curated by_vienna 2016: Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht.

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curated by_vienna ist durch und durch wienerisch und hat internationalen Vorbildcharakter. Das Projekt basiert auf dem speziellen Zusammenspiel von Wiener Galerien für zeitgenössische Kunst mit internationalen Kuratorinnen und Künstlern – verbunden durch ein gemeinsames Thema. Es schafft damit eine Grundlage für neue Wertschöpfungsketten in der Stadt und trägt sowohl zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts als auch zur weiteren Positionierung Wiens als Kulturstandort bei. curated by_vienna is quintessentially Viennese and sets an international example. The project is based on the particular interplay between Viennese galleries for contemporary art, international curators and artists— interconnected by a common topic. It creates the basis for new value chains in the city, thereby contributing to strengthening Vienna as a business location and further positioning it as a location for culture and the arts.

Renate Brauner Wirtschaftsstadträtin der Stadt Wien Executive City Councilor for Finance

Gerhard Hirczi Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien Managing Director of the Vienna Business Agency

Mit curated by_vienna bietet die Stadt dem Wiener Kunstmarkt zum achten Mal in Folge eine breite Plattform. Das Projekt, als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Kunst konzipiert, setzt Impulse für Galerien und positioniert Wien als Vernetzungs-Hotspot für internationale Kuratorinnen und Kuratoren. Mit dem diesjährigen Thema „Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht“ fokussiert das Galerienprojekt erneut eine Fragestellung, die aktuell aufgeladen ist und über die Kunstwelt hinausweist. For the eighth time now, the city of Vienna is providing a broad platform for its art market with curated by_vienna. Designed as an interface between business and art, the project sets a new tone for the participating galleries and contributes to positioning Vienna as a hub for international curators. With this year’s topic “Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht” [My Origins? I Made Them Up], the gallery project once again focuses on current issues that point to—but also beyond—the art world.


INHALT

2 Intro Elisabeth Noever Ginthör 4

Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht Diedrich Diederichsen

9 Charim Galerie Bassam El Baroni 17 Galerie Crone Wien Dirk Schönberger 25 Kerstin Engholm Galerie Heike Munder 33 Galerie Ernst Hilger Luis Pedro Miret Perez 41 Galerie Martin Janda Jacopo Crivelli Visconti 49 Georg Kargl Fine Arts Maria Arusoo 57 Knoll Galerie Wien Edit Sasvári 65 Christine König Galerie Giulia Ferracci 73 Krinzinger Projekte Diana Campbell Betancourt 81 Krobath Wien Bettina Steinbrügge 89 Galerie Emanuel Layr Kari Rittenbach 97 Mario Mauroner Contemporary Art Luigi Fassi

105 113 121 129 137 145 153

Galerie Meyer Kainer Susanne Titz Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder Chris Sharp Galerie Raum mit Licht Æsa Sigurjónsdóttir Gabriele Senn Galerie Cosima von Bonin Galerie Steinek Michel Blancsubé Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Dieter Buchhart & Anna Karina Hofbauer unttld contemporary Krist Gruijthuijsen

160 Übersichtskarte Map 162 Adressen Addresses 163 Impressum Imprint


2 curated by_vienna: Das Galerienfestival mit Ausstellungen von internationalen Kuratorinnen und Kuratoren in Wien

Das Wiener Galerienfestival curated by_vienna findet dieses Jahr bereits zum achten Mal statt. Einmal jährlich kulminieren damit seit 2009 das große Engagement, der Pioniergeist und die Leidenschaft der in Wien agierenden Galerien für zeitgenössische Kunst in einer impulsgebenden Plattform. Gerade in Wien – einer Stadt, die weltweit als Kunst- und Kulturmetropole bekannt ist – ist diese Einbindung von Kunst und Kultur in unser politisches, soziales und wirtschaftliches Geschehen eine Notwendigkeit. Koordiniert und finanziert von der Wirtschaftsagentur Wien mit ihrem Kreativzentrum departure wird die Zusammenarbeit von Wiener Galerien zeitgenössischer Kunst mit internationalen Kuratorinnen und Kuratoren unterstützt. Einerseits geht es bei curated by_vienna um Kooperation: die im Rahmen des Projekts gewonnenen Kontakte tragen dazu bei, die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren in der Kunstszene zu intensivieren und auszubauen, um diese für zukünftige Vorhaben zu nutzen. Andererseits ist curated by_vienna auch Experiment: die Galerien öffnen ihren Arbeitsraum für eine Kuratorin, einen Kurator, und gewinnen damit die Möglichkeit für neue Blickwinkel auf das eigene Tätigkeitsfeld und Programm. Seit 2009 haben im Rahmen von curated by_vienna über 150 international tätige Kuratorinnen und Kuratoren Ausstellungen in den jeweils beteiligten Galerien realisiert. Das Format hat sich zu einer Vernetzungsplattform etabliert, die einen nachhaltigen Ideenaustausch zwischen den heimischen und internationalen Akteurinnen und Akteuren des Kunstbetriebs bewirkt. Als Projekt, in dem sich kulturelles Engagement und Mehrwert generierende Netzwerkaktivitäten vereinen, hat curated by_vienna auch für andere europäische Metropolen Vorbildcharakter. Im Vorfeld zur diesjährigen Ausgabe haben uns Überlegungen zum Thema Hommage beschäftigt. Doch von Beginn an war klar, dass damit nicht die reibungslose Bezugnahme auf Vorangegangenes gemeint ist. Wien wird oft als Stadt zwischen Tradition und Moderne beschrieben. Wir rühmen uns seines reichen kulturellen Erbes und erleben gleichzeitig dessen voranschreitende Modernisierung. Vergangenheit und Zukunft, den Blick zugleich zurück und nach vorne gerichtet – zwischen diesen Polen bewegt sich auch das diesjährige Motto von curated by_vienna. Den Titel „Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht“ verdanken wir dem Kulturwissenschaftler, Autor und Kritiker Diedrich Diederichsen und seinem gleichnamigen Essay, der den theoretischen Ausgangspunkt für die beteiligten Galerien, Kuratorinnen und Kuratoren bildet.

Anders als zu Zeiten der Avantgarden, so Diederichsen, würden Neuheitsbehauptungen in der Kunst heute weniger auf dem Kappen von Traditionslinien, sondern vielfach auf Wiederentdeckungen und Neuerfindungen von Vorläuferschaften basieren. Die Fragen, die sich mit dieser Feststellung verbinden sind u.a.: Was bewegt Künstlerinnen und Künstler dazu, sich wieder verstärkt Vorbildern zuzuwenden und wie offenbaren sich die damit einhergehenden Hommagen, Referenzen, Zitate und Aneignungen im jeweiligen Werk? Welche Kontinuitäten in Bezug auf das Schaffen einer Leitfigur, aber auch welche Brüche damit werden sichtbar? Und schließlich: Welche Perspektiven ergeben sich in der Auseinandersetzung mit Vorangegangenem für die Zukunft? Diesen Fragen wird in den Ausstellungen von curated by_vienna 2016 auf vielfältige Weise Rechnung getragen. So steht die Reflexion über die eigene nationale Herkunft und kulturelle Identität im Zentrum jener Ausstellungen, die einerseits den westlichen beziehungsweise eurozentristischen Kunstkanon kritisch in den Blick nehmen, andererseits vor dem Hintergrund unserer globalisierten Gegenwart das gleichermaßen konventionelle wie polarisierende Identitätskonzept von Fremd-Sein und Heimisch-Sein zur Diskussion stellen. Auch das Anknüpfen an die Formensprache und Inhalte vorangegangener Kunstströmungen zieht sich als roter Faden durch eine ganze Reihe von Beiträgen im Rahmen der diesjährigen Ausgabe von curated by_vienna. Andere Ausstellungen wiederum reagieren auf die aktuellen sozialpolitischen, ökonomischen und ökologischen Krisen. Die selbstgewählten Verwandtschaftsverhältnisse, von denen Diedrich Diederichsen in seinem Beitrag spricht, lassen sich hier als Schicksalsgemeinschaften beschreiben, die das Bewusstsein um die Probleme unserer Gegenwart eint. Wir danken Diedrich Diederichsen, dass er unsere Einladung, das kuratorische Konzept für curated by_vienna 2016 zu erstellen, angenommen hat. Mit seinem titelgebenden Essay hat er den inhaltlichen Anstoß für die von internationalen Kuratorinnen und Kuratoren konzipierten Galerieausstellungen gegeben. Unser besonderer Dank gilt den vielen Beteiligten, die durch ihr Engagement zur Realisierung von curated by_vienna 2016 beigetragen haben: die teilnehmenden Galerien, Kuratorinnen und Kuratoren sowie die Künstlerinnen und Künstler als Quelle aller Ausstellungsformate. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine aufschlussreiche Kataloglektüre und einen abwechslungsreichen Rundgang durch die Ausstellungen von curated by_vienna: „Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht.“


3 curated by_vienna: The gallery festival with exhibitions by international curators in Vienna

The Viennese gallery festival curated by_vienna is taking place for the 8th time this year. Since 2009, the commitment, pioneering spirit and passion of Viennese galleries for contemporary art have been culminating in this tone-setting platform once a year. Particularly in Vienna—a city globally renowned as a center for culture and the arts—the incorporation of arts and culture into our political, social and economic activities is a necessity. Coordinated and financed by the Vienna Business Agency with its creative center departure, curated by_vienna supports systematic cooperation between Viennese galleries for contemporary art and international curators. A focus of the project is on cooperation: the new contacts gained in the course of the festival contribute to intensify and expand the relationships between different actors oft he art scene, in order to utilize them for future projects. But curated by_vienna is also an experiment: the galleries are opening up their workspaces for a curator, thereby gaining new perspectives on their own activities and program. Since 2009, more than 150 internationally active curators have realized exhibitions in the respective galleries as part of curated by_vienna. The format has established itself as a networking platform enabling a sustainable exchange of ideas between local and international players of the art industry. As a project combining cultural commitment with value-adding networking activities, curated by_vienna serves as a role model for other European cities. In the run-up for this year’s festival, we explored reflections on the topic of homage. From the start, it was clear that we were not talking about frictionless references to the past. Vienna is often described as a city between tradition and modernity. We pride ourselves on its rich cultural heritage while, at the same time, we are experiencing its ongoing modernization. Past and present, looking both back and ahead —these are the poles along which this year’s motto of curated by_vienna is oscillating. The title “Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht“ [My Origins? I Made Them Up] was coined by cultural scientist, author and critic Diedrich Diederichsen whose eponymous essay has served as a theoretical basis for the participating galleries and curators. In contrast to the times of the avant-gardes, artistic claims of innovation today are premised less on the cutting-off of lines of tradition but rather on the rediscovery and reinvention of precursors, writes Diederichsen. Questions in connection to this statement include: What is it that prompts artists to increasingly turn towards their role models and how are the corresponding homages, references and quotations revealed in their works?

Which continuities, and also breaches, become apparent when it comes to creating a guiding figure? And finally: Which future perspectives arise out of the involvement with previous works and artists? These issues are addressed in manifold ways in the exhibitions of curated by_vienna 2016. In this manner, the contemplation of one’s own national origins and cultural identity are at the center of exhibitions that, on the one hand, are taking a critical look at the Western or rather Eurocentristic art canon, and on the other hand, are bringing our conventional as well as polarizing concept of identity regarding foreignness and nativeness up for discussion against the background of our globalized present. Links to the formal vocabulary and themes of previous art trends run like a golden thread through a number of this year’s shows. Other exhibitions of curated by_vienna 2016, in turn, react to current sociopolitical, economic and ecological crises. The self-chosen family ties brought up by Diedrich Diederichsen in his essay, can be described as communities of fate, united in their awareness of present-day problems. We would like to thank Diedrich Diederichsen for accepting our invitation to create the curatorial concept for curated by_vienna 2016. With his eponymous text, he has provided the thematic impetus for the gallery shows conceived by international curators. Special thanks goes to the participating galleries, curators as well as the artists as the source of all exhibition formats, who have contributed to realizing curated by_vienna 2016 with their commitment. We hope to provide all readers of this publication with enlightening reading and hope you will enjoy an exciting tour through the exhibitions of “curated by_ vienna: Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht [My Origins? I Made Them Up].”

Elisabeth Noever-Ginthör Wirtschaftsagentur Wien, Leitung Kreativzentrum departure Vienna Business Agency, Head of creative center departure


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Diedrich Diederichsen

Der klassische Anspruch der Avantgarden, die Traditionslinien zu kappen, beinhaltete nicht nur die Befreiung künstlerischer Praxis. Er veränderte auch die institutionelle Landschaft der Bildenden Kunst. Anstelle der traditionellen Fächer und Disziplinen, in deren Rahmen auch Lehre, Ausbildung und das Pflegen von Traditionslinien stattfand, sollten begründungsfähige Ansätze treten, die sich durch ihr Selbstverständnis und dessen Rationalität, Richtigkeit oder Wahrhaftigkeit legitimieren und durchsetzen sollten. Doch hat die institutionelle Umwälzung im 20. Jahrhundert nicht im selben Tempo wie die künstlerische Entwicklung und oft auch überhaupt nicht stattgefunden. Stattdessen blieben Systeme wie das Prinzip der Meisterklasse in Kunstakademien bis zur Gegenwart erhalten, Personen, nicht Programme vermitteln und tradieren nach wie vor, während der Legitimationsdiskurs der Werke, ihrer Künstlerinnen und Vermittler solche Herleitungen meist hinter entweder immanenten oder politischen Beschreibungen verbirgt. Folglich wird der so verdrängte und unbewältigte persönliche und personenbezogene,

The classic claim of the avant-gardes that they cut off the lines owf tradition entails more than just the liberation of artistic practice. It also changes the institutional landscape of the fine arts. In lieu of the traditional subjects and disciplines within whose frameworks teaching, training, and the cultivation of the lines of tradition occur, there should be defensible approaches that legitimize themselves and prevail by means of their self-image and its rationality, rightness, and truthfulness. But the institutional revolution of the twentieth century did not happen with the same speed as the artistic evolution and often did not even take place at all. Instead, the systems—such as the principle of the master class at art academies—were preserved, people not programs continued to be taught and handed down, while the discourse of legitimizing works of art and artists and educators usually conceals such derivations behind either immanent or political descriptions. Consequently, the personal and interpersonal, to some degree familial, Oedipal, and milieu-specific background of artistic developments, careers, and life


5 gewissermaßen familiäre, ödipale, milieuspezifische Hintergrund künstlerischer Entwicklungen, Karrieren und Lebenswege in andere Kanäle umgeleitet: er zeigt sich in Hommagen, Referenzen und Reverenzen, Zitaten und Bezugnahmen. Eine zweite, mit der ersten in Verbindung stehende Gemengelage ist die Tradition des Vatermordes, seltener auch des Muttermordes. Hier wird die Verbindung nicht geleugnet und der avantgardistischen Pflicht zur Erneuerung nicht mit begründungsfähigen Entscheidungen, sondern über den Bruch mit einer Meister- und Vaterfigur genüge getan. Die negative Fixierung auf eine zentrale Figur der älteren Generation sorgt dialektischerweise für beides: Bruch und Kontinuität. Sie verpflichtet die Jungen zur Erneuerung, aber sie verbindet dies mit einer Bezugnahme auf eine/n Ältere/n und damit auf Traditionslinien und Kontinuitätslinien überhaupt. Durch den dramatischen Bruch werden diese weniger geschwächt als vielmehr betont und am Ende gestärkt. In letzter Zeit häuften sich die Klagen, dass die jungen Leute ihre Väter nicht mehr morden wollen. Man sah das als ein Indiz der Schwächung vitaler Erneuerungskräfte der Kunst. Die Diagnose findet die Kinder zu gehorsam, zu vernünftig: die jungen Künstlerinnen und Künstler halten sich angeblich zu sehr an Programme und Vorgaben, an Normen und Übereinkünfte, sie wollen es richtig machen, statt wild zu sein. Zwei Dinge dazu: zum einen ist natürlich die Idee der künstlerischen Wildheit und des ödipalen Ungehorsams selbst eine zutiefst fragwürdige; zum anderen ist es aber tatsächlich auffällig, dass die Kunstwelt und ihre Milieus voll sind von Kindern und Nachfahren berühmter Akteure. Man findet unter Künstlerinnen, Galeristen und Kuratorinnen dieser Tage eine Fülle von Leuten, die dasselbe machen oder im selben Milieu aktiv sind wie ihre Eltern. Das Gesetz, wonach wer im Kunstmilieu etwas auf sich hielt, sich früher immer unterscheiden wollte und musste von den eigenen Eltern, spielt keine Rolle mehr. Stattdessen sind die immensen ökonomischen und Statusvorteile, die im Milieu arrivierte Eltern mit sich bringen, von großem Vorteil für die Karrieren der Jungen. Selbst in Wien, das in dieser Hinsicht deutlich weniger feudalistisch organisiert ist, als etwa New York, hat eine Untersuchung der Akademie der bildenden Künste ergeben, dass von den erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerbern für einen Studienplatz im Kunststudium ungefähr ein Drittel Eltern oder andere nahe Verwandte hat, die im Milieu von Kunst und Architektur ihren Lebensunterhalt verdienen. „Laïos antwortet nicht“, habe ich vor ungefähr einem Jahrzehnt einmal einen Text genannt, der sich mit der Vergeblichkeit ödipaler Routinen in jenen Kunstgattungen befasste, die gerne mit dem Begriff der Provokation erklärt werden. Wir sind nun ein Jahrzehnt weiter. Ödipus hat das kapiert, er sendet jetzt auch gar nicht mehr. An seine Stelle ist ein Charakter getreten, der seine Eltern vermisst, statt sich von ihnen trennen zu wollen. Nicht, weil sie ihm abhanden gekommen

paths that is repressed and left unaddressed in this way is redirected to other channels: it is revealed in homages, references and respects, quotations and allusions. A second complex of ideas associated with the first is the tradition of patricide or, more rarely, of matricide. Here there is no denying the connection, and tribute is paid to the avant-garde obligation to innovate not with defensible decisions but rather by breaking with the figure of a master or father. This negative fixation on a central figure of the older generation ensures, dialectically, both things: break and continuity. It obliges young artists to innovate, but they associate that with an allusion to an older person and hence to lines of tradition and lines of continuity in general. The dramatic break does not so much weaken the latter as emphasize and ultimately reinforce them. Recently, the lament is heard more frequently that young people no longer wish to murder their fathers. This has been seen as an indication that the vital forces of artistic innovation are weakening. This diagnosis finds that children are too obedient, too rational: young artists allegedly stick too much to programs and guidelines, to norms and agreements; they want to do things right rather than be wild. Two things about that: first, the idea of artistic wildness and Oedipal disobedience is, of course, itself deeply dubious; second, it is, however, indeed striking that the art world and its milieus are full of the children and descendants of famous players in the field. Among artists, gallery owners, and curators these days, one finds an abundance of people who are doing the same thing or are active in the same milieu as their parents. The former law that self-respecting people in the art world should want to distinguish themselves from their parents no longer plays any role. Instead, parents who have made it in the milieu bring with them immense economic and status advantages, which benefits the careers of their children. Even in Vienna, which is clearly less feudalistic in its organization in this respect than, say, New York, a study of the Academy of Fine Arts has shown that roughly one third of the successful applicants for admission to study art have a parent or other close relative earning a living in the milieu of art and architecture. Around a decade ago, I titled a text “Laïos antwortet nicht” (Laius is not responding); it concerned the futility of Oedipal routines in those genres of art that are popularly explained with the concept of “provocation.” Now we are a decade further along. Oedipus has understood this; now he is no longer even transmitting. He has been replaced by a character who misses his parents rather than wanting to separate from them. Not because he has lost track of them or they have abandoned him, but because he no longer even has a parent interface for the manifold occasions on which his talents and aptitude have been communicated and embedded. What we have been experiencing for some time, is that artists are searching for role models they have not necessarily known personally or who have played the role of teachers or parental figures but often could instead have been of the generation of their grandparents, and younger


6 wären oder ihn verlassen hätten, sondern weil er für die vielfältigen Vermittlungen und Einbettungen von Begabungen und Fertigkeit, die ihm zugekommen waren, gar kein Elterninterface mehr hat. Was wir also seit einiger Zeit erleben, ist dass Künstlerinnen und Künstler sich Vorbilder suchen, die sie nicht mehr unbedingt persönlich gekannt haben oder die tatsächlich ihnen gegenüber als Lehrerinnen und Lehrer oder Elternfiguren aufgetreten sind, sondern die von der Generation her oft eher Großeltern hätten gewesen sein können und in deren Obhut als Traditionsbezug die nachfolgenden, jüngeren Künstlerinnen und Künstler sich freiwillig begeben. Sie suchen oder erfinden einen Adoptiv-Großvater oder eine Adoptiv-Großmutter, der oder die nicht nur das Paradox liefert, genau den Familienbezug, die Herkunft, mithin das klassisch Unverfügbare an einem Lebenslauf verfügbar zu machen, sondern darüber hinaus aus einer Epoche stammt, als das Künstlertum als solches weniger kompromittiert gewesen zu sein scheint, als es das heute ist – oder anders gesagt: heroischer. Den Versuch, die eigene Absicht der Erneuerung über die Anrufung einer unter anderen Bedingungen zustande gekommenen Radikalität abzusichern, lässt sich vielleicht aber auch verteidigen. Schließlich gibt es überhaupt kein auf Historie und geschichtliche Entwicklung bezogenes Handeln, auch in den Künsten, das nicht zur Richtung des Zeitpfeils und Fluchtpunkten auf ihrer Achse Bezug nimmt. Die überlieferten simplen Positionsbestimmungen als entweder der Vergangenheit verpflichtet oder auf die Zukunft ausgerichtet, sind zu Recht als naiv erkannt worden – und vor allem als politisch zweifelhaft: solange man nicht sagt, auf welche gesellschaftliche Zukunft und welche Traditionslinie man sich bezieht, sind sie auch nahezu leer. Aus dieser Niederlage von Futurismus und Traditionalismus auf ein Aussteigen aus geschichtsphilosophischen Fragen zu schließen, ist aber auch nicht legitim. Schließlich stammen unsere Gegenargumente gegen falsche Geschichtsphilosophie aus einer virtuell besseren. Der Trick mit der scheinbar passivistischen Unterwerfung unter einen Zweig des Vergangenen, den ich mir aber selbst ausgedacht oder zumindest aufbereitet habe und der den für jede Entscheidung notwendigen Anteil des Unverfügbaren in gewisser Weise unter meine Kontrolle stellt, stellt eine Erweiterung künstlerischer Handlungsmöglichkeiten dar. Diese neuen Handlungsmöglichkeiten vermischen sich mit genau den Praktiken, die normalerweise oder traditionellerweise von Kuratorinnen und Kuratoren übernommen wurden: zu entscheiden, wer von den Früheren heute wieder entdeckt werden müsste. Zugleich kann man diese Erweiterung im Hinblick auf ein Verfügen über Unverfügbares, ein Erfinden dessen, was einem normalerweise zugeteilt wird und das notwendig als schicksalhaft gedacht werden muss, um überhaupt eine Auflehnung dagegen als heroisches oder radikales Programm denkbar zu machen, als Erweiterung der doch längst als fragwürdig erkannten Selbsterfindungsimperative der so genannten Postmo-

artists of the following generation voluntarily place themselves in their guardianship as a way of connecting to tradition. They seek or invent an adoptive grandparent who not only offers the paradox of providing precisely their familial connection, their origins, and thus making the classically unavailable available on a résumé, but who also comes from an era when being an artist as such seemed less compromised than it is today—or, to put it another way, more heroic. The attempt to ensure one’s own intention of innovation by appealing to radicalness that emerged under other conditions can, however, perhaps be defended as well. After all, even in the arts there is no action related to history and historical evolution that does not reference the direction of time’s arrow and the vanishing points on its axis. The traditional simple forms of positioning oneself as either indebted to the past or oriented toward the future have rightly been recognized as naive—and above all—as politically dubious: as long as remains unstated which future for society and which line of tradition are being referred to, they are also almost empty. Inferring from this defeat of futurism and traditionalism that we can opt out of questions of the philosophy of history is, however, not legitimate either. After all, our counterarguments against false philosophy of history derive from a virtual better one. The trick with the ostensibly passivist subjugation to a branch of the past that I have thought up or at least prepared myself, and that in a sense places under my control the share in the available that is necessary for any decision, represents a broadening of the possibilities of artistic action. These new possibilities mix with precisely the practices normally or traditionally performed by curators: deciding who among earlier artists has to be rediscovered today. At the same time, this extension can be seen in terms of an availability of the unavailable, an invention of that which is normally allotted to someone and must necessarily be thought of as fate in order to make an opposition to it seem at all conceivable as a heroic or radical program, that is to say, as an extension of so-called Postmodernism’s imperative to “find oneself” that has long since been recognized as dubious: an individualist, narcissistic program for the children of the petite bourgeoisie of the West now expanded to cover history and prehistory. The idea of making the unavailable available has a colonial, conquering quality that could only be overcome if, first, this cannot succeed or, second, the reason for adopting one’s grandparents is not only biographically necessary but also results historically or politically from the current situation. Perhaps that is why there is another alternative to the adopted grandmother or the grandfather drawn from radical corners of art history: making one one’s actual origins the theme. This is relevant above all where artistic positions result not from the Oedipal logic of Western, market-oriented series of generations with parricides and successions but rather from minority and marginalized histories that view from outside the fortresses and palaces of an art world in which the Wars of the Diadochi are raging. Here too, of course, there is in the meanwhile a well-known mechanism that tends to


7 derne erkennen: ein nun noch um die Geschichte und Vorgeschichte erweitertes individualistisch-narzisstisches Programm für Kinder des westlichen Kleinbürgertums. Die Idee, das Unverfügbare verfügbar zu machen, hat ja einen kolonial-erobernden Zug, der nur dadurch zu brechen wäre, dass dies erstens nicht gelingen kann oder zweitens der Grund für die Adoption von Großeltern sich nicht nur biographienotwendig, sondern eben auch historisch uns politisch aus der aktuellen Lage ergibt. Vielleicht ist es deswegen ja so, dass es zu der adoptierten Großmutter, dem aus obskuren, aber radikalen Winkeln der Kunstgeschichte hervorgezogenen Großvater noch eine andere Alternative gibt: die Thematisierung der tatsächlichen eigenen Herkunft. Dies gilt vor allem dort, wo künstlerische Positionen sich eben nicht aus der ödipalen Logik westlicher und marktorientierter Generationenfolgen mit Elternmorden und Ablösungen ergeben, sondern aus minoritären und marginalisierten Geschichten, die von außen auf die Burgen und Paläste einer Kunstwelt schauen, in deren Inneren die Diadochenkämpfe toben. Natürlich gibt es auch hier einen mittlerweile gut bekannten Mechanismus, der tendenziell zu einer Konvergenz der beiden Strategien führt: ob meine Geschichte nun von einer externen Position beginnt oder von einer internen: in jedem Falle besorge ich mir einen radikalen Großvater, eine unerschrockene Großmutter, ob nun nur auf dem Wege ideeller Verwandtschaft oder über eine zwar biologische Verwandtschaft, die im Ergebnis aber auch vor allem ideell wirksam wird. Eine letzte Alternative zu diesen Strategien finden wir in der schon lange in den Musik- und Literaturmilieus, in letzter Zeit aber auch in der Bildenden Kunst häufiger diskutierten Position des Afrofuturismus: hier wird der (künstlerische) Ausgangspunkt afrikanischer und afrodiasporischer Künstlerinnen und Künstler nicht von einem gemeinsamen Ursprung vor der Verstreuung aus gedacht, sondern in Vorläuferschaft zu einem zukünftigen historischen Zusammenhang. Anders als der traditionelle Futurismus knüpft dieser nicht an einer konkreten technologischen, politischen oder geschichtsphilosophischen Narration an, sondern ergibt sich nur aus einer Umkehrung der Diasporaerzählung: aus der Verstreutheit, die im Verhältnis zu einem gemeinsamen mythischen Ursprung chaotisch erscheint und in der die Einzelnen verloren sind, wird eine Verstreutheit im Verhältnis zu einer phantastischen Zukunft, die die Verbindung der Einzelnen ganz anders organisieren wird – und deren Elemente womöglich schon in der Gegenwart zu finden sind. Das sind dann keine familiären Genealogien mehr, noch deren Umkehrung oder Erweiterung, sondern liefe auch auf einen Abschied davon hinaus, aktuelle künstlerische Position immer nur als Konkretion aus ermittelten, erfunden oder authentischen Vorläuferschaften zu lesen, sondern sie stattdessen als authentische Vorläuferschaften ganz anderer, etwa kollektiver Organisationsformen zu verstehen.

lead to a convergence of these two strategies: no matter whether my history begins from an external or an internal position, I will get myself a radical grandfather, an intrepid grandmother, either by way of a relationship of ideas or an actual biological one that in the end is primarily effective as an idea. One final alternative to these strategies has long existed in musical and literary worlds, the Afro-Futurist position. Recently it has been discussed more frequently in the fine arts as well: here the (artistic) point of departure of African and African-diasporic artists is conceived not from a shared origin before the scattering but rather as a precursor to a future historical context. Unlike traditional Futurism, it does not take up a specific narrative from technology, politics, or the philosophy of history but rather results only from turning the story of the diaspora upside down: the scattering that seems chaotic in relation to a mythical shared origin and in which individuals are lost becomes a scattering in relation to an imaginary future that will organize very differently how individuals are joined—and whose elements can perhaps already be found in the present. Then they are no longer family genealogies, nor their inversion or extension, but would also come down to ceasing to understand one’s current artist position as always a concretion of discovered, invented, or authentic precursors but rather as authentic precursors of quite different forms of organization, such as collective ones.

Diedrich Diederichsen (*1957 in Hamburg) ist Kulturwissenschaftler, Kritiker, Journalist, Kurator, Autor, Essayist und Hochschullehrer. Diedrich Diederichsen (*1957 in Hamburg) is a cultural scientist, critic, journalist, curator, author, essayist and university professor.


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ktuelle Perspektiven auf Staatsführung und Politik scheinen anfällig für eine Rhetorik enthemmter Subjektivität mit der Konsequenz eines Egozentrismus, der sich als politischer Wille ausgibt und eine Freiheit verspricht, die unerreichbar bleiben wird. Angesichts dessen blickt Nemocentric bei der Annäherung an das Thema Subjektivität durch eine Doppellinse, die sich einerseits auf die Neurowissenschaft und andererseits die Politik beruft. Zum einen wird Subjektivität auf einer auf den Organismus bezogenen Ebene erkundet, indem sie als Verfahren, Modell und Apparat, vermittelt durch Neuronen und Berechnungsmechanismen, identifiziert wird. Zum anderen wird sie als das Material sozialer und geschichtlicher Narrative gesehen, die populäre Konstrukte dafür geschaffen haben, was es bedeutet Mensch zu sein. Der Blick durch die Doppellinse legt die Notwendigkeit nahe, Subjektivität anders aufzufassen als eine bedeutsame Herangehensweise, deren Einfluss auf Bilder, Sounds und Objekte der Kunst das Politische zu beeinflussen vermag. Möglicherweise wird uns Subjektivität nicht als ein mehr oder weniger hilfreiches Mittel zur Bewältigung von geschichtlichen Ungerechtigkeiten und zukünftigen Herausforderungen dienen, sondern eher eine präzisere Darstellung davon, wie Subjektivität erzeugt wird und wie wir das zu unserem Vorteil nutzen können. Die Ausstellung ist von den Schriften des Philosophen Thomas Metzinger inspiriert, der die allgemeine Auffassung vertritt, dass es rein wissenschaftlich gesehen kein Selbst gibt. Laut Metzinger erlangen wir Bewusstsein „immer, wenn unser Gehirn erfolgreich seine geniale Strategie der Erschaffung eines einheitlichen

und dynamischen inneren Porträts der Wirklichkeit verfolgt [...]. Zuerst erzeugt unser Gehirn eine Simulation der Welt, die so perfekt ist, dass wir sie nicht als ein Bild in unserem eigenen Geist erkennen können. Dann generiert es ein inneres Bild von uns selbst als einer Ganzheit. Dieses Bild umfasst nicht nur unseren Körper und unsere mentalen Zustände, sondern auch unsere Beziehung zur Vergangenheit und zur Zukunft sowie zu anderen bewussten Wesen.“1 Es handelt sich hierbei um die Selbstmodelltheorie von Subjektivität; es gibt kein Selbst wie wir es aus der Populärkultur kennen, es gibt ein Modell, eine Infrastruktur, die ein einheitliches Bild des Selbst für uns produziert. Das erklärt wieso manche Menschen, denen ein Bein oder ein Arm fehlt, immer noch so agieren oder fühlen als ob sie diese besäßen. Dieses Empfinden eines Phantom-Gliedmaßes lässt sich durch eine Verzögerung in der Erstellung des inneren Bilds des Selbst erklären. Das ist auch die Thematik, mit der sich die hier von Turner-Preisträger und Künstler Martin Boyce und Jungkünstler Miguel Ángel Rego präsentierten Werke auseinandersetzen. Die beiden Schwarzweiß-Fotografien von Boyce, Phantom Limb (Sister) und Concrete Autumn (Phantom Tree), stammen aus einer größer angelegten Serie aus Fotografien und Skulpturen, die zwischen 2002 und 2009 entstanden. Die für diese Serie konstruierten und fotografierten Objekte wurden alle aus Vintage-Beinstützen aus Sperrholz gefertigt, die vom amerikanischen Modernisten Charles Eames für Veteranen des Zweiten Weltkriegs entworfen wurden. Regos Kurzvideo Post-Contingent Coherence (2016) zeigt einen Pianisten, der an Anosognosie leidet,


curated by_Bassam El Baroni einer Erkrankung, bei der sich Menschen mit einer Behinderung der Existenz ihrer Behinderung nicht bewusst zu sein scheinen. In diesem Kontext ist auch das Projekt Addendum for the Myth of the Self (2016) des in Wien lebenden Künstlers Moussa Kone zu lesen. Kone fertigte eine Serie von Tuschezeichnungen auf der Grundlage von Metzingers Der Ego-Tunnel an. Die Zeichnungen wurden anschließend in Form von druckfertigen Beilagen zum Buch des Philosophen angeordnet, wobei sie jedoch in Form von zwei großen Abzügen ausgestellt sind. In einem anderen Register präsentiert die in Kairo lebende Künstlerin Doa Aly ihre Videoarbeit House of Rumor (2016). Darin ähneln sich bewegende Subjekte synchronisierten akustischen Instrumenten. Sie artikulieren neueste und etwas ältere theoretische Texte und kreieren dabei einen unbarmherzigen, geradezu strafenden Strom an politischen Redeakten. Besuchern wird eine Chaiselongue von Le Corbusier auffallen, ein Signifikant, der den Unterschied zwischen der psychoanalytischen und der neurowissenschaftlichen Auffassung von Psychologie erklärt. David Panos’ Beitrag umfasst eine gänzlich neue Arbeit, bestehend aus drei Videos und Skulpturelementen. Sein Projekt setzt die Mode, den Tanz und die Gesten von Subkulturen im späten 20. Jahrhunderts in Bezug zur Gegenwart. Was ist in diesen kulturellen Fragmenten, enthalten wenn sie in einem sich radikal veränderten Zusammenhang wieder aufgegriffen und in einen neuen Kontext gestellt werden? Die Bewegung der Subjekte wirft die Frage nach der Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Jugendkultur auf. Kanalisiert oder widersteht der Körper Ideologie auf unbewusste Weise? Schließlich nimmt uns Amanda Beechs Video Sanity Assassin (2010) mit auf eine klaustrophobische Reise durch LA – zwischen Architektur und Natur, Subjektivität und Ethik, Theorie und Praxis entsteht ein pulsierender Thriller. Ausgehend vom Erbe europäischer Vordenker, die in LA im Exil gelebt haben, wie Brecht, Mann und Adorno beobachtet der Film, wie der Individualismus-Wahn, der seinen Ausdruck in der Mythologie der Kritik findet, in seinem scheinbaren Gegenteil zu verorten ist, in Erwartung der Kapitulation vor einer ‚realen‘ Naturgewalt. Nemozentrismus – wie von Metzinger beschrieben – ist die Idee einer Subjektivität, die auf keinem einzelnen Subjekt basiert, da eine Vorstellung von Subjektivität, die den Beweis verwirft, dass es eigentlich gar kein Selbst gibt, anfällig ist für fehlgeleitete Auffassungen von Handlungsmacht, die auf Egoismus und Individualismus basieren. Nemocentric wirft einen verstohlenen Blick auf diesen Gedanken, indem die Arbeiten von Kunstschaffenden gezeigt werden, die entweder direkt oder indirekt diese Ansicht vermitteln.

Metzinger, Thomas. 2009. Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur 1

Bewusstseinsethik. Berlin Verlag, Berlin, S.21–22.

11 urrent outlooks on governance and politics seem susceptible to a freewheeling rhetoric of subjectivity. The consequence is egocentrism masquerading as political will and driving us towards a freedom that never arrives. In light of this, Nemocentric looks at subjectivity with a dual lens: one based on neuroscience, the other on politics. On the one hand, subjectivity is explored at the level of the organism, identifying it as a process, a model, and an apparatus that is informed by neurons and computational mechanisms. On the other hand, subjectivity is viewed as the material of social and historical narratives that have come to form popular constructs of what it means to be human. By using this dual-lens view, the exhibition proposes the need to think of subjectivity other than as an important approach that may have an impact on the political realm through its impact on the artistic realm of images, sounds, and objects. Perhaps, it is not more or less subjectivity that will help us overcome historical injustices and future challenges, but rather a more accurate depiction of how subjectivity is produced and how we may exploit that to our advantage. The exhibition is inspired by the writings of philosopher Thomas Metzinger whose most general position is that, scientifically speaking, there is no such thing as a self. According to Metzinger we become conscious whenever our brains “successfully pursue the ingenious strategy of creating a unified and dynamic inner portrait of reality […] our brains generate a world-simulation, so perfect that we do not recognize it as an image in our minds. Then, they generate an inner image of ourselves as a whole. This image includes not only our body and our psychological states but also our relationship to the past and the future, as well as to other conscious beings.”1 This is the Self-Model Theory of Subjectivity; there is no self as we understand it in popular culture, but there is a model, an infrastructure that produces the unified image of the self for us. This explains why some people who are missing a leg or an arm, may still feel and act as if they possess one. This ‘phantom limb’ sensation occurs because of a glitch in the production of the inner image of the self. This is the subject of the works presented here by Turner Prize winning artist Martin Boyce and emerging artist Miguel Ángel Rego. Boyce’s two black-and-white photographs Phantom Limb (Sister) and Concrete Autumn (Phantom Tree) are taken from a larger series of photographs and sculptures he produced between 2002 and 2009. The objects constructed and photographed for this series were all made using vintage plywood leg supports designed for World War II veterans by American modernist Charles Eames. Rego’s short video Post-Contingent Coherence (2016) depicts a pianist suffering from anosognosia, a condition in which a person who suffers from a disability seems unaware of the existence of his or her disability. Also related is Vienna-based artist Moussa Kone’s project Addendum for the Myth of the Self (2016). Kone made a series of ink drawings based on Metzinger’s book The Ego Tunnel. The drawings were then arranged in the form of print-ready supplements to the philosopher’s book but were exhibited as two large prints instead.


Charim Galerie In a different register, Cairo based artist Doa Aly presents her video House of Rumor (2016). In it, subjects in motion are akin to synchronized acoustic instruments. They enunciate recent and older theoretical texts forming a relentless, almost punishing stream of political speech acts. Visitors will notice a Le Corbusier chaise lounge, a signifier accounting for the difference between the psychoanalytic and the neuroscientific approach to psychology. David Panos’s contribution is an entire new body of work consisting of three videos and sculptural elements. His project sets the fashion, dance, and gestures of late 20th century subcultures in relation to the present moment. What is contained in these cultural fragments as they are revisited and recontextualised in a radically changed context? The subjects’ movement raises the question of agency in relation to youth culture. Does the body unconsciously channel or resist ideology? Finally, Amanda Beech’s video Sanity Assassin (2010) takes us on a claustrophobic journey through LA crossing between architecture and nature, subjectivity and ethics, theory and practice to form a pulsating thriller. Based on the legacies of European thinkers exiled in LA such as Brecht, Mann, and Adorno, it looks at how the cult of individualism articulated through the mythology of critique sits squarely within its apparent opposite, the anticipation of a surrender to the force of a ‘real nature’. Nemocentrism, as described by Metzinger, is the idea of a subjectivity centered on no one—because a concept of subjectivity that dismisses the evidence that selves do not actually exist is prone to misguided notions of agency based on egotism and individualism. Nemocentric is a peep into this idea, presenting artists’ works that either directly or indirectly convey its viewpoint. Metzinger, Thomas. 2009. The Ego Tunnel: The Science of the Mind and the Myth of the Self. New York: Basic 1

Books, p.7

Bassam El Baroni ist unabhängiger Kurator und Fakultätsmitglied am Dutch Art Institute in Arnhem, Niederlande. Er lebt in Alexandria, Ägypten. Bassam El Baroni is an independent curator and a core member of the faculty at the Dutch Art Institute in Arnhem, Netherlands. He is based in Alexandria, Egypt.

Doa Aly (*1976, lebt/lives in Kairo/Cairo) Amanda Beech (*1972, lebt/lives in Los Angeles) Martin Boyce (*1967, lebt/lives in Glasgow) Moussa Kone (*1978, lebt/lives in Wien/Vienna) David Panos (*1971, lebt/lives in London) Miguel Ángel Rego (*1985, lebt/lives in Spanien/Spain)


curated by_Bassam El Baroni

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Charim Galerie 1 — Martin Boyce Concrete Autumn (Phantom Tree), 2005 C-Print, gerahmt/C-print, framed 123 × 83 cm

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curated by_Bassam El Baroni 2 — Moussa Kone Addendum for the Myth of the Self, 2016 Tusche auf Papier (Detail)/ Ink on paper (detail) 31,2 × 25 cm 3 — David Panos Event Strike ’89, 2016 Videostill/Video still 4 — Doa Aly House of Rumor, 2016 Videostill/Video still 5 — Miguel Angel Rego Post-Contingent Coherence, 2016 Videostill/Video still

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S Galerie Crone Wien Jugendzimmer

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Dirk Schรถnberger


Galerie Crone Wien

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ine Hommage darf nicht nur Abbild sein. Sie muss die Referenz, auf die sie sich bezieht, stets zerteilen, zerstückeln und zerlegen. Sie muss ihre Bestandteile akribisch und liebevoll sezieren, um daraus etwas eigenes Neues zu schaffen. Jeder versucht sich zumindest einmal im Leben an dem Prinzip „Hommage“. Der Ort, an dem er es tut, ist das Jugendzimmer. Ein Raum, eine Höhle, ein Schauplatz der Werdung eines Menschen. Aus Einzelteilen, aus Fundstücken, aus Symbolen, aus Fotos von Idolen oder Freunden, herumliegenden Style-Items oder feinsäuberlich sortierten Lieblingsplatten schichtet sich ein neuer Charakter. Diese vielen kleinen, täglichen Hommagen an große Vorbilder, an scheinbar oder tatsächlich Bedeutendes füllen das Jugendzimmer und formen das eigene Ich. Genau diesen Ort – das Jugendzimmer – stellt Dirk Schönberger in den Mittelpunkt der von ihm kuratierten Ausstellung. Er zeigt unter anderem eine große, aus 17 Einzelteilen bestehende Wandarbeit der deutschen Künstlerin Rosemarie Trockel, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Begriffen „Hommage“ und „Jugendzimmer“ gesehen werden kann. Trockel hat die Wandkomposition eigens zusammengestellt, es finden sich darauf ausschließlich Fotos und Collagen von Freunden, Weggefährten und anderen Personen, die für die Künstlerin in irgendeiner Weise von Bedeutung sind. Da entdeckt man Jugendbildnisse ihrer Galeristinnen Monika Sprüth und Philomene Magers, der Künstlerin Isa Genzken und des Künstlers Marcel Odenbach, einer unbekannten Schönen und eines Mönchs. Wie Poster wirken sie, wie ein Rückgriff auf

die eigene Jugend und die Jugend der Abgebildeten, wie eine Referenz oder Würdigung dessen, was wichtig ist oder wichtig scheint. Man könnte das Sammelsurium, das jedes anständige Jugendzimmer füllt, als eklektische Annäherung an das eigene Ich bezeichnen. Eklektisch jedenfalls geht Schönberger im zweiten Raum der Ausstellung vor. Er setzt Arbeiten von Wolfgang Tillmans und Andy Warhol, von Elizabeth Peyton und Kai Althoff – allesamt mit unmittelbarem Bezug zu Versatzstücken der Jugendkultur – in einen direkten Kontext zu Versatzstücken eines gewöhnlichen Jugendzimmers, mixt sie mit Postern von Popstars und Sportidolen, platziert sie neben Kultlabels, Filmikons und Gamersymbolen. Irgendwo steht ein Skateboard, bemalt von Albert Oehlen. Als Kontrapunkt zeigt Schönberger im hintersten Raum der Galerie das Video La dolce Siria des syrischen Künstlers Ammar al-Beiks: Man sieht Jugendliche mit Waffen, mit Bomben, mit Granaten. Man sieht sie schießen, andere töten, sich ergeben. Man sieht sie bei Hubschrauberangriffen, beim Weglaufen, beim Zurückschlagen. Man sieht: Die Straßen von Aleppo. Das andere Jugendzimmer dieser Welt.

n homage should be more than a mere representation. It must always break up, cut up and segment the reference it relates to. It must dissect its components both meticulously and lovingly in order to create some-


curated by_Dirk Schönberger thing new of its own. At least once in a lifetime, everyone takes a shot at the principle of “homage” with the place of action being the teenage bedroom. A space, a lair, the scene of a person’s transition into adulthood. A new character emerges from the separate parts, from found objects, from symbols, from idols or friends, scattered style items or neatly arranged favorite records. The many daily homages to great role models—seemingly or actually significant—fill the teenage bedroom and coalesce to form the “I”. It is this space—the teenage bedroom—that Dirk Schönberger places at the center of the exhibition he has curated for Galerie Crone. Amongst other exhibits, the exhibition shows a large, 17-piece wall work of German artist Rosemarie Trockel, which can be directly related to the terms “homage” and “teenage bedroom”. Trockel has specifically put together the wall composition made up of pictures and collages of friends, companions and other persons important to the artist in some way or other. Viewers may discover pictures of gallery owners Monika Sprüth and Philomene Magers, the artists Isa Genzken and Marcel Odenbach, an unknown beauty and a monk that were taken in their youth. They look like posters, like a recourse to one’s own youth and the youth of the people displayed, like a reference or tribute to what is important or seems important. The smorgasbord that fills every decent teenage bedroom could be described as an eclectic approach to one’s own self. In the exhibition’s second room Schönberger proceeds eclectically by all means. He puts works by Wolfgang Tillmans and Andy Warhol, Elizabeth Peyton and Kai Althoff—all immediately related to set pieces of youth culture—into direct context with set pieces of a common teenage bedroom, combines them with posters of pop stars as well as sports heroes, places them next to cult labels, movie icons and gamer symbols. Somewhere viewers may spot a skateboard painted by Albert Oehlen. As a counterpoint, Schönberger displays the video La dolce Siria of Syrian artist Ammar al-Beiks in the gallery’s rearmost space: We see young people with guns, bombs, grenades. We see them shoot, kill other people, surrender themselves. We see them during helicopter attacks, when running away, when retaliating. We see: the streets of Aleppo. The other teenage bedroom of this world.

Dirk Schönberger (*1966 in Köln) ist Kreativdirektor bei adidas und hat eine Sammlung zeitgenössischer Kunst in Berlin. Dirk Schönberger (*1966 in Cologne) is Creative Director at adidas and has a collection of contemporary art in Berlin.

19 Ammar al-Beik (*1972, lebt/lives in Berlin) Kai Althoff (*1966, lebt/lives in Köln/Cologne) Cosima von Bonin (*1962, lebt/lives in Köln/Cologne) Gregor Hildebrandt (*1974, lebt/lives in Berlin) Mark Morrisroe (1959–1989, New Jersey) Albert Oehlen (*1954, lebt/lives in der Schweiz/ Switzerland) Elizabeth Peyton (*1965, lebt/lives in New York City) Collier Schorr (*1963, lebt/lives in New York City) Wolfgang Tillmans (*1968, lebt/lives in Berlin & London) Rosemarie Trockel (*1952, lebt/lives in Köln/Cologne) Andy Warhol (*1928–1987, New York)


Galerie Crone Wien

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curated by_Dirk Schönberger 1 — Carsten Fock Ohne Titel/Untitled, 2016 Lackstift, Ölstift auf Papier/Touch-up pen, oil crayon on paper 34 × 26 cm Courtesy der Künstler/the artist & Galerie Crone Wien 2 — Rosemarie Trockel Ohne Titel/Untitled, 2016 17 Fotografien und Collagen/ 17 photos and collages 160 × 710 cm

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Galerie Crone Wien 3 — Kai Althoff Reincarnation, 1990 Collage, Tusche auf Papier / Collage, ink on paper 53,5 × 50 cm 4 — Andy Warhol Moon Explorer, 1983 Acryl auf Leinwand/Acrylic on canvas 35,5 × 28 cm

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S Kerstin Engholm Galerie Resistance Performed Revised — Aesthetic Strategies under Repressive Regimes in Latin America

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Heike Munder


Kerstin Engholm Galerie

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ie Ausstellung Resistance Performed Revised —

he exhibition Resistance Performed Revised —

Aesthetic Strategies under Repressive Regimes in Latin America präsentiert künstlerische Strategien

Aesthetic Strategies under Repressive Regimes in Latin America presents artistic strategies of resistance

des Widerstandes. Im Zentrum stehen historische Positionen aus Argentinien, Brasilien und Chile, die seit Ende der 1960er Jahre die oftmals lebensbedrohliche Opposition in repressiven politischen Systemen Lateinamerikas bezeugen. Im wechselhaften politischen Klima, das von Militärdiktaturen, Korruption, Wirtschaftskrisen und dem systematischen Verschwindenlassen von Oppositionsgegnern geprägt war, machte sich in den 1970ern eine Künstlergeneration bemerkbar, die Stellung gegen die repressiven Regimes bezog. Die radikale Sprachermächtigung dieser Generation zeigte sich in Form von Performances, Interventionen und Aktionen, mit denen sie die Gewalt der Staaten sichtbar machten. Diese Machtdispositive der Staaten manifestierten sich überall, ob in Normierungen und Verboten im öffentlichen Raum oder sämtlichen Kommunikationssystemen und machte auch vor den Körpern der jeweiligen Bevölkerung nicht halt. Vergleichbare Widerstandsstrategien bezeugen auch Künstlerinnen und Künstler in Osteuropa zu Zeiten des „Eisernen Vorhangs“. Aus kunsthistorischer Perspektive vollzog diese lateinamerikanische Künstlergeneration einen radikalen ästhetischen Bruch mit der vorherrschenden akademischen und formalistischen Kunstproduktion des Modernismus in Lateinamerika. Die Ausstellung versteht sich dementsprechend als wichtige Erinnerung an diese Avantgardebewegung, die bis heute für jüngere Künstlergenerationen, die sich mit dem Erbe der Diktatur und einer Kultur des Vergessens auseinandersetzen, wegweisend ist.

at the heart of which lie historic positions from Argentina, Brazil and Chile that bear testimony to the often life-threatening opposition in repressive Latin American political systems since the late 1960s. In a volatile political climate, which was characterized by military dictatorships, corruption, economic crises and the systematic forced disappearance of political opponents, a generation of artists that took a stance against the repressive regimes came to the fore in the 1970s. This generation’s radical language empowerment expressed itself in performances, interventions and actions, visualizing the violence of the respective countries. The power dispositives of the state were manifest everywhere: in norms and prohibitive rules in public space, or across entire communication systems, not even stopping at the bodies of their own population. Artists in Eastern Europe bear witness to comparable resistance strategies during the “Iron Curtain” era. From an art historical perspective, the Latin American generation of artists underwent a radical aesthetic breach with the prevalent academic and formalistic art production within Latin American modernism. The exhibition therefore sees itself as an important reminder of this avant-garde movement which, to this date, is path-breaking for younger generations of artists that discuss dictatorship legacies and cultures of oblivion.


curated by_Heike Munder

27 3Nós3 (gegründet in den 1970ern/founded in the 1970s in Brasilien/Brazil, inaktiv/inactive) Elías Adasme (*1955, lebt/lives in Puerto Rico) Sonia Andrade (*1935, lebt/lives in Rio de Janeiro) Paulo Bruscky (*1949, lebt/lives in Recife, Brasilien/Brazil) Anna Bella Geiger (*1933, lebt/lives in Rio de Janeiro) Graciela Gutiérrez Marx (*1945, lebt/lives in Buenos Aires) Marta Minujín (*1943, lebt/lives in Buenos Aires) Letícia Parente (1930-1991, Rio de Janreiro) Luis Pazos (*1940, lebt/lives in La Plata, Argentinien/ Argentina) Yeguas del Apocalipsis (gegründet in den 1980ern/ founded in the 1980s in Chile, inaktiv/inactive)

Heike Munder (*1969 in Stuttgart) ist seit 2001 Leiterin des Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich. Heike Munder (*1969 in Stuttgart) has been Director of the Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich since 2001.


Kerstin Engholm Galerie

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curated by_Heike Munder 1 — Marta Minujín El partenón de libros (The Parthenon of Books/Homage to Democracy), 1983 Inkjet Print auf Papier (Detail)/Inkjet print on paper (detail) 50 × 60 cm Courtesy die Künstlerin/the artist & Henrique Faria, New York & Buenos Aires 2 — 3Nós3 Intervention VI, aus der Serie Intervenção VI from the Intervenção VI series, 1980 Inkjet Print auf Papier/Inkjet print on paper 5-teilig: 3 Teile je 41 × 33 cm, 2 Teile je 33 × 41 cm/5 parts: 3 parts each 41 × 33 cm, 2 parts each 33 × 41 cm Courtesy die Künstler/the artists & Galeria Jaqueline Martins, São Paolo 3 — Elías Adasme La Auracana 81, 1981–2013 Inkjet Print auf Papier/Inkjet print on paper 4-teilig je 174 × 112 cm/4 parts: each 174 × 112 cm Courtesy: der Künstler/the artist & Document-Art Gallery, Buenos Aires

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Kerstin Engholm Galerie 4 — Anna Bella Geiger Bureaucracy, 1982 Ein-Kanal-Video auf Bildschirm (Farbe, Audio)/Single-channel video on monitor (color, sound) 0:30 min. Courtesy die Künstlerin/ the artist & Henrique Faria, New York & Buenos Aires 5 — Leticia Parente Preparação, 1975 Ein-Kanal-Video auf Bildschirm (Portapak, SW, Audio/Singlechannel video on screen (Portapak, b/w, sound) 3:30 min. Courtesy die Künstler/the artists & Galeria Jaqueline Martins, São Paolo

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6 — Graciela Gutiérrez Marx El Tendedero — Poema Colectivo Colgante, 1984/2013 Inkjet Print auf Papier/Inkjet print on paper 3-teilig je 37 × 55 cm/ 3 parts: each 37 × 55 cm Courtesy die Künstlerin/the artist & Document-Art Gallery, Buenos Aires 7 — Paulo Bruscky O que é arte? Para que serve?, 1978 Inkjet Print auf Papier/Inkjet print on paper 4-teilig: 2 je 50 × 70 cm, 2 je 70 × 50 cm/4 parts: 2 each 50 × 70 cm, 2 each 70 × 50 cm Courtesy der Künstler/the artist & Galeria Nora Roesler, São Paolo 8 — 3Nós3 Interdiction (From the Interdição series), 1979 Inkjet Print auf Papier/Inkjet print on paper 4-teilig je 41 × 33 cm/ 4 parts each 41 × 33 cm Courtesy die Künstler/the artists & Galeria Jaqueline Martins, São Paolo

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Galerie Ernst Hilger Chaotica. An Approach to Chaos from the Perspective of Cuban Fine Arts

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Luis Pedro Miret Perez


Galerie Ernst Hilger

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as Wort Chaos ist griechischen Ursprungs und bezeichnet das Unvorhersehbare, was im Allgemeinen als Zufall begriffen wird. Ein chaotisches System ist eines ohne Gesetze, das gleichzeitig Erklärungen für die meisten natürlichen oder unnatürlichen Geschehnisse um uns herum liefert, vom Beginn des Universums über die Ausbreitung des Feuers bis hin zur Evolution unserer Gesellschaft.Wir können unsere Welt nicht verstehen, wenn wir ihre chaotischen Anteile vernachlässigen. Es bleibt uns keine andere Wahl als uns dem Chaos zu übergeben. Der Gesellschaft kommt lediglich die Aufgabe zuteil, das Chaos so weit wie möglich einzudämmen. Deswegen gibt es Gesetze, Verfahren, Regulierungen, den gesunden Menschenverstand, Traditionen usw. Die bildenden Künste in Kuba bringen dieses Thema ähnlich zum Ausdruck wie die internationale Kunstszene, allerdings mit einer gewissen lokalen Färbung, zusammengesetzt aus kubanischer Fantasie oder Realität, Idiosynkrasie und Traditionen, die aus dem Zusammenleben der unterschiedlichen Ethnien im Land entstanden sind. Mit dieser Ausstellung nähern wir uns einem Thema an, an das wir uns leider gewöhnt haben, da wir jeden Tag über Explosionen, Erdbeben und terroristische Angriffe an verschiedenen Orten der Welt lesen. Die Auswahl der Arbeiten für diese Ausstellung eröffnet unterschiedliche Wege zur Darstellung von Chaos – sei es Chaos, das sich aus ökonomischem, politischem oder sozialem menschlichen Verhalten ergibt oder Chaos, das Teil unserer Existenz ist. In der Serie mit dem Titel Degradation leitet Diana Fonseca unsere Aufmerksamkeit auf die

Tatsache, dass auf vielen Gebäuden und Häusern in Havanna die Farbe abblättert und führt uns so eine chaotische Wahrnehmung der Stadt vor Augen. Sie „recycelt“ diese Elemente zu neuer Schönheit auf der Leinwand. In der Fotoserie Under Construction macht Carlos Garaicoa Aufnahmen von nie fertiggestellten Gebäuden. Diesen Fotografien verleiht er eine „künstlerische Vollendung“ oder beschriftet sie in farbigen Lettern mit dem Satz „Todo aun por terminar “ [alles noch zu vervollständigen]. Ivan Capote setzt sich in seiner Arbeit mit der Darstellung beziehungsweise der Bedeutung von Worten auseinander. In Anagram (New World Order) schreibt er das Wort „wonder“ [Wunder] mit der gleichen Anzahl an Buchstaben aus, um auf das Ideal von „order “ [Ordnung] zu verweisen. Die Videoinstallation La ronda [Die Runde] von Adonis Flores zeigt auf, dass militärische Entscheidungen absurd sein und mehr Chaos als Ordnung provozieren können. Dies ist auch aus der Serie an Zeichnungen und Installationen von Tonel in Bezug auf die Funktionalität der Finanzwelt und ihrer Konsequenzen ersichtlich. In ihren Arbeiten verbiegt das Künstlerduo Los Carpinteros die Repräsentation von Objekten und ihrer Verwendung und schlägt in Folge eine neue Dimension des Objekts vor: ein zerbrochener Kronleuchter wird dabei zu einer künstlerischen Lampe, was uns daran erinnert, dass Chaos auch etwas Gutes für uns alle bedeuten kann.


curated by_Luis Pedro Miret Perez haos is a word derived from the Greek language and it refers to the unpredictable, what we all know as chance. A chaotic system is a system without laws that at the same time offers explanations for the majority of natural or unnatural things around us, from the origin of the universe to the propagation of fire or the evolution of society. Our world can’t be understood without its chaotic content. We are left to surrender to chaos and that is why the role of society can only be to limit the reach of chaos as far as possible. This is why there are laws, procedures, regulations, common sense, traditions, etc. The expression of this theme within the Cuban Fine Arts is similar to that of the international scene. However, you need to add a local hue related to the Cuban imagination or reality, idiosyncrasy and traditions that have arisen from the mix of ethnicities coexisting in the country. With this show, we approach a theme that we have sadly become accustomed to: reading about explosions, earthquakes and terrorist attacks in different parts of the world every day. The selection of works in this show reveals different ways of representing chaos—be it the type that arises from economic, political or social human behavior, or the chaos that is part of our existence. In the series of works by Diana Fonseca entitled Degradation, the artist wants to focus our attention on the fact that many buildings and houses in Havana are covered in residual paint and bring to our eyes a chaotic sense of the city. She “recycles” those elements in a new beauty on the canvas. In his series Under construction, Carlos Garaicoa takes photographs of buildings that were never finished. To these photos he adds an “artistic finishing” or writes the sentence “Todo aun por terminar ” (Everything still to be finished) on them using colored letters. In his work, Ivan Capote deals with the representation or meaning of words. In Anagram (New world order) he writes the word “wonder” with the same amount of letters to point out the ideal of “order”. The video installation La ronda (The round) by Adonis Flores points out how military decisions may be absurd and provoke more chaos instead of more order. That is the same thing we see in the series of drawings and installations by Tonel regarding the functionality of the world of finances and its consequences. With their works, the duo Los Carpinteros, chooses to twist the representation of objects and their use, proposing a new dimension of the object: A broken candelabra becomes an artistic lamp, reminding us of how chaos can also be a good thing for all of us.

Luis Pedro Miret Perez (*1958 in New York, USA) lebt und arbeitet in Kuba als Kurator der Galerien La Casona und Havanna. Luis Pedro Miret Perez (*1958 in New York, USA) lives in Cuba as a curator at the art galleries La Casona and Havana.

35 Enrique Báster (*1973, lebt/lives in Havanna/Havana) Ivan Capote (*1973, lebt/lives in Havanna/Havana) Los Carpinteros (Dagoberto Rodriguez *1967 & Marco Castillo *1971, gegründet/formed in 1992, leben/live in Havanna/Havana & Madrid) Ariamna Contino (*1984, lebt/lives in Havanna/Havana) Felipe Dulzaides (*1965, lebt/lives in Havanna/Havana) Adonis Flores (*1971, lebt/lives in Havanna/Havana) Diana Fonseca (*1978, lebt/lives in Havanna/Havana) Carlos Garaicoa (*1967, lebt/lives in Havanna/Havana & Madrid) Alex Hernandez (*1982, lebt/lives in Havanna/Havana) Glenda Leon (*1976 lebt/lives in Havanna/Havana & Madrid) Ángel Marcos (*1955, lebt/lives in Madrid) Tonel (*1958, lebt/lives in Vancouver)


Galerie Ernst Hilger 1 — Los Carpinteros Lámpara incrustada en el techo (Lamp incrusted in the ceiling), 2016 Bronze, Glas, Kabel, Halogenlampe/ Bronze, glass, electric cable, halogen bulbs 40 × 260 × 150 cm


curated by_Luis Pedro Miret Perez

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Galerie Ernst Hilger 2  —  Carlos Garaicoa Ohne Titel (aus der Serie Under construction)/Untitled (from the series Under construction), 2012 Farbfotografie auf Plexiglas und Aluminium, Klebestreifen/Color photograph mounted on plexiglass and aluminum laminated, adhesive tape 67 × 100 cm 3  —  Ángel Marcos Hasta Siempre, 2016 Holz, Eisen, Karton, Inkjet Print, Kabel, Glühbirnen/Wood, iron, cardboard, ink-jet print, electric cable, bulbs Maße variabel/Dimensions variable

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curated by_Luis Pedro Miret Perez 4 — Iván Capote Anagram (New world order), 2015 Aluminiumguss/Aluminum cast Maße variabel/Dimensions variable

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S Galerie Martin Janda The Winter of our Discontent

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Jacopo Crivelli Visconti


Galerie Martin Janda

The Winter of our Discontent [Der Winter unserer Un-

zufriedenheit] versteht sich als eine idiosynkratische und provokative Ausstellung. Einerseits in Reaktion auf das von Diedrich Diederichsen für curated by_vienna 2016 erdachte allgemeine Konzept, das den Fokus auf die Beziehung zwischen zeitgenössischen Kunstschaffenden und der ödipalen Figur des Vaters (hierin als Inspirationsmodell gemeint) sowie auch darauf legt, wie diese Beziehung häufig „in Hommagen, Referenzen und Reverenzen, Zitaten und Bezugnahmen“ offenbart wird. Anderseits berücksichtigt die Ausstellung die Tatsache, dass wir in dramatischen Zeiten leben: täglich werden wir aufs Neue Zeugen der Flucht von Tausenden, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, um Leid und Tod zu begegnen; wir sehen zu, wie die Natur einem verwundeten Biest gleich zurückschlägt, als Antwort darauf, wie wir sie behandeln; wir sind über die Aufdeckung eines weiteren Korruptionsfalls und des Missbrauchs von öffentlichen Geldern schockiert und fühlen uns gedemütigt … Folglich drehen sich die in der Ausstellung gezeigten Werke um die Figur des „negativen Verweises“, indem sie das, was die Kunstschaffenden (hier oft metonymisch mit „das Volk“ gleichgesetzt) verabscheuen, verachten und ablehnen, in den Mittelpunkt der Diskussion stellen. Ob sie sich nun mit ökologischen Desastern, historischen Ereignissen oder Schlagzeilen befassen, den ausgewählten Künstlerinnen und Künstlern mit unterschiedlichem sozialen und politischen Hintergrund ist eine tiefe, kompromisslose Unzufriedenheit gemein. Die ambivalente Herangehensweise von Diederichsens Konzept

im Auge behaltend, ist die wahre Auffassung von „Unzufriedenheit“ hierin in ihrer Doppeldeutigkeit zu verstehen – laut Definition des Merriam-Webster Dictionary – sowohl als „sense of grievance“ [gefühlter Missstand] als auch „restless aspiration for improvement “ [rastloses Streben nach Verbesserung]. Anders gesagt, sind jene, die das dunkle, kalte und traurige Land des Missstands durchwandern, auch diejenigen, die sich nie zufrieden geben, die nie aufgeben, die immer für eine bessere, gesündere und gerechtere Welt kämpfen werden.

The Winter of our Discontent aims at being an idiosyn-

cratic and provocative exhibition. On the one hand, it responds to the general concept drafted by Diedrich Diederichsen for the 2016 edition of curated by_vienna, which focuses on the relation between contemporary artists and the Oedipal figure of the father (intended here as the inspiring model), and how this relation is often “revealed in homages, references and reverences, quotations and allusions”. On the other hand, the exhibition takes into account the fact that we live in dramatic times; we witness the flight of thousands who are forced to leave their homes to meet suffering and death on a daily basis; we watch nature strike back, like a wounded beast, at the way we treat the earth; we are shocked and humiliated by the disclosure of yet another scheme of corruption and abuse of public money …


curated by_Jacopo Crivelli Visconti Thus, the works included in the exhibition seek to track down the figure of the “negative reference”, by bringing to the core of the discussion what or whom the artists (here, quite often, metonymically identified as “the people”) loath, despise and reject. Whether they address ecological disasters, historical events or breaking news, the selected artists, who come from different social and political backgrounds, share a deep-rooted, uncompromising discontent. Following up on the ambivalent approach to Diederichsen’s concept, the very notion of “discontent” is here used in its double meaning of both a “sense of grievance” and a “restless aspiration for improvement” (Merriam-Webster). In other words, those who traverse the dark, cold and sad land of grievance are also the ones who are never satisfied, those who will not resign, who will keep on fighting for a better, healthier and more just world.

43 Maria Thereza Alves (*1961, lebt/lives in Berlin) Alessandro Balteo-Yazbeck (*1972, lebt/lives in Berlin) Saskia Calderón (*1981, lebt/lives in Quito) Carmela Gross (*1946, lebt/lives in São Paulo) Runo Lagomarsino (*1977, lebt/lives in São Paulo & Malmö) Maria Loboda (*1979, lebt/lives in Berlin) Pedro Neves Marques (*1984, lebt/lives in Lissabon/Lisbon & New York) Ahlam Shibli (*1970 lebt/lives in Palestina/Palestine)

Jacopo Crivelli Visconti (*1973 in Neapel) ist freischaffender Kunstkritiker und Kurator mit Lebensmittelpunkt in São Paulo. Jacopo Crivelli Visconti (*1973 in Naples, Italy) is a freelance critic and curator, based in São Paulo.


Galerie Martin Janda

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curated by_Jacopo Crivelli Visconti

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1 — Maria Thereza Alves Dicionário Krenak–Português Português–Krenak, 2014 Buch in Holzrahmen mit Zahlenschloss/Book in wood frame with number-lock 37 × 33 × 8,5 cm Foto/Photo Nick Ash 2 — Alessandro Balteo-Yazbeck in Zusammenarbeit mit/in collaboration with Jan Balteo-Yabur Cool Sculpture (Flor Concreta) from the series Dad, I want to help you to make a little bit of money), 2014–2015 11 x 10,5 x 4 cm Foto/Photo def image 3 — Carmela Gross Die Statisten, 2016 Installation (Detail/detail) Courtesy die Künstlerin/the artist & Galeria Vermelho, São Paulo 4 — Maria Loboda A guide to insults and misanthropy, 2006 Installation (Detail/detail), Ludlow 38, New York Courtesy Maisterravalbuena & die Künstlerin/the artist

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Galerie Martin Janda 5 — Saskia Calderón Coros de la Selva/Chorus of the Jungle, 2015 Notenblatt (Detail)/Musical score (detail) Audio, 15 min, Loop Courtesy die Künstlerin/ the artist 6 — Pedro Neves Marques Linnaeus and the Terminator Seed, 2016 Videostill/Video still Courtesy der Künstler/the artist 7 — Ahlam Shibli Ohne Titel/Untitled (Arab al-Sbaih no. 35), Jordan, 2007 Silber Gelatine-Print/gelatine silver print 57,7 × 38 cm Courtesy die Künstlerin/ the artist Copyright Ahlam Shibli 8 — Runo Lagomarsino More delicate than the historians’ are the map-makers’ colors, 2012–2013 Video HD, 6:18 min Foto/Photo Carla Zaccagnini 9 — Ahlam Shibli Ohne Titel/Untitled (Arab al-Sbaih no. 29), Jordan, 2007 Silber Gelatin-Print/gelatine silver print 57,7 x 38 cm Courtesy die Künstlerin/ the artist Copyright Ahlam Shibli 5

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S Georg Kargl Fine Arts Winter Is Coming (Homage to the Future)

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Maria Arusoo


Georg Kargl Fine Arts

„Nach dem Sommer der griechischen Demütigung kam der Herbst der abgelehnten Zuwanderung, dann der Winter der europäischen Desintegration, auf den schließlich der Frühling des Donald Trump folgte.“ Franco Bifo Berardi

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ir leben in einer dystopischen Gegenwart, in der viele Dinge bereits so verfahren sind, dass es unmöglich geworden ist, den Blick von den gegenwärtigen Krisen und der zunehmenden Xenophobie abzuwenden. Das großartige und bestärkende Versprechen „der Zukunft“ löst sich auf und wir werden dazu gezwungen, unsere Glaubenssysteme immer wieder innerhalb verdichteter Zeitrahmen zu ändern. In unserer neoliberalen Gesellschaft – in der man auf Schritt und Tritt zu Individualismus und Selbstmanagement gezwungen und vom zeitgenössischen Beschleunigungstrieb überwältigt wird – erleben wir einen Generationsverlust an Wissen darüber, was es bedeutet, Teil einer Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen zu sein. In der Ausstellung Winter Is Coming (Homage to the Future) ist Verlust ein wiederkehrendes Sujet und bildet die Grundlage für einen Dialog über Themen wie etwa Zusammenbrüche von Systemen, nomadische Erfahrungen, Mythen, Zugehörigkeit und Sinn. Einige der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler suchen in ihrer Arbeit nach alternativen Subsystemen und Meta-Sprachen, in denen das Netz, die Biotechnologie oder antike Mythen als Medien eingesetzt werden anhand derer der Platz der Menschheit in der Welt erforscht wird. Die Arbeiten, die mit antiken Mythen und

aktuellen Krisen spielen, schaffen eine Psychogeographie an biofuturistischen und techno-animistischen Setzungen, die teils Situationen in der Ferne beobachten und teils den Versuch unternehmen, neue Arten des gegenseitigen Wiederverbindens zu erdenken – eine Suche nach einem sinnhaften Ökosystem. Die Ausstellung wird als rhizomatische Plattform präsentiert, deren Umfang zahlreiche territoriale Gegensätze abdeckt: das erweiterte Umfeld des Internets und des Offline-Bereichs; neue Technologien und die Bedenken antiker Menschen; Politikbewusstsein und Flucht; Dystopie und Utopie. Die Ausstellung ist als komplexes Gebilde zu verstehen. Sie vereint Werke mit dem Ziel, die Gedanken auszuweiten in Bezug auf die Grenzen des Miteinanders, auf die Verbundenheit und auf das Potential neu erdachte Gemeinschaften anzunehmen.

“After the Summer of the Greek humiliation, came the Autumn of rejected migration, then the Winter of European disintegration, before at last the Spring of Donald Trump.” Franco Bifo Berardi e are living in a dystopian present in which things are now so fetid that it is no longer possible to look away from the current crises and growth in xenophobia. The great and empowering promise of ‘the future’ is dissolving, and we are being forced to alter our belief systems repeatedly within condensed frames of time.


curated by_Maria Arusoo In our neo-liberal society where with each step you take you are forced into individualism and self-management, and are overtaken by the contemporary drive for acceleration we are experiencing a generational loss of knowledge about what it means to be part of a community with shared goals. In the exhibition Winter Is Coming (Homage to the Future), loss is a recurring theme, and forms the basis for a dialogue around subjects including the collapse of systems, nomadic experiences, myths, belonging and meaning. A number of the participating artists work in search of alternative subsystems and meta-languages, where the Net, bio-technology or ancient myths are used as mediums through which they explore humankind’s place in the world. The works that play with ancient myths and current meltdowns, create a psychogeography of bio-futuristic and techno-animist settings, partly observing situations in the distance and partly attempting to re-imagine ways of reconnecting with each other a search for a meaningful ecosystem. The exhibition is presented as a rhizomatic platform whose range covers a number of territorial oppositions: the expanded environment of the Internet and the offline sphere; new technologies and the concerns of ancient humans; political awareness and escape; dystopia and utopia. The exhibition is intended as a complex entity, and brings these works together in an aim to expand thoughts on the limits of togetherness, connectivity and the potentials for adopting invented communities.

51 Andreas Angelidakis (*1968, lebt/lives in Athen/Athens) Merike Estna (*1980, lebt/lives in Tallinn & London) Michael Gumhold (*1978, lebt/lives in Wien/Vienna) Joey Holder (*1981, lebt/lives in London) Kolbeinn Hugi (*1979, lebt/lives in Reykjavik) Kris Lemsalu (*1985, lebt/lives in Tallinn & Wien/Vienna) Jaakko Pallasvuo (*1987, lebt/lives in Helsinki) Natasha Papadopoulou (*1975, lebt/lives in Athen/Athens & Amsterdam) Angelo Plessas (*1974, lebt/lives in Athen/Athens) Agnieszka Polska (*1985, lebt/lives in Warschau/Warsaw) Triin Tamm (*1982, lebt in/lives Paide, Estland/Estonia)

Maria Arusoo (*1983 in Tallinn) ist eine Kuratorin und Künstlerin, die aktuell als Leiterin des Center for Contemporary Arts Estonia und als Beauftragte des estländischen Pavillons bei der Biennale von Venedig tätig ist. Maria Arusoo (*1983 in Tallinn) is an artistcurator currently working as the Director of the Center for Contemporary Arts Estonia and the Commissioner of the Estonian Pavilion at Venice Biennial.


Georg Kargl Fine Arts 1 — Jaakko Pallasvuo EU, 2014 HD Video, 22 min. 2 — Michael Gumhold Ohne Titel/Untitled (The tragedy is not in shape), 2008 Tusche und Aquarell auf Aquarellpapier/Ink and watercolor on watercolor paper 30 x 24 cm Courtesy Georg Kargl Fine Arts Wien/Vienna

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curated by_Maria Arusoo 3  —  Kris Lemsalu Portrait with Samsonite, 2013 Foto/Photo Nikolaus Weitzer 4 — Joey Holder TETRAGRAMMATON, 2016 Blue-Back-Print/Blue back print Maße variabel/Dimensions variable

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S Knoll Galerie Wien Homage — Ideal or Pattern?

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Edit Sasvári


Knoll Galerie Wien

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eute klingt das Phänomen der Hommage im Kontext der zeitgenössischen Kunst derart merkwürdig, dass wir kaum unseren Ohren trauen, wenn wir davon hören. Es erinnert uns an ältere, autoritäre und hierarchische Aspekte von Kunst: offene Ehrerbietung und Hochachtung gegenüber der Größe des Künstlers, der Vaterfigur. Die Antriebskraft hinter diesem Konstrukt ist im Wesentlichen die heroische Haltung, gemäß derer die Kunst auf Ideale zu reagieren hat. Gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstlern, die an diesem Projekt für die Knoll Galerie arbeiten, suchen wir nach Antworten auf die Frage, wie alte, autoritäre Vorstellungen von Hommage weitergedacht werden können und ob es überhaupt eine nicht-hierarchische Form von Hommage geben kann. Ist diese Haltung generationenspezifisch vorzufinden und wie und in welcher Form könnte die Hommage eines älteren Künstlers oder Künstlerin an die jüngere Generation interpretiert werden? Gleichzeitig stellt sich angesichts von bestehenden „Mustern“ die Frage, wie osteuropäische Kunstschaffende eine weitere hierarchische Beziehung, nämlich jene von Zentrum und Peripherie in Bezug auf den Westen, in Frage stellen können. Die Frage lautet kurzum: Welche neuen Formen von Hommage könnten von Künstlerinnen und Künstler heute als Inspiration angesehen werden? Einen Schritt weitergedacht, führt Diedrich Diederichsens Vorschlag zur Frage ob Kunst heute von Idealen geleitet ist. Anders ausgedrückt: Hat Kunst Ideale vor Augen oder folgt sie eher Verhaltensmustern oder Karrierestrategien?

Die an dieser Ausstellung teilnehmenden Kunstschaffenden wurden in erster Linie aus Ungarn und Osteuropa eingeladen, da ich diese Region am besten kenne, wobei ein Künstler aus New York dazukommt. Ich habe Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Generationen und mit unterschiedlichem Hintergrund in Bezug auf ihre künstlerische Sozialisierung ausgewählt. In diesem Projekt werden keine vollständigen Werke ausgestellt, sondern eher die Ergebnisse eines Diskurses über die oben angeführten Fragen.

owadays, the phenomenon of homage sounds so strange in the context of contemporary art that we almost cannot believe our ears upon hearing it. It reminds us of the older, authoritarian and hierarchical aspects of art: open obeisance and deference to the greatness of the artist, the father-figure. Essentially, the driving force behind this construction is the heroic stance, according to which art must respond to ideals. Working together with artists in this project for the Knoll Gallery, we seek answers to the questions of how the old, authoritarian concept of homage can be rethought today and whether there can be a non-hierarchical form of homage. Can such an attitude be generation specific and how and in which form may older artists’ homage towards younger generations be interpreted? At the same time, in view of the existing “patterns”, we might also ask how the Eastern European artist can


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curated by_Edit Sasvári query another hierarchical relationship, that of centre and periphery, in relation to the Western World. In brief, the question is: What new forms of homage could be inspirational for artists today? Taking this one step further, Diedrich Diederichsen’s suggestion leads us to the question of whether art today is governed by ideals. In other words, does art bear ideals in mind or does it follow patterns of behaviour or career strategies? With the exception of one artist from New York, the artists participating in the exhibition were invited primarily from Hungary and the Eastern European region, since this is the region I know best. I have chosen artists from different generations and from different backgrounds in terms of their artistic socialization. The artists will not exhibit completed works here, but rather the results of their discourse reflecting on the questions raised above.

Ákos Birkás (*1941, lebt/lives in Budapest) in collab. with György Jovánovics (*1939, lebt/lives in Budapest) Noah Fischer (*1977, lebt/lives in New York) Tamás Kaszás (*1976, lebt/lives auf der/on Szentendre Insel/Island nahe/near Budapest) Genti Korini (*1979, lebt/lives in Tirana) Olivia Mihaltianu (*1981, lebt/lives in Bukarest/Bucharest) Csaba Nemes (*1966, lebt/lives in Budapest) Klára Rudas (*1983, lebt/lives in Budapest) Mózes Márton Muranyi (*1985, lebt/lives in Budapest)

Edit Sasvári (*1962, lebt in Budapest) ist Kunsthistorikerin und seit 2010 Leiterin des Kassák Museums in Budapest. Edit Sasvári (*1962, lives in Budapest) is an art historian and has been director of the Kassák Museum in Budapest since 2010.


Knoll Galerie Wien 1 — Klara Rudas Ohne Titel/Untitled, 2016 Öl auf Leinwand/Oil on canvas 55 × 40 cm Courtesy die Künstlerin/the artist 2 — Tamás Kaszás Kiosk-Huvel (nach Lajos Kassaks Picture Architecture/After Lajos Kassak‘s picture architecture), 2013 Digitalmontage/Digital montage 40 × 30 cm Courtesy der Künstler/the artist

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curated by_Edit Sasvรกri

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Knoll Galerie Wien 3 — Olivia Mihaltianu Film-métrage, 1996/2016 35mm Film, Super 8 85 × 150 cm Courtesy die Künstlerin/ the artist 4 — Genti Korini Shapes from the Screen Nr. 11, 2016 Öl auf Leinwand/Oil on canvas 60 × 45 cm Courtesy der Künstler/ the artist

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curated by_Edit Sasvรกri

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S Christine Kรถnig Galerie TIMEZONE

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Giulia Ferracci


Christine König Galerie

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IMEZONE untersucht die Vorstellung einer Zeit im Fluss, in der sich die Geschichte nicht als eine festgeschriebene manifestiert, sondern in einer Art „ewiger Gegenwart“ von der Wahrnehmung der Zeit entfremdet ist, sodass sich neue Bedeutungen ansammeln. Offenheit gegenüber dem Nicht-Festgeschriebenen, dem Unvorhergesehenen und schräge Perspektiven können der Schlüssel werden für eine Erkundung der Beziehung zwischen Geschichte und Kunst der letzten Jahre. Die für diese Ausstellung ausgewählten vier Künstler zeigen Arbeiten, welche die Unmöglichkeit reflektieren, geradlinige Geschichten zu erzählen oder ihre eigenen künstlerischen Biografien mit eindeutigen Bezügen zu erstellen. Den Auftakt bilden Arbeiten von H.H. Lim. Dieser Künstler, der sich intensiv mit den Verknüpfungen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, sowie dem Austausch zwischen Ost und West auseinandersetzt, reflektiert seine asiatische Herkunft, die ihn und sein Schaffen vor dem Hintergrund der europäischen Kultur inhaltlich und formell geprägt haben. Für ihre aus Stickereien gebildeten Sphären ließ sich Claudia Losi von den berühmten Augenstudien (1622) Jusepe de Riberas inspirieren. Von vorne, von der Seite und im Profil betrachtet, bilden die gestickten Augen de Riberas isolierte Teile einer Erzählung, welche die Künstlerin als eine direkte Emanation der Gegenwart präsentiert, indem sie die Blicke ihres engsten Freundeskreises in die Stickerei einfügt. Pierre Bismuth würdigt Ikonen wie Marcel Duchamp, Ed Ruscha und Jeff Koons und lässt sie durch Schauspielgrößen wie Basil Rathbone, Clint

Eastwood und Tom Cruise nachstellen. In seiner bekannt ironisch-klugen Weise verbindet der Künstler dadurch verschiedene Welten, Dimensionen und Vorstellungen. Für Jonathan Monk ist die Aufhebung von Zeit und Raum zentral. Eine mit LEDs bestückte Vespa und The World in Training sowie The World in Black and White – zwei aus abgetragenen Sportbekleidungen

zusammengestellte Weltkarten – veranschaulichen die Überzeugung des Künstlers, dass er das Recht habe, sich dem Patchwork der Geschichte zu entziehen, ohne dabei das Bewusstsein für eigene und kollektive Erfahrungen zu verlieren.

IMEZONE explores the idea of a fluid time within which history does not manifest itself in a fixed manner but is alienated from the perception of time in a “forever today” where new meanings can be accumulated. Features such as openness towards the non-codified, unpredictability, obliqueness of gaze, and surprise, become a possible key to investigate the relationship of history with the art of recent years. Thus, the four artists selected for the exhibition will present works that reflect the impossibility to tell coherent stories and build up artistic biographies with a clear universe of reference. The exhibition opens with works by H.H. Lim. The artist, attentive to the links between the present and the past and the continuity between the East and the West,


curated by_Giulia Ferracci explores the issue of his origins, shaping him according to the contents and forms derived from European culture —his adoptive mother. The embroidered spheres of Claudia Losi were inspired by the notorious incision by Jusepe de Ribera on the form of the eyes (1622). Seen from the front, the side and in profile, the eyes of de Ribera embroidered by Losi are the isolated items of a tale the artist presents as a direct emanation of the present by inserting the gazes of her dearest friends in the embroidery. The exhibition continues with three cinema posters by Pierre Bismuth. The artist pays a tribute to the icons of contemporary arts Marcel Duchamp, Ed Ruscha, Jeff Koons, whose characters are represented by the great Basil Rathbone, Clint Eastwood, and Tom Cruise. Through his well-known irony, the artist wires up different worlds, dimensions and imaginaries. Finally, the suspension of time and space is at the heart of the works by Jonathan Monk. His Vespa, The World in Training and The World in Black and White – world maps made of scraps of sportswear—are the artist’s way to state his belief in the right to escape the patchwork of history, without losing awareness of one’s personal and collective experiences.

Giulia Ferracci lebt und arbeitet als Kuratorin in Rom. Giulia Ferracci is a curator based in Rome.

67 Pierre Bismuth (*1963 in Neuilly-sur-Seine, Frankreich/France, lebt/ lives in Brüssel/Brussels) H.H. Lim (*1954 in Kedah, Malaysia, lebt/lives in Rom/Rome) Claudia Losi (*1971 in Piacenza, Italien/ Italy, wo sie lebt/where she lives) Jonathan Monk (*1969 in Leicester, UK, lebt/lives in Berlin)


Christine Kรถnig Galerie

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curated by_Giulia Ferracci

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1 — Pierre Bismuth Biopic Poster (Ed Ruscha), 2014 Mischtechnik/Mixed media 190 × 135 cm Courtesy der Künstler/the artist & Jan Mot, Brussels Foto/Photo Jean-Christophe Lett 2 — H.H. Lim The consequences of the memory, 2016 Mischtechnik auf Leinwand/ Mixed media on canvas 125 × 175 cm Courtesy der Künstler/the artist

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Christine König Galerie 3 — Jonathan Monk All the possible combinations of twelve lights lighting (one at a time), 2014 Mischtechnik/Mixed media 170 × 40 × 106 cm Courtesy der Künstler/the artist & Meyer Riegger, Karlsruhe/Berlin 4 — Claudia Losi 2(0)8, 2016 ø 3,5 > 13 cm Bälle, bestickte Seide/Balls, embroidered silk

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curated by_Giulia Ferracci

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S Krinzinger Projekte You Cannot Cross the Sea Merely by Staring at the Waves

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Diana Campbell Betancourt


Krinzinger Projekte

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on der Bekleidungsindustrie bis zum Abwracken von Schiffen: Globale Kapitalflüsse beginnen und enden in Bangladesch, einem Land, in dem Kultur und Religion zunehmend in Schieflage geraten. Angeregt von den Worten Rabindranath Tagores – You Cannot Cross the Sea Merely by Staring at the Waves [Man kann das Meer nicht überqueren, indem man auf die Wellen starrt] – zeigt die Ausstellung Arbeiten junger Kunstschaffender aus Bangladesch, die sich von den sozioökonomischen Gegebenheiten inspirieren lassen und die gesellschaftliche Ordnung durch die Bildung neuer Künstlerfamilien in Frage stellen. 1971 gegründet, ist Bangladesch einer der jüngsten Staaten Südasiens, und die Künstlerinnen und Künstler dieser Ausstellung machen sich die potenzielle Energie dieses herausfordernden politischen Klimas zunutze, um ein wachsendes lokales als auch internationales Publikum mit einer Vielfalt an künstlerischen Produktionen anzusprechen. Shumon Ahmeds Geisterschiffe transportieren uns direkt in den bangladeschischen Kontext, konzipiert als gemeinsame Installation mit den jüngsten Arbeiten von Ayesha Sultana, Nabil Rahman und Mustafa Zaman, die den Betrachter noch weiter in dieses materielle Umfeld hineinziehen. Beim Hinabsteigen in den Keller der Galerie betreten wir einen intimen, mit Gesprächen über Familie erfüllten Raum, wo uns Munem Wasif und Shumon Ahmed in eine immer komplexer werdende Anspannung zwischen ihren biologischen und adoptierten Ursprüngen einbinden. In einer trotzigen Geste gegen etablierte Kritikmechanismen und beschränkte, institutionalisierte Orte der Kunstpraxis in Bangladesch, besetzt OGCJM (2012 aus der von

Rafiqul Shuvo kuratierten Ausstellung OnlyGodCanJudgeMe hervorgegangen und nun in OutGetCategoryJunkMagnet umbenannt) einen Raum zwischen einer Bewegung und einem Kollektiv, dessen Struktur adoptierte, künstlerische Vorfahren aus dem Fluxus-Umfeld spiegelt. Allesamt mit der Thematik des Alltäglichen als Ort der Reproduktion von Machtstrukturen befasst sowie eine ausschließende Raumpolitik mittels Entfremdung des ursprünglichen Anwendungsgedankens hinterfragend, umfassen die in dieser Ausstellung vertretenen OGCJM-Kunstschaffenden Shakhawat Hossain Razib, Ehsanul Karim Aninda, Eshita und Rini Mitra, Marzia Farhana sowie Gründer Shuvo, dessen Film Faster Satiation but Only for Nevertheless Behavior uns in den schwindelerregenden, verwirrenden Raum katapultiert, aus dem diese Bewegung stammt. Wir bedanken uns für die Unterstützung des Samdani Art Foundation-Teams Abhijan Gupta, Ruxmini Choudhury, Nivriti Roddam, Asifur Rahman, Sazzad Hossain, und ganz besonders bei Nadia und Rajeeb Samdani.

rom the garment industry to shipbreaking, global capital flows begin and end in Bangladesh, a land where culture and religion are increasingly at odds. Inspired by the words of Rabindranath Tagore, You Cannot Cross the Sea Merely by Staring at the Waves features works by a new generation of Bangladeshi artists who draw material inspiration from this landscape


curated by_Diana Campbell Betancourt and challenge institutional order by creating new artistic families. Founded in 1971, Bangladesh is one of the newest countries in South Asia, and the artists in this exhibition are harnessing the potential energy of their challenging climate to address a growing local and international audience with a swell of artistic production. Shumon Ahmed’s ghostly ships carry us into the Bangladeshi context, installed with recent works by Ayesha Sultana, Nabil Rahman, and Mustafa Zaman that further draw us into this material environment. Descending into the basement of the gallery, we enter the intimate space of family discussions, where Munem Wasif and Shumon Ahmed draw us into the increasingly complex tension between their biological and their adopted origins. In a defiant gesture against established modes of criticism, and parochial, institutionalized loci of art practice in Bangladesh, OGCJM (b. 2012 out of an exhibition curated by Rafiqul Shuvo called OnlyGodCanJudgeMe, now renamed OutGetCategoryJunkMagnet), occupies a space between a movement and a collective, its structure mirroring adopted Fluxus artistic ancestors. Concerned with an interrogation of the everyday as the site of the reproduction of structures of power and questioning an exclusionary politics of space, through a making strange of the notion of use, the OGCJM artists in this show include Shakhawat Hossain Razib, Ehsanul Karim Aninda, Eshita and Rini Mitra, Marzia Farhana, as well as founder Shuvo. His film Faster Satiation but Only for Nevertheless Behavior draws us into the dizzying, disorienting space from which this movement was born. We would like to thank the Samdani Art Foundation team Abhijan Gupta, Ruxmini Choudhury, Nivriti Roddam, Asifur Rahman, Sazzad Hossain, and especially Nadia and Rajeeb Samdani for their support.

Diana Campbell Betancourt ist eine Kuratorin amerikanischer Herkunft mit Lebensmittelpunkt in Bagac (Philippines) und Dhaka. Diana Campbell Betancourt is an American born curator based in Bagac (Philippines) and Dhaka.

75 Shumon Ahmed (*1977, lebt/lives in Dhaka) Ehansul Karim Aninda (*1990, lebt/lives in Dhaka & Hamburg) Marzia Farhana (*1985, lebt/lives in Dhaka) Shakhawat Hossain Razib (*1984, lebt/lives in Reno) Rini Mitra (*1984, lebt/lives in Wien/ Vienna) Nabil Rahman (*1988, lebt/lives in Dhaka) Rafiqul Islam Shuvo (*1982, lebt/lives in Wien/ Vienna) Ayesha Sultana (*1985, lebt/lives in Dhaka) Eshita Mitra Tonny (*1989, lebt/lives in Dhaka) Munem Wasif (*1983, lebt/lives in Dhaka) Mustafa Zaman (*1968, lebt/lives in Dhaka)


Krinzinger Projekte

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curated by_Diana Campbell Betancourt

77 1 — Mustafa Zaman Aus der Serie/From the series Untranslatable, 2015 Courtesy der Künstler/the artist 2 — Ayesha Sultana Fold I, 2015 Skulptur/Sculpture (Ausschnitt/Detail) Courtesy die Künstlerin/the artist & Experimenter Gallery, Kolkata 3 — Ayesha Sultana Aus der Serie/From the series Doubles, 2012 Courtesy die Künstlerin/the artist & Experimenter Gallery, Kolkata

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Krinzinger Projekte

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79 4 — Shumon Ahmed When Dead Ships Travel, 2016 Pigmentdruck auf Aluminium/ Pigmentprint on aluminium 10,8 x 9 cm Courtesy der Künstler/the artist & Project 88, Mumbai 5 — Munem Wasif In God We Trust, 2015 Videostill/Video still Courtesy der Künstler/the artist & Project 88, Mumbai

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6 — Munem Wasif Typograph, 2015 Objekt aus der Serie/ Object from the series In God We Trust Courtesy der Künstler/the artist & Project 88, Mumbai 7 — Rini Mitra Absent Paralysis, 2012 Installation Courtesy die Künstlerin/ the artist

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S Krobath Wien EMAK BAKIA

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Bettina Steinbrügge


Krobath Wien

„Jede Linie ist eine Weltachse.“ Novalis

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tefan Germer schrieb Ende der 1990er Jahre, dass die Kunstentwicklung nicht aus der Neuheit entsteht, sondern allein aus dem Durchdenken der Geschichte, ihrer Möglichkeiten und Bedingungen.1 Das formal ausgerichtete Gestaltungsvokabular der Moderne hat sich im Laufe des 20./21. Jahrhunderts immer wieder verändert, ist in neue Richtungen entwickelt und mit anderen Diskursen verbunden worden. Die Ausstellung möchte in einer Zeit, in der sich viele Gestaltungsprinzipien in eher redundanten Formalismen erschöpft haben, anhand historischer wie auch zeitgenössischer Positionen die Signifikanz des Formalen untersuchen. Der Ausgangspunkt ist ein im Jahr 1926 erschienenes Werk filmischer Abstraktion, der Film Emak Bakia von Man Ray. „Emak Bakia“ ist ein baskischer Ausdruck und bedeutet so viel wie: „Gib uns eine Pause“. Man Ray skizzierte den Film als „eine Pause für Reflexionen über den gegenwärtigen Zustand des Kinos“. Interessant an dieser Arbeit ist, dass er formal beginnt, um das Formale dann in surreal-reale Welten zu übertragen. Um diese Welten geht es auch bei Henri Michaux. Die vielen Reisen Michaux’ in eine andere Wirklichkeit dienten der Erkundung des Möglichen. So experimentiert er von Ende 1954 bis 1959 unter medizinischer Aufsicht mit Meskalin, um die Grenzen seiner eigenen Wahrnehmung zu erweitern. Die daraus resultierenden „Meskalinzeichnungen“ zeigen zuerst zittrige, verschwommene Schriftzeichen, um sich später zu vibrierenden, dichten Linien und

Feldern von großer Dynamik zu entwickeln. Nasreen Mohamedis Ansatz von Abstraktion dagegen basiert auf den utopischen Idealen von Kasimir Malewitsch und erweitert die Grenzen der westlichen Kunstgeschichte. In der südasiatischen Kunst verwurzelt, erkundet sie den westlichen Modernismus und erweitert ihn um die Poesie von Rilke und Camus, der klassischen Musik Indiens und der Architektur der Stadt Chandigarh. In den zeitgenössischen Positionen von Sofie Thorsen und Haleh Redjaian werden die Grammatiken der Moderne abermals neu aufgestellt, und zwar zwischen der universalen Form der Linie und der eines kulturellen und globalisierten Transfers. Vgl.: Stefan Germer, Germeriana. Unveröffentlichte oder übersetzte Schriften von Stefan Germer zur zeitgenössischen und modernen Kunst, hg. v. Julia Bernhard, Köln 1999, S. 241.

“Every line is the axis of the world” Novalis n the late 1990s Stefan Germer wrote that art does not develop from novelty, only from thinking through history, its possibilities and conditions1. Modernism’s formal creation vocabulary has undergone continuous changes in the course of the 20th and 21st centuries, growing into new directions and being linked with other discourses. In a time in which many principles of creation have exhausted


curated by_Bettina Steinbrügge themselves in rather redundant formalisms, the exhibition aims at examining the significance of the formal based on historical as well as contemporary positions. Man Ray’s work of filmic abstraction Emak Bakia (1926) serves as the exhibition’s point of departure. “Emak Bakia” is a Basque expression and means something along the lines of “Leave us alone”. Man Ray drafted the film as “a pause for reflection on the contemporary situation of cinema”. Interestingly, the work starts out strictly formal before it translates the formal into surreal worlds, which is also what Henri Michaux’s works are all about. Michaux’s many journeys into a different reality serve to explore the impossible. Between late 1954 and 1959 he experimented with mescaline under medical supervision to expand the boundaries of his own perception. The resulting “mescaline drawings” show initially jittery, blurred characters that later develop into vibrant, dense lines and highly dynamic surfaces. By contrast, Nasreen Mohamedi’s approach towards abstraction is based on Kazimir Malevich’s utopian ideals, expanding the boundaries of Western art history. Deeply rooted in South-Asian art, his work examines Western modernism and enhances it by the lyricism of Rilke and Camus, Indian classical music and the architecture of the city of Chandigarh. The contemporary positions of Sofie Thorsen and Haleh Redjaian reassemble the grammar of modernism once again, somewhere between the universal form of the line and that of a cultural and globalized transfer. Cf. Stefan Germer, Germeriana. Unveröffentlichte oder übersetzte Schriften von Stefan Germer zur zeitgenössischen und modernen Kunst, ed. by Julia Bernhard, Cologne 1999, p. 241.

Bettina Steinbrügge (*1970 in Ostercappeln, Deutschland) ist die Direktorin des Kunstvereins in Hamburg. Bettina Steinbrügge (*1970 in Ostercappeln, Germany) is the Director of the Hamburg Kunstverein.

83 Henri Michaux (*1899 in Namur, Belgium, gestorben/died 1984 in Paris) Nasreen Mohamedi (*1937 in Karachi, Pakistan, gestorben/died 1990 in Kihim, India) Man Ray (*1890 in Philadelphia, gestorben/died 1976 in Paris) Haleh Redjaian (*1971 in Frankfurt am Main, lebt/lives in Berlin) Sofie Thorsen (*1971 in Århus, Dänemark/ Denmark, lebt/lives in Wien/Vienna)


Krobath Wien

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curated by_Bettina Steinbrügge 1 — Henri Michaux MP 525, 1981 Aquarell auf Papier (gerahmt)/ Watercolor on paper (framed) 35,5 × 44 × 2,5 cm Courtesy Belvedere, Wien/Vienna, Schenkung Sammlung Ploner/Donation by the Ploner Collection 2 — Henri Michaux KC 170, 1968 Acryl auf Papier (gerahmt)/Acrylic on paper (framed) 69 × 87 × 4 cm Courtesy Belvedere, Wien/Vienna, Schenkung Sammlung Ploner/Donation by the Ploner Collection 3 — Haleh Redjaian The missing piece II, 2015/2016 Aquarell, Graphit und Buntstift auf Papier/Watercolour, graphite and coloured pencil on paper 42 × 29,7 cm Courtesy die Künstlerin/the artist & Galerie Arratia/Beer, Berlin

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curated by_Bettina Steinbrügge 4  —  Sofie Thorsen Whose Sleeves?, 2016 Installationsansicht/Installation view, Abstrakt Spatial, Kunsthalle Krems Pigment auf Wandfarbe, Pigment und Kaseinfarbe auf Holz/Pigment on wall paint, pigment and casein paint on wood Maße variabel/Dimensions variable Courtesy Krobath Wien Copyright Hannes Böck 5  —  Sofie Thorsen Whose Sleeves?, 2016 Installationsansicht/Installation view, Abstrakt Spatial, Kunsthalle Krems Stahl, Inkjetdruck auf Papier, Pigment auf Papier/Steel, Inkjet print, pigment on paper Maße variabel/Dimensions variable Courtesy Krobath Wien Copyright Hannes Böck 6  —  Haleh Redjaian Untitled (C_XX), 2016 Fäden auf handgewebtem Teppich/ Thread on hand-woven carpet ca. approx. 100 × 70 cm Courtesy die Künstlerin/the artist & Galerie Arratia/Beer, Berlin

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S Galerie Emanuel Layr Fieber

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Kari Rittenbach


Galerie Emanuel Layr

„Sogar die mächtigsten Könige gehen in die Knie, wenn sie das Fieber heimsucht.“ Konkani Sprichwort „Unter Berücksichtigung seiner eigenen und den zuvor von Francois (1933) gesammelten Daten, schlug Hoagland (1933) vor, dass unsere Wahrnehmung von Zeit unmittelbar im Zusammenhang mit der Körperinnentemperatur stehe. Er legte diese Beziehung mittels der Van-’t-Hoff/Arrhenius-Gleichung dar, die die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion bezogen auf ihre Temperatur in Kelvin beschreibt. Indem er bemerkte, dass die kollektiven Daten einen unitären Anstiegswert innerhalb dieser Gleichung bereitstellten, folgerte Hoagland (1933), unser Zeitempfinden hänge von einer zugrundeliegenden chemischen Master-Reaktion [ab], was auf einen irreversiblen chemischen Mechanismus schließen lässt, der das Zeitbewusstsein steuert’.“ P.A. Hancock, “Body Temperature Influence on Time Perception,” The Journal of General Psychology, 1993. „Was war also das Leben? Es war Wärme, das Wärmeprodukt formerhaltender Bestandlosigkeit, ein Fieber der Materie, von welchem der Prozess unaufhörlicher Zersetzung und Wiederherstellung unhaltbar verwickelt, unhaltbar kunstreich aufgebauter Eiweißmoleküle begleitet war.“ Thomas Mann, Der Zauberberg, 1924. „Die innere Energie unseres Systems ist gleich der Summe aus der dem System zugeführten Wärme und der Arbeit, die am System geleistet wird.“ Der erste Hauptsatz der Thermodynamik.

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ie in dieser Ausstellung vertretenen skulpturalen, filmischen und fotografischen Arbeiten reflektieren verschiedene Prozesse von Wärme- und Energieübertragung, die in ihrem Ausmaß weder zwingend industriell noch – im modernen (avantgardistischen) Sinn – progressiv sind. Die intuitiven Funktionen des „Dampfablassens“ oder „Temperamentzügelns“ haben hier mehr mit psychologischen und temperamentvollen Stimmungen zu tun als mit einem beliebigen physikalischen Zustand. Unbehagliche, aus scheinbar technischer Produktion stammende Spuren (auch Arbeit genannt) sind nie weit entfernt. Solche nichtvirtuose Charakteristika sind konventionell unkenntlicher in Arbeiten der kleinbürgerlichen Hochkunst, wenn nicht sogar transzendiert. Unterdessen wütet die Leidenschaft und nimmt anschließend (peinlicherweise) entropisch ab. Die zwanglose Dominanz von kühler Virtuosität – der weiße Kubus, der allgegenwärtige blaue Monitorschein – in einer flüchtigen Ära wie unserer muss ein äußeres Zeichen für soziale Psychose sein. Und die Temperaturen steigen.


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“Even the mighty kings fall down prostrate when the fever visits them.” Konkani proverb

Lena Henke (*1982, lebt/lives in New York)

“Using both his own data and those previously collected by Francois, Hoagland (1933) proposed that estimates of duration were directly dependent on internal body temperature. He described this relationship through the Van’t Hoff-Arrhenius equation, which describes the speed of a chemical reaction in relationship to its temperature in degrees Kelvin. In observing that the collective data provided a unitary slope value within this equation, Hoagland (1933) concluded that our judgments of time depend upon ‘an underlying chemical master reaction, implying an irreversible chemical mechanism controlling the consciousness of duration.’” P.A. Hancock, “Body Temperature Influence on Time Perception,” The Journal of General Psychology, 1993. “What was life? It was warmth, the warmth generated by a form-preserving instability, a fever of matter, which accompanied the process of ceaseless decay and repair of protein molecules that were too impossibly ingenious in structure.” Thomas Mann, Der Zauberberg, 1924. “The internal energy of our system is the sum of the work and the heat.” The First Law of Thermodynamics.

Lisa Holzer (*1971, lebt/lives in Berlin)

he sculpture, film and photographs that come together in this exhibition reflect various processes of heat and energy transfer that are not necessarily industrial in scale, nor progressive in the modern (avant-garde) sense of the term. Here, the visceral functions of “blowing off steam,” and “cooling one’s jets” have more to do with psychological or temperamental moods than any physical state. Awkward traces of a seemingly technical production (also known as labor) remain close at hand. Such non-virtuosic characteristics are more conventionally obscured, if not transcended, in works of bourgeois high art. Meanwhile passion rages and then entropically (embarrassingly) decays. The casual dominance of cool virtuosity—the white cube, omnipresent blue screen glow—in a volatile era such as ours must be an outward sign of social psychosis. And temperatures are rising.

Kari Rittenbach ist Kunstkritikerin und unabhängige Kuratorin mit Lebensmittelpunkt in Brooklyn, New York. Kari Rittenbach is a critic and independent curator based in Brooklyn, New York.

Margaret Raspé (*1933 lebt/lives in Berlin)


Galerie Emanuel Layr 1 — Margaret Raspé Der Sadist schlägt das eindeutig Unschuldige (The Sadist Beats the Unquestionably Innocent), 1971 Standbild/Film still Courtesy die Künstlerin/ the artist 2 — Lisa Holzer Inducement, 2016 Pigmentdruck auf Baumwollpapier, Crystal Clear 202/1 Polyurethan auf Glas/Pigment print on cotton paper, Crystal Clear 202/1 polyurethane on glass 92 × 72 cm Courtesy die Künstlerin/the artist & Galerie Emanuel Layr

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Galerie Emanuel Layr 3 —  Lena Henke Our AT&T (Female Fatigue Series), 2015 (zerbrochen/broken) Metall, Sand, Gips, Gummi/Metal, sand, plaster, rubber 124 × 61 × 61 cm 22 × 56 × 11 cm Courtesy die Künstlerin/ the artist 4  —  Lena Henke Our AT&T (Female Fatigue Series), 2015 (Ausschnitt detail) Metall, Sand, Gips, Gummi/Metal, sand, plaster, rubber 124 × 61 × 61 cm 22 × 56 × 11 cm Courtesy die Künstlerin/ the artist 5  —  Margaret Raspé Backe backe, Kuchen (Bake, Bake, a Cake), 1972 Standbild/Film still Kamerahelmfilm/Camera helmet film Courtesy die Künstlerin/ the artist 3

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S Mario Mauroner Contemporary Art Nur im Okzident (Only in the Western World)

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Luigi Fassi


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NUR IM OKZIDENT

„Nur im Okzident gibt es „Wissenschaft“ in dem Entwicklungsstadium, welches wir heute als ‚gültig‘ erkennen.“ Max Weber

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ls Autor einer Studie zur westlichen Kultur, die einer Analyse der europäischen Rationalität und ihrer wachsenden Autorität über alle Gebiete des sozialen und politischen Lebens entstammte, beeinflusste der deutsche Philosoph Max Weber (1864–1929) maßgeblich das soziologische und philosophische Denken im 20. Jahrhundert. Max Weber zufolge ist Rationalität ein rein europäisches Phänomen, eine Reihe philosophischer Richtlinien, die die Sensibilität und den Horizont von ausschließlich im Westen und in Europa anzutreffender Modernität definieren. In jener Sphäre der Welt, die sich durch Vernunft und wissenschaftliche Erkenntnis ausdrückt, kann die Einzigartigkeit der westlichen Identität und demzufolge ihre einzigartige Rolle (und Überlegenheit) innerhalb der Weltgeschichte verortet werden. Um seine Rationalitätstheorie historisch zu legitimieren, kann man sagen, dass Weber als erster Soziologe Europas gilt, der einen umfassenden und komplexen, kulturübergreifenden Vergleich anstellte, auch um die Identitätsmerkmale und -zeichen nichteuropäischer Kulturen (Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, 1920–21) zu bestimmen, woran er bereits als Professor an der Universität Wien zwischen 1917 und 1918 forschte. Trotz dieser ausführlichen Untersuchung zeichnet Weber einen asymmetrischen Vergleich zwischen westlicher Modernität und dem Status anderer Gesellschaften, geleitet von einer europäischen Sichtweise

und unfähig, eine Wechselseitigkeit an Perspektiven einzugehen. Auch wenn man Webers System gemäß einem Verhältnis von Verschiedenheit anstelle von Überlegenheit abgrenzt, haftet ihm dennoch ein rigoroser Eurozentrismus an, wenn man bedenkt, dass sowohl sein Ansatz als auch sein System auf dem westlichen Kanon und dessen Idee von Rationalität beruhten. Der Webers Ausdruck „nur im Okzident“ inhärente Eurozentrismus ist der Ausgangspunkt dieser Ausstellung, in der die sich daraus ergebende rationalistische Exklusivität hinterfragt wird. Das Projekt zeigt Werke von Kunstschaffenden, die innerhalb eines der westlichen Kultur gegenüber kritischen Rahmens agieren, um die dunklere Seite der berühmten Rationalität bloßzulegen – die kolonialistische, rassifizierte, räuberische. Mit dem Anspruch auf eine andere Lesart von Geschichte und Rationalität greifen die Arbeiten auf eine Vielfalt von Strategien zurück. Auf diese Weise artikulieren die Künstlerinnen und Künstler ihre eigene Herkunft und ihre Wurzeln und eröffnen einen weiten Raum für Freiheit, Wissen und die Stärkung der Handlungskompetenz.


curated by_Luigi Fassi “Science, developed to the stage that we today recognize as “valid,” exists only in the West.” Max Weber s the author of a study of Western culture that originated in an analysis of European rationality and its growing dominion over all fields of social and political life, German philosopher Max Weber (1864-1920) influenced 20th century sociological and philosophical thoughts to a large degree. According to Weber, rationality is a uniquely European phenomenon, a set of philosophical guidelines that defines the sensibility and horizon of Western and European modernity only. It is in the dominion of the world expressed by means of reason and scientific knowledge that the exceptionalism of Western identity, and therefore its unique role (and superiority) within the history of the world, can be located. To historically legitimize his theory of rationality, Weber was the first European sociologist to embark on a vast and sophisticated cross-cultural comparison, also in order to determine the features and signifiers of the identity of non-European cultures (Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, 1920–21), which he was already researching as a professor at the University of Vienna in 1917–1918. Despite such in-depth exploration, Weber draws an asymmetrical comparison between Western modernity and the status of other societies, conducted from a European point of view and unable to achieve a reciprocity of perspectives. Even if delineated according to relationships of differences instead of superiority, Weber’s framework still remains rigorously Eurocentric, given that his approach and system were based in the Western canon and its notion of rationality. The current exhibition takes the Eurocentrism inherent in Weber’s expression “nur im Okzident” as its point of departure, and aims to question such rationalist exclusivity. The project presents works by artists operating within a framework that is critical of Western culture, in order to unmask the darker side of its famed rationality—as colonialist, racialized, and predatory. The works displayed in the exhibition thus enact a multiplicity of strategies to claim a different reading of history and rationality. In this way, the artists frame their very own ancestry and roots, opening an increased space for freedom, knowledge and empowerment.

Luigi Fassi (*1977) ist derzeit Kurator für Bildende Kunst beim steirischen herbst, Graz (A) sowie Kurator der XVI Quadriennale d’Arte in Rom (2016). Luigi Fassi (*1977) is currently the Visual Art Curator at the steirischer herbst festival, Graz (A) and curator of the XVI Quadriennale d’Arte in Rome (2016).

99 Julien Creuzet (*1986 in lebt/lives in Paris) François-Xavier Gbré (*1978 lebt/lives in Abidjan, Elfenbeinküste/Côte d‘Ivoire) Haroon Gunn-Salie (*1989 lebt/lives in Kapstadt/Capetown & Johannesburg) Kiluanji Kia Henda (*1979 lebt/lives in Luanda, Angola & Lissabon) Diango Hernández (*1970 lebt/lives in Düsseldorf, Deutschland/ Germany) Hilario Isola (*1976 lebt/lives in Turin, Italien/Italy) Runo Lagomarsino (*1977 lebt/lives in Malmö, Schweden/Sweden & São Paulo) Misha Stroj (*1974 lebt/lives in Wien/Vienna) Aarti Sunder (*1987 in Chennai, India) Barthélémy Toguo (*1967 lebt/lives in Bandjoun, Kamerun/ Cameroon & Paris) Katarina Zdjelar (*1979 lebt/lives in Rotterdam, Niederlande/ The Netherlands & Belgrad/Belgrade)


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1 — Hilario Isola Giordano Bruno (I filosofi), 2016 Gold 2 × 1 × 5 cm 2 — Hilario Isola Socrate (I filosofi), 2016 Bronze 2 × 1 × 5 cm 3 — Kiluanji Kia Henda Resetting Birds Memories (Aus der Serie from the series Homem Novo), 2013 C-print 170 × 110 cm 4 — Runo Lagomarsino There is Always a Day Away, 2011 Bücher, Weinkorken, Zündholzschachteln, Lupen, Eier, Stempel, Postkarten, verschiedene Nüsse, Karavell-Drucke auf Servietten, Modellschiff, Drucke/Books, wine cork, matchboxes, magnifying glasses, eggs, stamps, postcards, different nuts, a collection of caravels printed on serviettes, model boat, prints 377 × 25 × 51,5 cm Courtesy Andreas Nilsson & Malmö Konstmuseum 5 — Runo Lagomarsino Europe is Impossible to defend (Overhead Version), 2016 Azetat, Overhead-Projektion (OHP)/Acetate, overhead projection (OHP) Maße variabel/Dimensions variable

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Mario Mauroner Contemporary Art 6  —  François-Xavier Gbré Mali Militari, 2011–15 C-print 100 × 150 cm 7  —  Katarina Zdjelar Into the Interior (Last day of the permanent exhibition), 2014 HD, 2 Kanalvideo/2 channel video 18:50 min. Loop 8  —  Diango Hernández I left you so many notes, 2016 Öl auf Leinwand/Oil on canvas 200 × 150cm

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S Galerie Meyer Kainer Unsere Herkunft haben wir uns selbst ausgedacht

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Susanne Titz


Galerie Meyer Kainer

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in Film wie ein Bewusstseinsstrom: Klasse an der Düsseldorfer Kunstakademie, Diskussion über (Un) Möglichkeit von Widerstand oder Revolution, Reden, Schweigen, Abschweifen, der eigene Professor, Christopher Williams, in der Wiener Secession, chinesische Studenten in Duisburg, Autokolonne des chinesischen Staatspräsidenten in Duisburg, Arbeiten ehemaliger Kommilitonen und eigene Arbeiten auf der Art Cologne 2014. The Production Line of Happiness: Ein Titel von Christopher Williams (The Production Line of Happiness, 2014 – die Produktionsstraße bzw. das Fließband des Glücks) wird zum Fragesatz, zu einem inneren Auge, Ohr, Denken darüber, was produziert wird und was Glück ist. In der weiteren Arbeit geht es um Techno und die Geschichte der Kultur des Draußen, Produktionswege von Musikfestivals, die Flucht- und Sehnsuchtsmotive im Spätkapitalismus seit Beatniks, Monterey und Land Art. Fehr und Rühr, die nicht Bildhauer, sondern Filmemacher sind, lassen Objekte nachbauen, die von Anderen sind. Sie zeigen Schönheit und Glück der Skulpturen auf Festivals, die von Künstlern, Kulissenbauern, Profis und Fantasy-Fans stammen, anonym oder in Gruppen, mit kurzfristiger Existenz und anschließender Zerstörung produziert werden, entweder für Recycling oder für Verbrennung (Burning Man, Nevada). Es ist Festival-Kunst, wurde früher Folk Art genannt. Die Titel stammen aus einer Liste von außergewöhnlichen menschlichen Erfahrungen (http:// www.ehe.org/display/ehe-pagedc08.html?ID=3), die

eingebrannten Sätze aus dem Buch „Idols of the Tribe. Group Identity and Political Change“ von Harold R. Isaacs, die geometrischen Formen aus mathematischen Systemen, deren idealistische Ästhetik vermutlich auch soziale Strukturen und individuelle psychologische Prozesse meint. Zeiten, Räume und Orte verschleifen, Im Film wandern Ton und Bild. In den Objekten wandern Formsprachen. Es geht um Sehnsuchtsmotive, Glücksversprechen. Die Position dieses Arbeitens ist drinnen und zugleich draußen. Sie handelt von dem, was motiviert. Also von irgendeiner möglichen Herkunft, die zugleich fraktal und mono, Realität und Konstruktion ist.

movie like a stream of consciousness: a class of the Kunstakademie Düsseldorf, discussing the (im) possibility of resistance or revolution, talking, pausing, your own professor, Christopher Williams, at the Vienna Secession, Chinese students in Duisburg, the Chinese president’s motorcade in Duisburg, works of former colleagues at the Art Cologne 2014. The Production Line of Happiness: A title by Christopher Williams (The Production Line of Happiness, 2014) becomes an interrogative clause, an inner eye and ear, prompting the observer to think about what is produced and about what happiness is. In a further step, the work revolves around techno and the history of the culture of the outside, festival


curated by_Susanne Titz production, the esthetics of escapism and desire in late capitalism since the Beatniks, Monterey and Land Art. Fehr and Rühr who are not sculptors but filmmakers had objects reconstructed, which were the creation of others. They present the beauty and happiness of sculptures at festivals, sculptures that are made by artists, construction managers, professionals and fantasy fans, anonymously or in groups, of shortlived existence and bound for destruction either by recycling or burning (Burning Man, Nevada). It is Festival Art, previously called Folk Art. The titles originate from a list of exceptional human experiences (http://www.ehe.org/display/ ehe-pagedc08.html?ID=3), the branded phrases from the book “Idols of the Tribe. Group Identity and Political Change” by Harold R. Isaacs, the geometric shapes from mathematical systems whose idealist aesthetics probably also mean social structures and individual psychological processes. Times, spaces and places are caught in a slur. In the film sound and image shift. In the objects formal languages shift. It’s about longing motives, promises of happiness. The position of this work process is both inside and outside. It refers to what motivates. Thus, of any possible origin, which is both fractal and mono, reality and construction.

Susanne Titz ist Kunsthistorikerin und seit 2004 Direktorin des Museums Abteiberg in Mönchengladbach. Susanne Titz is an art historian and has been the Director of the Museum Abteiberg in Mönchengladbach (D) since 2004.

107 Henning Fehr (*1985) & Philipp Rühr (*1986) leben/live in Köln/Cologne


Galerie Meyer Kainer 1,2,3 — Henning Fehr/Philipp Rühr The Production Line of Happiness, 2014 Videostills, digitales Video, Farbe, Sound/ Video stills, digital video, color, sound 40:44 min.

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Galerie Meyer Kainer Henning Fehr/Philipp Rühr 4 — Festival Sculpture (Active Imagination Experience see Imaginal Experience), 2016 Holz, Brennschreiber/wood, wood burning pen 5 — Detail 6 — Festival Sculpture (Absent Healing), 2016 Holz, Brennschreiber/wood, wood burning pen 7 — Festival Sculpture (Accelerated Learning), 2016 Holz, Brennschreiber/wood, wood burning pen 8 — Einladungskarte 9 — Ausstellungsansicht

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S Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder As if in a foreign country

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Chris Sharp


Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder

As if in a foreign country ist eine Gruppenausstellung, die den Begriff Hommage aus mehreren Perspektiven beleuchtet: historisch, geografisch, kulturell, architektonisch und, vielleicht am wichtigsten, ironisch. Im spielerischen Umgang mit L.P. Hartleys berühmtem und oft zitiertem Eröffnungssatz zu The Go-Between (1953): „Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln“, kippt die Ausstellung ehrfurchtsvoll eine Reihe von Annahmen von der Vorstellung der „Vergangenheit“ bis hin zum Begriff der Fremdheit, der in der anachronistischen Bezeichnung „fremdes Land“ eingebettet ist. Dies geschieht dadurch, dass die ausstellenden Kunstschaffenden alle in der Tradition der klassischen Moderne arbeiten, einer Vergangenheit, die nach wie vor sehr präsent ist, und die entweder idiosynkratisch elaboriert oder mit anderen ursprünglichen und Kunsthandwerks-Traditionen gekreuzt wird. Der Begriff der so genannten „Fremdheit“ wird dabei ebenso durch den nicht weniger zweifelhaften Begriff des „Einheimischen“ problematisiert, als ob es überhaupt möglich wäre, letzteren genau zu definieren, insbesondere im 21. Jahrhundert. Und in der Tat, wo auch immer die „Fremdheit“ vorher das „Einheimische“ voraussetzte und umgekehrt, beruht deren soziokulturelle Entmündigung nun großteils auf Gegenseitigkeit und hinterlässt kaum mehr als ein System der kontinuierlichen Hommage. Unterdessen huldigt die Ausstellung dem Umstand, dass die Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder nicht nur eine der ältesten Galerien der Welt ist, sondern seit der Gründung 1923 – damals unter dem Namen Neue Galerie – die gleiche Adresse hat. Indem As if in a foreign country die ursprüngliche Funktion ihres

Kontexts als häusliche Wohnfläche gebührlich aufgreift, räumt die Ausstellung auch die symbolische Auflösung der Trennung zwischen Öffentlichem und Privatem im Herzen der Galerie ein. Hommage wird mit Hommage verflochten und zu einem verschwenderischen, wenn auch paradoxen Hommage-Gemisch verwoben.

As if in a foreign country is a group exhibition which approaches the idea of homage from a variety of perspectives: historically, geographically, culturally, architecturally, and perhaps most importantly, ironically. Playing with L.P. Hartley’s famous and much quoted opening sentence to The Go-Between (1953), “The past is a foreign country: they do things differently there,” the exhibition reverently collapses a number of assumptions, from the idea of the “past” to the notion of “foreignness” imbedded within the anachronistic designation “foreign country.” This happens through the fact that all of the artists featured here are working within a classically modernist tradition—a past that is still very much present—which they either idiosyncratically elaborate upon or hybridize with other indigenous and arts-and-crafts traditions. By the same token, the notion of so-called “foreignness” is problematized by the no less dubious notion of the “native”, as if it were possible to circumscribe the latter, especially in the 21st century. Indeed, where the “foreign” formerly presupposed the “native,” and vice versa, their socio-cultural disenfranchisement is now, to a large extent, mutual,


curated by_Chris Sharp leaving little more than a system of continuous homage in their wake. Meanwhile, the exhibition intends to pay homage to the fact that Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder is not only one of the oldest galleries in the world, but has been at the same address since the original founding, as the Neue Galerie, in 1923. Decorously embracing the original function of its context as a domestic living space, As if in a foreign country also acknowledges the symbolic dissolution of the separation between the public and the private at the heart of the gallery. Thus is homage plaited upon homage, weaving it all together in a lavish, if paradoxical salmagundi of homage.

115 Polly Apfelbaum (*1955, Abington, Pennsylvania, lebt/lives in New York) Lucas Arruda (*1983, São Paulo, lebt/ lives in São Paulo, Brasilien/Brasil) Michael Berryhill (*1972, El Paso, Texas, lebt/lives in Brooklyn, New York) Juliette Blightman (*1980, London, lebt/lives in Berlin) Rodrigo Hernández (*1983, Mexico City, lebt/lives in Paris) Ann Cathrin November Høibo (*1979, Kristiansand, lebt/lives in Kristiansand, Norwegen/Norway) Sonia Leimer (*1977, Südtirol/Southern Tyrol, lebt/lives in Wien/ Vienna) José Antonio Suárez Londoño (*1955, Medellín, lebt/lives in Medellín, Kolumbien/ Colombia) Jimena Mendoza (*1979, Mexico City, lebt/lives in Prag/Prague) Aliza Nisenbaum (*1977, Mexico City, lebt/lives in New York) Scott Olson (*1976, New York, lebt/lives in Kent, Ohio) Arlene Shechet (*1951, New York, lebt/lives in New York)

Chris Sharp (*1974, USA) ist Autor und unabhängiger Kurator mit Lebensmittelpunkt in Mexiko-Stadt, wo er zusammen mit dem mexikanischen Künstler Martin Soto Climent den Projektraum Lulu betreibt. Chris Sharp (*1974, USA) is a writer and independent curator based in Mexico City, where he and the Mexican artist Martin Soto Climent run the project space Lulu.

Patricia Treib (*1979, Saginaw, Michigan, lebt/lives in New York)


Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder 1 — Lucas Arruda Untitled, 2016 Öl auf Leinwand/Oil on canvas 30 × 37 cm Courtesy Mendes Wood DM, São Paulo Foto/Photo Everton Ballardin 2 — Ann Cathrin November Høibo Untitled, 2014 Wolle, handgewoben, Nylon und Jerseystoff/Handwoven wool, nylon and jersey 216,5 × 183 × 14 cm Courtesy die Künstlerin/the artist & STANDARD (OSLO), Oslo Foto/Photo Vegard Kleven

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Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder

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curated by_Chris Sharp 3 — Scott Olson Untitled, 2014 Öl und Marmorstaub auf Holz mit Pappelholzrahmen/Oil and marble dust on wood with poplar frame 67 × 47 cm Courtesy der Künstler/the artist & Micky Schubert, Berlin Foto/Photo Martin Eberle 4 — Jimena Mendoza Policromía 5, 2015 Keramik/Ceramics 31 × 16 × 16 cm Courtesy die Künstlerin/the artist Foto/Photo Diego Perez

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S Galerie Raum mit Licht Feckless and Hotheaded

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Galerie Raum mit Licht

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ann man Avantgarde-Feminismus in der Gegenwartskunst noch als nomadisches Phänomen, geprägt von der Hybridität seiner wesentlichen Elemente und subversiven Narrative, die den institutionellen Kanon in Frage stellen, beschreiben? Durch die Gegenüberstellung dreier Generationen von Künstlerinnen versucht Feckless and Hotheaded zu analysieren, wie neue künstlerische Strategien im Zusammenspiel analoger Praktiken und digitaler Medien im Kontext kontinuierlicher technologischer Innovationen definiert werden. Es versteht sich von selbst, dass Feminismus in der Kunst einige der einflussreichsten Diskurse und Kunstpraktiken der letzten Jahrzehnte generiert hat. Indem die Ausstellung einen Vergleich zwischen dem historischen Werk von Geta Br tescu (geb. 1926), Róska (1940–1996) sowie Ludmila Rusava (1954–2010) und den jüngsten Arbeiten von Karin Fisslthaler und Olena Newkryta anstellt, zielt sie nicht darauf ab, eine spezifische Zugehörigkeit aufzuzeigen, sondern bedient sich einer kartografischen Herangehensweise an das Thema der feministischen Avantgarde und ihres möglichen Einflusses. Diesen Künstlerinnen ist gemein, dass sie neue Medien und ihren Einsatz als Körpersprache erkunden, eine Praxis, die vielen feministischen Ansätzen in der Kunstproduktion zu eigen ist. Zudem wohnt ihrem Einsatz von hybriden Prozessen, Materialrecherchen und ihrem Gebrauch von digitalen, manuellen und analogen Verfahren – wie etwa Montage, Collage, Sampling und Remixing – das Potenzial inne, neue Paradigmen der Kunstproduktion abseits von Genealogie und Zugehörigkeit hervorzubringen, die den kunstgeschichtlichen Blick auf nachfolgende Gene-

rationen über lange Zeit hinweg definiert haben. Sowohl Geta Br tescu als auch Ludmila Rusava begannen ihre künstlerische Laufbahn unter Sowjetherrschaft. Ihre Arbeiten sind gekennzeichnet durch ihre Erfahrungen mit politischer Unterdrückung, die dennoch große Freiheit im Ausdruck und einen komplexen Einsatz von Materialien innerhalb einer weiten Bandbreite an künstlerischen Medien (Installation, Performance, Bucharbeiten, Collagen, Film, Fotografie, Zeichnen, Malen, Schreiben und Textilien) offenbaren. Róska war eine isländische politische Aktivistin, die während einer Zeit des soziopolitischen Umbruchs in Italien lebte und arbeitete. Die Malerin, Fotografin, Lyrikerin und Filmregisseurin beschrieb ihre eigene Kunstpraxis als eine „kontinuierliche Rebellion in lebendiger Lyrik und Politik“. Karin Fisslthalers Arbeit setzt sich mit Rhythmus, Körpersprache und stummer Kommunikation auseinander. In ihrer neuesten Serie Kristall vermischt sie analoge und digitale Technologien zu singulären fotografischen Objekten, die an filmische, fragmentierte Narrative erinnern. Olena Newkryta stellt die jüngste Generation an weiblichen Kunstschaffenden in dieser Gruppe dar. Sie verwendet populäre Medien bei der Frage nach ihrer eigenen Identität als Ukrainerin im Spannungsfeld der aktuellen politischen Lage.


curated by_Æsa Sigurjónsdóttir an avant-garde feminism in contemporary art still be described as a nomadic phenomenon, characterized by the hybridity of its material elements and its subversive narratives challenging the institutional canon? By juxtaposing three generations of women artists, Feckless and Hotheaded seeks to examine how new artistic strategies are defined by the interplay of analog practices and digital means within the context of continuous technological innovations. It goes without saying that feminism in art has generated some of the most influential discourses and art practices of the last decades. By juxtaposing historical work by Geta Br tescu (*1926), Róska (1940–1996) and Ludmila Rusava (1954–2010) with recently produced work made by Karin Fisslthaler and Olena Newkryta, the aim is not to demonstrate any specific affiliation, but to apply a cartographic approach to the question of feminist avant-garde and their possible influence. What these artists share is their exploration of new media and their use of body language, a practice inherent to many feminist approaches to art-making. Furthermore, their employment of hybrid processes, investigations of materials, and their use of digital, manual and analog methods such as montage, collage, sampling and remixing, have the potential to engender new paradigms for art-making, outside those of genealogy and affiliation that have long defined art history’s view of successive generations. Geta Br tescu and Ludmila Rusava both began their artistic formation within the framework of Soviet rule. Their works are marked by the experience of political oppression, but nonetheless manifest great freedom of expression, complexity in the use of materials, within a broad range of artistic media (installation, performance, book-work, collage, film, photography, drawing, painting, writing and textiles). Róska was an Icelandic political activist living and working in Italy during a period of socio-political turmoil: A painter, photographer, poet, and a film director, she described her own art practice as a “continuous rebellion in living poetry and politics.” Karin Fisslthaler´s work deals with rhythm, body language and silent communication. In her recent series Kristall she remixes analog and digital technologies into singular photographic objects reminiscent of cinematic fragmented narratives. Olena Newkryta represents the youngest generation of women artists in this group. She uses popular media to raise questions bearing on her own identity as a Ukrainian within the current political state of affairs.

Æsa Sigurjónsdóttir ist außerordentliche Professorin und Kuratorin mit Lebensmittelpunkt in Paris und Reykjavik. Æsa Sigurjónsdóttir is an associate professor and curator based in Paris and Reykjavik.

123 Geta Br tescu (*1926, lebt/lives in Bukarest/Bucharest) Karin Fisslthaler (*1981, lebt/lives in Wien/Vienna) Olena Newkryta (*1990, lebt/lives in Wien/Vienna) Ludmila Rusava (1954–2010, Minsk) Róska (Ragnhildur Óskarsdóttir, 1940–1996, Reykjavík)


Galerie Raum mit Licht 1 — Karin Fisslthaler Kristall (La Passion de Jeanne d’Arc, III), 2014–2016 Papierobjekt, 56 Filmstill-Ausschnitte, Kunstdruck/ paper object, 56 filmstill cut-outs, fine art print 18,3 × 24,5 × 1,5 cm Courtesy Raum mit Licht

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Galerie Raum mit Licht 2 — Ludmila Rusava Displacement of a Square. The Spiral of Reasons, 1993 Kreuzstichstickerei/Cross stitch embroidery 93 × 87,3 cm Courtesy Privatsammlung/ private collection 3 — Róska (Ragnhildur Óskarsdóttir) My God, I am in such a bad mood!, undatiert/undated Zeichnung auf Papier und rote Farbe auf transparenter Kunststofffolie (aus einem Skizzenbuch)/Drawing on paper and red color on transparent plastic sheet (from a sketchbook) 21 × 29,7 cm Courtesy Privatsammlung/ private collection 4 — Olena Newkryta Marginal perforation, 2016 Barytpapier/Baryt paper 79 × 79 cm Courtesy Raum mit Licht

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S Gabriele Senn Galerie Enough Romance. Let’s Fuck.

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Cosima von Bonin


Gabriele Senn Galerie

Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht

Zu Diedrich Diederichsens, für die 2016er Ausgabe der curated by_vienna gewähltem Überbegriff. Einige Bemerkungen von Cosima von Bonin, Organisatorin einer der neunzehn Ausstellungen zu dem Thema. It’s a war zone out there. Everybody has some kind of a history. Diejenigen Künstlerinnen und Künstler, die

zugesagt haben, bei der Ausstellung in Gabriele Senns Galerie mitzumachen, meinen folgenden Versuch einer Rechtfertigung jedoch nicht unterschreiben mögen, müssen da leider trotzdem durch. Nicht ohne meinen Ratschlag, sich an Diedrich Diederichsens, für die diesjährige Ausgabe der curated by_vienna Sache ausgewählten Überbegriff Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht und seinem Text darüber3 zu halten, und mir diese Pressemitteilung zu verzeihen. Für mich ist Diederichsens Text zu dem Thema zum neidisch Werden perfekt und deshalb nicht zu toppen. Denn da steht ja alles drin. Deshalb mache ich es mir, wie so oft, ziemlich einfach, meine Auswahl der Arbeiten zu legitimieren. Bei der naheliegenden Anfrage der Organisatorinnen und Organisatoren als Kuratorin doch bitte ein Konzept meines Projektes abzuliefern, klingelten bei mir sofort alle Alarmglocken. Kurator, Konzept, Projekt. Diese drei Wörter gehören für mich alle zu dem Kriegsgebiet Kunst eines da draußen tobenden Krieges, bei dem ich vor einiger Zeit Fahnenflucht begangen habe und mich seit dem unter dem Küchentisch meiner Großeltern versteckt halte4. Egal ob Oma und Opa nun adoptiert, radikal und unerschrocken, echt oder bloß erstunken und erlogen sind, ich hatte keine Lust und auch keine Chance mehr, mich mit den besten Lügnern der Kunstwelt, einer der unzähligen Welten, zu beschäftigen. Ich möchte mehr mit den Künstlerinnen und Künstlern als mit deren Arbeiten, die bei Gabi Senn zu sehen sein werden, angeben. Einige, die bei der von mir zusammengestellten Ausstellung mitmachen, werden am 8. September in der Galerie zugegen sein. Außer sie flüchten. Diejenigen jedoch, die während der Eröffnung durchhalten werden, um die Fahnen für Enough Romance. Let’s Fuck5 tapfer hochzuhalten, sprechen Sie diese doch gerne an. Mal sehen, wie/ob sie antworten.

1 Signiertes LP Cover. 2 Von CvB verändert. 3 Lustigerweise im Netz nur auf der Seite der Wiener Wirtschaftsagentur unter wirtschaftsagentur.at/kreativwirtschaft/ curated-by-vienna/curated-by-vienna-2016/konzept/ zu finden. 4 ......Vielleicht ist es deswegen ja so, dass es zu der adoptierten Großmutter, dem aus obskuren, aber radikalen Winkeln der Kunstgeschichte hervorgezogenen Großvater noch eine andere Alternative gibt: die Thematisierung der tatsächlichen eigenen Herkunft. Dies gilt vor allem dort, wo künstlerische Positionen sich eben nicht aus der ödipalen Logik westlicher und marktorientierter Generationenfolgen mit Elternmorden und Ablösungen ergeben, sondern aus minoritären und marginalisierten Geschichten, die von außen auf die Burgen und Paläste einer Kunstwelt schauen, in deren Inneren die Diadochenkämpfe toben. Natürlich gibt es auch hier einen mittlerweile gut bekannten Mechanismus, der tendenziell zu einer Konvergenz der beiden Strategien führt: ob meine Geschichte nun von einer externen Position beginnt oder von einer internen: in jedem Falle besorge ich mir einen radikalen Großvater, eine unerschrockene Großmutter, ob nun nur auf dem Wege ideeller Verwandtschaft oder über eine zwar biologische Verwandtschaft, die im Ergebnis aber auch vor allem ideell wirksam wird...... | Aus Diedriech Diederichsens Text „Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht“. 5Aus dem Film I Love You Phillip Morris, mit Ewan McGregor und Jim Carrey

My Origins? I Made Them Up

On the theme that Diedrich Diederichsen chose for the 2016 edition of curated by_vienna. A few comments by Cosima von Bonin, organizer of one of the nineteen exhibitions on the topic. It’s a war zone out there. Everybody has some kind of a history. Those artists who agreed to take part in the exhi-

bition at Gabriele Senn’s gallery but who do not subscribe to my attempt to explain myself, as outlined below, will unfortunately have to bear with me (nevertheless). I would


curated by_Cosima von Bonin ask them to follow my advice and adhere to Diedrich Diederichsen’s choice of theme for this year’s edition of curated by_vienna [My Origins? I Made Them Up] and his text about that topic3, and to forgive me for this press release. For me, Diederichsen’s text on the topic is enviably perfect and therefore, cannot be topped. It just covers everything. Which is why I am—as ever so often—taking the relatively easy way out to justify my selection of works. When the organizers quite reasonably requested that I, as curator, hand in a concept of my project, alarm bells (immediately) started ringing in my head. Curator, concept, project. For me, all of those three words belong to the art war zone, in a war that was raging out there, which I had deserted some time ago and had since been hiding from under my grandparents’ kitchen table4. It does not matter whether granny and granddad are adopted, radical and intrepid, genuine or simply a pack of lies: I can no longer be bothered and also have no possibility to deal with the best liars in the art world, one of the countless worlds. I would prefer to boast about the artists who will be on show at Gabi Senn’s gallery rather than about their works. Some of those who are taking part in the exhibition I have put together, will be present at the gallery on 8th September. Unless they escape. However, you are welcome to speak to those who manage to see the opening through to bravely champion Enough Romance. Let’s Fuck5 . Let’s see whether and how they respond. Signed LP cover. 2 Changed by CvB. 3 Strangely only available online on the Vienna Business Agency website at https://viennabusinessagency.at/creative-industries/ about-departure 4 ......Perhaps that is why there is another alternative to the adopted grandmother or grandfather drawn from obscure yet radical corners of art history: a thematic focus on our own, actual origins. This is particularly true when artistic perspectives do not arise with patricide and supersession from the Oedipal logic of successive Western and market-oriented generations, but rather from minority and marginalized histories that look from the outside at the castles and palaces of an art world in which wars of succession are raging. Of course, there is by now a well-known mechanism for this, too, which tends to lead to the two strategies converging: regardless of whether my history begins from an external or an internal position, I will find myself a radical grandfather, an intrepid grandmother—whether simply as a relationship of ideas or via a biological relationship that ultimately leads to effective ideas...... | From Diedrich Diederichsen’s text

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Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht (My Origins? I Made Them Up). 5From the film I Love You Phillip

Morris, starring Ewan McGregor and Jim Carrey.

Cosima von Bonin (*1962 in Mombasa, Kenia) ist eine deutsche Künstlerin. Sie lebt und arbeitet in Köln. Cosima von Bonin (*1962 in Mombasa, Kenya) is a German artist. She lives and works in Cologne.

131 Jamie Crewe Colin De Land Paul Hance Hoffmann Oswald Okka Esther Hungerbühler Oliver Husain Simone Junker Martin Kippenberger Julia Koep Nina Könnemann1 Michael Krebber Róisín Murphy2 Jutta Pohlmann / Dirk von Lowtzow Claus Richter Jack Smith Luise Jebens


Gabriele Senn Galerie 1,2 — Nina Koennemann/Surfer Anonymous Basketball, 2016 Zwei Handtücher von Nina Koennemann, von Surfer Anonymous bearbeitet/Two towels by Nine Koennemann alterated by Surfer Anonymous Frottee, Baumwolle/Terrycloth, cotton 2-teilig je 170 × 170 cm /2 parts each 170 × 170 cm Courtesy Gabriele Senn Galerie Wien 3 — Martin Kippenberger Ohne Titel/Untitled, 1992 Kugelschreiber auf Notizblock/ Ballpoint pen on notepad 21 x 14,8 cm/21 x 14.8 cm Courtesy Privatsammlung/Private collection

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4,5 — Jamie Crewe Medea, 2015 Zwei Risographien set of two risoprints 29,7 × 42 cm/29.7 × 42 cm Courtesy der Künstler/The artist 6 — Surfer Anonymous 2016–01, 2016 Baumwolle, Bleistift, Wasserfarbe/ Cotton, pencil, watercolor 116 × 70 cm Courtesy Gabriele Senn Galerie Wien 7 — Claus Richter Backyard, 2008 Lackierte und Brandschutzimprägnierte Wellpappe, Farbwechselspots/ Lacquered and fire impregnated corrugated cardboard, color change spots 3-teilig 3 parts 110 × 55 cm, 110 × 70 cm, 80 × 75 cm Courtesy Eva Winkler

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S Galerie Steinek Jana Sterbak „Ich habe beschlossen, glücklich zu sein, weil es gut für die Gesundheit ist.“

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Michel Blancsubé


Galerie Steinek

„ICH HABE BESCHLOSSEN, GLÜCKLICH ZU SEIN, WEIL ES GUT FÜR DIE GESUNDHEIT IST.“

„Ich habe beschlossen, glücklich zu sein, weil es gut für die Gesundheit ist.“

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ir alle betreten eine Geschichte, die schon vor längeren Zeiten begonnen hat. Wir wissen beispielsweise, dass Jana Sterbak 1955 in Prag in die Geschichte einsteigt, dass sie 1968 gemeinsam mit ihren Eltern nach der Ankunft der Sowjetpanzer in der tschechischen Hauptstadt nach Kanada abreist und, dass sie 2003 ihr Adoptivland bei der 50. Biennale in Venedig vertritt. Also ja, es gibt die bekannten Ursprünge und dann gibt es die anderen: jene, die manche zu exhumieren beharren und einige, die sie selbst erfinden. Kunstschaffende (und Jana Sterbak insbesondere) sind Experten darin und dieses Ensemble, ausgehandelt zwischen Zufall und Wille, treibt das Werk voran. Sterbaks Œuvre lässt sich nicht als Gesamtpaket liefern, im Gegenteil, es kommt maskiert daher und vereitelt unsere trügerischen, tröstenden Gewissheiten. Und ist es nicht so, dass schwer fassbare Werke unsere Aufmerksamkeit am meisten verdienen? Die Ausstellung in der Galerie Steinek widmet sich Jana Sterbaks Œuvre und umfasst – unter einem von Voltaires Briefen inspirierten Titel – Arbeiten zwischen 1979 und 2016. Häufig als zweideutig bezeichnet, kreist Sterbaks Werk um die Frage von Identität und darum, was es bedeutet – beziehungsweise noch bedeuten könnte – zu sein, in einer Welt, in der die Wirtschaftsvernunft nach und nach jegliches Streben weggewischt hat. Vanitas: Flesh Dress for An Albino Anorectic aus dem Jahr 1987 erinnert ernüchternd, ja

grausam daran, dass die Zeit das Fleisch, aus dem wir bestehen, zum Verderben bringt. Generic Man aus dem selben Jahr, das einen von hinten fotografierten Mann mit einem Strichcode im Nacken zeigt, besteht auf dem Körper als Konsumgut und sogar Brennstoff, wenn man an das 1986 entstandene Video Artist as Combustible denkt. Ein Brennstoff wofür eigentlich? Für einen Künstler-fressenden Kunstmarkt? Immer leicht gegen den Strom einiger aktueller Kunsttrends schwimmend, erforscht Jana Sterbak nach wie vor ernste, universelle Themen, wie etwa den Alterungsprozess oder den unausweichlichen Anstieg des weltweiten Meeresspiegels. In einem Interview von 2012 erinnert sie uns daran, dass Kunstwerke in erster Linie ein Kommunikationsmittel darstellen, und zwar eines, das nicht dazu verpflichtet ist, wohlig-ansprechend zu sein.

“I’ve decided to be happy because it’s good for one’s health.” e all start out part of a story whose own beginnings go back quite some time. We know, for example, that Jana Sterbak entered the land of the living in Prague in 1955; that in 1968 she and her parents left for Canada after the arrival of Russian tanks in the Czech capital; and that in 2003 she represented her adoptive country at the 50th Venice


curated by_Michel Blancsubé Biennale. There are, of course, known origins, and then there are the others: the ones some people insist on digging up and others invent for themselves. Artists (and Jana Sterbak in particular) are experts at this, and it’s the overall negotiation between chance and determination that drives a body of work. The Sterbak oeuvre does not yield itself as a neat whole; on the contrary, it comes masked, paying no heed to our false, reassuring certainties. And after all, aren’t elusive works the most deserving of our interest? Taking its title from one of Voltaire’s letters, the exhibition at the Steinek Gallery comprises works ranging from 1979 to 2016. Often described as ambiguous, her oeuvre raises issues including identity and what being means—or might still mean—in a world in which the economic rationale has gradually swept all other considerations away. In 1987 Vanitas: Flesh Dress for An Albino Anorectic issued a crude, not to say cruel reminder that time corrupts the flesh we are made of. Generic Man of the same year—its subject photographed in back view with a bar code stamped on the nape of his neck—stresses the body as consumer product; or even as itself consumed, if we think back to the Artist as Combustible video of 1986. A combustible for what, in fact? For an artist-consuming art market? Going slightly against the grain of some of today’s art trends, Jana Sterbak continues to set her sights on serious, universal subjects such as aging and the ineluctable rise of the world’s sea levels; in an interview dating from 2012 she reminded us that the work of art is above all a means of communication, and one under no obligation to be agreeable.

Michel Blancsubé (*1958 in Frankreich) lebt und arbeitet als „abhängiger“ Kurator in Mexiko-Stadt. Michel Blancsubé (*1958 in France) is a “dependent” curator based in Mexico City.

139 Jana Sterbak (*1955, lebt/lives in Kanada/Canada)


Galerie Steinek

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curated by_Michel Blancsubé 1 — Jana Sterbak Cone on hand, 1979–96 Silbergelatine Print/Gelatine silver print 50 × 35,5 cm Courtesy die Künstlerin/the artist 2 — Jana Sterbak Vanitas: Flesh dress for an albino anorectic, 1987–2006 Farbdruck/Color print 26,5 × 20 cm Courtesy die Künstlerin/the artist

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Galerie Steinek 3 — Jana Sterbak Generic man, 1987–2013 Schwarz-Weiss Fotografie/Black and white photograph 56 × 45 cm Courtesy die Künstlerin/the artist 4 — Jana Sterbak Actaeon at Home, 2010 Farbfotografie/Color photograph 40 × 28 cm Courtesy die Künstlerin/the artist 5 — Jana Sterbak Artist as combustible, 1986 Video-Audio/Video-sound 1 min. Loop Courtesy die Künstlerin/the artist

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S Galerie Elisabeth & Klaus Thoman RE-CODING

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Dieter Buchhart Anna Karina Hofbauer


Galerie Elisabeth & Klaus Thoman

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ach dem Kampf der Ökologiebewegung in den 1970er und 80er Jahren und dem Aufzeigen der „Grenzen des Wachstums“ führten der rasante (natur-) wissenschaftliche und technische Fortschritt in einer zunehmend globalisierten Welt zur größten gesellschaftlichen Umwälzung seit der industriellen Revolution. Vor dem Hintergrund der Standardsequenzierung der humanen DNA, der weitgehend freien Verfügbarkeit von Informationen und Bildern im Internet sowie der freiwilligen, gleichsam selbstverständlichen Preisgabe von Vertraulichem und Identitäten in den sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Snapchat wird das Private zum Öffentlichen. Der Mensch wurde zum gläsernen, mit Algorithmen ausgeleuchteten Wesen im engmaschigen Netz privater und staatlicher Überwachung. Zunehmend orten Künstlerinnen und Künstler den Objektivierungswahn unserer Zeit und stellen den gehuldigten experimentellen Ansatz als vermutetes Gesetz in Frage. Sie setzen sich kritisch mit unserem auf Objektivierung und Naturgesetzgläubigkeit aufgebauten Denksystem vor der Bedeutungsverschiebung der postindustriellen Konsumgesellschaft auseinander. Die Grundauffassung von dem was Natur war und ist hat sich markant verändert, da diese machbar und rekonstruierbar scheint, womit sich Mathias Kessler auseinandersetzt. Thomas Feuerstein geht einen Schritt weiter als Schöpfer eines neuen Moleküls, er wird der Kreator von Neo-Natur. Demgegenüber referenziert Dana Sherwood mit ihren von Tieren zerfressenen Torten den natürlichen Kreislauf in einem geschlossenen System, während Brandon Ballengée seine Arbeit als Umweltaktivist mit jener als Forscher und Künstler

elegant verbindet. Günther Selichar verweist wiederum auf die Technik unseres neuen Bezugsystems, den neuen digitalen Grundfarben Grün, Rot und Blau und den Screens und Scannern, als selbstverständliche Schnittstellen zu unserer schönen, neuen Welt. Die künstlerischen Projekte sind Hommage und Kritik, Bruch und Kontinuität mit der Naturwissenschaft wie auch der Kunstgeschichte. Obzwar die klassische Naturvorstellung, die Sehnsucht nach dem Unberührten, der experimentelle naturwissenschaftliche Ansatz und die Fortschrittsgläubigkeit die Grundlage dieser künstlerischen Praxen bilden und die Künstlerinnen und Künstler trotz Paradigmenwechsels diese zu adoptieren scheinen, transformieren und recodieren sie das als vorgegeben Vermutete.

ollowing the battle of the ecological movement in the 1970s and 80s and the pointing out of the „limits of growth“, the rapid advancements in (natural) science and technology in an increasingly globalized world resulted in the most radical social change since the Industrial Revolution. Against the backdrop of standard sequencing of the human DNA, largely free access to information and images on the Internet as well as voluntary and at the same time natural exposure of confidential information and identities in social media such as Facebook, Instagram or Snapchat, the private sphere has become public. Humans have become transparent


curated by_Dieter Buchhart & Anna Karina Hofbauer creatures illuminated by algorithms in a closely-knit network of private and state-run surveillance. Artists are increasingly locating the objectification frenzy of our times and questioning the much-worshipped experimental approach as a presumed law. They scrutinize our thought system which is based on objectification and trustfulness in the general law of nature prior to the shift in meaning in the post-industrial consumer society. The fundamental view of what nature was and is has changed considerably, with nature now appearing to be more makeable and reconstructible, a subject matter Mathias Kessler has been exploring in depth. Thomas Feuerstein goes one step further by synthesizing a new molecule, making him a creator of neo-nature. In contrast, Dana Sherwood takes the natural cycle in a closed system as a reference by having her cakes devoured by animals while Brandon Ballengée smoothly combines his work as an environmental activist with his activities as a researcher and artist. Günther Selichar, on the other hand, takes a closer look at the technology of our new reference system; the new digital elementary colors green, red and blue, and the screens and scanners as obvious interfaces to our brave, new world. The artistic projects are a homage to and criticism of a break and a continuity with both natural science and art history. Even though the traditional conception of nature, the desire for the unspoiled, the experimental scientific approach, and the belief in progress form the basis of these art practices, and although the artists seem to adopt them despite the paradigm shift, they transform and recode what is assumed to be predefined.

Dieter Buchhart (*1971 in Wien), Kurator und Kunsttheoretiker, und Anna Karina Hofbauer (*1973 in Skælskør, Dänemark), Kuratorin und Kunstkritikerin, leben in Wien. Dieter Buchhart (*1971 in Vienna), curator and art theorist, and Anna Karina Hofbauer (*1973 in Skælskør, Denmark), curator and art critic, are based in Vienna.

147 Brandon Ballengée (*1974, lebt/lives in New York) Thomas Feuerstein (*1968, lebt/lives in Wien/Vienna) Mathias Kessler (*1968, lebt/lives in New York) Günther Selichar (*1960, lebt/lives in Wien/Vienna) Loredana Selichar (*1962, lebt/lives in Wien/Vienna) Dana Sherwood (*1977, lebt/lives in New York)


Galerie Elisabeth & Klaus Thoman

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curated by_Dieter Buchhart & Anna Karina Hofbauer 1 — Thomas Feuerstein Ephraim, 2011 Bücher von Gotthold Ephraim Lessing , Zucker, Acrylglas, Kunstharzversiegelung/ Books by Gotthold Ephraim Lessing, sugar, acrylic glass, synthetic resin sealing 48 × 20 × 20 cm Courtesy Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck/Wien Copyright Galerie Elisabeth & Klaus Thoman 2 — Thomas Feuerstein Pancreas (Alles Fleisch), 2009–2013 Installation: Stahl Glas Holz Gliazellen div. technische Geräte/Installation: Steel, glass, wood, glial cells, various technical devices 160 × 170 × 170 cm Courtesy Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck/Wien, 401contempoary, der Künstler/the artist Copyright der Künstler/the artist 3 — Günther und Loredana Selichar GT Granturismo, 2001 Digitales Video/Digital Video 16:9, 5:10 min. Courtesy die Künstler/the artists Copyright Günther + Loredana Selichar, Bildrecht, Wien/Vienna

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Galerie Elisabeth & Klaus Thoman 4 — Mathias Kessler Untitled (Cape Cod pink haze), 2015 Braune Marmorplatte, Sprühfarbe mit Farbverlauf/Brown marble slab, gradient spray paint 45 × 75 cm Courtesy Galerie Heike Strelow Copyright der Künstler/the artist 5 — Brandon Ballengée RIP Martinique Brown-throated Parakeet: After Edwards, 1750-2015 artist cut, burnt historic hand colored copper etching by Sir George Edwards published in 1750, etched glass funerary urn, ashes 44 x 40 cm Courtesy Ronald Feldman Gallery Fine Arts, New York Copyright Casey Dorobek 6 — Dana Sherwood Racoon with Cake and Sausage, 2014 Tinte und Wasserfarbe auf Papier/ Ink and watercolor on paper 25,4 × 31,8 cm Courtesy & Copyright Denny Gallery & die Künstlerin/the artist 7 — Mathias Kessler Sunset in Simulacrum_03. New York, 2014 3D Computer Rendering, Tapete, ortsspezifisch/3D computer rendering, wallpaper, site specific Maße variabel/Dimensions variable Courtesy Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck/Wien & der Künstler/the artist Copyright der Künstler/the artist

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Krist Gruijthuijsen


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n den frühen 1970er Jahren gab der in Island geborene Künstler Hreinn Fridfinnsson eine Annonce in einem niederländischen Kunstmagazin auf, in der er um die Zusendung von Geheimnissen bat. Ein Künstler, der Geheimnisse sammelt, dachte er, könne jeglichen Verdacht zerstreuen, Hintergedanken für die Verwendung oder Enthüllung von vertraulichen Informationen zu haben, wenn ihm diese zukämen. Es klingt wie eine Passage aus einem Roman von José Saramago oder wie ein moderner Mythos, ein Gerücht. Das Geheimnis, vermittelt uns Fridfinnsson möglicherweise, liegt darin, dass es keines gibt. Seine Kunst lädt andererseits dazu ein, sich vorzustellen, dass es doch ein Geheimnis geben könnte. Vierzig Jahre später beendet Fridfinnsson sein „Secrets Project“, zerstört die zusammengetragenen Geheimnisse, die ihm als Grundlage für ein Gemälde dienen. Das Gemälde, beziehungsweise das Malerei­ objekt, bildet den Ausgangspunkt dieses Projekts, das in einem materiellen Sinn das verwundbare Verständnis des Selbst durch (de)mystifizierende Ideen von Repräsentation untersucht; ob nun durch Jason Dodge, der die Inhalte von Taschen aufbereitet, Ben Kinmont, der einen einzelnen Besucher darum bittet, an irgendetwas anderes zu denken als an Kunst während er einen Ballon aufbläst, der anschließend in der Galerie zurückgelassen wird, Hanne Lippards Auseinandersetzung mit dem Buchstaben „S“ in „success“ [Erfolg], Barbara Vissers schonungslose Darstellung der Beziehung zwischen Künstler und Kommerz oder Tamy Ben-Tors Porträt der Banalität des Kunstjargons.

n the early 1970s, the Icelandic born artist Hreinn Fridfinnsson placed an advert in a Dutch art magazine asking people to send him their secrets. By posing as a collector of secrets, the artist would, he thought, allay suspicions that he had any ulterior motive in using or revealing privileged information that might come his way. It is like something from a novel by José Saramago, or an urban myth or rumor. The secret, Fridfinnsson may be telling us, is that there isn’t one. His art, on the other hand, is an invitation to imagine that there might be. After 40 years, Fridfinnsson concluded his “secrets project”. The accumulated secrets have been destroyed and used as base for a painting. This painting, or rather painterly object, forms the starting point of this venture, which explores, in a material sense, the vulnerable understanding of the self through (de)mystifying ideas of representation; whether it is through Jason Dodge warming up the content of people’s pockets, Ben Kinmont requesting one single visitor to think about something else then art while blowing into a balloon after which the balloon is left in the gallery, Hanne Lippard’s exploration of the letter “S” in the word “success”, Barbara Visser’s savage image of the relationship between the artist and commerce or Tamy Ben-Tor’s portrayal on the banality of artistic jargon.


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155 Tamy Ben-Tor (*1975, lebt/lives in New York) Jason Dodge (*1969, lebt/lives in Berlin) Hreinn Fridfinnsson (*1943, lebt/lives in Amsterdam) Ben Kinmont (*1963, lebt/lives in Sebastopol, Kalifornien) Hanne Lippard (*1984, lebt/lives in Berlin) Barbara Visser (*1966, lebt/lives in Amsterdam)

Krist Gruijthuijsen (*1980 in den Niederlanden) ist Leiter der Kunst-Werke Berlin. Krist Gruijthuijsen (*1980 in the Netherlands) is the Director of Kunst-Werke Berlin.


unttld contemporary 1,2,3 — Hreinn Fridfinnson Secrets Projekt Ausstellungsansichten/Installation views Kunstverein Amsterdam, 2015 Courtesy der Künstler/the artist Foto/Photo Tabea Feuerstein

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curated by_Krist Gruijthuijsen

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4 — Hanne Lippard Bold Tendencies, 2015 Performance, London Still aus der Videodokumentation/ Still from the video documentation 5 — Hanne Lippard 1646 Deja-You, 2014 Performance UKS, Oslo Still aus der Videodokumentation/ Still from the video documentation 6 — Hanne Lippard Blackout, 2015 Performance 6. Moskau Biennale/ 6th Moscow Biennale Still aus der Videodokumentatio/ Still from the video documentation 7 — Tamy Ben-Tor Time and Space, 2011 Videostill/Video still Courtesy die Künstlerin/the artist & Feuer/Mesler, New York

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02 Galerie Crone Wien Getreidemarkt 14 1010 Wien T +49 30 25 92 4490 galeriecrone.com 03 Kerstin Engholm Galerie Schleifmühlgasse 3 1040 Wien T +43 1 585 73 37 kerstinengholm.com 04 Galerie Ernst Hilger Dorotheergasse 5 1010 Wien T +43 1 512 53 15 hilger.at 05 Galerie Martin Janda Eschenbachgasse 11 1010 Wien T +43 1 585 73 71 martinjanda.at 06 Georg Kargl Fine Arts Schleifmühlgasse 5 1040 Wien T +43 1 585 41 99 georgkargl.com 07 Knoll Galerie Wien Gumpendorferstr. 18 1060 Wien T +43 1 587 50 52 knollgalerie.at

08 Christine König Galerie Schleifmühlgasse 1A 1040 Wien T +43 1 585 74 74 christinekoeniggalerie. com 09 Krinzinger Projekte Schottenfeldgasse 45 1070 Wien T +43 1 512 81 42 galerie-krinzinger.at 10 Krobath Wien Eschenbachgasse 9 1010 Wien T +43 1 585 74 70 galeriekrobath.at 11 Galerie Emanuel Layr Seilerstätte 2 1010 Wien T +43 1 945 17 91 emanuellayr.com 12 Mario Mauroner Contemporary Art Vienna Weihburggasse 26 1010 Wien T +43 1 904 20 04 galerie-mam.com 13 Galerie Meyer Kainer Eschenbachgasse 9 1010 Wien T +43 1 585 72 77 meyerkainer.com 14 Galerie Raum mit Licht Kaiserstraße 32 1070 Wien T +43 1 524 04 94 raum-mit-licht.at

15 Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder Grünangergasse 1 1010 Wien T +43 1 512 12 66 schwarzwaelder.at 16 Gabriele Senn Galerie Schleifmühlgasse 1A 1040 Wien T +43 1 585 25 80 galeriesenn.at 17 Galerie Steinek Eschenbachgasse 4 1010 Wien T +43 1 512 87 59 galerie.steinek.at 18 Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Seilerstätte 7 1010 Wien T +43 1 512 08 40 galeriethoman.com 19 unttld contemporary Schleifmühlgasse 5 1040 Wien T +43 1 581 01 34 unttld-contemporary.com

ADDRESSES

01 Charim Galerie Dorotheergasse 12/1 1010 Wien T +43 1 512 09 15 charimgalerie.at


163 Ausstellungsreihe Exhibitions

Herausgeber Editor

Die Publikation erscheint anlässlich des Galerienprojekts curated by_vienna, das von der Wirtschaftsagentur Wien mit seinem Kreativzentrum departure koordiniert und finanziert wird. Nach einem erfolgreichen Start im Jahr 2009 findet curated by_vienna von 9. September bis 15. Oktober 2016 zum achten Mal statt.

ARGE Österreichische Galerien

Projektinitiative und Finanzierung Project initiative and funding Die Wirtschaftsagentur Wien entwickelt mit ihrem Kreativzentrum departure den Kreativstandort Wien. Dabei werden Unternehmen der Wiener Kreativwirtschaft – von Architektur bis Multimedia – mit umfangreichen Service und Vernetzungsangeboten betreut. Initiativen wie curated by_vienna sollen Wien als Kunst- und Kreativstandort zusätzlich stärken. The Vienna Business Agency works to develop Vienna as a creative industries location with its creative center departure. It supports Viennese companies of the creative industries–from architecture through to multimedia–with comprehensive service and networking offers. Initiatives such as curated by_vienna are meant to strengthen Vienna’s position as a location for art and the creative industries.

Grafische Gestaltung Graphic design Studio Es Texte Texts Die digitale Publikation „Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht“ umfasst Texte von Diedrich Diederichsen und allen Kuratorinnen und Kuratoren von curated by_vienna 2016.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, der fotomechanischen Wiedergabe und des auszugsweisen Abdrucks, vorbehalten. All rights reserved, including those of translation, photomechanical reproduction, or selective reprinting. Mit freundlicher Unterstützung von Kindly supported by

The digital publication “Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht” contains texts by Diedrich Diederichsen and all curators of curated by_vienna 2016. © 2016 für die Texte bei den Autorinnen und Autoren for the texts by the authors © 2016 für die Abbildungen siehe entsprechende Credits innerhalb der kuratorischen Beiträge for the images see the respective credits accompanying the curatorial texts.

IMPRINT

This publication accompanies the gallery project curated by_vienna, which is coordinated and financed by the Vienna Business Agency with its creative center departure. Successfully launched in 2009, curated by_ Vienna is taking place for the eighth time from 9 September to 15 October 2016.

Redaktion Editing Manisha Jothady Alena Schmuck

Übersetzung und Lektorat Translation and Proofreading www.koerpe.com Steven Lindberg Alena Schmuck


Was bewegt Künstlerinnen und Künstler dazu, sich wieder verstärkt Vorbildern zuzuwenden und wie offenbaren sich die damit einhergehenden Hommagen, Referenzen, Zitate und Aneignungen im jeweiligen Werk? Basierend auf dem titelgebenden Essay „Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht“, den der Autor, Journalist und Kulturkritiker Diedrich Diederichsen verfasst hat, spürt die achte Ausgabe von curated by_vienna mit Ausstellungen in ausgewählten Wiener Galerien für zeitgenössische Kunst Fragen wie diesen nach. Mit dem Projekt curated by_vienna unterstützt die Wirtschaftsagentur Wien mit ihrem Kreativzentrum departure seit 2009 die Zusammenarbeit von Wiener Galerien zeitgenössischer Kunst mit internationalen Kuratorinnen und Kuratoren. What is it that prompts artists to increasingly turn towards their role models and how are the corresponding homages, references and quotations revealed in their works? Based on the eponymous essay “Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht” [My Origins? I Made Them Up] by the author, journalist and cultural critic Diedrich Diederichsen, curated by_vienna explores questions like these with exhibitions in selected Viennese galleries for contemporary art in its eighth year. curated by_vienna has been initiated and organized by the Vienna Business Agency with its creative center departure since 2009 to support cooperation between Viennese galleries and international curators.

Ausstellungsdauer/duration

Charim Galerie

Galerie Emanuel Layr

09.09–15.10.2016

Bassam El Baroni

Kari Rittenbach

curatedby.at

Galerie Crone Wien Dirk Schönberger

Mario Mauroner Contemporary Art

Kerstin Engholm Galerie

Luigi Fassi

Heike Munder

Galerie Meyer Kainer

Galerie Ernst Hilger

Susanne Titz

Luis Pedro Miret Perez

Galerie Martin Janda

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder

Jacopo Crivelli Visconti

Chris Sharp

Galerie Raum mit Licht

Georg Kargl Fine Arts

Æsa Sigurjónsdóttir

Maria Arusoo

Gabriele Senn Galerie

Knoll Galerie Wien

Cosima von Bonin

Edit Sasvári

Galerie Steinek

Christine König Galerie

Michel Blancsubé

Giulia Ferracci

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman

Krinzinger Projekte Diana Campbell Betancourt

Dieter Buchhart & Anna Karina Hofbauer

Krobath Wien

unttld contemporary

Bettina Steinbrügge

Krist Gruijthuijsen


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