Die Publikation erscheint anlässlich des Galerienprojekts curated by_vienna, das von departure, dem Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien, koordiniert und gefÜrdert wird. This publication accompanies the gallery project curated by_vienna, which is coordinated and supported by departure, the creative unit of the Vienna Business Agency.
I n h a lt C o n t e n t s
6 Vorwort 8 Foreword Gerhard Hirczi 10 The Century of the Bed 18 Beatriz Colomina 24 Die gesellschaftliche Fabrik und ihre Architektur 30 The Factory of Society and Its Architecture Andreas Rumpfhuber
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Matteo Lucchetti Sleeping Producers Charim Galerie
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Carson Chan Surface Modeling Kerstin Engholm Galerie
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Alenka GregoriČ Points of View Galerie Ernst Hilger
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Kristina Scepanski Instrumental Assistance Galerie Andreas Huber
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Magalí Arriola Eine Maus, im Honigtopf ertrunken A Mouse Drowned in a Honey Pot Galerie Martin Janda
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Francesco Stocchi I Know Not to Know Georg Kargl Fine Arts
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Maja & Reuben Fowkes #underthestars Knoll Galerie Wien
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Luca Lo Pinto In Real Life Christine König Galerie
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Olga Sviblova CCC#3: Insignificant Alterations Krinzinger Projekte
36 Good Room—Bad Room 42 August Ruhs
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Rike Frank Shimmering Krobath Wien
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Egija Inzule Excerpts from How They Met. Part 1: Mother and Her House, SupaStore, The Issues of Our Time (1 & 3), Fille / Garçon, In the Middle of Affairs Galerie Emanuel Layr
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Basak Senova & Stephane Ackermann Um eine Drehachse Spinning on an Axis Mario Mauroner Contemporary Art
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Liam Gillick & Rachel Harrison International Company of Wagons Lit etc. etc. Galerie Meyer Kainer
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Sabeth Buchmann Ready to Sleep (Arbeitstitel) Galerie Mezzanin
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Philipp Kaiser Wake Up Early, Fear Death Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
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Moritz Küng Frauenzimmer ZWEI Galerie Raum mit Licht
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Dirck Möllmann Das kleine i The small i Gabriele Senn Galerie
185 Peter Stastny Gute Nacht, Herr Prokrustes Good Night, Mister Procrustes Galerie Steinek 193 Max Hollein Little Nemo Galerie Elisabeth & Klaus Thoman 201 Abigail Solomon-Godeau Sleepless Nights Galerie Hubert Winter
210 Curators' Biographies 216 Galerienübersicht Overview of Galleries 218 Impressum Imprint
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G e r h a r d Hi r c z i
Gerhard Hirczi ist seit 2009 Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Graz begann er 1985 seine berufliche Laufbahn in einem Wiener Consulting-Unternehmen. Es folgten Stationen in der Wirtschaftssektion des Bundeskanzleramtes und danach als wirtschaftspolitischer Berater im Kabinett des früheren Bundeskanzlers Franz Vranitzky. Von 1997 bis 2000 war Gerhard Hirczi als Generalsekretär der Siemens AG Österreich tätig, danach als Konzernpersonalleiter des Siemens-Clusters Zentral- und Osteuropa.
curated by_vienna intensiviert die Zusammenarbeit zwischen Wiener Galerien für zeitgenössische Kunst und international renommierten KuratorInnen. 2009 von departure, dem Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien, und ausgewählten ProtagonistInnen der lokalen Galerienszene initiiert, hat sich curated by_vienna mittlerweile als wichtiger Impulsgeber etabliert, der international Anerkennung genießt. departure unterstützt die mit curated by_vienna verbundenen Netzwerkaktivitäten in finanzieller wie organisatorischer Hinsicht und schafft damit einen identitätsstiftenden und qualitativen Mehrwert für den Wirtschaftsund Kunststandort Wien. Im Zentrum steht das Engagement der beteiligten Galerien und der von ihnen ausgewählten KuratorInnen. Für die Dauer des Projekts widmen sie sich einem gemeinsam mit departure definierten Thema. So einfach diese Rahmenbedingungen erscheinen, so besonders und herausfordernd sind sie: für die Galerien in erster Linie deshalb, weil sie sich durch ihre Teilnahme für ein Produktionsformat entscheiden, dessen ökonomischer Nutzen nicht notwendigerweise an erster Stelle steht. Die KuratorInnen, die ansonsten in Museen, Kunsthallen und Kunstvereinen oder der freien Szene arbeiten, stellen sich dagegen der Aufgabe, ihre Konzepte unter vielfach anderen institutionellen Rahmenbedingungen als gewohnt zu realisieren. Vor allem aber bietet der durch curated by_ vienna in Gang gesetzte Austausch zwischen den beteiligten GaleristInnen, KuratorInnen und Kunstschaffenden eine Grundlage für jene Bindungen, die für die Kommunikation über zeitgenössische Kunst
und das Wissen, das daraus entsteht, eine entscheidende Rolle spielen. Erst durch unterschiedliche Perspektiven kann ein facettenreiches großes Ganzes entstehen, das sich eindimensionalen Sichtweisen entzieht. So ist eine der herausragenden Qualitäten von curated by_vienna sicherlich das Aufzeigen einer unvergleichlichen Vielzahl von möglichen Annäherungen an ein Thema, wie es thematisch konzipierte Gruppenausstellungen in Museen oder Kunsthallen kaum zu leisten imstande sind. Impulsgebend für die diesjährige Ausgabe von curated by_vienna waren Überlegungen zu den Schnittstellen zwischen Kunst und Architektur. Für departure als Zentrum zur Vernetzung, Stärkung und Sichtbarmachung der kreativwirtschaftlichen Bereiche Architektur, Audiovision, Design, Kunstmarkt, Medien / Verlagswesen, Mode, Multimedia und Musik scheint der Blick, den die bildende Kunst auf ihre angewandte Schwesterdisziplin wirft, von besonderem Interesse. Außerordentlich freut und ehrt uns, dass wir für das diesjährige theoretische Konzept, das den beteiligten GaleristInnen und KuratorInnen als Grundlage für die inhaltliche Ausrichtung ihrer Ausstellungen diente, die international renommierte Architekturhistorikerin und -theoretikerin Beatriz Colomina gewonnen haben. Die Forschungsergebnisse der Professorin für Architektur und Gründungdirektorin des Lehrgangs Media and Modernity an der Princeton University fanden in der Vergangenheit ihren Niederschlag in breit rezipierten Publikationen und Ausstellungsprojekten. Eigens für curated by_vienna 2014 hat sie den titelgebenden Essay The Century of the Bed verfasst, der vor dem Hintergrund der Digitalisierung sämtli-
cher Lebensbereiche die intimste räumliche Einheit – das Bett – zum Schauplatz global vernetzter Aktivitäten erklärt. „Millionen verstreuter Betten übernehmen die Rolle verdichteter Bürogebäude. Das Boudoir schlägt den Turm. Vernetzte elektronische Techniken haben alle Schranken des im Bett Machbaren überwunden“, schreibt Beatriz Colomina in ihrem Aufsatz, der auch in dieser Publikation zu finden ist. Wir danken ihr, dass sie unsere Einladung zu curated by_vienna 2014 angenommen und mit ihrer Themenfindung den Anstoß dazu gegeben hat, dass in den insgesamt 20 Galerieausstellungen aktuelle gesellschaftliche Gegebenheiten sich nicht nur widerspiegeln, sondern darüber hinaus kritisch zur Diskussion gestellt werden. Zur Realisierung von curated by_vienna haben auch heuer wieder viele Beteiligte durch ihr außerordentliches Engagement beigetragen – Galerien, KuratorInnen und als Quelle aller Ausstellungsformate natürlich die KünstlerInnen. Ihnen allen gebührt unser besonderer Dank. In der vorliegenden Publikation erörtern der Architekt und Designforscher Andreas Rumpfhuber und der Psychoanalytiker August Ruhs die in Beatriz Colominas Konzepttext anklingenden architekturhistorischen, sozialen und psychologischen Voraussetzungen für curated by_vienna: The Century of the Bed. Wir wünschen allen LeserInnen eine aufschlussreiche Kataloglektüre und einen abwechslungsreichen Rundgang durch die Ausstellungen von curated by_vienna: The Century of the Bed.
Vorwort
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G e r h a r d Hi r c z i
Gerhard Hirczi has been Managing Director of the Vienna Business Agency since 2009. After completing his studies of Macroeconomics at the University of Graz he started his professional career in 1985 with a Viennese consulting company. After that he first joined the economic department of the Austrian Federal Chancellery and subsequently the Cabinet of the former Chancellor Franz Vranitzky. From 1997 to 2000 Gerhard Hirczi was Secretary General of Siemens Austria AG and later Head of Human Resources for Siemen’s CEE cluster.
curated by_vienna intensifies the cooperation between Viennese galleries for contemporary art and internationally renowned curators. Initiated in 2009 by departure—the Creative Unit of the Vienna Business Agency together with protagonists of the local gallery scene, curated by_vienna has meanwhile established itself as an event that provides important impetus and enjoys a high international reputation. departure provides both financial and organizational support to the network activities related with curated by_vienna, thus creating a sense of identity and generating added value for Vienna as a center for business and for the arts. The focus of curated by_vienna is on the joint commitment of the participating galleries and the curators who were invited to take part to dedicate themselves, for the duration of the project to a topic defined in cooperation with departure. These frame conditions seem to be simple, yet they are quite particular and all the more challenging. This is true for the galleries primarily because they have to decide on a production format whose economic benefit is not necessarily a top priority. And it is also true for the curators, who usually present their works in museums, exhibition halls, or art institutions. Here, they have to put their concepts into practice under quite different institutional conditions. But it is above all the mutual exchange triggered by curated by_vienna between the participating galleries, curators, and artists that creates the basis for this commitment which plays a decisive role both for the communication on contemporary art and the knowledge thus generated. A multifaceted bigger
picture that eludes a one-dimensional perception can only come into existence through the interaction of different perspectives. One of the distinguishing qualities of curated by_vienna is without any doubt the identification of an incredible multitude of possible approaches to a topic, which is hardly possible in the scope of thematic group exhibitions presented in museums or exhibition halls. This year’s edition of curated by_vienna was stimulated by considerations on the interface between art and architecture. From departure’s perspective—as a creative unit focusing on networking, strengthening and promoting the creative fields of architecture, art market, audio-vision, design, fashion, media / publishing, multimedia, and music—the look the fine arts are casting at the related field of applied arts is of particular interest. We are very pleased and honored that the internationally renowned architectural historian and theorist Beatriz Colomina has devised this year’s theoretical concept, which served the galleries and curators involved in the project as a basis for the thematic orientation of their exhibitions. The results of her research as Professor for Architecture and Founding Director of the Program in Media and Modernity at Princeton University have been presented in widely received publications and exhibition projects. For curated by_vienna 2014 she wrote the essay “The Century of the Bed” which gave this year’s event its name. Against the backdrop of the digitalization of all areas of life she describes the most intimate of private spaces—the bed—as a place of globally networked activities. In her essay, which is included in this publication, she writes: “Millions of dispersed
beds are taking over from concentrated office buildings. The boudoir is defeating the tower. Networked electronic technologies have removed any limit to what can be done in bed.” We express our thanks to Beatriz Colomina for accepting our invitation to take part in curated by_vienna 2014 and for selecting a topic which ensures that current social conditions will not only be reflected but also critically discussed in the 20 galleries participating in this year’s edition of the event. With their extraordinary commitment, a large number of persons have contributed to make curated by_vienna happen: galleries, curators, and— being the sources of all exhibition formats—of course the artists. Many thanks to all of them. The essays by architect and design researcher Andreas Rumpf and psychoanalyst August Ruhs lend substance to the architecture historical, social and psychological conditions mentioned by Beatriz Colomina in her concept for curated by_vienna: The Century of the Bed. We wish all the readers of this catalog enlightening reading and hope you will enjoy an exciting tour through the exhibitions of curated by_vienna: The Century of the Bed.
Foreword
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B e at r i z C o l o m i n a
Reklame für advertisement for Bluebeam Software, © Bluebeam Software, Inc., 2013
Beatriz Colomina ist eine international renommierte Architekturhistorikerin und -theoretikerin, deren zahlreiche Essays zu Architektur und Medien in über 25 Sprachen publiziert wurden. Sie ist Professorin für Architektur und Gründungsdirektorin des Lehrgangs Media and Modernity an der Princeton University. Zu ihren Publikationen zählen: Manifesto Architecture: The Ghost of Mies (2014), Clip /Stamp / Fold. The Radical Architecture of Little Magazines 196X–197X (2010), Domesticity at War (2007), Privacy and Publicity. Modern Architecture as Mass Media (1994) und Sexuality and Space (1992). Sie kuratierte die Ausstellungen Clip / Stamp / Fold. The Radical Architecture of Little Magazines 196X–197X (2006 im Storefront for Art and Architecture, New York, und danach in 11 Institutionen weltweit), Playboy Architecture, 1953–79 (2012 im NAi Maastricht, 2014 im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main) und Radical Pedagogies: Architectural Education in a Time of Disciplinary Instability (Lisbon Architecture Triennale 2013 und Architektur-Biennale von Venedig 2014)
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Einer heute wahrscheinlich überholten Schätzung folgend berichtete das Wall Street Journal im Jahr 2012, dass 80 Prozent aller jungen New Yorker Berufstätigen regelmäßig vom Bett aus arbeiten. Millionen verstreuter Betten übernehmen die Rolle verdichteter Bürogebäude. Das Boudoir schlägt den Turm. Vernetzte elektronische Techniken haben alle Schranken des im Bett Machbaren überwunden. Es geht aber nicht bloß darum, dass die neuen Medien das Bett-Büro ermöglicht haben, der Punkt ist vielmehr, dass sie im Hinblick darauf entwickelt wurden, den 100 Jahre alten Traum von der häuslichen Konnektivität für Millionen von Menschen Wirklichkeit werden zu lassen. Die Stadt ist ins Bett übersiedelt. Wie ist es dazu gekommen? In seinem berühmten Kurztext Louis-Philippe oder das Interieur schreibt Walter Benjamin über die Spaltung von Arbeit und Heim im 19. Jahrhundert: „Unter Louis-Philippe betritt der Privatmann den geschichtlichen Schauplatz. […] Für den Privatmann tritt erstmals der Lebensraum in Gegensatz zu der Arbeitsstätte. Der erste konstituiert sich im Interieur. Das Kontor ist sein Komplement. Der Privatmann, der im Kontor der Realität Rechnung trägt, verlangt vom Interieur in seinen Illusionen unterhalten zu werden. […] Dem entspringen die Phantasmagorien des Interieurs. Es stellt für den Privatmann das Universum dar. In ihm versammelt er die Ferne und die Vergangenheit. Sein Salon ist eine Loge im Welttheater.“1 Die Industrialisierung bringt die Einführung der Achtstundenschicht und führt zu einer radikalen Trennung von Heim und Büro / Fabrik, Ruhe und
Arbeit, Nacht und Tag. Die Postindustrialisierung lässt die Arbeit ins Heim zurückfallen, und dort weiter ins Schlafzimmer und ins Bett selbst. Phantasmagorien überziehen nicht mehr in Form von Tapeten, Stoffen, Bildern und Gegenständen den Raum. Sie liegen nun in den elektronischen Geräten. Das gesamte Universum konzentriert sich auf einen kleinen Schirm, und das Bett treibt in einem unendlichen Meer von Information. Sich hinlegen heißt nicht mehr zur Ruhe kommen, sondern sich bewegen. Das Bett ist jetzt Schauplatz des Handelns. Der freiwillige Invalide braucht keine Beine mehr. Das Bett ist zur ultimativen Prothese geworden, und eine ganze Industrie widmet sich heute der Aufgabe, Apparate bereitzustellen, die das Arbeiten im Liegen erleichtern: Lesen, Schreiben, Verfassen von Nachrichten, Aufzeichnen, Übertragen, Zuhören, Sprechen und natürlich Essen, Trinken, Schlafen, Mit-jemandem-Schlafen – Tätigkeiten, die in jüngster Zeit zur Arbeit gemacht worden zu sein scheinen. KellnerInnen in amerikanischen Restaurants fragen einen, ob man „noch daran arbeitet“, bevor sie einem den Teller oder das Glas wegnehmen. Und man kommt in den Genuss endloser Anleitungen, wie man an seinen persönlichen Beziehungen „arbeiten“ und das Geschlechtsleben mit seinem Partner „terminieren“ sollte. Für Millionen von Menschen ist Schlafen eindeutig harte Arbeit: Psychopharmakahersteller bringen Jahr für Jahr neue Medikamente auf den Markt, und eine Armee von SchlafexpertInnen bietet Rat, wie denn das sich anscheinend immer mehr entziehende Ziel zu erreichen sei – selbstverständlich alles im Namen höherer Produktivität. Alles, was im Bett passiert, ist zur Arbeit geworden.
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Diese Philosophie fand bereits in der Figur Hugh Hefners ihre Verkörperung, der bekanntermaßen sein Bett, geschweige denn sein Haus, kaum je verließ. Er verlegte sein Büro 1960 buchstäblich in sein Bett, als er in die Playboy-Villa am North State Parkway 1340 in Chicago übersiedelte, die er zum Mittelpunkt eines Weltreichs ausbaute und in der er Seidenpyjama und Schlafrock zu seiner Geschäftskleidung machte. „Ich verlasse das Haus überhaupt nicht!!! […] Ich bin ein moderner Einsiedler“, erzählte er Tom Wolfe und schätzte, dass er die Villa etwa dreieinhalb Monate zuvor zum letzten Mal verlassen hatte und in den beiden Jahren zuvor nur neunmal.2 Fasziniert beschrieb ihn Wolfe als „zart pochendes grünes Artischockenherz“3. Der Playboy machte das Bett zum Arbeitsplatz. Ab Mitte der 1950er-Jahre wurde es zusehends raffinierter, wurde, mit allen möglichen Unterhaltungs- und Kommunikationsgeräten ausgestattet, zum Kontrollzentrum. Das Magazin widmete der Gestaltung des perfekten Betts zahlreiche Artikel. Hefner stellte sich dafür mit seinem berühmten runden Bett in der Playboy-Villa in Chicago als Modell zur Verfügung. Präsentiert wurde das Bett erstmals 1962 in einem Bildbeitrag mit dem Titel „Playboy Townhouse“, der in Form von Plänen, Schnitten und Darstellungen der Leserschaft ein nicht verwirklichtes Projekt – ein Privathaus für Hefner – näherbrachte. Nicht zufällig war das einzige realisierte Element des Entwurfs das Bett, das dann in der Villa seinen Platz fand. Das Bett selbst war ein Haus. Die sich drehende und vibrierende Konstruktion war für den Mann, der es nie ver-
lassen wollte, mit einem kleinen Kühlschrank, einer Stereoanlage, einem Telefon, Aktenschränken, einer Bar, einem Mikrofon, einem Diktafon, Videokameras, Kopfhörern, einem Fernsehapparat, einem Frühstückstisch und Arbeitsflächen sowie Schaltern für alle Lichtanlagen ausgestattet. Das Bett war Hefners Büro, seine Geschäftsadresse, der Ort, an dem er Interviews gab, telefonierte, Bilder auswählte, Layouts korrigierte, Texte redigierte, aß, trank und sich mit Playmates beriet. Hefner war kein Einzelfall. Mitte des 20. Jahrhunderts war das Bett das ultimative amerikanische Büro. In einem 1957 in der Paris Review publizierten Interview fragte man Truman Capote nach seinen Schreibgewohnheiten: „Arbeiten Sie an einem Schreibtisch? Verwenden Sie eine Schreibmaschine?“ Capote antwortete: „Ich bin ein völlig horizontaler Autor. Ich kann nicht denken, wenn ich mich nicht hinlege, entweder ins Bett oder auf eine Couch, Zigaretten und Kaffee in Griffweite. Ich muss paffen und an etwas nippen. Im Lauf des Nachmittags steige ich von Kaffee auf Minztee, dann auf Sherry und schließlich auf Martini um. Nein, Schreibmaschine verwende ich keine. Nicht am Anfang. Die erste Fassung schreibe ich in Langschrift nieder. Auch die gesamte Überarbeitung erfolgt in Langschrift. […] Die dritte Fassung tippe ich auf gelbes Papier […]. Nein, ich verlasse das Bett dazu nicht. Ich balanciere die Schreibmaschine auf den Knien. Das funktioniert prima, ja. Ich kann so hundert Wörter pro Minute schreiben.“4 Im Tagesverlauf ändern sich Getränke, Papier und Schreibgeräte, nicht aber Capotes Aufenthaltsort im Bett.
Hugh Hefner bei der Arbeit Hugh Hefner at work, Chicago, 1966 © Burt Glinn / Magnum Photos / Agentur Focus
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Julia Scher, Always There—Surveillance Bed III, 1994–2000 Installationsansicht installation view Schipper & Krome, Berlin, 2000 Courtesy of Esther Schipper, Berlin, © Ilona Ripke, Berlin
Weltkarte der Facebook-User 2010 World Map of Facebook Users in 2010
Die Nachkriegsära weihte das Hochleistungsbett zum Mittelpunkt der Produktivität: Diese neue Form der Industrialisierung wurde in die ganze Welt exportiert und ist heute einer internationalen Armee verstreuter, aber miteinander verbundener ProduzentInnen zugänglich. Kompaktelektronik und zusätzliche Kissen haben der Rund-um-dieUhr-Generation eine neue Art von Fabrik ohne Wände geschaffen. Die Art der Ausstattung, die sich Hefner vorstellte (und die es damals – wie den Anrufbeantworter – teils noch gar nicht gab), wird nun für die Internet- und Social-Media-Generation erweitert, die nicht nur im Bett arbeitet, sondern dort auch gesellschaftlichen Verkehr pflegt, sich körperlich ertüchtigt, die Nachrichten liest und sexuelle Beziehungen zu Menschen unterhält, die kilometerweit von diesem Bett entfernt sind. Die PlayboyFantasie vom netten Mädchen von nebenan wird heute eher mit jemandem von einem anderen Kontinent als aus demselben Haus oder der Nachbarschaft Wirklichkeit, mit jemandem, den man nie zu Gesicht bekommen hat und auch nie zu Gesicht bekommen wird und von dem niemand weiß, ob es ihn überhaupt gibt, ob ihm eine Existenz in Raum und Zeit zukommt – oder ob er ein elektronisches Konstrukt ist. Ist das wichtig? In dem Film Her, einer berührenden Schilderung des Lebens im Stadium des Weichen und Uterinen, das eine Folge der neuen mobilen Technologien ist, erweist sich ein Betriebssystem namens Samantha als Partnerin, die mehr Zufriedenheit gewährt als ein realer Mensch. Der Protagonist liegt mit Samantha im Bett, unterhält sich, diskutiert und schläft mit ihr.
Wenn Jonathan Crary zufolge der Kapitalismus das Ende des Schlafs bedeutet, weil er jede Minute unseres Lebens für Produktion und Konsumtion kolonisiert,5 entpuppt sich das Tun des freiwilligen Einsiedlers letzten Endes als gar nicht so freiwillig. An dieser Stelle ist vielleicht anzumerken, dass der Kommunismus eigene Ideen zum Verhältnis von Bett und Arbeitsplatz entwickelte. 1929, auf dem Höhepunkt von Stalins erstem Fünfjahresplan, veranstaltete die Sowjetregierung vor dem Hintergrund eines verlängerten Arbeitstags und der massenhaften Erschöpfung der gegen rückläufige Produktionsquoten kämpfenden FabrikarbeiterInnen einen Wettbewerb zum Thema einer neuen Stadt der Ruhe für 100.000 ArbeiterInnen. Konstantin Melnikow präsentierte seine Sonate des Schlafs als innovativen Gebäudetypus für kollektives Schlafen: Die mit Motoren ausgestatteten Betten sollten die ArbeiterInnen in die Bewusstlosigkeit schaukeln, schräge Böden Kissen überflüssig machen Schlafwächter an zentralen Kontrollstationen sollten zur Schlafoptimierung Temperatur, Feuchtigkeit und Gerüche sowie Geräusche regulieren. Die Anregung zu dieser Lösung kam – symptomatisch – aus den Vereinigten Staaten. Melnikow hatte über eine Militärakademie in Pensacola in Florida gelesen, in der man schlafenden Kadetten Sprachunterricht erteilte. Schlaf war ein Moment des industriellen Prozesses geworden. In der heutigen Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom-Gesellschaft haben wir entdeckt, dass wir in kurzen, von Pausen unterbrochenen Schüben am besten arbeiten. Viele Firmen stellen ihren
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MitarbeiterInnen in den Büros zur Maximierung der Produktivität Schlafkojen zur Verfügung; Bett und Büro sind in der Rund-um-die-Uhr-Welt nie weit voneinander entfernt. Man hat für Büroräume spezielle Betten entwickelt, die sich in dicht verschlossene Kapseln, gewissermaßen Miniraumschiffe, verwandeln, die man einzeln, übereinander oder zum Zweck synchronen Schlafens nebeneinander aufstellen kann und die eher als Teil der Arbeit denn als ihr Gegenteil zu verstehen sind. Zwischen dem im Büro installierten Bett und dem im Bett installierten Büro hat sich eine eigene horizontale Architektur breitgemacht. Verstärkt wird sie durch die „flachen“ Netzwerke der Social Media, die ihrerseits mit dem Zusammenbruch traditioneller Unterscheidungen zwischen privat und öffentlich, Arbeit und Spiel, Ruhe und Tun völlig in die berufliche, geschäftliche und industrielle Umgebung integriert worden sind. Die Betten mit ihren immer raffinierteren Matratzen, Bespannungen und technischen Zusätzen sind Grundlage eines intrauterinen Environments, das ein Gefühl des Tiefdrinnen-Seins mit dem Gefühl höchsten Verbundenseins mit draußen vereint. Nicht zufällig glich Hefners rundes Bett einer fliegenden Untertasse, die wie im All in einem Raum ohne Fenster schwebte, wobei der oben hängende Fernsehapparat den Bezug zum Planeten Erde herstellte. Es ist ein Kreis, das klassische Bild des Universums. Das Bett von heute ist auch zu einem tragbaren Universum mutiert, das mit jeder nur möglichen Kommunikationstechnologie ausgerüstet ist. Eine Fantasie der Jahrhundertmitte ist für die Massen zur Realität geworden.
Wie ist es um die Architektur dieses neuen Raums dieser neuen Zeit bestellt? In den 1960erund 1970er-Jahren befassten sich experimentelle ArchitektInnen mit der Ausstattung der neuen mobilen NomadInnen und entwarfen eine ganze Galaxie von leichten, tragbaren Interieurs mit weichen, sich neigenden Räumen als Herzstück eines Komplexes prothetischer Erweiterungen. Man kann alle diese Projekte als Hochleistungsbetten inklusive Medien, künstlicher Atmosphäre, Farbe, Licht, Geruch usw. verstehen – als psychedelische Popvarianten von Melnikows Entwurf, in denen die ArbeiterInnen nun in der Kontrollkabine schlafen. Reyner Banham schrieb ebenso über die nackte, in einer pelzgefütterten Blase durch den Raum fliegende Jane Fonda wie voller Begeisterung über die Architektur des Playboy. Hans Holleins Mobiles Büro aus dem Jahr 1969 zeigte, dass das Büro überall sein konnte, sogar in der kleinsten temporären Blase. Im März des gleichen Jahres veranstalteten John Lennon und Yoko Ono auf ihrer Hochzeitsreise im Amsterdamer Hilton ein einwöchiges Bed-In für den Frieden. Die Idee leitete sich von den Sit-in-Protesten ab und sollte auf gewaltlose Weise Einspruch gegen den Krieg erheben und den Weltfrieden fördern. „Make love, not war“, lautete damals das Motto, doch zur Enttäuschung der JournalistInnen trugen John und Yoko Pyjamas und saßen alles andere als nackt – wie Engel, so Lennon – im Bett. Damit hatte das Bett die Straße als Ort des Protests abgelöst. John Lennon und Yoko Ono luden die aus der ganzen Welt angereisten Presseleute jeden Tag zwischen 9 und 21 Uhr zu sich ins Zimmer und behandelten das Bett als Büro, in dem sie arbeiteten, während
John Lennon und Yoko Ono am ersten Tag ihres Bed-In for Peace im Hilton Amsterdam, 25. März 1969 John Lennon and Yoko Ono at the first day of their Bed-In for Peace in the Amsterdam Hilton Hotel, March 25, 1969 Nationaal Archief, Den Haag
JournalistInnen herein- und Bilder hinausströmten. Was ist die Natur dieses neuen Interieurs, das kollektiv zu beziehen wir uns entschieden haben? Wie sieht die Architektur dieses Gefängnisses aus, in dem es zwischen Nacht und Tag, Arbeit und Spiel keinen Unterschied mehr gibt und wir permanent unter Aufsicht sind, obgleich wir in der Kontrollkabine schlafen? Die neuen Medien machen uns alle zu ständig überwachten InsassInnen, auch wenn wir die grenzenlose Konnektivität feiern. Wir alle sind zu „modernen Einsiedlern“ geworden, wie Hefner es vor einem halben Jahrhundert ausgedrückt hat. Julia Schers radikales, von Kameras und Monitoren komplett eingepacktes Surveillance Bed von 1995 ist heute keine Kunst mehr. Es ist die Norm. Dieses kuratorische Projekt begann mit Gedanken zu den vielen verschiedenen Rollen des Betts im vergangenen Jahrhundert: von dem mit weißen Fellen bedeckten Bett von Adolf Loos’ Schlafzimmer für seine junge Frau und Sigmund Freuds Diwan über das Tuberkulosebett in Sanatorien, das Playboy-Bett, die mit Reißverschlüssen ausgestatteten Schlafsäcke in Raumkapseln und die radikalen nomadischen Blasen der experimentellen ArchitektInnen der 1960er-Jahre bis zu Barbarellas fliegendem Bett und den Kurzschlafschalen von heute … Das Bett als einer der kritischsten Orte sozialer, kultureller, künstlerischer, psychischer, medizinischer, sexueller und wirtschaftlicher Transaktionen darf nicht länger unberücksichtigt bleiben. In Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften sagt Ulrich einmal: „Der moderne Mensch wird in der Klinik geboren und stirbt in der Klinik: also soll er auch wie in einer Klinik
wohnen! – Diese Forderung hatte soeben ein führender Baukünstler aufgestellt […].“ Was würde Ulrich wohl heute sagen?
1 Walter Benjamin, „Louis-Philippe oder das Interieur“, in: ders., Das Passagen-Werk, hg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1983, Bd. 1, S. 52. 2 Vgl. Tom Wolfe, „King of the Status Dropouts“, in: ders., The Pump House Gang, New York: Farrar, Straus & Giroux 1965; dt.: Das silikongespritzte Mädchen und andere Stories von Amerikas rasendem Pop-Reporter, übers. v. Gustav K. Kemperdick, Reinbek: Rowohlt 1976. 3 Ebd., S. 63. 4 „Truman Capote, The Art of Fiction No. 17“, Truman Capote im Interview mit Patti Hill, in: The Paris Review, Nr. 16, Frühjahr / Sommer 1957. 5 Vgl. Jonathan Crary, 24/7. Late Capitalism and the Ends of Sleep, London / New York: Verso 2013.
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Aufblasbares Anzughaus, 1968, letzte Phase des Aufblasvorgangs Inflatable Suit-Home, 1968, final stage of sequence of suit being inflated from package to home, David Greene (Anzug von Pat Haines, basierend auf dem Projekt Suitaloon von Michael Webb suit made by Pat Haines based on the Suitaloon project by Michael Webb), © Archigram, 1968 Foto photo: Archigram Archives, 2014
Beatriz Colomina is an internationally renowned architecture historian and theorist who has written extensively on questions of architecture and media and whose work has been published in over 25 languages. She is Professor of Architecture and Founding Director of the Program in Media and Modernity at Princeton University. Her numerous books include Manifesto Architecture: The Ghost of Mies (2014), Clip / Stamp / Fold. The Radical Architecture of Little Magazines 196X–197X (2010), Domesticity at War (2007), Privacy and Publicity: Modern Architecture as Mass Media (1994) and Sexuality and Space (1992). She is curator of the exhibitions Clip / Stamp / Fold. The Radical Architecture of Little Magazines 196X–197X“ (which opened at Storefront for Art and Architecture, New York, 2006, and has travelled to 11 venues worldwide), Playboy Architecture, 1953–79 (which opened at NAi Maastricht, 2012 and has been on show at the Deutsches Architekturmuseum in Frankfurt am Main in 2014), and Radical Pedagogies: Architectural Education in a Time of Disciplinary Instability (Lisbon Triennale, 2013 and Venice Biennale, 2014).
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In what is probably now a conservative estimate, The Wall Street Journal reported in 2012 that 80 percent of young New York City professionals work regularly from bed. Millions of dispersed beds are taking over from concentrated office buildings. The boudoir is defeating the tower. Networked electronic technologies have removed any limit to what can be done in bed. It is not just that the bed / office has been made possible by new media. Rather, new media is designed to extend a one hundred-year-old dream of domestic connectivity to millions of people. The city has moved into the bed. How did we get here? In his famous short text “Louis-Philippe, or the Interior,” Walter Benjamin wrote of the splitting of work and home in the nineteenth century: "Under Louis-Philippe, the private citizen enters the stage of history … For the private person, living space becomes, for the first time, antithetical to the place of work. The former is constituted by the interior; the office is its complement. The private person who squares his accounts with reality in his office demands that the interior be maintained in his illusions … From this spring the phantasmagorias of the interior. For the private individual the private environment represents the universe. In it he gathers remote places and the past. His drawing room is a box in the world theater."1 Industrialization brought with it the eight-hour shift and the radical separation between home and office / factory, rest and work, night and day. Post-industrialization collapses work back into the home and takes it further into the bedroom and into the bed itself. Phantasmagoria is no longer lining the
room in wallpaper, fabric, images, and objects. It is now in the electronic devices. The whole universe is concentrated on a small screen with the bed floating in an infinite sea of information. To lie down is not to rest but to move. The bed is now a site of action. But the voluntary invalid has no need of their legs. The bed has become the ultimate prosthetic and a whole new industry is devoted to providing contraptions to facilitate work while lying down: reading, writing, texting, recording, broadcasting, listening, talking, and of course, eating, drinking, sleeping, or making love—activities which seem to have been turned into work itself of late. Waiters in restaurants in the United States ask if you are “still working on that” before removing your plate or your glass. And endless advice is being dispensed about how to “work” on your personal relationships, or to “schedule” sex with your partner. Sleeping is definitely hard work, too, for millions, with the psycho-pharmaceutical industry providing new drugs every year and an army of sleep experts providing advice on how to achieve this apparently ever more elusive goal—of course, all in the name of higher productivity. Everything done in the bed has become work. This philosophy was already embodied in the figure of Hugh Hefner, who famously almost never left his bed, let alone his house. He literally moved his office to his bed in 1960 when he moved into the Playboy Mansion at 1340 North State Parkway, Chicago, turning it into the epicenter of a global empire and his silk pajamas and dressing gown into his business attire. “I don’t go out of the house at all!!! … I am a contemporary recluse,” he told Tom Wolfe, guessing that the last time he was out had been
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three and a half months before and that in the last two years he had been out of the house only nine times.2 Fascinated, Wolfe described him as “the tender-tympany green heart of an artichoke.”3 Playboy turned the bed into a workplace. From the mid-1950s on, the bed became increasingly sophisticated, outfitted with all sorts of entertainment and communication devices as a kind of control room. The magazine devoted many articles to the design of the perfect bed. Hefner acted as the model with his famous round bed in the Playboy Mansion in Chicago. The bed was first introduced as a feature in the “Playboy Townhouse” article of 1962, which presented a detailed unrealized project in plans, sections, and renderings that had been originally commissioned to be Hefner’s own house. Not by chance, the only piece of the design to be realized was the bed, which was installed in the Mansion. The bed itself was a house. Its rotating and vibrating structure was packed with a small fridge, hi-fi, telephone, filling cabinets, bar, microphone, Dictaphone, video cameras, headphones, television, breakfast table, work surfaces, and control for all the lighting fixtures, for the man who never wanted to leave. The bed was Hefner’s office, his place of business, where he conducted interviews, made his phone calls, selected images, adjusted layouts, edited texts, ate, drank, and consulted with playmates. Hefner was not alone. The bed may have been the ultimate American office at mid-century. In an interview in the Paris Review in 1957, Truman Capote was asked: “What are some of your writing habits? Do you use a desk? Do you write on a machine?” To which he replied:
"I am a completely horizontal author. I can’t think unless I’m lying down, either in bed or stretched on a couch and with a cigarette and a coffee handy. I’ve got to be puffing and sipping. As the afternoon wears on, I shift from coffee to mint tea to sherry to martinis. No, I don’t use a typewriter. Not in the beginning. I write my first version in longhand. Then I do a complete revision, also in longhand … Then I type a third draft on yellow paper … No, I don’t get out of bed to do this. I balance the machine on my knees. Sure, it works fine; I can manage a hundred words a minute."4 From morning to afternoon to evening, the drinks, the paper, the equipment changed but his position on the bed did not. The postwar era inaugurated the high-performance bed as an epicenter of productivity: a new form of industrialization which was exported globally and had now become available to an international army of dispersed but interconnected producers. A new kind of factory without walls was constructed by compact electronics and extra pillows for the 24/7 generation. The kind of equipment that Hefner envisioned (some of which, like the answering machine, didn’t yet exist) has now been expanded for the Internet and social media generation, who not only work in bed but socialize in bed, exercise in bed, read the news in bed, and entertain sexual relationships with people miles away from their beds. The Playboy fantasy of the nice girl next door is more likely realized today with someone in another continent than in the same building or neighborhood—a person you may have never seen before and may never see again, and it is anybody’s guess if she is real, existing in
Jane Fonda als Barbarella im gleichnamigen Film von Roger Vadim Jane Fonda as Barbarella in the eponymous film by Roger Vadim, 1968.
some place and time, or an electronic construction. Does it matter? As in the recent film HER, a moving depiction of life in the soft, uterine state that is a corollary to our new mobile technologies, there is an operating system named Samantha that turns out to be a more satisfying partner than a person. The protagonist lies in bed with Samantha, chatting, arguing, making love. If, according to Jonathan Crary, capitalism is the end of sleep, colonizing every minute of our lives for production and consumption,5 then the actions of the voluntary recluse are not so voluntary in the end. It may be worth noting that communism had its own ideas of bringing the bed to the workplace. In 1929, at the height of Stalin’s first five-year plan, with the working day extended and mass exhaustion of factory workers playing out in the face of staggering production quotas, the Soviet government organized a competition for a new city of rest for 100,000 workers. Konstantin Melnikov presented the “Sonata of Sleep,” a new building type for collective sleep, with mechanized beds rocking the workers to unconsciousness and slanted floors to eliminate the need for pillows. Centralized control booths with sleep attendants would regulate temperature, humidity, smell, and even sounds to maximize sleep. The inspiration was symptomatically American. Melnikov had read about a military academy in Pensacola, Florida, that taught language to sleeping cadets. Sleep itself had become part of the industrial process. In today’s attention-deficit-disorder society, we have discovered that we work better in short bursts punctuated by rest. Today many companies provide
sleeping pods in the office to maximize productivity. Bed and office are never far apart in the 24/7 world. Special self-enclosed beds have been designed for office spaces, turning themselves into compact sealed capsules—mini space ships that can be used in isolation or gathered together in clusters or lined up in rows for synchronized sleep—and understood to be part of work rather than its opposite. Between the bed inserted in the office and the office inserted in the bed a whole new horizontal architecture has taken over. It is magnified by the “flat” networks of social media that have themselves been fully integrated into the professional, business, and industrial environment in a collapse of traditional distinctions between private and public, work and play, rest and action. The bed itself with its ever more sophisticated mattress, linings, and technical attachments is the basis of an intrauterine environment that combines the sense of deep interiority with the sense of hyperconnectivity to the outside. Not by chance, Hefner’s round bed was a kind of flying saucer hovering in space in a room without windows, as if in orbit, with the TV hanging above as the reference to planet earth. It was a circle, the classical image of the universe. The bed today has also become a portable universe, equipped with every possible technology of communication. A midcentury fantasy has turned into a mass-reality. What is the architecture of this new space and time? In the 1960s and 1970s, experimental architects devoted themselves to the equipment of the new mobile nomads in a whole galaxy of lightweight, portable interiors with soft reclining spaces as the core of a complex of prosthetic extensions.
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All of these projects can be understood as highperformance beds complete with media, artificial atmospheres, color, light, smell … a kind of psychedelic-pop Melnikov with the worker now sleeping inside the control booth. Reyner Banham wrote about naked Jane Fonda flying through space in her fur-lined horizontal bubble in the same breath that he enthusiastically embraced the architecture of Playboy. Hans Hollein’s Mobile Office of 1969 showed that the office could be anywhere, defined only by the thinnest temporary bubble. In the same year, John Lennon and Yoko Ono held a weeklong “Bed-In for Peace” in the Amsterdam Hilton Hotel during their honeymoon in March 1969. The idea of the Bed-In came from “Sit-In” protests and was intended as a nonviolent protest against war and to promote world peace. “Make love, not war” was the slogan of the day, but to the disappointment of journalists, John and Yoko were fully dressed in their pajamas, sitting in bed, as John put it, like angels. The bed had taken over from the street as the site of protest. They invited the world’s press into their room every day between 9 a. m. and 9 p. m., treating the bed as an office in which they worked while journalists streamed in and images streamed out. What is the nature of this new interior in which we have decided collectively to check ourselves in? What is the architecture of this prison in which night and day, work and play, are no longer differentiated and we are permanently under surveillance, even as we sleep in the control booth? New media turns us all into inmates, constantly under surveillance, even as we celebrate endless connectivity. We have all become “contemporary
recluse[s]” as Hefner put it half a century ago. Julia Scher’s radical Surveillance Bed of 1995, completely enveloped by cameras and monitors, is no longer an artwork. It is the norm. This curatorial project began by reflecting on the radical role of the bed in the last century: from Adolf Loos’s fur-covered bedroom for his young wife Lina Loos, to Sigmund Freud’s divan, to the tuberculosis bed of sanatoria, to the Playboy bed, to the zip-up bags in space capsules, to the radical nomadic bubbles of the experimental architects of the 1960s, to Barbarella’s flying bed, to the nap pods of today … The bed as one of the most critical sites of social, cultural, artistic, psychological, medical, sexual, and economic transaction can no longer be left behind. To quote the protagonist Ulrich in Robert Musil’s The Man Without Qualities: “Modern man is born in a hospital and dies in a hospital, so he should make his home like a hospital, as a leading architect of the moment claimed.” What would Ulrich say today? 1 Walter Benjamin, “Louis-Philippe, or the Interior,” in Reflections: Essays, Aphorisms, Autobiographical Writings, ed. Peter Demetz, trans. Edmund Jephcott (New York: Schoken Books, 1978), p. 154. 2 Tom Wolfe, “King of the Status Dropouts,” in The Pump House Gang (New York: Farrar, Straus & Giroux, 1965). 3 Ibid., p.63. 4 “Truman Capote, The Art of Fiction No. 17,” interviewed by Patti Hill, The Paris Review 16 (Spring–Summer 1957). 5 Jonathan Crary, 24/7: Late Capitalism and the Ends of Sleep (New York: Verso, 2013).
Adolf Loos, Schlafzimmer f端r meine Frau [Bedroom for My Wife], 1903, Sammlung Adolf Opel, in: Elsie Altmann-Loos, Mein Leben mit Adolf Loos, hg. u. mit einem Nachwort v. edited and with an epilogue by Adolf Opel, Wien Vienna: Amalthea 2013, Bild Nr. image no. 7
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Dokumentationsfoto der Dreharbeiten für Mobiles Büro von Hans Hollein im Sommer 1969 auf dem Flugfeld Aspern, Wien Photo documentation of the shooting of the mobile office by Hans Hollein in the summer of 1969 at the airfield of Aspern, Vienna © Generali Foundation, Foto photo: Erhard Jungnickl, ORF
Andreas Rumpfhuber ist Architekt mit dem Forschungsschwerpunkt Architektur und Ökonomie, insbesondere Räume der Arbeit und des Wohnens. Zurzeit leitet er das Forschungsprojekt Das Büro der Gesellschaft des österreichischen Wissenschaftsfonds. 2013 hat er das von ihm mitinitiierte Projekt Scarcity and Creativity in the Built Environment des Europäischen Forschungsrats (ESF / HERA) abgeschlossen. Zu seinen Publikationen zählen Architektur immaterieller Arbeit (Turia + Kant 2013), The Design of Scarcity (zusammen mit Jeremy Till et al., Strelka Press 2014) und Modeling Vienna. Real Fictions in Social Housing (Turia + Kant 2014). Andreas Rumpfhuber unterrichtet an der Akademie der bildenden Künste Wien und ist unter anderem Initiator der nichtinstitutionellen Seminarreihe Theoriesalon (seit 2011).
Die gesellschaftliche Fabrik und ihre Architektur
Entgegen dem ewigen Traum vom Ende der Arbeit dreht sich das Leben in unseren Gesellschaften mehr denn je um Arbeit. In den westlichen Industrienationen ist der Begriff „Arbeit“ zunehmend diffus geworden. Arbeit scheint sämtliche Aspekte menschlicher Tätigkeit zu durchdringen. Sie dehnt sich in das Privatleben und die Freizeit aus. Sie vermischt sich mit Bildung und Ausbildung. Diese Form von Arbeit war vor nicht allzu langer Zeit das Privileg des Bürgertums und seiner Kinder. Es ist eine Arbeit, die mit Kunst, Kreativität und Forschung assoziiert wird und ganz allgemein gesprochen Kommunikation hervorbringt. Verwalten und Netzwerken sind wohl die paradigmatischen Formen einer Arbeit, die eng mit der radikalen Reorganisierung unserer Gesellschaften in Europa seit den 1950erund 1960er-Jahren verbunden ist und mit dem Begriff der „immateriellen Arbeit“ umschrieben wird. Ihr Dominantwerden ging mit der zunehmenden Auslagerung von Arbeitsprozessen, der Popularisierung kybernetischer Ideen für eine neue, flache Gesellschaftsorganisation, die eine neue Art des Zusammenlebens und die Überwindung des Traumas des verheerenden Krieges erhoffen ließ, sowie der Einführung von Rechenautomaten in Arbeitsprozesse und dem damit verbundenen Versprechen einher, durch eine bald realisierte Vollautomation eine Freizeitgesellschaft zu schaffen. An einer Vielzahl neoavantgardistischer Architekturprojekte der 1950er- und 1960er-Jahre lässt sich insbesondere das Freizeitversprechen ablesen. So scheint zum Beispiel in Projekten der englischen Gruppe Archigram und der österreichischen Architekten Haus-Rucker-Co, aber auch in Yona Friedmans
Raumstadt oder in Constant Nieuwenhuys’ New Babylon die disziplinierende Arbeit bereits abgeschafft. Man lümmelte in irgendwelchen Hüllengebilden herum, kuschelte softpornomäßig in wabernden Blasen, ließ sich von der Maschine für die kommende Gesellschaft rhythmisieren oder organisierte die Freizeit basisdemokratisch in flacher Hierarchie in nunmehr flexiblen und luftigen Gebilden über der steinernen Stadt, in der Tag und Nacht aufgehoben waren. Diese wie viele andere Projekte affirmierten das populäre Versprechen des europäischen Wohlfahrtsstaats und fantasierten eine Zukunft ohne Arbeit, die, so der allgemeine Glaube, bereits angefangen hatte. Dabei werden aber die fundamentale Veränderung der Produktionsmodi hin zu einer „Gesellschaft nach der Arbeit“ und die Konsequenzen für unser Zusammenleben ausgeblendet. Abgesehen von einem oftmals in den Diskussionen über die neuen Arbeitsbedingungen idealisierten emanzipatorischen Potenzial der Multitude muss zum einen festgehalten werden, dass mit dem Übergang vom Fordismus zum Postfordismus die schmutzigen Industrien nicht verschwunden sind, sondern nur in andere Teile des Globus ausgelagert beziehungsweise tatsächlich Schraube für Schraube transferiert wurden. Zum anderen ist es wichtig, zu verstehen, dass die neuen Formen der Arbeit neue Formen der Ausbeutung bedingen. Für die Analyse der Neuorganisation des Raumes in den Städten der westlichen Industrienationen ist der Begriff der „gesellschaftlichen Fabrik“ des italienischen Philosophen Mario Tronti hilfreich. Die räumliche Abgrenzung der Fabrik wird weich
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und die Fabrik ergießt sich buchstäblich in die Stadt. Die ganze Stadt wird zur Fabrik. Das Prinzip der Gleichräumigkeit und Gleichzeitigkeit von Arbeitsprozessen sowie der funktional eindeutigen Zuschreibung von Produktionsräumen löst sich auf. Die Produktionsmodi und Produktionsmittel bedingen andere arbeitsräumliche Figurationen, die gerade im Moment des Übergangs vom tayloristisch und disziplinär organisierten Arbeitsparadigma zu der auf Kontrolle basierenden postfordistischen Organisation unserer Gesellschaft gut sichtbar werden. Die Erfindung der Bürolandschaft durch die deutschen Unternehmensberater Eberhard und Wolfgang Schnelle (1956), Joan Littlewoods und Cedric Price’ Fun Palace (1962–1966), Herman Hertzbergers Verwaltungsgebäude für die Versicherungsanstalt Centraal Beheer (1967–1972) und nicht zuletzt Hans Holleins Mobiles Büro, HausRucker-Cos Gelbes Herz sowie John Lennons und Yoko Onos Gebrauch des Raumes in ihrer Performance Bed-In in Amsterdam und Montreal sind Beispiele von Arbeitsräumen, die parallel zu den und im Anschluss an die Emanzipationsbewegungen der 1960er-Jahre beinahe gleichzeitig entstanden. Als Modelle betrachtet veranschaulichen sie, wie sich die neue Arbeit in der gesellschaftlichen Fabrik darstellen lässt und welche Möglichkeiten die ArchitektInnen, die KünstlerInnen und ihre Teams ersinnen, um mit den Mitteln der Architektur mit dem neuen Arbeitsparadigma umzugehen. In der Bewegung hin zur immateriellen Arbeit erfahren die Räume der Produktion eine Reihe von Konvergenzen: Mensch und Maschine, Haus und Stadt, Leben
und Arbeiten, Architektur und mechanische Emotionsmaschine, Kunst und Commercial sowie außen und innen. Die Projekte antizipierten ein inzwischen verallgemeinertes Paradigma der Arbeit. Teils reaktiv, teils mit Blick auf eine heute gut absehbare Entwicklung waren sie prophetisch und problematisierten die schier unendliche Ausdehnung (zeitlich und räumlich) des Arbeitsplatzes in der Gesellschaft und die Modi und Möglichkeiten der Versammlung und des Zusammenseins der ArbeiterInnen, die innerhalb des extensiven „distributed workplace“ an Maschinen und Automaten angeschlossen sind. In der Betrachtung dieser Architekturen wird klar, dass die in den Projekten evozierten Bilder der Freizeit, der Selbstermächtigung und Selbstorganisation sowie der Partizipation keineswegs die Emanzipation von Arbeit und die Befreiung der ArbeiterInnen darstellen, sondern vielmehr Teil neuer Mechanismen der Kontrolle sind, die lesen und verstehen zu lernen wir erst beginnen müssen. Sie bedingen schlussendlich eine andere Form der Architekturpraxis, wie auch eine Neubewertung der Architektur und ihrer räumlichen Organisation. Ab 1956 erarbeiteten die Unternehmensberater Eberhard und Wolfgang Schnelle mit einem Team aus QuereinsteigerInnen, MathematikerInnen und KünstlerInnen eine an die Kybernetik angelehnte Planungsmethode, mit der sie über die diagrammatische Analyse des Informationsflusses einer Organisation und durch die ethnografisch inspirierte begleitende Beobachtung ein Unternehmen einerseits optimieren und andererseits eine enthierarchisierte, demokratische Arbeitsgesellschaft implementieren
Centraal Beheer, Restaurant © Privatarchiv private archive Herman Hertzberger, Foto photo: Wilem Diepraan, 1974/75
wollten. Damit wurde von 1959 bis 1961 für das Verlagshaus Bertelsmann die weltweit erste Bürolandschaft kreiert. Es war ein schier unendlicher horizontaler, nach außen klar begrenzter Raum, in dem Menschen, Maschinen und Automaten als gleichgestellte Einheiten chaotisch wirkend, jedoch nach strikten mathematischen Vorgaben angeordnet wurden. Die Bürolandschaft war eine Art Container, in dem sich Menschen und Maschinen möglichst frei und ungezwungen bewegen sollten und dennoch einfach zu kontrollieren waren. Die innere Organisation gehorchte einer funktional differenzierten, flachen Hierarchie, in der alle MitarbeiterInnen als ExpertInnen gleichgestellt in Teams, funktional getrennt von einer disziplinarischen Instanz, selbstorganisiert und konsensual so lange zusammenarbeiten sollten, bis die vollkommene Automation der Verwaltungsarbeit erreicht wäre und sie in die Freizeit des Wohlfahrtsstaates entlassen werden könnten. Etwas später initiierten in Großbritannien die Agitprop-Theatermacherin Joan Littlewood und der Architekt Cedric Price unter Mitwirkung des Kybernetikers Gordon Pask den Fun Palace. Das nie realisierte Projekt stellt einen netzwerkartigen Raum als Infrastruktur dar, in dem implizit die Freizeit und das nunmehr lebenslange Lernen als erweitertes Feld der Arbeit entworfen werden. Im Fun Palace muss nicht mehr gearbeitet werden. Die selbstorganisierte, durch kybernetische Automaten gesteuerte Fort- und Weiterbildung ist Programm. Die bewegliche räumliche Struktur ist die architektonische Repräsentation der kybernetischen Konzeption. Es sollte ein totales Theater werden, in dem alle
mitmachen müssten. Wie der Innenraum der Bürolandschaft wird der Raum des Fun Palace in kleinen, überschaubaren Gruppen, den „enclosures“, organisiert, die als Aktivitätszonen für das lebenslange Lernen architektonisch möglichst neutral gehalten werden, um jedes beliebige (zukünftige) Raum- und Funktionsprogramm aufnehmen zu können. Herman Hertzberger wiederum versuchte zehn Jahre nach der ersten Bürolandschaft, mit dem Entwurf des neuen Bürokomplexes für Centraal Beheer ein statisches Bollwerk der Arbeit als Wohnhaus zu schaffen. Die Architektur sollte ausschließlich durch den Gebrauch, durch die aktive Appropriation der Struktur zum wohnlichen Arbeitsplatz werden. Hertzberger setzt in seinem Entwurf aktive, autonome und mündige Subjekte voraus, die in horizontaler Organisation kleiner, voneinander abhängiger Gruppen in der dreidimensionalen Matrix des Gebäudes angeordnet werden. Die geschlossene Idealform, die noch charakteristisch für die Bürolandschaft war, wird zur Stadt hin geöffnet und durch die Situierung eines quasiöffentlichen Konsumraums hybridisiert. In Material und Organisation werden privater Innenraum und öffentlicher Stadtraum ununterscheidbar. Ideell gedacht beginnt der kybernetisch organisierte Raum der Bürolandschaft in diesem Projekt ins Außen zu fließen und sich in der Stadt auszubreiten. Haus und Stadt werden eins. In den experimentellen Projekten Mobiles Büro von Hans Hollein, Gelbes Herz von Haus-Rucker-Co und Bed-In von Yoko Ono und John Lennon setzen die ProtagonistInnen eine weltumspannende, sich unendlich ausbreitende und immer mehr verdichtende kybernetische Infrastruktur bereits voraus.
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In Holleins TV-Performance Mobiles Büro ist das kreative Arbeitssubjekt permanent mobil und überall auf der Welt, egal wo, telefonisch erreichbar. Arbeiten und Leben haben sich bereits vermischt. Ein dichtes Netz aus Flughäfen wird genauso angenommen wie das Vorhandensein des Gebläses, an das man die individuelle Schutzhülle andocken kann. Die Hülle, die Hollein das Arbeiten ermöglicht, ist beliebig programmierbar und wird erst durch den Gebrauch als Arbeitsraum zum mobilen Büro. Die Kapsel Gelbes Herz von Haus-Rucker-Co funktioniert als infrastrukturelle Ausweitung des bürgerlichen Lebens- und Arbeitsstils, sie kann an die traditionelle Wiener Bürgerwohnung genauso angedockt werden wie als Stand-alone-Einheit im Schrebergarten stehen und die Menschen auf eine fröhliche Freizeitgesellschaft einstimmen. John Lennon und Yoko Ono eignen sich dagegen mit dem Zimmer im Hotel Hilton den generischen Knotenpunkt eines weltumspannenden Handelsnetzwerkes an. Die ultimative Utopie der ArbeiterInnen, einmal nicht in die Arbeit gehen zu müssen, sondern zu Hause im Bett bleiben zu können, erfährt in der Performance mehrere Wendungen. So brechen etwa die Erschöpfung und die drohende Depression der glamourös im Bett arbeitenden FriedensaktivistInnen hervor. Integraler Bestandteil der Friedensperformance sind die JournalistInnen und die Medien, an die sie angeschlossen sind. Erst ein weltumspannendes Geflecht aus Zeitungen und Magazinen, Radio- und Fernsehstationen macht das Projekt möglich. Etwas später präzisierte die italienische Architektengruppe Archizoom Associati mit der No-Stop City die großmaßstäblichen urbanistischen Aus-
wirkungen der gesellschaftlichen Fabrik. In einer Serie von Zeichnungen und Fotomontagen skizzierte sie einen grenzenlosen Raum, der durch Infrastrukturelemente rhythmisiert ist. Die verschiedenen Funktionen werden in dem Netzwerk homogen eingebunden. Widerspruchslos folgen die Produktion und die Konsumption der gleichen Ideologie der Programmierung. Die Fabrik und der Supermarkt werden für Archizoom die exemplarischen Modelle der zukünftigen Stadt, die sie als potenziell grenzenlose, vollkommene urbane Struktur imaginieren. Die No-Stop City ähnelt in den veröffentlichten Beschreibungen jedoch einer idealisierten Bürolandschaft. Analog zur Funktionsweise der Bürolandschaft, oder auch zur Idee des Fun Palace, wird in den Zeichnungen zur No-Stop City der urbane Raum zum programmierten und programmierbaren isotropischen weltumspannenden System, das nicht länger irgendwelche repräsentativen Aufgaben hat. Im Prinzip besteht die zeitgenössische Stadt ausschließlich aus Infrastruktur, in der es keinerlei Hierarchien gibt. Die Stadt wird wie ein Innenraum behandelt, als eine Art erweiterte Bürolandschaft, in der man Möbel unterschiedlicher Funktion je nach Situation flexibel anordnet. No-Stop City ist eine nackte Architektur ohne jegliche Qualität. Gegenüber einem Architekturverständnis, das klar zwischen einem fixen, stabilen Ort, seiner Materialität und seinen tradierten Bedeutungen im Inneren einerseits und der Mobilität, dem flüssigen Raum im Außen andererseits unterscheidet, ist die No-Stop City eine neue Form der Architektur. Die Qualität des Raumes ist nunmehr, temporäre Formationen als Antwort auf eine „agency“ oder in
Reaktion auf verschiedene Raumprogramme und Funktionen zu verschiedenen Zeiten aufzunehmen. Es ist eine Architektur, die einen Raum zur Verfügung stellt, der vorerst neutral ist und erst durch die Verwendung seine Bedeutung bekommt und dessen Organisiertheit sich idealerweise temporär verfestigt. Diese Art der Konfigurierbarkeit von Raum erlaubt es, verschiedene Funktionen in einem räumlichen Kontinuum zu synthetisieren und dabei in einem konstanten Transformations- und Verhandlungsprozess zu halten. Es wäre jedoch naiv, zu glauben, dass die weiten Ebenen der No-Stop City oder auch die Innenräume der Bürolandschaft, die polyvalenten Zellen des Centraal-Beheer-Gebäudes, die transparente Blase Holleins oder das Arbeiten im Bett tatsächlich neutral seien und jede nur erdenkliche Funktion und Bedeutung annehmen könnten. Die Möglichkeiten des Raumes sind hier eng mit der gegebenen Infrastruktur, also dem technischen und organisatorischen Unterbau, verbunden, der im Hintergrund ordnet. Mit anderen Worten, die spontane Selbstorganisation, Selbstverwaltung und Selbstverwertung der Gesellschaft, wie sie heute nicht nur
im Zusammenhang mit Arbeit, sondern zunehmend in allgemeinen Diskursen als Werkzeuge der Emanzipation besprochen werden, sind eine Illusion, weil sie immer schon durch die infrastrukturelle und organisatorische Rahmung bedingt sind. In diesem Sinne ist die Architektur eine Praxis, die Intervalle und Rhythmen in ein Territorium einführt und damit Rahmungen des Möglichen konstruiert. So erhält sie eine neue Bedeutung als politische Praxis jenseits der Idee von Architektur als reinem Identitätsstifter. Anmerkung des Autors: Dieser Text destilliert Aspekte meines Buches Architektur immaterieller Arbeit, Wien: Turia + Kant 2013.
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Freizeitraum der weltweit ersten Bürolandschaft Buch und Ton für Bertelsmann Leisure room of the world‘s first office landscape Buch und Ton for Bertelsmann, Privatarchiv private archive Andreas Rumpfhuber
Andreas Rumpfhuber is an architect. His research focuses on the intersection of architecture and economics. He is presently heading the research project “The Office of Society” funded by the Austrian Science Fund and has recently completed the project “Scarcity and Creativity in the Built Environment,” co-initiated by Rumpfhuber and supported by the European Research Council (ESF / HERA). His publications include the books Architektur immaterieller Arbeit (Turia + Kant, 2013), The Design of Scarcity (with Jeremy Till et al., Strelka Press, 2014), and Modeling Vienna: Real Fictions in Social Housing (Turia + Kant, 2014). Rumpfhuber presently teaches at the Academy of Fine Arts Vienna and is the initiators of the non-institutional seminar series “Theoriesalon” (since 2011).
The Factory of Society and Its Architecture
More than ever, life in societies revolves around work, contraposing the eternal dream of the end of labor. In the industrialized nations of the West, the term labor has become increasingly vague. Labor appears to pervade all aspects of human activity. It encroaches upon private life and leisure time. It intermingles with education and training. Quite recently, this approach to labor was still considered to be a privilege reserved for the bourgeoisie and their children. This is labor associated with art, creativity, and research, which, generally speaking, fosters communication. Administrating and networking are perhaps the most paradigmatic examples of a work form that has been closely connected to the radical reorganization of European societies since the 1950s and 1960s—described by the term immaterial labor. Its rise to dominance involved an increased outsourcing of work processes, the popularization of cybernetic ideas for a new horizontal organization of society, and its promise of a new way of living together beyond old and outdated despotic or disciplinary regimes. It was accompanied by the implementation of automata and calculating machines and the feasable utopia of leisure society. Particularly evident in many neo-avant-gardist architectural projects of the 1950s and 1960s is the promise of leisure activity. Disciplined labor seems to have been eliminated in projects, for example, by the English group Archigram and by Austrian architects Haus-Rucker-Co, but also in Yona Friedman’s Raumstadt (Spatial City) or in Constant Nieuwenhuys’s New Babylon. One would loll in airy structures or cuddle soft-porn-like in undulating bubbles; one would let the machine rhythmize
oneself for the coming society. Or groups would take a grassroots approach to organizing their leisure time through a flat hierarchy in henceforth flexible and airy constructs above the city of stones, where both night and day have been abolished. These projects, and many others, affirmed the popular promises made by the European welfare state and dreamed up a future devoid of work, one that had already begun, or so everyone seemed to generally believe. Yet in the process, the fundamental shift of production modi to a “society beyond labor” was masked, along with the consequences for our coexistence. Aside from the emancipatory potential of the multitude, as is so frequently idealized in discourse on new working conditions, it is important to note two things. On the one hand, during the transition from Fordism to post-Fordism, the dirty industries did not disappear but merely became outsourced to other parts of the globe, that is, literally transferred screw for screw. On the other hand, it is important to understand that new forms of labor make way for new types of exploitation. The term factory of society, coined by Italian philosopher Mario Tronti, is helpful when considering the reorganization of urban space in Western industrial nations. The spatial delimitation of the factory softens, with the factory literally spilling out into the city. The entire city becomes a factory. The principle of the Gleichräumigkeit and Gleichzeitigkeit of labor processes—or processes taking place at the same time and in the same place—is suspended, as is the ascription of production areas clearly devoted to function. The production modi
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and means necessitate other work-related spatial figurations, which become quite identifiable in precisely that moment of transition between the Taylorist, disciplinarily structured work paradigm and the control-based, post-Fordist organization of our society. Examples can be found of working spaces that emerged nearly in parallel to and intertwined with the emancipation movements of the 1960s: the invention of the Bürolandschaft, or office landscape, by the German management consultants Eberhard and Wolfgang Schnelle (1956), Joan Littlewood and Cedric Price’s Fun Palace (1962–66), and Herman Hertzberger’s Centraal Beheer (1967–72), as well as, by no means least, Hans Hollein’s Mobiles Büro (Mobile Office), Haus-Rucker-Co’s Gelbes Herz (Yellow Heart), and John Lennon and Yoko Ono’s use of space in their performance Bed-In in Amsterdam and Montreal. Viewed as models, these projects illustrate how new labor within the factory of society might be represented and which opportunities might be devised by architects, artists, and their teams in addressing the new paradigm of labor using means offered by architecture. In moving toward immaterial labor, spaces of production are subject to confluence: man and machine, building and city, life and work, architecture and mechanical emotion machine, art and commerciality, inside and outside. From today’s perspective, these projects anticipate a more generalized paradigm of labor. The projects are prophetic—some of reactive nature, others fostering development that is easily foreseeable today — and expose the problems of an almost infinite expansion (both temporally and spatially)
of the workplace within society. Also revealed here are the modi and potentialities related to the gathering of and personal interaction among the workers connected to machines and automata within the distributed workplace. In looking at these architectures it becomes clear that the images of leisure evoked in the projects, of self-empowerment, self-organization, and participation, by no means depict an emancipation from labor and a liberation of the workers. Instead, they are actually part of new mechanisms of control that we must first learn to interpret and understand. Ultimately, they presuppose a different form of architectural practice, along with a reevaluation of architecture and its spatial organization. Starting in 1956, management consultants Erberhard and Wolfgang Schnelle, together with a team of lateral recruits, mathematicians, and artists, developed a planning method based on cybernetics. Here they set out to achieve dual objectives: first, to optimize a business enterprise using the strategy of diagrammatic analysis of information flow within the organization, accompanied by ethnographically inspired observation; second, to implement a dehierarchized, democratic working society. Accordingly, the first Bürolandschaft or office landscape was created in 1959–61 for the Bertelsmann publishing house: a seemingly endless, horizontal room, clearly delimited toward the exterior, where people, machines, and automata as units of comparable status are arranged in a manner that may appear chaotic but actually adheres to strict mathematical calculations. This Bürolandschaft was a type of container where people and machines were able to move as freely as possible in an unconstrained
Informelle Gesprächssituation informal conversational situation, Centraal Beheer © Privatarchiv private archive Herman Hertzberger, Foto photo: Wilem Diepraan, 1974/75
way while simultaneously remaining easy to control. The internal organization obeyed a functionally differentiated, flat hierarchy in which all employees enjoyed equal status as experts in teams and were meant to work together—functionally separate from a disciplinary authority, self-organized, and consensual—until full automation of administrative labor could be achieved, at which point they could then be released into the freedom of the welfare state. Somewhat later, the agitprop theater director Joan Littlewood and the British architect Cedric Price initiated the Fun Palace in collaboration with the British cybernetician Gordon Pask. Though never realized, the project outlined a network-like space as infrastructure where freedom and lifelong learning were equated with an expanded field of labor. The Fun Palace was a labor-free zone. The program consisted of self-organized advanced and continuing education controlled by cybernetic automata. Here, the mobile spatial structure was the architectural representation of its cybernetic conception. It was designed to be an all-encompassing theater where everyone was required to participate. Similar to the interior space of the office landscape, the space of the Fun Palace was organized in small, manageable groups. These “Enclosures,” as spheres of activity for lifelong learning, were kept as neutral as possible in terms of architecture in order to be able to accommodate any kind of (future) spatial and functional program. Ten years after the first office landscape emerged, Herman Hertzberger, in turn, tried to create a static bulwark devoted to labor as a housing complex with the design of a new office building
for the Centraal Beheer insurance conglomerate. The architecture was meant to become a residential workplace, solely through usage patterns, through the active appropriation of structure. Hertzberger’s plans were geared toward active, autonomous, and mature subjects to be arranged in small, mutually dependent groups within the three-dimensional matrix of the building, reflecting a horizontal organizational structure. The ideal closed form, still characteristic of the office landscape, opened up to the city and was designed for hybridization thanks to a quasi-public consumption area. In terms of material and organization, private interior space and public urban space were indistinguishable. From an ideational perspective, the cybernetically structured space of the office landscape started flowing outward in this project, expanding into the city. Building and city became one. In the experimental projects Mobiles Büro by Hans Hollein, Gelbes Herz by the architecture group Haus-Rucker-Co, and Bed-In by Yoko Ono and John Lennon, the protagonists already presumed the existence of a global, endlessly expanding, and increasingly densifying cybernetic infrastructure. In Hollein’s television performance Mobiles Büro, the creative work subject was constantly on the move and reachable by telephone anywhere in the world. Work and life were already blending. A dense network of airports was just as accepted as the existence of the blowing machine allowing an individual protective enclosure to be erected. The enclosure that made it possible for Hollein to work was freely programmable and actually became a mobile office through its use as working space. The capsule
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Gelbes Herz by Haus-Rucker-Co functioned as an infrastructural extension of the middle-class style of living and working, but it could also be attached to a traditional Vienna apartment or used as a standalone unit in an allotment garden, helping people to adjust to a cheerful leisure society. John Lennon and Yoko Ono, in turn, in their Hilton hotel room, appropriated the generic node of a globe-spanning trade network. The ultimate utopia dreamed up by workers of never having to go to work and always being able to stay home in bed was subject to several twists and turns during the performance. For example, the exhaustion and imminent depression of the glamorous peace activists working in bed issued forth. Playing an integral role in the peace-performance were the journalists and the media associated with the event. The project only became feasible thanks to a mondial nexus of newspapers and magazines, radio and television stations. Somewhat later the Italian architecture group Archizoom Associati specified the urbanist, largescale impact of the social fabric with their project No-Stop City. In a series of drawings and photomontages, they sketched a boundless space imbued with rhythm through infrastructural elements. The various functions were integrated into the network homogenously. The production and consumption of the same ideology of programming were to ensue unquestioningly. For Archizoom, the factory and the supermarket were considered to be exemplary models of the future city, which they conceived as a potentially infinite, utterly urban structure. Yet, in this respect, the published descriptions of the NoStop City showed it to resemble an idealized office
landscape. Analogue to the functional approach of the B端rolandschaft, or even the idea of the Fun Palace, in the drawings of the No-Stop City urbanist space evolved as a programmed and programmable isotropic system spanning the world without retaining any kind of representative tasks. Principally speaking, the contemporary city solely consisted of infrastructure completely devoid of hierarchies. The city was treated like interior space, like a kind of expanded office landscape, where furniture carrying various functions was flexibly arranged for each given situation. No-Stop City was naked architecture without any quality whatsoever. It mirrored the acts of confluence that already played out exemplarily in the B端rolandschaft, Fun Palace, Centraal Beheer, Mobiles B端ro, Gelbes Herz, and the Bed-In: man and machine, building and city, life and work, architecture and mechanical emotion machine, art and commerciality, inside and outside. Contrasting with an understanding of architecture that clearly differentiated between a fixed, stable site, its materiality, and its established interior meaning and, on the other hand, between mobility and fluent exterior space, No-Stop City represented a new form of architecture. The quality of the space was now accommodating temporary formations as a response to agency or as a recation to various spatial programs and functions during various periods. It was an architecture that made space available, that was initially neutral before acquiring meaning through utilization, with its degree of organization ideally being temporarily solidified. This configurability of space made it possible for different functions to be synthesized along
Centraal Beheer, Bar © Privatarchiv private archive Herman Hertzberger Foto photo: Johan van der Keuken, 1974/75
a spatial continuum while maintaining a constant process of transformation and negotiation. However, it would be naïve to think that further planes of the No-Stop City were actually neutral and receptive to any kind of imaginable function and meaning, with the same applying to the inside of the Bürolandschaft, the polyvalent cells of the Centraal Beheer, Hollein’s transparent bubble, or working in bed. Here the potentialities of space were closely proximate to the given infrastructure, that is, to the technical and organizational substructure, playing out in a structuring capacity in the background. In other words, the spontaneous self-organization, self-administration, and self-exploitation of society— as discussed today not only in relation to labor, but
also increasingly as part of general social discourse in terms of being tools for emancipation—were in fact an illusion, for they have always been informed by infrastructural and organizational framing. In this sense, architecture is a practice that introduces intervals and rhythms to a territory and thus construes the framing of what is possible. As such, it attains new meaning as a political practice beyond the concept of architecture as merely a means of establishing identity.
Author’s note: This text condenses aspects of my book Architektur immaterieller Arbeit (Vienna: Turia +Kant, 2013).
T h e Fa c t o r y o f S o ci e t y a n d I t s A r c h i t e c t u r e
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All changes begin in the bedroom. David Reed
August Ruhs, Univ.-Prof. Dr. med., ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychoanalytiker, Lehranalytiker im Wiener Arbeitskreis für Psychoanalyse (Mitglied der IPV), Mitbegründer und Vorsitzender der Neuen Wiener Gruppe / Lacan-Schule, Gründungsmitglied der Assoziation für die freudsche Psychoanalyse (AFP) und Mitherausgeber der Zeitschrift texte. psychoanalyse. ästhetik. kulturkritik (Passagen Verlag). Bis 2011 war er stellvertretender Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie. Ruhs ist Verfasser zahlreicher Beiträge für Fachmagazine, Lehrbücher und Ausstellungskataloge sowie Autor bzw. Herausgeber von Büchern wie Lacan. Eine Einführung in die strukturale Psychoanalyse (Wien: Löcker Verlag 2010).
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Die Allgegenwart des Schlafzimmers 1992 montiert David Reed in San Francisco (ungegenständliche) Öl-Acryl-Bilder in Standfotos von Schlafzimmern aus Hitchcocks Vertigo. In einem kleinen Essay zur Ausstellung1 diskutiert er mit Nicholas Wilder über John McLaughlins Bilder. „Seine Bilder sind ‚Schlafzimmerbilder‘. Leute kaufen oft ein Bild von McLaughlin, um es in ihrem Wohnzimmer aufzuhängen. Nach einer bestimmten Zeit aber hängen sie es in ihr Schlafzimmer, wo sie es auf intimere Weise genießen können.“ Auch David Reed möchte ein Schlafzimmermaler sein, weil dann seine Bilder „in jener Art Träumerei gesehen werden können, in der unsere privatesten Geschichten geschaffen werden“. Ein solcher Wunsch des Malers sowohl hinsichtlich der Bedeutung seiner Gemälde als auch hinsichtlich der Existenz des Privaten trägt wie jeder Wunsch die Spur eines Verlustes oder eines Verlorengeglaubten in sich und fasziniert nicht ohne Rückwärtsgewandtheit, Nostalgie und Romantik. Denn angesichts der Allgegenwart jener anderen Schlafzimmermalerei, die sich zunächst der Entdeckung und Entwicklung der Kinematografie, später der Television, jetzt auch noch den sich überall öffnenden Maschen und Gucklöchern der globalen Vernetzung verdankt, reduziert sich das gemalte Bild auf ein Zitat einer allem Anschein nach verschwundenen Intimität. Das Leuchten der Bildschirme, das immer stärker in die Schlafzimmer eindringt und auch dort seinen Monopolanspruch auf das Bild zu behaupten versucht, vollzieht am eindrücklichsten die Blendung des Intimen. In dieser Blendung wird es aber auch fixiert und eingefangen in ein Bild, das
in beinahe unendlicher Multiplikation die Intimität als extime Virtualität an ihren Ursprungsort zurückbringt. Als digitales Spiegelkabinett, wo sich in jedem Schlafzimmer zugleich die Gesamtheit aller Schlafzimmer versammelt, hat der Bilderraum des Schlafzimmers im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Bildes seinen Höhepunkt erreicht. Camera obscura – Raum des Imaginären Wenn das Schlafzimmer einen Sinn hat, so besteht er in der Funktion, einen Übergang zwischen so disparaten Tätigkeiten und Befindlichkeiten zu gewährleisten, wie sie sowohl in den Phänomenen des Wachens und Schlafens als auch in den daran partizipierenden Erscheinungen des Geschlechtslebens gegeben sind. Somit ist das Schlafzimmer unter die imperativischen Bedingungen der Triebökonomie der Ich-Erhaltung und unter die Voraussetzungen der arterhaltenden Sexualität gestellt und dient vorbereitend den Grenzerfahrungen des obligatorischen Schlafes einerseits und der fakultativen sexuellen Lust andererseits. Eine solche intermediäre Struktur findet dann auch in seinem Wahrnehmungsraum und in seiner Ästhetik Entsprechung und Ausdruck. Im Schlafzimmer als zivilisiertem und kulturalisiertem Übergangsbereich vom Licht des Tages zum Dunkel der Nacht und vom Dunkel der Nacht zum Licht des Tages, vom Öffentlichen zum Privaten und wieder zurück, vollziehen sich im Wechsel der Bewusstseinszustände von Wachheit und Schlaf (und gegebenenfalls von sexueller Ruhe und Erregung) und mit den Richtungsänderungen der Wahrnehmung von außen nach innen und dann
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wieder von innen nach außen regressive und progressive Bewegungen durch jene medialen Welten hindurch, aus denen sich unser (menschliches) Universum zusammensetzt. In der Vorbereitung auf den Schlaf und den Traum (sowie auf die Lust des Körpers) und in Anbetracht dieser Möglichkeiten der Begegnung mit dem Realen verstummt mit der Entleerung des Lichts das Sprechen, verflüchtigen sich die Zeichen und Symbole, löscht sich zunehmend der Raum der Darstellung aus, zugunsten einer Welt der Vorstellung, in der die Einbildungskraft in ihrer Buchstäblichkeit als Domäne des Bildes in den Vordergrund tritt. Das vom Tage gespeicherte visuelle und akustische Licht beleuchtet damit jenen anderen Schauplatz, an dem im Wechsel der Subjekte sich auch das Unbewusste in Szene zu setzen beginnt. Alles, was mich bewegt, beginnt sich zu bewegen. Losgelöst vom Ich des Tages, entlassen aus ihrem Dienst am Kommunikativen und aus ihrer starren Konventionsverknüpfung, kehren Vorstellungen und Zeichen aus der Entfremdung heim, beginnt das Denken sich selbst zu denken und das Fühlen sich selbst zu fühlen. Im Schauraum des Imaginären, in dem sich schließlich der Traum ereignet, im Raum der Reflexion und der Entsprechung, des Spiegels und der Homophonie, in dem die Dinge und Wörter sich spielerisch zum Piktogramm, zum Rebus und zur Hieroglyphentafel versammeln, entfaltet sich eine virtuelle Realität, in der die Vorstellungen sich zu Visionen und Halluzinationen steigern. Der Schlaf des Alltagsdiskurses und der Vernunft gebiert nun jene Ungeheuer, die an der Grenze jenes Ab-Ortes leben, an dem das Unsagbare und Unvorstellbare haust,
im Realen eben, das sowohl diesseits als auch jenseits der Sprache und der Bilder herrscht und das wir als solches nur im wahren Tod erleben. Im Gegensatz zur Gewalt, zum Wahnsinn, zum Rausch, zur sexuellen Lust liegt der Schlaf dort am Rand des Realen, wo es am ruhigsten ist. Nicht die absolute Ruhe, wie wir uns das Tönen des Todes vorstellen, weshalb auch „to die, to sleep, no more“ in seiner Reihenfolge nicht ohne Weiteres umkehrbar ist. Was allerdings manchen unglücklichen und bedauernswerten Schlaflosen nicht hindern mag, insgeheim an eine solche Verkehrung zu glauben; cartesianisch-kafkaesker Albtraum, in dem sich das Zerreißen der Bande zwischen Sein und Denken zum unerträglichen Phantasma eines Seins im Denken und eines Denkens im Sein steigert. In dieser Angst trifft dann der Wille zum Schlaf auf seinen übermächtigen Gegenwunsch, der das Subjekt dazu zwingt, sich in die Blasen der Bilder einzuhüllen und sich mit Zähnen und Klauen in den Maschen und Netzen des Denkens festzubeißen und festzukrallen, um dem Schrecken der Todesangst und den Verlockungen der Todessehnsucht zu entgehen. Todesangst und Todeswunsch und die damit verbundene Schuld verdichten sich zur verhängnisvollen Trinität von Schlaf, Tod und Strafe. Kein sanftes Ruhekissen des guten Gewissens mehr. Das weiche Bett wird zum harten Straflager. In den Schlaf zu fallen ist vor allem aber auch eine Sache des Auges und der Dunkelheit. Wir müssen mit offenen Ohren, können aber nur mit geschlossenen Augen schlafen. Denn die akustische Ruhe ist nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung des Schlafs. Unter den Gegeben-
heiten dieser Sinnesanthropologie ist dann auch das Erwachen eine Sache des Auges und des Lichts, während wir durch Töne, Geräusche und Lärm nicht wirklich aus dem Schlaf geweckt, sondern nur im Schlafen gestört werden. Schon eine gewöhnliche Erfahrung sagt uns, dass unsere Tagesverfassung weitgehend von den Bedingungen abhängt, unter denen wir aufwachen. MedizinerInnen setzen Traumphasen im Schlaf mit Aufwachmomenten in Beziehung und erklären uns, dass ein Erwachen unmittelbar nach einer Traumperiode uns einen frischen und energiereichen Tag beschere, weil nach einer Traum-(REM-)Phase sofort spezifische und entscheidende Hormone in die Blutbahn ausgeschüttet würden. Würden wir hingegen in einer (Delta-)Phase zwischen Traumperioden aufwachen, so führe dies zu einer gereizten, schläfrigen, matten und lethargischen Tagesverfassung, weil die erwähnten Hormone im entscheidenden Augenblick des Erwachens nicht in den Blutkreislauf hätten gelangen können. ArchitektInnen, deren Ästhetik sich auch an biologisch-anthropologischen Fakten und Erwägungen orientiert, bleiben bei der Planung des guten Schlafzimmers von einem solchen Sachverhalt nicht unbeeinflusst und empfehlen uns daher, unsere Schlafzimmer immer nach Osten auszurichten. Aus dem Schlaf kommend, gestört, geweckt oder erwachend, ordnet sich für uns wieder langsam die gewohnte Welt und damit, sofern der Raum, in dem wir uns nun befinden, nicht fremd und ungewohnt ist, die Welt unserer Wohnung. Wir kehren allmählich als Subjekte der intendierten Wahrnehmung zurück, ein Status, den wir verlassen haben,
als wir eingeschlafen sind. Gewiss, im Traum haben wir etwas gesehen, vielleicht auch gehört, waren aber doch nur als Zuschauer- oder Zuhörersubjekte eines Spektakels gegenwärtig, das uns jenseits der Inhalte, Vorkommnisse und Geschichten des Traums die strukturellen Bedingungen unserer Ich-Bildung rekapitulierte. Denn als selbstbewusstes Ich ist niemand von Anfang an in der Welt, und der Weg, auf dem wir zur Subjektivität gelangen, führt über einen Objektstatus. Bevor wir selbst wahrnehmen können, werden wir wahrgenommen, bevor wir selbst sehen oder hören können, werden wir gesehen oder gehört. Bevor wir selbst reflektieren können, sind wir nichts als der Reflex des anderen, mit dessen Bild wir uns erst identifizieren müssen, bevor wir zu unserem eigenen Bild kommen, bevor wir uns ein Bild von uns selbst machen können, bevor wir uns selbst erfassen können. Deshalb auch unsere seltsame Position im Traum, wo wir auf beiden Seiten stehen, da als Zuschauersubjekt, dort als Mitspielerobjekt in allen Gegenständen und Figuren dieser Inszenierung, die sich letztlich auf etwas, was sich zeigt, reduziert. Im Schlaf können wir uns nicht als Schlafende wahrnehmen, aber wir können von allem, was uns umgibt, wahrgenommen werden, was uns offenbar jene Sicherheit gibt, die wir, wenn wir uns im Schlaf verlassen, genauso brauchen wie die Mythen und Fantasien, die uns im Schlaf in den Armen irgendeines Halbgottes oder Gottes liegen sehen. Im und um den Schlaf herum, bedingt durch die Rückkehr zu den Anfängen unserer Existenz, wird offenbarer und bewusster, dass die Struktur des Sehens, dem Schautrieb folgend, nicht nur ihre aktive, sondern auch ihre passive Dimension hat,
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dass wir nicht nur sehen, sondern auch gesehen werden wollen, dass Letzteres sogar das Vorgängige ist. In seiner Theorie des Blicks weist uns Lacan2 ausdrücklich darauf hin, dass hinter allem, was wir suchend sehen wollen, stets eine Suche nach etwas anderem wirksam ist, eine Suche nach dem Blick des anderen, der uns in die Kategorie des Begehrens einführen kann, sofern es diesem anderen, im Allgemeinen der Mutter, gelungen ist, den eigenen grundsätzlich bösartigen, verschlingenden, eben dem Trieb unterworfenen Blick zu zähmen, herabzumildern zu jenem Glanz des Auges, in dem sich für das Kind sein Begehren nach Anerkennung und die Anerkennung seines Begehrens spiegeln können. So sind wir im Grunde weniger schauende als angeschaute Wesen, wir sind, wie Lacan es ausdrückt, immer in irgendein Bild eingerückt, wir werden in jedem Augenblick unseres Lebens buchstäblich fotografiert, immer hängt irgendwo im Raum ein Auge herum. Dass wir den guten Blick des anderen suchen, bringt uns dann auch dazu, dort, wo wir als Schlafende dem Schicksal am nächsten sind, uns mit blickenden Bildern zu umgeben, deren Schutz wir im kürzesten aller Stoßgebete, dem Seufzer, erflehen. Daher auch die vielen Schutzengel und Heiligen, die Christusse und Madonnen, vor allem die Madonnen mit den kleinen Christussen, dann die vielen Fotografien, vornehmlich der Verstorbenen oder weit Entfernten, schließlich alle diese Bilder, die wir uns als solche selber bilden, Gesichter an den Wänden, gezeichnet von Rissen in der Mauer, im Anstrich oder in den Tapeten, Augen zwischen den Maserungen des Holzes der Schränke und Truhen, die Körper und Körperteile in den Falten
der Bettdecken und Leintücher usw. Gerade über diese „Bilder“, diese Proto-Imagines, ordnet sich beim Erwachen wieder mein Wahrnehmungsraum, domestizieren sich die Ungeheuer, verdunkelt sich der andere Schauplatz. In der Vorbereitung auf den Tag, nach der Begegnung mit dem Realen, erwacht auch mit der Fülle des Lichts das Sprechen, verflüchtigen sich die Bilder, löscht sich zunehmend der Raum der Vorstellung aus, zugunsten einer Welt der Darstellung, in der die Wahrnehmung als Garant der Wahrheit die diskursive Aussage zu ihrer Stützung braucht: Ich bin es, der, gerade zurückgekommen, hier ist und noch lebt.
1 David Reed, Two Bedrooms in San Francisco, Walter and McBean Galleries, San Francisco Art Institute, 1992. 2 Jacques Lacan, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (Das Seminar von Jacques Lacan, Buch XI, 1964), nach dem v. Jacques-Alain Miller hergest. franz. Text. ins Deutsche übers. v. Norbert Haas, Olten / Freiburg im Breisgau: Walter-Verlag 1978.
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All changes begin in the bedroom. David Reed
August Ruhs, Univ.-Prof. Dr. med., is a doctor specialized in psychiatry and neuorology, a psychoanalyst, a training analyst for the Wiener Arbeitskreis für Psychoanalyse (IPV), the founder and chairman of the Neue Wiener Gruppe / Lacan-Schule, a founding member of AFP (Association for Freudian Psychoanalysis), and co-editor of the journal texte. psychoanalyse. ästhetik. kulturkritik published by Passagen Verlag. Until 2011 he was deputy chairman of Vienna’s Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie. Ruhs has authored many contributions to professional journals, textbooks, and exhibition catalogues and has also written and edited various books, such as Lacan: Eine Einführung in die strukturale Psychoanalyse (Vienna: Löcker Verlag, 2010).
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The Ubiquity of the Bedroom In 1992 in San Francisco, David Reed mounted (nonobjective) oil and acrylic paintings onto scene stills of bedrooms from Hitchcock’s Vertigo. In a short essay on the exhibition,1 he and Nicholas Wilder discussed John McLaughlin’s work: [Nicholas] said that McLaughlin’s paintings were “bedroom paintings.” “Bedroom paintings,” I asked, “what does that mean?” Nick answered that often people would buy a painting by McLaughlin to hang in their living room. After a while, they would move the painting to their bedroom where they could live with it more intimately. I said, “My ambition in life is to be a bedroom painter.” David Reed’s comment that he would also like to be a bedroom painter is founded on his idea that “a painting in a bedroom can be seen in reverie, where the most private narratives are born.”2 Such a wish on the part of the painter—in terms of both his painting’s meaning and the existence of a private sphere—carries, like any wish, traces of something lost or of something believed to have been lost. And it evokes fascination tinged by retrospection, nostalgia, and romanticism. Indeed, considering the ubiquity of this other kind of bedroom painting—which first arose through the discovery and development of cinematography, then later television, and now even the interstices and peepholes of global networking opening up all around—the painted image is reduced to a citation of intimacy that, by all appearance, is disappearing. The glowing of screens that is increasingly penetrating bedrooms, even here attempting to assert its claim to monopolizing the image, most incisively manages
to blind or hamper intimacy. Yet through this blinding it is also grounded and captured in a picture which, multiplied seemingly endlessly, brings intimacy back to its place of origin as a virtuality of extimacy. As a digital hall of mirrors, where the entirety of all bedrooms is collected in each bedroom at once, the pictorial space of the bedroom has reached its pinnacle in the age of the image’s technical reproducibility. Camera Obscura—Space for the Imaginary If the bedroom holds significance, then this meaning arises from its function of ensuring a transition between such disparate activities and states of being as are found in the phenomena of alertness and slumber, but also in the concurrent sexual relations. It follows that the bedroom is subject to the imperative conditions of the drive economy of ego preservation and to the premises of species-preserving sexuality. It serves, on the one hand, to make way for the borderline experiences of obligatory sleep and, on the other, to facilitate voluntary sexual desire. Such an intermediary structure is also be found to be reflected and expressed in its perceptual space and its aesthetics. The bedroom is a civilized and culturalized transitional space, shifting from the light of day to the dark of night, from the dark of night to the light of day, and also from public to private and back again. It is here, in this shift between awakeness and sleep as states of consciousness (and perhaps also sexual repose and arousal), and also in the perceptual turnabout from outside to inside and then again from inside to outside, that regressive and progressive
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movements wander through those mediatic worlds that make up our (human) universe. In preparing for sleep and dreaming (as well as for bodily desire) and in view of such potentiality for real encounters, speech goes silent with the deflation of light, signs and symbols evaporate, space for representation is increasingly erased in favor of a conceptual world where image-ination moves to the fore in its actuality as domain. The daylight stored visually and acoustically thus illuminates the other arena, where the unconscious starts to become staged through the change in subjects. Everything that touches me (emotionally) starts to move. Liberated from the ego of daytime, ideas and signs return home from alienation, released from their communicative duties and from their rigid association with conventions, with thought beginning to think itself and feeling to feel itself. In the showroom of the imaginary, where dreams ultimately transpire, in the space of reflection and correlation, mirroring and homophony, where things and words playfully gather as pictogram, rebus, and hieroglyphic tablet—it is here that a virtual reality unfolds, with these ideas escalating to become visions and hallucinations. The sleep of everyday discourse and of reason now spawns the behemoth residing at the boundary of that Ab-Ort where the unspeakable and the unimaginable dwell, in the land of the real, as it were, which reigns both on this side of language and imagery and beyond, and which we only experience as such in the state of utter death. Sleep is sited along the margins of the real, where things are most quiet—in contrast to violence, craziness, rapture, and sexual desire. Yet this is
not absolute tranquility, as we might imagine the tones of death, for which reason the sequence of Shakespeare’s “to die, to sleep, no more” cannot simply be inverted. Nonetheless, this may not hinder some miserable and unfortunate insomniacs from secretly clinging to the idea of such an inversion; a Cartesian-Kafkaesque nightmare where the severing of ties between being and thinking advances to an intolerable phantasm of being in thought and of thought immersed in being. It is amid this angst that the will to sleep meets its overpowering counter-wish, which forces the subject to become ensconced in the bubbles of imagery and to jump tooth and nail into the mesh and netting of thought in order to elude the terror of mortal agony and the temptations of suicidal longing. Mortal agony and a death wish, along with the related sense of guilt, densify as an ill-fated trinity of sleep, death, and punishment. The gently pillowed solace of a clean conscious has evaporated. The soft bed becomes a harsh penal camp. Falling asleep is primarily an issue of eyes and darkness. It is a given that we sleep with open ears, but that our eyes must be closed. For although acoustic silence is facilitative of sleep, it is not a necessary condition. Considering the circumstances of an anthropology of the senses, the act of awakening is likewise an issue of eyes and light. Tones, sounds, and noise serve to disturb sleep more than actually causing one to awaken from sleep. Basic experience already tells us that our state of mind on any given day is largely dependent on the conditions related to waking up in the morning. Medical experts have found links between dream phases
during sleep and the moment of awakening. They note that waking up directly after a dream cycle bestows us with a more alert day filled with energy, for rousing following an REM cycle causes certain decisive hormones to immediately enter the bloodstream. Waking up during a (delta) phase between dream cycles, however, leads to an irritable, drowsy, languid, and sluggish state during the day since the said hormones did not make it into the bloodstream at the precise moment of awakening. Architects whose aesthetic approach is also oriented to biological-anthropological facts and considerations are inevitably influenced by such issues when planning a good bedroom. They therefore suggest that all bedrooms should face in an easterly direction. Emerging from sleep, disrupted, awoken, or aroused, the familiar world slowly starts to take form, as does the world of our home, assuming that the space in which we find ourselves is not foreign and unfamiliar. We gradually return as subjects of intended perception, this status having been abandoned upon falling asleep. Certainly, while in a dream state we saw, or perhaps even heard, something; yet we were only present as a bystander, watching or listening to a spectacle that recapitulated the structural conditions of our ego formation beyond the dream-related content, incidents, and stories. Indeed, no one is present as self-confident ego in this world from the very beginning, and the path that leads us to subjectivity passes through object status. Before we are capable of perceiving ourselves, we are perceived; before we are capable of seeing or hearing, we are seen or heard. Before
we can self-reflect, we are nothing but the reflex of the other, the visage of whom we must first identify with before we arrive at our own visage, before we can develop an image of our own self, before we can attain self-understanding. Hence our strange position within the dream, where we are standing on both sides—as bystander subject, on the one hand, and as participant object, on the other—in all matters and constellations of this staging, which is ultimately reduced to something that is seen. While asleep we cannot experience ourselves as sleeping beings, but we can be discerned by everything around us. This apparently gives us the security that we need when abandoning ourselves to sleep, just as much as the myths and fantasies that situate our sleeping selves reposed in the arms of some kind of demigod or god. Any which way related to sleep, and induced by a return to the roots of our existence, it becomes more evident and clear that the structure of vision, in line with the scopic drive, involves both its active and its passive dimension, in that we not only want to see but also yearn to be seen, with the latter even being antecedent. In his theory of the gaze, Jacques Lacan3 expressly notes that effectively situated behind everything we long to see is always a quest for something else, a quest for the gaze of the other. This may introduce us to the category of desire, so long as this other, usually the mother, has succeeded in conquering their own fundamentally virulent, devouring gaze that is basically subjected to the scopic drive, by toning it down to that gleam in the eye in which a child’s desire for acknowledgment can be mirrored, but also the acknowledgment of his or her desire. This means
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that, when it comes down to it, we are less viewing beings than beings being viewed. As Lacan puts it, we are always in the middle of one image or another. In each and every moment of our lives we are literally being photographed; there is always an eye lurking somewhere in the room. In seeking the favorable gaze of the other, we likewise end up surrounding ourselves, in those slumbering places where we are closest to fate, with gazing images whose protection we elicit in the briefest of all prayers, the sigh. Surely this explains the many guardian angels and saints, the Christ figures, and the Madonnas, especially the Madonnas holding a baby Jesus, but also the many photographs, mainly of the deceased or those far away—ultimately, all of these images that we ourselves create as such, including faces on the walls, distinguished by cracks in the wall, in the paint, or in the wallpaper, eyes in the grain of the wood of the cupboards and chests, the bodies and body parts in the folds of bedcovers and linen sheets, and so forth. It is precisely by way of these “images,� these proto-imagines, that my perceptual space finds order upon awakening, the behemoths become domesticated, and the other stages darkens. In preparing for the day, after encountering the real, speech also awakens with the abundance of light, the images dissipate, the space of imagination incrementally clears in favor of a world of representation in which perception relies on the support of a discursive statement as a guarantee for truth: I have just returned, am now here and still alive.
1 David Reed, Two Bedrooms in San Francisco, Walter and McBean Galleries, San Francisco Art Institute, 1992. 2 http://www.davidreedstudio.com/publications/ dr_scottiesplace.html 3 Jacques Lacan, The Four Fundamental Concepts of Psychoanalysis, trans. Alan Sheridan (New York: Norton, 1978). After the French original edited by Jacques-Alain Miller.
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Sleeping Producers curated by_Matteo Lucchetti
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M at t e o L u cc h e t t i
Lisl Ponger (* 1947, l. in Wien Vienna), Christoph Schäfer (* 1964, l. in Hamburg), Stephen Willats (* 1943, l. in London)
Wie viel produzieren wir eigentlich unbemerkt im Schlaf? Werden die Daten, die kurz vor dem Einschlafen auf unseren Mobilgeräten schnell vorbeihuschen, vielleicht in einer anderen Welt, in einer anderen Zeit profitabel? Immerhin treten uns unsere Wünsche und Zukunftspläne, wenn wir zu Bett gehen, klarer vor Augen. Sollten wir unser Bett dann nicht als Produktionsstätte einer zukünftigen Welt verstehen? Schlafende ProduzentInnen sind unbewusste ProduzentInnen. In einer globalen Ökonomie, in der persönliche Daten sogar ohne unsere Zustimmung zu Kapital gemacht und verkauft werden können, sind endlich alle Aspekte des Alltags produktiv geworden. Unser Leben gleicht einer Fabrik, in der endlos latenter Profit erzeugt wird. Ruhepausen und Schlaf sind davon keine Ausnahme. Doch unser Unbewusstes kann nicht so ohne Weiteres erschlossen werden. Unsere Wünsche sperren sich eigentümlich heftig dagegen, merkantil genutzt und in Mehrwert verwandelt zu werden. Wenn wir unseren geheimen Bedürfnissen Ausdruck verleihen, dann meist in einem kollektiven Ritual, bei dem die Fantasien der Einzelnen in die soziale Sphäre eintreten und dort die Gesellschaft und ihre Räume verändern.
Sleeping Producers thematisiert das Potenzial unserer Wünsche, Bedürfnisse und Träume in erster Linie über den Lebensraum. Unweigerlich rücken daher Probleme der Stadtplanung, des sozialen Wohnbaus, der Gentrifizierung und der Raumentwicklung in den Fokus. Die möglichen Rollen von KünstlerInnen in der urbanen Dynamik ergeben unterschiedliche Positionen, die vom reinen Beobachten bis zu emanzipatorischen Projekten und direktem politischem Aktivismus reichen. Alle in der Ausstellung vertretenen KünstlerInnen haben sich so intensiv mit dergleichen Fragestellungen beschäftigt, dass ihre Kunst die Facetten darzustellen vermag, wie Gesellschaften funktionieren. Sie setzen die kreative Spannung zwischen den „verschiedenen Bildauflösungsebenen“ (Stephen Willats), in denen sich das Gesellschaftsgefüge selbst organisiert, in subjektive Bildwelten um, die sich allen Abstraktionen, die auf sie projiziert werden, beständig verweigern. Matteo Lucchetti (* 1984) lebt als Kunsthistoriker, freier Kurator und Kunstkritiker in Brüssel.
Sleeping Producers
How much do we unknowingly produce while we are sleeping? Is the data that we share on our portable devices before closing our eyes going to be made profitable elsewhere, in another time zone? If our desires, wishes, and plans for the future become clearer in the moment we lie down in our beds, shouldn’t our bedrooms be seen as production sites for the world that lies ahead? A sleeping producer is an accidental producer. In a global economy where even personal data can be capitalized and sold without our consent, the space of production encompasses every aspect of our lives, which can be read as a never-ending fabrication of latent profit. The moment of rest, the restorative time of sleep, is no exception. But the non-immediate readability of our unconscious sphere makes our desires surprisingly difficult to track down and monetize by businesses interested in the exploitation of this surplus value. The moment we decide to express our silent demands is generally a collective one, when single visions enter a societal space, therefore influencing the design of our communities and their spaces. In Sleeping Producers, the potential of needs, desires, and dreams is mainly addressed through the perspective of the living environment, inevitably
crossing the fields of city planning, social housing, gentrification processes, and community development. The role of artists within the urban dynamic and context can play a range of different positions, going from the observer to an agent for awareness and consequent empowerment. The artists invited to the show have extensively dedicated themselves and their practices to giving shape to multifaceted descriptions of how societies function. They are devoted to understanding the creative tension occurring within the “different levels of resolution” (Stephen Willats), through which the social fabric self-organizes in producing imagery and subjectivity, which constantly escape the bigger pictures that are projected onto them. Matteo Lucchetti (* 1984) lives as an art historian, independent curator, and art critic in Brussels.
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Christoph Sch채fer Nika Riots, 2013 Zeichnung f체r die drawing for the 13th Istanbul Biennial Courtesy of the artist
Christoph Sch채fer The City is Our Factory, 2010 Zeichnung vom BuchCover von drawing from the book cover of The City is Our Factory (Leipzig: Spector Books 2010) Courtesy of the artist
Lisl Ponger Wild Places, 2001 C-Print C-print 126 × 102 cm Courtesy of the artist Lisl Ponger Destroy Capitalism, 2005 C-Print C-print 126 × 150 cm Courtesy of the artist Lisl Ponger Plutôt que rester dans l’hôtel, 2001 C-Print C-print 60 × 60 cm Courtesy of the artist
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Stephen Willats Conscious—Unconscious— Continuous—Discontinuous, 2013 Fotoabzüge, Fotofarbstoff, Acrylfarbe, Tinte, Letraset-Text auf Tafel photographic prints, photographic dye, acrylic paint, ink, Letraset text on board, 3-teilig, je 3 panel work, each 81,5 × 103 cm Courtesy of the artist and Victoria Miro, London, © Stephen Willats
Stephen Willats Around the Network, 2002 DVD-Film, Fotoabzüge, Fotofarbstoff, Acrylfarbe, Letraset-Text auf Karte, Plexiglasrahmen DVD film, photographic prints, photographic dye, acrylic paint, Letraset text on card, framed with Perspex, 118,5 × 92 cm Courtesy of the artist and Victoria Miro, London, © Stephen Willats
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Kerstin Engholm Galerie
Surface Modeling curated by_ Carson Chan
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Carson Chan
Jon Rafman (* 1981, l. in Montreal), Jeremy Shaw (* 1977, l. in Berlin), Britta Thie (* 1988, l. in Berlin)
Surface Modeling ist technisch gesprochen eine mathematische Methode zur Darstellung von Festkörpern. Um eine feste Form – digital oder sonst wie – zu berechnen und zu visualisieren, muss man erst glaubhaft eine erlebbare Realität schaffen. Beatriz Colominas provokante These, dass das Bett heute der produktivste Ort sei, kann mithin auch als räumliches Problem aufgefasst werden. Surface Modeling mit Arbeiten von Jon Rafman, Jeremy Shaw und Britta Thie reduziert das Bett auf das Elementare – eine erhöhte horizontale Mehrzweckfläche. Colomina erwähnt auch die Tatsache, dass immer mehr Menschen von ihrem Bett aus arbeiten. Dies kann als symptomatisch für das Verflachen und Verwischen der sozialen, beruflichen und privaten Lebensbereiche verstanden werden, an das wir uns in der Informationsökonomie bereits gewöhnt haben. Das Bett oder die horizontale Fläche war aber vielleicht immer schon eine Mehrzweck-Produktionsstätte. In Japan beispielsweise dient die Tatami-Matte mindestens seit dem 17. Jahrhundert als Ess-, Arbeits-, Freizeit- und Schlafunterlage.
Die drei ausstellenden künstlerischen Positionen bieten ihre persönliche Deutung der Produktivfläche. Auf einer Matratze spielen wir Videospiele und kundschaften neue Orte aus. Oder wir nehmen Drogen, um unsere Sinne zu befreien. Oder wir machen Fotos von uns und schicken sie an Freunde. Das eine produziert Raum, mit dem anderen fliehen wir die Wirklichkeit, mit dem Dritten produzieren wir ein Ich. So stellen wir alle unsere Realität her. Wir modellieren die Flächen um uns – bis sie zu Wirklichkeit werden. Carson Chan (* 1980) lebt als Architekturkritiker und Kurator in Berlin.
Surface Modeling
In technical terms, surface modeling is a mathematical technique for representing solid-looking objects. To render a form, digitally or otherwise, into a semblance of something tangible, a believable, livable reality needs to be produced. Beatriz Colomina’s provocation—that today the bed has become the prime place of productive engagement—can be understood as a spatial question; Surface Modeling, featuring the work of Jon Rafman, Jeremy Shaw, and Britta Thie, strips the bed down to its most elemental: a raised, multipurpose horizontal surface. That more and more people are working from their beds, a fact that Colomina cites, could be understood as being symptomatic of the flattening and collapsing of our social, professional, and personal spheres, a condition familiar to those in the information economy. But perhaps the bed, or horizontal surface, has always been a multipurpose place of production. In Japan, the tatami mat is a floor covering that has allowed for dining, working, entertaining, and sleeping since at least the seventeenth century.
The work of each of the three artists provides a different interpretation of the productive surface. On a mattress, we play video games, exploring new places; we take drugs to break free from our senses; we take photographs of ourselves and then broadcast them to our friends. One produces space, another a mode of escape, and the last produces the self. These are the methods in which we create our reality, and in which we model the surfaces around us until they become real. Carson Chan (* 1980) is an architecture writer and curator based in Berlin.
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Videostill aus video still from Jon Rafman, Still Life (Betamale), 2013 Digitales Video digital video, 4:54 Courtesy of the artist and Zach Feuer, New York
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Videostill aus video still from Jeremy Shaw, DMT, 2004 8-Kanal-Videoinstallation 8-channel video installation, 6:18–20:11, variable Größe dimensions variable, courtesy of the artist and Johann König, Berlin
Videostills aus video stills from Britta Thie, Having a Coke W U, 2013, digitales Video digital video, 2:21
Kerstin Engholm Galerie
G a l e r i e E r n s t Hi l g e r
Points of View curated by_Alenka GregoriÄ?
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Alenka Gregorič
Vuk Ćosić (* 1966, l. in Ljubljana), Fokus Grupa (gegründet founded in 2005, l. in Rijeka), Alfred Hrdlicka (1928–2009, Wien Vienna), IRWIN (gegründet founded in 1983, l. in Ljubljana), Ilya & Emilia Kabakov (* 1933 und and * 1945, l. in Long Island), Anton Kannemeyer (* 1967, l. in Cape Town), Vlado Martek (* 1951, l. in Zagreb), Mladen Stilinović (* 1947, l. in Zagreb), Raša Todosijević (* 1945, l. in Belgrad Belgrade) Der Kunsthistoriker Ernst Gombrich schrieb, dass die Bildwahrnehmung ein komplexer Prozess ist, der sich zahlreicher angeborener und erlernter Ressourcen bedient. Der Wahrnehmungsprozess besteht aus mehreren Stufen, die zusammen einen „Wahrnehmungszyklus“ bilden. Dieser ist ein zirkulärer Informationsfluss, der zwischen dem Organismus und seiner Umwelt stattfindet und bei dem jede Handlung die Umwelt so verändert, dass durch neuerliche Informationsaufnahme weitere Handlungen nötig werden. Komplexe Zusammenhänge sind auch der Ausgangspunkt des diesjährigen Konzepts von curated by_vienna. Das Bett als Beherrscher unseres Lebens – das Bett, in dem wir immer mehr Zeit zubringen. Was man über das Bett denkt, hängt jedoch von der Perspektive des Einzelnen und seinem historischen, geografischen und gesellschaftlichen Hintergrund ab. Im Bett verschwimmen die Grenzen zwischen privat und öffentlich, zwischen Reglosigkeit und Handlung. Das Bett kann wie ein Gefängnis erscheinen, in dem wir unser halbes Leben verbringen. Diese Probleme sind jedenfalls dezidiert Probleme der westlichen, der „ersten“ Welt. Im Bett wird indes auch tatsächlich gearbeitet, und zwar auf vielfältige Art. Eine Person zeichnet im Bett zum Beispiel das Modell eines neuen Fußballs, der dann auf der anderen Seite der Welt von jemand anderem nach ihren Plänen hergestellt wird. Im Herstellungsprozess eines materiellen Dings ist hier das Bett kein Luxus, sondern integraler Bestandteil der Produktionskette. Untätiges Herumlungern im Bett gilt heute allenthalben als Luxus. In einer Zeit, der es fast aus-
schließlich um Produktivität geht, gilt Faulheit dementsprechend als verabscheuungswürdig. Und das ist der Grund, warum Mladen Stilinović' Spruch „Ohne Faulheit keine Kunst“ in der modernen marktorientierten Kunstwelt mit ihrer Hyperproduktivität immer noch wichtig ist. Das Bett als Ort zum Träumen oder als Kritik am kapitalistischen Kulturparadigma? Vuk Ćosić und die Gruppe Irwin gehen jedenfalls nicht von der Annahme aus, dass das Bett ein Sehnsuchtsort sei. Auch Raša Todosijević' vielsagend Schlafflagge betiteltes Werk entfaltet erst im Kontext betrachtet seine Kritik. Poetische Nebentöne wiederum sind der Schlüssel zu den Arbeiten Vlado Marteks, während man bei der Fokus Grupa unmissverständlich eine Polemik gegen utopische Geschichtsvorstellungen erkennen kann. Kunst steht immer im Kontext von Raum, Zeit und Präsentationsform. Ihr Kern besteht darin, dass alles auf die Perspektive ankommt. Alenka Gregorič ist seit 2009 künstlerische Leiterin und Kuratorin der City Art Gallery Ljubljana.
Points of View
According to the art historian Ernst Gombrich, image perception is a complex process that requires many human skills, whether innate or learned. The process of perception includes a number of stages, all of which are part of the so-called “perception cycle.” This is a circular flow of information that takes place between the organism and its environment, with every action causing changes in the environment which dictate further action through the process of perception and the processing of information. Complex consideration is also promoted by the starting premise of the key concept of the curated by project—the bed as the dominant object of our living space, where we spend more and more time. Reflection on the role of the bed depends on the perspective of the subject; his historical, geographical, and social environment. The bed as the place where the private and public, rest and action, merge into one, like a jail that we inhabit for most of our lives, is the controversy of the determined / Western part of the world, which makes it a “first world problem.” Meanwhile, performing a variety of activities in bed (mostly via social networks), a person also does work in the literal sense of the word, for example, one draws a model of a soccer ball, while a person on the other side of the world that makes this ball—a physical object therefore—participates in that part of the production process where the bed often represents luxury. Nowadays, idle lounging in bed is also a luxury. At a time when productivity is almost exclusively valued, laziness has become a despised human trait. This is what makes the statement by Mladen
Stilinović so relentlessly essential in the modern market-oriented art world of hyper-production: “There is no art without laziness.” The bed as a place to express fantasies or as a commentary on the capitalist paradigm of culture? The basic premises of the work by Vuk Ćosić and the IRWIN collective do not arise from the supposition of the bed as a place of desire, nor does the work of Raša Todosijević, with its meaningful title Schlafflage. Nevertheless, the context of their placement dictates the way these artworks are read. Poetic connotation is key in the works of Vlado Martek, whereas the polemics concerning the utopian ideas of history can be discerned in the work of Fokus Grupa. Art is always part of a wider picture of the space, time, and context of presentation. Essentially it all depends on perspective. Alenka Gregorič has been the artistic director and curator at City Art Gallery Ljubljana since 2009.
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Fokus Grupa, Exercising novy byt, 2014 Eigens fabriziertes Möbelstück specially manufactured furniture, Fotocollage photo collage Installationsansicht installation view City Art Gallery, Ljubljana Vlado Martek, Red Bed, 1996 Stoff, Stift, Pinsel, getöntes Papier fabric, pencil, brush, toned paper, 10,3 × 20 × 1,5 cm
Mladen Stilinović, Artist at Work, 1978 8 S/W-Fotografien 8 B/W photographs, je each 30 × 40 cm Vuk Ćosić Hand Job / Written by Hand, 2009 Handschriftliche ASCII-Zeichnung auf Papier und Fotokopie, Diptychon Handwritten ASCII drawing on paper + xerox, diptych à 30 × 20 cm, gerahmt framed ca. approx. 40 × 90 cm
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Raša Todosijević, Schlafflagge, 2002 Stoffe cloths, variable Größe dimensions variable IRWIN (mit with Marina Abramović), Namepickers, 1999 Farbfotografie color photograph, 100 × 90 cm Foto photo: Bojan Brecelj
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Galerie Andreas Huber
Instrumental Assistance curated by_Kristina Scepanski
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K r i s t i n a Sc e pa n s ki
Tom Burr (* 1963, l. in New York), Jon Rafman (* 1981, l. in New York), Tabor Robak (* 1986, l. in New York), Timur Si-Qin (* 1984, l. in Berlin)
Es gibt gesellschaftliche Gruppen, die mit „instrumenteller Unterstützung“ schlafen, und solche, die das nicht tun. Mit diesem und ähnlichen Beispielen dekonstruierte Marcel Mauss 1934 in seiner kulturanthropologischen Klassifikation der Techniken des Körpers die Vorstellung von scheinbar natürlichen menschlichen Bewegungsabläufen. Soziale Ordnungen und Strukturen schreiben sich in den Körper ein; er ist immer gesellschaftlich geprägt. Zu Mauss’ Zeiten war die instrumentelle Unterstützung, an die sich so manche Gesellschaften gewöhnt hatten, beispielsweise das Bett. Heute ist es keineswegs weniger populär. Jedoch ist die für die Körpersozialisation unserer Zeit einflussreichste Entwicklung zweifelsohne die fortschreitende Technologisierung und Digitalisierung unseres Lebensund Arbeitsumfeldes. Dadurch wird auch das Bett heutzutage oft als erweiterter Arbeitsplatz genutzt. Und selbst wenn dies aufgrund der Profession nicht infrage kommt, werden die beiden unterstützenden Instrumente Bett und Laptop gerne miteinander kombiniert. Vom denkbar privatesten Ort aus nehmen wir an den Geschehnissen in der Welt teil. Einen Körper brauchen wir dazu nicht. Und doch ist gerade das Bett mit seinen anthropomorphen Dimensionen Mahnung und
Beweis der eigenen Körperlichkeit. Ob wir wollen oder nicht, wir sind auf den Körper angewiesen, müssen uns gewissen Restriktionen unterwerfen, auch wenn uns die bildschirmbasierte Realität anderes suggeriert. Sie lehrt uns andere Muster der Wahrnehmung von Räumen, Distanzen und Kommunikation. Das Momenthafte, nicht beliebig Wiederholbare, Abrufbare und Verfügbare gerät ebenso in den Hintergrund wie ein sensorisches Erleben. Da kann das eigene Bett ein tröstendes und erdendes Korrektiv sein. Kristina Scepanski ist Kunsthistorikerin und leitet seit 2013 den Westfälischen Kunstverein in Münster.
Instrumental Assistance
There are groups of people that sleep with “instrumental assistance” and those that do not. Citing this example and similar ones, in 1934 Marcel Mauss deconstructed the idea of seemingly natural human motion sequences through his cultural-anthropological classification of “bodily techniques.” What is more, social systems and structures become inscribed in the body, which is always impacted by society. During the period in which Mauss lived, an example of the instrumental support to which so many societies had become accustomed would be, for example, the bed. And today it certainly remains equally popular. However, the development that has most strongly influenced the bodily socialization of our time is undoubtedly the advancing technical development and digitalization of our living and working environments. This has led to the bed frequently being used as an extended working space in this day and age. And even if one’s own profession does not lend itself to this habit, the two supporting instruments of bed and laptop nevertheless tend to be combined rather often. It is from what is conceivably the most private place that we engage with global events, without needing a body to do so. And yet the bed in particu-
lar, with its anthropomorphic dimensions, is both reminder and evidence of one’s own corporeality. Whether we like it or not, we are bound to the bed and are subject to certain restrictions, even if the screen-based reality suggests otherwise. It acquaints us with other perceptual patterns of space, distance, and communication. Moving into the background along with sensorial experience are qualities of transience and an inability to arbitrarily repeat, call up, and access. Indeed, one’s own bed can be a comforting and grounding corrective factor. Kristina Scepanski is an art historian. Since 2013 she has been the director of the Westfälischer Kunstverein in Münster.
Galerie Andreas Huber
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Camille Flammarion, La fin du monde, Paris 1894, S. p. 273 (ÖNB, Wien Vienna) Tom Burr, Notes on Camp, 2011 Klappbett und Ausgabe von Susan Sontags folding bed and copy of Susan Sontag’s Against Interpretation, courtesy of the artist and Bortolami Gallery, New York
Videostills aus video stills from Jon Rafman, Lybov Popova and El Lissitzky Office Complex, 2013 HD-Video, 2:10, courtesy of the artist and Future Gallery, Berlin
Galerie Andreas Huber
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Timur Si-Qin, Melted Yoga Mat GAIAM (Gray 3), 2013 Yogamatte auf Aluminiumplatte yoga mat on aluminium panel, 200 × 100 × 4 cm Courtesy of the artist and Société, Berlin
Videostills aus video stills from Tabor Robak, 20XX, 2013 HD-Video, Realtime-3-D real-time 3D, 10:00 Courtesy of the artist and Team Gallery, New York
Galerie Andreas Huber
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Galerie Martin Janda
A Mouse Drowned in a Honey Pot curated by_MagalĂ Arriola
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Magalí Arriola
Jill Magid (* 1973, l. in New York), Tania Pérez Córdova (* 1979, l. in Mexico City), Simon Starling (* 1967, l. in Berlin und Kopenhagen and Copenhagen), José Arriola Adame (1890–1962, Guadalajara, Soundtrack zur Ausstellung soundtrack to the exhibition) Überall waren Mäuse, aber sie wurden erst entdeckt, als sie tot waren. Da lagen sie – unter dem Bett, zwischen den Büchern, im Honigtopf ertrunken oder in einer kleinen Schachtel in den Händen des kleinen Jungen. Der Junge jagte mit der toten Maus das kleine Mädchen durch den langen Korridor. Als sie hinter einer Tür Schutz suchte, warf er die Maus nach ihr. Der Junge und das Mädchen sollten sich immer wieder in dem Haus aufhalten, an dessen Baufälligkeit sie sich gewöhnt hatten. Das alles ist nun 30 oder 40 Jahre her, und schon damals war das Haus halb verfallen. Ruinen bedeuten für uns nicht immer Vergangenes. Der Junge und das Mädchen kannten ohnehin kein Vorher. Sie konnten gar nicht nostalgisch sein. Sie waren so jung, dass sie nur eine Zeit kannten: Alles fand in der Gegenwart statt, es gab keine Vergangenheit. Womöglich hatten sie auch keinen Begriff von Zukunft und ahnten nicht, was dieser Ort dereinst bedeuten könnte, wenn er selbst – paradoxerweise – nicht mehr wäre. Alles, was sie wussten, ist: Es war einmal ein verfallenes Haus, das einfach da war. Morgens war es leer und in der Nacht war es dunkel. Zu den Schlafzimmern führte ein langer Korridor, der an einem Hinterzimmer endete, in dem man in der Früh die Tauben gurren hörte. Durchs Fenster sah man die stummen Schatten der Bäume eine große weiße Wand überragen. Dann war da noch das alte schwarze Bakelit-Telefon auf einem Holztisch in einer Ecke. Manchmal läutete es – eine fröhliche Form der Erinnerung an die Außenwelt. Es gab noch einige andere Dinge, die ihnen helfen hätten können, vorwärts in die Vergangenheit zu reisen. Dabei ging
es jedoch nicht um Sentimentalität. Es ging darum, zu verstehen, was passiert war, dass nun alles so verfallen war. Das Leben nimmt, mit all seinen Höhen und Tiefen, seinen Lauf. Vor diesem Hintergrund begreift man, warum gelebte Architektur aufhört, ein Raum zur Kontemplation zu sein, und beiläufig neue Bilder, neue ästhetische Erlebnisse erzeugt. Es geht darum, wie Alltagsbegebenheiten die Architekturgeschichte umlenken, während verzerrte Erinnerungen zur Quelle neuer Geschichten werden. Magalí Arriola lebt derzeit in Mexico City, wo sie seit Februar 2012 als Kuratorin in der Fundación Jumex Arte Contemporáneo tätig ist.
Eine Maus, im Honigtopf ertrunken A Mouse Drowned in a Honey Pot
Mice were everywhere, but they weren’t really seen until they dropped dead: under the bed, amongst the books, drowned in a honey pot, or inside a small cardboard box held by a young boy. The little boy would chase the little girl in the long corridor holding the dead mouse and throw it at her when she became cornered behind a door. The boy and the girl would be sent to the house time and again. The derelict state of the place thus became normal. That was some thirty or forty years ago, with the ruinous house by then being no more than half of what it had been. Our relation to ruins does not always imply going backwards in time—for in this case, there was not a prior time for them, and there was no nostalgia. The boy and the girl were young enough to believe that this was the time; this was the state of things that only existed in the present. For they didn’t know about the past, and probably didn’t even have a notion of the future, of what this place could come to represent in the long run when, paradoxically, its original referent would be obliterated. Here is what they knew: there was a dilapidated house and there was no other way to picture it, deserted in the morning and dark at night. There was the corridor leading to the bedrooms, particularly to the back room where they could hear the pigeons cooing in the morning and could watch through the window the silent shadows of the trees over a big white wall. There was the old black Bakelite telephone on a wooden table in a corner that would sometimes ring and cheerfully reach to the outside world. And there were many other things that can help to piece everything together and move forward
into the past. This is not, however, about restoring past times; it’s about trying to understand whatever had happened that made everything fall apart. Life happened with its fortunes and misfortunes. This is a backdrop for understanding how lived architecture ceases to be a space for contemplation, and how it accidentally triggers new images and fosters alternative aesthetic experiences. It is about how everyday narratives redirect architectural history while distorted memories become the referent for a different story to be narrated. Magalí Arriola is currently living in Mexico City, where she has worked as curator at Fundación Jumex Arte Contemporáneo since February 2012.
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84 José Arriola Adames Bibliothek, anonyme Fotografie, undatiert José Arriola Adame’s Library, anonymous photograph, not dated
Jill Magid Interior of Barragán’s House, Foto photo: Alberto Moreno, 2014 Buch, Rahmen book, frame, 23,5 × 47 cm Foto photo: Gunnar Meier Courtesy of RaebervonStenglin, Zürich Zurich Jill Magid The Shadows of the Eucalyptus Trees at El Bebedoro, 2013 16-mm-Film, Projektor, Kanister, Neun-Min.Loop, variable Größe 16-mm film, projector, canister, 9 min. loop, dimensions variable Courtesy of the artist, Galerie Yvon Lambert, Paris and LABOR, Mexico City © Jill Magid Foto photo: Steven Probert
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86 Tania Pérez Córdova Gefundenes und restauriertes Keramikobjekt found and restored pottery object Tania Pérez Córdova Von der Künstlerin ausgewählte Archivfotografie archival photograph selected by the artist
Simon Starling Silberschale, ursprünglich aus wiederverwertetem Familiensilber von den mexikanischen Silberschmieden Alfredo Ortega und Söhne im Auftrag von Luis Barragán (ca. 1950) für die Casa Prieto, Jardines del Pedregal, in Mexico City hergestellt; reproduziert in einer Auflage von drei Stück vom deutschen Silberschmied Michael Steger im Auftrag von Simon Starling unter Verwendung von drei Stück Tafelsilber, die ursprünglich zwischen 1890 und 1920 in England und China hergestellt worden waren, nachgebildet mithilfe einer mit einer CNC-Fräse geschnittenen Stahlschablone nach einem hochauflösenden 3-DScan der mexikanischen Originalschale, 2013 Drei Schalen aus Sterlingsilber auf Sockel, Schalen je 31,7 × 26,6 × 5,8 cm, Sockel 90 × 100 × 70 cm, Abdeckung 20 × 100 × 70 cm
A silver bowl originally produced using recycled family silver by the Mexican silversmiths Alfredo Ortega and Sons following a commission by Luis Barragán, (circa 1950) for Casa Prieto, Jardines del Pedregal, Mexico City, reproduced in a set of three by the German silversmith Michael Steger following a commission by Simon Starling, using three pieces of recycled silverware, originally manufactured in England and China between 1890 and 1920, reworked on a steel former cut with a CNC milling machine from a high resolution 3D scan of the original Mexican bowl. 2013 Three sterling silver bowls, plinth. Each bowl: 31,7 × 26,6 × 5,8 cm Plinth: 90 × 100 × 70 cm Bonnet: 20 × 100 × 70 cm © Simon Starling, Foto photo: Jens Ziehe, Berlin Courtesy of the artist and neugerriemschneider, Berlin
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Georg Kargl Fine Arts
I Know Not to Know curated by_Francesco Stocchi
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F r a n c e s c o S t o cc h i
Heidi Bucher (1926–1993, Schweiz Switzerland), Jonas Feferle (* 1983, l. in Wien Vienna), Andreas Fogarasi (* 1977, l. in Wien Vienna), Nunzio (* 1954, l. in Turin), Erin Shirreff (* 1975, l. in New York) Die Wechselbeziehung von Architektur und menschlichem Verhalten lässt sich über die Jahrhunderte des Zivilisationsprozesses verfolgen. Man sieht daran auch, dass Veränderungen unserer Gewohnheiten die „Lebensqualität“ verbessern und zu innovativen Hybridformen führen können: in diesem Sinn kann ein Bett zum Arbeitsplatz mutieren. Der italienische Renaissancearchitekt Filippo Brunelleschi plante seine Räume nach streng rationalen Regeln. Damit wollte er die Menschen dazu bringen, selbst Verantwortung zu übernehmen und zu ProtagonistInnen einer nach ihren Bedürfnissen gestalteten Welt zu werden. Brunelleschi teilte den Raum nach den Prinzipien der Zentralperspektive und klaren Proportionen, die er von geometrischen Grundfiguren ableitete, und bewog damit die Menschen, ihre Handlungen mit derselben Klarheit auszuführen. Brunelleschi wollte mit seinen Bauten also eine Lektion über das bürgerliche Leben erteilen. Diese Lehre wurde jedoch nur zum Teil aufgenommen: Mit der Ausbreitung von Brunelleschis architektonischer Botschaft verlor sich ihre ursprüngliche Kraft. Sein Stil wurde zwar oft kopiert, die dahinterliegenden Ideen jedoch nicht aufgenommen. Die so emanzipatorischen Ziele seiner Lehren gingen damit nach und nach verloren. Kurz, es fehlte ein Publikum als vermittelnde Instanz. Einzig die gebildete Klasse, die zahlenmäßig beschränkt war und sich an damals vorherrschenden konservativen Positionen orientierte, konnte seine Architektur verstehen und beurteilen. Dieser merkwürdige Zustand von doppeldeutiger Botschaft, Frustration und Missverstehen ist weder einzigartig noch auf die Architektur
beschränkt. Was passiert zum Beispiel, wenn ein Kunstwerk subjektiv beurteilt und am Ende entgegen der Intention seines Schöpfers oder seiner Schöpferin vermittelt wird? Und was, wenn das Kunstwerk selbst eine unklare Botschaft vermittelt? Mit KünstlerInnen aus unterschiedlichen Generationen und mit verschiedenen Hintergründen versucht die Ausstellung I Know Not to Know die Frage nach der Mehrdeutigkeit von Kunst in all ihren Facetten zu beleuchten. I Know Not to Know entzieht sich damit jeder systematischen Einordnung, eröffnet dem Publikum aber zugleich die Möglichkeit des Zweifels. Francesco Stocchi ist Kurator für moderne und zeitgenössische Kunst am Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam.
I Know Not to Know
The interrelation between architecture and human behavior has been recounting over centuries the progress of civilization, suggesting changes in habits, enhancing our quality of life, and providing innovative alliances: a bed can become a working place. Designing spaces based on rigorous rational laws, Filippo Brunelleschi invited man to be responsible, even a protagonist, of a world governed by his own reason. Brunelleschi’s way of dividing the space depending on the perspective and according to clear and solid relationships derived from primary geometrical figures, pushing the beholder to order his actions with the same degree of clarity. It is therefore a lesson on civic life that the Italian architect intended to provide through his constructions—a lesson which has been understood only in part, for as it spread, the architectural message of Brunelleschi lost its original force. The style was widely imitated, but the lesson that formed the basic principles was not accepted. The high civilian purposes of this teaching were gradually forgotten because it missed the public, the interlocutor. Able to understand and benefit from his architecture were only the educated classes, numerically limited and oriented towards then prevailing conservative positions. This exceptional condition of ambiguous message, misunderstanding, and frustration is not unique to Brunelleschi; neither is it specific to architecture. What happens when an artwork is subjectively absorbed, ending up communicating something other than the artist’s intentions? What if it is the artwork itself which conveys ambiguity?
Through a selection of artists from different generations and frameworks, the exhibition I Know Not to Know aims to investigate the question of the artwork’s ambivalence and its numerous perspectives, frustrating the labeling protocol and offering beholders the possibility of doubt. Francesco Stocchi is curator for Modern and Contemporary Art at The Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam.
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Andreas Fogarasi Roof Study 2, 2014 Kupfer, Buchbinderleinen copper, bookbinder’s linen, 40 × 56 × 4 cm Foto photo: Matthias Bildstein Courtesy of Georg Kargl Fine Arts
Heidi Bucher Bett, Bed, 1975 Gewebe, Latex, Perlmuttpigment textile, latex, mother-of-pearl pigments, 220 × 160 cm The Estate of Heidi Bucher and Freymond-Guth Fine Arts, Zürich Zurich
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Erin Shirreff Catalogue, 10 parts, 2013 Hydrostone, Pigment, Grafit, Stahl Hydrostone, pigment, graphite, steel, 86,4 × 152,4 × 50,8 cm Courtesy of Sikkema Jenkins & Co, New York
Nunzio Sarai d’ombra, 2013 Holz wood, Durchmesser diameter 300 cm, Höhe height 290 cm Foto photo: Michele Sereni Courtesy of the artist
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#underthestars curated by_ Maja & Reuben Fowkes
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M a j a & R e u b e n F o w k e s
Tibor Horváth (* 1976, l. in Berlin), Oto Hudec (* 1981, l. in Bratislava), Renata Poljak (* 1974, l. in Zagreb), Davor Sanvincenti (* 1979, l. in Zagreb) Die Ausstellung #underthestars thematisiert ökologische Alternativen zur tragisch passiven Figur des 24 Stunden am Tag schuftenden immateriellen Arbeiters, der zu viel Zeit im Bett verbringt – er antwortet auf E-Mails, erstellt Videoclips für soziale Netzwerke, er interagiert virtuell, geht tatsächlich aber nirgends hin. Die Ausstellung thematisiert genau den gegenläufigen Trend, das Übernachten im Freien. Bewusst entzieht man sich der trügerischen Sicherheit, die die moderne Architektur gewährt, und auch dem technologisierten Leben, für das das Arbeiten im Bett charakteristisch steht. Unter dem Sternenhimmel zu schlafen könnte als Therapieform angesehen werden, um jene Störungen der natürlichen Zyklen auszugleichen, die die Abhängigkeit von komfortablen Technologien mit sich bringt. Sie könnte jenem inneren Mangel entgegenwirken, der durch das Dösen inmitten unsichtbarer Magnetfelder des digitalen Schlafzimmers entsteht. Sogar unsere Träume können eine neue Wendung nehmen, ausgelöst durch das Surren des Computers, wenn dieser aus dem Schlafmodus mitten in der Nacht erwacht. #underthestars setzt an bei einer ökologischen Kritik der Proklamation des „Jahrhunderts des Betts“, wobei die Strategien von KünstlerInnen im Vordergrund stehen, die ihr Zuhause unter freiem Himmel sehen, in jenem Bereich zwischen Himmel und Erde – vergleichbar mit der ökoarchitektonischen Erscheinung des Biwaks von Kletterern, einer unsicheren Plattform, die am senkrechten Fels hängt und eine radikal andere Phänomenologie des Betts zum Vorschein bringt.
Bereits vor mehr als 100 Jahren sagte E. M. Forster in seiner Kurzgeschichte Die Maschine bleibt stehen den Zusammenbruch einer Gesellschaft voraus, die zu sehr von der Technik abhängt. Es ist die dunkle Anti-Utopie einer Welt, in der die Menschen nicht mehr auf der Erdoberfläche leben können. So haben sie sich in unterirdische Zellen zurückgezogen, wo eine übermächtige Maschine alle ihre leiblichen und psychischen Bedürfnisse befriedigt. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, sich auf den möglichen Zusammenbruch unserer nicht mehr nachhaltigen technischen Systeme einzustellen. Die trügerische Sicherheit des umhüllenden technischen Kokons aufzugeben, birgt indes die Chance, die Welt neu zu entdecken. Maja & Reuben Fowkes leben als Kuratoren und Kunsthistoriker in Budapest, wo sie sich ihrem Schwerpunkt der osteuropäischen Kunst und Ökologie im Rahmen des Translocal Institute for Contemporary Art (www.translocal.org) widmen.
#underthestars
The exhibition #underthestars explores ecological alternatives to the tragic figure of the 24/7 immaterial worker who spends too much time in bed— replying to e-mails, creating clips for social media, interacting virtually, but not going anywhere. The exhibition highlights the opposite tendency of sleeping outdoors, making a bed beyond the illusionary security provided by modern architecture, and challenging the alienation of a technologically determined life symbolized by the bad habit of working in bed. Sleeping under the stars could itself be a form of therapy for the distortions to natural cycles induced by over-dependence on technological comforts, countering the psychic deprivation caused by dozing in the invisible magnetic field of the digital bedroom, with even our dreams electronically rerouted by the whir of computers awakening from sleep mode in the depths of night. #underthestars sets out to explore the ecological critique of what has been diagnosed as the "century of the bed," by highlighting the strategies of artists who make their home under the stars in the liminal state between heaven and earth, echoing the eco-architectural apparition of the mountain climber’s portaledge, a precarious platform suspended halfway up a rock face that invokes a radically different phenomenology of bed. More than a century ago, E. M. Forster in The Machine Stops predicted the breakdown of a futuristic civilization based on an over-dependence on technology, in a dystopian vision of a world in which humans have lost the ability to survive on the surface of the Earth and live in subterranean cells with
all their bodily and spiritual needs met by an allpowerful Machine. Perhaps it’s time to prepare for the possibility of the collapse of today’s unsustainable systems and to recognize that letting go of the illusory security of the technological cocoon brings with it the chance to discover the world anew. Maja & Reuben Fowkes are Budapest-based curators and art historians who pursue their interests in East European art and ecology through the Translocal Institute for Contemporary Art (www.translocal.org).
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Oto Hudec, Nomadia Travelling Museum, 2012–2014 Installation, variable Größe dimensions variable Courtesy of Gandy Gallery, Bratislava
K n o l l G a l e r i e Wi e n
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102 Tibor Horváth, Bicycle Family Suits, 2014 Installation, variable Größe dimensions variable, Foto photo: Andrea Gáldi Vinkó Renata Poljak, No Title (Blue), 2010–2014 Multimediaprojekt (Detail) multimedia project (detail) Courtesy of the artist
Davor Sanvincenti Le lever du jour sur l’océan, 2012 16-mm-Film 16-mm film, 128-m-Rolle (Schleife) 420 ft film reel (loop), Foto photo: Boris Cvjetanović
C h r i s t i n e K รถ n ig G a l e r i e
In Real Life curated by_Luca Lo Pinto
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Luca Lo Pinto
Cory Arcangel (* 1978, l. in New York), Darren Bader (* 1978, l. in New York), Pierre Bismuth (* 1963, l. in Brüssel Brussels), Antoine Catala (* 1975, l. in New York), Talia Chetrit (* 1982, l. in New York), Tobias Kaspar (* 1984, l. in Berlin), Adriana Lara (* 1978, l. in Mexico City, Puerto Rico und and New York), Marlie Mul (* 1980, l. in Berlin und and London), Gerhard Rühm (* 1930, l. in Köln und Wien Cologne and Vienna), Davide Stucchi (* 1988, l. in Mailand Milan) „In allen Künsten gibt es eine physische Komponente, die nicht mehr auf die gleiche Weise betrachtet oder behandelt werden kann wie früher – völlig unbeeinflusst durch unser modernes Wissen und Handlungspotenzial. Während der vergangenen zwanzig Jahre sind weder Gegenstand noch Raum noch Zeit das geblieben, was sie von jeher waren. Es ist zu erwarten, dass große Innovationen die diversen künstlerischen Verfahren verändern werden und damit das Kunstschaffen selbst, sowie in einem unglaublichen Maß auch unsere Auffassung davon, was Kunst ist.“ Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, welche Zukunft sich Paul Valéry vorstellte, als er diese Worte 1931 niederschrieb, aber ich bezweifle, dass er solch radikale Veränderungen in der Kunst vorausgesehen haben kann, wie sie seit dem Anbruch des digitalen Zeitalters stattgefunden haben. In einer Welt, in der die technische Reproduzierbarkeit unvorstellbare Ausmaße annimmt, hat sich die Bedeutung der „Authentizität“ eines Kunstwerks dramatisch verändert. Ein Großteil unseres Wissens ist ja nicht mehr das Ergebnis direkter Erfahrung, sondern durch Bilder oder Film gefiltert. Daher geschieht die Vermittlung eines Kunstwerks fast ausschließlich über Texte, Bilder oder einzelne Wörter. Meistens betrachten wir JPG-Dateien anstatt realer Objekte. Unser kultureller Hintergrund basiert mittlerweile vor allem auf Informationen aus zweiter, nicht aus erster Hand. Wir beurteilen Dinge ohne Unterschied, ob es sich dabei um das reale oder das reproduzierte Objekt, welches am Bildschirm in unserer Vorstellung als dreidimensionales Raumerlebnis erscheint, handelt.
Neue Technologien wie Smartphones und Tablets haben die Art der Wahrnehmung und Verbreitung von Kunst fundamental verändert. Wie verändert nun diese Realität unser Wissen und unsere Interpretation von Kunstwerken? Wie können diese dringlichen theoretischen Belange innerhalb des diskursiven Rahmens einer Ausstellung befragt werden? Ist Benjamins Konzept der „Aura“, als eigentlicher Erfahrungswert eines Kunstobjekts, noch gültig? Das von mir für die Christine König Galerie entwickelte Projekt greift diese Gedanken als Ausgangspunkt auf und versucht sie innerhalb des Kontexts der Ausstellungsgestaltung zu artikulieren. Einige Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen, eine Reihe von Werken zu produzieren, die nicht physisch am Ausstellungsort gezeigt werden sollen, sondern in der Erscheinungsform eines Abbildes. Der Prozess kann durchaus mit dem eines Fashion-Shootings verglichen werden, wo für die Fotostrecke ein aufwendig gestaltetes Szenario errichtet wird und die Betrachterinnen oder Betrachter am Ende doch nur ein Bild erreicht. Die einzelnen Kunstwerke werden gemeinsam in einem neutralen Raum installiert und von Margherita Spiluttini in einer Überblicksaufnahme in Frontalansicht fotografiert. Dieses Bild wird anschließend großformatig ausgedruckt und auf einer adäquaten Wand präsentiert, wobei die Arbeiten im Maßstab 1 : 1 erscheinen. Die ursprüngliche Aufstellung umfasst Werke verschiedenster Medien: Skulptur, Fotografie, Installation, Zeichnung. Das Publikum ist eingeladen, die Präsentation in der Galerie analog zu einem Bild am digitalen
In Real Life
Bildschirm zu erleben – aber tatsächlich nimmt es sie lebensgroß und in einem realen Raum wahr. Luca Lo Pinto (* 1981) ist Gründer und Herausgeber der Zeitschrift NERO und seit Frühling 2014 Kurator an der Kunsthalle Wien. “In all the arts there is a physical component which can no longer be considered or treated as it used to be, which cannot remain unaffected by our modern knowledge and power. For the last twenty years, neither matter nor space nor time has been what it was from time immemorial. We must expect that great innovations will transform the entire technique of the arts, thereby affecting artistic invention itself and perhaps even bringing about an amazing change in our very notion of art.” I don’t know exactly what future Paul Valéry was supposing when he wrote these words in 1931, but I doubt he could have foreseen the radical transformation of our interaction with the artwork that has occurred since the advent of the digital era. In a world where technical reproducibility has reached levels never before imagined, the value and significance of “authenticity” in relation to the work of art has changed dramatically. Most of our knowledge is not the result of direct experience but rather is filtered through images or video. Consequently, the fruition of an artwork occurs almost exclusively via texts, images, or words. Most of the time we look at JPGs instead of objects. Our cultural background is based more on second-hand information than firsthand experience. We interpret things without making any distinction between the real and the repro-
duced object transformed ideally from our computer screen into a three-dimensional space. New technologies, such as smartphones and tablets, have completely changed the way in which art is viewed and distributed. How does this reality affect our knowledge and our reading of artworks? How could these urgent theoretical issues be queried within the discursive framework of an exhibition? Is Benjamin’s concept of aura as the physicality of the art object still relevant? The project I have developed for Christine König Gallery takes these thoughts as starting points and tries to articulate them within the context of exhibition-making. A number of artists have been invited to produce and present series of works that will be presented not physically in the exhibition space, but within the architecture of an image. The process is very similar to that of a fashion shoot, where a fullblown real scenario is constructed and yet in the end only reaches the recipient as an image. The works will be installed in a neutral space and then captured by Margherita Spiluttini as an overview in a single, large-size frontal picture. A wall-filling print of this image will be displayed in the exhibition space, with the works being seen in a 1:1 scale. The exhibition comprises works realized in different mediums (sculpture, photography, installation, drawing). Viewers are invited to see the exhibition as they would view it on their digital screens, but here they see it life-size in a physical space. Luca Lo Pinto (* 1981) is founder and editor in chief of the magazine NERO and since spring 2014 curator at Kunsthalle Wien, Vienna.
C h r i s t i n e K ö n ig G a l e r i e
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C h r i s t i n e K รถ n ig G a l e r i e
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Screenshots: Luca Lo Pinto
C h r i s t i n e K รถ n ig G a l e r i e
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Krinzinger Projekte
CCC#3: Insignificant Alterations curated by_Olga Sviblova
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O l g a Svib l o v a
Nikita Alekseev (* 1953, l. in Moskau Moscow), Marina Alekseeva (* 1959, l. in Shuvalovo-Ozerki / RU), Ivan Chuikov (* 1935, l. in Moskau und Moscow and Düsseldorf), Collective Actions (gegründet founded in 1976, Moskau Moscow), Inspection Medical Hermeneutics (gegründet founded in 1987, Moskau Moscow), Yuri Leiderman (* 1963, l. in Berlin), Igor Makarevich (* 1943, l. in Moskau Moscow), Andrey Monastyrsky (* 1949, l. in Moskau Moscow), Pavel Pepperstein (* 1966, l. in Moskau Moscow), Pertsy Group (gegründet founded in 1983 – 1999, Odessa), German Titov (* 1964, l. in Wologda Vologda) Insignificant Alterations zeigt Werke der Moskauer Konzeptualisten Nikita Alekseev, Marina Alekseeva, Ivan Chuikov, Collective Actions, Inspection Medical Hermeneutics, Yuri Leiderman, Igor Makarevich, Andrey Monastyrsky, Pavel Pepperstein, Pertsy Group sowie German Titov, einer der markantesten heutigen Vertreter der Tradition der Moskauer Konzeptualisten. Die durch Kontemplation gekennzeichnete Moskauer konzeptuelle Schule entstand in den 1970erJahren, während der „Jahre der Stagnation“ der Sowjetunion. Sie kultivierte die typisch russische Trägheit, der bereits der Autor Iwan Gontscharow 1859 in seinem klassischen Roman Oblomow Ausdruck verliehen hatte. Ilja Oblomow, der Protagonist der Geschichte, verbringt die meiste Zeit mit Grübeln und Sinnieren im Bett – im Unterschied zu einer weiteren Hauptfigur, dem Deutschen Stolz, der seine Umwelt aktiv zu gestalten trachtet. Oblomow steht für das schlafende Russland, das am Ende vielleicht gar nicht erweckt werden sollte? In einem Interview erwähnt Pavel Pepperstein, dass er sich der Moskauer Konzeptualistenszene anschloss, nachdem er in den späten 1970erJahren Andrey Monastyrsky kennengelernt hatte. Monastyrsky lag damals die meiste Zeit auf dem Sofa und wandte der Welt buchstäblich den Rücken zu, war dessen ungeachtet aber offen für jede Kommunikation. Der Kreis der Moskauer Konzeptualisten pflegte die Kontemplation durch Konzentration auf und Analyse von besonders unbedeutenden Veränderungen. Damit sind etwa die „unsichtbaren“ Aktionen von Collective Actions gemeint, die sich nur an die „Mitglieder“ der Gruppe selber richten, oder
Monastyrskys interaktives Objekt Finger, in das sich die BetrachterInnen minimal und sozial unbedeutend einbringen müssen. Weiters die Installation von Inspection Medical Hermeneutics, die ein Bett und Bücher als „Protagonisten“ hat (in Russland liest man Bücher meist liegend), oder das Video von Titov, in dem drei Fahnen – in Weiß, Rot und Blau – kaum erkennbar über einem Ödland wehen. Im Moment werden weltweit und in Russland bedeutende Veränderungen und globale Erschütterungen spürbar. Einmal mehr wären wir aufgefordert, zum Paradigma der „unbedeutenden Veränderungen“ zurückzukehren, das in der Mythologie, der Literatur und der Gesellschaft Russlands so tief verwurzelt ist. Insignificant Alterations bezieht sich nicht nur auf das diesjährige Thema von curated by_vienna, The Century of the Bed, sondern auch auf die langfristig angelegte Reihe Curators Collectors Collaborations (CCC) der Galerie Krinzinger. Mit CCC regt die Galerie einen Dialog zwischen KuratorInnen und SammlerInnen an, mit dem Ziel, gemeinsam Ausstellungen aus den Sammlungsbeständen zu gestalten und neue Perspektiven auf die jeweilige Sammlungspolitik zu eröffnen. Die Ausstellung wurde vom Multimedia Art Museum, Moskau, vorbereitet. Olga Sviblova ist Gründungsdirektorin des Multimedia Art Museum, Moskau, und seit 1988 Kuratorin bedeutender internationaler Ausstellungen, u. a. des russischen Pavillons bei den Biennalen von Venedig 2007 und 2009.
CCC#3: Insignificant Alterations
The exhibition Insignificant Alterations presents works of artists belonging to the Moscow Conceptualism circle: Nikita Alekseev, Marina Alekseeva, Ivan Chuikov, Collective Actions, Inspection Medical Hermeneutics, Yuri Leiderman, Igor Makarevich, Andrey Monastyrsky, Pavel Pepperstein, Pertsy Group as well as German Titov, one of the most brilliant followers of the Moscow Conceptualism traditions today. The fundamentally contemplative Moscow Conceptual School emerged in the 1970s, during the socalled “stagnation years” in the Soviet Union. The artists belonging to the school cultivated a tradition of Russian laziness, which dates back to the famous Russian classical novel Oblomov (1859) by Ivan Goncharov. The main character of the novel, Ilya Oblomov, mostly lies in bed while reflecting and conceptually contemplating—in contrast to another leading character, Stolz, a German who actively tries to change the surrounding world. Oblomov symbolizes the sleeping Russia, which is perhaps not worth being awakened? In one of the interviews Pavel Pepperstein mentions that he joined Moscow Conceptualism after becoming acquainted with Andrey Monastyrsky in the late 1970s. At the time, Monastyrsky mostly lay on a sofa with his back turned to the world. Nevertheless, he was open to communication. The Moscow Conceptualism circle has developed a contemplative tradition through fixation and reflection on specifically insignificant alterations. The above relates to “invisible” actions by the group Collective Actions that address the “members” only. As well as to the interactive object Finger by Monastyrsky, that
encourages viewers to make a minimal, socially insignificant effort. As well as to an installation by Inspection Medical Hermeneutics with a bed and books as main “characters” (Russian people traditionally read books in a reclined position). As well as to a video by Titov with three barely noticeable flags—white, red, and blue—flapping in a wasteland. Nowadays, the role of significant alterations and global tremors is growing both worldwide and particularly in Russia. It forces the conceptual paradigm of “insignificant alterations," which is so deeply rooted in Russian mythology, literature, and social traditions, to be reapplied. Insignificant Alterations addresses not only the subject of this years edition of curated by_vienna The Century of the Bed, but also the long-term series Curators Collectors Collaborations (CCC), initiated by gallery Krinzinger. This program aims at engaging curators and collectors in co-realizing exhibitions on the basis of the respective collections and in opening new perspectives on collecting policies. The exhibition was prepared by the Multimedia Art Museum, Moscow. Olga Sviblova is the Founding Director of the Multimedia Art Museum, Moscow. Since 1988 she has been curating major international exhibitions, including the Russian Pavilion at the Venice Biennale in 2007 and 2009.
Krinzinger Projekte
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Videostill aus still from the video German Titov Three flags, 2011 Courtesy of German Titov German Titov Iambus, trochee (2), 2012 Bemalter Spiegel, Papier painted mirror, paper, Durchmesser diameter 14 cm Courtesy of Andrey Monastyrsky Collection
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Collective Actions Group Objekt aus der object from the Library action (3), 1997–2007 In Folie eingeschweißtes Buch, ausgegraben nach 10 Jahren foil-wrapped book dug out of after 10 years in the ground, 25 × 17 × 2 cm Courtesy of Andrey Monastyrsky Collection Andrey Abramov / Andrey Monastyrsky Fotografien einer Aktion der Collective Actions Group photographs of a Collective Actions Group action Slogan-77, 1977–2013 Fotografie auf Schaumstoffplatte photograph on foamboard, 93 × 65 cm Courtesy of Andrey Monastyrsky Collection
Nikita Alekseev It’s a pleasure, 1975 Öl auf Leinwand oil on canvas, 83 × 63 cm Courtesy of Andrey Monastyrsky Collection
Krinzinger Projekte
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K r o b at h Wi e n
Shimmering curated by_Rike Frank
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Rik e F r a n k
Eric Bell & Kristoffer Frick (beide both * 1985, l. in Berlin), Gerry Bibby (* 1977, l. in Berlin), Ernst Caramelle (* 1952, l. in Karlsruhe, Frankfurt am Main und and New York), Isa Genzken (* 1948, l. in Berlin), Julian Göthe (* 1966, l. in Berlin und Wien and Vienna), Jirˇí Kovanda (* 1953, l. in Prag Prague), Dorit Margreiter (* 1967, l. in Wien Vienna), Sarah Pierce (* 1968, l. in Dublin), Kirsten Pieroth (* 1970, l. in Berlin) Ein wesentliches Charakteristikum des Bettes ist, so ließe sich behaupten, sein Changieren zwischen persönlicher und kollektiver Architektur: Mehr als jedes andere Möbel markiert es über seine manifesten Konturen hinaus einen Raum, der zwischen der Medialität einer gesellschaftlichen Bühne und der Vorstellung der Existenz eines uneinnehmbaren Ortes oszilliert. Wenn nun dieses Kräfte- bzw. Spannungsverhältnis im Verlauf des Century of the Bed verschoben und die Architektur des Bettes in zunehmendem Maße von einer Logik erobert und strukturiert wird, die insbesondere die Regulierung des Selbst in den Blick nimmt, stellt sich die Frage: Wie diesem Blick entgegentreten, der auch innerhalb der Kunst zumeist auf das Bett – und selten aus diesem heraus – gerichtet war? Wie das Motiv entlang seiner widerstreitenden Eigenschaften transponieren? Die Ausstellung setzt eine Reihe von Beiträgen zueinander in Beziehung, die mit unterschiedlichen Strategien das Changieren von Begrifflichkeiten und Erfahrungen – wie An- und Abwesenheit, Körperlichkeit und Entkörperlichung, Mobilität und Immobilität, Rückzug und Teilhabe – als Elemente einer Architektur reflektieren, aber auch konterkarieren. Der Fokus liegt hierbei auf dem Beziehungsnetz zwischen diesen Polen sowie der Beobachtung, dass durch eine Form stets auch eine andere, ihr konträre spricht. In Mein Schlafzimmer in Prag (1993) beispielsweise bezieht sich Dorit Margreiter auf das Schlafzimmer für meine Frau von Adolf Loos aus dem Jahr 1903, das entgegen dessen Prinzip, Interieurs seien nur real im Raum erfahrbar, als eine der wenigen
fotografischen Reproduktionen für die öffentliche Zirkulation ausgewählt wurde. Margreiter setzt diesen Widerspruch in Beziehung zu der Aufforderung, während ihres Aufenthalts die Prager Gästewohnung in einen öffentlich zugänglichen Ausstellungsraum zu transformieren. Für den Akt des Öffentlichwerdens konstruierte Margreiter im Vorraum der Wohnung eine Beamer- oder sogenannte Teleportationskabine, in der silhouettenhaft, im Gegenlicht aufgenommen, die Fotografie einer Person erschien, deren Anwesenheit das Import-und-ExportVerhältnis thematisierte, ebenso wie Subjektivität und die Rolle der BetrachterInnen. Rike Frank lebt als Kuratorin in Berlin und lehrt Ausstellungspraxis an der Akademie für bildende Kunst in Oslo.
Shimmering
An essential characteristic of the bed, one might say, is its ambivalent shifting between personal and collective architecture. More than any other piece of furniture, and beyond its manifest form, it marks out a space that oscillates between the mediality of a societal stage and the notion of an inviolable refuge. When, over the course of the "century of the bed," these relationships become shifted, with the bed’s architecture increasingly taken over and structured by a logic that focuses in particular on the regulation of the self, then the following questions arise: How to deal with this predominance, even within art, of looking at the bed (rather than from the bed)? How to transpose the motif in a way that addresses these conflicting qualities? The exhibition sets in relation to one another a number of works that use various strategies to both reflect on and counteract these conceptual and experiential shifts—between presence and absence, corporeality and disembodiment, mobility and immobility, withdrawal and involvement—as elements of an architecture. Here the focus lies on the web of relations between these poles and on observing the ways one form always speaks through another. In “Mein Schlafzimmer in Prag” (My Bedroom in Prague, 1993), for example, Dorit Margreiter refers to Adolf Loos’s “Schlafzimmer für meine Frau” (Bedroom for My Wife, 1903). Contrary to his view that interior spaces could only be experienced directly, this room was selected by Loos as one of a few works to circulate publicly as a photographic reproduction. Margreiter relates this paradox to the requirement that her Prague guest apartment be transformed into publicly accessible exhibition
space during her stay. To fufil this demand—to become public—, she installed a teleportation booth in the entryway to the apartment. Appearing in this booth was the photograph of a person—a silhouette taken against the light—whose presence thematizes import and export relations, as well as subjectivity and the role of the viewer. Rike Frank is a curator who lives in Berlin and teaches exhibition studies at the Academy of Fine Arts in Oslo.
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Dorit Margreiter, Mein Schlafzimmer in Prag, 1993, Modell der Installation im model of the installation at Forum Stadtpark, Prag Prague. Sammlung Generali Foundation − Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg Generali Foundation Collection—permanent loan to the Museum der Moderne Salzburg Foto photo: Werner Kaligofsky
Eric Bell & Kristoffer Frick, Fresh Orb, 2014 Archiv-Pigmentdruck Archival Pigment Print, 52 × 73 cm Courtesy of Galerie Cinzia Friedlaender, Berlin Eric Bell & Kristoffer Frick, Generator (front), 2014 Archiv-Pigmentdruck Archival Pigment Print, 62 × 62 cm Courtesy of Galerie Cinzia Friedlaender, Berlin
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Kirsten Pieroth, Untitled, 2012 21 Gläser, Flüssigkeit aus gekochten Büchern und Handbüchern, variable Größe 21 jars, liquid from boiled books and manuals, dimensions variable Courtesy of the artist and Galleria Franco Noero, Turin
Isa Genzken Weltempfänger, 2014 Beton, Antenne concrete, antennae, Betonblock concrete block 26 × 36,5 × 7 cm, Gesamtdimension, ca. total dimensions approx. 64,5 × 36,5 × 7 cm Courtesy of Galerie Buchholz, Berlin / Köln Cologne
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G a l e r i e E m a n u e l L ay r
Excerpts from How They Met. Part 1: Mother and Her House, SupaStore, The Issues of Our Time (1 & 3), Fille / Garçon, In the Middle of Affairs curated by_Egija Inzule
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Egij a I n z u l e
Dominique Gonzalez-Foerster (* 1965, l. in Paris und and Rio de Janeiro), Morag Keil (* 1985, l. in London), Mélanie Matranga (* 1985, l. in Paris), Bonny Poon (* 1987, l. in Frankfurt am Main), Josephine Pryde (* 1967, l. in London und and Berlin), Sarah Staton (* 1961, l. in London und and Sheffield)
Welche spezifischen und spontanen Räume, Situationen und Beziehungen können generiert werden in einem Kontext, in dem viele so tun, als ob die Zeit bis ins Unendliche vorgeplant und vorbesetzt wäre? Wenn die Zukunft als unausweichliche Fortsetzung gegenwärtiger Trends dargestellt und gehandelt wird? Diese Ausstellung entstammt einer präzisen Beobachtung der aktuellen Gesellschaftsoberflächen. Sie versucht zu behaupten, dass Arbeit und Leben per se nicht immateriell sein können. Die Idee, vom eigenen Bett aus mithilfe eines Laptops rein konzeptuell zu arbeiten und die Möglichkeiten der Vernetzung im digitalen Raum zu nutzen – sie ist vielleicht eine Art Symbol für die Ausrichtung eines bestimmten Lebensstils, wie er in den nördlichen Breitengraden und in global orientierten Gesellschaftsschichten gepflegt wird. Sie ist Teil einer Politik, die Impulse gibt, noch stärker als bislang die digitalen Technologien in das Alltagsleben zu integrieren, um permanente Bewertung und kontinuierliche Kontrolle im Alltag als Selbstverständlichkeiten zu etablieren. Viele von „uns“ beteiligen sich an diesem Prozess als bloße ZeitzeugInnen, meistens aber sind wir TeilnehmerInnen und BefürworterInnen, also aktiv.
Hier wird eine Selektion von Auszügen vergangener Ausstellungen gezeigt, in denen die Künstlerinnen versuchten, Nuancen von Situationen auszuarbeiten, welche das Verhalten von ProduzentInnen und KonsumentInnen durch das Spezifische einer Situation anstatt vorgegebener, wiederholbarer Handlungsweisen bestimmt hatten. Dabei wurde die Möglichkeit ungeplanter Lücken betont, oder auch das Nicht- und Andersfunktionieren dieses Lebensstils. Muster zwischenmenschlicher Beziehungen und Räume, wo diese sich entfalteten, ob real komplex, plump und peinlich oder digital, wurden in den Ausstellungen und Arbeiten zu konkreten, fassbaren und konfliktreichen Orten. Egija Inzule lebt in Rom, wo sie als Kuratorin am Istituto Svizzero di Roma tätig ist.
Excerpts from How They Met. Part 1: Mother and Her House, SupaStore, The Issues of Our Time (1 & 3), Fille / Garçon, In the Middle of Affairs
Which specific and spontaneous spaces, situations, and relations can be generated in a context where many act as if time was endlessly planned and determined in advance and where the future is represented and negotiated as an inescapable continuation of current trends? This exhibition originates from a careful observation of the surfaces of present-day society. It sets out to assert that work and life cannot be immaterial per se. The idea of working purely conceptually from bed with the assistance of a laptop, making use of the opportunities present by the networking of digital space—perhaps this is rather emblematic of the trajectory of a certain lifestyle, one that is pursued in more northern latitudes and in globally aligned societal classes. It is a part of politics that provides impetus for integrating, faster than ever, digital technologies into everyday life, in order to implicitly anchor permanent evaluation and continual controlling in the quotidian. Many of “us” participate in this process as mere contemporary witnesses, but most often we are promoters, which implies activeness.
Excerpts from several past exhibitions will be shown here, in which the artists elaborated nuances of situations determined by the behavior of producers and consumers based on the specificity of a situation instead of predetermined patterns of repetition. Here, unplanned gaps were emphasized, but also the non-functioning or the differently functioning facets of this lifestyle. Interpersonal relationship patterns and spaces where they played out— whether real and complex, awkward and embarrassing, or digital—within the exhibitions and the artworks became concrete, tangible, and conflictladen sites. Egija Inzule lives in Rome, where she works as curator at Istituto Svizzero di Roma.
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Bonny Poon, Re-enactment of the Cool-Down (Body Movement Workshop), 2010 Poster aus der Ausstellung poster from the exhibition In the Middle of Affairs, Künstlerhaus Stuttgart Dominique Gonzalez-Foerster, Fille / Garçon, 1995, Einladungskarte invitation card Gallery Koyanagi, Tokyo, Archivmaterial archive material Gallery Koyanagi Dominique Gonzalez-Foerster, Fille / Garçon, 1995, Installationsansichten installation views Gallery Koyanagi, Tokyo, Archivmaterial archive material Gallery Koyanagi
Mélanie Matranga, White Noise, Smoking Area, 2014, BesucherInnen, Kunstharz, Stoff, variable Größe visitors, resin polyester, fabric, dimensions variable, Installationsansicht installation view The Issues of Our Time (3): Less Time More Issues im at Artists Space Books & Talks, New York
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Sarah Staton, SupaStore boutique, 1994 Installationsansicht des Schaufensters der installation view of the window of SupaStore boutique, Laure Genillard Gallery, London
Sarah Staton, SupaStore de Luxe, 1995 Einladungskarte invitation card, 21 × 14,8 cm
The Issues of Our Time (3): Less Time, More Issues, 2014, von castillo/corrales kuratierte Gruppenausstellung im group exhibition curated by castillo/corrales at Artists Space Books & Talks, Bildschirmfoto der Ausstellungsankündigung auf der Website des Artists Space screenshot of the announcement of the exhibtion on the Artists Space web site
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Mario Mauroner Contemporary Art
Spinning on an Axis curated by_ Basak Senova & Stephane Ackermann
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B a s a k S e n o v a & S t e p h a n e Ack e r m a n n
Benji Boyadgian (* 1983, l. in Jerusalem), Yane Calovski (* 1973, l. in Skopje)
In der Mathematik wird die Rotation eines Festkörpers über einen Fixpunkt definiert. Weicht man frei nach dem Mach'schen Prinzip metaphysisch von dieser Definition ab, ergeben sich zahlreiche Fragen zu unserem Verhältnis zu den Räumen, die wir bewohnen, sehen und erleben – ja sogar zu denen, die wir nicht erleben. Was bedeutet es, einen gemeinsamen Fixpunkt zu haben? Kann man sagen, dass Menschen dieselben Handlungen ausführen? Empfinden wir dieselben Gefühle? Erleben wir dasselbe? Könnte man die Rotation nicht auch als Wiederholung auffassen? Und was passiert, wenn wir die Rotationsbewegung stoppen? Spinning on an Axis stellt sich diesen Fragen und beantwortet sie auf mehreren Ebenen durch die Überschneidung zweier Ausnahmeprojekte von Yane Calovski und Benji Boyadgian. Der Mazedonier Yane Calovski beschäftigt sich in seiner Kunst mit Erlebnissen und Einfällen, die er oft in neuen kulturellen und politischen Geografien verortet. Dabei geht es ihm darum, die großen, aber widersprüchlichen Erzählungen der Moderne fortzuschreiben, anstatt sie auf die Ebene der Fiktion zu heben. Als aktive Erinnerungen werden sie damit „reaktiv“ und können neue Ideen evozieren. Calovskis Kunst nährt sich von den diversen internationalen Kontexten, die er fortlaufend durchlebt. Oft findet sie im öffentlichen Raum statt. Das Projekt Interlocutor gestaltet Calovskis Reisen und die Veränderungen, die sie in ihm bewirkt haben, zu bildlichen und konzeptuellen Narrativen. Seine Objekte bergen immer ein unerschlossenes kontextuelles Potenzial.
Das Ausdrucksmittel des palästinensischen Künstlers Benji Boyadgian wiederum ist die Aquarelltechnik. Als Sujet dienen ihm Ruinen von Bauwerken und die Folgen der politischen und sozialen Lage, die er mit schönen subjektiven Bildwelten konterkariert. Boyadgians Projekt A Journey into Abstrabesque ist ein Dialog zwischen arabesk anmutenden geometrischen Mustern und den Paradigmen der modernen Abstraktion. Der Künstler entnimmt Ikonografien und Bildmuster der orientalischen Kunst und dem orientalischen Handwerk. Die gemusterten Kacheln fungieren dabei als konzeptuelle Oberflächenmetapher, da ihre Oberflächen durch das Zerfließen der Aquarellschichten gleichsam erodieren. Der Künstler spielt damit auf die Geschichte Palästinas als Schnittpunkt mehrerer Kulturen an. Auf der Reise durch dieses Land verschmelzen wir mit den Naturkräften der Erosion und werden so Teil einer Mutation des Physischen ins Metaphysische. Basak Senova (* 1970) lebt als Kuratorin und Designerin in Istanbul. Stephane Ackermann (* 1969) ist künstlerischer Leiter der Art International in Istanbul.
Um eine Drehachse Spinning on an Axis
In mathematics, a rotation designates a rigid body movement by keeping a point fixed. Departing from this definition, along with Ernst Mach’s principles on mechanics, a series of questions could be posed to understand our relationship with the spaces that we settle, see, and hear about, or even with the ones that we could never experience: What does it mean to be fixated to a point? How do we keep on doing the same actions, feeling the same things, and living the same experiences? Could rotating be perceived as repetition? What does it mean to stop this process of rotation? The exhibition Spinning on an Axis hovers around these questions and their multiple answers in various layers by intersecting two exceptional projects by Yane Calovski and Benji Boyadgian respectively. The practice of Macedonian artist Yane Calovski is concerned with experiential ideas often situated in the site-specificity of a new cultural and political geography. Calovski is interested in reactivating, rather than fictionalizing, existing in conclusive modernist narratives that may, as active memories, become “reactive” imagination, or rather, evocations that generate imagination. His works emerge from his evolving experience within disparate international contexts and are often situated in the public domain. With his project Interlocutor, through research into displacement and transformations by way of diverse visual and conceptual narratives, Calovski has built objects with an unresolved contextual potential.
The Palestinian artist Benji Boyadgian employs his forms of expression through blending of watercolor techniques. His works feature encounters of architectural relics and consequences of political and social situations in combination with beautiful imageries of his perception. Boyadgian’s project A Journey into Arabesque is a dialogue between geometrical arabesque patterns and abstract art paradigms. The pattern design stems from the oriental arts and craft iconography. Boyadgian uses the tiles as a metaphor for surface, the surface as a concept. The surfaces of the patterns erode as layers of watercolor flow. It is an allusion to the history of Palestine, a place at a junction. For Boyadgian, in the journey through this world we fuse with the forces of erosion, playing our part in the mutation of the physical and the metaphysical. Basak Senova (* 1970) is a curator and designer based in Istanbul. Stephane Ackermann (* 1969) is the artistic director of Art International in Istanbul.
Mario Mauroner Contemporary Art
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Benji Boyadgian The Architects Whim, 2013 Aus der Serie from the series A Journey into Abstrabesque, 2013 Wasserfarbe auf Papier watercolour on paper, 75 × 75 cm
Benji Boyadgian, Expunged praxis, 2013 Aus der Serie from the series A Journey into Abstrabesque, 2013 Wasserfarbe auf Papier watercolour on paper, 75 × 75 cm
Mario Mauroner Contemporary Art
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Yane Calovski, Shell, 2011, Metall, Mikrofon, Kabel metal, microphone, cable, 420 × 320 × 380 cm, Detail aus detail from Interlocutor, 2011/14, aus verschiedenen Objekten und Zeichnungen bestehende Installation installation consisting of various objects and drawings, Installationsansicht installation view Museum of Contemporary Art, Skopje, 2011, courtesy of the artist and Zak | Branicka Gallery, Berlin Foto photo: Robert Jankuloski Yane Calovski, Amphoras and Icons, 2011 Glas, Holz, Eitempera, Marker glass, wood, egg tempera, marker, 24 × 18 × 9 cm, 19 × 13 × 6 cm, Detail aus detail from Interlocutor, 2011/14, aus verschiedenen Objekten und Zeichnungen bestehende Installation installation consisting of various objects and drawings, Installationsansicht installation view Museum of Contemporary Art, Skopje, 2011, courtesy of the artist and Zak | Branicka Gallery, Berlin Foto photo: Robert Jankuloski Yane Calovski, Breeches, 2011, Wolle, Nagel, Seil wool, nail, string, 105 × 10 × 40 cm Detail aus detail from Interlocutor, 2011/14, aus verschiedenen Objekten und Zeichnungen bestehende Installation installation consisting of various objects and drawings. Installationsansicht installation view Museum of Contemporary Art, Skopje, 2011, courtesy of the artist and Zak | Branicka Gallery, Berlin Foto photo: Robert Jankuloski
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Galerie Meyer Kainer
International Company of Wagons Lit etc. etc. curated by_ Liam Gillick & Rachel Harrison
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Li a m G i l l ick & R a c h e l H a r r i s o n
Die Kamera richtet sich auf einen Mann in einem Bett, die Beine außerhalb des Ausschnitts. Im Hintergrund ein großes Fenster, draußen ein sonniger Hof in einem Dorf. Von Kopf bis Schwanz. Ein Problem der Auswahl. Die Kamera schwenkt zum Fenster. Kammern. Ein Problem der Wahrnehmung. „In der Erinnerung an die Vergangenheit sind es oft die einfachen Dinge und nicht die großen, die uns retrospektiv glücklich machen.“ Man sieht Bob Hope. Er scheint nichts zu tun, doch als die Kamera zurückfährt, kommt ein Wagons-Lit-Plakat ins Bild. Er tut immer noch nichts. Das Bett ist fest im Boden verschraubt. Ein weißer Peugeot fährt in den Hof ein, und Bob Hope verzieht sich. Die Kamera fährt wie von magischer Hand immer weiter nach vorne, die Eisengatter verschwinden. Ein Polizeiwagen kommt ins Bild. Die Kamera befindet sich nun außen und schwenkt langsam über den Hof. Zwei Männer steigen aus einem Auto, zwei Frauen steigen in ein Auto. Da erscheint Louis Althusser. Kinder werfen mit Steinen. „In der Schlacht, die wir Philosophie nennen, sind alle Kriegstechniken erlaubt, auch Plünderung und Tarnung.“ Die Polizei taucht auf. Zwei reden miteinander. Es sind zu wenig Leute. „Aus drei mach eins“ wird nicht klappen. Der Mann auf dem Bett ist sichtlich tot. Voller König, volle Königin. Die Frau wendet sich zu einer Kamera über einem Bett, das Stativ außerhalb des Ausschnitts. Im Vordergrund ein Dorf vor einem dunklen Fenster. Von Schwanz bis Kopf. Ein Problem von zu viel Auswahl. Das Fenster bewegt sich auf die Kamera zu. Weite. Ein Problem der Kontrolle. „In der Erinnerung an die Zukunft sind es oft die komplizierten Dinge und nicht die einfachen, die uns in der Voraussicht
verzweifeln lassen.“ Man sieht Bob Hope nicht. Er scheint etwas zu tun, doch als die Kamera nach vorne fährt, verschwindet ein Wagons-Lit-Plakat aus dem Bild. Er weint. Das Bett wurde aus dem Zimmer geschafft. Ein weißer Peugeot fährt aus dem Hof, und Bob Hope steht still. Die Kamera fährt wie von magischer Hand immer weiter zurück, die Eisengatter tauchen auf. Ein Polizeiwagen fährt aus dem Bild. Die Kamera befindet sich nun drinnen im Raum und bewegt sich nicht. Zwei Männer steigen in ein Auto, zwei Frauen steigen aus einem Auto. Louis Althusser verschwindet. Steine werden auf Kinder geworfen. „In dem Spiel, das wir Philosophie nennen, sind alle Friedenstechniken erlaubt, auch Liebe und Offenheit.“ Die Polizei verschwindet. Zwei Menschen hören zu reden auf. Es sind zu viele Leute. „Aus drei mach eins“ wird klappen. Der Mann auf dem Bett lebt. Leerer König, leere Königin. Liam Gillick (* 1964) und Rachel Harrison (* 1966) leben als Künstler in New York.
International Company of Wagons Lit etc. etc.
The camera focuses on a man, cut off at the waist, lying on a bed. In the background a large window looks out onto a sun-bleached village courtyard. Head to tail. A problem of selection. The camera moves toward the window. Chambers. A problem of perception. “When we recall the past, we usually find that it is the simplest things—not the great occasions—that in retrospect give off the greatest glow of happiness.” Bob Hope can be seen. He does not appear to be doing anything, but as the camera pulls back, a Wagons Lit poster appears in the frame. He does not react. The bed has been screwed to the floor. A white Peugeot enters the courtyard and Bob Hope walks away. Somehow the camera magically continues its forward movement, the iron gates disappearing from view. A police car enters the shot. The camera is now outside the room and slowly begins to pan around the courtyard. Two men get out of a car. Two women get into a car. Louis Althusser appears. Children throw rocks. “In the battle that is philosophy all the techniques of war, including looting and camouflage, are permissible.” Police appear. Two people are talking. There are not enough people. Three into one won’t go. The man on the bed appears to be dead. Full King and Queen. The woman focuses on a camera, cut off at the tripod, above a bed. In the foreground a large village looks out onto a dark window. Tail to head. An excess of selection. The window moves toward the camera. Exteriors. A problem of control. “When we recall the future, we usually find that it is the most complex things—not the ordinary occasions—that in anticipation give off the deepest depths of despair.” Bob Hope cannot be seen. He appears to be doing some-
thing, but as the camera moves forward, a Wagons Lit poster disappears from view. He cries. The bed has been removed from the room. A white Peugeot leaves the courtyard and Bob Hope stands still. Somehow the camera magically continues its backward movement, the iron gates appearing. A police car leaves the shot. The camera is now inside the room and stays still. Two men get into a car. Two women get out of a car. Louis Althusser disappears. Rocks are thrown at children. “In the game that is philosophy all the techniques of peace, including love and openness, are permissible.” Police disappear. Two people stop talking. There are too many people. Three into one will go. The man on the bed is alive. Empty King and Queen. Liam Gillick (* 1964) and Rachel Harrison (* 1966) are artists who live in New York.
Galerie Meyer Kainer
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Galerie Meyer Kainer
Galerie Mezzanin
Ready to Sleep (Arbeitstitel) curated by_Sabeth Buchmann
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Sabeth Buchmann
Félix González-Torres (1957–1996, Miami), Mina Lunzer (* 1979, l. in Wien Vienna), Jan Timme (* 1971, l. in Berlin)
Das Bett im und als Medium, als architektonisches und ikonografisches Objekt, in dem vertikale und horizontale Ordnungen sich durchkreuzen: Produktion und Reproduktion, Sexualität und Erschöpfung, Aktivität und Passivität, (Un-)Bewusstes und Bewusstlosigkeit. Nirgendwo sonst ist das Subjekt zugleich in und außer sich, im Dies- und Jenseits seiner Wahrnehmung. Bestreiten Bilder von im Bett Liegenden die Vorstellung eines jenseits von Lust, Ermüdung, Schlaf und Nichtstun tätigen Lebens, sind zugleich sie es, die die Technologien seiner Animation mobilisieren: Sei es, indem sie wie bei Félix González-Torres gesellschaftliche Tabus als warenund massenkulturelles Begehren verkörpern; sei es, indem sie wie in Mina Lunzers Filmexperiment zur neurobiologischen Traumforschung den „Lifesciences“ eine wesentliche Verlebendigungsästhetik eröffnen. Ikonografische Veränderungen gehen nicht nur mit neuen Wissens- und Medientechniken einher, sondern, wie Jan Timmes Installation vermuten lässt, auch mit Transformationen der modernen Arbeitsgesellschaft. So liegt dem Werk ein 1968 in der Zeitschrift Brigitte abgedruckter Bauplan eines Bettes zugrunde, der ebenso als typisches Beispiel einer feminisierten DIY-Kultur gelesen werden kann wie als konzeptuelle Gebrauchsanweisung für HeimwerkerInnen. Die traditionell mit dem Readymade aufgeworfene Frage nach dem Umschlag von Gebrauchs- in ästhetischen Mehrwert stellt sich hier als eine buchstäbliche Frage der Wahrnehmungsperspektive dar: Dem rhythmischen Wechsel
von Licht- und Dunkelphasen unterworfen, korrespondiert Timmes Installation mit der kinematografischen Zeitstruktur von Lunzers Arbeit. In ihrem Fall sind es die Schnittstellen zwischen spekulativszientistischen und wahrnehmungsästhetischen Experimenten, die die Darstellungen von Schlafenden und / oder Träumenden als empirisch ungesicherte Fiktionen des Lebens und des Todes zutage treten lassen. Sabeth Buchmann lebt als Kunsthistorikerin und -kritikerin in Berlin und Wien. Sie ist Professorin für Kunstgeschichte der Moderne und Nachmoderne an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Ready to Sleep (Arbeitstitel)
The bed in the medium and as medium, as an architectural and iconographic object where vertical and horizontal regimes collide: production and reproduction, sexuality and exhaustion, activity and passivity, the (un)conscious and unconsciousness. Nowhere else is the subject both inside and outside of itself, on this side yet also beyond its perception. While images of people lying in bed challenge the idea of moving beyond desire, fatigue, sleep, and idleness, at the same time these very images serve to mobilize the technologies of its animation: be it by embodying societal taboos as desires informed by cultures of commodities and the masses, as in the case of Félix González-Torres; or be it by fostering an essential aesthetics of vivification within the life sciences, as in the case of Mina Lunzer’s filmic experiment exploring neurobiological dream research. Iconographic changes are not only paralleled by new knowledge and media methods, but also by transformation within modern working society, as Jan Timme’s installation suggests. This is illustrated by blueprints of a bed, published in a 1968 issue of the magazine Brigitte, which can be read as a paradigmatic example of a feminized do-it-yourself culture, but also as a conceptual manual for DIY enthusiasts. However, the question traditionally arising through the Readymade as to the guise of both utilization and aesthetic surplus value here represents a literal question of perceptual perspective. Subject to rhythmically shifting phases of light and dark, Timme’s installation corresponds to the cine-
matographic temporal mode of Lunzer’s work. In her case, the junctions between speculative-scientistic and perceptually aesthetic experiments are what allow the representations of sleeping and / or dreaming individuals to emerge as empirically unsupported fictions of life and death. Sabeth Buchmann is an art historian and art critic living in Berlin and Vienna. She is Professor for Art History of Modernity and Postmodernity at the Academy of Fine Arts Vienna.
Galerie Mezzanin
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Videostills aus video stills from Mina Lunzer, Und nachdem der Schlaf in den Bereich des Lebens 端bergegangen war, musste der Traum erstmal als romantische Dichotomie erscheinen, 2014 HDV-Videoprojektion, Farbe, 2-Kanal-Ton HDV video projection, color, 2-channel sound, 16:9
Galerie Mezzanin
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Jan Timme, Reprofotografien eines Bauplans für ein Bett aus der Zeitschrift Brigitte (1968) repro photographs of a construction plan for a bed from the magazine Brigitte (1968), 2014 Variable Größe dimensions variable
Galerie Mezzanin
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G a l e r i e n 채 c h s t S t. S t e p h a n R o s e m a r i e Sc h w a r z w 채 l d e r
Wake Up Early, Fear Death curated by_Philipp Kaiser
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P h i l ipp K a i s e r
Caitlin Lonegan (* 1982, l. in Los Angeles), Rebecca Morris (* 1969, l. in Los Angeles), Laura Owens (* 1970, l. in Los Angeles)
Die Malerei wurde mehr als einmal für tot erklärt und hat über die Jahrzehnte und Jahrhunderte immer wieder neue Formulierungen gefunden und sich stets wiedererfunden. Als Medium mag sie alt sein und veraltet erscheinen, doch zugleich ist sie gemeinsam mit der Zeichnung vielleicht das direkteste Medium, das der Frage nachgeht, was ein Bild sein könnte. Die drei Künstlerinnen der Ausstellung, die in Los Angeles wohnen, sind sich der Geschichte ihres Mediums bewusst, erschaffen aber allesamt einen subjektiv-privatistischen Kosmos, der das Repertoire der Malerei auf eigensinnige Art und Weise erweitert. Rebecca Morris schrieb 2004 im titelgebenden Manifest, ihre Malerei solle so rätselhaft und fantastisch ausschauen, als wäre sie seit den 1940er-Jahren in einem Schuppen weggesperrt gewesen. Ihr expliziter Anspruch auf Eigenständigkeit, ihr intuitiver Zugang, der historische Verankerung nicht als Limitierung, sondern als Positionierung versteht, bringt stille Abstraktionen hervor, in ihrer Ornamentik Patchworkdecken oftmals nicht unähnlich. Laura Owens’ malerische Praxis vereint in vielstimmigen Bildern unterschiedlichste Welten, Stile und Texturen zu privatistischen Abstraktionen, die einerseits auf reflexive Art und Weise das Potenzial der Bildschöpfung ausloten, andererseits Kompositionen von extremer Leichtigkeit und Selbstbestimmung hervorbringen. Das Werk von Laura Owens und Rebecca Morris zeugt von einem geläuterten Subjektivismus, der mit großem Vertrauen der inneren
Sprache der Malerei folgt. Caitlin Lonegans Malerei mimt in ihren Abstraktionen die heroischen Gesten des Abstract Expressionism und inszeniert dadurch gewissermaßen Subjektivität. Ihre Kompositionen gründen auf Skizzen und Zeichnungen, deren Markierungen und Spuren in großformatige Bilder übersetzt werden. Wake Up Early, Fear Death interessiert sich für das reflexiv gewordene Privatistische und Subjektive. Morris, Owens und Lonegan erwachen vor allen anderen und schaffen einzigartige Werke jenseits des bereits Bekannten. Philipp Kaiser (* 1972) lebt als Kurator in Los Angeles. Von 2012 bis 2014 war er Direktor des Museums Ludwig in Köln.
Wake Up Early, Fear Death
Painting has been declared dead more than once, yet over the centuries and decades it has continually assumed new formations and reinvented itself. It may be old and seem outdated, but painting is also perhaps the most direct medium, along with drawing, to pursue the question as to what might constitute the image. The three artists in this exhibition, all of whom reside in Los Angeles, are conscious of its history. Still, they all engender a subjective, privatistic cosmos that expands the repertoire of painting in an idiosyncratic way. In 2004, Rebecca Morris wrote in her eponymous manifesto that her painting was intended to look enigmatic and mythical to a degree that might indicate that she had been locked in a shed since the 1940s. Her explicit claim to autonomy, along with her intuitive point of access, which views historical fixation as positioning rather than limitation, evokes a calm sense of abstraction not dissimilar to the ornamentation of her patchwork quilts. The painterly practice of Laura Owens merges, in polyphonic images, manifold worlds, styles, and textures, to produce privatistic abstractions. On the one hand, these abstractions fathom the potential of image creation in a reflexive manner; on the other, compositions of extreme lightness and self-determination are spawned. The work of Laura Owens and Rebecca Morris attests to a refined subjectivism, which follows the inner voice of painting with utmost faith. The abstractions of Caitlin Lonegan’s painting, in turn,
mimic the heroic figures of Abstract Expressionism, thus staging subjectivity, as it were. Her compositions are based on sketches and drawings whose marks and traces are translated into large-format images. Wake Up Early, Fear Death is interested in newly reflexive private and subjective states. Morris, Owens, and Lonegan awaken before the others and create unique works beyond what is already known. Philipp Kaiser (* 1972) is a curator who lives and works in Los Angeles. From 2012 to 2014 he was director of Museum Ludwig in Cologne.
G a l e r i e n ä c h s t S t. S t e p h a n R o s e m a r i e Sc h w a r z w ä l d e r
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Laura Owens, Untitled, 2013 Acryl, Vinylfarbe, Öl auf Leinwand acrylic, Flashe, oil on canvas, 350 × 305 cm Courtesy of the artist and Gavin Brown’s enterprise, New York Foto photo: © 2013 Douglas M. Parker Studio Rebecca Morris, Untitled (#14-13), 2013 Öl auf Leinwand oil on canvas, 256,5 × 256,5 cm Courtesy of Hall Collection Foto photo: Lee Thompson Caitlin Lonegan, Untitled, 2013 Öl, Öl (Metalliceffekt), Öl (irisierender Effekt) auf Leinwand oil, metallic oil, iridescent oil on canvas, 198 × 183 × 4 cm Sammlung des Collection of the Hammer Museum, Los Angeles Foto photo: Robert Wedemeyer
G a l e r i e n 채 c h s t S t. S t e p h a n R o s e m a r i e Sc h w a r z w 채 l d e r
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G a l e r i e n 채 c h s t S t. S t e p h a n R o s e m a r i e Sc h w a r z w 채 l d e r
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G a l e r i e R a u m m i t Lic h t
Frauenzimmer ZWEI curated by_Moritz K端ng
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Moritz Küng
Aglaia Konrad (* 1960, l. in Brüssel Brussels) “The city has moved into the bed”. Beatriz Colomina, in The Century of the Bed, 2014 “I want to wake up in that city that doesn’t sleep”. Frank Sinatra, in New York, New York, 1977
Die folgende Liste mit 675 City-Begriffen entstand in den Nullerjahren und wurde von Aglaia Konrad 2005 unter dem Titel Some Cities als zehntes Heft der zwölfteiligen Editionsreihe Copy Cities herausgebracht. In ihrer durchaus ironisch betitelten Ausstellung Frauenzimmer ZWEI zeigt sie eine neue Rauminstallation, Fotografien aus den Serien Shaping Stones und Undecided Frames sowie einen aktuellen Film.
The following list of 675 city terms originated in the early 2000s and was released by Aglaia Konrad in 2005 under the title Some Cities as the tenth issue of twelve in the artists’ book series Copy Cities. Her exhibition, quite ironically titled Frauenzimmer ZWEI, presents photographs from the series “Shaping Stones” and “Undecided Frames” and a recent film, next to a new spatial installation.
Moritz Küng, Kurator (* 1961 in Luzern / CH, wohnt in Barcelona)
Moritz Küng, curator (*1961 in Lucerne / CH, lives in Barcelona)
Frauenzimmer ZWEI
A
astro-city
Capsule City
a city
atrocity
captive city
abandoned city
audacity
caravan city
ABCity
authenticity
carefree city
absent city
autonomous city
cargo city
absolute city
Automatic City
Carson City
accidental city
automobile city
cautionary city
actual city
Automotive City
Cell City
additive city
Avia City
center city
aero city
centerless city
African City
B
centricity
agglomeration city
Bab el-oued City
centripetal city
agricultural city
Babylonian City
certain city
air city
bamboo city
chaos city
air-conditioned city
banal city
characteristic city
Aircraft-Carrier City
Benin City
Chin City
airport city
belt city
chip city
Alien City
biennial city
CIAM City
all cities
big city
Cinecitta
alpha city
bit city
cinematographicity
Alphabet City
City of Bite
circular city
alternative city
Black City
clip city
amateur city
blue city
claustrophobic city
ambiguous city
blurred city
cluster city
ambitious city
boom city
Collage City
amoeba city
Broadacre City
collision city
amorphous city
boundary city
colonial city
analogous city
bubble city
commercial city
angel city
business-as-usual city
communication city
angle city
communitarian city
anti-city
C
commuter city
any city
caceral city
compact city
apocalyptic city
canal city
complex city
archaeology city
candidate city
complicity
archetypal-industrial city
canonicity
compressed city
Asian City
capacity
comprehensive city
Atlantic City
capital city
computable city
G a l e r i e R a u m m i t Lic h t
171
computer city
dissolving city
event city
computer-aided city
distinct city
every city
concentrated-satellite city
distributed city
everyday city
concentration city
disturbed city
evolutionary city
concrete city
diverse city
evolving city
conglomerate city
DK City
exciting city
consensual city
dot city
existing city
constellation city
domesticity
exit city
construction-site city
Donau City
expensive city
consumer city
domed city
experimental city
container city
Doom City
Expiation City
contaminated city
dream city
explicity
contemporary city
Drop City
exploding city
contested city
dual city
extended city
continent city
dulled city
Extra City
continuous city
dynamic city
extrapolated city
convivial city
extraverted city
core city
E
corridor city
easy city
F
cosmic city
eccentricity
fabulous city
cosmopolitan city
eclectic city
facade city
countrified city
eco city
facticity
crap city
ecstacity
factory city
creative city
edacity
fantasy city
crystal city
edge city
fast city
cyber city
edgeless city
fat city
cyborg city
edible city
favourite city
Cyber City
Edo City
Felicity
efficacity
Feminist City
D
Egyptian City
fictional city
dark city
elastic city
fictitious city
data city
elasticity
fictive city
damned city
electric city
Fiddle City
dead city
electricity
filament city
decenterd city
elevated city
filmic city
defeated city
elusive city
finished city
defended city
Emerald City
5 Minute City
delirious city
emergent city
flaneur city
democratic city
empirical city
flat city
democracity
empty city
flex-city
desert city
endless city
floating city
deserted city
entertainment city
flow city
designed city
entrepreneurial city
fluid city
devastated city
entropic city
foam city
divided city
ephemeral city
food city
different city
escape city
forbidden city
diffused city
eternal city
foreign city
dim city
E.U.R. city
formal city
disappearing city
eurocentricity
fortress city
discontinuous city
Euro City
fractal city
dispersed city
European City
fragmentary city
fragmented city
high-tech city
free city
his city
freeway city
historic city
K
frenetic city
Ho Chi Minh City
Karto City
fringe-development city
hollow city
King City
fun city
home city
functional city
horizontal city
L
fusion city
huge city
Labour City
future city
human city
labyrinthine city
futuristic city
100 Mile City
labyrinth city
Fuzzy City
hybrid city
last city
hyper city
laisser-faire city
hypothetic city
layer city
G galactic city
junk city
legible city
galaxy city
I
Lego City
gambling city
icon city
Lettered City
garden city
iconocity
Lift City
gargantuan city
idea city
limitless city
gateway city
ideal city
linear city
gendered city
idealized city
liner city
generic city
identical city
linked city
gentrified city
illegal city
lite city
ghetto city
imaginary city
litho city
ghost city
immaterial city
living city
giant city
implicity
Long Island City
giga city
improvised city
lost city
Glass City
incapacity
low city
glittering city
information city
low density city
global city
informational city
lurch city
glocal city
indefinite city
luxury city
golden city
independent city
Gotham City
individual city
M
Gothic City
Induction City
machine city
great city
industrial city
mad city
Great Bear City
Inelastic City
Madang City
Green Belt City
inflatable city
magic city
green city
inhabitable city
Magma City
grid city
inner city
magnet city
growing city
instant city
major city
integrated city
mall city
H
intencity
manga city
harbour city
Interjunction City
man-made city
hard-to-define city
intermediated city
many cities
hectic city
international city
Marina City
Helix City
invisible city
Marine City
her city
Iowa City
material city
heretical city
irrational city
mathematical city
heterogeneous city
island city
matrix city
heterotopian city
Maximum City
hidden city
J
media city
high city
junction city
medieval city
G a l e r i e R a u m m i t Lic h t
173
megacity
No-Stop City
poor city
Mesa City
nowhere city
pop city
meta city
no-where city
pop-up city
metaphorical city
nuclear city
populated city
Mexico City
portable city
micro city
O
port city
migration city
occasional city
possible city
Miles City
ocean city
postcard city
military city
odd city
post-ethical city
million city
ok city
post-human city
Mirage City
Oklahoma City
Post-It City
mirror city
old city
post-industrial city
mixed city
omega city
post-metropolitan-post-war city
mobile city
on-demand city
postmodern city
mobile-linear city
one city
posturban city
model city
on-line city
Potemkin City
modern city
opacity
powerful city
modernist city
open city
prefab city
modular city
orthogenetic city
present city
mongrel city
our city
primate city
monster city
outer city
primitive city
Mortal City
overlapping city
proto city
motor city
provisional city
Mountain City
P
proximity-based city
moving city
Panama City
publicity
multi-nodal city
panoramic city
multiplicity
paper city
Q
multigeneric city
parallel city
Quaker City
museum city
participatory city
quartered city
multiple city
partition city
my city
patchwork city
R
pedestrian city
radiant city
N
perfect city
radically different city
naked city
permimetric city
radio city
native city
personal city
random city
nearest city
perspicacity
Rapid City
Nebulous City
Phun City
rational city
neo-apartheid city
physical city
rave city
neon city
Pig City
readable city
network city
pilot city
real city
new city
pirate city
receiver city
new edge city
pixel city
re-enchanted city
New York City
planetary city
regional city
next city
planned city
renamed city
no city
plant city
Republican City
Nodal City
plasticity
revolutionary city
noisy city
pleasure city
reciprocity
Nomadic City
plug-in city
rhizome city
non-stop city
polder city
ring city
Normal City
political city
riot city
nostalgic city
polynucleated city
rising city
river city
specific city
ruined city
specificity
rumour city
spin city
V
Rush City
spiral city
vacant city
splace city
valley city
S
spread city
vast city
Sadat City
still-industrial city
veracity
Salt Lake City
studio city
vertical city
Sand City
suburban city
Victorian City
Sample City
Sun City
video city
satisfying city
super city
virtual city
safe city
superfluid city
visible city
saved city
surf city
visionary city
scarcity
surrogate city
vital city
Schiphol city
Survival City
voyeuristic city
sculptor city
suspended city
vulnerable city
sea city
sustainable city
self-reliant city
sympathetic city
W
semiotic city
synchronicity
Walking City
serve city
unrealised city
Wall City
service city
T
walled city
shopping city
techno city
wandering city
shrinking city
teleserviced city
Web City
Sign City
temporal city
well-made city
silent city
tenement city
well-peopled city
Silicon City
tent city
whatever city
Sim City
terminal city
white city
simply city
Tetra City
whitened city
simplicity
that city
wicked city
simulacrum city
Thin City
wild city
simulated city
time city
windy city
Sin City
Tower City
wired city
sinking city
Transactional City
wondrous city
Sioux City
transnational city
working city
Sky City
Transparent City
world city
Skywaft City
transphysical city
www.city
skywalk city
Triton City
slab city
tropical city
X
sleazy city
21st century city
x-city
slow city
xenophobic city
Small City
U
Smart City
uchronicity
soft city
ultra city
Y
solar city
unadapted city
you are here city
somatic city
undivided city
your city
some city
unglamorous city
youth city
sonic city
unicity
space city
Union City
Z
spaceman city
unique city
zero city
spatial city
Universal City
zionist city
specialized city
unknown city
zoo city
Xerox city
G a l e r i e R a u m m i t Lic h t
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Gabriele Senn Galerie
Das kleine i The small i curated by_Dirck Mรถllmann
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Di r ck Mö l l m a n n
James Cabot (* 1959, l. in Hamburg), Lana Čmajčanin (* 1983, l. in Sarajevo), Saskia Noor van Imhoff (* 1982, l. in Amsterdam), Paul Etienne Lincoln (* 1959, l. in New York) Das Bett ist ein Gegenort der Arbeit. Inaktiv. Wir ruhen, unser Körper arbeitet ohne uns. Wärme, Verdauung, Erholung. Wir träumen. Das Unbewusste arbeitet mit uns. Wir machen Liebe. Das Weitere geschieht von allein. Wir brauchen das Bett, es setzt uns außer Kraft. Das Bett fordert keine Entscheidung zwischen aktiv und passiv, zwischen Ja und Nein, es nötigt zu keinem Sinn. Es schafft andere Zustände. Wir schlafen, wir sterben im Bett. Das Bett ist mehr als ein Gegenort. Indem es Arbeit und Nichtstun in sich vereint, suspendiert es den täglichen Konflikt um Bedeutung und die unablässige Arbeit am Sinn – das Bett ist wie ein Neutrum1. Es lässt die Zeit stillstehen. Ein leidenschaftlicher Ort, ein Zustand der Inbrunst, eine Intensität der Erschöpfung. In tiefem Vertrauen. Im traumlosen Schlaf. Zu zweit, allein. Auf den Schlaf folgt ein Erwachen. „Ich schlafe immer, ich brauche Zeit, um aufzuwachen, um zu begreifen“, sagte der sterbende André Gide. Sein Erwachen umschreibt ein spätes Verstehen in der Zeit. Langsam begreifen. Wortlos. Voller Bilder. Die Ausstellung Das kleine i könnte auch Das kleine n wie Neutrum heißen oder Das kleine a wie das Objekt klein a. Das kleine i meint den Zustand, außer Kraft gesetzt zu sein, nutzlos, inaktiv und zugleich empfänglich für andere Signale der Kommunikation. Eher wie ein Rauschen im unsteten Begehren einer „potentia passiva“2. Ein Zustand der Schwebe, ähnlich der Kunst, in einem Zartgefühl, das zu nichts dient (Barthes). Die hier versammelten Werke stammen von zwei Generationen von Künstlerinnen und Künstlern sowie aus verschiedenen Zeiten. Keines von ihnen
bezieht sich auf das Bett als Motiv. In jedem von ihnen lässt sich dieser besondere Zustand auffinden, außer Kraft gesetzt und zugleich empfindsam zu sein. Sei es durch Abwesenheit wie bei dem delikaten und in Auflösung begriffenen Vakuum von Paul Etienne Lincoln (zu sehen sind Zeichnungen, Dokumente und ausgegliederte Editionen des ursprünglichen Werks), als Präsenz einer einschnürenden Leseerfahrung bei Lana Čmajčanin, im faszinierenden Formmaterial der kollektiven Zeitgestalten von James Cabot oder in jenem eleganten Schwebezustand des Sehens und Verstehens in den Installationen von Saskia Noor van Imhoff. In jeder Arbeit verkörpert sich die unmögliche Möglichkeit der Kunst. Und darum geht es ja schließlich. Dirck Möllmann (* 1963) ist Kurator am Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, Universalmuseum Joanneum, Graz.
1 Vgl. Roland Barthes, Das Neutrum (1977/78), Frankfurt am Main 2005. 2 Vgl. Kathrin Busch, P – „Passivität“ (Kleiner Stimmungs-Atlas in Einzelbänden, hg. v. Jan-Frederik Bandel u. Nora Sdun, Bd. 6), Hamburg 2012.
Das kleine i The small i
The bed is a counter-space for work. Inactive. We rest, and our bodies work without us. Warmth, digestion, relaxation. We dream. The subconscious works on us. We make love. Everything else happens of its own accord. We need the bed; it allows us to become inoperative. The bed demands no decision between active and passive, between yes and no; it does not compel us to make sense. It makes room for other states. We sleep, we die in bed. The bed is more than a counter-space. By bringing together work and inactivity, it suspends the daily conflict centered around meaning and the ceaseless quest for meaning—the bed is like The Neutral.1 It makes time stand still. A passionate place, a state of fervor, an intensity of exhaustion. With deep trust. In dreamless sleep. As a pair, or alone. Following sleep is an awakening. “I always sleep, I need time to wake up, to understand,” said André Gide on his deathbed. His awakening circumscribes an understanding delayed in time. Slow to understand. Wordless. Full of images. The show The small i could also be called The small n like The Neutral, or The small a like the object small a. The small i refers to the state of being inoperative, useless, inactive, and simultaneously receptive to other signals of communication. More like the static in the erratic yearning for a potentia passiva.2 A state of limbo, similar to art, in a delicacy of feeling that serves no end (Barthes). The artworks collected here originate from two different generations of artists, and also from different periods. None of them treat the bed as a motif. Discernible in each work is this special state of being inoperative and open to the senses at the same time.
Be it through absence, as in the case of this delicate vacuum caught in a state of dissolution in the work of Paul Etienne Lincoln (on view are drawings, documents, and excluded editions of the original work); through the presence of a constrictive reading experience in Lana Čmajčanin’s works; in the fascinating form-related material of collective temporal forms by James Cabot; or in the elegant, abeyant state of seeing and understanding in the installations of Saskia Noor van Imhoff. Embodied in each of these works is the impossible possibility of art. And that is what ultimately matters. Dirck Möllmann (* 1963) is curator at the Institute of Art in Public Space Styria, Universalmuseum Joanneum, Graz.
1 Roland Barthes, The Neutral [1977–78] (New York, 2005). 2 See Kathrin Busch, “Passivität”: Kleiner Stimmungsatlas in Einzelbänden, vol. 6: P: Passivität, ed. Jan-Frederik Bandel and Nora Sdun (Hamburg, 2013).
Gabriele Senn Galerie
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180 Paul Etienne Lincoln, In Tribute to Madame de Pompadour and the Court of Louis XV, 1982–1991, here 1985
Paul Etienne Lincoln, Jeanne-Antoinette Poisson Madame d’Étioles Madame de Pompadour (Pompadour Glass Rose), 1993, Stoffschachtel, Siebdruckglas, 2 bedruckte Karten cloth case, screenprinted glass, 2 printed cards, 4 × 40,5 × 51 cm Foto photo: © Paul Etienne Lincoln
Lana Čmajčanin, 166987 Pricks, 2013, Tischdecke, Seide, Stickerei, Seidenstickgarn table cloth, silk, embroidery, silk embroidery thread, variable Größe dimensions variable Foto photo: Joana Dias
Gabriele Senn Galerie
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Saskia Noor van Imhoff #+14.11, 2013, A2-C-Print A2 Cprint, Luftbefeuchter humidifier Foto photo: Š Gert Jan van Rooij
James Cabot, Clay Pots, 1990 5-teilig, je set of 5 each 50 cm
Gabriele Senn Galerie
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Galerie Steinek
Good Night, Mister Procrustes curated by_Peter Stastny
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P e t e r S ta s t n y
Francis Alÿs (* 1959, l. in Mexico City), Zipora Fried (* 1964, l. in New York), Jim Shaw (* 1952, l. in Los Angeles), Katrin Sigurdardottir (* 1967, l. in New York), Kiki Smith (* 1954, l. in New York), Jana Sterbak (* 1955, l. in Montreal und and Barcelona), Jeanne Susplugas (* 1974, l. in Paris) Prokrustes war ein Schmied mit einer Herberge am Fuße des Korydallos unweit von Athen. Er pflegte müde Reisende einzuladen, um ihnen eines seiner eisernen Betten anzubieten, wo er sie dann entsprechend zurechtstreckte oder -stutzte, bis sie genau in das Bett passten. Wollte er damit die sichere Passage nach Eleusis verhindern? Denn dort bereiteten sich die Pilger in den Eleusinischen Mysterien auf das Nachleben vor, beflügelt durch den psychedelischen Kykeon-Trunk. Letztlich bestrafte Theseus diesen Bösewicht mit dem Mittel seiner eigenen Wahl – seinem Prokrustesbett. Strecken lässt sich jedoch nicht nur der Körper, sondern auch unsere Vorstellungswelt – manchmal sogar ohne ein mögliches Zurück. Oder du kommst in einen engen Zwinger, wo dann der Kopf an die Wände knallt. Auf der analytischen Couch wirst du nicht nur zum freien Assoziieren angeregt, sondern auch in die Sphäre der Übertragung eingebettet. Sollten dich Hirngespinste aus der allgemeingültigen Wirklichkeit befördern, dann mag Schlimmeres drohen, wie Zwangseinweisung, Fixierung und neurochemische Manipulation. Wir können uns mit den Arzneien von Jeanne Susplugas betäuben oder scheinbar von den Strikturen einer Behausung befreien, wie die ahnungslosen Menschen, die Francis Alÿs auf einem seiner Stadtrundgänge erhaschte. KünstlerInnen sind mit solchen Möglichkeiten sehr vertraut: Bei Zipora Fried ist ein langes Blatt auf den Boden gespannt und wird zu einem Behältnis für Wut, Träume, pechschwarze Melancholie und abgrundtiefen Schmerz. Wenn wir uns innerhalb der Konturen eines solchen unwirklichen Raumes präsentieren, vielleicht auf vier festen Beinen ste-
hend und mit Flaum oder Härte gepolstert, so können wir in uns hineinschauen und gesehen werden. Oder auch nicht. Maß um Maß haben die KünstlerInnen in der Ausstellung diese Engen begangen und Auswege gefunden. Ein solcher Raum kann sich auftun und zu wandern beginnen, zum Beispiel wenn Jana Sterbak ihren Käfig auf die Reise schickt. Und Katrin Sigurdardottirs erdachtes Gebäude ist ebenso rasch zu Asche reduziert – wie gewonnen, so zerronnen. Der Geist kann uns dahin bringen, wo Träume, Ideen flügge werden. Jim Shaw ist recht mutig, wenn er uns in seine orphischen Bebilderungen einlässt, mit all ihren Schönheitsfehlern, und Kiki Smiths Frauen freuen sich am Leben unter einem Sternenhimmel vermeintlicher Seligkeit. Peter Stastny lebt als Psychiater, Dokumentarfilmemacher und Kulturkritiker in New York.
Gute Nacht, Herr Prokrustes Good Night, Mister Procrustes
Procrustes was a blacksmith who kept an inn on the slopes of Mount Korydallos, just outside of Athens. He invited weary travelers to rest on iron beds, where he stretched or cut them down to size. Did he disrupt safe passage along the sacred road to the Eleusinian Mysteries, where they would prepare for the afterlife with the help of the Kykeon, a precursor of LSD? In the end, Theseus gave this evildoer a taste of his own medicine by fitting him into his very own Procrustean bed. Psychiatry and psychoanalysis also offer such alternatives. Your imagination can be stretched, too, sometimes beyond the point of no return, or you can be forced into narrow confines, where you might be bouncing off walls. When you lie on the analyst’s couch, you can associate freely, but you are also embedded in the realm of transference, interminably or not. Should flights of fancy take you beyond shared reality, harsher measures may await you: commitment, physical restraint, and chemical manipulation. We can numb ourselves with Jeanne Susplugas’s remedies or appear free from the strictures of abode, as the people caught surreptitiously on one of Francis Alÿs’s peregrinations. Artists are quite familiar with such predicaments: a blank sheet stretched on the floor becomes a receptacle for rage, dreams, pitch-black melancholy, and bottomless pain, as in Zipora Fried’s work. Presenting ourselves within the contours of such imaginary spaces, held up on four corners and supported by fluff or duress, enables us to look inside and to be seen. Or not. Measure for measure, artists in this show have entered and found escape from such spaces. They curl up or travel, as in Jana
Sterbak’s cage: Procrustes meets Sisyphus in a naturally explosive match. And Katrin Sigurdardottir’s imagined edifice is promptly reduced to cinders— easy come, easy go. Here is where the mind can take us, where dreams, ideas can take flight. Jim Shaw is far from shy when he lets us into his Orphic land, warts and all, and Kiki Smith’s women rejoice under a seemingly blissful sky. Peter Stastny is a psychiatrist, documentary filmmaker, and cultural critic living in New York.
Galerie Steinek
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Francis Alÿs, Sleepers IV, 2011 Karussellprojektion von 80 35-mm-Dias 80 35-mm slide carousel projection Courtesy of Galerie Kilchmann © Francis Alÿs Katrin Sigurdardottir Unbuilt 5—The Residence of Magnús Th. Blöndal, Sólvellir 18, Reykjavík, 2009 Verbranntes Pappmaschee und Holz burned papier maché and wood, 37 × 48 × 43 cm Courtesy of the artist and Meessen De Clercq, Brussels Foto photo: Philippe De Gobert
Zipora Fried, Relic, 2012 Holz, Gold wood, gold, 10,2 × 49,5 × 10,2 cm © On Stellar Rays and Fried
Galerie Steinek
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Jeanne Susplugas Graal, 2013 Kristall crystal, variable Größe dimensions variable © Jeanne Susplugas Kiki Smith, Girl with Stars I, 2004 Bronze, 44,4 × 75,6 × 5,1 cm Privatsammlung private collection Courtesy of Barbara Gross Galerie, München Munich
Jim Shaw, Dream Object (In a parking structure I found the Jesus mask with a sun burnt Chicano’s head inside), 2007 15,2 × 21,6 × 26,7 cm Courtesy of Metro Pictures Gallery, New York Jana Sterbak, Cone on hand, 1979–1996 Silbergelatineprint gelatine silver print, 50 × 35,5 cm Courtesy of the artist and Galleria Raffaella Cortese
Galerie Steinek
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Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
Little Nemo curated by_Max Hollein
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Max Hollein
John M Armleder (* 1948, l. in Genf Geneva), Julia Bornefeld (* 1963, l. in Bruneck und and Berlin), Thomas Feuerstein (* 1968, l. in Innsbruck und Wien and Vienna), Bruno Gironcoli (1936–2010, Wien Vienna), Hans Hollein (1934–2014, Wien Vienna), Winsor McCay (1871–1934, New York), Walter Pichler (1936–2012, Wien Vienna), Tal R (* 1967, l. in Kopenhagen Copenhagen), Franz West (1947–2012, Wien Vienna), Erwin Wurm (* 1954, l. in Wien Vienna) Das Bett – Liegestatt der Imagination The Century of the Bed als Schwerpunktthema von curated by_vienna unterstreicht die Funktion des Arbeitsortes Bett als Manifestation der Auflösung der Grenzen zwischen den Phasen von Arbeit und Erholung und Tages- und Nachtaktivität. Das Bett ist eine rituelle existenzielle Arbeits- und Lebensfläche – wie es schon sehr früh Walter Pichlers Schlafsaal darstellt –, aber insbesondere auch ein symbolischer Ort der traumbasierten Erkenntnis – repräsentiert durch Hans Holleins Freud-Couch. In Fortsetzung dessen soll das Bett in der Ausstellung als Symbol des assoziativen, surrealen Denkens und opulenten, kreativen Handelns gesehen werden – ein Freiraum, wo Tagträume, das Unterbewusste und das Übersinnliche ihren Lauf nehmen. Allen voran soll eine herausragende künstlerische Leistung dafür einen umfassenden Rahmen bieten: Little Nemo in Slumberland ist die epochale, richtungsweisende Comicserie von Winsor McCay, die von 1905 bis 1911 in der Zeitung New York Herald veröffentlicht wurde. McCay ließ mit beispielloser Imagination die faszinierenden Traumreisen im Schlummerland entstehen, die von einer
eindrucksvollen visuellen Opulenz und kreativen Transformation der Realität geprägt sind – eine Wirklichkeit, die sich ästhetisch verändert, verdreht, dehnt und mutiert. Das Bett als Synonym für das „kreative Denken im Liegen“, für das Spielerische, Absurde, Seltsame, für die Fähigkeit, das Träumerische und Verquere zuzulassen, den Ideen Raum zu geben. Jenseits physischer und ästhetischer Normen werden so Werke von außerordentlicher suggestiver Kraft und körperlicher Befindlichkeit geschaffen, Objekte, bei denen sich Gewissheiten auflösen und in etwas Neues verformen. Aus dem Programm der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman sollen – im Rahmen einer spektakulären Rauminszenierung nach Winsor McCay – ausgewählte Arbeiten von Julia Bornefeld, Tal R, Thomas Feuerstein, Bruno Gironcoli, Erwin Wurm, Franz West und John M Armleder exemplarisch dafür stehen.
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Courtesy of Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck /Vienna, photo: © Galerie Elisabeth & Klaus Thoman: Lena Kienzer
Auszüge aus excerpts from Winsor McCay, Little Nemo in Slumberland 1. The New York Herald, 29th September 1907 2. The Sunday Record-Herald, 2nd February 1908 3. Los Angeles Sunday Times, 27th December 1908 4. The St. Louis Republic, 18th April 1909 Courtesy of Alexander Braun Collection Photo: Alexander Braun, German Academy of Comic Art Kunstwerke in dargestellter Reihenfolge artworks in order of appearance: Tal R, exhibition view Fog over Malia Bay Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Vienna, February 2013
Max Hollein (* 1969) lebt in Frankfurt am Main, wo er seit 2001 als Direktor der Schirn Kunsthalle und seit 2006 auch als Direktor des Städel Museums und der Liebieghaus Skulpturensammlung tätig ist.
Franz West, Geiler Gaul, 2005, papier mâché, styrofoam, cardboard, steel, acrylic paint, 211 × 91 × 161 cm, photo: © Galerie Elisabeth & Klaus Thoman: Nikolaus Schletterer Thomas Feuerstein, IDEA, 2012 Rocket fuel from sugar and potassium nitrate, books, stainless steel, acrylic glass hood, 192 × 52 × 40 cm Courtesy of Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck / Vienna, photo: © Thomas Feuerstein Walter Pichler, Schlafsaal Dormitory, 1968 Styrofoam, wood, three parts, each 21 × 100 × 196 cm. Textile work by Elisabeth Campos:
Little Nemo
The Bed—Berth of Imagination The Century of the Bed as the central theme of curated by_vienna underscores the function of the bed as workplace—as a manifestation of the dissolution of boundaries between the phases of work and leisure, and of day- and nighttime activity. The bed is a ritualistic, existential surface for work and life, as represented very early on by Walter Pichler’s Schlafsaal, but it is also most especially a symbolic place for dream-based insight, as reflected by Hans Hollein’s Freud Couch. Accordingly, in the scope of the exhibition, the bed is viewed as a symbol of associative, surreal thought and opulent, creative agency—a free zone for allowing daydreams, the subconscious, and extrasensory experiences to run their course. Most of all, one particular outstanding artistic merit provides a comprehensive framework: Little Nemo in Slumberland is the revolutionary, trendsetting comic series by Winsor McCay that was published in the newspaper The New York Herald from 1905 to 1911. With an unequalled capacity for imagination, McCay cultivated fascinating dream journeys to slumberland that are characterized by impressive visual
opulence and creative transformation of reality—a reality that becomes aesthetically shifted, skewed, distended, and mutated. The bed as a synonym for “creative thought while reclining,” for the playful, the absurd, the strange, for the ability to allow dreams and idiosyncrasy to emerge, for giving ideas free rein. In this way, beyond physical and aesthetic norms, artworks of immense suggestive power and corporeal sensitivity are created; objects by which certainty dissipates and something new takes form. In the scope of spectacular spatial architecture inspired by Winsor McCay, this will be exemplified through selected works from the Galerie Thoman by the artists Julia Bornefeld, Tal R, Thomas Feuerstein, Bruno Gironcoli, Erwin Wurm, Franz West, and John M Armleder.
Bett mit eingebautem Bild Bed With Built-in Picture, clipping from Paris Match, changeable photo, glass, synthetic silk Bett mit Skulpturen in Organza-Kleid Bed With Sculptures in an Organza Dress, chromium plated brass, organza, synthetic silk Bett mit eingebautem UKW-Radio Bed With Built-in AM-Radio Courtesy of Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck / Vienna, photo: © Generali Foundation: Werner Kaligofsky
Erwin Wurm, Home, 2006, acrylic, colour, metal, 110 × 115 × 285 cm, courtesy of Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck / Vienna, photo: © Rodolfo Pedrini
Julia Bornefeld, Pilz Mushroom, 2003, rope, darning wool, wood, fabric, 180 × 155 × 155 cm Courtesy Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck / Vienna, photo: © Julia Bornefeld
Max Hollein (* 1969) lives in Frankfurt am Main, where he has been director of the Schirn Kunsthalle since 2001, and director of the Städel Museum and the Liebieghaus Skulpturensammlung since January 2006.
Bruno Gironcoli, Kopf Head, 1964–1965 Polyester, silver colour, two-parts, 120 × 54 × 45 cm, 115 × 85 × 80 cm, courtesy of Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck / Vienna, photo: © Galerie Elisabeth & Klaus Thoman: Lena Kienzer
Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
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G a l e r i e H u b e r t Wi n t e r
Sleepless Nights curated by_ Abigail Solomon-Godeau
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Abig a i l S o l o m o n - G o d e a u
Mitchell Anderson (* 1986, l. in Riverside) / Joseph Pitruzzello (* 1988, l. in Los Angeles), Daniel Eisenberg (* 1954, l. in Chicago), Juan José Herrera (* 1973, l. in Monterrey), Thomas Israël (* 1975, l. in Brüssel Brussels), Birgit Jürgenssen (1949–2003, Wien Vienna), Anne Lindberg (* 1962, l. in Kansas City & New York), Julian Palacz (* 1983, l. in Wien Vienna), Sally Potter (* 1949, l. in London), Eric Vernhes (* 1966, l. in Paris) u. a. a. o. Schlaflose Nächte, auch jene von schlafgestörten Menschen, können singulär, von den Umständen beeinflusst, periodisch oder auch chronisch auftreten. Wie Schmerz oder Lust kann man seine eigene Schlaflosigkeit subjektiv beobachten und beschreiben, nicht jedoch objektiv jene von anderen Menschen. Diese grundsätzliche Unkommunizierbarkeit macht die Schlaflosigkeit zu einer permanenten Herausforderung für die Kunst. Wie auch immer sich die Schlaflosigkeit im Einzelnen äußert, ihre körperlichen Auswirkungen sind seit Langem Thema prosaischer, lyrischer und bildlicher Analysen. Anders als die KünstlerInnen der Romantik oder des Surrealismus, die Traummechanismen untersuchten, um neue literarische oder künstlerische Ausdrucksformen zu finden, nähern sich die KünstlerInnen der Ausstellung Sleepless Nights dem Thema von einem bewusst sachlichen, bisweilen sogar physischen Blickwinkel an. Während zahlreiche zeitgenössische KünstlerInnen den Schlaf als Sujet herangezogen haben (man denke an die Institutional Dream Series von Laurie Anderson aus dem Jahr 1972 oder Sophie Calles Les Dormeuses von 1979), wurde auch die Schlaflosigkeit Thema künstlerischer Auseinandersetzung. Jeff Wall beispielsweise schuf 1994 die Leuchtbox Insomnia, Sally Potter 2012 das Video Passion, Obsession and Insomnia. Wenn der Schlaf die Norm – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper – repräsentiert, so ist die Schlaflosigkeit normalerweise ein Zustand der Unruhe, der Störung, der Angst, bisweilen sogar der Panik. Wie man weiß, ist der Schlafentzug eine der ältesten Foltermethoden, vor der bekanntlich auch die Vereinigten
Staaten im irakischen Gefängnis Abu Ghuraib nicht zurückschreckten. Die KünstlerInnen der Ausstellung Sleepless Nights untersuchen kollektiv in verschiedenen Medien – Performance, Video, Film und Multimediainstallation – die andere Seite des Träumens, die andere Seite des Schlafs. Angesichts der postmodernen Diagnose einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, legen sie Zeugnis ab vom dystopischen Zustand, in dem nicht einmal mehr der Traum Zuflucht vor der düsteren Realität gewährt. Abigail Solomon-Godeau lebt als Kunsthistorikerin in Paris. Ihre Essays über Fotografie, Kunstgeschichte, zeitgenössische Kunst und Feminismus sind weitgehend in Anthologien zu finden.
Sleepless Nights
Sleepless nights, including those of insomniacs, may be singular, circumstantial, periodic, or chronic. Like pain or pleasure, the experience can be described and observed but cannot be experienced by another. This essential incommunicability makes it a permanent challenge to artistic practices. Whatever the particular manifestations of sleeplessness, the psychological and physical effects have long been the subject of literary, poetic, and artistic investigation. But unlike the artists of Romanticism or Surrealism who explored the mechanisms of dreaming and sought to invent literary or visual forms to express them, the artists represented in Sleepless Nights approach their subject from singularly nondramatic, or even occasionally physical perspectives. Although a number of contemporary artists have taken sleep as their subject (e. g., Laurie Anderson’s 1972 Institutional Dream Series; Sophie Calle’s 1979 Les Dormeuses), sleeplessness has also provided material for artistic exploration (e. g., Jeff Wall’s 1994 light box Insomnia; Sally Potter’s 2012 videotape Passion, Obsession and Insomnia). For if sleep constitutes the norm—the healthy mind in a healthy body — sleeplessness is typically a condition of disturbance, dysfunction, anxiety, even anguish. And, as is well known, sleep deprivation is one of the venerable forms of torture, notoriously employed by the US military in Iraq’s Abu Ghraib prison. Working in various media — performance, video, film, and multimedia installation — the artists featured in Sleepless Nights collectively explore the other side of dreaming, the other side of sleep. In this respect, and in keeping with our postmodern
recognition of the world out of joint, they testify to a dystopian condition in which even dreaming is no longer a refuge from the grim realities of the world we inhabit. The art historian Abigail Solomon-Godeau lives in Paris. Her essays on photography, art history, contemporary art, and feminism are widely anthologized.
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Birgit Jürgenssen, Ohne Titel, 1977, Farbstift, Bleistift auf Büttenkarton colored pencil, pencil on handmade paper, 43,5 × 62,5 cm Estate Birgit Jürgenssen Birgit Jürgenssen, Bettschuhe, 1974, Holz, Messing, Stoff wood, brass, fabric, je each 25 × 12 × 8 cm Estate Birgit Jürgenssen
Anne Lindberg, Insomnia 10, 2008, Bleistift auf Velin mit ArchivPigmentdruck pencil on vellum with archival pigment print, 71 × 86,3 cm
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Anne Lindberg, Sleep, 2005, Rayongarn, Kissenbezüge rayon thread, pillow cases, 274 × 61 × 61 cm
Julian Palacz, Algorithmic search for love, 2010/14 Multimediainstallation multimedia installation, variable Größe dimensions variable
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C u r at o r s ' B i o g r a p h i e s
[5] Magalí Arriola is an art critic and curator. She has been curator at Fundación Jumex Arte Contemporáneo since February 2012, where she has curated exhibitions of artists such as Guy de Cointet and James Lee Byars, as well as collective shows displaying the Jumex Collection. She was chief curator of Museo Tamayo between 2009 and 2011 where she organized exhibitions and projects with artists such as Roman Ondák, Joachim Koester, Claire Fontaine, Adriá Julia, and Julio Morales. Independent projects include: “The Sweet Burnt Smell of History: The 8th Panama Biennial” (2008); “Prophets of Deceit” (Wattis Institute for Contemporary Art, San Francisco, 2006); “What once passed for a future, or The landscapes of the living dead” (Art2102, Los Angeles, 2005); “How to Learn to Love the Bomb and Stop Worrying about it” (CANAIA, México City / Central de Arte at WTC, Guadalajara, Mexico, 2003–2004); “Alibis” (Mexican Cultural Institute, Paris / Witte de With, Rotterdam, 2002). From 1998 to 2001 she was chief curator at the Museo Carrillo Gil in México City, and visiting curator at the Wattis Institute for Contemporary Art in San Francisco in 2006. Arriola has written extensively for catalogues and has contributed to publications such as Spike, Manifesta Journal, Afterall and The Exhibitionist, among others.
[14] Sabeth Buchmann is an art historian and art critic and Professor for Art History of Modernity and Postmodernity at the Academy of Fine Arts Vienna. Buchmann regularly contributes to anthologies, exhibition catalogues and art journals. She is advisory member of Texte zur Kunst (Berlin). She is co-editor of PoLyPen (b_books / Berlin) and Exhibition Histories (Afterall / London). Her publications include: Hélio Oiticica & Neville D’Almeida, Experiments in Cosmococa (2013,
co-edited with Max Jorge Hinderer Cruz), Film Avantgarde Biopolitics (co-edited with Helmut Draxler and Stephan Geene, 2009), Thinking against Thinking. Production, Technology, Subjectivity in works by Sol LeWitt, Yvonne Rainer and Hélio Oiticica (2007) and Art After Conceptual Art (co-edited with Alexander Alberro, 2006).
[2] Carson Chan is an architecture writer and curator. After working at Barkow Leibinger Architects and the Neue Nationalgalerie’s architecture exhibitions department in Berlin, he founded PROGRAM in 2006, a non-commercial initiative for art and architecture collaborations. His writing on art, architecture and contemporary culture appears in books and periodicals worldwide, including Kaleidoscope, where he is a contributing editor, and 032c (Berlin), where he is editor-at-large. Furthermore, Chan is an active advisor to several cultural institutions including DLD (Munich), Europan, and the Premio Furla—a biennial prize given to the most promising emerging artists in Italy. With Nadim Samman, Chan curated the 4th Marrakech Biennale 2012, presenting newly commissioned works by more than 40 artists, architects, writers, musicians and composers at 5 locations throughout the city. Chan was Executive Curator at the Biennial of the Americas 2013 in Denver, Colorado.
[7] Maja & Reuben Fowkes are curators and art historians who pursue their shared interests in East European art and ecology through the Translocal Institute for Contemporary Art (www.translocal.org). Through exhibitions, symposia and writings, their work has explored key ideas and practices around green curating,
environmental art history, and the theory and aesthetics of Eastern European art. Selected curatorial projects include their Revolution Trilogy of “Revolution is not a Garden Party” (2006), “Revolution I Love You” (2008) and “Revolutionary Decadence” (2009), “Loophole to Happiness” (2011), and “Like a Bird: Avian Ecologies in Contemporary Art” (2013–2014). Currently they are working on a River School on the Danube on sustainability and contemporary art, a museum show of leading Hungarian artist Csaba Nemes, and a symposium on Art, Eco-power and the Liberation of Energy.
[10] Rike Frank is a curator for contemporary art and film and teaches as Associated Professor of Exhibition Studies at the Academy of Fine Arts in Oslo. In 2012 / 2013 she co-curated the exhibition and research project “Textiles: Open Letter”, and, among others “Abstractions, Textiles, Art” (Museum Abteiberg, Mönchengladbach), and 2012 the solo exhibition of works by Friedl vom Gröller (HGB Leipzig). She was project director of documenta 12 (Kassel), co-curated (together with Anders Kreuger and Astrid Wege) the European Kunsthalle (Cologne), and the program at Ludlow 38, New York, in 2009–10. 2001–2005 she was a curator at the Secession (Vienna), where she realized solo exhibitions and monographs with Henrik Olesen, Silvia Kolbowski, Henrik Hakansson, Ines Doujak, Josephine Pryde, Mary Heilman, Michael Beutler, Jeroen de Rijke / Willem de Rooij, Christopher Williams, Carola Dertnig, Michael Krebber, and Minvera Cuevas. She edited several books, among others “Constanze Ruhm. Coming Attractions” (2012), “Sketches of Universal History. Compiled from Several Authors
by Sarah Pierce“ (2013) and “Timing—On the Temporal Dimension of Exhibiting“ (in collaboration with Cultures of Curating, Leipzig, 2014).
[13] Liam Gillick is an artist based in New York. Solo exhibitions include Whitechapel Gallery, London (2002); Palais de Tokyo (2005); retrospectives at Witte de With, Rotterdam, Kunsthalle Zurich, Kunstverein München, and the MCA, Chicago, 2008–2010; Bundeskunsthalle, Bonn 2010; CCS Bard Hessel Museum 2012. Gillicks writings include Proxemics (Selected writing 1988–2006), 2007; Factories in the Snow, 2007; Meaning Liam Gillick, 2009; Allbooks, 2009. Liam Gillick represented Germany at the 53rd Venice Biennale in 2009.
[13] Rachel Harrison is an artist based in New York. Recent solo exhibitions include CCS Bard / Hessel Museum of Art, Annandale-on-Hudson (2009); Portikus, Frankfurt (2009); Whitechapel Gallery, London (2010); Kestnergesellschaft, Hannover (2013); and S.M.A.K., Ghent (2013). Her work is in the collections of the Museum of Modern Art, New York; the Whitney Museum of American Art, New York; Centre Pompidou, Paris; and the Stedelijk Museum, Amsterdam among many others.
[3] Alenka Gregorič is an art historian, curator, and writer. Since July 2003 till 2009 she worked as artistic director of Škuc Gallery, Ljubljana, curating, organizing, and co-ordinating all the program activities. From 2009 she has been the artistic director and curator at City Art Gallery Ljubljana and Tobacco 001.
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C u r at o r s ' B i o g r a p h i e s
In addition to curating exhibitions in Slovenia and abroad, she has written numerous essays, reviews and articles for various art publications. In 2009 she was curator of the Slovenian pavilion at the Venice biennial and co-curator of 28th Graphic biennial Ljubljana, in 2011 she was co-curator of the 52nd October salon in Belgrade. The responsibility of those producing contemporary art and of cultural institutions, as well as their role in contemporary society, constitute the focal point of her interests.
[19] Max Hollein has been the director of the Schirn Kunsthalle Frankfurt since 2001, and director of the Städel Museum as well as the Liebieghaus Skulpturensammlung since January 2006. During 1995 and 2000 he worked at the Solomon R. Guggenheim Museum in New York, from 1998 onward, as Chief of Staff and Manager of European Relations. Max Hollein was general commissioner and curator of the American pavilion at the 7th Venice Architecture Biennale in 2000, general commissioner and curator of the Austrian pavilion at the Venice Biennale in 2005 and 2006 curator of the avant-garde festival “kontra.com” in Salzburg. He is a member of various supervisory and advisory boards of cultural institutions worldwide, including the State Hermitage Museum in Saint Petersburg, the Palais de Tokyo in Paris, the Istanbul Modern Museum, the Neue Galerie in New York. He has curated numerous shows and published a large number of exhibition catalogues and a wide spectrum of other writings on contemporary art, modern art, and museum management.
[11] Egija Inzule is curator at Istituto Svizzero di Roma. With castillo/corrales in Paris she co-
produced the thematic exhibition “Issues of Our Time” parts 1–3 (in 2013 and 2014). The performances, events, group exhibitions, as well as solo presentations she has curated, exported, and imported over the past years include, among others, “IS A BOOK IS A SHOW IS A SHOP,” a double feature exhibition exploring the ambiguous position of publishing in art curated in collaboration with Maja Wismer at The Latvian Center for Contemporary Art in Riga (2009) and at Hammerstrasse 133 in Basel (2010); “In The Middle of Affairs” at Künstlerhaus Stuttgart with Axel J. Wieder, Tobias Kaspar, and the magazine Provence (2010); “Valoda mākslā / Two Occasions, Fig. 7—Konkreti piemēri at kim?” at the Contemporary Art Centre in Riga (2011); “Strange Interlude” at the Palais de Tokyo as part of the Pavillon Neuflize OBC final exhibition (2012). In 2011 she launched a translation series publishing selected essays on art and mainstream culture into Latvian.
[15] Philipp Kaiser was curator at the Museum for Contemporary Art in Basel (2001–2007). Since spring 2007 he has worked as Senior Curator at the Museum of Contemporary Art Los Angeles (MOCA). 2012–2014 he was director of Museum Ludwig in Cologne. He has organized exhibitions with works by Louise Lawler, Christian Philipp Müller, Simon Starling, Johanna Billing, Bruce Nauman, Jack Goldstein, and Oscar Tuazon, and curated vast thematic exhibitions, such as “Flashback. A Revision of Art of the 1980s” (Basel, 2005), “Index—Conceptualism in California” (L. A., 2008), “Ends of the Earth: Land Art to 1974” (L. A. and Munich, 2012), together with co-curator Miwon Kwon, and “Not Yet Titled” (Cologne, 2013), an exhibition displaying the Ludwig Collection.
In addition to his curatorial work, he has published numerous texts about contemporary art in catalogues and art journals and taught courses at the National Academy of Fine Arts in Karlsruhe and at the University of California in Los Angeles (UCLA).
[16] Moritz Küng is an exhibition curator and book editor working above all at the intersection between art and architecture. Recent projects include “Mevis & Van Deursen—Our Art” at the Brno Biennial for Graphic Design (2014), “Peter Downsbrough—The Book(s)” at Fabra i Coats, Barcelona (2013), “The Umbrella Corner series” at ProjecteSD, Barcelona (2012–13), “The fifth column” at the Secession, Vienna (2011), the symposium “The Age of Less” at La Loge, Brussels (2013), or the seminar “The disappearance of the exhibition” at the HfG-University of Arts and Design, Karlsruhe (2013). He has twice curated the Belgian pavilion, at the 25th art biennial in Sao Paulo (2002) and the 11th Architecture Biennial in Venice (2008), where he acted in 2010 as well as member of the jury for the Golden Lion.
[1] Matteo Lucchetti is an art historian, independent curator, and writer. His major curatorial projects include: “Don’t Embarrass the Bureau” (Lunds Konsthall, Lund, 2014); “Enacting Populism” (Kadist Art Foundation, Paris, 2012); “Practicing Memory” (Fondazione Pistoletto, Biella, 2010). He has been curator in residence at Para Site, Hong Kong, Kadist Art Foundation, Paris, and AIR, Antwerpen. He is co-curator of “visible,” a research and biennial award for socially engaged artistic practices, initiated and supported
by the Michelangelo Pistoletto Foundation and Fondazione Zegna. Lucchetti lectures regularly at the Piet Zwart Institute, Rotterdam. He has co-organized and taken part in several public talks in various institutions, such as the Centre d’Art Contemporain in Geneva, the Steirischer Herbst in Graz, and the Centre for Historical Reenactments in Johannesburg.
[17] Dirck Möllmann is curator at the Institute of Art in Public Space Styria, Universalmuseum Joanneum, Graz. Selected projects include: “kunstwegen raumsichten,” nine landscape sculpture projects, Grafschaft Bentheim; “Stile der Stadt. Videopanel,” Hamburg, 2006 / 2008 / 2011. Exhibitions (selection): “Spring! Kunstfrühling,” Gleishalle Bremen, 2009; “MAN SON 1969. The horror of the situation”, Hamburger Kunsthalle, 2009; “Joseph Beuys. Das Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg 1983–1984,” Altonaer Museum, 2007; “SNAFU. Media Myths Mind Control,” Hamburger Kunsthalle, 2006.
[8] Luca Lo Pinto is founder and editor-in-chief of the magazine NERO and a regular contributor to the online cultural magazine Doppiozero. He has written for several catalogues and international magazines. His curatorial projects include, among others, “Trapped in the closet” (Carnegie Library / FRAC Champagne Ardenne, Reims, 2013); “Antigrazioso” (Palais de Toyko, Paris, 2013); Luigi OntaniAnderSennoSogno (H. C. Andersen Museum, Rome, 2012 / 2013); “D’après Giorgio” (Giorgio e Isa de Chirico Foundation, Rome 2012); “When In Rome” (IIC, Hammer Museum, La Art, Los Angeles, 2011);
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“Roommates” (MACRO Museum, Rome, 2009); “Maria Colao. A Bibliography / Conversation Pieces” (Praz Museum, Rome, 2006). In 2012 he curated “Una Storia” a program of talks at MACRO Museum. He has edited artist books by Olaf Nicolai, Luigi Ontani, Nicola Pecoraro, Emilio Prini, Alexandre Singh, and Mario Garcia Torres. Recently he edited the book Documenta 1955–2012. The endless story of two lovers. Luca Lo Pinto is a member of the advisory board of the Depart Foundation. Since spring 2014 he has been working as curator at the Kunsthalle Wien.
[4] Kristina Scepanski is an art historian and since 2013 director of the Westfälische Kunstverein in Münster. There she realized exhibitions, among others, with works by Maria Loboda, Jeronimo Voss, Jean-Pascal Flavien, Ditte Gantriis, Jeanette Mundt, Calla Henkel, and Max Pitegoff as well as solo exhibitions with works by Liz Magic Laser and Virginia Overton. Before that, Scepanski worked at the European Kunsthalle in Cologne and the Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf. In 2011/12 she attended the Whitney Independent Study Program in New York as Helena Rubinstein Curatorial Fellow.
[12] Stephane Ackermann worked with a number of prominent galleries and institutions in Europe, among them the Musée d’Art Contemporain de la Ville de Paris, before becoming an art advisor for major private collections as well as an agent for artists and designers. After encountering the Istanbul art scene in the early 1990’s, he has since been engaged in various projects including art advisor, curator, and artistic
director of art fairs. In 2013, Ackermann became the artistic director of Art International in Istanbul.
[12] Basak Senova (* 1970) studied Literature and Graphic Design (MFA in Graphic Design & PHD in Art, Design and Architecture at Bilkent University) and attended the 7th Curatorial Training Programme of Stichting De Appel, Amsterdam. She has been writing on art, technology, and media, initiating and developing projects and curating exhibitions since 1995. Senova was the curator of the pavilion of Turkey at the 53rd Venice Biennial. As an assistant professor, she has lectured at various universities in Istanbul such as Kadir Has University, Bilgi University, and Koç University. She co-curated the project “UNCOVERED“ (Cyprus) and the 2nd Biennial of Contemporary Art D-0 Ark Underground in Bosnia and Herzegovina. Senova is a member of the advisory boards of the Istanbul Biennial and D-0 Ark Underground Biennial, and a member of the advisory committee of Protocinema. She is the curator of the Helsinki Photography Biennial 2014, the Jerusalem Show VII, and the Art Gallery Chair of SIGGRAPH 2014 (ACM), Vancouver.
[20] Abigail Solomon-Godeau is Professor Emerita in art history, University of California and the author of Photography at the Dock: Essays on Photographic Histories, Institutions, and Practices (1991), Male Trouble: A Crisis in Representation (1997) and Rosemary Laing (2010). Her essays on photography, art history, contemporary art and feminism are widely anthologized. Currently she is working on two books, The Face of Difference: Gender and Genre in Photography and Art Photography in the Age of Catastrophe.
[18] Peter Stastny is a psychiatrist, documentary film-maker, cultural critic and innovator, who has made contributions to the fields of mental health care, the treatment of psychosis, the representation of madness in film and visual art, among sundry other topics. Since the early 1980s he has been involved as a critic and collector in the intersection between art, madness, and psychiatric intervention. His documentary and experimental films have straddled the boundary between topical representation and historical redemption. Currently he is consultant to several federally funded system-transforming mental health projects in New York and Latin America; developing a documentary film on the waning of the Holocaust generation; and building a living archive for his many known and less known interventions. He is a founding member of the International Network of Alternatives toward Recovery (INTAR), which is about to hold its 7th interdisciplinary conference in Liverpool, UK (www.intar.org).
[6] Francesco Stocchi is curator for Modern and Contemporary Art at The Museum Boijmans Van Beuningen. Recent exhibitions include “BrancusiRosso—Man Ray—Framing Sculpture,” a study on the results of sculptural representation, a project commissioned by Oscar Tuazon, and the exhibition “Minimal Myth,” that explores the influence of minimalism on contemporary aesthetics. He is founding editor of the annual publication AGMA, a magazine on exhibition making. Stocchi writes regularly for exhibition catalogues and art magazines. He has contributed essays to museum catalogues and monographic publications on various artists, among others Cindy Sherman, Gelatin, Arcangelo
Sassolino, Judith Fegerl, and Christoph Meier. Recently published essays include “Every critical act is a creative act” for When Attitudes Become Form. Bern 1969 / Venice 2013, and the monographs Jorge Peris and Francesca Woodman Photographs 1978–81.
[9] Olga Sviblova is the Founding Director of the Multimedia Art Museum, Moscow, formerly known as the Moscow House of Photography. Sviblova has been curating international exhibitions since 1988, when she organized the first “Festival of Soviet Underground Art” in Finland. Since then she has organized numerous contemporary art shows both in Moscow and abroad. She was organizer and Art Director of the Moscow International Photography Festival “Fashion and Style in Photography” in 1999, and the International Month of Photography in Moscow, the Photobiennale in 1996 and its jubilee 10th edition in 2014. She was curator of the Russian pavilion at the Venice Biennale in 2007 and 2009. During her career, Sviblova has written and directed a number of documentaries, including “The Black Square” about Russian avant-garde art from 1953 to 1988, which won the Paris Critics Award at the Cannes Film Festival in 1988 and the Gold Plate at the Chicago Documentary Film Festival, among many other accolades.
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[1] Charim Galerie Wien Dorotheergasse 12/1, 1010 Wien www.charimgalerie.at
[6] Georg Kargl Fine Arts Schleifmühlgasse 5, 1040 Wien www.georgkargl.com
[2] Kerstin Engholm Galerie Schleifmühlgasse 3, 1040 Wien www.kerstinengholm.com
[7] Knoll Galerie Wien Gumpendorfer Straße 18, 1060 Wien www.knollgalerie.at
[3] Galerie Ernst Hilger Dorotheergasse 5, 1010 Wien www.hilger.at
[8] Christine König Galerie Schleifmühlgasse 1A, 1040 Wien www.christinekoeniggalerie.com
[4] Galerie Andreas Huber Schleifmühlgasse 6–8, 1040 Wien www.galerieandreashuber.at
[9] Krinzinger Projekte Schottenfeldgasse 45, 1070 Wien www.galerie-krinzinger.at/projekte/
[5] Galerie Martin Janda Eschenbachgasse 11, 1010 Wien www.martinjanda.at
[10] Krobath Wien Eschenbachgasse 9, 1010 Wien www.galeriekrobath.at
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[11] Galerie Emanuel Layr An den Hülben 2, 1010 Wien www.emanuellayr.com
[16] Galerie Raum mit Licht Kaiserstraße 32, 1070 Wien www.raum-mit-licht.at
[12] Mario Mauroner Contemporary Art Weihburggasse 26, 1010 Wien www.galerie-mam.com
[17] Gabriele Senn Galerie Schleifmühlgasse 1A, 1040 Wien www.galeriesenn.at
[13] Galerie Meyer Kainer Eschenbachgasse 9, 1010 Wien www.meyerkainer.com
[18] Galerie Steinek Eschenbachgasse 4, 1010 Wien www.galerie.steinek.at
[14] Galerie Mezzanin Getreidem. 14/Eschenbachg., 1010 Wien galeriemezzanin.com
[19] Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Seilerstätte 7, 1010 Wien www.galeriethoman.com
[15] Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder Grünangergasse 1, 1010 Wien www.schwarzwaelder.at
[20] Galerie Hubert Winter Breite Gasse 17, 1070 Wien www.galeriewinter.at
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Impressum Imprint
Ausstellungsreihe Exhibitions
Publikation Publication
Die Publikation erscheint anlässlich des Galerienprojekts curated by_vienna, das von departure, dem Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien, koordiniert und gefördert wird. Nach einem erfolgreichen Start im Jahr 2009 findet curated by_vienna von 2. Oktober bis 8. November 2014 zum sechsten Mal statt.
Herausgeber Editor ARGE curated by_vienna
This publication accompanies the gallery project curated by_vienna, which is coordinated and supported by departure, the creative unit of the Vienna Business Agency. Successfully launched in 2009, curated by_ vienna is taking place for the sixth time from October 2 to November 8, 2014.
Grafische Gestaltung Graphic design MVD Austria – Martin Embacher, Michael Rieper, Christine Schmauszer
www.curatedby.at
Redaktion Editing Manisha Jothady MVD Austria www.mvd.org
Soweit in der Publikation auf geschlechtsspezifische Endungen verzichtet wurde, erfolgte dies aufgrund der besseren Lesbarkeit. Übersetzung Translation Michaela Alex, Wolfgang Astelbauer, Christopher Barber, Tatiana Bobrovskaya, Dawn Michelle d’Atri, Jeremiah Haidvogel, Thomas Raab Lektorat Proofreading Dawn Michelle d’Atri, Amy Klement, Birgit Trinker Bildbearbeitung Image editing MVD Austria Druck Printed by REMAprint, Wien Vienna
Projektinitiative und Finanzierung Project initiative and funding
Papier Paper Cyclus Offset Recycling, 100 / 140 / 350 g / m2
© 2014 ARGE curated by_vienna, Verlag für moderne Kunst © 2014 für die Texte bei den AutorInnen sowie den KünstlerInnen for the texts by the authors and artists © 2014 für die Abbildungen bei den KünstlerInnen sowie den FotografInnen for the images by the artists and the photographers © VBK, Wien Vienna, 2014: Lisl Ponger (S. p. 53), Thomas Feuerstein (S. p. 198), Erwin Wurm S. p. 199), Julia Bornefeld (S. p. 198), Birgit Jürgenssen (S. p. 204)
Alle Rechte, auch die der Übersetzung, der fotomechanischen Wiedergabe und des auszugsweisen Abdrucks, vorbehalten. All rights reserved, including those of translation, photomechanical reproduction, or selective reprinting. ISBN 978-3-86984-528-9 Printed in Austria
Erschienen im Published by Verlag für moderne Kunst www.vfmk.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek: the Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.d-nb.de.
Vertrieb Deutschland, Österreich und Europa Distribution Germany, Austria and Europe LKG, Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft mbH www.lkg-va.de Vertrieb Schweiz Distribution Switzerland AVA Verlagsauslieferung AG www.ava.ch Vertrieb Großbritannien Distribution in the United Kingdom Cornerhouse Publications www.cornerhouse.org Vertrieb außerhalb Europas Distribution outside of Europe D. A. P. Distributed Art Publishers, Inc. www.artbook.com
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www.curatedby.at
curated by_vienna ist ein von departure, dem Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien, initiiertes und organisiertes Projekt zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen ausgewählten Wiener Galerien für zeitgenössische Kunst und international renommierten KuratorInnen. Die vorliegende Publikation dokumentiert die Ergebnisse der mittlerweile sechsten Ausgabe von curated by_vienna, die vor dem Hintergrund der Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche die intimste räumliche Einheit – das Bett – zum Schauplatz global vernetzter Aktivitäten erklärt. Die Idee dazu stammt von der angesehenen Architekturhistorikerin und -theoretikerin Beatriz Colomina, deren titelgebender Aufsatz „The Century of the Bed“ die Ausgangsbasis für die beteiligten KuratorInnen und Galerien bildete. Ergänzt werden Colominas Beitrag und die Beiträge der KuratorInnen durch die Aufsätze des Architekten und Theoretikers Andreas Rumpfhuber und des Psychoanalytikers August Ruhs. curated by_vienna is initiated and organized by departure, the creative unit of the Vienna Business Agency. The project aims to intensify cooperation between internationally renowned curators and Viennese galleries for contemporary art. This publication documents the results of the sixth edition of curated by_ vienna: against the backdrop of the digitalization of all areas of life, it deals with the most intimate of privates spaces — the bed — as a place of globally networked activities. The idea was provided by the renowned architectural historian and theorist Beatriz Colomina, whose essay “The Century of the Bed“ served as the basis for all the galleries and curators involved in this project. Colomina‘s essay and the contributions of the curators are supplemented by essays by the architect and theorist Andreas Rumpfhuber and the psychoanalyst August Ruhs.