisher zum Partner des Menschen wird.

DIALOG Claus eHLeRS Leiter des Centers „Gesellschaft, Fahrzeugkonzepte und MenschMaschine-Interaktion“ bei Daimler Was zeichnet den Komfort eines Mercedes-Benz Pkw aus? Der Komfortbegriff der Marke ist vielschichtig, hat jedoch ein Ziel: Wir sprechen bei allen Maßnahmen, die ein Fahrzeug auszeichnet, von einem leistungsfördernden Komfort. Das bedeutet, dass man selbst nach einer Langstreckenfahrt im Idealfall entspannt aus seinem Auto steigt. Unsere Ingenieure und Designer gestalten gezielt einzelne bereiche, vor allem im Innenraum, weil der Fahrer sich dort ja aufhält. Sie sprechen dann beispielsweise von bedienkomfort, Sitzkomfort oder Klimakomfort. Welcher Zukunftstrend befindet sich derzeit besonders im Fokus? Auf internationaler ebene sind sich die experten einig, dass das Auto von morgen noch stärker als bisher auf „Well-being“ ausgerichtet sein wird, auf das Wohlfühlen in einem ganz umfassenden Sinn. Dabei wird das Auto immer mehr als Lebensraum begriffen, der eine wichtige Konstante im Alltag des Nutzers ist und ihm deshalb alle Annehmlichkeiten bieten sollte, die dieser wünscht. In relativ weiten Grenzen wird sich dieser Lebensraum zudem individuell gestalten lassen, etwa über die Art der Klimatisierung, die Lichtstimmung und natürlich über entertainment- und Kommunikationsfunktionen. Welche konkreten Innovationen sind zu erwarten? Ausgesprochene Neuerungen kann ich natürlich nicht verraten. Aber wir entwickeln auch einige bekannte Systeme weiter. Zum beispiel für den Sitzkomfort: Seit vielen Jahren bietet Mercedes-benz in einigen Fahrzeugklassen den Multikontursitz mit Massagefunktion an. er wurde bereits mehrfach verbessert und ist auf einem hohen Stand der Technik und der Annehmlichkeit. Aber damit geben wir uns nicht zufrieden, wenn wir das Gefühl haben, dass wir den Kunden noch mehr bieten können. hier also sind weiterhin Innovationen zu erwarten. Auch beim Klimakomfort arbeiten wir an einigen Neuerungen. Besteht nicht die Gefahr, dass ein Auto über seine

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diversen Funktionen eine Komplexität erreicht, die seine Bedienung erschwert? Sie haben recht, die Zahl der Innovationen nimmt immer weiter zu. Aber eine Gefahr, dass sich die bedienung aufgrund der Komplexität erschwert, ist damit nicht automatisch verbunden. Denn zu den Innovationen gehören ja auch neue ergonomiekonzepte und be-

daimler-technicity.com/komfort unter anderem mit folgenden Features: • INTeRVIeW Das Auto von morgen: Götz ReNNeR vom Center „Gesellschaft,

diensysteme, über die sich viele Funktionen auf angenehme Weise bedienen lassen. Auch darin steckt sehr viel Know-how unserer Fachleute.

Fahrzeugkonzepte und Mensch-Maschine-Interaktion“ bei Daimler, erklärt die entstehung von Komfortprodukten. • HINTeRGRUND bravourstück: Die Massagefunktion im Mercedes-benz Multikontursitz gibt es schon seit 1998. • CHRONIK Komfort gestern, heute und morgen: eine Reise durch die automobile Innovationsgeschichte

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TEXT Joachim WEBER

Die Geschichte der Menschheit ist auch immer die Geschichte des Lichts. Wo Beleuchtung kontrollier- und steuerbar wurde, konnten sich die Menschen technisch und kulturell weiterentwickeln. Mit der Einf端hrung von Licht emittierenden Dioden (LED) und digitalen Lichtsteuerungen ist das Licht nun endlich auch intelligent geworden.

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lEd-FAssAdE Die Außenwand der Galleria Fashion Mall in Seoul (Südkorea) ist ein gigantischer Leuchtkörper und eine der größten Touristenattraktionen. Die dynamische vollautomatische Lichtsteuerung der LED-Fassade gilt heute noch als Meilenstein im Lightning Design.

15.000 dIgITAl MUlTIPlEX (dMX) So viele Kanäle steuern die dynamische LED-Fassadenbeleuchtung.

16.000.000 VERsCHIEdEnE FARBEn So viele Farbtöne können aus 4 verschiedenen LEDs zusammengesetzt werden.

4.340 glAssCHEIBEn Hinter der schillernden Oberfläche sind Tausende von Dioden angebracht.

MAKROSKOP WIE FUnKTIonIERT EInE lEd? In ihrem Aufbau ist die LED eine Halbleiterdiode, ein Bauelement,

Silikonlinse

das Strom nur in einer Richtung fließen lässt. Sie besteht im Prinzip

LED-chip

aus drei Schichten: einer positiven und einer negativen sowie

Suppressordiode

einer Übergangsschicht. Der Unterschied zur „normalen“ Diode,

Phosphorschicht

die zumeist auf Silizium basiert, besteht im Halbleitermaterial:

Bindeschicht

Vor allem verschiedene Galliumverbindungen sind geeignet, elek-

Metallschicht

trische Energie in Licht umzuwandeln. Wird an den Halbleiter Strom

Keramikplatte

angelegt, gleichen sich der Elektronenüberschuss der positiv geladenen Schicht und der Elektronenmangel in der Übergangsschicht aus. Dabei wird Energie in Form von Licht frei.

Kühlkörper Kathode

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BIG CITY LIGHTS MIKROSKOP nATÜRlICHE FARBTEMPERATUR

520 530

LED-Fahrlicht ist der Farbe des Tages540

510

lichts am nächsten. Dadurch kommt 550

LED-Licht den Sehgewohnheiten des Menschen entgegen. Untersuchungen

560

zeigen, dass künstliches Licht das Auge

570 500

umso weniger anstrengt, je näher seine

580 Halogenlicht (2.800 K) Xenonlicht (4.200 K) lEd-licht (5.500 K) Tageslicht (6.500 K) 490

Farbe am Tageslicht ist. Wie der Farb590

raum zeigt, liegt LED-Licht mit einer 600 610 620 630 650 700–750

Farbtemperatur von 5.500 Kelvin näher am Tageslicht (6.500 K) als Xenonlicht (4.200 K).

480 470 460 450

400–380

glAnzlICHTER dEs AllTAgs Eigentlich kennen wir die LED schon lange, zum Beispiel als rot leuchtende Taschenrechner-Ziffernanzeige in den 1970er-Jahren. Ob als Hintergrundbeleuchtung im Handydisplay, im TV-Gerät oder im computerbildschirm, als Signalgeber in der Fernbedienung, als Schrift- und Bildelement an Autobahnsignalbrücken oder als Lichtpunkt im Riesenbildschirm des „Public Viewing“ – ohne dass wir es besonders bemerkt hätten, ist die LED in unserem Alltag längst allgegenwärtig. Das gilt auch für jene 200 bis 600 LEDs, die in modernen Kraftfahrzeugen stecken, vom Rücklicht über die Fahrtrichtungsanzeige und die zahllosen kleinen Signallampen im Innenraum und im Armaturenbrett bis zum Scheinwerfer, der jüngsten Entwicklung. lICHT gEsTAlTEn Auch hier bietet die LED klare Vorteile. Während andere Automobilhersteller bereits partielle Lösungen anbieten, blieb Daimler dem Grundsatz treu, Fortschritt stets auf dem bereits Erreichten aufzubauen – ohne Einbußen bei Komfort und Sicherheit. „Unser LED-Scheinwerfer sollte von vornherein alle Funktionen bieten, die unseren Kunden in der bisherigen Xenontechnik zur Verfügung ste-

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hen“, umreißt Uwe Kostanzer, Leiter der Lichtsystementwicklung bei Daimler, die Aufgabe, vor der er und seine Kollegen standen. In nur 26 Monaten Entwicklungszeit – einschließlich der Designfindung – haben sie dieses Ziel voll erreicht. Der neue dynamische LED-Scheinwerfer, mit dem ab 2010 ein neues Mercedes-Benz coupé-Modell ausgestattet ist, feiert Weltpremiere – ein interaktives System der anderen Art, das hohe Sicherheit verspricht. Er enthält alle Funktionen des bekannten Intelligent Light System: das Landstraßenlicht, das den linken Fahrbahnrand stärker ausleuchtet als das herkömmliche Abblendlicht, das Autobahnlicht, das ab 90 Stundenkilometern die Fahrbahn in voller Breite ausleuchtet und die Sichtweite um 50 Meter verlängert, das erweiterte Nebellicht, das mehr Licht auf den Fahrbahnrand richtet, das aktive Kurvenlicht, bei dem die Scheinwerfer den Lenkbewegungen folgen und damit 35 Meter mehr Sichtweite bringen, und schließlich das Abbiegelicht, das die angezeigte Fahrtrichtung zusätzlich aufhellt. Darüber hinaus gelang es den Lichtspezialisten von MercedesBenz, die LED-Technik mit dem Adaptiven Fernlicht-Assistenten zu verbinden. Mithilfe einer Kamera hinter der Frontscheibe dimmt

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WAssERTURM In JYVÄsKYlÄ Halogenlampen in Kombination mit programmierbaren und farbvariablen LEDs

BRÜCKE In JYVÄsKYlÄ Die 480 m lange Kuokkala-Brücke wird nachts in eine Kombination von weißem und blauem Licht getaucht.

AUsgEzEICHnETEs lICHT Für ihr Projekt „city of Lights“ wurde die finnische Stadt Jyväskylä mit dem „city.people. light award“ 2009 für städtische Beleuchtungskonzepte geehrt, der jährlich von der Lighting Urban community International Association und Philips vergeben wird.

dieser Sicherheitsassistent die Scheinwerfer kontinuierlich und automatisch auf und ab und steuert die Leuchtweite des Abblendlichts entsprechend dem Abstand vorausfahrender oder entgegenkommender Fahrzeuge. Für die Automobiltechniker liegt der besondere Reiz der LED im Scheinwerfer darin, dass sie in Zukunft einen großen Teil beweglicher Mechanik der bisherigen Systeme durch Elektronik und Software ersetzen können. Zum Beispiel beim Kurvenlicht: Hier sind heute Stellmotoren erforderlich, die die Scheinwerfer den Lenkbewegungen des Fahrzeugs folgen lassen. Anders funktioniert das LED-Array der Zukunft, eine Matrix von mehr als 80 unterschiedlich ausgerichteten Hochleistungsleuchtdioden, die – einzeln ansteuerbar – an die Stelle der bisherigen einen Xenonlampe treten. Hier genügt es, einzelne Dioden zu dimmen, an- oder abzuschalten, um alle erforderlichen Lichteffekte zu erzielen. Nicht zuletzt zählt für die Automobilkonstrukteure auch die Energieeinsparung, die sie mit der LED-Technik erzielen. Die neuen Scheinwerfer werden nur noch etwa 30 Watt statt der bisherigen ca. 130 Watt benötigen. Darüber hinaus haben die Mercedes-Benz

Ingenieure ein LED-Tagfahrlicht entwickelt, das den Verbrauch für diese Funktion von 38 Watt auf nur noch 4 Watt senken wird. Kostanzer sieht in den neuen LED-Scheinwerfern erst einen Anfang: „Der jetzige LED-Scheinwerfer ist mit 353 Einzelteilen noch erheblich komplexer als unser Xenonpendant. Die Effizienz muss steigen, die Komplexität sinken. Ziel muss es also sein, das System zu vereinfachen und stärker zu integrieren.“ lICHTJAHRE IM VoRAUs dEnKEn Die möglichst rasche Fortentwicklung – und damit Veränderung – des LED-Scheinwerfers ist also programmiert. Gleichzeitig stehen die Entwickler aber vor der Aufgabe, eine gewisse Kontinuität zu sichern. „Wir müssen weit vorausschauend konstruieren“, weiß Kostanzer. „Denn wir müssen davon ausgehen, dass es die LED, die wir heute einbauen, in fünf Jahren so nicht mehr gibt. Aber auch dann müssen wir Ersatzteile für die Fahrzeuge von heute bereithalten. Das ist völlig anders als bei der früheren Glühlampe – die stand uns mehr als 40 Jahre lang zur Verfügung.“ Das Besondere an den LEDs: Sie sind Produkte der Halbleitertechnik, eine weitere Gattung von „chips“, die in ihrem Aufbau und

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INTELLIGENT LIGHT SYSTEM

DIALOG Uwe KosTAnzER Leiter der Lichtsystementwicklung bei Daimler

Welche Vorteile bringt die LED im Scheinwerfer in puncto Sicherheit und Nachhaltigkeit? LED-Lichtquellen haben heute eine Lebensdauer von über 10.000 Stunden, mehr als das Fünffache von Xenonlampen. Während der Lebensdauer eines Fahrzeugs ist ein Austausch also nicht mehr zu erwarten. Die Energieeffizienz dieser modernen Lichtsysteme liegt schon heute auf dem Niveau der Xenonlampen, und in sehr naher Zukunft werden wir hier Einsparpotenziale von rund 100 Watt gegenüber konventionellen Systemen erzielen – diese LEDs befinden sich bereits in der Serienentwicklung. Zur grundsätzlichen Sicherheit trägt die Lichtfarbe der LED bei, die sehr nahe am Tageslicht liegt. Dieser Effekt kommt der Sehgewohnheit des Menschen entgegen. Nur 20 Prozent der Fahrleistungen finden bei Nacht statt – aber 40 Prozent der tödlichen Unfälle.

ihrer Produktionstechnik den Speicherchips und Prozessoren im computer viel näher stehen als den herkömmlichen Lichtquellen wie Glühlampen, Leuchtstoffröhren oder anderen Entladungslampen. Mit denen hat die LED nur eines gemein: Sie leuchtet, und das mit immer größerer Helligkeit. Ihre Hochleistungsvarianten sind bereits in der Lage, die konventionelle Konkurrenz auch in anspruchsvollen Anwendungen zu ersetzen. Die Leuchtdiode bietet noch einiges mehr: Sie ist extrem schnell schalt- und dimmbar und gibt von vornherein gerichtetes Licht ab. Und ohne Filter erzeugt der chip – je nach Halbleitermaterial – unterschiedlich farbiges Licht über weite Teile des Spektrums. Selbst im ultravioletten Bereich kann er strahlen, beispielsweise in der kleinen UV-Lampe, mit der der Zahnarzt Kunststofffüllungen härtet. Zudem ist er wegen seiner geringen Größe attraktiv – ein „großer“ chip hat eine Fläche von einem Quadratmillimeter ohne sein Gehäuse aus transparentem Kunststoff, das als Schutz und oft gleichzeitig als Linse dient. Nicht zuletzt aber hat die LED mit durchschnittlich rund 50.000 Stunden – wenn auch abhängig vom Einsatzgebiet, von Temperaturen und Stromstärken – eine höhere Lebensdauer als die meisten Konkurrenten. Wolfgang Lex, Vice President LED bei OSRAM Opto Semiconductors GmbH, ist sich zudem sicher, dass sich in Zukunft noch deutlich mehr Leistung aus den Mikrolampen herausholen lässt: „Heute bieten Hochleistungs-LEDs Leistungen um die 100, teils schon 150 Lumen pro Watt. In absehbarer Zukunft wird es auch da noch Steigerungen geben.“ Zur Erläuterung: Lumen bezeichnet den Lichtstrom, die Menge sichtbaren Lichts, das eine Lichtquelle pro Sekunde abstrahlt. Die Lichtausbeute wird als Verhältnis dieser Lichtmenge zur eingesetzten Energie gemessen, also in Lumen pro Watt (lm/W). Eine Kerze kommt auf etwa 0,1 lm/W, eine 60-Watt-Glühbirne auf etwa 12 lm/W und die etwa gleich helle 15-Watt-Energiesparlampe auf 60 lm/W. Beim Autoscheinwerfer liegen alte und neue Technik vorerst noch eng beieinander: Der neue Voll-LED-Scheinwerfer von Daimler bringt es ebenso wie der gegenwärtig eingesetzte Xenonscheinwerfer auf 17 lm/W – 2014 sollen es nach Einschätzung der Ingenieure schon 35 lm/W sein. 92

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Welche besonderen Beiträge zur Sicherheit von Fahrer und Außenwelt leistet der neue Voll-LEDScheinwerfer? Dies ist weltweit der erste Voll-LED-Scheinwerfer mit allen dynamischen Lichtfunktionen, die in Xenonsystemen schon heute Standard sind. Mit dieser Weltpremiere zeigt Mercedes-Benz einmal mehr die Technologieführerschaft in der Lichttechnik: Wir verbinden somit erstmals den Sicherheitsgewinn der tageslichtähnlichen Lichtfarbe mit den Sicherheitsfeatures der dynamischen Scheinwerfer wie Kurvenlicht und Adaptiver Fernlicht-Assistent. Ist der Adaptive Fernlicht-Assistent eher ein Komfort- oder ein Sicherheitselement? Beides. Er ist ein Komfortelement in dem Sinne, dass wir den Fahrer dadurch weiter entlasten und er erneut ein System weniger zu bedienen hat. Dass wir ihm automatisiert immer die optimale Lichtmenge und -verteilung zur Verfügung stellen, bedeutet natürlich auch erheblich mehr Sicherheit. Der Fahrer kann sich noch mehr auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren, und das bei besserer Sicht. Denn mit dem Adaptiven Fernlicht-Assistenten steigern wir den Fernlichtanteil bei Nachtfahrten von durchschnittlich 3 Prozent auf 53 Prozent. Wann wird das neue Scheinwerferkonzept auf die gesamte Pkw-Palette übertragen? Wir haben die Philosophie, Innovationen dann einzuführen, wenn sie einen Mehrwert für den Kunden bieten. Bei der LED im Scheinwerfer ist dies inzwischen der Fall. Sie können sich sicher sein, dass der neue Voll-LEDScheinwerfer erst der Beginn unserer Offensive ist. T

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dYnAMIsCHE Voll-lEd-sCHEInWERFER Von MERCEdEs-BEnz

BlInKER (13 LEDs) Statisch

ABBlEndlICHT-gRUndlICHT (8 LEDs) Statisches Basisfahrlicht

ABBIEgElICHT (2 LEDs) Statisches Seitwärtslicht, gesteuert über Lenkwinkel und Blinkerbetätigung, wird bei Geschwindigkeiten unter 70 km/h hoch- und heruntergedimmt

sTAndlICHT (22 LEDs) Statisch

nIgHTVIEW (10 LEDs) Infrarotlicht-

FERnlICHT (8 LEDs) Reagiert in Verbindung mit

quelle für die Nachtsichtkamera

Nachtsichtkamera auf vorausfahrende oder ABBlEndlICHT-sPoT (8 LEDs) Kurvenlicht, folgt dem Lenkwinkel,

entgegenkommende Fahrzeuge, dimmt automatisch hoch und herunter

wird in der derzeitigen Version noch elektromechanisch bewegt

InTEllIgEnTE lICHTFÜHRUng Die Frontscheinwerfer des

zUKUnFTsWEIsEndEs dEsIgn Auch die Heckbeleuchtung

neuen Mercedes-Benz cLS blenden rechtzeitig ab und erhöhen

bietet neueste LED-Technik in futuristischem Design.

– wo nötig – die Leuchtkraft automatisch.

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CHRONIK 1907 An einem Siliziumkarbidkristall entdeckt der britische Forscher Henry Joseph Round, dass Festkörper leuchten können, wenn man elektrische Spannung anlegt. 1921 Der russische Physiker Oleg Wladimirowitsch Lossev entdeckt diesen Lichteffekt erneut. Bis 1942 untersucht er die Erscheinung

RAUMgEsTAlTUng Atmosphärische

genauer. Sein Ziel: die neue Lichtquelle für

Innenraumbeleuchtung mit Tag- und

die Nachrichtenübertragung zu nutzen.

Nachtsimulation im neuen Airbus A380

Ergebnis: null. 1951 Nachdem mit der Entdeckung und Entwicklung des Transistors die Halbleiterphysik als

MEdIzIn Medizinische Bestrahlungen und

Basis zur Verfügung stand, ließ sich auch die

heilende Lichtstimmung im Behandlungsraum des

Lichtemission befriedigend erklären.

Princess Alexandra Hospital in Harlow, England

1962 Ein Mischkristall aus Galliumarsenid und Galliumphosphid bringt den Durchbruch: Die erste rote Leuchtdiode kommt auf den Markt. 1971 Jetzt stehen dank neuer Halbleitermaterialien auch die Farben Grün, Orange und Gelb zur Verfügung – bei verbesserter Effizienz. 1993 Der Japaner Shuji Nakamura stellt eine sehr hell strahlende blaue LED vor, die erste dieser Farbe, der kommerzieller Erfolg beschieden ist. 1997 Zwei Jahre nach der Erstvorstellung kommen die ersten LEDs auf den Markt, die durch Zugabe von Leuchtstoffen (Phosphor) weißes

dEsIgn Entwurf von Zaha Hadid und

Licht erzeugen. 2006 Die LED-Entwickler überwinden eine wichtige

Umsetzung mit LED-Licht von Zumtobel Lichtlösungen

Schwelle: Sie präsentieren die ersten Leuchtdioden mit 100 Lumen pro Watt.

BoTAnIK Laborbotanische LEDAnwendungen in der astronautischen Pflanzenzucht der NASA

KUnsT LED-Skulptur des britischen Künstlers

ARCHITEKTUR LED-Kuppelbeleuch-

Nick Gilmoore

tung im schwedischen Kaufhaus PUB in Stockholm

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DELIGHTFUL APPLICATIONS lICHTER dER gRosssTAdT Mit zunehmender Lichtstärke der LED wächst auch das Spektrum ihrer Anwendungen. Wachstumsschwerpunkte werden nach Ansicht der Experten nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch in der Allgemeinbeleuchtung liegen, also der Beleuchtung von Wohnungen, Büros, öffentlichen Gebäuden und öffentlichem Raum. Dieser Bereich soll wesentlich dazu beitragen, dass der Weltmarkt für Hochleistungs-LEDs von gut 5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 bis 2013 auf knapp 15 Milliarden steigen wird. Unsere Lichtwelt wird sich damit erheblich wandeln. Denn die winzigen, flachen Halbleiterlampen bringen neue Lichtqualitäten, geben uns die Wahl zum Beispiel zwischen Quasitageslicht am Arbeitsplatz oder auf der Straße und warmgelbem Lichtschein in der Kuschelecke. Und wie beim Autoscheinwerfer ermöglichen sie völlig neue Leuchtendesigns. Doch sie erzwingen sie nicht – als Retrofitvariante, eingebaut in den Glaskörper einer herkömmlichen Glühbirne mit E-27-Fassung, lassen sie sich schon heute in die altgewohnten Leuchten einschrauben. Über Preise sollte man an dieser Stelle allerdings noch nicht reden. Die Retrofitlampen suggerieren zudem, dass die LED lediglich als Ersatz herkömmlicher Lichtquellen dient. Dieser Ansatz ignoriert jedoch die neuen Designmöglichkeiten, die durch die LED-Technologie eröffnet werden. Die Leuchtdiode ermöglicht völlig neue Problemlösungen, im Automobil ebenso wie in der Unterhaltungselektronik oder der Kommunikation. AndERE lICHTBlICKE Eine interaktive Herangehensweise hat inzwischen auch die Fantasie so nüchterner Menschen wie Stadtplaner und Lichttechniker beflügelt. Man stelle sich vor: Am späten Abend betreten Herr und Hund die sparsam beleuchtete Straße vor ihrem Haus zum letzten Rundgang des Tages. Kaum haben sie Füße und Pfoten aufs Trottoir gesetzt, wird es hundert Meter vor und hinter ihnen hell. Die beiden folgen flott dem gewohnten Gassi-Parcours – das Licht folgt ihnen. Ein Auto kommt dieselbe Straße entlanggefahren, und vor ihm blenden die „Straßenlaternen“ seiner Geschwindigkeit entsprechend auf, um ihm klare Sicht zu gewähren. Den Fußgänger mit dem Hund leuchten sie besonders aus, um den Autofahrer auf eine potenzielle Gefahr hinzuweisen. Hinter dem Fahrzeug wird das Licht wieder gedimmt. Auch dies ist keine Fiktion mehr – im Hannoveraner Ortsteil List funktioniert zumindest schon das Hochdimmen der Beleuchtung durch Bewegungsmelder. Noch ist die adaptive Straßenbeleuchtung, die nicht nur auf Bewegungen, sondern auch auf unterschiedliche Helligkeiten, Wetterlagen, Verkehrsdichten oder spezielle Verkehrssituationen reagiert, ein Entwicklungsprojekt, das auf verschiedenen staatlichen Ebenen – von den Bundesländern bis zur EU („Projekt: E-street“) – vorangetrieben wird. Zahlreiche Städte, darunter Dublin, Oslo und Getafe im Ballungsraum Madrid, haben eigene Versuche gestartet. Die meisten notwendigen Komponenten sind vorhanden: Sensoren (die allerdings noch leistungsfähiger und preisgünstiger werden müssen), Netztechnik, computer und seit rund zwei Jahren ausreichend leistungsfähige LED-Lichtquellen.

Sie sollen vor allem die ab 2015 nicht mehr zugelassenen Quecksilberdampflampen ablösen, mit denen noch 30 bis 35 Prozent der deutschen Straßenlaternen ausgestattet sind. Nicht nur wegen des giftigen Quecksilbers: Die LED-Leuchten verbrauchen bei gleichem Lichtstrom weniger als die Hälfte an Strom, sie benötigen keine Anlaufzeit bis zum Erreichen der vollen Helligkeit, sind ohne Verluste an Lebensdauer dimmbar und verursachen geringere Wartungskosten. Ein Test des Fachgebiets Lichttechnik der Technischen Universität (TU) Darmstadt in einer realen Straße hat zudem ergeben, dass Menschen das tageslichtähnliche Licht der LED-Leuchten durchweg als angenehmer empfanden als das der herkömmlichen Straßenlampen, insbesondere der noch erlaubten Natriumdampflampen mit ihrem gelben Farbton. lEd IM RAMPEnlICHT Um alle diese Vorteile zu demonstrieren und die Vorbehalte der Stadtverwaltungen gegen die hohen Anschaffungskosten zu dämpfen, fördert das Forschungsministerium im Rahmen des Bundeswettbewerbs „Kommunen in neuem Licht“ derzeit zehn deutsche Kommunen, die an unterschiedlichen Konzepten des LEDEinsatzes in der Stadtbeleuchtung arbeiten. Das sei überaus sinnvoll, um Erfahrungen zu sammeln, meint Thomas Kuhn, Experte für Straßenbeleuchtung im Fachbereich Lichttechnik der TU Darmstadt. Mit der LED beginnt eine neue Epoche nicht nur in der Straßenbeleuchtung, die erst Anfang des 19. Jahrhunderts von Öl- auf Gaslampen und in den 1880er-Jahren teilweise auf elektrische Lampen umgestellt worden war. Auch die gerade erst 120 Jahre alte Automobilbeleuchtung kommt damit – nach Bilux-, Halogen- und Xenonlampen – einen weiteren Riesenschritt voran. Besonders, wenn man auf ihre Historie schaut: Den Anfang machten im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts Kerzenlaternen, deren Konstruktion und Aufhängung von den alten Postkutschen übernommen war. Karbidlampen mit Reflektoren, die ihr Acetylengas selbst erzeugten, brachten geringfügige Verbesserungen. Aber erst 1910 rollte der erste Mercedes mit einem batteriebetriebenen Elektroscheinwerfer über die Straßen – fast genau 100 Jahre vor dem ersten Mercedes-Benz cLS mit einem LED-Scheinwerfer.

HYPERLINK Weitere Informationen zu diesem Beitrag finden Sie unter: daimler-technicity.com/licht unter anderem mit folgenden Features: • InTERVIEW „Hohe Ansprüche an Einsatzort Auto“: Wolfgang LEX, Vice President beim Leuchtmittelhersteller OSRAM, im Gespräch • HInTERgRUnd Adaptive Straßenbeleuchtung: Sensoren reagieren auf die Bedürfnisse ihrer Umwelt. • HInTERgRUnd Ohne Nebenwirkungen: LEDs kommen auch in der Medizin zum Einsatz. • HInTERgRUnd Licht trifft Kunst: von Throwies zu leuchtenden Skulpturen

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Wie wichtig sind crashtests für die Verbesserung der sicherheit?

leD there be liGht

Wie verändern leDs unsere sehgewohnheiten?

saFety First: eine ausführliche Onlinebildergalerie zur Crashhalle von Mercedes-Benz in Sindelfingen

daimler-technicity.com/crash FotoGalerie Safety first: ausführliche Bildergalerie zur Mercedes-Benz Crashhalle. iNterVieW „Wir verlassen uns nicht nur auf den Computer“: Rodolfo SCHöNEBuRG, Leiter Passive Sicherheit und fahrzeugfunktionen bei Daimler, über Crashtests zur Sicherheitsoptimierung. ViDeo Demonstration am „fahrenden Objekt“: Das Experimental-Sicherheits-fahrzeug (ESf). hiNterGrUND Zahlen, Daten und fakten: Detailinformationen zur Mercedes-Benz Crashhalle.

Led-Fassade: Die Außenwand der Galleria fashion Mall in Seoul (Südkorea) ist ein gigantischer Leuchtkörper.

daimler-technicity.com/licht iNterVieW „Hohe Ansprüche an Einsatzort Auto“: Wolfgang LEx, Vice President beim Leuchtmittelhersteller OSRAM, im Gespräch. hiNterGrUND Adaptive Straßenbeleuchtung: Sensoren reagieren auf die Bedürfnisse ihrer umwelt. hiNterGrUND Ohne Nebenwirkungen: LEDs kommen auch in der Medizin zum Einsatz. hiNterGrUND Licht trifft Kunst: von Throwies zu leuchtenden Skulpturen.

hyperlocal Mobility

Wie funktionieren die Mobilitätssysteme von morgen? Die chaNce Der zelle

Wird Wasserstoff der schlüssel zur dritten industriellen revolution?

Finden, öFFnen, Fahren: Das Daimler-Projekt car2go schlägt eine intelligente Brücke zwischen den Erfordernissen des Stadtlebens und den Mobilitätswünschen seiner Bewohner.

Vordenker: Sozialökonom Jerermy RIfKIN über die Rolle von Wasserstoff im Energienetz der Zukunft

daimler-technicity.com/car2go ViDeo Mobilität leicht gemacht: hinter den Kulissen von car2go. hiNterGrUND Hyperlocality: wenn virtuelle und reale Welt verschmelzen. iNterVieW „Wir schreiben unsere eigenen Regeln“: Jérôme GuILLEN, Direktor des Bereichs „Business Innovation“ bei Daimler, spricht über mobile Netzwerke. chroNiK Eine junge Erfolgsstory: die Geschichte des smart.

daimler-technicity.com/brennstoffzelle iNterVieW Wasserstoff als Schlüssel für die dritte industrielle Revolution? Im Gespräch mit Jeremy RIfKIN, Gründer und Präsident der foundation on Economic Trends (fOET). hiNterGrUND H2 als Lösung: Sicherheit beim umgang mit Wasserstoff. hiNterGrUND Brennstoffzellenförderung: die Initiative e-mobility. FotoGalerie Die Produktion von Brennstoffzellenstacks in Vancouver (Kanada).

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IMpressuM uND koNTAkT heraUsGeber Daimler AG, Communications, Stuttgart, Deutschland Verantwortlich für den herausgeber: Mirjam Bendak objektleitung: Matthias Steybe onlinepräsenz: Benjamin Oberkersch internationaler Vertrieb: uwe Haspel

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Wie funktioniert die Fahrsicherheit der zukunft?

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Eine Publikation der Daimler AG

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H2 HOCH HEITERE AUSSICHTEN Die Vorhersage von heute ist das Wetter von morgen: Bis 2050 könnten laut dem Projekt GermanHy rund 70 Prozent aller Pkw und leichten Nutzfahrzeuge Wasserstoff als Energiespeicher nutzen. Und auch sonst sind die Aussichten für alternative Antriebe freundlich. Noch weht zwar gebietsweise schwacher Wind, stellenweise bildet sich Nebel und örtlich sind sogar kurze Schauer möglich. Doch die Wolken lockern rasch auf – denn sie bestehen aus reinem Wasserdampf.

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