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75 – zu alt für den Selvagio Blu?

Ü75 – zu alt für den Selvaggio Blu?

Schon seit einigen Jahren schwirrte mir der Selvaggio Blu im Kopf herum, ein 7-tägiger Abenteuer-Trek an der Ostküste Sardiniens, der unter Kennern als der schönste aber auch als der anspruchsvollste von Italien, wenn nicht von ganz Europa, gilt. Ich fand aber keine Begleiter; meine Anfragen bei Freunden, Bekannten und bei meinen erwachsenen Söhnen waren erfolglos: zu spartanisch, zu schwierig, zu kompliziert, zu teuer, keine Zeit, usw.

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Also entschloss ich mich, die Tour nicht individuell zu machen, sondern buchte im Winter die Extrem-Variante des Treks bei einem Südtiroler Outdoor-Unternehmen. Anfang Mai sollte es losgehen. Ich freute mich wahnsinnig auf die Reise und bereitete mich durch regelmäßiges Training sorgfältig auf die Tour vor. Verlangt wurden neben einer guten Kondition für bis zu 9-stündigen täglichen Wanderungen, auch Kletterkönnen bis zum 3. Grad, Klettersteigerfahrung und Erfahrungen im Abseilen. Für einen ehemaligen, erfahrenen Hochtourenführer alles kein Problem –dachte ich!

Dann der Schock: Drei Tage vor dem Start fuhr es mir beim Tragen eines schweren Ruderbootes so schmerzhaft in den Rücken, dass mir schwarz vor Augen wurde. Nach wenigen Sekunden klang der stechende Schmerz jedoch ab, und mit zweimal täglich 600 mg Ibuprofen ließ es sich aushalten. Wird schon gehen – dachte ich! Also startete ich mit dem Zug zur Anreise nach Sardinien. Die Nacht auf der Fähre von Livorno nach Olbia auf Sardinien war dann allerdings ziemlich unangenehm. Ich schlief – besser: ich wollte schlafen – auf einer harten Bank auf dem Oberdeck. Meine Rückenschmerzen waren kaum zu ertragen und ich bekam kaum ein Auge zu. Entsprechend gerädert kam ich schon am Treffpunkt mit meiner Gruppe an, sechs Touristen und zwei Bergführer. Mit mehr als 15 Jahren Abstand war ich deutlich der Älteste, aber auch der weitaus berg-erfahrenste der Gruppe. Die erste Nacht im weichen Hotelbett war erträglich, und entsprechend optimistisch starteten wir am nächsten Tag in schwierigem, weglosem Gelände den 800 Hm Abstieg von der Hochebene des Supramontes-Gebirge hinunter zur Traumbucht Cala Sisine am Meer. Unterwegs begann mein Rücken wieder zu schmerzen, und ich musste mich ranhalten, dem Tempo der Gruppe zu folgen. In der Nacht würde ich mich schon erholen, dachte ich – und genügend Schmerztabletten hatte ich ja auch dabei. Die Nacht in der Cala Sisine unter freiem Himmel auf der Liegematte war dann allerdings wieder schlimm. Bei jeder kleinen Bewegung oder Drehung fuhr es mir stechend in den Rücken. Zudem hatte ich wohl zu viel getrunken, sodass ich – wie viele alte Männer – x-mal raus musste.

Ab hier kann ich die Erzählung kurz machen: Unausgeschlafen und entsprechend kaputt wiederholten sich die Tage und vor allem die qualvollen Nächte. Ich hechelte meiner Gruppe hinterher, musste teilweise von einem der Bergführer ans Seil genommen werden, konnte die großartige, ja spektakuläre Landschaft kaum genießen und zählte spätestens ab dem 5. Tag des Treks die Stunden bis zu meinem Bett in Tübingen. Entsprechend frustriert, desillusioniert, enttäuscht und traurig kam ich von der Reise zurück. Ich hatte doch noch so viele Pläne! Keine Nordwände oder hohen Gipfel mehr, aber mehrtägige Wanderungen, Klettersteige, Skitouren oder leichte Genussklettertouren standen schon noch auf meinem Wunschzettel. Zu alt? Alles vorbei? Habe ich wirklich so stark abgebaut oder war es die Rückenverletzung, die mich auf dem Selvaggio Blu so total ausgebremst hat? Als meine Rückenschmerzen zuhause nicht nachließen, ging ich endlich zum Orthopäden. Und die Diagnose lässt

Schöne Klettersteigpassagen 600 m über dem Meer

60-m-Abseilstelle direkt runter an den Strand der Cala Mariolu

mich wieder hoffen, einige meiner Pläne doch noch verwirklichen zu können. Kompressionsfraktur des 5. Brustwirbelknochens! Vielleicht doch noch nicht zu alt für die Berge, sondern nur vorübergehend verletzt? Obwohl die Fraktur noch nicht ausgeheilt ist, hoffe ich wieder und träume von zukünftigen Bergtouren – spätestens im nächsten Winter. Und ich versuche meine Negativerlebnisse zu vergessen und mich wenigstens an den schönen Fotos, die ich mitgebracht habe, zu erfreuen.

Text und Bilder: Heiko Pörtner

Unterwegs auf den horizontalen Bändern 500 m über dem Golf von Orisei

Wunderschöne Badestellen nur für uns allein

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