De'ignis Magazin Nr. 36

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Nr. 36 Dezember 2008

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DE´IGNIS im Internet: www.deignis.de

editorial von Claus J. Hartmann .....................................................................Seite 3

Impressum Redaktion: Rainer Oberbillig, Winfried Hahn, Claus J. Hartmann, Dr. med Rolf Senst

zum thema Die gesellschaftliche Dimension depressiver Erkrankungen von Oliver Hoischen .......................................................................................Seite 4 Blues-Stimmungen oder Depressiv erkrankt? Beschreibung eines Krankheitsbildes von Dipl.-Psychologe Rainer Oberbillig .....................................................Seite 8 Depression – Endstation oder wertvolle Erfahrung? von Dagmar Göhring .............................................................................Seite 15 Behandlungsqualität in der DE´IGNIS-Klinik aus unabhängiger wissenschaftlicher Sicht von Dr. med. Rolf Senst ....................................................................Seite 27 In guten wie in schlechten Tagen? Über die emotionale Situation von Angehörigen Depressiver von Simone Marquardt .................................................................Seite 32

Grafik, Layout, Satz, Repro: ART DESIGN Dipl.-Ing. Rainer Haas Mönchhaldenstr. 129 · 70191 Stuttgart Tel. 07 11/48 23 31 · Fax 07 11/48 23 61 Druck: Offizin Chr. Scheufele Druck und Medien Tränkestraße 17, 70597 Stuttgart Herausgeber: DE‘IGNIS-Fachklinik gem. GmbH auf christlicher Basis für • Psychiatrie • Psychotherapie • Psychosomatik Walddorfer Straße 23 72227 Egenhausen Telefon: 0 74 53/93 91- 0 Telefax: 0 74 53/93 91- 93 E-Mail: info@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG Konto 62 168 002 · BLZ 642 61 853

DE‘IGNIS-Wohnheim gem. GmbH – Haus TABOR zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: 0 75 75/9 25 07-0 Telefax: 0 75 75/9 25 07-30 E-Mail: de-ignis-wwv@t-online.de Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch Konto 105 338 · BLZ 690 516 20

zur diskussion Leser schreiben – DE’IGNIS Autoren antworten Leserreaktionen zum Artikel von Winfried Hahn in der Idea Spektrum 35/2008 von Winfried Hahn .................................................................Seite 29

DE‘IGNIS-Institut gem. GmbH für Psychotherapie und christlichen Glauben Markgrafenweg 17 72213 Altensteig Telefon: 0 74 53/94 94-0 Telefax: 0 74 53/94 94-396 E-Mail: institut@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG Konto 66 624 002 · BLZ 642 618 53

therapiegrundlagen Wege aus der Depression von Dr. med. Samuel Pfeifer ..........................................Seite 36

aktuell Informationen, Neues und Termine rund um DE´IGNIS Fachklinik News ....................................................ab Seite 17 Institut News ....................................................... ab Seite 20 Wohnheim - Haus TABOR News ........................ ab Seite 21 Christliche Stiftung Polen News ............................Seite 24

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Christliche Stiftung DE‘IGNIS Polen Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: 0 75 75/9 25 07- 0 Telefax: 0 75 75/9 25 07- 30 E-Mail: de-ignis-wwv@t-online.de Sparkasse Pforzheim Konto 7 260 512 · BLZ 666 500 85 Alle DE‘IGNIS-Einrichtungen sind gemeinnützig und arbeiten überkonfessionell. Spendenbescheinigungen werden auf Wunsch gerne ausgestellt. Bildnachweis Titelbild und Seite 15: kinomaniac/photocase.com fotolia.com: Seite 10, 26, 31, 32, 33 istockphoto.com: Seite 4, 6, 30, 34, 35, 37, 38 photocase.de: Seite 5, 7, 8, 11, 16, 25, 36


editorial

extern überprüft, ob das Angebot den tatsächlichen Anforderungen entspricht und das Ergebnis der Behandlung nachhaltig gut ist. Bei der letzten QS-Reha-Auswertung 2007/2008 haben wir im Vergleich zu den Referenzkliniken hervorragend abgeschlossen. Näheres dazu können Sie in dieser Ausgabe nachlesen.

Liebe Leserinnen und Leser!

Was ist der Mittelpunkt in unserem Alltag? An welchen Platz gehen wir, um zu spüren, was es heißt zu leben? • Ist es der Marktplatz der Sensation oder der stille Winkel, in den wir uns zurückziehen? • •

Unter der Rubrik DE`IGNIS-Aktuell informieren wir Sie über die ständigen Verbesserungen, Erneuerungen und Erweiterungen unserer Arbeit.

Ein Magazin tituliert:

„Die Sehnsucht der Menschen nach Heimat und Schutz ist stark wie noch nie“. Angesichts der globalen Entwicklungen, sei es auf dem Finanzmarkt oder die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Menschen sind so unsicher geworden wie noch nie. Der Egoismus in seinen ganzen Fassetten nimmt zu, Ängste und Depressionen sind die Folge. Die Frage nach dem Sinn des Lebens wird immer häufiger gestellt. Welche Antworten geben wir darauf? So sehen wir uns von DE`IGNIS auch herausgefordert, uns den Fragen zu stellen: Wieso häufen sich ganz bestimmte Krankheitsbilder? Wie entstehen sie und wie kann man sie behandeln oder geht man damit um? Als wir vor 22 Jahren mit unserer Arbeit begonnen haben, war uns eines ganz besonders wichtig: Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen zu helfen, sie zu begleiten, ihnen Wege aus der Krise aufzuzeigen. Dabei spielt hohe fachliche Kompetenz eine wichtige Rolle. Unser Spezifikum dabei ist,

dass wir auf der Grundlage der Bibel arbeiten, auf die Kraft des Heiligen Geistes vertrauen und wissenschaftlich anerkannte Therapieverfahren einsetzen.

Claus J. Hartmann meinschaft mit steigenden Ausgaben einhergeht. In unserer Tageszeitung war dieser Tage folgendes zu lesen: Jeder zehnte Jugendliche wird depressiv. Neben belastenden Ereignissen wie etwa Trennung der Eltern etc. können auch bestimmte Erziehungsmuster dabei eine Rolle spielen, wie der Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte berichtet. Wir möchten uns in dieser Ausgabe mit dem Krankheitsbild der Depression beschäftigen, wozu erfahrene und kompetente Persönlichkeiten sich äußern werden. Wir von DE`IGNIS haben uns, wie bereits erwähnt, spezialisiert, um psychisch und psychosomatisch erkrankten Menschen unabhängig von ihrer religiösen Orientierung zu helfen. Um sich zu spezialisieren braucht es viele Ebenen: Die eine Ebene ist die der Mitarbeiter, deren Qualifikation, Fort- und Weiterbildung für uns eine hohe Priorität hat. Dazu gehört auch, dass das ganze Team sich den christlichen Grundwerten gegenüber verpflichtet.

Dabei ist besonders zu erwähnen, dass unsere Fachklinik in Altensteig in sämtlichen Bereichen erheblich ausgebaut wird. Es entstehen zusätzliche Einzelzimmer, neue Räumlichkeiten für Prävention, weitere Funktionsräume, erweiterte Physiotherapie und ein neuer großzügiger Wellness Bereich. Auch ein neuer Eingangsbereich wird entstehen. Die ganzen Maßnahmen möchten wir bis Juni 2009 abgeschlossen haben und dann am 19.06.2009 ein Fest anläßlich „20 Jahre DE`IGNISFachklinik“ veranstalten. Weitere Informationen, Neues und Termine rund um DE´IGNIS lesen Sie im Aktuell-Teil. Bei diesen Entwicklungen geht es uns immer darum, den Menschen, die zu uns kommen und Hilfe brauchen, mit Verständnis und Liebe zu begegnen und ihnen eine auf sie abgestellte effektive und nachhaltige Behandlung in einer wohltuenden und ruhigen Atmosphäre anzubieten. Wir wünschen uns, dass Sie in unseren Einrichtungen wieder ganz neu spüren dürfen, was es heißt zu leben.

editorial

Natürlich sind wir dabei den gängigen wissenschaftlichen Standards und der Qualitätssicherung verpflichtet. Jüngst hieß es in einer Fachzeitschrift: Die Zahl der depressiv erkrankten Menschen steigt extrem und mutiert zur Volkskrankheit auf Platz zwei, was für die Solidarge-

Eine weitere Ebene ist die Erfahrung, die wir in 20 Jahren Praxis erlangen konnten.

Auch die Räumlichkeiten und der Service der Einrichtungen bilden eine wichtige Ebene. Sie müssen immer wieder modernisiert und weitergebaut werden.

Dies mündet natürlich dann auch in eine Evaluation. Es wird intern und

Das ganze geschieht in der Abhängigkeit von Gott. Wenn Sie uns darin gerne unterstützen möchten, dann beten Sie für uns. So wünschen wir Ihnen mit dieser Ausgabe viel Freude beim Durchlesen und dass Sie hilfreiche Anregungen für ihr Leben und einen Einblick in unsere Arbeit bekommen.

Die Herausgeber:

Claus J. Hartmann Winfried Hahn

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zum thema

Die gesellschaftliche Dimension depressiver Erkrankungen

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31. August 2008 Holger Reiners war es so, als habe er sich das Gemüt verrenkt, und zwar gewaltig. Depression? Das hieß auch bei ihm, zu nichts Lust zu haben, sich über nichts freuen zu können, vor allem nicht über das Leben. Mit keinem Buch, keinem Geschenk, keinem Kinobesuch war er zu bestechen, mit niemandem wollte er zusammen sein. Sog der Wunschlosigkeit, nennt das Holger Reiners. Eine diffuseTraurigkeit überkam ihn, eine fürchterliche Starre, die über Jahre blieb und die wie ein alter Bekannter manchmal um die Ecke schaut. Dazu die Sprüche: Reiß dich zusammen! Mäh wenigstens den Rasen! Doch man kommt nicht aus seinem Bett, nicht jetzt, nicht heute und warum überhaupt. Die Scham macht es noch schlimmer – keiner soll es merken. Das Leid ist groß. 121 Millionen Menschen seien weltweit erkrankt, schätzt die Weltgesundheitsorganisation – und spricht von einer „gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zeitbombe“. Allein in Deutschland sollen es vier

Millionen sein, die akut unter einer behandlungsbedürftigen Depression leiden. Tendenz steigend. Jedenfalls legen das die Zahlen nahe, die die Krankenkassen liefern. Seit Jahren schon nehmen die Fehlzeiten bei den psychischen Erkrankungen zu – während sie bei anderen Krankheiten abnehmen. So stieg etwa bei der DAK die Anzahl von Krankheitstagen aufgrund depressiver Störungen zwischen 2000 und 2004 um 42 Prozent.

und 32,1 Prozent der Frauen mindestens einmal gestellt worden. Etwa ein Drittel davon waren Depressionen.

Zum Thema Psychopharmakologie: Die Suche nach neuen Antidepressiva Psychologische Hilfe im Unternehmen: Stress macht immer mehr Menschen seelisch krank Jede dritte Frau leidet unter psychischen Störungen

Immer mehr werden wegen Depressionen frühpensioniert Die Techniker Krankenkasse klagt, dass von den elf Tagen, die jede bei ihr versicherte Erwerbsperson im vergangenen Jahr krankgeschrieben war, 1,4 Tage unter die Rubrik psychische Störungen fielen, also mehr als zehn Prozent. Wobei längst nicht jeder wegen der Krankheit auch zu Hause bleibt: Denn die Diagnose einer psychischen Störung war im Jahr 2006 sogar bei 15 Prozent der Männer

Wenn das Studium blanker Horror wird Und so geht es weiter: Wurden 1993 nur 41.409 Personen mit der Diagnose „psychische Erkrankungen“ frühpensioniert, so waren es 2007 schon 53.888. Bei der Deutschen Rentenversicherung ist zu erfahren, dass 28,7 Prozent der Männer, die im vergangenen Jahr wegen verminderter Erwerbsfähigkeit frühverrentet wurden, psychisch erkrankt, also vor allem depressiv waren. Bei den Frauen lag der Anteil gar bei 39,7 Prozent.

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Die Krankheit kann jeden treffen Die Zahlen sind also eindeutig, der Grund für den Anstieg aber keineswegs. Natürlich liegt die Frage nahe: Macht unsere moderne Gesellschaft krank? Ulrich Hegerl, Psychiater an der Universität Leipzig und Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, stellt das in Frage: „Depression ist keine Zivilisationskrankheit. Sie kann jeden treffen. Sie hat viele Gesichter, und sie ist behandelbar.“ Hegerl und seine Kollegen heißen die Entwicklung gut, schließlich sei sie Beleg dafür, dass die Krankheit besser als früher diagnostiziert werde. Kurz gesagt: Wem der Arzt früherTabletten gegen Bauchschmerzen verschrieb, ohne dass die geholfen hätten, wem der Magen immer wieder gespiegelt und der Rücken geröntgt wurde, der habe heute größere Chancen, richtig behandelt und so auch gesund zu werden. „Man traut sich eher“, sagt Hegerl. Inzwischen gibt es Vorbilder: Etwa den Fußballspieler Sebastian Deisler, der keine Scheu hatte, seine Depression öffentlich zu machen. Durch die korrekte Diagnose würden auch Kosten gespart, argumentiert Hegerl – für die oft jahrelange falsche

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Behandlung. Denn den meisten Depressionen lässt sich heute mit Medikamenten und Psychotherapie beikommen. Rund der Hälfte der Erkrankten geht es mit Antidepressiva innerhalb von sechs Wochen wieder besser, achtzig Prozent spätestens nach dem zweiten Therapieversuch. Hegerl legt Wert auf die Feststellung, dass Antidepressiva wirklich helfen. Und dass sie nicht abhängig machen – anders als Beruhigungsmittel. Als im Frühjahr eine Studie bekannt wurde, nach der Antidepressiva nur einen Placebo-Effekt haben, und die Leute das Medikament daraufhin absetzten, sei in Amerika die Selbstmordrate bei jüngeren Patienten sofort gestiegen, berichtet Hegerl. Dabei war die Aufklärung der vergangenen Jahre sehr erfolgreich: Die Suizid-Quote ging deutlich zurück. In Deutschland nehmen sich allerdings noch immer fast 10.000 Menschen jährlich das Leben – die Mehrheit davon aufgrund einer Depression, die nicht richtig diagnostiziert oder nicht richtig behandelt wurde.

Frauen bekommen häufiger Antidepressiva als Männer Die Pharmaindustrie freut sich: Im Jahr 2000 soll mit Antidepressiva auf der ganzen Welt ein Umsatz von 13,1 Milliarden Dollar gemacht worden sein, bis 2010 könnten es schon 26 Milliarden Dollar werden. In Amerika gab es eine Zeit, da wurde das Medikament Prozac sogar zur Lifestyledroge – viele Leute nahmen es dort als Stimmungsaufheller oder um sich leistungsfähiger zu machen, obwohl sie gar nicht an einer Depression litten. Dabei ist die Regel: Wenn jemand vierzehn Tage lang grundlos ohne Antrieb und schlechter Stimmung

ist, stimmt irgendetwas nicht. Hegerl und seine Kollegen haben dafür einen Selbsttest entwickelt (http://www. kompetenznetz-depression.de). Ein bisschen Depression, eine depressive Verstimmung, ist aber normal. Etwa nach dem Tod eines geliebten Menschen oder nach dem Verlust des Arbeitsplatzes. Auch in Deutschland werden immer mehr Antidepressiva verschrieben. „Statistisch gesehen bekam jeder Beschäftigte im vergangenen Jahr Antidepressiva für eine Woche verordnet“, heißt es bei derTechniker. Auf der Liste der am häufigsten verschriebenen Präparate stünden Antidepressiva an achter Stelle. Ein großes Gefälle gibt es nicht nur zwischen den Geschlechtern: Frauen bekommen häufiger Antidepressiva als Männer. Sondern auch zwischen den Regionen: In den westlichen Bundesländern wird mehr von dem Medikament geschluckt als in den östlichen. Auch fehlen die Menschen dort nicht so häufig wegen Depressionen auf der Arbeit, überhaupt wird die Krankheit im Osten seltener diagnostiziert. Erstaunlich sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land: „Obwohl in den Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen die Fehlzeiten wegen Depressionen erfahrungsgemäß sehr hoch sind, fallen die Antidepressiva-Verordnungen im Verhältnis dazu eher gering aus.“ Ein Grund könnte sein, dass es in den Ballungsräumen mehr Therapieangebote gibt und daher weniger medikamentös behandelt wird.

Stress erhöht das Risiko Wer sich mit Depressionen beschäftigt, kann viel über Deutschland lernen. Auch wenn die Krankheit noch


immer ein Rätsel ist. Holger Reiners hat sie ausführlich studiert, in all ihrer Komplexität, und ein Buch darüber geschrieben. Noch gut kann er sich an den Tag erinnern, als das Leiden begann, als ihn ein Lehrer in der Schule fertigmachte und sein Selbstwertgefühl zerbrach. Das heißt: Bei ihm gab es einen Auslöser, ein Life-Event, wie die Depressionsforscher das nennen. Mehr noch: Holger Reiners meint, für seine Krankheit durchaus auch etwas gekonnt zu haben. Zu lange habe er an einer Lebensillusion festgehalten, falschen Wunschbildern hinterhergejagt, nicht genug auf seine innere Stimme gehört – Betriebswirtschaft studiert zum Beispiel, anstatt seinen künstlerischen Neigungen nachzugehen. Die Wissenschaftler geraten da ins Schleudern. Sie sind erst dabei, die Krankheit zu ergründen: Psychiater, Psychologen, Neurobiologen, Biochemiker und Molekulargenetiker. Die Depression sei ein „riesiges, rätselhaftes Geschöpf“, das von Vertretern verschiedener Disziplinen mit verbundenen Augen betastet werde, sagt einer. Wer bekommt eine Depression? Und wer nicht? Ist sie wirklich nur körperlich bedingt? Schon der griechische Arzt Hippokrates kannte die Melancholie – was ja nichts anderes bedeutet als „schwarze Galle“. Läuft die einem nicht manchmal über? Jürgen Fritze von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde will dementsprechend herausgefunden haben „Stress erhöht das Risiko, an einer Depression zu erkranken.“ Fritze berichtet von Forschungsergebnissen, nach denen es bei eineiigen Zwillingen eine Konkordanz von siebzig Prozent gab: Wenn der eine eine Depression hatte, dann hatte sie auch

der andere. Bei denen lag es wohl in den Genen. Bei dreißig Prozent aber war nur der eine krank, der andere aber gesund. Hatten diese beiden vielleicht unterschiedlich viel Stress? Oder einfach eine andere Einstellung zum Leben?

Bei jedem Mensch ist die Erkrankungsbereitschaft anders Fritze weiß auch von Versuchen, bei denen zwei Ratten Stromstöße bekommen haben - von denen dann aber nur eine depressiv wurde; nämlich diejenige, die den Rhythmus der Stöße nicht selbst bestimmen konnte. Das ist dieTheorie von der „erlernten Hilflosigkeit“. Auf den Menschen übertragen bedeutete das, dass derjenige eher krank wird, der sein Leben nicht selbst gestaltet, der ohnmächtig ist – und die Zahl derer, auf die das zutrifft, so sagt der Professor vorsichtig, habe in den vergangenen hundert Jahren offenbar ständig zugenommen. „Unsere Gesellschaft wird immer arbeitsteiliger. Manche fühlen sich nur als kleines Schräubchen“, meint Fritze. Den modernen Stress definiert er als den „Stress, sein eigenes Leben nicht steuern zu können“. Der sei

losgegangen, als die Menschen ihre dörfliche Scholle verließen und das Fließband erfunden wurde. Also doch: Krebs der Seele? Das wäre wohl nur die halbe Wahrheit. Beides scheint zu gelten: Psychologische und biologischeTheorien gehören zusammen. Bei jedem ist die „Erkrankungsbereitschaft“ anders, entscheidend ist die „psycho-biologische Disposition“ eines Menschen. So gibt es Leute, bei denen Depressionen häufig in der Familie vorkommen und die trotz belastender Lebensereignisse nicht depressiv werden. Aber das muss man erst mal wissen.

Die Veröffentlichung erfolgte mit freundlicher Genehmigung von:

F.A.Z. Electronic Media GmbH, Frankfurt am Main. Von Oliver Hoischen.

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zum thema

Blues-Stimmungen oder Depressiv erkrankt? Beschreibung eines Krankheitsbildes VON DIPL.-PSYCH. RAINER OBERBILLIG

Das Kreuz mit den negativen Gefühlen & Stimmungen „Hallo, wie läuft‘s? Alles klar?“ – „Oh je, fragt bloß nicht… Ich hab’ mal wieder meine Depressionen!“ Der kleine Dialog zeigt uns einen verbreiteten Gebrauch des Begriffs Depressionen in der Alltagssprache. In diesem Zusammenhang der Frage nach dem Befinden meint Depressionen sicher nicht die Volkskrankheit Nr. 1 (zumindest unter den seelischen Erkrankungen). Eher muss hier bei diesem Beispiel gedacht werden an eine typische morgendliche Verstim-

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mung oder eine durchaus ein paar Tage anhaltende „dysphorische“ (niedergedrückte) Stimmung. Eine bessere Beschreibung des gefühlsmäßigen Befindens in unserem Beispiel könnte so aussehen in der Umgangssprache: „Ich habe gerade mal wieder einen Blues, bin grad mies drauf usw.…“ Wenn wir den Begriff „Stimmung“ näher betrachten, fällt uns vielleicht auf, dass das Wort Stimme darin enthalten ist. Mit einer von mir beschriebenen Stimmung sage ich, dass meine Stimme z. B. „bedrückt/ gedrückt“ klingt, eventuell auch meine Körpersprache/nonverbale Stimme meines Körpers die gefühlsmäßige Last, die ich auf mir liegend empfinde, schon ausdrückt. Nicht um-

sonst sprechen wir auch von Schwermut oder Schwermütigkeit, dann allerdings im Zusammenhang mit der Grundstimmung einer Person, der emotionalen Farbe /Färbung ihrer Persönlichkeit, ihrer Sicht der Welt. Dies wäre dann eine überdauernde Gerichtetheit/Ausrichtung zum Leben, eine melancholische Einstellung zum Leben, zu sich selbst, zu anderen, zu Gott. Damit sehen wir auch schon den ganzheitlichen Charakter einer Stimmung: Sie wird schon körperlich sichtbar, erscheint in der Stimme und findet die entsprechenden Worte, beeinflusst die Beziehung zu anderen mit z. B. Griesgrämigkeit: „Du nervst!“ – kann als Echo zurückkommen. Es


handelt sich dabei auch um eine für einen gewissen Zeitraum andauernde emotionale (Gefühle), kognitive (gedankliche) und verhaltensmäßige (Körperausdruck, Sprache, Benehmen) Gestimmtheit. In der Zeit des Heranwachsens zwischen 12 und 18/20 können solche Stimmungen auch ständig wechseln. Dies hängt mit Hormonen zusammen, die unser Gefühlsleben steuern und in der Zeit der biologischen Reifung oft starken Schwankungen unterworfen sind: Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt also. In letzterer Beschreibung finden wir schon einen Hinweis auf eine Eigenart von Depressionen: Eine abnorme/ ungewohnte Traurigkeit, die sich von dem unterscheidet, worüber ich manchmal echt betrübt bin, für eine begrenzte Zeit eben und in begrenztem Ausmaß. Auch an die Stimmung eines Musikinstrumentes kann gedacht werden.

Die vorübergehende traurige Stimmung kann am Besten mit Moll -Tönen verglichen werden, die zudem noch eine gewisse Disharmonie in der Gefühlsmusik rüberbringen.

tion bezieht es sich, kann man es also erklären? Ist es unabhängig von der Situation und also schwerer zu erklären und nicht so genau beschreibbar: Dann handelt es sich eher um eine (vorübergehende?) Stimmung?

Von der Stimmung muß die emotionale Verstimmung/negative Gefühlsmäßige Befindlichkeit unterschieden werden, die wesentlich kurzfristiger anhält und sich eher auf konkrete Situationen bezieht. Manchmal ist es gar nicht so einfach, zu unterscheiden, ob ich jetzt eher frustriert/lustlos/ gelangweilt/angefressen/einsam/bedrückt/ traurig/unausgeschlafen oder sonst was bin oder ob ich eine depressive Verstimmung habe oder in einer tagelangen depressiven Grundstimmung bin, die ich mir selbst nicht so richtig erklären kann. (siehe Abbildung „Der Gefühlsstern“)

Die schon erwähnten Hormonschwankungen in der Wachstumsphase oder Jugendlichenentwicklungsphase führen zu einem auf und ab in der Gefühlswelt, die der geplagte Jugendliche oder junge Erwachsene meist selbst nicht versteht. Die extremen Schwankungen werden von der Umgebung als Launen wahrgenommen, die unberechtigt sind und die anderen nur „nerven“. Frustrationen können schwer verkraftet werden, übertrieben aggressive Reaktionen wie „du nervst! Ich hasse dich!“– lautstark heraus gebrüllt – wechseln mit Selbsthass, Selbstmitleid und „depriGefühlen“. Letzteres kann auch ein Synonym – gleich lautende Beschreibung – von „Niemand versteht mich“/ „keiner akzeptiert mich“sein.

Hier haben wir ein weiteres Unterscheidungskriterium: Welchen Namen hat mein Gefühl? Auf welche Situa-

Angst

Ärger Wut/Haß

Panik Angst

Ärger Schiß Bammel

Genervtheit

Besorgnis Liebe

Zuneigung

Sympathie

Zuneigung

Gleichgültigkeit

Scham Niedergeschlagenheit Minderwertigkeit Verzweiflung

Deprimiertheit

Unzufriedenheit Freude

Glück

Manie

Freude

Zufriedenheit Bedauern Enttäuschung Mitleid Kummer

Trauer Abb.: Der Gefühlsstern

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Oder ist das meine Grundstimmung: Bin ich grundsätzlich eher melancholisch, pessimistisch, vorsichtiger, grüblerischer….bedrückter….nehme Dinge schwerer als andere??? Noch auf ein letztes soll eingegangen werden, bevor wir uns der ernsten und erst recht ernst zu nehmenden Krankheit Depression zuwenden: dies betrifft die Gefühlsschwankungen im Verlauf eines Tages oder in Abhängigkeit von der Jahreszeit. Unser Leistungsvermögen unterliegt einem Tagesrhythmus/sog. Biorhythmus, der mit unserem gesamten Stoffwechsel zusammenhängt. Bei den meisten Menschen steigt die Tagesleistungskurve bis zu einem „hoch“ zwischen 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr morgens an. Man kann dann das berüchtigte „Mittagstief“ zwischen 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr beobachten, wobei dann wieder ein Leistungshoch bis ca. 20:00 Uhr zu erwarten ist. Bei jungen Erwachsenen kann sich diese Kurve allerdings beträchtlich in die Abendstunden verschieben, sodass die für die Eltern oft schwer nachvollziehbare Nachtaktivität möglich ist: z. B. Disco, unter anderem Verabredungen frühestens ab 22 Uhr…… morgens sitzt man dann in der Schule wie ein „Schluck Wasser in der Kurve“, fühlt sich unausstehlich, deprimiert, schlecht gelaunt, „angemacht“ oder schlicht „neben der Kap“. Dieser morgendliche Hänger hat natürlich nichts mit wirklichen Depressionen zu tun, sondern mit einem noch wenig ausbalancierten Lebensstil. Auch jahreszeitliche Rhythmen sind in der Natur bekannt: „Im Frühling erwacht die Natur, im Herbst/Winter versinkt sie in den Winterschlaf“. In ähnlicher Weise entwickeln wir in Abhängigkeit vom zunehmenden Lichteinfall, der unseren Stoffwechsel hormonell positiv ankurbelt, im Frühling möglicherweise Frühlingsgefühle, könnten Bäume ausreißen…… In entgegengesetzter Weise kann es im Herbst dann zu saisonalen Eintrübungen des Lebensgefühls kommen: man fühlt sich ganz allgemein müder, körperlich weniger aktiv, neigt vielleicht mehr zum grübeln…….

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Erscheinungsformen von Depressionen 1 Das depressive Syndrom 2 bezeichnet nicht eine ätiologisch 3 einheitliche Erkrankung sondern wohl eher eine Gruppe von Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen, unterschiedlichen Ursachen und auch voneinander abweichenden Verläufen.

1.2. Häufige Symptome 1. Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit

2. Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen

3. Schuldgefühle und Gefühle der Wertlosigkeit

4. Negative und pessimistische 1.1.

Typische Symptome

Während einer depressiven Episode leidet die betreffende Person gewöhnlich unter

1. gedrückter Stimmung 2. Interessenverlust, 3. Freudlosigkeit und einer 4. Verminderung des Antriebs. Die Verminderung der Energie führt zu erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung. Deutliche Müdigkeit tritt oft nach nur kleinen Anstrengungen auf. Für die Diagnosestellung – nach der Internationalen Klassifikation (psychischer) Erkrankungen 4 sollten mindestens zwei der erwähnten Symptome in der Regel während mindestens zwei Wochen vorhanden sein und zusätzlich mindestens zwei der folgenden, häufig auftretenden Symptome:

Zukunftsperspektiven

5. Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen

6. Schlafstörungen 7. Verminderter Appetit Während einer leichten depressiven Episode leidet der Betreffende unter den Symptomen und Schwierigkeiten, seine normale Berufstätigkeit/Ausbildung und seine sozialen Aktivitäten fortzusetzen, gibt aber die alltäglichen Aktivitäten nicht vollständig auf. Eine mittelschwere depressive Episode zeichnet sich oft durch eine größere Anzahl von Symptomen aus und der Patient kann seine sozialen, häuslichen und beruflichen Aktivitäten nur unter erheblichen Schwierigkeiten fortsetzen, während dies bei Vorliegen einer schweren depressiven Episode sehr unwahrscheinlich oder nur noch sehr begrenzt möglich ist.


1.3.

Körperliche Symptome

Manchmal besteht während einer depressiven Episode ein so genanntes somatisches Syndrom. Es sollten dann wenigstens vier der folgenden Symptome vorhanden sein:

1. Interessenverlust oder Verlust der Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten.

2. Mangelnde Fähigkeit, auf eine freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse emotional zu reagieren.

3. Frühmorgendliches Erwachen; zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit.

4. Morgentief. 5. Der objektive Befund einer psychomotorischen Hemmung oder Agitiertheit.

6. Deutlicher Appetitverlust. 7. Gewichtsverlust, häufig mehr als 5 % des Körpergewichts im vergangenen Monat.

8. Deutlicher Libidoverlust. Entsprechend dem Verständnis des Menschen als dreidimensionale LeibSeele-Geist-Ganzheit kann eine Depression nicht einfach als Erkrankung im psychischen Bereich aufgefasst werden. Sie muss verstanden werden als Erkrankung des ganzen Menschen in seiner somatischen/körperlichen, seiner psychischen/seelischen und in seiner geistig-geistlichen (pneumatischen) Dimension. Die Ursache (Ätiologie), die Auswirkungen (Symptomatik) sowie auch die therapeutischen Möglichkeiten (Ressourcen) müssen in jeder einzelnen Dimension untersucht (gesucht) werden. Dies

jedoch im Sinne eines vernetzten, ganzheitlichen, integrierenden Vorgehens.

Auswirkungen der Depression auf den ganzen Menschen Die Auswirkungen der Depression betreffen gemäss unserer Definition in der seelischen (psychischen) Dimension den gesamten Bereich unserer Affekte (Gefühlsebene), den Bereich unserer Kognitonen (Wahrnehmungs-, Denk- und Verstandesebene) sowie den Bereich der Motivation (Willensebene). Zu den negativen Gefühlen gesellt sich also eine negativ gefärbte Wahrnehmung mit negativem Denken sowie das „Nicht mehr wollen können“. Die konkret auftretenden Symptome sind in der Beschreibung gemäss ICD-10 ausreichend aufgelistet. In der körperlichen (somatischen) Dimension lässt sich die Beschreibung des somatischen Syndroms gemäss ICD-10 ergänzen durch Müdigkeit, Schlafstörungen, Verlust an sexuellem Interesse sowie Sexualfunktionsstörungen, Verstopfung, Verlangsamung, veränderte Körperhaltung, allgemein erhöhte Krankheitsanfälligkeit. In der geistig-geistlichen (pneumatischen) Dimension kann sich die Depression so auswirken, dass der Patient seinen (Lebens)sinn verliert. Als Folge einer Vertrauenskrise glaubt der Patient nicht mehr glauben und vertrauen zu können, er kann nicht mehr beten, er kann Gott nicht mehr „erleben“, er kann nicht mehr in der Bibel lesen, er kann das Interesse an religiösen Veranstaltungen verlieren. Das negative Selbstbild wird durch ein negatives Gottesbild (Gott wird primär als strafend, richtend etc. gesehen und nicht als liebend, ver-

gebend...) ergänzt. Schuldgefühle und Versündigungsideen können dominieren und von Gott ist keine Gnade und kein Erbarmen mehr zu erwarten. (Auch im geistig-geistlichen Bereich gilt was für die anderen Bereiche gültig ist: Es müssen nicht alle Symptome auftreten. Ich habe auch Fälle gesehen, wo sich der Patient im schwärzesten Loch der Depression nahe bei Gott wusste (Ps. 23 „Auch im finsteren Tal, du Gott bist bei mir“). „Eine wesentliche empirische Studie über den Glauben bei 110 depressiven Patienten verdanken wir Günter Hole (1977). Dabei zeigte sich: Eine Depression überschattet nicht nur das Leben allgemein, sondern auch das Glaubensleben, das für den religiösen Menschen von besonderer Bedeutung ist. Von vielen Betroffenen wird sie als Glaubensverlust erlebt, als Verdunkelung des Lichtes, das sonst das Leben erhellte, als Versiegen der Lebensenergie, die über natürliche Ressourcen hinausging, als Rückzug Gottes aus der bisherigen Erfahrung des Getragen- und Geführtwerdens. Diese subjektiv empfundene Gottverlassenheit wiegt für den religiösen Menschen oft schwerer als alle anderen Defizite und Verluste. Die depressiven Leitsymptome der Freud- und Hoffnungslosigkeit trüben auch die Freude an Gott und die christlich inspirierte Hoffnung für das Leben; die mangelnde kommunikative Resonanzfähigkeit wird auch im Gebet spürbar und führt zum subjektiven Eindruck, Gott könne nicht mehr hören und erhören; die rasche Erschöpfbarkeit und der soziale Rückzug verhindern die Teilnahme an Gottesdiensten und sozialen Aktivitäten der Kirche und erhöhen das Gefühl der Isolation.“ (Siehe Abbildung auf Seite 12: „Das Erscheinungsbild von Depressionen ganzheitlich betrachtet“)

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Beziehungen: Kontaktfähigkeit eingeschränkt

Interessenverlust Gedrückte Stimmung Freudlosigkeit

Seele

Verminderung des Antriebs Verminderter Selbstwert Negative Zukunftsperspektiven u.a.

Geist

Körper

Kein Sinn mehr sehen Vertrauensverlust negatives Gottesbild

nicht mehr Beten können (falsche) Schuldgefühle(?) Sterbenswunsch(?) u.a.

Verminderter Appetit Gewichtsverlust Schlafstörungen Sexualfunktionsstörungen Verlangsamung Verstopfung u.a.

Beziehungen: Patient sieht sich als Last Umwelt wird tatsächlich beeinträchtigt Abb.: „Das Erscheinungsbild von Depressionen ganzheitlich betrachtet“ Zwei Beispiele sollen das Alltagsbild depressiv erkrankter junger Erwachsener illustrieren 5: „Ulrike, 18 Jahre, ist zwar eine ganz gute Schülerin, traut sich aber wenig zu. Ihre guten Schulleistungen führt sie darauf zurück, dass sie Glück hatte und in einer leistungsschwachen Klasse ist. Ulrike sieht die Zukunft düster und weiß nicht, was sie nach der Schule machen soll. Die Mitschüler von Ulrike verstehen nicht, warum sie so traurig und manchmal schon gleichgültig wirkt. In der Klasse hat zwar niemand so richtig Kontakt zu Ulrike, aber sie wird auch nicht abgelehnt. Ulrike geht von sich aus nie auf andere zu, ist sehr still und möchte schon bei kleinen Fehlern im Erdboden versinken. Seit einiger Zeit leidet Ulrike an (Ein)Schlafproblemen, hat keinen Appetit und fühlt sich wie gerädert. Felix, 20 Jahre, weiß nicht so richtig, was er mit sich anfangen sollen. Er

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möchte sich nicht binden und sich nicht mit einer Freundin auseinandersetzen. Er fühlt sich aber auch schrecklich alleine; er glaubt, dass niemand ihn versteht und gern hat. Oft ist Felix vollkommen passiv und schlapp – manchmal aber auch beängstigend aktiv, wobei man nicht erkennt, was Felix damit bezwecken will. Nach einer solchen ziellosen Aktivität ist Felix wieder „zerschlagen“, fühlt sich nutzlos und glaubt, dass sein Leben überflüssig ist. In solchen Stunden denkt Felix immer wieder an den Tod und entwickelt Selbstmordfantasien. In einer solchen Phase ist er auch nicht ansprechbar und konzentrationsfähig.

Über die Ursachen Depressionen können ihre Ursachen in der somatischen Dimension haben. So können sie z. B. quasi ein Symptom einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), einer Funktionsstö-

rung der Nebenniere (M. Addison, M. Cushing) oder einer Suchterkrankung (Alkoholismus) sein. Eine Depression kann ebenfalls durch längeren Cannabis-Mißbrauch ausgelöst worden sein oder einer schweren oder auszehrenden Allgemeinerkrankung (Herzinfarkt, Lungenentzündung, Krebsleiden) folgen. Depressionen werden begünstigt durch Mangelernährung (z. B: Vit. B1, B12, Folsäure) und auch einen Mangel an Bewegung (aber auch Schlaf- oder Erholungsmangel) oder durch zu geringe (Sonnen-)Lichtexposition (saisonale Depression). Bekannt ist ebenfalls die so genannte Wochenbettdepression, die wohl durch die mit der Schwangerschaft bzw. Entbindung einher gehenden hormonellen Umstellungen ausgelöst wird. Wichtiger als die oben genannten krankhaften somatischen Zustände scheint mir (Ruedi Brodbeck) aber eine meines Erachtens erhöhte wohl genetisch bedingte Bereitschaft zu sein, eine Depression zu entwickeln. Depressionen kommen weltweit vor, sie sind familiär gehäuft und auch Zwillingsstudien weisen auf einen genetischen Zusammenhang hin. Dass der somatische Anteil an Depressionen bedeutsam ist, darauf weist auch das oft gute Ansprechen auf eine medikamentöse antidepressive Therapie hin. Oft liegen die Ursachen von Depressionen in der seelischen Dimension. Bekannt sind hier die reaktiven Depressionen, also Reaktionen des betreffenden Menschen auf ein Verlusterlebnis, also z. B. auf den Tod einer ihm nahe stehenden Person (Eltern, Kind, Lebenspartner, Freund...), auf eine Trennung oder Scheidung, auf den Verlust einer Freundschaft, der Arbeitsstelle/Klassengemeinschaft oder der Position/Aufgabe in der Gemeinde oder im Verein u.a.m. Depression kann auch Folge eines anhaltenden, nicht gelösten seelischen Konflikts sein, z. B. in der Familie oder Schule oder am Arbeits-/Ausbildungsplatz. Depression kann ebenso gut die Folge von „falsch“ verarbeiteten Erlebnissen in der Vergangenheit sein


wie auch von falschen Zielsetzungen in der Gegenwart oder für die Zukunft. Falsche Leitsätze und falscher Umgang im Bereich der Emotionen („ich muss von allen geliebt werden“, „Schmerzvermeidung um jeden Preis“, „ein Christ ärgert sich nie, ist immer freudig“), im Bereich der Kognitionen („ich muss perfekt sein“, „ich kann nichts“,„ich bin nichts wert“,„mir läuft alles schief“, „ich bin ein Versager“) sowie auch im Bereich der Motivation („ich will alles schaffen, was ich mir vornehme“, „zuviel Arbeit, keine Ferien“) können alle zu Depressionen führen. In der geistig-geistlichen Dimension stellt unvergebene Sünde/Schuld die bekannteste Ursache einer Depression dar. Pro-depressiv wirken können m. E. jedoch auch „ungesunde Glaubensinhalte oder -ausprägungen“, ein negatives Gottesbild, eine extrinsische (nur an äußeren Regeln orientierte) religiöse Motivation und die Teilnahme an okkulten Praktiken. Während in unserem zeitgenössischen Kontext die Bedeutung der geistig-geistlichen Dimension oft negiert wird, besteht innerhalb des

christlichen Umfelds die Gefahr, diese gerade in Bezug auf die Entstehung von Depressionen über zu bewerten. Gary Collins schreibt deshalb zurecht 6: „The Christian counselor’s task is made more difficult by a number of myths about depression that are widely accepted and sometimes preached. It is not true, for example, that depression always results from sin or a lack of faith in God, that all depression is caused by self-pity, that it is wrong for a Christian to ever be depressed, that depressed feelings can be removed permanently by spiritual exercises, that happiness is a choice, or that a „depressed Christian is a contradiction of terms“. (Christian Counseling S. 106)

Synthese der seelsorgerlichtherapeutischen Möglichkeiten Sicher ist bis hierhin schon deutlich geworden, dass ein depressiv erkrankter Mensch fachliche Hilfe benötigt. Vor allem sollte eine fachärztliche Behandlung gesucht werden, da die schlimmsten Auswirkungen von Depressionen mit der heutigen Generation von antidepressiven

Medikamenten für den Patienten sehr gemildert werden können. Da der Patient ein Individuum ist, kann eine Behandlung nie schematisch erfolgen. Es ist auch nicht möglich, die drei genannten Dimensionen (s. o.) in unabhängige Sektoren aufzugliedern und quasi nacheinander anzugehen. Jede Veränderung in einer Dimension führt auch zu Auswirkungen in den anderen Dimensionen. Idealerweise werden im therapeutischen Prozess immer alle drei Dimensionen berücksichtigt. Es wird also nicht nur nach dem seelischen und körperlichen Befinden sondern auch nach dem geistlichen Befinden gefragt. (Allerdings darf hier kein Druck ausgeübt werden.) Ebenfalls können in der gleichen Sitzung auch Interventionen in allen Dimension getätigt werden z. B. Medikamentenkontrolle, Motivation zu mehr Bewegung, Analyse und Korrektur falscher Leitsätze, Zusprechen von Trost, Hilfe, Anleitung und Motivation zu religiöser Praxis inkl. gemeinsamem Gebet (falls gewünscht). Erfahrungsgemäß kommt es dann einmal hier einmal da zu kleinen Fortschritten die immer weiter auf dem Weg der Heilung führen.

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Über den Suizid Auf den Wunsch zu sterben, der zu Suizidgedanken, Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen führen kann soll wegen der schweren Konsequenzen dieses Symptoms speziell eingegangen werden. Grundsätzlich ist Suizidalität als ein Symptom des depressiven Syndroms wie jedes andere zu werten. Es kommt in ca. 70% der Fälle mehr oder weniger stark vor. Allerdings stellt das depressive Syndrom das größte Risiko für einen Suizid dar. Andere Risikofaktoren sind z. B. erhöhter Alkoholkonsum, Drogenkonsum, frühere Suizidversuche sowie Suizide in der Familie. Ebenfalls kommen Suizide häufiger vor bei Männern, im Alter über 45 Jahren, bei Arbeitsunfähigkeit, Pensionierung oder Arbeitslosigkeit sowie bei alleinlebenden Personen. Da sich die Patienten (insbesondere Christen) für diese Gedanken schämen und sie meist deswegen nicht von sich aus zu äußern wagen, ist es unbedingt notwendig, dass der Therapeut das Gespräch über diesen Punkt sucht. Hierzu eignen sich z. B. folgende Fragen: Haben Sie sich in letzter Zeit darüber Gedanken gemacht, dass das Leben keinen Sinn mehr hat? Haben Sie in letzter den Wunsch verspürt, nicht mehr Leben zu müssen? Wenn ja, erzählen Sie mir bitte Einzelheiten? Selbstmord – haben Sie schon darüber nachgedacht, wie Sie das tun würden? Es ist hilfreich für den Patienten zu erfahren, dass sein Todeswunsch ein Krankheitssymptom ist (z. B. wie Kopfschmerzen bei Grippe) und dass er offen darüber sprechen darf. Diese Suizidgedanken haben primär nichts mit Sünde und Schuld zu tun, sie resultieren nicht aus „einem Mangel an Glauben“ und es liegt nicht in der Macht des Patienten, ob diese Gedanken kommen oder nicht. Diese Gedanken entsprechen auch nicht „dem freien Willen“ des Patienten. Die Mehrzahl von nach Suizidversuchen geretteten Patienten möchte später nicht mehr sterben und ver-

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sucht es nicht nochmals. Ebenfalls ist es nicht wahr, dass das Sprechen über Suizid die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Suizid ausgeführt wird. Das Gegenteil trifft zu. Das offene, nicht moralisierende Gespräch hilft Suizide verhüten. Zudem bietet nur das offene Gespräch die Möglichkeit, dem Patienten eine Perspektive zu öffnen, dass er von diesen quälenden Gedanken wieder befreit und wieder echte Freude am Leben wird finden können.

Depression, die weithin akzeptiert sind und manchmal gepredigt werden. Es ist zum Beispiel nicht wahr, dass Depression immer resultiert aus Sünde oder einem Mangel an Glauben/Vertrauen in Gott, dass jede Depression verursacht wird von Selbstmitleid, dass es falsch ist für einen Christen jemals bedrückt/depressiv zu sein, dass bedrückte Stimmungen auf Dauer beseitigt werden können durch geistliche Übungen, dass Glücksgefühle eine Wahl sind, oder dass ein „niedergedrückter Christ ein begrifflicher Widerspruch“ ist.“

Dipl.-Psych. Rainer Oberbillig

Literatur: Z. f. „Psychotherapie & Seelsorge 1/07 – Depression www.psychotherapieundseelsorge.info Möglichkeiten zu einer ersten Bestandsaufnahme (Fragebogen), ersetzt nicht die ärztliche Diagnose: www.palverlag.de (Hier unter Informationen zu Depressionen schauen)

Hinweise: 1 Im Folgenden beziehe ich mich überwiegend – in verkürzter Fassung – auf eine unveröffentlichte Seminararbeit von Dr. med. Ruedi Brodbeck (2001) 2 Syndrom ist der Begriff für eine „Ansammlung / Gruppe“ von Warnzeichen 3 von ihren Ursachen her 4 ICD – Kapitel V 5 Aus: U. Petermann (1986) – Kinder und Jugendliche besser verstehen. Ein Ratgeber bei seelischen Problemen. Kösel Verlag. 6 In deutscher Übertragung: „Die Aufgabe des Christlichen Beraters ist erheblich schwieriger gemacht worden von einer Anzahl Mythen über

Jahrgang 1951, verheiratet, 2 erwachsene Kinder, Psychologischer Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut (dgvt), Christlicher Therapeut (IGNIS Akademie), Leitender Psychologe der DE’IGNIS-Fachklinik


zum thema

Depression – Endstation oder wertvolle Erfahrung? VON DAGMAR GÖHRING

Dürfen wir diese Frage stellen? Ich möchte diese Frage nicht irgendwie global in den Raum werfen und Betroffene dadurch verletzen, sondern diese Aussage anhand von Beispielen von mehreren Seiten beleuchten bzw. ausleuchten. Diese Fragestellung soll Menschen, die gerade Depressionen erleben bzw. deren Angehörigen und Begleitern, Hoffnung geben. Hoffnung darauf, dass Depression nicht als Endstation erlebt werden muss. Doch wenn wir uns anschauen und anhören wie Depression beschrieben und erlebt wird, dann fehlt darin in der Regel die Hoffnung. Aussagen wie „Es hat ja doch alles keinen Sinn mehr“, „Wie soll ich das nur schaffen“, „Mir ist meine Zukunft genommen worden“, „Ich kann mich nicht mehr konzentrieren“,„Eigentlich bin ich nur noch müde und möchte

mir die Bettdecke über den Kopf ziehen“, „Ich bleibe lieber zu Hause, ich bin ja eh‘ zu nichts mehr zu gebrauchen“, „Wissen Sie, ich schlage die Bibel nicht mehr auf, da mir dort alles sehr bedrohlich vorkommt“, „Medikamente werden mir da auch nicht weiter helfen können – ich müsste mich nur zusammen reißen können“ lassen eher die „Endstation“ plastisch sichtbar werden als irgendeine wertvolle Erfahrung. Und die Frage nach der wertvollen Erfahrung wird vielleicht sogar als Hohn empfunden und nicht als Hinweis, bei dem es sich lohnt, näher hinzuschauen. Da Depression in so vielschichtiger Art und Weise vorkommt und diagnostiziert wird, möchte ich ein paar unterschiedliche Beispiele anführen. Ich denke da an eine Frau, bei der nach einem Verkehrsunfall, bei dem sie eine leichte Verletzung erlitt, eine länger anhaltende Depression festgestellt wurde. Sie war daraufhin ca.

ein halbes Jahr lang arbeitsunfähig. Weder Medikamente noch Gespräche brachten Linderung in einer von ihr beschriebenen plötzlichen Hilflosigkeit, in der sie sich stark gefangen fühlte. Eine sehr heftige Sinnkrise stellte sich ein und länger anhaltende Arbeitsunfähigkeit tat ihr Übriges dazu. In dieser Zeit hörte sie eine Bibelauslegung von dem Gelähmten am Teich Bethesda. Mit dem Gelähmten und seiner „ausweglosen“ Situation am Teich Bethesda konnte sie sich sehr gut identifizieren. Doch „steh auf, nimm dein Bett und geh“ empfand sie für ihr eigenes Leben als Überforderung. Der Text hatte sie jedoch in ihrem Innersten getroffen und sie beschäftigte sich mit dem Text und der Auslegung.

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Im Laufe der Zeit setzte sie sich mit dem Gelähmten und dem Leben und der Kultur zu damaliger Zeit auseinander. Wie war das mit Gelähmten, nachdem er aufgestanden war und gehen konnte? Diese Frage beschäftigte sie lange. Für den „Nicht mehr Gelähmten“ bedeutete seine Heilung, dass er nicht mehr von seiner Verwandtschaft versorgt wurde und dass er selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen musste. Das hatte er viele Jahre lang nicht oder nicht mehr gemacht. Es war ihm fremd. Hatte er überhaupt einen Beruf? Konnte er sich seinen Lebensunterhalt verdienen? Wie und mit was? Wo wohnte er anschließend? Alles was ihm geläufig war, alles was ihm Sicherheit vermittelt hatte, war weg – und jetzt? Und was war mit seinen Muskeln, seinen Bändern, Sehnen etc.? Sehr lange Zeit hatte er sie nicht ausreichend benutzt, trainiert, eingesetzt – und jetzt? Was konnte er einsetzen und vorweisen, um im Leben bestehen zu können. Er war geheilt – doch wie ging es jetzt weiter? Diese Auseinandersetzung mit dem Gelähmten und dem „Nicht mehr Gelähmten“ – dem Geheilten – und seiner Lebenssituation machten ihr Mut, sich mehr mit ihrer eigenen Situation, ihrer Hilflosigkeit, der empfundenen Sinnlosigkeit und Zukunftsangst auseinanderzusetzen.

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Sie konnte den Schlüssel zwischen ihrer Biografie und der empfundenen Hilflosigkeit während und nach dem Verkehrsunfall finden! Die geschichtlichen Hintergrundrecherchen über das Leben des „Nicht mehr Gelähmten“ machten ihr Mut! Sie wollte sich ihrer Realität – die sie als nicht ganz einfach beschrieb – stellen, um mit dem gefundenen „Schlüssel“ weitere Schritte zurück in die Selbständigkeit zu unternehmen. Jahre später konnte sie diese Phase der Depression – sowohl die akute Phase als auch die abklingende und Ihr Leben danach als wertvolle Erfahrung einstufen. Zur wertvollen Erfahrung wurde es, da sie ihr Leben danach aufgrund des gefundenen „Schlüssels“ bewältigen konnte. Doch in der Phase der Depression und auch noch gewisse Zeit später hätte ihre Antwort eher „Endstation“ gelautet und die Frage nach der wertvollen Erfahrung hätte sie als Hohn empfunden. Ein weiteres Beispiel dafür, dass Depression zunächst als Endstation erlebt wurde und in einem Aufarbeitungsstadium dann als überaus wertvolle Erfahrung gewertet wird, ist ein Mann mittleren Alters. Er durchlitt in seiner Kindheit mehrere sehr schwierige Traumatisierungserfahrungen und flüchtete sich als Folge davon

als Jugendlicher und Erwachsener in eine ihn (be-)schützende „Traumwelt“. Zunächst war die Diskrepanz zwischen Traumwelt und Realität für seine direkte Umgebung nicht zu bemerken. Seine Umwelt nahm ihn als schrulligen Menschen wahr. Diverse Therapien scheiterten im Laufe der Jahre. Anfang vierzig zerbrach dann „alles“ in seinem Leben. Privates und berufliches Scheitern führten zum ersten Mal in seinem Leben dazu, nicht mehr handlungsfähig zu sein. Sein Zustand verschlechterte sich. Aus ärztlicher Sicht notwendige Medikamente wollte er nicht einnehmen, da er es aus eigener Kraft „schaffen“ wollte. Eine nachhaltige Begegnung mit Gott, in welcher Gott das Herz des Mannes erreichte, lernte dieser Mann Gott, seine Liebe, Fürsorge und Barmherzigkeit kennen und zu sich und in seine Situation sprechen. Dies machte ihm zum ersten Mal in seinem Leben Mut. Er bekam Mut, seine Traumwelt schrittweise zu verlassen. Er erhoffte sich von Gott, dass es ihm nun besser ging, dass er sein Leben „in den Griff“ bekam und dass dies schnell, effektiv, einfach und schmerzlos gehen sollte. Zunächst besserte sich seine Situation. Die Hoffnungslosigkeit wich und sein Leben erhielt einen neuen Sinn. Fortsetzung auf Seite 25


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AKTUELL

Informationen, Neues und Termine rund um DE´IGNIS FACHKLINIK-NEWS

Erweiterung unseres Standortes in Altensteig Natürlich müssen viele Gewerke an externe Firmen und Handwerker vergeben werden. Durch die Anstellung eigener Mitarbeiter können wir aber sehr viel Geld sparen. Von daher freuen wir uns, dass ein junger Handwerker nach seinem Zivildienst gerne als Mitarbeiter bei uns bleiben wollte. Das Zweifamilien-Haus wird derzeit zum neuen Präventionshaus umgebaut. Im Frühjahr sollen dann 6 Doppelzimmer, die natürlich auch als Einzelzimmer von Präventionsgästen genutzt werden können, und schöne Gemeinschaftsräume im Dachgeschoss zur Verfügung stehen. Präventionsgäste können den neuen Wellness-Bereich selbstverständlich auch nutzen, was unser Präventionsangebot natürlich noch attraktiver werden lässt. Im letzten Magazin haben wir bereits darüber berichtet, dass wir das Gebäude neben unserem Institut in Altensteig gekauft haben und einen Anbau planen. Die PhysiotherapieAbteilung soll in den 1. Stock des neuen Hauses umziehen. Im Erdgeschoss entsteht ein Wellness-Bereich mit Sauna, Sanarium (eine Kombination aus üblicher Sauna und Dampfbad), Infrarotlicht-Kabine, 2 Whirlpoolwannen, 2 Duschen mit verschiedenen Düsen sowie eine Wärmebank mit Fußbecken. Daneben wird es eine gemütliche Ruhezone mit vielen Glaselementen Richtung Garten geben.

Der Umbau der Doppelhaushälfte und der Anbau sind derzeit in vollem Gange.

Nach dem erfolgten Umzug sollen dann die ehemaligen PhysiotherapieRäume zu 3 neuen Einzelzimmern umgebaut werden.

Da das insgesamt natürlich für uns sehr hohe Investitionen sind, haben wir uns mit der Entscheidung nicht leicht getan. Uns wäre ein späterer

Bis zum Anfang 2009 sollen unsere Gäste den Wellnessbereich nutzen und genießen können. Mitte des Jahres wurde uns dann das Zweifamilien-Haus zwischen unserem derzeitigen Präventionshaus und dem Institutsgebäude/ Physiotherapie-Abteilung mit Wellness-Bereich zum Kauf angeboten. Das Haus grenzt ebenfalls unmittelbar an die Grünanlage des Hauses Ruth.

Zeitpunkt aufgrund der finanziellen Belastung und des Arbeitsaufwands lieber gewesen. Letztlich haben wir uns dann aber trotzdem für den Kauf entschieden. Im Nachhinein stellte sich dann heraus, dass der Zeitpunkt absolut genial war. Zum einen wurden die für Kauf und Umbau/Anbau erforderlichen Darlehen noch vor der Finanzkrise und deshalb zu guten Konditionen bewilligt, zum anderen hatte es auch für die Bauplanung Vorteile, dass beide Projekte gleichzeitig in Angriff genommen werden konnten. Die Zufahrt zum Anbau war leichter möglich, Baugeräte konnten gleich für beide Grundstücke genutzt werden. Gott sei Dank für seinen Zeitplan!!!

Die Zimmer unseres bisherigen Präventionshauses werden nun als Patientenzimmer genutzt, wodurch unseren Gästen 4 weitere Einzelzimmer zur Verfügung stehen. Wir gehen aufgrund der in letzter Zeit gestiegenen Nachfrage nach psychotherapeutischen/psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahmen davon aus, dass eine gute Auslastung realistisch ist. Durch die neuen Behandlungsplätze könnte die Wartezeit von der Kostenübernahme bis zum möglichen Beginn einer stationären Behandlung wieder etwas kürzer werden. Durch die Erweiterung unserer Zweigstelle in Altensteig stehen uns dann zukünftig mehr Einzelzimmer zur Verfügung.


AKTUELL Institut

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INSTITUT-NEWS

Beratungsstelle – Start einer Gesprächsgruppe für Lehrer Nach etlichen Anläufen war es endlich soweit: Die erste Supervisions- & ambulante Gesprächsgruppe für Lehrer konnte in den Räumen des Instituts im kleinen Kreis von 5 Teilnehmern stattfinden. Mit einem kleinen Abendimbiss eröffneten wir das Treffen; es stand unter dem Motto „Lasst uns aufeinander Acht haben, uns anzureizen zur Liebe und zu guten Werken.“ Damit war auch schon knapp skizziert, was den Sinn und Inhalt der Supervision ausmachen sollte: Eine Lehrer-

ermutigungsgruppe soll es werden, in der sehr offen und persönlich die alltäglichen und beruflichen Herausforderungen für Lehrer mit einer christlichen Werteorientierung besprochen werden. Neben der konkreten situationsbezogenen Fragestellung, für die gemeinsam Lösungen entwickelt werden sollen, können auch Themen mit allgemeiner Relevanz wie z. B. „Stressbewältigung“ oder „Perspektiven für (christliche) Lehrer“ behandelt werden.

Nächste Supervisionstage 2009: Psychotherapie und Lebensberatung mit Patienten/Klienten mit religiöser Wertorientierung Freitag, 6. März 2009 Freitag, 16. Oktober 2009

14. Arbeitstagung „Empirische Forschung in Psychotherapie und Seelsorge“/APS Samstag, 21. März 2009 im DE´IGNIS Gesundheitszentrum

„Psychotherapie & Lebensberatung mit Patienten/Klienten mit religiöser Werteorientierung“ – Impressionen vom Supervisionstag Zu unserem traditionellen Supervisionstag im Herbst konnten wir wieder etliche Teilnehmer begrüßen. Der Vormittag stand unter dem biblischen Motto „Der Herr hat mir die Zunge eines Jüngers gegeben, damit ich weiß, wie ich den Müden ermutigen kann. Morgen für Morgen öffnet er mir das Ohr, damit ich höre, wie ein Jünger hört.“ (Jesaja 50,4) Dazu gab es einen Impuls: Was bedeutet es, die Zunge eines persönlichen Studenten des Rabbi Jesus zu haben? Wie können christliche Berater und Psychotherapeuten an der Weisheit und Erkenntnis des Gottessohns teilhaben? Man muss für die „christliche Beratung“ – und nicht nur für diese Spezial-

isierung von Beratung – wissen, wie man (Lebens)Müde ermutigt: Wie bringt man sie mit demjenigen zusammen, der dafür eine einzigartige Qualifikation hat, nämlich dem Guten Hirten (Christus) Gottes? Wie kann man auf den Geist Gottes hören – „ein sehendes Auge und ein hörendes Ohr kommt beides vom Herrn“ (Jeremia) vertieft das noch –, während man auf den therapeutischen Prozess konzentriert bleibt? Wie haben die Teilnehmer diese Wahrheiten aus der Bibel in ihrem therapeutischen Alltag erlebt? Dazu gab es dann den ersten Transfer auf die eigene Praxis. Im weiteren Verlauf der Supervision unter dem oben genannten Motto

wurden die Teilnehmer zur Erkundung biblischer Begebenheiten, in denen Menschen lernten, auf die Wegweisung Gottes zu sehen und zu hören, mittels Bibliodrama Vignetten angeleitet. Im Plenum wurde dann noch die Selbsterfahrung im Rollenspiel ausgewertet. Der Nachmittag stand dann im ersten Abschnitt zur interaktiven Fallarbeit zur Verfügung: Methodisch verwandten wir dazu „kleine Workgroups“, die intuitiv „sehend und hörend“ auf den vorgestellten Fall reagieren sollten und die Ergebnisse wieder in das Plenum mitbrachten. Die zweite interaktive Fallarbeit gestalteten wir im Stil einer sogenannten Balintgruppe, die die emotionalen Reaktionen und unbewussten Übertragungen der

Teilnehmer auf den Fall (Klient – Therapeut – Prozess – Thema) zum Inhalt hat. In beiden Fällen war es wieder enorm hilfreich und inspirierend, den Erfahrungsreichtum einer größeren Expertengruppe in der Supervision zur Entwicklung von Lösungen des vorgetragenen Problems zu nutzen – und das noch unter dem Motto der von Gott geöffneten Augen und Ohren. Auch die interaktive Fallarbeit in kleinen Intervisionsgruppen kam schließlich nicht zu kurz.


AKTUELL Institut & Wohnheim – Haus Tabor

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Neuer Kurs der Fortbildung in „christlich-integrativer Psychotherapie“ Im September konnten wir nach langer Vorbereitung unseren fünften Kurs der Fortbildung zum „Christlichen Therapeuten/ christlich-psychologischen Berater“ mit 24 Teilnehmern feierlich eröffnen. Bewährter Tagungsort war wieder das DE’IGNISGesundheitszentrum in Egenhausen. Zur Einstimmung stellten sich die Teilnehmer in 2er Gruppen mit einem persönlichen Gegenstand – im Wechsel – vor, mit dem

sie sich identifizieren sollten, sodass der Interviewer den Gegenstand über seinen Besitzer ausfragen muss. Danach wurde jeder Teilnehmer anhand der erhaltenen Informationen aus dem „Mund des Gegenstands“ vom Partner vorgestellt. Man kann sich das Gelächter vorstellen, wie komisch sich das manchmal anhörte. Als Motto für die lange „Reise“ eines Kursteilnehmers bis zum erfolgreichen Abschluss, der Zertifizierung, wurde das Wort aus

Jesaja 50,4 ausgegeben: „Der Herr hat mir die Zunge eines Jüngers gegeben, damit ich weiß, wie ich den Müden ermutigen kann. Morgen für Morgen öffnet er mir das Ohr, damit ich höre, wie ein Jünger hört.“ Inzwischen haben die Teilnehmer nicht nur erste Kostproben der Selbsterfahrung mit dem Reden Gottes in das eigene Leben oder diagnostisch die Biographie betreffend gemacht, sondern auch

einige Referate zur psychologischen Diagnostik und Therapieplanung „gehört“ mit entsprechenden Fallübungen, unter anderem mit Therapievideos zur Wahrnehmungsschulung. Die Gruppenathmosphäre wurde bisher von allen als sehr offen und wohltuend herzlich empfunden, also gerade richtig für Lernprozesse in christlicher Beratung.

WOHNHEIM-NEWS

Aktuelle Entwicklungen im DE’IGNIS-Wohnheim eine aufwändigere und noch mehr auf den Einzelnen abgestimmte Dokumentation. Dieser Herausforderung stellen wir uns. Im Laufe dieses Jahres wurden einige Änderungen in unser Dokumentationssystem integriert, die nun schneller eine Entwicklung erkennen bzw. verfolgen lassen.

Die Entwicklungen im DE‘ IGNIS Wohnheim gehen weiter. Der Dachgeschoßausbau ist seit Januar abgeschlossen, die Zimmer sind bezogen und die Bewohner mit ihrer neuen Umgebung sehr zufrieden. Die Zimmer sind sehr hell und freundlich eingerichtet. Die Gesamtbelegung in diesem Jahr ist sehr gut, wir haben bisher im ganzen Jahr volle Belegung und der Anteil der Bewohner mit öffentlichem Kostenträger steigt weiter an. Mittlerweile ist der Anteil dieser Bewohner auf über zwei Drittel angestiegen. Das erfordert auch

Eine weitere Veränderung ist die Verlegung des Seelsorgekurses von der Nordalb ins drei Kilometer von Engelswies entfernte Langenhart. Dort haben wir ein schönes Tagungshaus gefunden, den Brigelhof. Dadurch verringern sich die Reisezeiten der Referenten erheblich und auch drei BewohnerInnen haben dadurch die Gelegenheit zur Teilnahme erhalten. Inzwischen haben dort die ersten beiden Wochenenden stattgefunden. Auch in der Bewohnerschaft tut sich einiges. Eine Bewohnerin wird zum Jahresende ausziehen und hat ab dem neuen Jahr eine Halbtagesstelle als Übersetzerin gefunden,

eine weitere wird im Frühjahr zurück in die Heimat gehen, um dort wieder eine Tätigkeit in ihrem erlernten Beruf aufzunehmen. In den Arbeitstrainingsbereichen in unserem Haus können wir ebenfalls bei vielen Bewohnern Fortschritte erkennen und freuen uns auch über die kleinen Schritte und über bewältigte Krisen. Die vielen freizeitpädagogischen Angebote, angefangen von Sport über Kunsttherapie, Segeln auf dem Bodensee, Ausflüge in der Region und darüber hinaus (einer ging dieses Jahr in die Wilhelma nach Stuttgart, einmal im Jahr fahren wir nach Österreich zum Skifahren) werden von der Bewohnerschaft nicht nur durch rege Teilnahme, sondern auch mit dankbarem Feedback honoriert. Auf die Anregung einer Bewohnerin fand in diesem Jahr auch ein Freiluft-Konzert eines Posaunenchores in Engelswies statt. In der Adventszeit wird ein Kammerorchester im Aufenthalts-

raum des Wohnheims auftreten. Besucht wurden auch verschiedene Konzerte außerhalb des Wohnheims, z. B. ein Gospelkonzert in Meßkirch. Dadurch hatten und haben unsere Bewohner auch die Möglichkeit an kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen. So sind wir Gott dankbar für seine Versorgung in allen Dingen, sehen mit freudiger Erwartung der Zukunft entgegen und freuen uns auch über Ihre Anteilnahme und Ihr Mittragen im Gebet. Peter Hartmann


AKTUELL Wohnheim – Haus Tabor – Bereich Seelsorge

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WOHNHEIM-NEWS Bereich Seelsorge

Seelsorgeausbildung Schulung – Qualifizierung – Praxis – Netzwerk Im Bereich Schulung bietet DE’IGNIS an drei Standorten Seelsorgekurse an. Zielgruppe sind Personen mit seelsorgerlicher Erfahrung und Berufung, die ihre Fähigkeiten in diesem Bereich weiterentwickeln möchten und die sich dafür schulen lassen, Menschen mit tiefgreifenden psychischen Problemen zu begleiten. In Langenhart, welches 3 km entfernt von Engelswies in der Nähe von Sigmaringen und Meßkirch, nahe des wunderschönen Donautales liegt, findet ein weiterer Durchgang des Seelsorgekurses statt. Der Kurs umfasst 10 WochenendSeminare, die als ganzes gebucht werden können. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, die einzelnen Bausteine des Kurses unabhängig voneinander zu besuchen. Der Einstieg ist zu jedem Seminar jederzeit möglich. Durch Qualifizierungs- und Praxisseminare können die in dem Kurs geschulten Personen sich zum

„Seelsorge-Begleiter“ und zum „Seelsorger im Netzwerk“ ausbilden lassen. „Seelsorge mit allen Sinnen er-

leben“ ist der Oberbegriff für Seelsorge-Seminare, die jeden ansprechen und geeignet für hilfesuchende Personen sind.

Seelsorge wird hier erlebbar, anziehend und für jedermann/ -frau ansprechend. Ziel ist es, unter anderem durch den Symbolgehalt des Wortes Gottes und durch kreative Methoden die Gottesbeziehung der Teilnehmer zu stärken und somit „Handwerkszeug/ Rüstzeug“ für den Alltag mitzugeben (siehe Anzeige). Die „Tage seelsorgerlicher Begleitung“ laden ein zum Ausspannen vom Alltag. Der Seele Raum geben für Verarbeitung. In Lobpreis, Gebet, Plenum, Kleingruppe, Stillezeiten und Einzel-Seelsorge werden die Teilnehmer durch diese Tage von einem Seelsorge-Team begleitet. Auf diese Weise werden die Worte der Überschrift: „Schulung – Qualifizierung – Praxis – Netzwerk“ mit überfließendem Leben gefüllt. Anmeldungen zu den genannten Seminaren nehmen wir gerne jederzeit entgegen (siehe Anzeigenteil).

Seelsorgeschulung Für die Begleitung von Menschen mit tiefgreifenden seelischen Störungen Für wen ist die Schulung? Wenn Sie über Erfahrung in der Seelsorge verfügen und Ihre Fähigkeiten in diesem Bereich weiterentwickeln möchten, ist der Kurs genau richtig für Sie. Der Kurs soll die Teilnehmer dazu befähigen, Menschen mit tiefgreifenden psychischen Problemen qualifiziert zu begleiten.

Was wird in den Seminaren vermittelt? Durch die Vermittlung von psychologischem/therapeutischem Fachwissen und biblischen Grundlagen, sowie durch Selbsterfahrung und Einüben verschiedener Möglichkeiten der seelsorgerlichen Gesprächsführung werden die Teilnehmer für den Dienst an notleidenden Menschen ausgerüstet und gestärkt.

Unter anderem sind folgende Themen geplant:

Biblische Perspektiven für seelsorgerliches Handeln

Methodische und inhaltliche Grundsätze der Gesprächsführung

Psychopathologie – psychische Krankheitsbilder einordnen und verstehen lernen

Darstellung der gängigen Therapieschulen und ihrer Behandlungsverfahren

Jugendseelsorge – Freundschaft, Liebe, Sexualität

Das biblische Menschenbild (Anthropologie) und seine Konsequenzen für das seelsorgerliche Handeln (Konzeption biblischer Seelsorge)

Identitätsentwicklung und Identitätsstörungen

t möglich – Einstieg jederzei Nähe de Neustart in r von Engelswies!

Innere Heilung durch Klärung der Beziehung zu Gott, zum Du (Mitmenschen) und zum Ich (zu sich selbst) in Vergangen heit und Gegenwart • Die Persönlichkeit des Seelsorgers • Umgang mit Leid Kursleitung: Winfried Hahn, Pastor, Pädagoge, Christlicher Therapeut mit Team

Wohnheim gGmbH - Haus TABOR zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung

Telefon 0 75 75/9 2507-0 oder 0 7570/95 19 67 Telefax 0 75 75/9 2507-30 E-Mail seelsorgekurs@deignis.de


AKTUELL Wohnheim – Haus Tabor – Bereich Seelsorge

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Seelsorgeschulung ein Rückblick Da immer mehr Menschen (auch Christen) in meinem persönlichen Umfeld an psychischen Erkrankungen leiden, wurde es mir ein großes Anliegen mich von Gott hierfür gebrauchen zu lassen. Dies war mein persönlicher Grund für die Teilnahme an der Schulung. Ich wollte einfach wissen, warum psychische Erkrankungen immer mehr vorkommen und wie dies im „privaten“ Umfeld auch abge-

fangen werden kann. In der Vorstellungsrunde im ersten von mir besuchten Seminar (ich bin Quereinsteiger; hatte etwas länger gebraucht mich zu entscheiden und bin erst ab dem 3. Seminar dazu gestoßen), hatte ich auf die Frage nach meiner Motivation nur die kurz und bündige Antwort parat, dass ich dem Herrn dienen will. Ulrike Hahn meinte dann anschließend, dass dies sehr gewagt sei, und ich

Mitarbeit bei den Seminaren Seelsorge mit allen Sinnen erleben – Ein Rückblick „Gott hat keine Probleme, sondern Pläne“ Ja es stimmt, was Corrie ten Boom gesagt hat: Gott hat keine Probleme, sondern Pläne. Immer wieder erleben wir das als Mitarbeiter bei den Seminaren „ Seelsorge mit allen Sinnen erleben“. Jede/r Mitarbeiter/ in hat die Seminare auch als Teilnehmer/in erlebt. So auch ich. Wir haben in Dagmar Göhring eine Leiterin, durch die wir untereinander in unserem Auftrag angeleitet, herausgefordert und gefördert werden. Jedes Seminar ist anders, aber immer stehen wir am Ende staunend da über das, was Jesus an den Teilnehmer/innen, aber auch oft an uns getan hat. Oft erleben wir, dass Jesus auch in

unserem Leben Heilung, Führung, Mut, Hoffnung wirkt. Ich denke, nach einem Seminar fahren alle beschenkt, ermutigt, gesegnet, aber auch müde nach Hause und freuen sich auf das nächste. Wenn ich mein Leben anschaue, dann staune ich, wie Jesus mir immer mehr den Blick dafür öffnet, dass es auch für mich gilt: Gott hat keine Probleme, sondern Pläne. Manchmal ist es dann so, als ob ich wie Petrus mit Jesus auf dem Wasser gehe. Selbst wenn ich auf Wind und Wellen schaue, wird er mich halten und nicht untergehen lassen. Verfasserin der Redaktion bekannt

SEELSORGE MIT ALLEN SINNEN ERLEBEN seit Herbst 2006 auf der Nordalb Veranstaltungsort: Kirche im Aufbruch e.V. Nordalb, 73326 Deggingen

06. - 08.03.2009 Gott gibt mir Wert und Würde (Seminar für Frauen) Bei diesem Seelsorge-Wochenende für Frauen werden Wert und Würde für jede Teilnehmerin erlebbar gemacht. Ziel des Seminars ist es, dass jede Frau durch neue kreative Methoden zu ihrer gottgegebenen Identität findet. Seminarleitung: Dagmar Göhring und Alexandra Pfeifer mit Team

06. - 08.03.2009 IDENTITÄT – DER ICH BIN sagt mir wer ich bin Jede/r TeilnehmerIn darf erleben, was es heißt, für Gott so wertvoll zu sein, dass ER ihm/ihr ganz persönlich begegnen möchte, um ihm/ihr dabei behilflich zu sein, zur gottgegebenen Identität zu finden und zu stehen.

solle mich auf viel Arbeit gefasst machen – damals verstand ich dies noch nicht so richtig. Heute weiß ich, dass in meinem nächsten Umfeld viel Seelsorgebedarf besteht und die „Arbeit“ nicht ausgeht. Auf jeden Fall bemerkte ich während der Teilnahme an der Schulung sehr bald, dass ich selbst am Allermeisten von der Schulung „profitiere“. Denn durch die Seelsorge Schulung bin ich Gott selber näher gekommen, im Glauben

Fortbildung für Seelsorger im Juli 2008 „Nonverbale kreative Elemente im Seelsorgegespräch“ Das Seminar wurde vom DE‘IGNIS Wohnheim, Engelswies, durchgeführt. Die Gastsprecherin –Kunsttherapeutin Erdmute Knauß – sowie Heimleiter Winfried Hahn, seine Frau Ulrike und Dagmar Göhring waren am Gelingen dieses Wochenendes beteiligt. Frau Knauß konnte auf einfühlsame Weise – nicht zuletzt durch ihre große praktische Erfahrung – die Kursteilnehmer für diese Thematik begeistern und wertvolle praktische Arbeitsmethoden vermitteln. Allen hat es einen Riesenspaß gemacht – auch

durch ihre pfiffige und witzige Art. Winfried hat anhand vom Wort Gottes und mit seinem reichen Erfahrungsschatz moderne Erkenntnisse der Seelsorge vermittelt und seine Frau Ulrike führte uns durch einen sehr gesegneten Lobpreis. Organisatorisch begleitere uns wie immer Dagmar Göhring. Ich möchte allen Beteiligten für das gute Gelingen herzlich danken und glaube, dass alle Kursteilnehmer neu gestärkt und mit frischem Mut nach Hause gefahren sind.

Tage

Schulung für Seelsorge

Verfasser der Redaktion bekannt

seelsorgerlicher Begleitung

02. - 04.01.2009 Raum für meine Seele Ausspannen vom Alltag Ein Team von Seelsorgern und Seelsorgerinnen wird die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in diesen Tagen bei Lobpreis, Gebet, Lehre, Kleingruppe, Stillezeiten und in Einzel-Seelsorge begleiten. Seminarleitung: Dagmar Göhring mit Team

in Langenhart bei Engelswies

30. - 31.01.2009 und 24. - 25.04.2009 Beginn der 10-teiligen Seminarreihe Beschreibung auf Seite 22 im Artikel „Seelsorgeschulung“ Veranstaltungsort: Heu-Hotel Brigel-Hof, Meßkirch-Langenhart mit dem Angebot von Seminarräumen, freundl. Zimmern, Heu-Hotel und Verpflegung vom Bio-Hof

Seminarleitung: Dagmar Göhring und Alexandra Pfeifer mit Team in Kooperation mit

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reifer geworden und ich habe die „Auszeiten“ während den Wochenenden als sehr gute Zeit empfunden. Ich durfte erfahren, dass bevor ich für andere Menschen da sein darf, ich selbst von dem„Heilwerdungs-Prozess“ profitieren durfte. Manchmal waren die Wochenenden „Wellness“ und manchmal aber war es eine harte aber notwendige Aufarbeitungszeit, in der Prozesse in Gang gesetzt wurden.

0 75 75/9 25 07-0 oder 0 75 70/95 19 67 Fax 0 75 75/9 25 07-30 seelsorgekurs@deignis.de

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AKTUELL Christliche Stiftung DE´IGNIS Polen

Seite 24

Christliche Stiftung DE´IGNIS Polen Auch in diesem Jahr findet in dem zur DE’IGNIS-Stiftung gehörenden Tagungshaus Ichthys über die Wintermonate wieder ein Therapieangebot statt. Wie unsere Mitarbeiter aus Polen berichten, hat die Arbeit mit den Patienten aus dem ganzen Land einen guten Anfang genommen. Erfreulich ist auch, dass unser Seelsorgekurs in der Nähe von Warschau mit über 70 Teilnehmern gut gestartet ist. Wie Kursleiter Winfried Hahn mitteilte, ist es eine besondere Herausforderung

bei so vielen Teilnehmern mit der vorhandenen Mitarbeiterschaft die Kleingruppen adäquat zu betreuen. Die Baugenehmigungen für das von DE’IGNIS geplante Klinikprojekt rückt nach Aussage des Bürgermeisters von Bytow in greifbare Nähe. Auch dies bedeutet, dass neue große Herausforderungen auf unseren DE’IGNIS Arbeitszweig in Polen zukommen. Für die offenen Türen dort sind wir sehr dankbar und sehen darin eine göttliche Bestätigung unseres Auftrages in diesem Land.

Spendenkonto: Christliche Stiftung DE‘IGNIS Polen, Sparkasse Pforzheim, Konto 7 260 512, BLZ 666 500 85

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Ania & Freunde Polnischer Lobpreis inklusive deutscher Übersetzung im Booklet 9,90 Euro Zu bestellen bei der Christliche Verlagsgesellschaft TABOR Fred-Hahn-Straße 32, 72514 Engelswies Tel. 0 75 75 - 9 25 07- 20, Fax 0 75 75 - 9 25 07- 19 E-Mail: info@tabor-verlag.de, www.tabor-verlag.de

Ambulante Therapie und Beratung DE´IGNISGesundheitszentrum Sommerstraße 1 72227 Egenhausen Telefon 0 74 53/93 91-0

Sylvia Haufe, Beratungsstelle Schützenallee 52 79102 Freiburg Telefon 07 61/7 07 75 01

DE´IGNIS-Wohnheim Fred-Hahn-Straße 32, 72514 Engelswies, Telefon 0 75 75/92 50 70

Magadalene Schnabel, Beratungsstelle Max-Liebermann-Straße 9 73257 Köngen/N. Telefon 0 70 24/8 68 91 69

Ulrike Hauer, Beratungsstelle Bitscher Straße 20 66996 Fischbach b. Dahn Telefon 0 63 93/56 86 Dorothea Reuther, Beratungsstelle Dillweißensteiner Straße 9 75180 Pforzheim Telefon 0 72 31/78 40 88-0 Katrin Lehmann & Annette Kuhn, Beratungsstelle Großenhainer Straße 137 01129 Dresden Telefon 03 51/8 43 87-77 Dr. med. Doris SchneiderBühler, Beratungsstelle Alpenstraße 13 78262 Gailingen Telefon 0 77 34/9 36 98 48

Erika Gesper, Beratungsstelle Alte Jakobstraße 75 10179 Berlin Telefon 0 30/27 59 17 82 Dr. B. Zeller, Praxis, Diplom-Psychologe Hohenheimer Straße 21 70184 Stuttgart Telefon 07 11/8 60 29 20 Lothar Gies, Noordlicht, Beratungsstelle Sailerstraße 2 26676 Barßel Telefon 0 44 99/9 26 99 77

Dr. med. Martina Dickhaut Ahornweg 2 25365 Kl. OffensethSpornieshoop Michael-Christian Diehl Friedhofstraße 10 35713 Eschenburg

Anna Beraldi Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Nußbaumstraße 7 80336 München

Marion Geißler, Beratungsstelle Elisabeth-Selbert-Straße 7 34253 Kassel-Lohfelden Telefon 05 61/8 20 33 68

Manfred Dersch Leiter des Missions- und Sozialwerks die Arche e.V. Mushecke 19 35216 Biedenkopf

Eva-Maria Löffler Pöhlauerstraße 18 08066 Zwickau

Dr. med. Sibylle Domnick-Lüdke Breite Straße 103 76135 Karlsruhe

Francesca Pellerito Beratungsstelle „Sonnenlicht“ Tulpenstraße 39 71394 Kernen i. R. (Stuttgart)

Gillian Flügel, B.A Am Bauschbergle 45 72108 Rottenburg-Dettingen

Heike & Mario Reinicke Am Hungerberg 4 36272 Niederaula

Ulrike Franke Beratungsstelle „Rundum“ Auf dem Graben 8 71083 Herrenberg

Bernita Schreiner Pappelweg 2 88697 Bermatingen

Dr. med. Jutta Günther Hermannstraße 23 75428 Illingen Dr. med. Kirsten Hautmann-Flesch Kalmitweg 53 67117 Limburgerhof

Christliche Therapeuten Andrea Herzog Susanne-Pfisterer-Straße 6 und Berater (DE´IGNIS): 69124 Heidelberg

Dagmar Göhring, Beratungsstelle Ulmenweg 22 88605 Meßkirch-Langenhart Telefon 0 75 70/95 19 67

Almut Lindgen Döbernstraße 10 25551 Hohenlockstedt

Charlotte Hummel Mühlhaldenstraße 12 70567 Stuttgart Karen Kammler 16727 Oberkrämer beratung-K@mmler.net Sabine Ley Drei Eichen 16 25368 Kiebitzreihe

Dr. med. Rosemarie Schultheiß Beratungsstelle „Wegweiser“ Talweg 19/1 72218 Wildberg/Sulz a. Eck Dr. med. Bernhard Stoll Beratungsstelle „Hosanna“ Feldstraße 77 45968 Gladbeck Inge Westermann, Perspektive Glauben und Leben Billunger Weg 25 26131 Oldenburg Elisabeth Wiedmann Amselweg 7 88271 Wilhemsdorf-Pfrungen


Fortsetzung von Seite 16

Doch die darauf folgenden Jahre erfüllten sich seine Wünsche an Gott nicht so wie er es sich vorgestellt hatte. Dies führte zu einer starken Sinnkrise in seinem Leben und er gab sich und sein Leben auf. Zu diesem Zeitpunkt in seinem Leben hätte er die Depression, die er als „erschlagend“ erlebte, mit aller Sinn- und Hoffnungslosigkeit als Endstation in seinem Leben bezeichnet. In dieser erneuten und für ihn eigentlich ausweglosen Krise war er irgendwann bereit, Antidepressiva einzunehmen. Diesen Umstand wird er später als Wende in seinem Leben bezeichnen. Es fällt ihm zunehmend leichter in Gesprächen seine Traumwelt anzusprechen und in seelsorgerlicher und therapeutischer Begleitung nach Lösungswegen zu suchen. Er beginnt, den Wunsch aufzugeben, dass Gott ihm seine Lasten schnell, effektiv und schmerzlos wegnehmen sollte und beginnt, sich seiner Lebensgeschichte mit der damit verbundenen Opferhaltung zu stellen – bei gleichzeitiger Hoffnung auf Zukunft. Hoffnung auf Sinn in seinem Leben. Hoffnung auf neue, kreative Lebensplanung. Und vor allem, Hoffnung darauf, andere loslassen zu können, ihnen vergeben zu können und selbst echte Vergebung annehmen zu können. Hoffnung darauf, endlich wertvoll zu sein. Hoffnung darauf, angenommen zu sein. Hoffnung auf gelebte Freundschaft. Hoffnungen, die er auf Jesus setzt und sich mit IHM auseinandersetzt. Diese Auseinandersetzungen empfindet er manchmal recht herb, manchmal sehr staunend, manchmal beschenkt, manchmal in sein bisheriges Verhalten zurückfallend, manchmal vernünftig, manchmal unvernünftig. Und manches Mal will er sich mit Jesus nicht auseinandersetzen, sondern möchte sich beschenken lassen. Diese Gnadenerlebnisse werden mehr und ermutigen ihn, Gott mehr und mehr zu vertrauen und Schritte in seinem Leben zu gehen, die er heute als wertvolle Erfahrungen beschreibt, die er ohne die Erfahrung der Endstation seines Erachtens nach nicht gehabt hätte. Heute möchte er sich weiterhin

der Realität stellen, auch wenn er diese oft als „eisigen Wind um seine Ohren“ empfindet. Im Nachhinein kann er sagen, dass alles Scheitern für ihn persönlich notwendig war, um zunächst durch das Zulassen von Medikamenten und seelsorgerlicher wie auch therapeutischer Hilfe wieder ins Leben zurückzufinden. Doch ohne seine persönlichen Erfahrungen mit Gott, ohne die Herzensberührung durch Gott und die daraus resultierende Herzensbeziehung mit IHM wäre nichts von all dem möglich geworden. Und nun noch ein kurzes drittes Beispiel. Eine Frau mittleren Alters, die bereits als junge Frau Klinikerfahrungen mit vorangegangenen Erfahrungen des Scheiterns machen musste, erlebt viele Jahre später einen erneuten Zusammenbruch nach einem ähnlichen Muster wie beim 1. Mal. Sie fühlte sich für alle und alles zuständig und zerbrach an diesem Anspruch. Es folgten Jahre, in denen sie mühsam für sich selbst buchstabierte was es heißt, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und obwohl sie sich ihren Lebensfragen stellte, folgte in einer Krise ein dritter

stationärer Aufenthalt. Dies war für sie die absolut erlebte Endstation und andere, sie begleitende Personen übernahmen es, weiterhin Hoffnung für sie und ihr Leben zu haben und ihr diese Hoffnung zuzusprechen. Auch für Menschen, die sie begleiteten war es eine schwierige Zeit und kaum jemand glaubte daran, dass sie wieder ein eigenständiges Leben würde führen können. Und doch – ganz langsam und behutsam konnte sie nach einer sehr langen Phase der Medikamenteneinstellung wieder beginnen, eigene Schritte zu gehen und selbst Hoffnung für ihr Leben nach dem dritten stationären Aufenthalt zu gewinnen. Begleitung durch verschiedene ärztliche Fachrichtungen und seelsorgerliche Hilfe haben ihr geholfen, wieder Fuß im Leben zu fassen. Bedeutung bekam unter anderem der Psalm 13 mit seinen 3 Abschnitten. Zunächst legt David in diesem Psalm schonungslos sein Leben mit allem Druck und Sinnfragen vor Gott hin, dann bittet er IHN um Hilfe und im dritten Abschnitt preist er Gottes Größe über seinen Leiderfahrungen und vertraut auf Gott mitten im Leid.

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Auch sie wurde in ihrer Leidbewältigung durch diese drei PsalmAbschnitte geführt. Sie lernte, dass für sie eine Gefahr darin bestand, im Selbstmitleid oder im Aufgeben stecken zu bleiben, wenn für sie der dritte Abschnitt des Psalms in ihrem Leben und ihren Gesprächen mit Gott fehlte. Sie weiß heute, dass es ihr wichtig ist, Gott auch über erlebtem Leid zu vertrauen. Auch für sie gab es diese erlebte Endstation und die Frage nach der wertvollen Erfahrung hätte ihr zu diesem Zeitpunkt bestimmt niemand gestellt. Heute hat sie die Frage nach der wertvollen Erfahrung angeregt, im Rückblick neu zu erkennen, auf was sie achten möchte, um Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Weiter machte ihr diese Frage Mut, sich immer wieder darauf zu stellen, dass sie es drei Mal geschafft hat, ihr Leben im Vertrauen auf Gott wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Abschließend möchte ich sagen, dass wir niemanden durch die Eingangsfrage „Depression – Endstation oder wertvolle Erfahrung“ auf die Endstation oder die wertvolle Erfahrung hin festlegen dürfen. In jedem Beispiel war die erlebte Endstation vorhanden. Jede der hier beschriebenen Personen erlebte in der Krise die Endstation und konnte erst viel später im Rückblick und nach einer gewissen positiven Verarbeitung sagen, dass sie durch die Krise eine wertvolle Erfahrung gemacht hat. In der erlebten und gelebten Endstation dürfen wir nicht nach den wertvollen Erfahrungen der Krise fragen. Aber wir dürfen als Begleiter Hoffnung haben und Hoffnung leben für die betreffende Person, die gerade Endstation pur erlebt. „Steh auf, nimm Dein Bett und geh“ – Tatsache ist, dass damals der bisher Gelähmte anschließend nicht versorgt war und keine berufliche „Zukunft“ hatte. Es darf angenommen werden, dass anschließend

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nicht alles wie geschmiert lief. Er war nicht mehr versorgt. Nichts lief mehr in geordneten Bahnen. Er war seiner Sicherheit beraubt. War jetzt die Heilung die wertvolle Erfahrung oder die Endstation? Ist der anschließende Zustand, das anschließende Leben wertvolle Erfahrung oder die Endstation? Wir wissen es nicht. Wir können es heute auch nicht beurteilen. Und so ist es auch in jedem einzelnen Fall heute. Wir können nicht beurteilen, welches die wertvolle Erfahrung und welches die Endstation im Leben einzelner Menschen ist. Das wird sich jeweils im Laufe der Zeit herauskristallisieren und zu verschiedenen Zeitpunkten wird ein und dieselbe Person bestimmt unterschiedliche Antworten auf diese Frage geben bzw. nur Teilaspekte der erlebten Depression als wertvolle Erfahrung einstufen können. Ich möchte mit dem was ich recherchiert habe, nochmals Hoffnung machen, dass es nicht nur die erlebte und gelebte Endstation gibt, sondern dass es sich lohnt zu hoffen und dass es Menschen gibt, die tatsächlich über ihre wertvollen Erfahrungen in, durch und nach einer Depression berichten.

waren die Depressionen und Ängste noch nicht verschwunden, aber ich hatte Menschen, die mit mir beteten und an mich und vor allem Gott glaubten, dass er das angefangene Werk vollenden wird. In dieser Zeit kam ich ins DE´IGNIS Wohnheim. Durch die Fürsorge der Mitarbeiter konnte ich wieder an die Liebe Gottes glauben. Dies führte dazu, dass ich meine Depression überwinden konnte. Seither sind fünf Jahre vergangen. Heute lebe ich wieder selbständig in meiner eigenen Wohnung und versuche jedenTag mit Gottes Hilfe mich in Dankbarkeit und Zufriedenheit zu üben und die Dinge zu tun, die anliegen. Dass ich als Tagesgast Anschluss an das Wohnheim habe, und auch noch therapeutisch begleitet werde, ist ein großes Geschenk. Ich weiß nicht was noch kommen wird, aber ich hoffe und will glauben, dass Gott mich auch da durchbringt. Bei Gott gibt es Hoffnung und keine hoffnungslosen Fälle. I. W. (Verfasserin der Redaktion bekannt) Dagmar Göhring

Wie ich im DE´IGNIS Wohnheim von Depressionen frei wurde Viele kindliche Traumata hatten mein Selbstwertgefühl und meine Lebensberechtigung in Frage gestellt. Ich habe viel ausprobiert – Partnerschaften und das Erfüllen von Wünschen. Zurück blieb eine Leere und das Gefühl zum Leben nicht zu taugen. Tiefe Depressionen, Ängste und zahlreiche Selbstmordversuche führten zu Psychiatrieaufenthalten und vielen Therapieversuchen. In einer schweren Beziehungskrise habe ich mich für den Glauben an Jesus Christus entschieden. Damit

Arbeitserzieherin, Christliche Therapeutin (DE’IGNIS), verheiratet mit Bernd, ist langjährige Mitarbeiterin im DE’IGNIS Wohnheim. Sie arbeitet dazu in ihrer Christlichen Beratungspraxis (DE’IGNIS).


zum thema

Behandlungsqualität in der DE´IGNIS-Klinik aus unabhängiger wissenschaftlicher Sicht Unter besonderer Berücksichtigung des Krankheitsbildes Depression VON DR. ROLF SENST

Qualitätsprofil 2007 (Katamnese)

Zusammenfassung

de'Ignis Fachklinik

Tabelle 12: Übersicht über die katamnestischen Ergebnisse risikoadjustierten) Vergleich zur Referenzgruppe ANALYSEN FÜR DIE GESAMTSTICHPROBE

++

+

im

direkten

(nicht

0

-

--

0

-

--

Patientenselbsteinschätzungen (HEALTH) Psychische und somatoforme Beschwerden (PSB)

Q

Interaktionelle Schwierigkeiten (INT)

Q

Psychisches Wohlbefinden (WOHL)

QS-Reha ist ein einrichtungsübergreifendes und vergleichendes Qualitätssicherungsverfahren, das im Auftrag der Spitzenverbände der Krankenkassen von der Abteilung für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (Leitung: Prof. U. Koch) entwickelt und durchgeführt wurde. Dieses Institut betreut auch das schon länger bestehende Qualitätssicherungs-Programm der Rentenversicherungen. Unsere Klinik hat bereits beim Pilotprojekt in den Jahren 2003/2004 und erneut 2007/2008 an QS-Reha teilgenommen. Das QS-Reha-Verfahren beinhaltet eine externe, klinikvergleichende Prüfung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität einschließlich der Patientenzufriedenheit. Die Mitarbeiter des Institutes kommen bei der Bewertung der Prozessqualität unserer Klinik zu dem Schluss:

Q

Selbstwirksamkeit (SELB)

Q

Lebensqualität (LEBQ)

Q

Aktivität und Partizipation (A&P)

Q

SUBGRUPPENANALYSEN

++

+

Depressive Patienten Depressivität (DEP)

Q

Angstpatienten Phobische Ängste (PHO)

Q

Somatoform erkrankte Patienten Somatoforme Beschwerden (SOM)

Q

Anmerkungen. + + = signifikant besser als der Durchschnitt der Referenzkliniken mit mindestens kleiner Effektstärke; + = signifikant besser als der Durchschnitt der Referenzkliniken, geringer als eine kleine Effektstärke; 0 = nicht signifikant abweichend; - = signifikant schlechter als der Durchschnitt der Referenzkliniken, geringer als eine kleine Effektstärke; - - = signifikant schlechter als der Durchschnitt der Referenzkliniken mit mindestens kleiner Effektstärke.

„Bezüglich der von den Peers vergebenen „Qualitätspunkte“ ergeben sich statistisch signifikante positive Abweichungen von dem Gesamtmittelwert der Vergleichskliniken in

nahezu allen Bereichen … und für den „Gesamten Rehaprozess“.“ (Ergebnisbericht zur Bewertung der Prozessqualität, 2007, S. 21)

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Qualitätsprofil 2007 (Katamnese)

Mittelfristige Ergebnisse

de'Ignis Fachklinik

In Ergänzung zur Darstellung des risikoadjustierten Vergleichs der Kliniken anhand der Katamnesewerte sind in der Abbildung 22 für die Patienten mit einer depressiven Störung die Effektstärken des prä-Katamnese-Vergleichs dargestellt. In der de'Ignis Fachklinik konnten im Vergleich zu den Referenzkliniken signifikant stärkere Verbesserungen in der Skala Depressivität (DEP) des HEALTH-Fragebogens nachgewiesen werden (F(1;953)=11,05; p=0,00; eta2=0,0115). Dieser Unterschied entspricht einer kleinen Effektstärke. Im Vergleich zur aufgrund des Case-Mix erwarteten Effektstärke (derw=0,89) fällt die erreichte Effektstärke (dist=1,00) nicht signifikant unterschiedlich aus (t(104)=1,35; p=0,18). Die zum Katamnesezeitpunkt für die de'Ignis Fachklinik ermittelte prä-KatamneseEffektstärke (d=1,00) liegt signifikant unter der zum Entlassungszeitpunkt gemessenen präpost-Effektstärke (d=1,25; t(104)=2,93; p=0,00).

gleich zum jeweiligen Erwartungswert stärkere Verbesserungen als dies aufgrund des Case-mix zu erwarten gewesen wäre … Im unadjustierten Vergleich mit den Referenzkliniken konnten vom Aufnahmezeitpunkt bis zum Zeitpunkt der Katamnese in allen Bereichen größere Verbesserungen beobachtet werden … In den störungsspezifischen Auswertungen finden sich im direkten (unadjustierten) Vergleich mit den Referenzkliniken signifikant stärkere Verbesserungen in der Untergruppe der depressiven Patienten ... Insgesamt ergibt sich zum Katamnesezeitpunkt somit für die untersuchten Patienten der DE’IGNIS-Fachklinik im Vergleich zu den Referenzkliniken ein äußerst positives Endresultat.“ (Ergänzender Ergebnisbericht zur Erhebung der mittelfristigen Ergebnisqualität, 2008, S. 51

Dr. med. Rolf Senst Abbildung 22: Erreichte und erwartete Effektstärken bezüglich der depressiven Symptombelastung für die Patienten mit einer depressiven Störung (HEALTH-DEP)

Bezogen auf die Patientenzufriedenheit und die Ergebnisqualität kommen die Wissenschaftler zu dem Fazit: „Im Bereich der Ergebnisqualität im engeren Sinne lassen sich in den störungsübergreifenden wie auch in den diagnosespezifischen Auswertungen in fast allen Bereichen überdurchschnittliche Behandlungsergebnisse nachweisen, die weitestgehend durch das Therapeutenurteil bestätigt werden. Insgesamt ergibt sich somit für die untersuchten Patienten der DE’IGNISFachklinik ein im Vergleich zu den Referenzkliniken sehr positives Resultat. Sowohl im Hinblick auf die Patientenzufriedenheit als auch im

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Hinblick auf die Behandlungsergebnisse zählt die DE’IGNIS-Fachklinik, wie auch schon in der Pilotphase des QS-Reha-Verfahrens, wieder zu den führenden Einrichtungen.“ (Ergebnisbericht zur Erhebung der Patientenzufriedenheit und der Ergebnisqualität, 2007, S. 131) Teil des QS-Reha-Verfahrens ist auch eine Untersuchung der Nachhaltigkeit der Behandlungsergebnisse ein halbes Jahr nach dem Ende der stationären Behandlung (6-Monatskatamnese). Das Institut bescheinigt unserer Klinik: „Für nahezu alle patientenseitig erhobenen Variablen fanden sich im risikoadjustierten Ver-

Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Rehabilitationswesen, Kinder- und JugendlichenPsychotherapeut, Chefarzt der DE´IGNIS Fachklinik gGmbH


zur diskussion

zur diskussion

Leser schreiben – DE’IGNIS Autoren antworten VON WINFRIED HAHN

Idea-Spektrum berichtete über den Diskussionsbeitrag „Burn-out: Trend oder echte Gefahr“ in unserer letzten Ausgabe. Es gab daraufhin sehr unterschiedliche Leserreaktionen. Aus Idea Spektrum 35/2008 Kostenlose Probehefte: Telefon 0 64 41/91 51 22, Fax 0 64 41/91 52 20 oder E-Mail vertrieb@idea.de

Pastor und Therapeut: Wenn es schick ist, ein Burn-out und einen Therapeuten zu haben

Man kann sich auch einreden, ausgebrannt zu sein Immer mehr Menschen fühlen sich „ausgebrannt“. Doch sind sie es alle auch tatsächlich? Manchmal wird zu Unrecht über ein drohendes Burn-out geklagt, schreibt der Pastor und Therapeut Winfried Hahn (Engelswies bei Sigmaringen) im Magazin der Therapieeinrichtungen der christlichen DE´IGNISGruppe. Nach seinen Worten können sich Mitarbeiter auch in ein Burn-out hineinreden. Wenn ständig über zu viel Arbeit gejammert, gestöhnt und geklagt werde, entstehe ein Arbeitsklima, das das Ausbrennen fördern könne. Er habe mitunter den Eindruck, dass es schick geworden sei, ein Burn-out und einen eigenen Therapeuten zu haben. Arbeit solle und dürfe Spaß machen und sei körperlich und seelisch „absolut förderlich und gesund“. Gefährdet für ein wirkliches Ausbrennen seien vor allem Menschen, die sich ständig überfordern, durch ihre Arbeit nach Anerkennung suchen oder Minderwertigkeitsgefühle kompensieren wollen. Hahn: „Wer sich selbst dazu verdammt, erfolgreich sein zu müssen, braucht sich nicht wundern, wenn er zusammenbricht.“ Hier könne

die christliche Botschaft eine echte Hilfe sein: „Gerade die Botschaft von dem bedingungslosen Angenommensein durch unseren himmlischen Vater befreit von dem inneren Druck, etwas Besonderes leisten zu müssen.“ Hahn räumt ein, dass es neben „inneren Antreibern“ auch „äußere Antreiber“ gebe, etwa Leistungsdruck im Beruf, Konkurrenzkampf unter Kollegen oder Existenzangst. In solchen Situationen brauche man viel Mut, um Grenzen zu setzen und einer Überforderung vorzubeugen. Wer dies nicht tue, opfere seine seelische Gesundheit der Karriere.

Zur DE´IGNIS-Gruppe gehören u. a. eine Fachklinik, ein Wohnheim, ein Institut und zwölf psycho-therapeutische Beratungsstellen. Ziel ist es, psychisch und psychosomatisch Erkrankten auf der Basis des christlichen Glaubens zu helfen.

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zur diskussion

Der Artikel „Brun-out – Trend oder echte Gefahr?“ aus dem DE´IGNISMagazin 35 vom Juli 2008 ist als Download unter www.deignis.de verfügbar.

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Aus etlichen Leserreaktionen greifen wir die nachfolgende heraus, weil sie bezüglich der geäußerten kritischen Gedanken und Anfragen als repräsentativ angesehen werden kann.

Lieber Herr Hahn, ich habe vor einigen Tagen in einer idea-Meldung mit dem Titel „Wenn Ausbrennen schick wird“ eine sicherlich verkürzte Version Ihres Artikels zum Thema Burn-out gelesen. Die Aussagen von Ihnen, die idea zitiert, haben mich irritiert und ehrlich gesagt auch verletzt und verärgert. Aber vielleicht wurden Ihre Aussagen auch lediglich verkürzt wiedergegeben und es sollte so gar nicht klingen ... Aber: Ich finde, dass die von Ihnen getätigten Aussagen zumThema „Burnout in frommen Kreisen“ in eine gefährlich harmlose Ecke schieben. Das Thema ist ein zu wichtiges, gerade weil in den letzten Jahren zigfach Mitarbeiter christlicher Werke und Organisationen ausbrennen und diese Tatsache dennoch gerne fromm verbrämt und grundsätzlich heruntergespielt wird. Was ich beobachtet habe ist vielmehr, dass in vielen Kreisen auf der Leitungsebene eine derart ungesunde Einstellung zu Freizeit und Erholung vorherrscht, dass es vollkommen kontraproduktiv ist, zu behaupten, die Leute, die von einem Burn-out betroffen sind, seien bloß Opfer ihrer eigenen mangelnden Organisation oder würden sich mit ihrer Jammerei selbst in den Burnout treiben. Ich selbst habe viele Jahre in einer christlichen Organisation gearbeitet und bin aufgrund chronischer Überlastung vor zwei Jahren endlich ausgestiegen. Doch die Jahre zuvor waren geprägt von dermaßen vielen Überstunden, dass mich trotz des Ausstiegs ein paar Wochen später ein böser Erschöpfungszustand/Burnout erwischte, von dem ich mich nun durch monatelange Therapie und mit Medikamenten so langsam wieder erholt habe.

Ich bin und war nicht die Erste, die wegen Überlastung die „Grätsche“ gemacht hat! Sondern ich beobachte das Ausbrennen engagierter Mitarbeiter durch alle frommen Fraktionen hindurch seit Jahren. Dabei ist das Problem häufig nicht bei den Angestellten zu suchen, die alle bloß ihr „mangelndes Selbstwertgefühl“ mit zuviel Arbeit zu kompensieren suchten, sondern es wird von Leitern schlichtweg eine ungesunde Einstellung verbreitet und ein absolut schlechtes Vorbild gegeben. Dabei werden körperliche und geistige Ressourcen der Mitarbeiter (und ihre eigenen) häufig ohne Rücksicht auf Verluste „ausgebeutet“ – alles natürlich „für den Herrn“. Sicher passiert das alles selten gewollt oder gar mit böser Absicht, und doch scheint mir hier der Blick für den Nachholbedarf im Sinne einer guten Fürsorgepflicht absolut zu fehlen! Hier aber wäre der Punkt, an dem angesetzt werden müsste. Denn es ist unendlich schwer – selbst wenn man die ersten ernsteren Überlastungsanzeichen bemerkt –, sich aus der Leistungs-Tretmühle zu befreien und nach 8 Stunden ohne schlechtes Gewissen nach Hause zu gehen, wenn der Chef und Kollegen stets 12 – 14 Stunden machen. Dass dabei oft Familie und Gesundheit auf der Strecke bleiben, scheint niemanden zu stören. Ich frage mich: was für ein Vorbild geben Christen ab, wenn sie zwar mit dem Mund bekennen, Leistung sei bei Gott nicht wichtig, aber so tun und handeln, als gäbe es kein Morgen? Beiträge wie der in idea bewirken meines Erachtens nur eins: sie schenken einmal mehr jenen die Absolution, die aufgrund mangelnder Leiterfähigkeit, ihres mangelnden Organisationstalent und ihres(!!) Ehrgeizes für den Burn-out vieler Mitarbeiter verantwortlich sind. Ungute Strukturen und falsche Denkweisen in kirchlichen Werken bleiben wie sie sind, Burn-out-Opfer tragen weiterhin den Stempel des „nicht-belastbaren Versagers“ und fertig. So war es und so wird es bleiben, wenn solche Beiträge die Runde machen. Dabei


wäre es, vielmehr ist es an der Zeit, dass endlich ein Umdenken und auch Buße stattfindet.Therapeuten wie Sie könnten dabei denen eine Stimme geben, deren Gutmütigkeit bis an die Grenzen ausgereizt wird und die selbst wenig Möglichkeiten haben, etwas zu verändern – es sei denn, sie zeigen sich selbst gegenüber Verantwortung und – … kündigen! Ich hoffe, Sie verstehen, was ich sagen wollte. Ich meine das alles durchaus produktiv und gar nicht böse. Ich finde nur, dass es an dieser Stelle noch viel zu tun gibt und wollte Ihnen ein ehrliches Feedback geben. Herzliche Grüße N.N.

Unser Autor Winfried Hahn antwortet:

Liebe Leserin! Vielen Dank für die offene, ehrliche aber auch kritische Reaktion und Auseinandersetzung mit demThema. Auch wenn Idea-Spektrum meinen Artikel aus dem DE’IGNIS-Magazin Nr. 35 nicht vollständig wiedergegeben hat, so gibt er dennoch die meinem Artikel zugrunde liegenden Gedanken richtig wieder. Ausgehend von Ihren persönlichen Erfahrungen schildern Sie in gut nachvollziehbarer Weise die Aspekte, die ich in meinem Artikel als äußere An-

treiber in Zusammenwirken mit den inneren Antreibern erwähnt habe (Übrigens sei hier noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass ich die Aussagen über innere und äußere Antreiber von Dr. Martin Grabe aus der Zeitschrift Psychotherapie und Seelsorge Nr. 03/2007, S. 27 ff. übernommen habe). Wie schwierig es sein kann, sich gegen äußere Rahmenbedingungen, die „Burn-out fördernd“ sind, zu stellen, beschreiben Sie in nachvollziehbarer Weise. Dass hier bei vielen Verantwortungsträgern, auch im christlichen Bereich, mehr Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen nötig ist, will ich gerne bestätigen. Dies ist ein berechtigtes Anliegen. Wie gesagt, wollte ich in meinem Artikel diesen Aspekten durch die Darstellung der durchaus für die seelische Gesundheit gefährlichen äußeren Antreibern Rechnung tragen. Allerdings gibt es mittlerweile auch die andere Seite. Wenn Freude und Bereitschaft zum Engagement und zur Übernahme von Verantwortung als Risikofaktoren bezüglich der seelischen Gesundheit bewertet werden, wenn engagierte Mitarbeiter davor gewarnt werden, sie sollen nicht so viel tun, weil sie sich in Burn-out-Gefahr begeben, wenn Verantwortungsträgern vorausgesagt wird „Pass auf, du kriegst bestimmt einen Burn-out, wenn jede depressive Verstimmung als Vorbote eines psychischen Zusammenbruchs und vorübergehende Stresssymptome als Anzeichen der nahenden Katastrophe interpretiert werden, dann wird diese mittlerweile weit verbreitete Angst vor Burn-out zum Leistungskiller. Diese mittlerweile weit verbreitete, verkürzte „Burn-out-Theorie“ oder vielleicht sollte ich sagen „Burn-out-Hysterie“ ist gefährlich, weil die Angst vor dem seelischen Zusammenbruch dem Aufbau von Bewältigungsstrategien in Krisenzeiten blockieren kann. Um den Herausforderungen unserer Zeit begegnen zu können, brauchen wir unbedingt die Bereitschaft, Engagement und Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Allerdings, und darauf haben Sie zurecht hingewiesen, mit

dem nötigen Mut bei tatsächlicher Überforderung rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und sich auch vor den unterschwelligen, mitunter christlich verbrämten Manipulationsversuchen bezüglich Überforderung zu schützen. Genauso wichtig wie die Förderung der Leistungsfähigkeit ist bei Verantwortungsträgern und Leitungspersonen die Sensibilität für und der Respekt vor den Grenzen ihrer Mitarbeiter. Dass auch in diesem Bereich noch mehr Bewusstsein für die Wahrnehmung dieser Aspekte geschaffen werden muss, gestehe ich Ihnen gerne zu. Hochachtungsvoll Ihr Winfried Hahn

Winfried Hahn

Pastor und Pädagoge. Vater von zwei erwachsenen Kindern. Er studierte Pädagogik und war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden. Als Christlicher Therapeut leitet er heute das DE’IGNISWohnheim – Haus TABOR zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung. Als Autor und Pastor im übergemeindlichen Dienst hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.

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zum thema

In guten wie in schlechten Tagen? Über die emotionale Situation von Angehörigen Depressiver VON SIMONE MARQUARDT

E

rst einmal: sie sind wichtig, die Angehörigen, sowohl für den Depressiven als auch für einen (positiven) Verlauf der Krise, und sie können sich nicht einfach aus der Situation herausnehmen, auch wenn sie in den Therapieprozessen oft „übersehen“ oder gar als Ursache der Depression interpretiert werden. Im Gegensatz zu den professionellen Helfern sind sie

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mit dem Kranken verheiratet, verwandt oder befreundet, und stehen plötzlich vor der Herausforderung, mit einer völlig anderen Situation umzugehen – und das meist 24 Stunden am Tag. Was dies auch emotional bei Angehörigen auslösen kann, und welche Möglichkeiten es gibt, aus emotionalen Fallen, die daraus entstehen können, herauszukommen, versuche ich im Folgenden zu schildern.

Wie Angehörige eine Depression erleben … Wenn ein Mensch an einer Depression erkrankt, wird die Situation für die Angehörigen zunehmend zu einer hochkomplexen und schwierigen Angelegenheit: auf der einen Seite sollen sie sich mit Interpretationen und Ratschlägen gegenüber dem Betroffenen zurückhalten, ihn in seiner Eigeninitiative unterstützen, ihm eine


Struktur (z. B. durch einen geregelten Tagesablauf) geben und auch für Stabilität (gleich bleibende Verhältnisse, Aufrechterhalten von Beziehungen etc.) sorgen, sie sollten bei allem geduldig und verständnisvoll sein und dem Betroffenen Rückhalt und Stärke geben – auf der anderen Seite dennoch die eigenen Interessen nicht vernachlässigen und für sich selbst sorgen. Alle diese Ratschläge haben ihre Berechtigung und sind wichtige Hilfestellungen für den Depressiven und auch die Angehörigen – die Schwierigkeit besteht aber wie so oft im Transfer auf die persönliche und emotionale Situation der Angehörigen – und in der Umsetzung. Während einer depressiven Episode werden Angehörige mit der Schatten-

seite der Sensibilität und einem ungekanntenTeil des vertrauten Menschen konfrontiert. Selbst sonst aktive und sozial zugewandte Menschen ziehen sich in der depressiven Phase in sich, sein Bett und endlose Grübeleien zurück. Tiefe Traurigkeit, Unruhe und quälende Gedanken, innere Leere und Hoffnungslosigkeit machen die Bewältigung des Alltags meist unmöglich, wofür sich der Depressive wieder verurteilt. Sowieso gelangt er bei dem Versuch, die Ursachen seiner Gefühle zu ergründen, immer wieder bei sich: er ist in seinen Selbstanklagenden und sich verurteilenden Gedanken gefangen, getrieben von Ängsten und Bedrohungsgefühlen und wird zunehmend unerreichbarer in seinen Tiefen wie eine in sich verschlossene Welt, die sich immer weiter vom Alltag und seinen Mitmenschen entfremdet. selbst wenn er die Inhalte seiner Gedanken äußert. Er kann kaum mehr ein Gegenüber sein – und somit fehlt auf einmal der Vater, die Mutter, der Partner/ die Partnerin. Die eigenen Kinder werden einem fremd und ihr Erleben nicht nachvollziehbar. Innerhalb der Familie verschieben sich durch diese Dynamik Rollen, und Lasten werden aufgenommen, die eigentlich zu groß für die Angehörigen sind. Während der Krise gibt es keinen Alltag mehr, und nichts, nicht einmal die einfachsten Tätigkeiten, sind mehr selbstverständlich. Der Schmerz, das mitzuerleben, ist immens. Und dennoch: es wird geschwiegen, schön geredet, sofern möglich die Fassade nach außen hin aufrechterhalten, die Krankheit versteckt oder heruntergespielt. Auch wenn die Depression inzwischen zur Volkskrankheit avanciert ist, ist es doch immer noch ein Tabu in der Gesellschaft, wenn man daran erkrankt. Irgendwann wird man dankbar für jede einigermaßen „normale“ Minute, in der ein Gespräch oder sogar eine gemeinsame Unternehmung möglich ist – und dankbar für Nähe, die nicht hilfloses Klammern ist. Es geschieht schleichend und vor allem schneller als man denkt, dass man nur noch auf den Betroffenen reagiert und mit ihm um ihn und die Depression kreist – sei es im

Wunsch und dem Bemühen, dem Betroffenen zu helfen oder die eigene Hilflosigkeit damit zu kompensieren. Dass es dabei immer schwerer wird, sich selbst und die eigenen Gefühle und Grenzen genau wahrnehmen zu können, ist nur eine Frage der Zeit: denn es kostet sehr viel Kraft, auch wenn man – zumindest nach dem eigenen Empfinden – eigentlich nichts tun kann. Die innere Verpflichtung ist aber dennoch da, auch wenn man eigentlich schon längst keine Kraft mehr hat. Und wenn man sich herausnimmt bzw. wenn es überhaupt möglich ist, geschieht es meist mit einem schlechten Gewissen und ohne die Möglichkeit, wirklich innerlich zu entspannen, zur Ruhe zu kommen und Kraft zu tanken. Die eigenen Gefühle und vor allem die Gefühle dem Depressiven gegenüber sind in sich widersprüchlich. Neben Loyalität und dem Wunsch, den Kranken zu unterstützen tauchen auch negative Gefühlen wie Wut, Hass, Sinnlosigkeit oder Resignation auf, die aber meist der eigenen Zensur zum Opfer fallen. Das ganze System ist schon instabil genug und darf dadurch nicht noch mehr ins Wanken gebracht werden.

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Gerade auf der Beziehungsebene geschehen die meisten, oft ungewollten Verletzungen. Beziehungen kosten Kraft, und die hat in dieser angespannten Situation kaum einer. Der Depressive spürt den Anspruch, den die Angehörigen – trotz aller Unterstützung und allem Verständnis - an ihn stellen, spürt aber auch, dass er ihm in keinster Weise gerecht werden kann. Was er ebenso wenig kann, ist über sich und seinen Überlebenskampf hinaussehen – und auch für alle Zwischenstufen des Fühlens oder Handelns, für alles Abwägen und differenzierte Entscheidungen fehlt die Kraft. In schweren depressiven Krisen kann es sogar soweit kommen, dass das Leben für die Angehörigen nur noch in Extremen abläuft: zwischen Bekämpft- und gleichzeitig vereinnahmt werden, zwischen totalem Rückzug oder Aggression, Distanz oder Intimität, Leben und Tod. Selbst wenn man als Angehöriger weiß, wie depressive Erkrankungen verlaufen können und welche Symptome dazugehören, selbst wenn man bereits mehrere depressive Phasen mit dem Betroffenen durchlebt hat, kommt doch immer wieder die Angst und oft auch das Gefühl von Scham mit dazu. Was, wenn der Betroffene suizidale Impulse wirklich umsetzt, es zu Suizidversuchen kommt? Was, wenn er tatsächlich in die Psychiatrie müsste?

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Wie erklärt man das Freunden, der Familie, Arbeitskollegen oder Bekannten? Was, wenn der Betroffene nicht mehr gesund oder erwerbsunfähig wird? Bisherige (existenzielle) Sicherheiten werden erschüttert, Beziehungen können unter dieser Belastung zerbrechen oder werden gelöst. Das kann sogar soweit gehen, dass Angehörigen am Ende lediglich das Gefühl bleibt, zum Überleben benutzt und dann weggeworfen zu werden – und das man am Ende doch gegen die Krankheit verloren hat.

Und danach … Den wenigsten Angehörigen gelingt es, nach Abklingen der depressiven Phase wieder zum Alltag überzugehen – und dort zu bleiben. Obwohl die Krise überstanden ist, beginnt erst dann – oder auch erst Monate später – ein langsames Realisieren, was denn eigentlich genau passiert ist. Oder es treten Erschöpfungszustände und Ängste auf, wieder in ähnliche Situationen zu kommen, denen man sich – trotz überstandener Krise – nicht gewachsen fühlt und man sich gerade dann dem Ganzen gegenüber hilflos fühlt. Es kann sogar zu Anpassungsstörungen oder Posttraumatischen Belastungsstörungen kommen. Generell finde ich es

wichtig, dass es Orte für Angehörige gibt, an denen ein offener Austausch über das Erlebte möglich ist, z. B. in Selbsthilfegruppen, beim Arzt, Sozialarbeiter oder Therapeuten. Es trägt viel zur inneren Stabilisierung bei, wenn ich weiß, dass es einen Raum und Verständnis für die eigenen Gefühle gibt, auch und gerade für die Gefühle, die sonst gar nicht in unser Weltbild passen. Hier können auch weitere und für die jeweilige Situation passende Bewältigungsstrategien erarbeitet werden. Ein realistisches Krankheitsverständnis ist ebenso ein sehr wichtiger Bestandteil der Angehörigenarbeit. Es trägt dazu bei, dass Angehörige Gefühle und Handlungsweisen des Kranken nachvollziehen und verstehen können, darf aber nicht dazu dienen, dass alle Verhaltensweisen des Depressiven damit („er ist halt krank, kann nichts dafür“) entschuldigt werden. Der Depressive kann in der Krise wirklich nicht anders handeln – aber trotz der Erkrankung gibt es so etwas wie Schuld, für die auch er in einem gewissen Maß Verantwortung trägt. Es ist auch wichtig, dass Angehörige ihre eigene Rolle oder Position definieren und ggf. Überverantwortung ablegen. In erster Linie


sollten Angehörige Angehörige bleiben dürfen und nicht die Rolle des Therapeuten übernehmen, auch wenn fachliches Wissen oft dazu beiträgt, Situationen besser einschätzen und verstehen zu können. Dennoch benötigt der Depressive in der Krise eher den Partner/die Partnerin als einen weiterenTherapeuten, selbst wenn die Gespräche am Küchentisch ähnlich klingen dürften wie in der Praxis des Psychiaters.

in Anspruch nehmen, Kontakt mit behandelnden Ärzten oder Therapeuten aufnehmen und – soweit möglich – mehr in die Behandlung miteinbezogen werden würden.

Hier stellt sich auch für die Angehörigen die Frage, welche Motivation hinter ihrem Handeln steckt: ist es die (übrigens sehr plausible und nachvollziehbare) Sehnsucht, etwas Kontrolle in der Situation zu behalten, oder der Wunsch, keine fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen? Des Weiteren ist es auch wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und zu vertreten. Es ist niemandem damit gedient, keine ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen oder einen akut suizidalen Angehörigen nur aus Schutz vor einer möglichen Stigmatisierung nicht in eine Klinik einweisen zu lassen.

Bei wiederkehrenden Krisen ist es oft hilfreich zu wissen, dass es trotz Frühwarnzeichen nicht unbedingt zu einer erneuten Katastrophe kommen muss. Depressionen verlaufen meist in ihrer Ausrichtung und von der Symptomatik her ähnlich, aber unterschiedlich schwer. Zudem besteht auch immer noch die Möglichkeit, dass der Depressive durch die Krisenzeiten reift und an innerer Stabilität gewinnt – was wiederum auch den Verlauf weiterer Krisen beeinflusst.

Belastbarkeit und persönliche Grenzen sind individuell verschieden, genauso wie der Verlauf und die Schwere einer depressiven Erkrankung. Niemand kann einem vorschreiben, bis zu welchem Grad man die Krise aushalten muss oder prognostizieren, wie der Verlauf derselben sein wird. Es wäre wünschenswert, dass Angehörige auch in diesem Bereich mehr Unterstützung bekommen oder Hilfe

Es geht in alledem nicht darum, dass Angehörige ihre eigene (Parallel-) Krise entwickeln, um sich aus der Verantwortung zu ziehen oder endlich auch einmal im Mittelpunkt zu stehen. Angehörigenarbeit verhindert auch nicht den Schmerz, wenn es zu einer erneuten Krise kommt. Sie soll aber dazu beitragen, dass Beziehungen erhalten bleiben und Verantwortung für den Betroffenen, die Beziehung und für sich selbst in einem guten

und sinnvollen Maß übernommen werden kann. Angehörigenarbeit hat in erster Linie zum Ziel, dass beide Seiten möglichst unbeschadet aus der Krise hervorgehen und ein Miteinander wieder möglich wird – für die guten Tage.

Simone Marquardt

29 Jahre, Dipl. Sozialpädagogin (BA), verheiratet, seit 1999 Mitarbeiterin im DE´IGNIS-Wohnheim.

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therapiegrundlagen

Wege aus der Depression

VON DR. MED. SAMUEL PFEIFER

Depressionen müssen kein unabänderliches Schicksal sein. Arzt und Seelsorger haben auch dem schwer Depressiven Hoffnung anzubieten. Selbst wenn der Depressive im Schatten des dunklen Tales keinen Ausweg aus seiner Lage sieht, so darf man ihm mit fester Überzeugung zusagen, dass es gangbare Wege aus der Depression gibt, ja daß auch der Weg durch die Dunkelheit für ihn zum Segen und zum persönlichen Wachstum dienen kann.

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Die Therapie der Depression kann in vier Gruppen unterteilt werden:

1. Gespräch 2. praktische Hilfe und Entlastung 3. allgemeine Aktivierung und Behandlung körperlicher Leiden

4. Medikamente Diese therapeutischen Zugänge ergänzen sich gegenseitig. Kein Weg sollte ohne die anderen beschritten werden. Bei leichten Depressionen kann auf Medikamente verzichtet werden, bei schweren Zustandsbildern sollte man immer den Arzt konsultieren.

Depressionen sind aber nicht nur Gefühlskrisen, sondern oft auch Glaubenskrisen. Eine seelsorgerliche Begleitung ist deshalb neben der ärztlichen Behandlung unerläßlich und zugleich erfolgversprechend, wenn der Betreuer weiß, auf welche Punkte er dabei achten muß und wo die Grenzen seiner Möglichkeiten liegen.

Hilfen zur Gesprächsführung Die Begleitung schwer depressiver Menschen stellt hohe Anforderungen an die Geduld und an unser Einfühlungsvermögen. Diese Eigenschaften sind für Gespräche mit Depressiven


unerläßlich. Im folgenden habe ich sieben Punkte zusammengestellt, auf die es im Gespräch zu achten gilt.

1. Nehmen Sie den depressiven

Menschen in seiner Krankheit und Not an und zeigen Sie ihm Ihre Bereitschaft, ihn in dieser schwierigen Zeit zu begleiten.

2. Besprechen Sie die auslösenden Ereignisse und die Lebensgeschichte mit dem Patienten. Geben Sie ihm die Gelegenheit, sein Herz auszuschütten.

3. Betonen Sie den günstigen Ver-

lauf des Leidens: die allermeisten Depressionen klingen nach einer gewissen Zeit wieder ab.

4. Erklären Sie ihm die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und schicken Sie den Patienten bei einer schweren Depression zum Arzt. 5. Ermutigen Sie den Ratsuchenden

und sprechen Sie ihm die Liebe Gottes zu, auch wenn er im Moment wenig davon spürt. Mit der Aufhellung der Depression wird auch sein Glaube wieder erstarken. Hilfreiche Bibelstellen finden sich in den Psalmen, aber auch in vielen biblischen Verheißungen.

Vermeidbare Fehler Das Gespräch mit Depressiven birgt auch Versuchungen und Fallen, die es zu vermeiden gilt. Zu den häufigsten Fehlern gehören die folgenden Punkte: Aufforderung, sich zusammenzureißen: Depressive Menschen stellen sich ohnehin schon selbst unter massiven Leistungsdruck und leiden an ihrem Versagen. Es bringt ihnen daher wenig, wenn sie auch noch vom Seelsorger, vielleicht sogar mit Bibelversen, unter Druck gesetzt werden. Freude kann man nicht einfach befehlen. In die Ferien oder zur Kur schicken: Schon in seiner gewohnten Umgebung ist es für den Patienten schwer, Kontakt mit andern aufzunehmen, das Schöne zu genießen und seinen Tag aus eigener Initiative zu füllen. Gerade das aber ist wird bei einem Ferienaufenthalt von ihm verlangt und gerät dem Kranken zur Überforderung. Wichtige Entscheide treffen lassen: In einer Depression kann der Patient seine Lebenssituation oft nicht angemessen bewerten. Er blickt ja durch die „schwarze Brille“. Seine Probleme

werden ihm zum Berg, und er unterschätzt seine Fähigkeiten. Entscheidungen während einer depressiven Phase werden nachher oft als falsch erkannt und bereut. Behaupten, es gehe schon besser: Für den Betreuer ist es oft schwer zu ertragen, dass es einem Depressiven von Woche zu Woche etwa gleich geht. Oft ist man dann in der Versuchung, ihn mit billigen Worten aufzumuntern. Doch gerade dann fühlt sich der Depressive nicht ernst genommen. Es ist besser, anzuerkennen, daß er noch immer durchs „dunkle Tal“ geht und ihm inmitten seiner Dunkelheit die Gegenwart Gottes zuzusprechen. Wahnideen anzweifeln: Manche Menschen leiden unter schwersten Schuld und Versagensideen. Kein Argument kann sie davon abbringen. Jeder Versuch, das Gegenteil zu beweisen, führt zu neuen „Bestätigungen“ des Wahns. Hier gilt es, Geduld zu haben und dem Leidenden mit Überzeugung die persönliche Wertschätzung durch den Seelsorger und die Gnade Gottes zuzusprechen. Oft gebe ich meinen Patienten das Wort mit: „Auch wenn unser Gewissen uns anklagt und schuldig spricht, dürfen wir darauf vertrauen, daß Gott größer

6. Bereiten Sie den Ratsuchen-

den auf zeitweise Stimmungsschwankungen vor. Ich sage meinen Patienten oft: „Der Weg aus der Depression ist mit vielen Schlaglöchern übersät und doch führt er nach oben, hinaus ans Licht.“

7. Haben Sie Geduld: Setzen Sie ein Therapieziel nach dem andern, damit der Patient immer wieder kleine Erfolge erlebt. Verlangen Sie nicht zuviel auf einmal! Denken Sie daran, daß gerade schwer depressive Menschen oft so eingeengt sind, daß sie seelsorgerlichen Zuspruch kaum wahrnehmen können.

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ist als unser Gewissen. Er kennt uns ganz genau.“ Dann schließe ich das Gespräch ohne weitere Diskussion ab und gebe einen neuen Gesprächstermin. Der Kranke braucht Zeit, um das Gehörte zu verdauen, auch wenn er noch viele „Wenn und Aber“ mit sich trägt. Zu starkes Eingehen auf die depressive Befindlichkeit: Der depressive Mensch ist oft völlig gefangen von seinen Sorgen und Ängsten. Die Gefahr ist groß, dass man sich von ihm in diese düstere Welt hineinziehen läßt und ganz vergißt, auch danach zu fragen, was er noch kann und was ihm Halt gibt. Gerade in den Psalmen finden wir den rechten Ausgleich. Immer wieder bricht das göttlichen „Dennoch“ herein in die persönliche Not des Beters und richtet seinen Blick nach oben. Geistliche Überforderung: Das Wort Gottes soll im Gespräch wie Salz in einer schmackhaften Speise sein. Ohne den Hinweis auf Gottes Zusagen wird Seelsorge zum faden Allerwelts Geplauder. Wo aber in der Fülle der

Bibelworte der Bezug zum Alltag und zum Leiden des Depressiven fehlt, da wird sie zum versalzenen Konzentrat. Ja, sie kann sogar beitragen zum Gefühl des Kranken, dass er Gottes Wort ja gar nicht mehr aufnehmen könne und deshalb verworfen sei. Der schwer Depressive neigt dazu, im intensiven Bibelstudium nur diejenigen Gedanken herauszulesen, die seine schwarze Sicht bestätigen. Die schönsten Verheißungen können in ihm nur noch den Gedanken wachrufen: „Für einen Sünder wie mich gilt dieses Wort nicht mehr!“ Und die Verzweiflung wächst. Deshalb rate ich schwer Depressiven bewußt, sie sollten sich nicht zu sehr in die Bibel vertiefen, sondern täglich nur einen Vers, vorzugsweise mit einer Auslegung in einem Andachtsbuch, lesen. Gottes Liebe ist nicht abhängig davon, wie viele Kapitel sie gelesen und wie viele Stunden sie im Gebet verbracht haben. Gott hält uns in seiner Hand, auch wenn uns die Kraft fehlt, uns an ihm festzuklammern.

Praktische Hilfen und Aktivierung Oftmals genügen Gespräche allein nicht. Der Seelsorger muß bereit sein, von den Höhen geistlichen Zuspruchs in die „Niederungen“ des Alltags herunterzusteigen und ganz praktische Hilfen zu vermitteln. Es gilt vielleicht, eine überforderte Hausfrau zu entlasten und einen Ferienaufenthalt für ihre Kinder zu arrangieren. Oder ein depressiver Mann muß dazu ermutigt werden, seine Vereinsaufgaben an andere abzugeben, bis er wiederhergestellt ist. Oft ist es wichtig, die Angehörigen einzuladen und mit ihnen zu besprechen, wie der oder die Kranke entlastet werden kann. Da kommt beispielsweise die Mutter einer Patientin zwei Tage in der Woche, um die Wäsche zu waschen und zu bügeln. Und der Ehemann packt etwas mehr im Haushalt an. So wird die Last auf mehrere Schultern verteilt. Auf seinem Weg zur Genesung muß der Depressive langsam wieder aktiviert werden. Arbeiten Sie mit ihm einen Tagesplan aus und ermutigen Sie ihn zu kleineren Aktivitäten. Regelmäßige Spaziergänge und etwas Sport regen den Kreislauf an und haben damit auch eine positive Auswirkung auf die Depression. Mit der Zeit beginnt der Depressive von selbst, wieder neue Aufgaben in Angriff zu nehmen. Je mehr sich die depressive Erstarrung löst, desto freier wird er, wie früher aktiv zu sein und sich an dem zu freuen, was er erreicht hat.

Hilfe durch Medikamente Seit rund 40 Jahren verfügt die Medizin über Medikamente, die eine Depression gezielt beeinflussen können. Man nimmt an, daß sie auf die Nervenübertragungs Stellen einwirken und zu einem neuen Gleichgewicht der Biochemie des Gehirns führen. Doch viele Fragen sind noch offen und bedürfen weiterer Forschung. Nicht jeder Depressive braucht unbedingt Medikamente. Bei leichteren bis mäßigen Depressionen kann man auf Medikamente verzichten,

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wenn die Betroffenen regelmäßig durch Gespräche begleitet werden. Bei schweren Depressionen hingegen sind die modernen Mittel eine enorme Hilfe zur Unterstützung der Gespräche mit dem Kranken. Oft werden die Patienten erst durch die Medikamente wieder soweit hergestellt, daß sie für ärztlichen und seelsorgerlichen Zuspruch offen sind. Mit den antidepressiven Medikamenten versucht der Arzt folgende Ziele zu erreichen: die Lösung innerer Nervosität und Verkrampfung die Verminderung lähmender Angstgefühle die Aufhellung der traurigen Stimmung die Wiederherstellung eines ausreichenden Schlafes die Erhöhung der Widerstandskraft gegenüber den Belastungen des Alltags die Verhinderung eines Rückfalls bei wiederkehrenden endogenen Depressionen und manisch depressiven Psychosen Persönlich bin ich davon überzeugt, dass die modernen Psychopharmaka auch für Christen eine wertvolle Hilfe zur Bewältigung der Depression sein können, wenn sie durch regelmäßige Gespräche und praktische Hilfen ergänzt werden.

Hilfe für den Seelsorger Die Depression eines Ratsuchenden bleibt nicht ohne Einfluß auf den Seelsorger. Er möchte dem Depressiven helfen und fühlt sich zum Teil für ihn verantwortlich. Wenn sich dann – wie so oft – kein sofortiger Erfolg einstellt, kann der Seelsorger von der Hoffnungs- und Hilflosigkeit des Ratsuchenden angesteckt werden. Die Gespräche werden zunehmend zu einer Belastung für ihn. Ich möchte deshalb am Schluss dieses Kapitels einige Hinweise geben, wie man dieser Entwicklung gegensteuern kann.

1. Behalten Sie die Fakten über die

Depression im Auge! Lassen Sie sich nicht von der momentanen Hoffnungslosigkeit des Patienten mitreißen!

2. Achten Sie nicht nur beim

Patienten, sondern auch bei sich selbst auf depressive Denkfehler. Stimmen Ihre Gedanken mit der Bibel und mit der Wirklichkeit überein?

3. Lernen Sie dem Leiden des Rat-

suchenden mit einer gesunden Sachlichkeit begegnen. Akzeptieren Sie beispielsweise Tränen als Zeichen für die innere Not. Begrenzen Sie bewußt die Zeit für ein Gespräch, sonst wird es für den Kranken und für Sie selbst zur Überforderung.

4. Übernehmen Sie nicht die Verant-

Eine Frau mit einer langdauernden Depression sagte mir vor kurzem: „Ich möchte diese Zeit nicht missen. Gott hat meine alte, stolze Natur zerbrochen und meinen Blick neu auf ihn ausgerichtet. In dieser Welt habe ich nichts, auf das ich mich verlassen kann, doch er bleibt fest. Manchmal habe ich Angst vor einer neuen Phase, Angst davor, dass mir meine Glaubensgewißheit wieder verdunkelt wird. Doch ich weiß, dass Gott mitkommt, auch wenn mein Weg wieder durch ein dunkles Tal führt.“

Dr. med. Samuel Pfeifer

wortung für Gedanken, Gefühle und Handlungen eines Patienten, die dieser selbst zu tragen hat. Sie können wohl Anstöße geben, aber eine Veränderung muß durch Gottes Gnade (und nach seinem Zeitplan) im Patienten vorgehen.

5. Setzen Sie sich nicht zu hohe

Therapieziele. Denken Sie daran: die Begleitung depressiver Menschen braucht viel Geduld und ist mit Rückschlägen verbunden.

6. Haben Sie den Mut, Ihre eigene

Hilflosigkeit einzugestehen, und besprechen Sie ihre Schwierigkeiten in der Begleitung eines depressiven Menschen mit einem anderen Seelsorger.

7. Nehmen Sie sich genug Zeit für

persönliche Gemeinschaft mit Gott und mit ihrer Familie. Pflegen Sie Kontakt mit Freunden, und gönnen Sie sich die Zeit für Hobby, Sport oder Musik.

Wohl die größte Ermutigung für jeden Arzt und Seelsorger ist es, wenn er von früheren Patienten hört, wie sie ihre Depression erlebt haben. Der innere Zerbruch durch eine schwere Depression führt oft zu einer vertieften Beziehung zu Gott und zum Wiederaufbau eines auch in der Not bewährten Glaubens.

ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Chefarzt der Psychiatrischen Klinik Sonnenhalde in Riehen bei Basel (Schweiz). Seine klinische Ausbildung in der Schweiz ergänzte er durch einen Studienaufenthalt in den USA, wo er sich besonders mit der Verbindung von Theologie und Psychologie beschäftigte. Seine Bücher wurden in zehn Sprachen übersetzt und machten ihn international bekannt. Sein besonderes Anliegen ist es, psychische Krankheiten allgemein verständlich zu machen und die Perspektiven der Seelsorge und einer fachgerechten Behandlung.

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