Konservierung und Restaurierung weiter denken

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KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

WEITER DENKEN



KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG

WEITER DENKEN FESTSCHRIFT FÜR GABRIELA KRIST Johanna Runkel (Hrsg.)



Johanna Runkel (Hrsg.) Universität für angewandte Kunst Wien Institut für Konservierung und Restaurierung UNESCO Chair on Conservation and Preservation of Tangible Cultural Heritage Salzgries 14 1010 Wien Mit Beiträgen von Sabine Haag, Ruth Horak, Eva Kernbauer, Sabine Ladstätter, Ferdinand Schmatz, A-Wien Projektleitung „Edition Angewandte“ für die Universität für angewandte Kunst Wien: Anja Seipenbusch-Hufschmied, Barbara Wimmer, A-Wien Content and Production Editor für den Verlag Katharina Holas, A-Wien Lektorat Marina Brandtner, A-Semriach Viktoria Horn, A-Utzenaich Layout, Covergestaltung und Satz studio VIE – Anouk Rehorek, Christian Schlager, Lena Thomaka, Julia Lackner, Franziska Meister, A-Wien Schriften Monument Sometimes Times Suisse Book Papier Munken Lynx Rough Gmund Urban Cement Dust Druck

Holzhausen, die Buchmarke der Gerin Druck GmbH Gerinstraße 1–3 2120 A-Wolkersdorf

Library of Congress Control Number: 2021934390 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeich­ net diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bib­ liografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISSN 1866-248X ISBN 978-3-11-074471-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-074671-6 © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston www.degruyter.com


INHALTSVERZEICHNIS

6

VORWORTE Emotionale Begeisterung und nüchterne Sachlichkeit Gabriela Krist zum 65. Geburtstag

Gerald Bast

Über dieses Buch

Johanna Runkel

10

Das Institut: Studieren, Restaurieren, Reisen, Forschen

Johanna Runkel

14

Stimmen der Studierenden

Johanna Runkel

24

Stimmen der AbsolventInnen

Johanna Runkel

28

Das Institut in Bildern

Christoph Schleßmann

36

Von Projekten und Objekten

Caroline Ocks, Ana Stefaner, Veronika Loiskandl

40

Off the record: ein Corona-Semester

Tanja Kimmel

46

Aus dem Hier und Jetzt in die Zukunft

Martina Haselberger, Marija Milchin

51

Wie viel Restaurierung brauchen die Naturwissenschaften?

Johannes Weber, Tatjana Bayerová

56

Fotografische Bestandsaufnahme

Stefan Oláh

60

Reisende hinterlassen Spuren – in der Ferne und zu Hause Gabriela Krists internationale Workshops

Katharina Kohler

74

Ein Rückblick auf die Entwicklung der Studienrichtung Konservierung und Restaurierung an den beiden Wiener Ausbildungsinstitutionen

Wolfgang Baatz

80

Das Auge, die Hand, der Stoff, die Form

Ferdinand Schmatz

82

8

KAPITEL I: WEITER ENTWICKELN

Diplomarbeiten 2000–2020

85

Dissertationen 2005–2020

90

Internationale Projekte 2004–2020

100

Gabriela Krist: Publikationen

104

Reihe: Konservierungswissenschaft. Restaurierung. Technologie

108

Gabriela Krist: Curriculum Vitae

110

KAPITEL II: WEITER GEHEN Gabriela

Judith Eisler

130

Gabriela Krist im Interview Was ich heute anders machen würde? (Fast) nichts.

Martina Griesser-Stermscheg

132

Manfred Trummer erzählt: von 1977 bis heute

Manfred Trummer, Johanna Runkel

139

Selbstbewusstsein und Innovation

Bärbl Schrems, Elisabeth Graff

144

Drohende Verbummelung von KunstjüngerInnen? Gefährliche Begegnungsorte in Rom

Andreas Lehne

147

From Rome to the world Gabriela Krist: a good colleague and a friend

Marisa Laurenzi Tabasso

151

Frischer Wind am Institut für Konservierung und Restaurierung

Marion Haupt

155

Geschichten und Filme

Gudrun Lamprecht

158

Das Wissen der Kunst

Maria Gruber

162

Gabriela Krist: Universitätsentwicklung auf Reisen Ein Brief

Bernhard Kernegger

166

Sometimes, hard times bring you closer together Snowy and cold days …

Tserendorj Tsolmon

169

Paradisus est ubi cor est

Alexander Wallner – ALESANDRION

171


INHALTSVERZEICHNIS

7 KAPITEL III: WEITER ZUSAMMENARBEITEN Eigenleben und Eigenzeiten Beitrag zur Festschrift für Gabriela Krist

Eva Kernbauer

194

Ornament und Restaurierung Überlegungen zu einer scheinbar unnotwendigen Notwendigkeit

Rainald Franz

199

Beispiele einer Zusammenarbeit Vom Kokoschka-Rock bis zum Beuys-Baum

Patrick Werkner

204

Jumbo Bird

Mario Terzic

210

Wenn das Auge aufhört zu sehen Gabriele Rothemanns Werkzyklus Hab und Gut

Ruth Horak

212

Die UNESCO-Welterbekonvention von 1972 als Gabe und Aufgabe

Bruno Maldoner

222

Engagement und Einsatz für die Ziele der UNESCO

Sabine Haag

228

Schloss Schönbrunn und die Angewandte Wie aus einer langjährigen Kooperation Freundschaft entstand

Elfriede Iby

231

Becoming an icon Der steinige Weg der Celsusbibliothek zum Wahrzeichen von Ephesos

Sabine Ladstätter

237

KVPT and University of Applied Arts Vienna Collaboration for rebuilding after the 2015 Gorkha earthquake

Rohit Ranjitkar

242

Lessons for a sustainable future in traditional architecture of Kerala

Tanushree Gupta, M. Velayudhan Nair

247

Die Veränderlichkeit des Lebens spiegelt sich in den Häusern

Wolf-Dieter Rausch

252

Yoga meets Restaurierung

Kathrin Schmidt

255

One road, one network The contribution of Prof. Krist to the Silk Road Conference Series

Liangren Zhang

260

Cooperation between the School of Cultural Heritage, Northwest University, China and the Institute of Conservation, University of Applied Arts Vienna

Ling Xue

262

Es gibt viele Fachleute auf dieser Welt, aber nur wenige wie Gabriela Krist

Dorjsuren Uranchimeg

264

Fate knows best

Sompid Kattiyapikul

266

Standbilder aus dem Kurzfilm Light Matter, 2018

Virgil Widrich

268

Tulips from Hong Kong

Paola Dindo

270


VORWORT

EMOTIONALE BEGEISTERUNG UND NÜCHTERNE SACHLICHKEIT Gabriela Krist zum 65. Geburtstag

8


9

Emotionale Begeisterung und nüchterne Sachlichkeit

Restaurierung und Konservierung an der Angewandten bedeutet, interdisziplinär, forschungsorientiert, teambasiert und weltoffen zu agieren. Konservierungswissen­ schaftliche Lehre und Forschung heißt – diesem Verständnis folgend –, nicht nur Fachexpertise zu entwickeln, sondern dieses Wissen international vernetzt, praktisch anzuwenden und bewusst gesellschafts­w irksam ein­zusetzen. Dass das so ist, ist in erster Linie der Verdienst von Prof. Gabriela Krist, die seit 1999 dem Institut für Kon­ servierung und Restaurierung an der Universität für angewandte Kunst Wien vorsteht. Unter ihrer Leitung ist es dem Institut gelungen, neue Standards in Forschung und Lehre zu setzen. Auf fachbereichsübergreifende ­und vor allem praxis- und projektorientierte Vermittlung bauend, wurde das Institut zu einem renommierten Kom­petenzzentrum für konservatorische und restaura­ torische Fragestellungen und die Erhaltung von Kunstund ­Kulturgut. Durch ihre Zusammenarbeit mit ­vielen österreichischen Kulturerbe-Institutionen wie auch durch ihre internationalen Aktivitäten hat sie das Profil des Instituts geschärft und gleichzeitig in einer Art erweitert, die es als international anerkannter Akteur positio­niert hat. Damit trägt sie wesentlich zum hervorragenden Ruf der Universität für angewandte Kunst bei. Eine ihrer ersten Leistungen war die Erweiterung des Instituts um die Spezialisierungsrichtungen T ­ extil­und Steinrestaurierung und die Neuausrichtung be­ stehen­der Spezialisierungsrichtungen. Die Einrichtung des Dok­toratsstudiums im Jahr 2000 zählt ebenso zu ihren Erfolgen wie die Etablierung einer eigenen wissenschaft­lichen Publikationsreihe des Instituts im ­Böhlau Verlag. In den letzten 21 Jahren hat Gabriela Krist 170 Diplomarbeiten und 7 Dissertationen betreut. Mit ihrem Team ist es ihr gelungen, ein einzigartiges internationales Kooperationsnetzwerk aufzubauen, ­von dem Studierende wie Lehrende und Assoziierte gleichermaßen profitieren. Von Nordindien über China, ­Nepal, die Mongolei bis hin nach Thailand ist das Institut für Restaurierung und Konservierung tätig ­und bringt akademische Kenntnisse am aktuellen Forschungsstand vor Ort ein. Dazu zählen unter anderem die Restaurier- und Wiederaufbauarbeiten am Patan Dur­bar Square, Nepal, oder die Abhaltung von Summer Schools mit und an unterschiedlichen asiatischen Partneruniversitäten. Einen Höhepunkt Gabriela Krists ­internationaler Tätigkeiten markiert der 2019 ver­ liehene UNESCO-Lehrstuhl für die Erhaltung von Kulturerbe, der seither den offiziellen Rahmen bildet, um die Arbeit des Instituts für Konservierung und Restaurierung an den Welterbestätten zu unterstützen und sichtbar zu machen. Wenn 2021 das Masterstudium „Cultura Her­itage Conservation and Management“, ein Joint-Master-­Studium der Universität für angewandte Kunst in Zu­sam­menarbeit mit dem Silpakorn University International College Bangkok, startet, ist damit ein weiterer maßgeblicher Schritt gesetzt, der Prof. Krists Engagement zu verdanken ist und dem von ihr geleiteten Institut eine neue, langfristig wirksame Dimen­sion internationaler Vernetzung in Lehre und Forschung eröffnet. Gabriela Krist hat sich nicht nur immens für das In­stitut für Konservierung und Restaurierung eingesetzt, sondern auch wesentlich zur Gestaltung und

Weiterent­wicklung der gesamten Universität beigetragen. So fungierte sie von 1999 bis 2003 als Vizerektorin der Universität und ist als langjähriges Senatsmitglied sowie in zahlreichen Gremien und Arbeitsgruppen der Universität aktiv. Als kritisches und engagiertes Visavis, dem es stets um die Sache, konkret um die positive Weiterentwicklung des Instituts für Konservierung und Restaurierung sowie gleichermaßen um die Erweiterung und Schärfung des Profils der Universität für angewandte Kunst, geht, ist sie mir eine wichtige Gesprächspartnerin geworden. Im Jahr 2015, als Gabriela Krist das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen wurde, habe ich in meiner Laudatio über die Geehrte gesagt: „Die durchsetzungskräftige Managerin und nüchtern den­­ kende Wissenschaftlerin hat ein sehr intensives, fast emotionales Verhältnis zu ihrer Aufgabe und damit zu ihrem Institut.“ Ja, genau diese ausgewogene Mischung aus emotionaler Begeisterung und nüchterner Sachlich­ keit ist es wohl, was eine Persönlichkeit nachhaltig er­folgreich macht. Gabriela Krist hat uns das in ihren vielen Jahren an der Angewandten gezeigt und zeigt uns diese – ihre – Qualität noch immer. Danke dafür. Gerald Bast Rektor


VORWORT

ÜBER DIESES BUCH

10


11

Über dieses Buch

Gabriela Krist, Restauratorin, Kunsthistorikerin und Vorständin des Instituts für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien, gestaltet und schreibt ihre eigene Geschichte schon immer selbst. Sie geht weiter, sie entwickelt weiter, sie arbeitet disziplinenübergreifend – sie denkt weiter. Dieses Buch, das zum Anlass ihres 65. Geburtstages entstand, trägt also verdientermaßen den Titel „Konser­ vierung und Restaurierung weiter denken“. „Weiter“ steht hier nicht nur als Verweis auf eine Fortsetzung des Bestehenden, sondern für „größer, breiter, über sich hinauswachsend“ und wird daher bewusst als eigenständiges Wort verwendet. Es handelt sich um ein Buch, das sich in mancher Hin­sicht in den Kanon klassischer Festschriften einordnet: Die Beitragenden sind FreundInnen, KollegInnen und WegbegleiterInnen. Die Festschrift enthält ­fachrelevante Aufsätze und Essays, ein Schriftenverzeich­ nis bzw. eine Publikationsliste der zu würdigenden Person. Sie bietet auch einen Überblick über die von Gabriela Krist betreuten wissenschaftlichen Arbeiten – Diplomarbeiten und Dissertationen – und zeigt so, welch großen Einfluss Krist auf Generationen von Studierenden und auf die konservierungswissenschaftliche Forschung hatte. Trotzdem ist diese Festschrift wohl eine eher ungewöhnliche, denn sie gibt auch Raum für persönliche Erinnerungen und Geschichten und nicht zuletzt für künstlerische Arbeiten: literarische Texte, Zeichnungen, Fotografien, Gemälde und Film-Stills von KünstlerInnen wie Gabriele Rothemann, Judith Eisler, Virgil Widrich, Ferdinand Schmatz oder Stefan Oláh. Das Buch verdeutlicht, wie Gabriela Krist die Konservierung und Restaurierung beeinflusst hat, sie immer mehr geweitet und interdisziplinär und international verknüpft hat. Zu ihren größten Leistungen in den mehr als 20 Jahren Praxis, Lehre und Forschung an der Universität für angewandte Kunst Wien zählen etwa die Erweiterung der Fachbereiche in der Lehre am Institut für Konservierung und Restaurierung und ihr internatio­ nales Engagement insbesondere in Asien und für das UNESCO-Weltkulturerbe. Sie trieb die Entwicklung der Sammlungspflege und präventiven Konservierung als wichtiges Forschungs- und Arbeitsfeld in zahlreichen Projekten in Theorie und Praxis voran. Die Festschrift wirft einen dementsprechend vielschichtigen Blick auf die Person Gabriela Krist und auf das Institut und reflektiert damit auch die Profession der Konservierung und Restaurierung und ihre Entwicklung. So erzählt sie über Vergangenheit und Gegenwart und wagt an manchen Stellen sogar einen Blick in die Zukunft. Ich danke Rektor Gerald Bast und Anja SeipenbuschHufschmied für die unkomplizierte Unterstützung der Idee und ihrer Umsetzung. Ich danke außerdem dem Team von studio VIE, Christian Schlager und Lena Thomaka, für das aufmerksame Zuhören bei der Entwicklung der grafischen Gestaltung und meinen KollegInnen, allen voran Barbara Wimmer, Martina Haselberger, Marion Haupt und Ana Stefaner, für ihre tatkräftige Mitarbeit an diesem Projekt. Außerdem danke ich Viktoria Horn und Marina Brandtner, die das Lektorat verantworteten und so zu einer höheren sprachlichen Qualität beitrugen. Ein großes Danke ergeht natürlich an die Beitra­ genden, die Mühe und Zeit in ihre Werke investierten,

seien es die künstlerischen Werke oder auch die erzählenden Texte, mit denen so manche WissenschaftlerInnen erfolgreich schriftliches Neuland betrat. Und ich danke Gabriela Krist für die Abenteuer, die man mit ihr erlebt, für die spannende, niemals langweilige Zusammenarbeit und für die gemeinsam gemeisterten Herausforderungen. Diese Festschrift ist kein Schlusswort, sondern ein Zwischenruf: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Johanna Runkel, im Oktober 2020



KAPITEL I WEITER ENTWICKELN


KAPITEL I

DAS INSTITUT IN BILDERN

Abb. 1 Steinklasse

Abb. 3 Hörsaal

Christoph Schleßmann

Abb. 2 Stiegenhaus

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Das Institut in Bildern

Abb. 5 Steinklasse

Abb. 4 Gemäldeklasse


Christoph Schleßmann

Abb. 6 Steinklasse

Abb. 7 Textilklasse

KAPITEL I

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Das Institut in Bildern

Abb. 8 Steinklasse

Abb. 9 Objektklasse

Abb. 10 Büro

Abb. 11 Gemäldeklasse

Abb. 12 Textilklasse

Abb. 13 Gemäldeklasse

Abb. 14 Textilklasse

Abb. 15 Objektklasse

Abb. 16 Gemäldeklasse

Abb. 17 Stiegenhaus

Abb. 18 Eingang

Abb. 19 Fotostudio

Christoph Schleßmann studierte Geschichte an der Univer­ sität Wien und absolvierte das Kolleg für Fotografie an der Graphischen. Seit 2017 ist er als Fotograf am Institut für Konservierung und Restaurierung an der Univer­ sität für angewandte Kunst Wien tätig. Seine freiberuflichen Arbeitsschwerpunkte liegen auf dokumentarischen Projekten sowie Ausstellungs-, Architektur- und Objektfotografie.


KAPITEL I

FOTO­ GRAFISCHE BESTANDSAUFNAHME

Stefan Oláh

60


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Abb. 1 Nationalratssaal

des Österreichischen Parlaments, Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1010 Wien, Max Fellerer und Eugen Wörle, 1956

Foto­grafische Bestandsaufnahme


Stefan Oláh

Abb. 2 Nationalratssaal

des Österreichischen Parlaments, Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1010 Wien, Max Fellerer und Eugen Wörle, 1956

KAPITEL I

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Abb. 3 Nationalratssaal

des Österreichischen Parlaments, Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1010 Wien, Max Fellerer und Eugen Wörle, 1956

Foto­grafische Bestandsaufnahme


Stefan Oláh

Abb. 4 Nationalratssaal

des Österreichischen Parlaments, Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1010 Wien, Max Fellerer und Eugen Wörle, 1956

KAPITEL I

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Abb. 5 Nationalratssaal

des Österreichischen Parlaments, Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1010 Wien, Max Fellerer und Eugen Wörle, 1956

Foto­grafische Bestandsaufnahme


Stefan Oláh

Abb. 6 Nationalratssaal

des Österreichischen Parlaments, Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1010 Wien, Max Fellerer und Eugen Wörle, 1956

KAPITEL I

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Abb. 7 Nationalratssaal

des Österreichischen Parlaments, Dr.-Karl-Renner-Ring 3, 1010 Wien, Max Fellerer und Eugen Wörle, 1956

Foto­grafische Bestandsaufnahme


Stefan Oláh

Abb. 8 20er Haus, heute: Belvedere 21, Arsenalstraße 1, 1030 Wien, Karl Schwanzer, Ausführung Brüssel 1958, Wiederaufstellung Wien 1962

KAPITEL I

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69

Foto­grafische Bestandsaufnahme


KAPITEL I

114

Abb. 7


115

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Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 5

Von Projekten und Objekten

Abb.4


KAPITEL I

Abb. 6

116

Abb. 7

Abb. 8

Abb. 10

Abb. 9

Abb. 11 rechts Abb. 12


117

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KAPITEL I

118

Abb. 1


119

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Abb. 2

Abb. 3

Abb. 6

Abb. 5

Off the record: ein Corona-Semester

Abb. 4


KAPITEL I

Abb. 1

Wie viel Restaurierung brauchen die Naturwissenschaften?

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Abb. 1

Abb. 3

Abb. 2

Abb. 4

Abb. 5

Reisende hinterlassen Spuren – in der Ferne und zu Hause. Gabriela Krists internationale Workshops


Andreas Lehne

KAPITEL II

150 Andreas Lehne, Jahrgang 1951, studierte Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Wien. Von 1977 bis 2016 arbeitete er für das österreichische Bundesdenkmalamt, zuletzt als Leiter der Abteilung für Inventarisation und Denkmalforschung. 1982 besuchte er als Stipendiat den ICCROM-Kurs für Architekturkonservierung in Rom. Er hatte Lehraufträge an der Technischen Universität Wien und der Universität für angewandte Kunst Wien und publizierte zur Kunst und Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts sowie zur Geschichte und Theorie der Denkmalpflege.

Gabriela Krist. Die sie so besonders auszeichnenden Eigenschaften Kompetenz, Elan, Initiative, Effizienz, Kommunikations- und Organisationsvermögen waren auch der Leitung von ICCROM aufgefallen. Man hat ihr dann dort zunächst eine AssistentInnenstelle ange­ boten – und ihr dann immer größere Aufgabenfelder zugeteilt. Ihre ICCROM-Jahre in Rom haben sie für ihre internationale Karriere entscheidend geprägt (siehe das Interview mit Martina Griesser-Stermscheg). Ich danke Richard Bösel, Monika Faber und Johann Wieninger für gedächtnisauffrischende Gespräche und Martina Griesser-Stermscheg für wertvolle Anregungen.

Abb. 1 Das Österreichische Kulturforum in Rom in der Viale Bruno Buozzi 113

Abb. 2 Gabriela Krist (Mitte, erste Reihe) beim ICCROM-Kurs Scientific Principles in Conservation, 1982

Abb. 3 Das große Gartenfest 1982 im Österreichischen Kulturforum in Rom

1

2 3 4 5 6 7 8

Siehe dazu: Wagner, W., Die Rompensionäre der Wiener Akademie der bildenden Künste 1772–1848. Nach den Quellen im Archiv der Akademie. 2 Bände. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 1972–1973 (Römische historische Mitteilungen 14 und 15); Heerde, J. B. van, Staat und Kunst. Staatliche Kunstförderung in Österreich 1895–1918, Wien 1991 Wagner, O., Die Baukunst unserer Zeit, 4. Auflage, Wien 1914, S. 27 O. V., Tagesneuigkeiten, in: Fremden-Blatt, 1.1.1872, S. 3 O. V., Künstlerleben in Rom, in: Neue Freie Presse, 19.11.1881, S. 20 O. V., Palazzo Venezia in Rom, in: Monatsschrift Wiener Bauhütte 4. Jg. Nr. 6/1912, S. 117 Zur Baugeschichte siehe: Bellanca, C., Palazzo Sternberg, Rom 2018 Zu Karl Holey siehe u. a.: Brückler, T./Nimeth, U., Personenlexikon zur österreichischen Denkmalpflege, Horn 2001, S. 113–114 Zu Baugeschichte und zur architektur­ historischen Stellung siehe: Podbrecky, I., Das österreichische Institutsgebäude in Rom: Architektur und Identität, in: Römische Historische Mitteilungen 52/2010, S. 323–371


KAPITEL II

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FROM ROME TO THE WORLD Gabriela Krist: a good colleague and a friend

Marisa Laurenzi Tabasso


Marisa Laurenzi Tabasso

KAPITEL II

I met Gabriela Krist for the first time in Summer 1990 when I was making contact with ICCROM (International Centre for the Preservation and Restoration of Cultural Property1) in Rome to become the Head of the Science and Technology Department. We met at the ICCROM entrance door and I remember her as a nice elegant young woman who smiled at me saying, “We are waiting for a boss!” Soon afterwards, my positive impression was confirmed when we started to act as a team on the different projects we had to implement in the department. I had already had previous experience with ICCROM as an external consultant from the Italian Istituto Centrale del Restauro2 (Central Restoration Institute), but when I joined ICCROM as part of the staff, I had to make an effort to adapt myself to the specific environment of this intergovernmental organisation. Although Gabriela is much younger than me, she had more international experience and was my mentor and guide, introducing me to the other colleagues and to the diff­erent on-going activities and trends inside ICCROM. At the time, Gabriela as coordinator was responsible for the organisation of some of the ICCROM training courses: Scientific Principles of Conservation (SPC), and Paper Conservation (PC). In 1992, she was among the organisers and the coordinator of a new course on Japanese Paper Conservation (JPC). The SPC course was proposed and launched in 1973 by Paul Philippot, the then ICCROM Director, and Giorgio Torraca, chemist, the then Deputy Director. Quoting Mr. Torraca, “At that time, the various specialists involved in conservation work (restorers, laboratory technicians, historians, art historians, archaeologists) had received a different type of training and education that was not directed towards an interdisciplinary approach, with the result that they neither spoke a common language, nor shared a common pool of knowl­ edge, nor a harmonious approach to conservation.” In those days, the Internet was not commonly available, people used to travel less and information was not as easily shared as it is now. The course was an innovative approach to communicate and stress the relevance of scientific disciplines (mostly chemistry, physics, microbiology and geology) for the understanding of decay mechanisms and the selection of correct methods of conservation treatments. In fact, knowledge on artefact materials and mechanisms of materials decay is the inevitable starting point for mitigating the factors of their decay and for select­ ing the most suitable conservation options. The SPC International Course was held until the end of the millennium, when changes in the education and training programmes of conservators and curators pushed the course somewhat into the background. The 1992 edition of SPC was the first one for me where Gabriela and I shared the responsibility of course planning and implementation. Quoting the course manual, prepared by Gabriela, “The course has an interdisci­ pli­nary approach. It is designed for professionals of diverse cultural and educational backgrounds […] who are interested in a more global view of conservation from different perspectives.” Aimed at giving a panorama of the field, the course was dedicated to a multidisciplinary target group, and its main result is best illustrated in one of the participant’s comments, who said, “It opened

152

my mind!” I think that the experience gained in the coordination of SPC was a useful reference point for Gabriela when she started her activity as Head of the Vienna Department of Conservation (today’s Institute of Conservation of the University of Applied Arts Vienna) to organise and shape educational and training activities. In those years, Gabriela, as coordinator, was also in charge of the international course on Paper Conservation where one of the teachers was Mr. Katsuhiko Masuda, researcher and conservator at the Department of Restoration Technique, Tokyo National Research Institute of Cultural Properties. Masuda’s specific focus was on traditional techniques of restoration of oriental art objects on paper, which was also addressed to western conservator/restorers outside the PC course throughout the period of Mr. Masuda’s secondment to ICCROM from the Tokyo National Research Institute of Cultural Properties. The huge success of these programmes called for the organisation of a more extended, regular programme in Tokyo in collaboration with the same Tokyo Institute. Gabriela was responsible for the organisation of the course on Japanese Paper Conservation, whose first edition was held in 1992. JPC is still jointly organised by the Tokyo National Research Institute of Cultural Properties and ICCROM.3 During those first edition years of JPC, Gabriela started to work on the preparation of a training initia­tive on the conservation of Urushi, Japanese lacquer. The first international course dedicated to this particularly important topic took place a few years later in Tokyo in August 1999, when she had already left ICCROM to return to Vienna. The link with ICCROM, however, was not severed, as Gabriela continued to be member of the ICCROM Council and attended the General Assembly as representative of Austria (see fig. 2) in the following years. It is just a guess, but I think it was her first experiences in Japan that sparked Gabriela’s love for Eastern cultures and countries. Actually, once in Vienna, Gabriela started her career as an officer at the Bundesdenkmalamt (Federal Monuments Authority Austria), then she was responsible for the Institute of Conservation at the University of Applied Arts Vienna, as well as very actively engaging with the conservation of cultural property in several Asian countries. I cannot recount all the initiatives she took for Asian countries, but I would like to mention one particularly huge project for the conservation of the Buddhist temples of Nako village in the Western Himalajas, which Gabriela described as “the most stimulat­ ing, most difficult and challenging conservation project ever” in her introduction to the 2016 publication Nako – Research and Conservation in the Western Himalajas.4 Gabriela’s interest in Tibetan culture and Buddhist paintings is also proven by the support she gave for the translation from Italian into English of the book Visibilia Invisibilium5, which is a report on the results of non-invasive analyses on Tibetan paintings from the expeditions that Giuseppe Tucci, the famous Italian scholar and Tibetologist, carried out from 1928 to 1948. The Thangkas included in this study are part of the Museo Nazionale d’Arte Orientale collection in Rome that was being studied by Deborah Klimburg-Salter, art historian and Professor at the University of Vienna.


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From Rome to the world

In her introduction to the book, Gabriela wrote that her Institute had in 2004 received a request of help by the Nako community for the conservation of their Tibetan paintings. A few years later, it was possible to take some Thangkas to the Vienna laboratory to be studied and conserved. Therefore, the results of the Italian team could be a useful reference point for the Austrian conservators. In her introduction, Gabriela also re­ membered that the origins of her personal interest for far Eastern and Eastern paintings could be found in the activities she had initiated in the early 1990s at ICCROM for the conservation of Japanese scrolls. This confirms what I assumed above. Moving from Tibet to Nepal, I would like to mention the conservation campaigns that the Institute of Conservation fulfilled in Patan, in cooperation with the Kathmandu Valley Preservation Trust (KVPT), under Gabriela’s leadership.6 I only took part in the 2013 campaign, specifically for the conservation of the relief gates at the Royal Palace façade, flanking the Degutaleju Temple. The focus was on the cleaning and optical homo­ genisation of the southern stone gates. The peculiarity of these sandstone gates, composed of richly decorated blocks, was that they had been coated in the past with a heavy, black layer of bitumen, probably for protection purposes. The analysis previously done in Vienna showed that the various attempts for the extraction of bitumen using suitable solvents had failed and the only possi­ bility to clean the stone was to use laser technology. Un­ fortunately, suitable laser equipment was not available in Nepal at the time. On Gabriela’s request, I contacted Mr. Alessandro Zanini in Florence from the El.En. Group (a firm specialised in the development and appli­ cation of lasers in the field of artwork conservation7) and we did some preliminary tests in Florence to select the most appropriate equipment and working condi­ tions for the removal of bitumen from some samples sent from Patan, taking care to avoid damages and discol­ oration of the stone. Then we travelled to Patan and Alessandro Zanini trained members of the Austrian team on one of his instruments (see figures 3 and 4). So, thanks to Gabriela’s initiative, laser technology was used for the first time in Nepal for the conservation of carved architectural elements. Less than two years later, when an awful earthquake destroyed or damaged many monuments in Patan, a group from the Institute of Conservation was sent to cooperate in the rescue of the damaged monuments. Finally, I would like to mention Gabriela’s activity in cooperation with Chinese Universities (first Xi’an and later Nanjing University) for the organisation of international conferences titled “Archaeology and Conservation along the Silk Road”8. This initiative is highly significant because it offers a platform to both Eastern and Western specialists to meet and exchange information on their research activities as well as stressing binomial archaeology/conservation. In other words, it stresses that although archaeology comes first, sooner or later, or even at the same time, objects of archaeological research not only need to be made legible to specialists and to the public, but also require conservation and protection against the many environmental agents which could threaten their survival for future generations.

To conclude my short paper for this Festschrift in honour of Gabriela Krist, I would like to mention a few words from the appraisal I was asked to write when Gabriela left ICCROM. I do not recall the full text, but I remember well some of the adjectives I used to de­scribe Gabriela’s professional and moral qualities: smart, hard-working, altruistic and loyal. More than a quarter of a century later, I simply reconfirm that valuation.

Marisa Laurenzi Tabasso was born in Rome, where she re­ceived her degree in Chemistry at Sapienza University of Rome. From 1964 to 1991, she worked at the Istituto Superiore per la Conservazione ed il Restauro (ISCR) in Rome where she has been Head of the Laboratory for Testing Materials since 1975. From 1991 to the end of 1998, she worked at ICCROM (International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property) as Head of the Science and Technology Programme and later as Assistant to the Director General. From 2000 to 2014, she taught at Sapienza University of Rome. More­ over, she is Honorary Professor at the University of Applied Arts Vienna, Institute of Conservation, in addition to her job as a freelance consultant. Her main field of activity is the conservation of mural paint­ ings, stones and related materials. Marisa Laurenzi Tabasso has been President of the Scientific Committee of the Italian non-profit making association “Restauratori Senza Frontiere” in Rome since 2013. In cooperation with that associa­tion, she recently conclud­ed a research and conservation project called Persepolis International Monuments Conservation Project (PIMCP) where two monuments of this World Heritage Site were restored. She has authored three books and over 180 scientific papers, and has also edited two other books.

Fig. 1 This photo was taken in Rome, near ICCROM’s premises. It shows the small team of the Science and Technology Department in 1993 (Gabriela Krist, Werner Schmid, Liliana Vecchio and myself – Marisa Laurenzi Tabasso), with two course assistants and a Spanish conservator, who was spending her scholarship in the Department, Rome


KAPITEL II

158

GESCHICHTEN UND FILME Seit 2007 reise ich immer wieder mit Gabriela Krist zu den Projekten des Institutes für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien. Mehr als 10 Jahre bin ich nun schon so etwas wie eine Haus- und Hofberichterstatterin – in dieser Zeit konnte ich viele kürzere und längere Dokumentationen über die spannende Restaurierarbeit für den ORF gestalten. So war es möglich, die beeindruckenden Arbeiten der Angewandten unter der Leitung von Gabriela Krist einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen. Als Gestalterin und Regisseurin von ORF-Dokumentationen bin ich mehrmals im Jahr auf der ganzen Welt unterwegs. Die Dreharbeiten für die Abteilung von Gabriela Krist gehören jedoch zu den Highlights – seien es die buddhistischen Tempel im nordindischen Nako, die wunderbaren Königspaläste in Kathmandu oder die Arbeiten im Napier Museum in Kerala, um nur ein paar zu erwähnen. Die ausgewählten Bilder sind ein Streifzug durch die Arbeiten im asiatischen Raum und sollen eine kleine Erinnerung an unsere gemeinsame, schöne Arbeit sein.

Gudrun Lamprecht


Geschichten und Filme

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Nako, Indien

Abb. 1 Das kleine nordindische Dorf Nako befindet sich auf 3.600 m Höhe. Wir alle spüren, dass die Luft hier sehr dünn ist. Hier restaurieren Gabriela Krist, ihr Team und weitere internationale ExpertInnen eine einzigartige buddhistische Tempelanlage.

Abb. 2 Die

Straße nach Nako ist für alle ein abenteuerlicher Albtraum.

Abb. 3 Gabriela

der Tempel.

Krist erklärt ihre Arbeit in einem

Abb. 4 Die Wandmalereien werden

Abb. 5 Gabriela

Abb. 6 Ein

restauriert.

Krist wandert durch das Dorf.

Abb. 7 In Nako wird ein Haus für den Dalai Lama gebaut. Eine Woche lang wird er hier für seine geflüchteten Landsleute den tibetischen Buddhismus lehren.

Abb. 8 Die DorfbewohnerInnen bauen das Haus des Dalai Lama.

Abb. 9 Die DorfbewohnerInnen warten auf den Dalai Lama.

Abb. 10 Auch

Gabriela Krist wartet.

Abb. 11 Gabriela Krist überreicht dem Dalai Lama einen Bildband des Instituts für Konservierung und Restaurierung.

gläubiger Buddhist betet. Abb. 12 Den Dalai Lama persönlich zu treffen, war für uns alle ein Highlight.


Gudrun Lamprecht

KAPITEL II

Patan, Nepal

Abb. 13 Auf dem Weg zum nächsten Projekt: der Restaurierung des UNESCO-Weltkulturerbes Patan Durbar Square in Nepal. Wenn man am Flug von Delhi nach Kathmandu auf der rechten Seite sitzt, sieht man in der Ferne den Gebirgszug des Himalaja – ein unvergesslicher Anblick.

Abb. 19 Manfred Trummer kommt am Patan Durbar Square an.

Abb. 20 Nach dem Erdbeben 2015 in Nepal wird die frisch restaurierte Königssäule wieder aufgestellt – ein beeindruckender Moment. Abb. 14 Am

unter …

Patan Durbar Square geht die Sonne

Abb. 21 Die

Abb. 15 … und

die Tauben fliegen.

Abb. 16 Bewohnerinnen von Patan holen Wasser am Brunnen.

Schlange aus vergoldetem Kupferblech ist Teil der Königssäule und wurde ebenfalls beim Erdbeben schwer beschädigt. Gabriela Krist und ihr Team konnten sie mit ihrem Know-how wiederherstellen.

Abb. 22 Auch der beschädigte Hindutempel am Patan Durbar Square wurde durch die pro­ fessionelle Arbeit des österreichischen Teams für die Gläubigen wieder zugänglich gemacht.

Abb. 17 Ein Newar, ein Bewohner Patans, sitzt vor seinem Haus. Abb. 23 Manfred Trummer at work.

Abb. 18 Ein

heiliger Sadhu posiert für die Kamera.

160


Geschichten und Filme

161

Kerala, Indien

Abb. 24

Abb. 24–25 Im

Napier Museum in Trivandrum, Kerala, fanden von 2016 bis 2018 ein Sammlungspflegeprojekt und vier Workshops mit Gabriela Krist und ihrem Team statt.

Abb. 29 Der Tempel wird

streng bewacht.

Abb. 30 Prof. Nair vor dem Tempel

Abb. 31

Abb. 26 Der Padmanabhaswamy-Tempel in Trivandrum: Angeblich befindet sich hinter den Mauern dieses Tempels ein sagenhafter Schatz aus Gold, Juwelen, Edelsteinen und Münzen aus einer längst vergangenen Zeit.

Abb. 31–32 Ein

Mandala aus Blütenblättern für das sogenannte Onam-Fest, gefilmt im Park des Napier Museum in Trivandrum, Indien. Das Fest ist eine der größten Feierlichkeiten in Kerala im Jahresverlauf.

Abb. 27 Die kunstvollen Details am Padmanabhaswamy-Tempel.

Abb. 28 Der indische Kollege von Gabriela Krist, Professor M. V. Nair aus Kerala, wurde vom Staat zum „Hüter des Schatzes“ des PadmanabhaswamyTempels ernannt.

Gudrun Lamprecht ist Redakteurin und Regisseurin der ORF- Abteilung Religion und Ethik. Ihre Schwerpunkte sind Buddhismus, Hinduismus und NGOs weltweit. Seit 2007 gestaltet sie Dokumentationen für das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien.


KAPITEL III

WENN DAS AUGE AUFHÖRT ZU SEHEN Gabriele Rothemanns Werkzyklus Hab und Gut

Ruth Horak

212


213

Wenn das Auge aufhört zu sehen

1839 ist die Fotografie angetreten, um die Welt zu inventarisieren. Im ersten je veröffentlichten Fotobuch versammelte Henry Fox Talbot die verschiedensten Anwendungsgebiete des neuen Mediums und betonte dessen Vorzüge als verlässlichen Partner, die Welt in all ihren sichtbaren Details aufzuzeichnen, auch wenn diese noch so kleinteilig und kompliziert erscheinen. Er strich die Geschwindigkeit hervor, mit der die Fotografie eine schier unüberschaubare Vielzahl solcher Details gleichzeitig aufzeichnen konnte. Bereits für seine früheren Experimente mit dem Fotogramm hatte er absichtlich Motive mit komplexen Strukturen wie Farne, Insektenflügel oder Spitzen ausgesucht. Bei seinem ersten erhaltenen Negativ, das er von einem Erkerfenster seines Landsitzes Lacock Abbey gemacht hatte, staunte er darüber, dass man über 200 Glasscheiben zählen konn­ te. In der Bildunterschrift zu Articles of China (Abb. 1) wird Talbot noch deutlicher: „[…] es dauert nur wenig länger, die ganze Vitrine eines Porzellansammlers auf Papier zu bannen, als sie in der üblichen Weise schriftlich zu inventarisieren. Je seltener und phantastischer die Formen seiner Teegeschirre ausfallen, desto größer ist der Vorzug des Bildes gegenüber der Beschreibung. Und sollte einmal ein Dieb diese Schätze entwenden, dann würde sicher eine neue Art der Beweisführung entstehen, wenn man das stumme Zeugnis des Bildes gegen ihn bei Gericht vorlegt.“1 Seit ihren Anfängen war die Fotografie mit der Auf­ gabe betraut, alles Sichtbare aufzuzeichnen und zu erfassen, Expeditionen in bis dato unbekannte Regionen der Welt zu begleiten und dem interessierten Publikum vorzuführen; aber auch buchstäblich Licht ins Dunkel zu bringen, also Missstände sichtbar zu machen, die bis dahin im Verborgenen lagen, die Unterkünfte der Ärmsten zu dokumentieren und damit soziale Reformen anzustoßen. Eine Strophe aus Bert Brechts Drei­ groschenoper lautet: „und man siehet die im Lichte, die im Dunklen sieht man nicht.“2 Seither sind zahlreiche bildgebende Verfahren dazugekommen, die mithilfe technischer Apparaturen für den menschlichen Wahrnehmungsapparat Unsichtbares darstellen können: Ultraschall, Thermografie, Elektronenmikroskopie oder die Radiografie, die sich mithilfe der von Wilhelm Conrad Röntgen 1896 entdeckten Röntgenstrahlen schnell als Kontrollinstrument etablierte. Was mit dem Aufzeigen verdeckter Kunstfehler vor Gericht begann, wurde bald vor allem im medizinischen Bereich verwendet, um Anomalien zu er­kennen, und setzt sich bis heute in weite Bereiche der Kontrolle fort. Filme, auf welchen Röntgenbilder gespeichert werden, zeigen, ihrem Anwendungsgebiet entsprechend, nicht die sichtbaren Oberflächen von Gegenständen, sondern deren (materialabhängige) Dichte. „Röntgenopazität bezeichnet die Eigenschaft der Strahlenundurchlässigkeit von Materialien für Röntgenstrahlen. […] je nach Stoffart wird die Röntgenstrahlung unterschiedlich stark geschwächt […]. Röntgenstrahlen schwärzen fotografische Filme. Die beiden entscheidenden Faktoren, von denen eine Röntgendurchsichtigkeit abhängt, sind die Dichte und die Ordnungszahl des Materials. […] Während das Licht, ebenfalls eine elektromagnetische Strahlung, nur durchsichtige Stof­fe durchdringt, können Röntgen- und Gammastrahlen undurchsichtige feste Werkstoffe durchdringen und

Auf­schluss über verborgene innere Unregelmäßigkeiten, Hohlräume und Einschlüsse geben.“3 Es wird nicht mehr „wichtiges und unwichtiges gleichmäßig behandelt“4 wie in der Fotografie, sondern es entsteht eine Hierarchie der physikalischen Eigenschaften.

ERSTE BEGEGNUNGEN 2003 erreichte ein Artikel in der Frankfurter Allge­ meinen Zeitung Gabriele Rothemanns Aufmerksamkeit. Er war mit zwei „Röntgenaufnahmen eines Lastwagens, in dem Zigaretten geschmuggelt werden“5 illustriert (Abb. 2). Aufgefallen ist ihr neben der Eleganz und der durchscheinenden Leichtigkeit der schwarzweißen Abbildungen die Inhomogenität der Ladung. Die beiden von Heimann Röntgenprüfsysteme zur Verfügung gestellten Aufnahmen (ein horizontales und ein vertikales Bild des ge­ samten LKWs) zeigen nämlich sorgfältig gestapelte Schachteln im vorderen Teil sowie eine chaotische Fül­lung im hinteren Drittel des LKWs, mit welcher das Schmuggelgut getarnt und so für herkömmliche Kontrollen unsichtbar war – nicht jedoch für die Linearbe­ schleuniger im Prüftunnel6. Ungefähr zur gleichen Zeit hörte Gabriele Rothemann von Roman Delugan, dass in den großen Häfen der Welt Röntgenkontrollen in über­dimensionalen Anlagen (von z. B. 58 Metern im Hamburger Hafen) durchgeführt werden. Das Interesse war geweckt und hat eine jahrelange Recherche nach sich gezogen: Bei dem Besuch der Containerprüfanlage im Hamburger Hafen im Mai 2009 konnte sie Röntgendaten aus dem Archiv sichten, die MitarbeiterInnen der Hafenbehörde waren jedoch nicht befugt, Bilder freizugeben, um sie für eine künstlerische Arbeit zu verwenden. Etwa zeitgleich waren in der Tagespresse Berichte über Container, in welchen nicht nur Drogen, sondern auch Menschen geschmuggelt wurden. Sie erschienen – als würde ihr Schicksal

Abb. 1 Henry Fox Talbot, Articles

In: The Pencil of Nature, 1844

of China.

Abb. 2 Röntgenaufnahmen eines Lastwagens, in dem Zigaretten geschmuggelt werden, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2003


Ruth Horak

KAPITEL III

vorweggenommen werden – auf dem Röntgenbild als Skelette. Unzählige Eindrücke hat Gabriele Rothemann bei der Sichtung solcher Aufnahmen gewonnen, vor allem zwei waren markant und maßgeblich für die Arbeit, die dann entstehen sollte. Zum einen war auffällig, wie dicht die Container von den Frächtern gepackt werden, damit sie die Volumina der Container möglichst effizi­ ent respektive ökonomisch nutzten. Zum anderen war der Anblick von Containern, die mit persönlichem Hab und Gut bestückt waren, unerwartet berührend, weckten sie doch Assoziationen mit der europäischen Geschichte, die von Verfolgung, Vertreibung, Enteignung, Flucht, Emigration, Exil geprägt war, und erinnerte daran, wie sehr persönliche Gegenstände persönliche Schicksale widerspiegeln bzw. fließt auch die eigene Biografie ein: Der berufliche Weg führte die Künstlerin von Offenbach über Kassel, Düsseldorf und Los Angeles nach Zürich, Neapel, Rom und Weimar schließlich nach Wien. Jeder Umzug bedeutet, Hab und Gut einzupacken, es zu übersiedeln und einem Neubeginn an einem meist unbe­ kannten Ort entgegenzusehen7. Mobilität wird heute oft gleichberechtigt mit beruflichen Qualifikationen und Leistungsbereitschaft gefordert. Rückwirkend scheint die Thematik des Projekts Hab und Gut (2012) auch wie eine Prophezeiung der Flüchtlingswelle, die 2015 in Europa einsetzte. Bei dieser sollte allerdings das wichtigste und oft einzige Hab und Gut, das die Flüchtenden mit sich führten, ihr Mobiltelefon sein.

INSTITUT FÜR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG, HERBST 2011 Die Recherchen und Versuche, Bildmaterial aus solchen Röntgenkontrollanlagen zu bekommen, nahmen zu, Pläne wurden gefasst und mussten wieder verworfen werden. Über einen Cargo-Mitarbeiter wurden Kontakte nach China hergestellt, die allerdings auch ergebnislos blieben, andere Möglichkeiten wurden abge­ wogen, bis sich plötzlich abzeichnete, wie das Projekt konkrete Gestalt annehmen könnte. Gabriele Rothemann: „Als man uns am 20. Oktober 2011 während eines Rundgangs durch die Werkstätten der Angewandten am Institut für Konservierung und Restaurierung das neue, mit zwei Millimeter Blei ausgekleidete Fotostudio zeigte, wurde es mir plötzlich klar – hier wird geröntgt!“ Unter der Leitung von Gabriela Krist werden seit den 1990er-Jahren mittels Radiografie zerstörungsfreie Analysen als kunsttechnologische Untersuchungsmethode für Gemälde, Skulpturen oder archäologische Funde angewandt. Im Fokus stehen dabei Materialunterschiede bzw. der Aufbau der Malschichten hinsichtlich späterer Überarbeitungen, die Beschaffenheit von textilen Untergründen und Trägern bzw. unter der Fassung liegende Materialstückelungen, verborgene Schäden und nicht zuletzt der Nachweis von Fälschungen. Der „Baltospot“, eine Röntgenröhre mit Beryllium-Fenster, einer gekühlten Anode und einer Spannung von bis zu 110 kV bietet im analogen Verfahren die Möglichkeit, Röntgenbilder auf Film aufzunehmen, die anschließend manuell entwickelt werden. Ausschlaggebend ist die Dichte der Materialien, die sich in Form von hellen (je dichter desto heller) bzw. dunklen Tonwerten am Bild darstellt. Was also war nahliegender, als selbst einen solchen Container zu bauen, ihn mit Gegenständen aus dem eigenen Umfeld zu befüllen und am Institut für

214

Konservierung und Restaurierung Radiografien von ihm anzufertigen?

VORBEREITUNGEN, MODELLBAU UND BESCHAFFUNG DER REQUISITEN, SEPTEMBER 2011 BIS APRIL 2012 Wie genau ein solches Modell eines Containers aussehen konnte, hing von verschiedenen Bedingungen ab: erstens von der Dimension der Röntgenanlage, zweitens von der maximalen Breite der analogen Röntgenfilme8 bzw. drittens von der Notwendigkeit, die Filme plan und horizontal zu entwickeln, und viertens von der Dimension eines ISO-Containers, wie er als „genormter Großraumbehälter“ für die Seefracht im Einsatz ist bzw. von LKWs am Landweg transportiert wird. Die Berechnungen ergaben, dass der Modell-Container 74 cm hoch, 173 cm lang, 50 cm tief sein konnte – und da das Frachtgut proportional zum Container passen sollte, musste alles Hab und Gut um rund ein Drittel verkleinert werden. Nachdem auf dem Röntgenbild auch andere als nur optische Parameter relevant sein würden, stellte sich im nächsten Schritt die Frage: Was wird sichtbar sein? Ornamente und Farben konnte man außer Acht lassen, dafür würden Details sichtbar werden, die um die Herstellung der Objekte kreisen: neben den Umrissen insbesondere die Konstruktion, die Kombination von Materialien, Anschlüsse und Verbindungselemente. Zusätzlich zur Simulation eines mit persönlichen Besitztümern gefüllten Containers und zum Interesse an den formalen Besonderheiten einer Radiografie sollte auch der pragmatische Verwendungszweck solcher Röntgenbilder mit einfließen. Gemeinsam mit zahlrei­ chen anderen in der Industrie etablierten Prüfverfahren zählt die Durchstrahlungsprüfung mittels Röntgenverfahren zu den sogenannten zerstörungsfreien Materialprüfungen – Gussfehler (Risse, Einschlüsse etc.), die Prüfung von Schweißverbindungen9, Schäden in Brückenköpfen oder eben ungesetzlicher Warentransport werden auf diesem Weg entdeckt. Gabriele Rothemann: „Die Besonderheit des Verfahrens, des analogen Röntgenbildes, ist die Tatsache, dass nichts versteckt, nichts vertuscht werden kann, es ist unkorrumpierbar.“ Es gibt keine nachträglichen Änderungen. Was im Moment der Aufnahme vor der Kamera war und von den Röntgenstrahlen erfasst wurde, ist auch auf dem Bild. Das musste allerdings auch die Künstlerin beachten, etwa, dass die Unterkonstruktion, auf der der Container stehen würde, sichtbar wird, sollte er doch wie freige­ stellt auf der Bildfläche schweben. Die Entscheidung fiel auf Styropor, ein Werkstoff, der gerade stabil genug war, die Last eines – wenn auch verkleinerten, so doch vollgepackten – Containers zu tragen und gleich­ zeitig für eine bestimmte Strahlenstärke durchlässig genug war, sodass er auf dem Röntgenfilm unsichtbar bleiben würde. Nun musste das Hab und Gut, mit dem der Container nach und nach befüllt werden sollte (Abb. 3–4), beschafft werden. Bald versammelten sich im Atelier hunderte Küchenutensilien, Glaswaren, eine Nähmaschine, Kleidungsstücke, Möbel, Bücher, Matratzen, Körbe, Vo­gelkäfige, Spielwaren, Werkzeuge, Uhren, Musik­ instrumente, Bilderrahmen, Andenken und vieles mehr, geborgt, gemietet, gekauft oder selbst nachgebaut. Allesamt waren sie im Format gedrosselte, alle in der


Wenn das Auge aufhört zu sehen

215

richtigen Proportion verkleinerte Ausgaben ihrer selbst und in einer Materialvielfalt, die sich gut im Röntgen­ bild ablesen lassen würde. In (ebenso verkleinerte) Kar­tonagen wurden die Requisiten schließlich verpackt und im Container – wie von den Frachtunternehmen gelernt – effizient verstaut.

FILME UND BELICHTUNGSPROBEN, AUFNAHME UND ENTWICKLUNG, 12.–14. APRIL 2012 100 Blatt Agfa Structurix, 10 × 24 cm, beidseitig mit strahlungssensibler Emulsion beschichtet, waren die ersten Filme, auf welchen Gabriele Rothmann Belichtungs­ proben herstellte (Abb. 5–8). Viele Proben waren notwendig, um die für die Bildqualität ausschlaggebenden Parameter aufeinander abzustimmen, also die Strahlungsenergie, Strahlzeit oder die Verdünnung der Entwick­ lerchemie so zu steuern, dass ein optimales Ergebnis erzielt werden konnte: Das projizierte (Schatten-)Bild sollte eine kontrastreiche Zeichnung der versammelten Gegenstände bei gleichzeitiger Unsichtbarkeit der Behelfskonstruktionen auf dem hochauflösenden Röntgenfilm hinterlassen. Gemeinsam mit Georg Oberlechner (Universitätsassistent am Institut für Konservierung und Restaurierung), Detlef Paschen (Röntgenfilmspezialist von Agfa) sowie ihrem Team aus AbsolventInnen und Studierenden der Klasse Fotografie an der Angewandten, Catharina Freuis (Produktion), Peter Hoiss, Pia Mayer, Olivia Jaques, Johanna Folkmann, Florian Raditsch (Filmentwicklung) sowie Bastian Schwind und Konrad Strutz (für die spä­ tere Rahmung), wurde das zuvor in der Metallwerkstatt der Angewandten geschweißte Container-Modell aufgestellt und im Fotolabor der Abteilung Fotografie ein Becken gebaut, das sowohl die 80 Liter Entwicklungschemie fassen als auch die Auflage des Herstellers Agfa erfüllen konnte, dass die Filme nur plan und horizontal entwickelt werden dürfen.

Dann war es so weit und die großformatigen Röntgenfilme, 100 × 1000 cm Agfa D4 BLR Structurix, einer der laut Hersteller Agfa „weltweit am häufigsten eingesetzten Filmtypen für die industrielle Radiografie“, wurden bei Dunkelkammerbeleuchtung hinter dem Container an der Wand platziert. Achtmal wurde der Container gefüllt, entleert, neu befüllt und jeweils radiografiert (Abb. 9). Ein Kurier war zwischen der Bleikammer am Salzgries und der Dunkelkammer der Klasse Fotografie am Oskar-Kokoschka-Platz unterwegs, wo die Filme zeitnah entwickelt und fixiert wurden (Abb. 10), während am Salzgries bereits die nächsten Aufnahmen vorbereitet wurden. So konnten sich die beiden Teams telefonisch austauschen, wenn kleine Anpassungen notwendig schienen.

Abb. 5

Abb. 6

Abb. 7

Abb. 8

Abb. 3 Gabriele Rothemann und Catharina Freuis beim Füllen eines Containers am Institut für Konservierung und Restaurierung im April 2012

Abb. 4 Ein

fertig gefüllter Container

Abb. 5–8 Gabriele

Rothemann. Belichtungsproben für Hab und Gut, Radiografien auf Agfa Structurix, 10 x 24 cm, 2012


Ruth Horak

KAPITEL III

DIE BILDER Anders als für Prüfzwecke, bei welchen die Röntgenfilme von qualifiziertem Personal auf ihre „Bildgüte“ hin beurteilt und „ausgewertet“ werden, um Fehlerarten und -größen, Qualitätsmängel zu bestimmen10, sind Gabriele Rothemanns Bilder frei für die Schönheit der klaren und an Formen reichhaltigen Zeichnung, die so erstaunliche Gegenstandsdimensionen freilegt. Die artifizielle Anmutung der von hinten beleuchteten, transparenten Radiografien kommt von ihrer an Negative erinnernden Umkehrung der Helligkeitswerte. Dieser Eindruck entsteht durch den überwiegenden und durchgehenden schwarzen Bildgrund, vor dem sich die dichtesten Materialien, die wenig bis gar keine Strahlen durchließen, als weiße Körper abheben. Mit abnehmender Dichte der Materialien (und zunehmender Durchlässigkeit für die Strahlung) nehmen sie verschiedene Grauwerte an: Porzellan- und Glaswaren, Töpfe, Kleiderbügel, die Spiralfedern einer Federkernmatratze und immer wieder schweben Nägel, U-Haken, Schrauben oder Knöpfe, oft – als wären sie von ihrer Funktion enthoben – frei im Raum. Unterschiedlich transparente Materialien überschneiden und durch­ dringen einander, homogene Flächen und Gittergewebe, (noch) vertraute Gegenstände wie ein Röhrenbild­ schirm oder schon abstrakte Liniengeflechte. Davor und Dahinter sind weitgehend aufgehoben. Die acht Container zeigen acht verschiedene Haushalte, die stellvertretend für verschiedene EigentümerInnen und ihre möglichen Wirkungsfelder stehen können: Pferdeköpfe aus Gips, Reagenzgläser, Objektträger oder Pilzmodelle (aus der Sammlung Simon Weber-Unger), viele in Kisten gestapelte Bücher, eine Gliederpuppe aus dem Aktzeichensaal. Dazwischen tummeln sich immer wieder Alltagsgegenstände, die zum Teil autobiografisch sind, wenn sie aus der eigenen Sammlung stammen.

Abb. 9 Blick in die Bleikammer am Institut für Konservierung und Restaurierung, Salzgries. Im Vordergrund die Röntgenröhre „Baltospot“, April 2012

Abb. 10 Pia Mayer, Georg Oberlechner und Gabriele Rothemann bei der Kontrolle eines fertig entwickelten Röntgenfilms in der Klasse Fotografie, Oskar-Kokoschka-Platz, April 2012

216

Überlebensnotwendige Gegenstände wie Schränke, Tische, Betten, Tisch und Stühle, Nähutensilien, Matratze und Ähnliches sind als deutlicher Verweis auf die europäische Geschichte von Vertreibung, Emigration und Exil gedacht. Aber auch etwa die Freiheitsstatue, die als Nippes-Figur gleich zweimal vorkommt: Als Symbol der Freiheit empfing sie die Einwanderer, die den beschwerlichen Seeweg gekommen waren und deren erster Stopp auf amerikanischem Boden das benachbarte Ellis Island war. Zwischen 1892 und 1954 wurden rund 12 Millionen Immigranten untersucht, registriert, kontrolliert, zugelassen oder abgewiesen. Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Bewegung – sei es im Sinne unserer heutigen globalisierten Gesellschaft, in welcher Mobilität und Flexibilität zu vielen Jobprofilen gehören, oder eine existentielle Flucht aus lebensbedrohlichen Umständen. Die Absenz von Heimat und Familie generiert Lebensge­ fühle wie Isolation und Verletzlichkeit, die – wenn auch in unterschiedlicher Schwere – hier wie da eine tra­ gende Rolle spielen. An einem Detail wird die der Fotografie oft attestierte „Einäugigkeit“ deutlich: die Standfläche des Containers (am unteren Bildrand als schmales Band sichtbar) ist durch senkrechte Profile verstärkt, zwischen welchen 20 schmale, in die Tiefe führende Kammern entstehen – ein beliebter Platz, um Rauschgift zu verstecken. In der zentralperspektivischen Aufnahme der einäugigen Kamera verändert sich je nach Einfallswinkel der reflektierten Strahlung deren Profilstärke – die frontal aufgenommenen in der Mitte entsprechen den tatsächlichen Maßen der Metallprofile, während deren Wandstärke mit zunehmend schrägem Blickpunkt zuzunehmen scheint. Die Wirkung der fertigen Bilder ist mit großen Bildschirmen zu vergleichen: Die zwischen zwei Glasscheiben gerahmten Radiografien müssen hinterleuch­­ tet werden, was Andra Spallart mit großem Engagement für die erstmalige Ausstellung der Arbeiten 2012 im FOTORAUM in Wien ermöglicht hat (Abb. 11). Sie ließ da­ für eine zweite, 26 m lange Wand parallel zur Architek­tur errichten und die Serie von fünf Radiografien dort einpassen (Abb. 12). Diese Präsentation betonte zweierlei: die kontrastreiche Zeichnung, aber auch die spürbare Leichtigkeit und schwebende Wirkung der Objekte in ihren feinen Grauabstufungen. Als BetrachterInnen lassen wir den Blick zwischen den Objekten springen und versuchen zu dechiffrieren, was entblößt, ohne schützende Hülle vor uns liegt. Es sind „Dinge, die vom unbewaffneten Auge nicht entdeckt werden können“. Auch Joel Snyder nimmt „Mareys Rhetorik des Eindringens und Enthüllens“11 zum Anlass, dessen Forschungsfeld auf Aspekte des Ver­ messens zu untersuchen, die ohne die Hilfe von Präzisionsinstrumenten fürs menschliche Auge nicht sicht­ bar wären. Dasselbe gilt für grafische Aufzeichnungen und Diagramme von sämtlichen anderen Arten von Messungen, die (den menschlichen Wahrnehmungs­ horizont über- oder unterschritten) unüberschaubar waren oder im Verborgenen lagen. All diese Instru­ mente ermöglichen dem Menschen, sich über bildgebende Verfahren Bereiche zu erschließen, die bis dahin jenseits seines Fassungsvermögens lagen, kurz: sich „Zugang zu einer unbekannten Welt zu verschaffen“12.


Wenn das Auge aufhört zu sehen

217

und der österreichischen Fotosammlung des Bundes. In der Lehre verknüpft sie Foto- und Bildtheorien mit konzeptuellen künstlerischen Ansätzen. Gabriele Rothemann studierte Fotografie an der Kunsthochschule Kassel und setzte ihr Kunststudium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Fritz Schwegler fort, 1987 wurde ihr der Meisterschüler-Titel verliehen. Sie erhielt verschiedene Preise und Stipendien, darunter ein DAAD-Studienjahr bei John Baldessari und Michael Asher am California Institute of the Arts in Los Angeles (1988/89) und ein Jahr an der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom (1996/97). Ihre Fotografien und Zeichnungen assoziieren zum Teil ein Bildarchiv, das Gabriele Rothemann seit 1984 aus inhaltlich und formal prägnanten Presse- und Magazinbildern zusammenträgt, und sind jeweils verdichtete Versionen bzw. Transformationen dieser Bilder des kollektiven Gedächtnisses. Nach ihrer Lehrtätigkeit an der Zürcher Hochschule der Künste und an der Bauhaus-Universität Weimar wurde sie 2001 an die Uni­ versität für angewandte Kunst Wien berufen und grün­ dete die Klasse Fotografie im Bereich Bildende Kunst.

Abb. 11 Blick in die Ausstellung Hab und Gut, FOTORAUM Wien/Andra Spallart, 2012

1

Talbot, H. F., The Pencil of Nature, Reading 1840 2 Brecht, B., Strophe aus Die Moritat von Mackie Messer, in: Die Dreigroschenoper, 1928 3 Wikipedia, Röntgenopazität, in: https://de.wikipedia.org/wiki/ Röntgenopazität, Zugriff am 29.9.2020 4 Feininger, A., Große Fotolehre, München 2014, S. 244 5 Truscheit, K., Im Gurkeneimer über die Grenze – Schmuggelzigaretten auf verschlungenen Pfaden, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Januar 2003, S. 7 6 Siehe: Lotz, C. P., Strahlenexposition durch Neutronen bei der Containerdurchleuchtungsanlage in Hamburg und bei Röntgenkontrollen an Grenzen, Dissertation, Universität Hamburg 2002, https://ediss.sub.uni-hamburg.de/ volltexte/2004/2036/pdf/Dissertation.pdf 7 Schörghofer, G., o. T., in: Gabriele Rothemann, Hab und Gut, Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung in Andra Spallarts FOTORAUM, 30. Juni bis 7. September 2012, o. S. 8 Handelsübliche Filme, die für die industrielle Radiografie hergestellt werden, sind den Anforderungen der jeweiligen Anwendungsgebiete angepasst und in einer maximalen Rollenbreite von knapp 100 cm erhältlich. 9 Schiebold, K., Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung – Durchstrahlungsprüfung, Berlin 2015 10 Gesellschaft für Radiographie, Normen und Regelwerke – Filmauswertung, in: www.gfrhattingen.de/de/technologie-normen/normen-und-regelwerke-filmauswertung, Zugriff am 20.05.2020 11 Snyder, J., Sichtbarmachung und Sichtbarkeit, in: Geimer, P. (Hrsg.), Ordnungen der Sicht­ barkeit – Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, Frankfurt 2002, S. 142–167, S. 150 12 Snyder, J., Sichtbarmachung und Sichtbarkeit, in: Geimer, P. (Hrsg.), Ordnungen der Sichtbarkeit – Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, Frankfurt 2002, S. 142–167, S. 145

Abb. 12 Blick hinter die 26 m lange Wand, die im Ausstellungsraum errichtet wurde, um die Radiografien von hinten zu beleuchten

Weiterführende Literatur Geimer, P. (Hrsg.), Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, Frankfurt am Main 2002 Müller, C., (Hrsg.), CrossOver. Fotografie der Wissenschaft + Wissenschaft der Fotografie, Leipzig 2013 Schiebold, K., Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung – Durchstrahlungsprüfung, Berlin Heidelberg 2015

Ruth Horak studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien und ist freie Kuratorin, Autorin und Lehrbeauftragte mit den Schwerpunkten konzeptuelle Fotografie, Medienreflexivität und Bildtheorie. Sie ist (Mit-) Herausgeberin von Readern zur Fotografie wie Image: /images und Rethinking Photography und veröffentlichte zahlreiche Texte über GegenwartskünstlerInnen sowie Essays über Fotografie- und Medientheorie in Ausstellungskatalogen und Magazinen. Ausstellungen realisierte sie etwa für den Fotohof, Camera Austria, den Kunstraum NÖ, die Baumwollspinnerei Leipzig, Krinzinger Projekte und AIL, unter anderem in Kooperation mit Kunstuniversitäten


Ruth Horak

Abb. 13 Gabriele

KAPITEL III

Rothemann, Hab und Gut, 2012. Radiografie auf Röntgenfilm, 98,7 x 212,5 cm

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Wenn das Auge aufhört zu sehen


KAPITEL III

TULIPS FROM HONG KONG

Paola Dindo

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Abb. 1 Tulips, pigments

Tulips from Hong Kong

on canvas, March 2020, lockdown Hong Kong by Paola Dindo


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