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emieren des Wiener Staatsballetts 2020Die Pr

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wo ich zu Beethovens 5. Symphonie eine Kür getanzt, …” Jedoch: “Nichts hat geklappt, weil lief, … sprach mich Marianne Fuchs an, meine etwas Dunkles, zu Komplexes an mir haftete. erste Ballettlehrerin.” Das muss die Leute abgeschreckt haben, obwohl

Nach seinem Ballettunterricht bei Marianne ich in Hochform war”, was zum endgültigen AbFuchs und dem Gewinn eines Stipendiums für bruch seiner Tänzer-Karriere geführt hat. “Heute die Royal Ballet School in London beim Prix de weiß ich, dass ich diese schmerzlichen ErfahLausanne 1977 begann die steile Tänzer-Karriere rungen gebraucht habe, um der zu werden, der Martin Schläpfers als Solotänzer am Stadttheater ich bin.” Basel bei Heinz Spoerli. Diese tiefe künstlerische Krise hat Schläpfer

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Das Amerika-Gastspiel des Basler Balletts zugleich aber auch eine Karriere-Chance aufgespülte den grandiosen, erst zweiundzwanzigjäh- zeigt und ihm seinen zukünftigen Weg als Balrigen Tänzer mit einer Erfolgswelle in höchste lettdirektor und Chefchoreograph eröffnet. Die Höhen – bis auf das Cover des Dance Magazines, erste Station war Bern 1994. “Damals ging ein wo er als “Switzerland’s Wunderkind” gepriesen Beben durch die Schweizer Tanzpresse …” – Um wurde und in Folge ein Engagement als Principal in Bern so programmieren zu können, wie er Dancer beim Royal Winnipeg Ballet in Kanada sich es vorgestellt hatte, musste Martin Schläpfer angenommen hat. seine ganze Erbschaft in das Ballett stecken. “…

“Ich war ein kleiner Star, ich konnte auf die aber irgendwann hatte ich das Gefühl, es grenzt Bühne gehen, ich konnte Leute berühren.” Die- an Ausnutzung, ich muss weg. Fünf Jahre gesen Erfolg konnte der in seinem Wesen sehr be- nügten, es wurde mir zu klein.” scheidene Martin Schläpfer nicht verarbeiten, Martin Schläpfer ging als Ballettdirektor und ließ ihn zweifeln, mit seiner Kunst brechen und Chefchoreograph an das Staatstheater Mainz, inspirierte ihn zu seiner Kindheitsidee Biobauer wo er innerhalb von zehn Jahren ballettmainz – zu werden, “… weil ich diesen Hang zur Natur das “Mainzer Ballettwunder” – erschaffen und habe. Schlussendlich bin ich zum Ende der danach in weiteren elf Jahren das Ballett Spielzeit nochmals zu- am Rhein Düsseldorf rück zum Basler Ballett.” Schläpfer bricht jedoch wieder ab: “Ich habe nochmal eine “Die Musik ist für mich ein endloses Bassin an Möglichkeiten, fast wie das Unbewusste im Menschen.” Duisburg an die internationale Spitze geführt hat. Gefragt, ob ihm Spielzeit angehängt das Kreieren von und wieder gekündigt. … Danach habe ich eine Bewegung gegeben, was ihm beim Tanzen geBallettschule aufgemacht in Basel, The Dance fehlt habe, sagt Schläpfer: “Nein, nie. Beim TanPlace.” zen selbst hat mir nie etwas gefehlt, ich fühlte

Seines Vaters Tod brachte eine weitere Zäsur mich komplett bei mir.” – “Später, als ich reifer in Martin Schläpfers Leben: “Ich habe die Schule wurde, konnte ich auch mental mit allem umnach seinem Tod an Amanda Bennett delegiert … gehen, aber dann wollte der Körper nicht mehr und bin nach New York gegangen. Meine Mutter so, wie ich es mir vorstellte. Mein Problem war, hat fast der Schlag getroffen.” – “David Howard dass ich mehr Kunst wollte und weniger Virhat mir immer gesagt, dass ich wieder tanzen tuosität.” – “Hätte man mich bedächtig aufgemüsse und zu ihm nach New York kommen baut und an die Hand genommen, hätte ich solle. Er hatte eine riesige Schule mit offenen eine Weltkarriere machen können. So hat man Klassen. Bei ihm trainierten die großen Tänzer in der Regel nie über ein Problem mit mir vom New York City Ballet, die ich verehre. Da bin gesprochen. Gerade deshalb kann ich heute ich hin und habe jeden Tag dreimal trainiert, als Direktor sehr gut mit Ausnahmetalenten auch sonntags. Danach habe ich überall vor- umgehen.”

Zwei. Haltung der Arme, die nicht im klassischen Sinn Tanzen und Choreographieren: Der Körper zurück-, sondern aus dem Rücken und aus als Heimat und der Körper als Feind. der Gelenkschale weit herausgezogen werden müssten, um deutlich länger zu werden, um “Wenn ich tanze und mich nicht verletzt habe höher Richtung Universum zu reichen. – “Ich und physisch und emotional alles stimmt, … füh- lasse die Tänzer beim Kreieren nicht allein, ich le ich mich als Tanzender sehr wohl”, sagt Martin rede viel, erkläre, warum ich eine Bewegung so Schläpfer. – “Das Wohlgefühl nährt sich aus den radikal und so intensiv möchte. Diese InforMöglichkeiten, mit diesem Körper etwas auszu- mationen geben dem Ensemble, zumindest in drücken, ihn auch an Grenzen zu bringen, ihn meinen Stücken, ein Brennen, das es sonst nicht auszuprobieren.” – “Wenn der Künstler oder die hätte.” Künstlerin auf der Bühne arbeitet und ‘kämpft’ … Als Rezensentin ist es mir wichtig, den auf an der Linienführung, an der Perfektion, und es dem Backcover zitierten Satz von Martin Schläpfer ihm oder ihr dabei gelingt loszulassen, dann ist “Es ist dann Kunst, wenn man sich in der Kontrolder Körper der Freund.” le verliert.” und der – aus dem Satz-Zusammen-

Gefragt, welchen Rang im besten Fall ein wirk- hang im Buch herausgelöst – womöglich vom lich guter Tänzer einnehmen könne, der weit Leser als ein Befürworten des Zeitgeistbegriffs mehr ist als nur das Werkzeug des Choreographen sei? “Er ist im besten Fall die Krone des Ganzen – auch “Kunst ist nicht ein Sich-Verlieren. Es ist dann Kunst, wenn man sich in der Kontrolle verliert.” “Kontrollverlust” missverstanden werden könnte, in der Gesamtheit des Gesagten zu betrachten, weil dieses Zitat unSchöpfer und nicht nur Ausführender. Nur durch trennbar mit Schläpfers Kreationen verbunden ihn oder sie leuchtet ein Ballett, berührt es Men- ist. Martin Schläpfer spricht im Buch über eine schen, verwandelt sich der Zuschauerraum.” seiner Musen, die eine Ausnahme in ihrem

Wie hat sich aus dem Startänzer Martin Künstlertum gewesen sei, “jedoch im Sinne von Schläpfer der Ballettpädagoge entwickelt? “Ich Gefühl und Pathos, was immer ein ‘too much’ bin kein ausgebildeter Schullehrer, der den Jahr- war. Ich habe immer versucht, mit ihr an Form gängen entlang unterrichten könnte. Ich bin und Technik zu arbeiten … und habe ihr erklärt, eher dafür geeignet Tänzer zu entwickeln, die dass Kunst nicht ein Sich-Verlieren ist. Es ist dann schon für den Beruf ausgebildet sind. Meine Ba- Kunst, wenn man sich in der Kontrolle verliert.” sis sind die großartigen Lehrer meiner Anfangs- Schläpfer führt weiter aus, dass der Tänzer oder zeit.” die Tänzerin erst durch Technikaneignung zu ei-

Defizite bei einem Profi-Tänzer benennt ner muskulären und musikalischen Phrasierung Schläpfer inzwischen direkt. “Mit dem Älterwer- gelangen könne. Das sei für ihn Künstlertum – den finde ich es immer richtiger, im Ballettsaal, und nicht das Ausleeren einer Befindlichkeit auf bei der künstlerischen Arbeit, keine Kompromisse der Bühne. einzugehen.” – “Ich exponiere mich völlig, wenn An Choreographen, die Schläpfer aus seiner ich arbeite … und möchte bei meinem Ensemble Zeit als Tänzer besonders in Erinnerung gebliekünstlerisch zwingende Dinge klar benennen ben seien, nennt er: “Ganz sicher Heinz Spoerli. können.” Ich war gerne sein Tänzer. Aber die Atmosphäre

Wie entdeckt und fördert der Choreograph war damals im Basler Ballett – ob er es bewusst Martin Schläpfer einen Tänzer? “Wichtig ist für oder unbewusst so wollte – schon sehr von Konmich eine tiefe Musikalität. Der Tänzer muss kurrenzkampf geprägt.” Ob Spoerli ein autoritärer ‘mitsingen’, nicht zählen. Ich zähle nie, wenn ich Choreograph gewesen sei? – “Er hat ja fast nie kreiere.” Eine weitere seiner “trademarks” sei die gecoacht. Heinz Spoerli hat zehn Minuten

choreographiert, dann ist er rausgegangen, Peter Auf die Frage, ob Martin Schläfer als Marke Appel hat die Sequenz verfeinert und schnell ge- auf Facebook, Twitter und Instagram präsent sei: setzt und geklärt.” “Nein, das werde ich nie sein. Meine Ballette ba-

Martin Schläpfer erzählt weiter über seine sieren auf der Begegnung von Tänzern. Ich artänzerischen Erfahrungen in Basel mit dem Star- beite mit Menschen, ihren Psychen und Körpern. Choreographen Hans van Manen, mit dem er Genauso möchte ich im realen Leben den Menheute befreundet ist – explizit auch darüber, dass schen persönlich begegnen, von Angesicht zu ihn Hans van Manen 1983 für dessen “Große Angesicht mit ihnen kommunizieren.” – “Es gibt Fuge” besetzt hat: “Das hat mich verändert. Das allerdings ein spannendes, transmediales Filmwar wie ein Gottesdienst. Ich durfte männlich projekt über meine Arbeit. Die Hamburger Filmesein und habe es geliebt, aggressiv und kraftvoll zu tanzen … Bei ihm waren wir ein klei“Wichtig ist für mich eine tiefe Musikalität. Der Tänzer muss ‘mitsingen’, nicht zählen. Ich zähle nie, wenn ich kreiere.” macherin Susanne Stenner wird, wenn ich in Wien arbeite, regelmäßig kleine Episoden ins Internes Orchester auf der Bühne, es ging nicht um net stellen … So entsteht eine Reibung mit mir eine Einzelleistung, nicht um das Publikum – es und meiner Arbeit, weil ich mich auf diesen war ein Ritus.” Plattformen wie gesagt sonst nicht bewege.”

Schläpfer führt weiter aus: “Ich habe sehr früh durch Kollegen, Lehrer und natürlich auch Choreographen viel lernen dürfen und erfahren, dass Vier. es immer um Kunst geht, nicht nur um die Vir- Was die Menschen bewegt: tuosität und das Wieviel. Allerdings schon um Wie viel Politik steckt im Tanz? das Wie.” Zur Frage, ob Kunst in dieser Zeit überhaupt noch unpolitisch ein könne, antwortet Martin Drei. Schläpfer: “Ich glaube schon, dass es legitim ist, Publikum, Presse, Privatleben: wenn Kunst nicht politisch begründet ist. Aber Der öffentliche Künstler dann muss sie unbedingt andere Dinge ansprechen. Sie muss etwas aufzeigen oder heilen, was “Ob ich mich als Choreograph in einer Ballett- den Menschen in dieser politischen und gesellwerkstatt präsentiere, als Tänzer in einem Stück schaftlichen Situation abhandenkommt. Es kann aufgetreten bin, als Ballettchef in einem Inter- Poesie sein, es kann eine Form von Erhöhung view sitze – ich bin mir schon bewusst, dass ich sein.” – “Ich halte es für ungeheuer wichtig, dass in der Öffentlichkeit eine gewisse Form wahren der Choreograph sich während seines Tuns und etwas anbieten muss. … Mein Kunstan- selbst hinterfragt. Er muss sich prüfen, ob es nur spruch, meine Gedanken, das Thema, ob man um seine Wut und seine Sicht geht … ob sein das Ziel erreicht, das man sich als Künstler ge- Thema wirklich durchdacht und gesellschaftlich setzt hat – all das ist nie öffentlich … In meiner relevant ist.” Kunst bin ich eigentlich geschützt. Der immer Über den zeitgenössischen Tanz, der Politik bekannter werdende Martin Schläpfer aber ist und aktuelles Zeitgeschehen auf die Bühne zunehmend ungeschützt … es ist sehr wichtig, bringt – im Vergleich zur Existenzberechtigung öffentlich präsent zu sein und als Ballettdirektor des akademischen Bühnentanzes: “Er wird nicht etwas zu sagen zu haben. Wenn das nicht statt- aussterben, weil er ein europäisches Kulturfindet, kann das Ensemble nicht wirklich populär phänomen ist. Diese Tanztechnik ist fantastisch. und in Bewegung sein.” Sie birgt ein großes Repertoire an Wahrheiten

“STREICHQUARTETT“ - CHOR.: MARTIN SCHLÄPFER, YUKO KATO, CALLUM HASTIE, JULIE THIRAULT, BOGDAN NICULA, ballettmainz © BETTINA MÜLLER

und Symbolen. Nichtsdestotrotz liebe ich auch guten Contemporary Dance. Er ist in der Regel ein Amalgam der Techniken von Tai-Chi über Yoga bis Akrobatik und Ballett – und er ist auch performativ geworden.”

Fünf. Musik, Sprache, Bilder: Von der Idee über die Methodik zum Tanzstück

Wie entsteht ein Schläpfer-Stück, gibt es eine ritualisierte Vorgehensweise? “Da ist einmal ein Ensemble mit seinen Interpretinnen und Interpreten, die mich inspirieren. Oder es ist eine Musik.” – “Zunächst ist mir Musik als Mensch, aber auch als Künstler, eine Lehrmeisterin. Die zeitgenössische Musik, nehmen wir Lutoslawski und das “Streichquartett” mit der Aleatorik, haben mich gelehrt, mit Musikalität anders umzugehen.” – “Wir können im Tanz durchaus einen Bruch mit der Melodie oder dem Rhythmus herbeiführen. Musikalität bedeutet aber genauso, die Atmosphäre der Musik zu treffen. Man kann immer changieren: Mal will man brechen, mal will man malen wie die Melodie, mal will man in die Nähe der Atmosphäre kommen. Es kann neben der Musik sein, über oder unter ihr. Der Tanz muss gar nicht immer direkt mit der Partitur zu tun haben.” – “Die Musik ist für mich schon ein endloses Bassin an Möglichkeiten, fast wie das Unbewusste im Menschen.”

“Bis zur ersten Probe wiegt man ein Ballett im Unterbewusstsein. Du hörst die Musik, Bühne und Kostüme sind bekannt – man muss ja die Entwürfe schon abgegeben haben, damit sie in den Produktionsablauf passen.” – “Ich bin unglaublich schnell (beim Kreieren, Anm.), wenn ich einmal in den Fluss komme. Ich gebe Material vor oder eine Richtung, wo es hin soll, und beobachte, was passiert. … Was ich ganz akribisch mache, ist das Coachen, nachdem ich eine Szene gestellt habe. Die Tänzer müssen wissen, warum sie etwas tun – und warum sie körperlich so sein müssen. Sonst machen sie ja nur Schritte.”

Sechs. fragen des Lebens: Warum sind wir? Warum sind Künstliche Intelligenz und Menschsein: wir so, wie wir sind? Warum fallen wir immer in Chancen, Risiken, Widersprüche die gleichen Muster zurück? Gibt es einen Gott? Zur Entwicklung, dass Künstliche Intelligenz heu- einer Beziehung oder in der Liebe? Ist das angete bereits imstande ist, Drehbücher zu schreiben, boren oder konditioniert? Ich finde, diese Themen Musik zu komponieren und Tanzstücke zu schaf- können im Tanz wunderbar aufgearbeitet werden. fen, meint Martin Schläpfer: “Für mich persönlich Und das in einer Art und Weise, die nicht etwas ist das unvorstellbar … Ich kann Bewegung nicht punktiert und real beantwortet, sondern ein Geohne den Menschen sehen. Und mit dem Men- heimnis umrundet wie auf einer Umlaufbahn.” schen meine ich seine Psyche, seine Lebenserfahrung, seine Geschichte.” – “Ich bin der Meinung, dass wir nur eine Zukunft haben, wenn wir Acht. essenziell menschliche Gesetze nicht nur wieder “Gute” Länder, “schlechte” Länder: wahrnehmen, sondern auch wieder in unser Le- Kulturaustausch als Politikum ben integrieren.” – “Fakt ist, dass der Mensch und Warum sehnen wir uns so sehr nach Einheit in die Natur ein Geheimnis sind, und wir viele Zu- Auf die Frage, ob Gastspiele eine willkommene sammenhänge gar nicht wirklich kennen … Inso- Abwechslung oder eher eine zusätzliche Befern plädiere ich für mehr Vorsicht und Demut. lastung – vor allem auch organisatorisch und Der Mensch kann nicht Gott spielen.” finanziell – seien, antwortet der erfolgreiche Ballettdirektor: “Sie sind für mich persönlich ganz sicher eine zusätzliche Belastung. Schon weil Sieben. man nicht weiß, ob die Kunst, die zuhause wirkt, Bildende und darstellende Kunst: anderswo auch funktioniert und eine KommuniWas ist eigentlich Kunst? kation zustande kommt.” Allerdings habe Martin “Ein echtes Kunstwerk hat ein solches Gewicht, dass es etwas “Wien ist eine der wenigen Metropolen für die Künste auf dieser Welt.” Schläpfer die Tournee mit dem Ballett am Rhein nach Japan viel gegeben: “Schön war auslöst.” – Auf Bettina Trouwborsts Frage, welche es, dass Japan meine Neuinterpretation von Rolle andere künstlerische Disziplinen wie Litera- ‘Schwanensee’, die nichts mit dem Original zu tur, bildende Kunst, Architektur, Schauspiel oder tun hat, so begeistert aufgenommen hat.” Film neben Ballett und Musik für ihn einneh- Zum Gastspiel 2014 in den Oman befragt: Gibt men, antwortet Martin Schläpfer: “Sie nehmen es politische oder moralische Grenzen bei der natürlich schon eine wichtige Rolle ein. Ehr- Auswahl eines Gastspielortes? Oder besuchen licherweise muss ich aber gestehen, dass ich kulturelle Institutionen gerade autoritäre Staaten, mich eigentlich nur mit der Literatur intensiv be- um sie mit anderen Werten zu konfrontieren? schäftige … Dennoch, die anderen Kunstformen Kulturaustausch also als politisches Instrument? sind durchaus prägend.” “Kein System ohne Blut, kein System, das nie-

“Das, was mich antreibt Ballette zu machen, manden ausnutzen würde. Ich bin da vorsichtig, entsteht nicht aus den anderen Künsten. Aber ich mit dem Finger auf jemanden zu zeigen.” – “Ich lerne von ihnen sehr wohl dazu. Es sind eher die mache Kunst für die Menschen, nicht für die Literatur, das Politisch-Wissenschaftliche, philoso- Regimes, die sie vertreten oder eben drangsaliephische Themen – und dazu gehört das Natur- ren.” – “Ich glaube nicht, dass Menschen aus erlebnis – oder das Beobachten von Menschen, einem anderen Kulturkreis unsere Ballette gewas mich antreibt … Mir geht es um die Sinn- nauso lesen wie Menschen aus dem Abendland.

Trotzdem muss es irgendwo – gerade in der Tanzkunst – archetypische Wahrheiten geben, die alle tangieren und die alle zu lesen imstande sind. Sei es im Unterbewusstsein oder rein energetisch.”

Neun. Blick zurück und Blick nach vorn: Von Düsseldorf Duisburg nach Wien

Zweiundzwanzig Uraufführungen hat Martin Schläpfer für das Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg geschaffen. Was verbindet ihn persönlich mit Düsseldorf Duisburg? “Meine Arbeit und das, was ich damit ausdrücken möchte, ist ja von mir als Mensch nicht mehr zu trennen. Insofern verbindet mich mein Werk auch persönlich mit diesen beiden Städten …”

Wie sieht es mit den Rechten aus dem Repertoire aus, das mit dem Ballett am Rhein entstanden ist? “Sie liegen bei mir. Es ist kein Werk ohne meine Zustimmung aufführbar. Wenn die Düsseldorfer Oper ein Stück von mir zeigen möchte, will ich jedes Ballett selbst proben und einstudieren … Wenn ich jetzt in Wien ein Ballett aus meiner Zeit in Düsseldorf Duisburg aufführen möchte, kann ich das tun und es neu produzieren. Als erstes Repertoire-Stück aus meiner Ära am Rhein habe ich ‘Ein Deutsches Requiem’ in der Volksoper auf den Wiener Spielplan gesetzt.”

Welche neuen Chancen bietet die österreichische Metropole Ihnen als Choreograph und welche als Ballettchef? Martin Schläpfer: “Wien ist eine der wenigen Metropolen für die Künste auf dieser Welt.” – “Mich zieht es sehr an, dass ich mit dem Ensemble auch das klassische Repertoire zeigen, pflegen und als Teil meiner Konzeption anschauen kann.” – “Es wäre schön, wenn die Debatte enden würde, ob ein Werk ein Klassiker ist, Traditionspflege, Rekonstruktion oder eine zeitgenössische Arbeit, und das Publikum sich einfach nur noch für die Tanzkunst per se interessierte.”

“Mein Tanz, mein Leben” ist ein außergewöhnliches und berührendes Buch, vom relativ kleinen Format, wie ein Tagebuch, sehr persönlich anmutend, grafisch modern gelayoutet und mit einer außergewöhnlichen Einbindung von sechs FotoLeaflets im Buch produziert.

Das Coverfoto sowie ein großer Teil der Fotos im Buchkern stammen von Gert Weigelt, Martin Schläpfers kongenialem Fotografie-Partner beim Ballett am Rhein, von dem Schläpfer einmal sagte, dass er sein Archiv sei.

Es ist ein Buch, das man verschlingt, das süchtig macht, mehr zu erfahren, aber nie alles offenbart … wie Martin Schläpfers Ballette. Und auf diese freuen wir uns nun in Wien!

MARTIN SCHLÄPFER Mein Tanz, mein Leben Gespräche mit Bettina Trouwborst 268 Seiten 80 Farb- und s/w-Abbildungen Hardcover, 17 x 23 cm EUR 30,00 (D), EUR 30,90 (A) ISBN 978-3-89487-813-9 Henschel Verlag, Leipzig

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