White Paper
Lifestyle Advertising Veränderung der Kommunikation im neuen konvergenten Medienzeitalter
Auftraggeber: departure wirtschaft, kunst und kultur gmbh Autorin: Dr. Karoline Simonitsch VerĂśffentlichung: Juli 2007
Medienpartner:
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis Einleitung und Zielsetzung Executive Summary
....................... 4
.............................. 7
Status Quo
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Die Medienbranche im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Diversifizierung durch Medienkonvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Web 2.0 revolutioniert das klassische Medienmodell. . . . . . . . . . . 18
Lifestyle Advertising. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Was bedeutet Lifestyle Advertising? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Die Player im „Konzept“ Lifestyle Advertising . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Auswirkungen von Lifestyle Advertising auf unternehmerische Strukturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Neue Werbe- und Vermarktungsformen und ihre Auswirkungen auf das Marketing . . . . . . 31 Mobile Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Virales Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Communities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Social Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Das Zusammenspiel zwischen Lifestyle Advertising, Marketing und Marken . . . . . . . . . . . . . 37 Entwicklung innovativer Geschäftsideen
. . . . . . . . 43 Business Mashups etablieren sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 In-Game Advertising: ein aktueller Trend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Auftraggeber und Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Gastkommentare. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Lifestyle Advertising
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Einleitung und Zielsetzung Die Konvergenz der Medien1 beeinflusst die Marktverhältnisse und Wertschöpfungsprozesse nachhaltig. Technische Neuerungen und geänderte Kundenbedürfnisse erweitern einerseits die Produktionsund Vermarktungsmöglichkeiten der Medienunternehmen, bieten gleichzeitig die Chance einer gezielteren Positionierung von Marken, bedrohen jedoch andererseits einige Branchenteilnehmer in ihrer Existenz. Die Märkte und deren unterschiedliche Teilnehmer, Verflechtungen, Produkte und Kundenbedürfnisse werden immer komplexer. Viele, der vorhandenen Studien und Untersuchungen betrachten lediglich einzelne Marktsegmente. Publikationen, welche die aktuellen Veränderungen in der Kommunikationsbranche in einem voneinander abhängigen und sich gleichzeitig wechselseitig beeinflussenden Zusammenhang analysieren, sind rar. Das vorliegende White Paper wurde von departure in Auftrag gegeben, um diese Lücke zu schließen, erstmalig eine „Standortbestimmung“ zu ermöglichen und einen relevanten Überblick über die wichtigsten Rahmenbedingungen und aktuellen Entwicklungen zu schaffen. Mit dem im Herbst/Winter 2007 stattfindenden Themencall „Lifestyle Advertising – Veränderung der Kommunikation im neuen konvergenten Medienzeitalter“ nimmt departure die Ergebnisse dieses White Papers zum Anlass, Unternehmen durch gezielte Wirtschaftsfördermaßnahmen dabei zu unterstützen, bestehende Geschäftsmodelle zu hinterfragen und die zahlreichen Möglichkeiten der Medienkonvergenz aufzugreifen, diese in die Unternehmensabläufe, -konzepte und -strategien einzubinden und Geschäftsmodelle für die Zukunft zu entwickeln.
1 Medienkonvergenz bezeichnet das Zusammenwachsen und Verschmelzen vormals getrennter Kommunikationsbereiche bzw. Mediengattungen.
Einleitung und Zielsetzung
blog.departure.at
5 Ausgehend von diesem White Paper tritt departure mittels eines themenspezifischen Blogs mit Kreativen und Unternehmen der Kommunikationsbranche, die damit auch ganz konkret als Zielgruppe des Themencalls angesprochen werden sollen, in Interaktion. Das White Paper gibt in Kapitel 1 Einblick in aktuelle Entwicklungen und beleuchtet die durch die Konvergenz der Medien entstandene Diversifizierung: Nutzungsverlagerungen innerhalb der Medien bringen neue Konkurrenz, Web-2.0-Entwicklungen revolutionieren das klassische Medienmodell. Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Fragestellung: Was bedeutet „Lifestyle Advertising“? und beschreibt ausgewählte Player innerhalb dieses „Konzepts“ und die Auswirkungen auf unternehmerische Strukturen. Neue Werbe- und Vermarktungsformen verändern das Marketing. Mobile Marketing, Virales Marketing und Communities werden in ihren aktuellen Ausprägungen und Entwicklungen in Kapitel 3 – untermauert durch Anwendungsbeispiele – angeführt. Daneben wird auch auf aktuelle Entwicklungen wie „Social Commerce“, welche Veränderungen des gesamten Handels bedeuten können, eingegangen. Das Kapitel 4 ist dem Zusammenspiel zwischen Lifestyle Advertising, Marketing und Marken gewidmet. Das Zusammentreffen der aktiven „User 2.0“ mit den umfangreicheren Möglichkeiten des „Web 2.0“ sorgt für Innovationsdynamik. Anhand ausgewählter Beispiele, Business Mashups und In-Game Advertising, werden in Kapitel 5 innovative Geschäftsideen und Trends beschrieben und so wird der Bogen zu „Lifestyle Advertising“ und Veränderung der Kommunikation im neuen konvergenten Medienzeitalter gespannt. Gastkommentare namhafter Experten und aktuelle BranchenBeispiele ergänzen die jeweiligen Kapitel. Norbert Kettner, Geschäftsführer departure
Executive Summary
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Executive Summary
Die Medienbranche im Umbruch
Das neue „MitmachWeb“ zeigt massive Auswirkungen auf das Nutzerverhalten.
Es wird viel über den Niedergang der traditionellen Medien gesprochen. Die Digitalisierung setzt Printmedien unter Druck: Verkaufszahlen sinken, Anzeigenpreise fallen, Werbung, Kleinanzeigen und Stellenmärkte wandern ins Internet ab. Auch das Medium Fernsehen muss hart um Zuschauer und Werbekunden kämpfen. Deutsche Bank Research sieht die Medienwirtschaft vor dem „größten Umbruch seit Gutenberg“.2 Allen Playern der Medienbranche gemeinsam ist die fieberhafte Suche nach geeigneten Strategien für das digitale Medien-Zeitalter.3 Der Kampf um die Gunst des Kunden hat eine neue Dimension erreicht. Die Angebotsvielfalt führt beim Konsumenten zu nachlassender Loyalität und zunehmender Fluktuation in der Mediennutzung.
Konvergenz der Medien
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Deutsche Bank Research: Medienwirtschaft vor größtem Umbruch seit Gutenberg. Der Medienkonsument auf dem Weg zum Medienmacher. 12. September 2006, http://www.dbresearch.de/ Neue Lust auf Medien, http://www.faz.net, 19. Mai 2007
Was noch vor zehn Jahren unvorstellbar war, wird nun im Fachjargon „Konvergenz der Medien“ genannt. Gemeint ist damit das Zusammenwachsen und Verschmelzen vormals getrennter Kommunikationsbereiche bzw. Mediengattungen, von Print- über Online-Medien bis zu Film und Fernsehen – mit Hilfe digitaler Technik. Konvergenz wird in den kommenden Jahren zu einer ungeahnten Diversifizierung der Medienangebote führen.
Lifestyle Advertising
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„Web 2.0“ ist ein international breit diskutiertes Phänomen. Dabei bleiben allerdings der Begriff „Web 2.0“ und die damit tatsächlich einhergehenden Entwicklungen und Möglichkeiten eher unscharf.4 Hinter dem Schlagwort verbergen sich vor allem Angebote, deren Inhalte von den Usern selbst erstellt werden. Fest steht: Im „neuen“ Internet steht der Nutzer im Mittelpunkt. Im „Mitmach-Web“ findet eine Transformation des passiven Internet-Nutzers zum aktiven Gestalter statt. Web 2.0 ist keine neue „Version“ des Netzes, wie der Begriff vielleicht suggerieren könnte, sondern eine Metapher für einen evolutionären Wandel. Gleichzeitig steht Web 2.0 auch für eine neue Art der User mit dem Netz umzugehen, neue Ansätze in der Webtechnologie und einen neuen Zugang zum breiten Wirtschaftsfeld „World Wide Web“.5 Web 2.0 revolutioniert das klassische Medienmodell und zeigt dabei zwei Hauptauswirkungen: • Information fließt nun bidirektional zwischen Medienkonsument und Medienmacher • Der Informationsfluss bietet neue Chancen für vertrauenswürdige Marken Die Konvergenz der Medien weicht die Grenzen zwischen Inhalt, Werbung, Distribution und Konsument auf. Das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) rät Werbetreibenden daher, anstatt sich entlang segmentierter „Lifestyles“ des Massenpublikums zu positionieren, sich künftig darauf zu konzentrieren, ihre Marken als Teil individueller Lifestyles zu integrieren.
Was bedeutet Lifestyle Advertising? Lifestyle Advertising sieht eine dynamische, interaktive und kontinuierliche, Real-Time-Kommunikation mit Konsumenten vor. Also Werbung, die Kundenfeedback, beispielsweise in Online-Diskussionsforen, Chat Rooms, Blogs, Kunden-Review-Foren und sozialen Netzwerken in einem andauernden und interaktiven Dialog ermöglicht. Bezug nehmend auf PwC sind die drei Grundprinzipien von Lifestyle Advertising „relevance“, „engagement“ und „trust“.6
“Lifestyle Advertising is personalized, participatory and socially interactive.”
Im Grunde nichts Neues, denn diese Prinzipien waren und sind fundamentale Werte und Ziele der Werbeindustrie. Jedoch hat sich das Umfeld, in dem Marken und Strategien gebildet und beworben werden, durch die Medienkonvergenz signifikant verändert – und damit auch die Anforderungen an Werbung. 4
Die Bedeutung informeller Kommunikation der Konsumenten untereinander steigt stetig. Ein immer größerer Anteil dieser Kommunikation wird über das Internet abgewickelt. Mundpropaganda prägt die Wahrnehmung der meisten Marken. Konsumenten orientieren sich bei wichtigen Kaufentscheidungen an ihrem Umfeld.
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Web-Reloaded? Driving convergence in the „real world“, Seite 6ff, Oktober/November 2006, Arthur D. Little, http://www.adl.com Mash Up Your Business! Der Web 2.0 Report, 2007, Seite 3, Z_punkt GmbH The Foresight Company, http://www.z-punkt.de/ How to capitalize on Lifestyle Advertising in a customercentric world (2007), PwC Advisory, Seite 22ff, http://www.pwc.com/us/advisory
Executive Summary
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Lifestyle Advertising im Medienmarkt
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Quelle: How to capitalize on Lifestyle Advertising in a customer-centric world, PricewaterhouseCoopers LLP., San Jose, USA, Seite 19; www.pwc.com/us/advisory
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Lifestyle Advertising
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Im konvergenten Medienmarkt sind neben dem Konsumenten u.a. folgende Hauptakteure zu identifizieren: • Werbeagenturen • Content Provider • Medien-Distributoren • Applikations- und Formatentwickler
„thematischen Zielgruppe“ verspricht hohe Kontaktqualität mit reduzierten Streuverlusten. Wem es gelingt, eine Fan-Community für sein Produkt aufzubauen bzw. zu identifizieren, generiert einen Pool von Multiplikatoren und kann das Produktwissen der Community in die Produktion einfließen lassen und deren Wünsche analysieren.
Die Wertschöpfung in der Medienindustrie steht vor einem dramatischen Wandel. Die Schnittstellen, an denen Kommunikationsdienste nachgefragt werden, haben sich vervielfacht.
Marketing und Kommunikation sollten diese neuen Entwicklungen aufgreifen, deren Potentiale ausschöpfen und gezielt für das Markenmanagement einsetzen.
Um Lifestyle Advertising umzusetzen, sind neue strategische Ausrichtungen und Veränderungen der Unternehmen notwendig. Wollen Unternehmen von den sich bietenden Möglichkeiten profitieren, müssen sie in enge Interaktion mit ihren Konsumenten treten, deren Bedürfnisse kennen lernen und diesen nachkommen. „User“ werden darüber hinaus zum wertvollen Partner und in vielfacher Weise in unternehmerische Wertschöpfungsketten eingebunden. Dieser dynamische Prozess des Lifestyle Advertising: Listen – Evaluate –Respond erfordert Interaktivität zwischen bislang separaten Geschäftsbereichen und einen kontinuierlichen Prozess innerhalb des Unternehmens.
Unter „Social Commerce“ (Empfehlungshandel) wird eine konkrete Ausprägung des elektronischen Handels verstanden, bei der die Interaktion und persönliche Beziehung der Kunden untereinander im Vordergrund stehen. Als zentral können Beteiligungen der Kunden an Produktentwicklung, Verkauf und/ oder Marketing z.B. über Kaufempfehlungen oder Kommentare (Recommendations) anderer Kunden gesehen werden. Diese Entwicklung bietet auch neue Konzepte für den traditionellen Handel.
Mobile Marketing wird in der einschlägigen Berichterstattung zurzeit gepriesen wie das Internet Ende der 90er Jahre.7 Hieraus lässt sich ein großer Marketingtrend der nächsten Jahre ableiten. Mobile Endgeräte haben sich längst zum Massenmedium entwickelt. Das Web entfaltet immer stärkere Ortsbezüge. Die „Renaissance des Ortes“ wird für die weitere Entwicklung des Webs von fundamentaler Bedeutung sein. Was, wo und wann passiert und/oder zu finden ist, wird zu einer bedeutenden Größe. „Locationbased advertising“-Modelle könnten sich positiv auf die Entwicklung von Mobile Marketing auswirken.
Starke Marken können im Internet selbst zum „Sender“ werden, wenn sie kraftvoll genug sind, im harten Unternehmenswettbewerb wahrgenommen zu werden. Zeit und Aufmerksamkeit des Users reichen nicht mehr aus, um das im Internet verfügbare Angebot auch tatsächlich noch zu überblicken. „Findability“ wird zum Erfolgsfaktor des Marketing.
Virales Marketing bezeichnet einen Mechanismus, der vergleichbar einem „Virus“ eine Botschaft verbreitet. Der Empfänger der Marketing-Message soll motiviert werden, diese an Freunde, Bekannte oder Kollegen weiterzugeben. Die Erfolgsstory solcher Konzepte deutet auf erhebliches Potential hin. Mit Web 2.0 hat Community-Marketing die Chance, das bisher bekannte Zielgruppen-Marketing abzulösen. Die fokussierte Ansprache einer
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Mobile Werbung gewinnt Anhänger, Handelsblatt Print-Ausgabe, 12. Juni 2007, Seite 20
Executive Summary
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Entwicklung innovativer Geschäftsideen Das Zusammentreffen des aktiven „User 2.0“ mit den umfangreicheren Möglichkeiten des „Web 2.0“ sorgt für eine intensive Innovationsdynamik. Es werden dabei ökonomische Kräfte wirksam, die Branchen und Geschäftsfelder zu einer grundlegenden Neuausrichtung zwingen. Der Z_punkt-Web-2.0-Report betont hierzu vier wichtige Charakteristika von „Business 2.0“: 1. Mikromärkte im „Long Tail“ werden profitable Geschäftsfelder. 2. Netzwerkeffekte sorgen für eine anhaltend starke Konzentration auf wenige Plattformen. 3. Kollektive Intelligenz wird zur wichtigen Produktivkraft. 4. Virale Architekturen sorgen für eine rapide Verbreitung neuer Angebote.
Business Mashups etablieren sich Die Grundidee von „Mash Up Your Business“ ist relativ einfach: Verbinde die Angebote von zwei oder mehr Unternehmen so intelligent, dass daraus ein neues Produkt mit überzeugendem Mehrwert für den Konsumenten entsteht.
Zunehmende Bedeutung starker Marken.
Ein prominentes Beispiel ist die Kooperation zwischen Apple und Nike, um Laufschuhe mit dem iPod zu einem Trainingstool zu verbinden.8 Hier sehen wir ein Business Mashup auf drei Ebenen: auf Ebene des Produktes, der Marke und des (gemeinsamen) Marktzuganges. Mit Business Mashups können Innovationen schneller und effizienter umgesetzt werden. Dabei geht es vor allem um den Konsumenten, dessen Lebenswelt nicht an Produkt-, Markt- oder Unternehmensgrenzen halt macht. Echter Kunden-Mehrwert entsteht nicht nur durch neue Produkte, sondern auch oder gerade durch die gekonnte Verknüpfung von Angeboten. Die Umsetzung von Lifestyle Advertising erfordert Kooperationen zwischen allen Beteiligten. Vom innovativen Applikations- und Formatentwickler über Werbeagenturen und Werbetreibende zu Contentproduzenten und Distributoren etc. und benötigt gleichzeitig neue Methoden zur Werbeerfolgskontrolle und –messung.
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http://www.apple.com/de/ipod/nike/
Kapitel 1 – Status Quo
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Status Quo
Die Medienbranche im Umbruch Es wird viel über den Niedergang der traditionellen Medien gesprochen: Die Digitalisierung setzt Printmedien unter Druck: die Verkaufszahlen sinken, Anzeigenpreise fallen, Werbung, Kleinanzeigen und Stellenmärkte wandern ins Internet ab. Auch das Medium Fernsehen muss hart um Zuschauer und Werbekunden kämpfen. Deutsche Bank Research sieht die Medienwirtschaft vor dem „größten Umbruch seit Gutenberg“.9 Allen Playern der Medienbranche gemeinsam ist die fieberhafte Suche nach geeigneten Strategien für das digitale Medien-Zeitalter.10 Der Kampf um die Gunst des Kunden hat eine neue Dimension erreicht. Gravierende Auswirkungen sind vor allem im Printund Fernsehmarkt zu spüren.
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Deutsche Bank Research: Medienwirtschaft vor größtem Umbruch seit Gutenberg. Der Medienkonsument auf dem Weg zum Medienmacher. 12. September 2006, http://www.dbresearch.de/ 10 Neue Lust auf Medien, http://www.faz.net, 19. Mai 2007
Die neue Angebotsvielfalt führt beim Konsumenten zu nachlassender Loyalität und zunehmender Fluktuation in der Mediennutzung. Bewährte, langjährige Geschäftsmodelle werden sich daher zugunsten neuer, komplexer und unbeständiger Geschäftsmodelle verändern. Dies wird auch Auswirkungen auf die klassischen, medienübergreifenden Säulen der Refinanzierung durch Nutzungsentgelte und Werbeerlöse zeigen. Ein tiefgehendes Umdenken der Medienbranche ist erforderlich. Die damit einhergehende Unsicherheit ist nur eine der zahlreichen Begleiterscheinungen.
Lifestyle Advertising
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Veränderung in der Medienlandschaft an Hand der Beispiele TV, Internet und Werbewirtschaft Der Medienkonsum im Fernsehen ist von einem zeitlich starren Programmablauf, dem zufälligen Finden, Verweilen und Zappen geprägt. Je limitierter und unflexibler das Zeitbudget des Zusehers ist, desto stärker wird er auch inhaltlich eingeschränkt. Dadurch scheint Fernsehen zunehmend unattraktiv zu werden. Elektronische Programmführer, digitale Videorekorder, Video on Demand oder Handy-TV zeigen jedoch bereits jetzt künftige Entwicklungsrichtungen des Fernsehens auf. Die digitale Konvergenz fördert die Divergenz des Medienkonsums.11 Wesentliche Determinanten des Fernsehkonsums von morgen sind zeitliche Souveränität und selektive Nachfrage nach Inhalten. Im Gegensatz zur TV-Welt, die eine klare Trennung von Produzent und Konsument kennt, ist im Internet der Unterschied zwischen Produzieren und Konsumieren von Information graduell. IBM wendet zur Darstellung der relevanten Entwicklungen des Medien-Konsums im Internet ein Modell an, das die Dimensionen „Mitwirkung“ und „Content-Typen“ gegenüberstellt. Die Nutzer mussten lange eine Entweder-oder-Entscheidung zwischen dem Grad ihrer Mitwirkung und der „Content-Richness“ treffen. Dies hat sich in den letzten Jahren durch die erweiterten technischen Möglichkeiten, sowohl bei der Übertragungsbandbreite als auch der inzwischen multimediafähigen Ausstattung von PCs und mobilen Endgeräten, grundlegend geändert.
Banner und Videos, mit denen meist Marken und Images beworben werden) erweitert. DoubleClick hält darüber hinaus gute Beziehungen zu vielen Online-Vermarktern und –Werbeagenturen in den USA und versorgt große Portale wie Time Warners AOL und News Corps MySpace mit Anzeigen. In den USA versteigert Google mittlerweile Werbung in allen Medien. Der einstige Web-Liebling Google erscheint vielen Medien- und Internetunternehmen mittlerweise als bedrohlich. So warnt sogar Microsoft vor einem Google-Monopol. Die heimische Werbebranche erwartet hingegen keine großen Auswirkungen auf den österreichischen Markt. Doch Googles Einstieg in die klassische Online-Werbung lässt die Branche keineswegs kalt.12 Kampflos wollen sich die Medienkonzerne dem umtriebigen kalifornischen Unternehmen jedoch nicht ergeben. „Wir betrachten die Werbevermarktung neben dem Programm als unsere Kernkompetenz“, sagt Anke Schäferkordt, Chefin der deutschen RTL-Senderfamilie. „Der direkte Kontakt zu den Kunden ist für uns essenziell“.13
Die seit Jahren etablierte Macht der Medienkonzerne steht auf dem Spiel. Denn Unternehmen wie beispielsweise Google wachsen nicht nur rasant, sondern entwickeln sich immer stärker zu Werbeunternehmen. Mit der Versteigerung von Werbeanzeigen und –spots stellt Google das traditionelle Geschäftsmodell der Branche auf den Kopf und dringt mit seinem Auktionssystem auch in Geschäftfelder von Fernsehen, Radio, Printmedien und Mediaagenturen vor. Durch die 3,1 Mrd. US-Dollar teure Übernahme des Online-Vermarkters DoubleClick hat Google sein Portfolio um ein florierendes Werbegeschäft für so genannte Display-Ads, (grafische Anzeigen wie
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Konvergenz oder Divergenz? Erwartungen und Präferenzen der Konsumenten an die Telekommunikations- und Medienangebote von morgen, IBM Gobal Business Services, 2006, Seite 6 12 ‚Was Google mit DoubleClick anfängt’, http://futurezone.orf.at, 17.04.2007 13 ‚Und nun … Reklame’, http://www.ftd.de, 20.04.2007
Kapitel 1 – Status Quo
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Quelle: Konvergenz oder Divergenz? IBM Global Business Services, Strategy & Change, Seite 20
Lifestyle Advertising
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Diversifizierung durch Medienkonvergenz
Digitale Konvergenz ist der Motor für vielfältige Veränderungen im wirtschaftlichen und sozialen Leben. Ende der 90er Jahre schon einmal in aller Munde, schien die digitale Konvergenz nach dem Zusammenbruch vieler so genannter dot.com-Unternehmen dem Untergang geweiht. Aktuell ist das Streben nach dem Zusammenwachsen unterschiedlichster Kommunikationsmittel und –formen lebendiger denn je.
Digitale Konvergenz als Motor für Veränderung.
Konvergenz ist ein vielfach verwendeter Begriff, der im engeren Sinnzusammenhang die Integration von Computer-, Telefon- und Fernsehtechnologien in ein digitales Umfeld bedeutet und für das Zusammenwachsen bisher getrennter Einzelmedien sowie Informations- und Kommunikationstechnologien im Zuge der Digitalisierung steht.14 Damit verbunden ist die Möglichkeit, Angebote auf unterschiedlichen, technischen Übertragungswegen nahezu beliebig miteinander zu verknüpfen und auch Inhalte auf eine zum Teil völlig neuartige Weise zu gestalten. Hier zeichnen sich Entwicklungen ab, die auf einer inhaltlichen und einer technischen Ebene stattfinden. Auf inhaltlicher Ebene bezieht sich Medienkonvergenz in erster Linie auf die Vermarktung medialer Angebote. Zu einem Kinofilm werden beispielsweise zuerst der Soundtrack, dann das begleitende Computerspiel und die DVD veröffentlicht. Derartige, zeitlich nacheinander abfolgende Vermarktungsketten sind schon lange die Regel. Neu hingegen ist die zeitgleiche Präsentation eines Inhaltes in verschiedenen Medien. Beispielsweise werden Trailer von Spielfilmen speziell für mobile Endgeräte produziert. Für diese Entwicklung wird häufig der Begriff „Crossmedia“ bzw. crossmediale Vermarktung verwendet. Zentral ist dabei die strategische Planung und Verbreitung eines Medieninhaltes, der etabliert und verkauft werden soll. Kennzeichnend für diese Form der Mehrfachvermarktung sind Verweisstrukturen, die innerhalb und zwischen den einzelnen Medienangeboten bestehen. Große Bedeutung kommt hier dem Internet und dessen Verbreitung zu. Unterschiedliche Angebote in Text, Bild und Ton können zeit- und ortsunabhängig präsentiert und entsprechend vermarktet werden.
Die Zukunft hat schon längst begonnen!
14
Deutsche Bank Research: Am Beginn der technologischen Konvergenz, 30. März 2006, http://www.dbresearch.de/
Kapitel 1 – Status Quo
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Quelle: Eigene Darstellung
Auf technischer Ebene bezieht sich Medienkonvergenz auf das Verschmelzen verschiedener Einzelmedien (Mobiltelefon, Kamera, MP3-Player etc.) in ein gemeinsames Endgerät. Die Devise scheint zu lauten: Jedes Gerät muss alles kĂśnnen, es soll Technologien ebenso wie inhaltliche Angebote - und damit verbunden - auch Kommunikationsvorgänge bĂźndeln. Basis fĂźr diese Entwicklung bildet die Digitalisierung von Daten, wodurch Schrift, Ton und Bild auf einem Ăœbertragungsweg Ăźbermittelt werden kĂśnnen. Der Computer gilt in diesem Zusammenhang als das „Multimediagerät“ schlechthin, da er gleichzeitig Arbeits-, Informations- und Unterhaltungsmedium darstellt. Daneben gewinnt auch der mobile und exible Einsatz von immer komplexer werdenden Mobilfunkendgeräten zunehmend an Bedeutung. Konvergenz wird in den kommenden Jahren zu einer ungeahnten DiversiďŹ zierung der Medienangebote fĂźhren. Beispiele dafĂźr sind IPTV, bei dem Fernsehund Internettechnologien zusammenwachsen, oder das so genannten Triple-Play, die Verbindung von Telefonie, Fernsehen und Internet. Wird dieses Angebot um mobile Dienste erweitert, spricht man von Quadruple-Play.
TV-Programme kĂśnnen per TV-Karten, USB-Boxen oder PCMCIA-Karten mit dem Computer empfangen werden, Telekommunikations-Unternehmen bieten Fernsehprogramme mittels DSL an. Printmedien machen Inhalte im Internet verfĂźgbar und versorgen ihren Kunden mit aktuellen Nachrichten am Mobiltelefon. Projekte wie „Handy-TV“ kombinieren digitale Rundfunkverbreitung (DVB-H) mit UMTS-Netzen, so dass zukĂźnftig auch komplette Fernsehangebote mit mobilen Endgeräten abgerufen werden kĂśnnen. Die Fernsehwirtschaft arbeitet am Ausbau digitaler TV-Netze, die Filmindustrie setzt auf die Digitalisierung des Kinos. Fernsehangebote, interaktive Spiele oder Kultur- und StadtfĂźhrer auf dem Handy belegen ein Zusammenwachsen von Individual- und Massenkommunikation. Medien sind heute Teil der zunehmend komplexer werdenden Kommunikationsindustrie, die ein wesentlicher Motor jeder Volkswirtschaft ist.
Lifestyle Advertising
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Web 2.0 revolutioniert das klassische Medienmodell
„Web 2.0“ ist ein international breit diskutiertes Phänomen. Dabei bleiben allerdings der Begriff „Web 2.0“ und die damit tatsächlich einhergehenden Entwicklungen und Möglichkeiten eher unscharf.15 Hinter dem Schlagwort verbergen sich vor allem Angebote, deren Inhalte von den Usern selbst gepflegt werden. Fest steht: Im „neuen“ Internet steht der Nutzer im Mittelpunkt. Im „Mitmach-Web“ findet eine Transformation des passiven Internet-Konsumenten zum aktiven Gestalter statt.
Das neue „MitmachWeb“ zeigt massive Auswirkungen auf das Nutzerverhalten.
Mit der wachsenden Anzahl an Internetnutzern und neuen verfügbaren Web-Services wächst auch der Bedarf an schneller Datenübertragung. Die Verfügbarkeit preiswerter, schneller Internetzugänge wirkt sich auch auf das Nutzerverhalten aus. Durch die starke Bindung an das Internet als KommunikationsPlattform – sowohl inhaltlich als auch gemessen an den Zeitbudgets – erhöht sich der Konkurrenzdruck für andere Medien.16 Während Internetsurfer früher in erster Linie passive Konsumenten von, durch Medienanbieter produzierten, Inhalten waren, sind sie mittlerweile sowohl aktive Produzenten als auch Rezipienten von Inhalten. Dabei wollen die Nutzer selbst entscheiden, wann, wo und in welcher Form sie ausgewählte Inhalte konsumieren. Das Internet wird nicht mehr nur als Informationsquelle genutzt, sondern erfüllt vermehrt auch soziale Bedürfnisse.
Veränderung der Mediennutzung, des Medienkonsums als Bedrohung und Chance zugleich.
Besonders beliebt unter Web-2.0-Anwendungen sind so genannte Weblogs, deren Zahl sich weltweit täglich erhöht. Hier entsteht eine „qualifizierte Gegenöffentlichkeit“, die das Potenzial hat, die Zukunft des Journalismus nachhaltig zu verändern. Denn die Professionalisierung der „Blogosphäre“ hat bereits begonnen.17 15
Der Hype, der gegenwärtig um Web 2.0 stattfindet, wird sich legen, das Phänomen wird bleiben und an Bedeutung gewinnen. Web 2.0 ist keine neue „Version“ des Netzes, wie der Begriff vielleicht suggerieren könnte, sondern eine Metapher für einen evolutionären Wandel. Gleichzeitig steht Web 2.0 jedoch für eine veränderte Art der User
Web-Reloaded? Driving convergence in the „real world“, Seite 6ff, Oktober/November 2006, Arthur D. Little, http://www.adl.com 16 „Web 2.0“ – Eine Begriffsdefinition und eine Analyse der Auswirkungen auf das allgemeine Mediennutzungsverhalten, result gmbH, 1. Februar 2007 17 Interaktive Trends 2006/2007, Jahrbuch Deutscher Multimedia Award: Nichts ist beständiger als der Wandel im Internet, Seite 9ff
Kapitel 1 – Status Quo
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Die „Begriffswolke“ um Web 2.0
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Quelle: http://blog.aperto.de/2005/11/
mit dem Netz umzugehen, fĂźr neue Ansätze in der Webtechnologie und fĂźr einen neuen Zugang zum breiten Wirtschaftsfeld „World Wide Web“.18 Web 2.0 revolutioniert das klassische Medienmodell und zeigt dabei zwei Hauptauswirkungen: • Information ieĂ&#x;t nun bidirektional zwischen Medienkonsument und Medienmacher • Informationsuss als Chance fĂźr vertrauenswĂźrdige Marken
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Mash Up Your Business! Der Web 2.0 Report, 2007, Seite 3, Z_punkt GmbH The Foresight Company, http://www.z-punkt.de/
Infolge der Individualisierung, Personalisierung und Interaktivität des Internets sollten Unternehmen ihr Kommunikations- und Distributionsverhalten grundsätzlich ßberdenken. Von der Sozialisierung des Webs sind alle Unternehmen betroffen, die direkt mit Kunden interagieren und kommunizieren. Viele etablierte Unternehmen, aber auch ganze Branchen werden sich vollkommen neu positionieren mßssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Lifestyle Advertising
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Gastkommentar von Frank Mackenroth, Partner Entertainment & Media Leader Advisory Germany PricewaterhouseCoopers AG, Deutschland
Werbung ist eine tragende Säule für die Refinanzierung von Medien. Diese Säule bröckelt nicht, aber sie verändert sich stark. War Werbung bislang mehr oder weniger eine Einbahnstraße zwischen Sender und Empfänger, eröffnen sich durch technische Entwicklungen und – noch wichtiger – entsprechende Rezeption dieser im Nutzerverhalten, völlig neue Möglichkeiten hin zu einem dynamischen Dialog zwischen vielen Sendern und Empfängern. Das ist die neue Spielwiese des ‚Lifestyle Advertising’!
Insbesondere aber ist der Werbeanteil im rasant wachsenden Internet nur halb so hoch wie die zugehörige zeitliche Nutzung. Gerade in diesem Bereich ergibt sich aufgrund der Interaktivität der größte Bedarf für ‚Lifestyle Advertising’.
Konsumenten sind anspruchsvoll: Sie wollen informiert oder unterhalten werden, sie wollen – nicht immer, aber immer öfter – aktiv teilnehmen, statt nur berieselt zu werden. Werbung muss hierauf eingehen, indem sie zu einem Dialog einlädt, der für die Nutzer ‚nützlich’, sprich relevant, ist. Wie entsteht Die Konvergenz der Medien geht weit über Dialog? Dialog bedeutet, mitzumachen, sich die Verlinkung von Hardwareplattformen und zugehörigen Anwendungen hinaus, viel- in Foren, Blogs usw. zu artikulieren und einmehr führt sie auch dazu, dass im Nutzungs- zubringen. Dieser Prozess unterliegt permaverhalten die Grenzen zwischen Broadcaster nenten Veränderungen und erneuert sich und Konsument und beim Content zwischen fortlaufend. Meinungen und Versprechungen werden rigoros auf den Prüfstand gestellt Inhalten und Advertising verschwimmen. und müssen sich im Meinungsmarkt ständig „Broadcast Yourself“ (YouTube Claim) oder „Media Yourself“ (Motto der Medientage Mün- behaupten. Irrtümer oder Fehler werden realtime erkannt, falsche Versprechungen werchen 2007) beschreiben diese Ambivalenz, bei der jeder gleichzeitig Nachfrager und An- den schonungslos entlarvt. bieter ist. Dies stellt auch die Werbetreibenden vor neue höhere Anforderungen an ihren DiaDamit verändern sich die Erwartungen an log mit dem Publikum. Der Fokus von Werdie Nutzung von Medien: Medienkonsum bung im Speziellen und die Kommunikation findet passgenau eingebettet in die unterschiedlichsten Lebenswelten statt (‚Lifestyle der hinter den Werbebotschaften stehenden Media’), die Nutzer interagieren miteinander Organisationen im Allgemeinen müssen sich hierauf ausrichten. Sie müssen ihr Ohr dicht und machen gleichzeitig ihre individuellen am Nutzer haben, denn Schwerpunkte, TheInteressen transparent. Die Werbemärkte hinken der veränderten Mediennutzung hin- men und Vorlieben werden sich aufgrund der Einbeziehung einer großen Zahl von terher. So halten z.B. Printprodukte, deren Anteil am Zeitkonsum auf deutlich unter 10 Menschen laufend und schnell verändern. Prozent gesunken ist, immer noch einen An- Sich artikulieren zu können, ist lediglich eine teil am Werbemarkt von rund einem Drittel. Seite der Medaille, genauso wichtig wird das
Kapitel 1 – Status Quo
Zuhören sein. Dies alles stellt gerade auch Organisationen vor große Herausforderungen und geht weit über die Werbung hinaus, wird vielmehr auch in ihre Abläufe und Organisationsschemata weit reichend eingreifen. Wer frühzeitig Trends erkennt, wird den Ton angeben und die Agenda nachhaltig bestimmen. Vor allem aber ist Glaubwürdigkeit die entscheidende Währung in dieser neuen Kommunikationswelt: Klare Konturen, Verlässlichkeit, ‚Accountability’ und Lernfähigkeit werden daher für die Beurteilung und Orientierung an Bedeutung gewinnen. Was hilft hierbei? Um in einem stetig wachsenden Medienangebot ihren Platz zu finden, müssen Medien sich klar und eindeutig positionieren und präsentieren. Die Bedeutung von Medienmarken wird deshalb deutlich steigen, weil Marken eine wesentliche Orientierungshilfe sind. Dies betrifft langjährig bestehende Marken genauso wie junge, im Entstehen begriffene Marken. Neben der Bedeutung der Marken per se wird daher der gesamte Bereich des Markenmanagements in Zukunft noch wichtiger werden. Noch sind wir im frühen Stadium des Phänomens „Mitmach-Web“ und viele Fragen sind unbeantwortet bzw. werden sich nur durch ‚trial and error’ beantworten lassen. Experimentierfreudigkeit, Schnelligkeit in der Erkenntnis und der Umsetzung werden insbesondere auch für große und größte Organisationen, für die Werbung eine erhebliche Bedeutung hat, wesentliche Erfolgsfaktoren sein und diese Unternehmensorganisationen und ihre Verhaltensmuster nachhaltig verändern. Gerade bei innovativen neuen Werbeformen
21
sind neugegründete, kleine Unternehmen gegenüber den tradierten Marktteilnehmern vielfach federführend. Sie haben daher die Chance, maßgeblich neue Trends mitzugestalten. Partnerschaften werden daher wichtiger werden, nicht nur zwischen den Großen und den Kleinen untereinander, sondern gerade auch zwischen den Großen und den Kleinen. Solche Partnerschaften führen dazu, dass innovative Ideen schnell ihren Weg in die etablierte Welt finden und tragen dazu bei, dass es zu Verschiebungen bei tradierten Wertschöpfungsprozessen und den daran Beteiligten kommen wird.
Kapitel 2 – Lifestyle Advertising
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Lifestyle Advertising Die Konvergenz der Medien weicht die Grenzen zwischen Inhalt, Werbung, Distribution und Konsument auf. Das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) rät Werbetreibenden daher, anstatt sich entlang segmentierter „Lifestyles“ des Massenpublikums zu positionieren, kĂźnftig ihre Marken als Teil individueller Lifestyles zu integrieren.
Mash Up The Message: Lifestyle Advertising Veränderungen der Kommunikation im neuen konvergenten Medienzeitalter
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Quelle: eigene Darstellung
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Lifestyle Advertising
24
Was bedeutet Lifestyle Advertising?
Lifestyle Advertising sieht eine dynamische, interaktive und kontinuierliche Real-Time-Kommunikation mit Konsumenten vor, keine statische, one-way gerichtete Kommunikation. Also Werbung, die Kundenfeedback beispielsweise in Online-Diskussionsforen, Chat Rooms, Blogs, Kunden-Review-Foren und sozialen Netzwerken durch einen andauernden und interaktiven Dialog ermöglicht. Bezug nehmend auf PwC sind die drei Grundprinzipien des Lifestyle Advertising „relevance“, „engagement“ und „trust“.
“Lifestyle Advertising is personalized, participatory and socially interactive.”
Im Grunde nichts Neues, denn diese Prinzipien waren und sind fundamentale Werte und Ziele der Werbeindustrie. Jedoch hat sich das Umfeld, in dem Marken und -strategien gebildet und beworben werden, durch die Medienkonvergenz und die Anforderungen an Werbung signifikant verändert. „Relevance“ bedeutet, Werber müssen verstehen, was für ihre Kunden in deren jeweiligem (Lebens-)Umfeld gerade relevant und bedeutend ist und darauf basierend, entsprechende Strategien entwickeln. „Instead of attempting to position themselves alongside the segmented lifestyles of a mass audience, advertisers must now aim to position their brands within the lifestyle of individual customers.“19
“From one-way messaging to dynamic conversations. Welcome to Lifestyle Advertising.”
„Engagement“ – relevante Werbung soll die notwendige und gewünschte Kundenbindung liefern. Kundenbeziehungen vor dem Hintergrund der Konvergenz der Medien sind charakterisiert durch und abhängig vom Grad der Information, den ein Kunde bereit ist, über sich selbst und sein Nutzerverhalten bekannt zu geben. Selbstverständlich haben bereits viele – vor allem internationale – Werbeagenturen die Möglichkeiten des „user-generated content“ (das sind durch die Nutzer selbst erstellte Inhalte) als neue Möglichkeiten des Kundenbeziehungs- und Interaktionsmanagements entdeckt und richten ihr Werbeverhalten entsprechend darauf aus. „Trust“ erhält im konvergenten Umfeld eine noch stärkere Bedeutung. Entsprechend dem Ausmaß, in dem informelle Kommunikation der Kunden untereinander zunimmt, wird Vertrauen in die Kommunikation und in die Produkte noch wichtiger. Mundpropaganda prägt die Wahrnehmung der meisten Marken. Konsumenten orientieren sich bei wichtigen Kaufentscheidungen an ihrem Umfeld.20
19
How to capitalize on Lifestyle Advertising in a customer-centric world (2007), PwC Advisory, Seite 22ff, http://www.pwc.com/us/advisory 20 Ein aktuelles österreichisches Kampagnen-Beispiel für den Business-to-Business-Bereich startete im Juni d. J.: Vöslauer-Kunden aus der Gastronomie sollen sich gegenseitig empfehlen, dadurch ihre Bekanntheit steigern und auf diese Weise gleichzeitig auch neue Kunden gewinnen. Spitzengastronomen sprechen für Vöslauer. http://voeslauer.com/3_7_kampagne_06.html, 12. Juni 2007
Kapitel 2 – Lifestyle Advertising
25
Lifestyle Advertising im Medienmarkt
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Quelle: How to capitalize on Lifestyle Advertising in a customer-centric world, PricewaterhouseCoopers LLP., San Jose, USA, Seite 19; www.pwc.com/us/advisory
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Die Player im „Konzept“ Lifestyle Advertising
Im konvergenten Medienmarkt sind neben dem Konsumenten u.a. folgende Hauptakteure zu identifizieren: • Werbeagenturen • Content Provider • Medien-Distributoren • Applikations- und Formatentwickler Die Wertschöpfung in der Medienindustrie steht vor einem dramatischen Wandel. Die Schnittstellen, an denen Kommunikationsdienste nachgefragt werden, haben sich vervielfacht. Beispielsweise wird die Aufgabe der Werbeagenturen, Botschaften zu vermitteln, immer schwieriger, weil die Konsumenten und Verbraucher Zugang zu einer stetig wachsenden Anzahl unterschiedlicher Medien haben. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Agenturen die Budgets für Kommunikationsaufgaben vermehrt mit Branchenfremden teilen müssen. Große Werbetreibende übernehmen klassische Aufgaben der Agenturen selbst und kaufen nur noch Ideen und Kreationen extern zu. Einerseits wachsen die Märkte für Werbung, Public Relations und Unternehmensberatung immer stärker zusammen. Andererseits eröffnen die Trends zu individuellen Lebensformen und komplexen Konsumentscheidungen spezielle Werbemöglichkeiten und schaffen so eine große Zahl an Klein-Zielgruppen. In diesem Spannungsfeld steigen die Anforderungen an die Agenturen erheblich. Gleichzeitig steht die Werbeerfolgskontrolle und –messung vor neuen Herausforderungen. Der Distributionskanal Internet sorgt für eine Transformation des Medien-„Packagings“ von gebündelten zu entbündelten (Content-) Formaten. Im traditionellen Packagingmodell des „Broadcasting“ hingegen werden verschiedene Medienprodukte (z.B. Serien, Nachrichtensendungen, Talk-Shows) zu einem „Programm“ zusammengefasst.
Lifestyle Advertising
Kapitel 2 – Lifestyle Advertising
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Eine „Vision“ der Kommunikation der Zukunft – Das Beste aus zwei Welten
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Quelle: Web-Reloaded? Driving convergence in the “real world� (adaptiert) Arthur D. Little, TIME, Okt./Nov. 2006, Seite 27 http://www.adlittle.de/asp/orderpublications.asp?ID=394
Neben dem bereits bekannten Angebot bei iTunes, das es ermĂśglicht, MusikstĂźcke einzeln, losgelĂśst von Alben zu beziehen, bietet nun Omnifone, ein in GroĂ&#x;britannien ansässiges Musikunternehmen „MusicStation“ an. Das neue mobile Full-TrackMusikservice ermĂśglicht Mobiltelefonnutzern unbeschränkten Zugang zu kompletten MusikstĂźcken auf branchenĂźblichen Mobiltelefonen fĂźr eine geringe wĂśchentliche GebĂźhr. Die zunehmende Verbreitung entbĂźndelter Medienformate wird zu einer grundlegenden Restrukturierung der Medienbranche fĂźhren. Je stärker das herkĂśmmliche Packaging-Modell unter Druck gerät, desto stärker steht auch die klassische WerbeďŹ nanzierung von Medien auf dem PrĂźfstand. WerbeblĂścke sind im kĂźnftig personalisierten Fernsehen keine attraktive Werbeform mehr. Es wird daher notwendig, Werbung grundsätzlich neu zu Ăźberdenken. Arthur D. Little bietet eine „Vision“ der Kommunikation der Zukunft und zeigt im Report: „Web-Reloaded?“
gleichzeitig die Notwendigkeit einer Verbindung zwischen der „Off“- und „Online“-Welt sowie des „Ürtlich gebunden“-Internet mit dem „mobilen“-Internet auf. Mit Hilfe konvergenter Ăœbertragungsmedien werden Nutzer kĂźnftig in der Lage sein, den Content, den sie wollen in dem Kontext, den sie benĂśtigen zu beziehen. Voraussetzung dafĂźr sind eine hohe Nutzerfreundlichkeit sowie plattform- und geräteunabhängige Anwendungen. Während frĂźher die traditionellen Medien nahezu alleine Zugang zu Konsumenten Ăźber Printmedien und Fernsehen hatten, besetzen heute auch Netzbetreiber mit ihren Onlineportalen und Hersteller mobiler Endgeräte strategische Punkte der (mobilen) Werbung.21
21
Mobile Werbung gewinnt Anhänger, Handelsblatt – Print Ausgabe, 12. Juni 2007, Seite 20
Lifestyle Advertising
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Auswirkungen von Lifestyle Advertising auf unternehmerische Strukturen Um Lifestyle Advertising umzusetzen, sind neue strategische Ausrichtungen und Veränderungen in den Unternehmen notwendig. Wollen Unternehmen von den sich bietenden Möglichkeiten profitieren, müssen sie in enge Interaktion mit den Konsumenten treten, deren Bedürfnisse kennen lernen und diesen nachkommen. Lifestyle Advertising erfordert Interaktivität zwischen bislang separaten Geschäftsbereichen und einen dynamischen, kontinuierlichen Prozess innerhalb des Unternehmens, der in die Unternehmensabläufe eingebunden werden muss und es ermöglicht, kurzfristig aktuelle Ereignisse zu berücksichtigen. Dieser sollte wie ein reibungslos funktionierendes Uhrwerk aufgesetzt und als unternehmerische Selbstverständlichkeit gesehen werden.
Lifestyle Advertising als dynamischer Prozess
Listen
Respond
• • • •
Listen (zuhören) Evaluate (evaluieren) Respond (reagieren) Repeat constantly (konstante Wiederholung)
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Quelle: How to capitalize on Lifestyle Advertising in a customer-centric world, PricewaterhouseCoopers LLP., San Jose, USA, Seite 45 (adaptiert) www.pwc.com/us/advisory
Kapitel 2 – Lifestyle Advertising
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Gastkommentar von Willi Schroll, Senior Foresight Consultant bei Z_punkt GmbH The Foresight Company, Büro Berlin
Die Medienrevolution hat gerade erst begonnen und sie hat die Ermächtigung der Mediennutzer hervorgebracht, und dank Vernetzung deren wechselseitigen Einfluss gesteigert. Damit haben sich auch die Rollen der Marktteilnehmer etwas verändert. Der Mediennutzer agiert selbstbewusster und selbstbestimmter denn je, er programmiert und filtert seinen Medienkonsum selbst, entzieht sich mehr und mehr konventionellen Beeinflussungsversuchen und wird mittels Social Media wie etwa Blogs selbst zum relevanten Einflussfaktor im Marktgeschehen. Als Mediennutzer befinden sich die Konsumenten heute in anderen medialen Situationen, sind vernetzter und in permanenten Kommunikationen unterwegs, agieren sozial interaktiv. Lifestyle Advertising ist demnach notwendig, um die Konsumenten weiterhin dort abzuholen, wo sie sich befinden, wo die Werte von Relevanz, Vertrauen und Engagement im Spiel sind. Web 1.0 bedeutete primär die Vernetzung von Webseiten, Web 2.0 dagegen verbindet darüber hinaus Personen, Orte, Ereignisse und Zustände miteinander. Diese Vernetzung zweiter Ordnung mit ihren neuen sozialen Aktivitätsmustern und medialen Nutzungsformen kann durch qualitativ neuartige Werbekonzepte wie Lifestyle Advertising konstruktiv beantwortet werden. Lifestyle Advertising zielt mit personalisierten und sozial-interaktiven Botschaften und Inhalten auf die veränderten Erwartungen und Ansprüche an den Kundendialog.
Kapitel 3 – Neue Werbe- und Vermarktungsformen und ihre Auswirkungen auf das Marketing
31
Neue Werbeund Vermarktungsformen und ihre Auswirkungen auf das Marketing Vor dem Hintergrund einer stark fragmentierten und digitalisierten Medienlandschaft baut die traditionelle Markenbildung in weiten Teilen noch immer auf dem klassischen 30-Sekunden-Werbespot auf. Doch die Aufmerksamkeitsschwelle der Menschen wird immer hĂśher, Kunden sind anspruchsvoller und individueller. Dementsprechend entsteht eine neue Generation von Werbeformaten und -medien.
Lifestyle Advertising
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Mobile Marketing
Mobile Endgeräte haben sich längst zum Massenmedium entwickelt. Mobile Marketing wird in der einschlägigen Berichterstattung zurzeit gepriesen wie das Internet Ende der 90er Jahre.22 Hieraus lässt sich ein Marketingtrend der nächsten Jahre ableiten.
sein. Was, wo und wann passiert und/oder zu finden ist, wird zu einer bedeutenden Größe. Auf mobile Endgeräte angewendet, könnten sich „location-based advertising“ Modelle positiv auf die weitere Entwicklung von Mobile Marketing auswirken.
Der eco-Verband der deutschen Internetwirtschaft beschreibt in seiner Studie „Mobile Outlook“23 die Entwicklung der Branche in den Jahren 2007 und 2008.
Notwendigkeit neuer Wege auch für das Marketing – hohe Erwartungen an Mobile Marketing.
Laut Angaben des eco-Verbandes ist Mobile Marketing bereits seit zwei Jahren auf dem Vormarsch und aus den Kampagnen der großen Konsumgüterhersteller nicht mehr wegzudenken. Mit dem Aufkommen von „echten“ Telefon- und Daten-Flatrates verstärkt sich diese Dynamik noch weiter.
Die Fußball-WM 2006 hat der Nachfrage nach mobiler Werbung Auftrieb gegeben. Adidas hat als eines der ersten Unternehmen Mobile Marketing in die Kampagne zur WM integriert. Mobile Marketing ist derzeit im Gesamtvolumen gesehen aber noch kaum Gerade im Bereich Werbung ist es allerdings wichtig, verbreitet und wird, wenn, vor allem für jüngere Zieldie Bedürfnisse des Verbrauchers zu berücksichtigen gruppen eingesetzt. und diesen nicht zu überfordern. Dabei ist es entscheidend, von der herkömmlichen Zielgruppenanalyse abzuweichen und verstärkt auf das persönliche Profil des Nutzers einzugehen. Der Benutzer darf auf dem mobilen Endgerät keinesfalls mit Informationen überhäuft werden. Trotz neuer technischer Möglichkeiten stehen noch immer bewährte Methoden wie SMS oder MMS an der Spitze der eingesetzten Werbeformate. 22
Das Web entwickelt immer stärkere Ortsbezüge. Die „Renaissance des Ortes“ wird für die weitere Entwicklung des Internets von fundamentaler Bedeutung
23
Mobile Werbung gewinnt Anhänger, Handelsblatt Print-Ausgabe, 12. Juni 2007, Seite 20 Studie „Mobile Outlook“ die Entwicklung der Branche in den Jahren 2007 und 2008, eco-Verband der deutschen Internetwirtschaft, entnommen www.mediaundmarketing.de, Studiendatenbank, 20.05.2007
Kapitel 3 – Neue Werbe- und Vermarktungsformen und ihre Auswirkungen auf das Marketing
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Virales Marketing
Virales Marketing bezeichnet einen Mechanismus, der vergleichbar einem „Virus“ eine Botschaft verbreitet. Der Empfänger der Marketing-Message soll motiviert werden, diese an Freunde, Bekannte oder Kollegen weiterzugeben. Diesbezügliche Werbe-Erfolgsmessungen gestalten sich schwierig, die Erfolgsstorys solcher Konzepte deuten aber auf erhebliches Potential hin. Ein cleveres Viral-Marketing-Konzept sorgt derzeit für gesteigerte Aufmerksamkeit für das „Fernsehen der Zukunft“, das Internet-Video- und TV-Portal Joost24: Im Oktober 2006 als „The Venice Project“ von den Skype-Erfindern Janus Friis und Niklas Zenström gegründet, war es ursprünglich nur einer ausgewählten Gruppe von Beta-Usern zugänglich. Das machte das ganze anfänglich „exklusiv“ und spannend. So richtig bekannt ist Joost derzeit noch nicht, aber im Viral Marketing geht es auch um das Erreichen der kritischen Masse, denn sobald diese erreicht ist, bricht der Damm und ein MillionenPublikum wird ohne umfangreiche und teure Werbeaufwendungen angesprochen. Joost hat schon lange vor dem Beta-Start Vorschusslorbeeren geerntet.
Die Joost-Gründer kündigten an, Joost werde das Fernsehen per Internet revolutionieren: mit qualitativ hochwertigen Inhalten von TV-Sendern, legal, kostenlos, einer leicht zu bedienenden Software, die das Fernsehen via Internet schnell und komfortabel zugleich machen soll, zusätzlichen Community-Funktionen wie Chats während laufender Sendungen und der Möglichkeit, TV-Sendungen zu bewerten und Empfehlungen zu verschicken. Die Finanzierung soll über Werbung stattfinden. Mehr als 30 große Firmen und Marken wie beispielsweise Coca Cola, HP, IBM, Nike, Nokia, Procter & Gamble, Sony und Unilever schalten bereits jetzt in der Testphase Werbung auf Joost. Das klassische Fernsehen wird zwar sicherlich nicht so bald obsolet werden, aber dennoch bei den jungen Zielgruppen weiter an „Zeitbudget“ verlieren.25
24 25
http://www.joost.com/ Internet-TV: Joost geht los!, www.cpc-consulting, 01.06.2007
Lifestyle Advertising
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Communities
Heute vernetzen sich Menschen über Grenzen und Demographien hinweg durch Suchmaschinen, Weblogs und Internet-Foren. Doch dieser Austausch beschränkt sich nicht nur auf das Netz. Mitglieder verschiedener Online-Communities treffen sich auch regelmäßig „offline“. Den Soziologen Pierre Bordieux zitierend, erklärte der finnische Trendforscher Jyri Engeström beim Digital Lifestyle Day 2006 die Strahlkraft von Communities damit, dass „im Menschen der Wunsch nach Gemeinschaft und Differenzierung angelegt ist“.26 Hier kommen Medien und Marken ins Spiel, denn – so Engeström – „moderne Communities entstehen um soziale Objekte, mit denen sich Menschen identifizieren, wie Autos, Mode, Handys, Orte, Events, Medien …“. Gesellschaftliche Trends entwickeln sich, indem immer mehr Menschen immer schneller das Verhalten einer „In-Community“ nachahmen. Marken können Communities bilden.
Mit Web 2.0 hat Community-Marketing die Chance, das bisher bekannte Zielgruppen-Marketing abzulösen. Die fokussierte Ansprache einer „thematischen Zielgruppe“ verspricht hohe Kontaktqualität mit reduzierten Streuverlusten. Thematische Foren reagieren jedoch möglicherweise empfindlich bis ablehnend auf „zielgenaue“ Werbung oder entsprechende PR-Maßnahmen. Wem es gelingt, eine Community für sein Produkt aufzubauen bzw. zu identifizieren, generiert einen Pool von Multiplikatoren und kann das Produktwissen der Community in die Produktion einfließen lassen bzw. deren Wünsche analysieren.
26
Was ist dran an Media Communities?, http://www.burda.de, 30.05.2006
Gastkommentar von Willi Schroll, Senior Foresight Consultant bei Z_punkt GmbH The Foresight Company, Büro Berlin
Zunehmend verstehen sich Mediennutzer als Teil einer Community. An das in diesen Gemeinschaften zirkulierende soziale Kapital kann vorsichtig angekoppelt werden. Vereinfacht gibt es drei Formen des nutzbaren sozialen Kapitals: Vertrauen, Kontakte und Beiträge (nutzergenerierte Inhalte). Beim Funktionieren von nutzergetriebenen Plattformen wie Flickr kommt es etwa mehr auf die Beiträge an, beim Empfehlungsmarketing dagegen wird das Netzwerk aus vertrauenswürdigen Kontakten zu einem Werbe- oder sogar Vertriebskanal. Die Perspektive auf den Mediennutzer sollte sich auf diese Ressource und eine partizipative Wertschöpfung erweitern.
Kapitel 3 – Neue Werbe- und Vermarktungsformen und ihre Auswirkungen auf das Marketing
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Social Commerce
Unter „Social Commerce“ (Empfehlungshandel) wird eine konkrete Ausprägung des elektronischen Handels verstanden, bei der die Interaktion und persönliche Beziehung der Kunden untereinander im Vordergrund stehen. Als zentral können Beteiligungen der Kunden an Produktentwicklung, Verkauf und/oder Marketing z.B. über Kaufempfehlungen oder Kommentare (Recommendations) anderer Kunden gesehen werden. Beim Leipziger T-Shirt-Händler Spreadshirt.net27 werden die Mitglieder der Community in alle Aspekte des Unternehmens einbezogen. Spreadshirt.net ermöglicht es privaten wie kommerziellen Betreibern von Internetseiten, einen Onlineshop mit selbst gestalteten Artikeln einzurichten und in ihre Homepage einzubinden. Nahezu alle notwendigen Funktionen wie z.B. Lagerhaltung, Produktion, Versand, Zahlungsabwicklung etc. werden vom Anbieter abgewickelt. Der Betreiber des Shops übernimmt die eigentliche Aufgabe des Produktdesigns, Spreadshirt.net stellt im Hintergrund die Produktions-, Logistik- und Abwicklungsfunktionalitäten zur Verfügung. Erste Anwendungen von Social Commerce gibt es bereits seit mehreren Jahren bei ebay (Bewertung der Käufer und Verkäufer durch die jeweiligen Gegenüber) und Amazon (Buch-Bewertungssystem durch Käufer, Recommendation Engines).
27 28 29
http://www.spreadshirt.net http://www.flickr.com/ Mash Up Your Business! Der Web 2.0 Report, 2007, Seite 15f und 26ff, Z_punkt GmbH The Foresight Company, http://www.z-punkt.de/
Empfehlungssysteme nutzen den erhöhten Aktivitätsgrad der Nutzer und beruhen auf einer Auswertung des Userverhaltens. Die dabei erzeugten Datenmengen werden ausgewertet und zurück ins Netz gespeist. Kollaboratives Taggen wie bei Flickr28 ermöglicht Popularitätsrankings, das Filtern wie bei Amazon vergleicht Userprofile und erlaubt Rückschlüsse auf Kaufentscheidungen. Produkte werden entsprechend selektiert und dem Kunden als Empfehlung präsentiert29.
Lifestyle Advertising
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Kollaboratives Filtern in einem Onlineshop
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Quelle: Mash Up Your Business! Der Web 2.0 Report (adaptiert) Z_punkt GmbH The Foresight Company, Seite 36
FĂźr den Handel ergeben sich durch „Social Commerce“ und der umfassenden Nutzung der User-Ressourcen neue Chancen.30 Gleichzeitig steht mit viralen user-generierten Anzeigen, Mundpropaganda und dem Do-it-Yourself-Prinzip das klassische Konzept des Handels auf dem PrĂźfstand.31 Fest steht, es gilt die Kontakte der Kunden, ihre GlaubwĂźrdigkeit, aber auch ihr Wissen in geeigneter Form in die Unternehmen zu integrieren.32 Einzelne Best-Practice-Modelle dĂźrfen nicht darĂźber hinwegtäuschen, dass sich viele deutsche und Ăśsterreichische Händler mit den MĂśglichkeiten des Web 2.0 noch nicht auseinander gesetzt haben. Die Interaktion mit Kunden wird oft als lästig oder sogar gefährlich empfunden, da auch negative Kommentare zu den Produkten abgegeben werden kĂśnnen. Produktrezensionen durch Kunden werden nur selten ermĂśglicht, ebenso werden erst vereinzelt Communities fĂźr den Austausch der Kunden untereinander eingerichtet.
Empfehlungsmarketing gewinnt weiter an Bedeutung.
Empfehlungsmarketing hat bereits einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Wer seine Kunden ignoriert oder an der eigenen kreativen Auseinandersetzung mit der Marke hindern will, macht sich leicht zum GespÜtt der gut vernetzten Web-Gemeinde. So kann Reputation dauerhaft geschädigt werden – online wie ofine.
30
Social Commerce: Viel ungenutztes Potenzial, http://www.pwc.de/de/tmt? 31 Social Commerce – Online-Handel der nächsten Generation, Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V., 07. November 2006 32 Mash Up Your Business! Der Web 2.0 Report, 2007, Seite 50ff, Z_punkt GmbH The Foresight Company, http://www.z-punkt.de/
Kapitel 4 – Das Zusammenspiel zwischen Lifestyle, Advertising, Marketing und Marken
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Das Zusammenspiel zwischen Lifestyle Advertising, Marketing und Marken Marken können im Internet selbst zum „Sender“ werden, wenn sie stark genug sind, im harten Unternehmenswettbewerb wahr genommen zu werden. Mit dem Internet sind auch „Digital Natives“ herangewachsen, die ihre Kreativität darin ausleben und das Medium nutzen, um mit Freunden zu kommunizieren und sich darzustellen. Diese Generation hat wenige Vorbehalte, auch persönliche Informationen ins Netz zu stellen. Das „expose yourself“ der Andy-Warhol-Generation scheint sich im Internet fortzusetzen, „broadcast yourself“ lautet daher nicht ohne Grund das Motto von YouTube.com.
Zunehmende Bedeutung starker Marken.
Was sind die Folgen für das Marketing? Mundpropaganda, anerkanntermaßen die Kraft mit dem stärksten Einfluss auf die Mehrheit aller Kaufentscheidungen, wird digitalisiert, im Internet archiviert und steht damit dauerhaft und mit deutlich größerer Reichweite zur Verfügung. Die klassischen Medienkanäle, die bislang für die Verbreitung von Marketinginhalten gesorgt haben, bekommen somit vielschichtige Konkurrenz. Jeder einzelne dieser neuen Kanäle hat – heute
Lifestyle Advertising
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zumindest – eine noch recht beschränkte Reichweite. Denn beispielsweise selbst viel gelesene Blogger haben im deutschsprachigen Raum nicht mehr als einige tausend Leser. Aber in Summe ziehen die zahlreichen Blogger, Foren-Autoren, Web-TV-Produzenten und YouTubeFilmer einen beträchtlichen Teil der medialen Aufmerksamkeit von den Massenmedien ab. Die Herausforderung für Unternehmen besteht also darin, mit der ‚digitalen Mundpropaganda’ und den vielen neuen kleinen Medienproduzenten in geeigneter Weise umzugehen. User, die selbst produzieren, selbst gestalten, und selbst verändern wollen, müssen bewusst und offen zur Partizipation eingeladen werden. Wer mit seinen Kunden in einen ernst gemeinten Dialog tritt, sie aktiv zur Mitwirkung und Mitgestaltung einlädt, macht aus ihnen Verbündete, die sich mit dem Produkt, dem Projekt oder der Marke anders identifizieren, als „anonyme“ Adressaten von Werbebotschaften.
Nutzer konsumieren Medieninhalte nicht nur – sie ordnen, sichten, verteilen und produzieren sie vermehrt auch selbst!
Echter Dialog und Austausch mit Kunden kann beispielsweise auch mittels Weblogs organisiert werden. Das folgende Beispiel von Calvin Klein zeigt, dass sich die Arbeit mit Weblogs auch in eine negative Richtung entwickeln kann, wenn Unternehmen damit Etikettenschwindel betreiben wollen. Für einen Calvin-Klein-Duft kreierte eine Agentur fiktive Charaktere und Blogger, die unzählige Verweise auf unterschiedlichen, gut besuchten Weblogs platzierten, um auf entsprechende Werbewebsites und Kampagnenslogans aufmerksam zu machen. Blogger, denen das auffiel, gingen der Sache nach und deckten diese UndercoverAktion auf. Die Negativ-PR zog sich nicht nur durch die gesamte Blogosphäre sondern wurde auch mit Artikeln in den MainstreamOnline-Medien bedacht.33 Bekannte Marken starten eigene Portale im Internet, um junge Zielgruppen zu binden. Nike startete im Februar 2006 gemeinsam mit Google ein eigenes Internetportal mit nutzergenerierten Inhalten. Auf www.joga.com gestalten inzwischen weit über eine Million Mitglieder aus 140 Ländern eigene multimediale Fanseiten, tauschen Videos, Fotos etc. aus. Das Portal ist Teil einer Werbekampagne, die sich größtenteils auf das Internet konzentriert. Dazu gehören auch Kurzfilme bei den Videoportalen YouTube und Google und bei Nikes eigenem Onlinefußballsender Joga.TV, auf dem auch die Nutzer Videoclips einstellen. Starke Markenbindungen werden geschaffen, indem Nutzer Nike in ihre eigene Netzgemeinde aufnehmen oder Mitglieder bei der Nike-Gemeinde werden. Werbetreibende erregen zur Zeit Aufmerksamkeit mit nutzergenerierten Portalen im Web 2.0, bei denen es etwas zu gestalten und möglichst auch zu gewinnen gibt. Der Umstand, dass Portale wie Nikes Joga.com, die cool gestylte Mini-Website oder der mit Musikclips, Handy-Wallpapers und Onlinespielen stets gut bestückte
Portale zur Zielgruppenbindung.
33
Was bedeutet Web 2.0 für die Werbung?, 23. April 2007, von Martin Oetting, http://wissensforum.medialine.de und Missbrauch von Blogs: Calvin Kleins virtuelle Propagandisten im Handelsblatt vom 12. April 2007, http://www.handelsblatt.com
Kapitel 4 – Das Zusammenspiel zwischen Lifestyle, Advertising, Marketing und Marken
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Online-Kühlschrank, Coke Fridge, Werbeinteressen verfolgen, scheint die Nutzer nicht wirklich zu stören. „Die Nutzer unterscheiden nicht zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung, sondern zwischen unterhaltsamen und langweiligen Inhalten“, glaubt Wolfgang Bscheid von der Mediaagentur Mediascale, die an der Umsetzung der MiniKampagne beteiligt war.34 Zeit und Aufmerksamkeit des Users reichen schon lange nicht mehr aus, um das im Internet verfügbare Angebot tatsächlich noch zu überblicken. „Findability“ wird zum Erfolgsfaktor für das Marketing. Unbegrenzte Wahlmöglichkeiten entfesseln ein neues Phänomen: den Kampf um die Aufmerksamkeit. Die Gunst des Konsumenten gewinnt, wer die besten Filterfunktionen bereitstellen kann. Damit steigt aber wiederum die Bedeutung der Marken. Denn nur was bzw. wer bekannt ist, wird auch wieder erkennbar.
34
Werbung geht online, 10. Oktober 2006, http://www.welt.de/
Lifestyle Advertising
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Gastkommentar von Frank Alexander Zahn, Geschäftsführer & Gründer der Exozet Group GmbH & Co KG Die Post-Cluetrain-Generation Es hieß „The Cluetrain Manifesto“, war erst Website (1999) und dann für viele Kreative das Buch des Jahres (2001). Endlich wurde dort postuliert, was jeder schon lange zu spüren glaubte: These #2: Markets consists of human beings, not demographic sectors. These #16: Already, companies that speak in the language of the pitch, the dog-and-pony show, are no longer speaking to anyone.35 Das Cluetrain-Manifest wurde Hype, zierte die Titel von Wirtschaftsmagazinen und war das Lieblingsgespräch der Werbekongresse. „Konsumenten sind echte Menschen – wow, so habe ich das noch nie gesehen.“ Der Einsatz des Cluetrain-Manifests im Alltag der Unternehmenskommunikation und die Versuche, ehrlicher und gleichberechtigt mit dem Geschäftspartner „Konsument“ umzugehen, waren ernüchternd. Wieder wurden Kampagnen kreiert, diesmal realitydriven und mit ein wenig indie, sich selbst reflektierenden Testimonials. Resultat: Die großen Kommunikationserfolge – trotz Progressivität. Übrig blieb die Erkenntnis, dass die 95 Cluetrain-Thesen Utopie bleiben und in die Realität nicht umzusetzen sind. Die größte Stickiness36 haben weiterhin Kampagnen mit mehr Mediabudget, mehr einfachen Botschaften und mehr größeren Werbemitteln. Das Mehr-everything-Dogma hatte die Cluetrain-Evangelisten besiegt.
Cluetrains Wiedergeburt als Viral Marketing Dass Menschen Menschen sind, steht außer Frage. Aber was sind Unternehmen? Auch Menschen? Anscheinend nicht, denn sonst könnten sie mit anderen Menschen reden – dafür aber brauchen sie Kommunikationsdienstleister wie Werbe- oder Digitalagenturen. Und hier bekommt das Cluetrain-Manifest seine zweite Chance – als Legitimation für Viral Marketing, das Menschen über Produkte reden lässt. Gespräche als Werbemittel; rekurrierend auf die erste These des Cluetrain-Manifests: Markets are conversations. Leider bleiben die viralen Wirkungslinien häufig verschlungen, die Ergebnisse nicht messbar und im Versuch stecken, beinahe amüsante Filmchen auf Videoplattformen zu verteilen oder Profiblogger mit Forenspamming zu beauftragen oder Peergroups mit Produktsamplings zu bemustern. Betrachtet man das derzeitige Viral Marketing im deutschsprachigen Raum als entwickelten Zustand, sei die Vermutung erlaubt, dass die Übersetzung der ersten These des Cluetrain-Manifests (Märkte sind Gespräche) zu wörtlich genommen wird. Märkte sind die Manifestationen von Allokationsprozessen, und am Anfang dieser steht die Information (z.B. über den Preis). 35
http://www.cluetrain.com These #2: Märkte bestehen aus Menschen, nicht aus demographischen Daten These #16: Schon heute hört keiner mehr auf die Stimmen der Firmen, die reden als hätten sie es mit Idioten zu tun. 36 „stickiness“ – „Klebekraft“ steht für Verweildauer, Besuchsdauer. Mit dieser Kennzahl kann auch die Attraktivität einzelner Bereiche einer Website gemessen werden. Im Zusammenhang mit einer Webseite bedeutet „Klebekraft“: wie lange schafft die Website es, den Besucher zu fesseln.
Kapitel 4 – Das Zusammenspiel zwischen Lifestyle, Advertising, Marketing und Marken
Und immer wieder die Frage: Was ist Marke?
Manchmal artet es in Marketing aus.
Wir halten fest: Die tradierten Formen der Wirtschaftskommunikation verlangen nach Updates, die Vereinfachungen der gelernten Zielgruppendenker zeigen immer größere Unschärfe, und die Massenmedien geben ihre Reichweite sukzessive an neue Plattformen ab.
Die Pointe ist simpel, und die Antwort falsch. Die technischen Strukturen haben sich schon lange geändert. Unternehmen sind heutzutage in der Lage, Einzelgespräche zu führen, ihre Produkte für sich sprechen zu lassen und die Abstraktion gegen das Konkrete einzutauschen. Denn Medien sind dialogfähig, Zeitungsartikel haben Kommentarfunktionen, und Fernsehspots sind nicht mehr Unterbrechung, sondern eine Interaktionsebene.
Soviel zum Negativszenario und jetzt zur eigentlichen Frage: Was ist Marke? Die Antwort im simplifizierenden Stil Cluetrains lautet: eine Abstraktion, die dazu dient, Unternehmen zu befähigen mit Menschen reden zu können – oder noch einfacher: Das stumme Produkt bekommt ein Gesicht und somit einen Mund.
So ist die konkrete Form der Marke – also der externen Kommunikationsfähigkeit – ein Raum für den Diskurs über das Produkt. Die Marke wird zum Kurator für Meinungen und Empfehlungen zum Produkt. Die EmpfehEine solche Formulierung hat nur wenig mit lungen sind dem Produkt implizit – inhaltlich den Vorstellungen von einer Marke als einem wie physisch. Vertrauensspeicher oder als einer Identifikationsfläche zu tun. Dennoch hat dieses MarNicht Meinungsportale (=Preisvergleicher) kenbild einige Vorteile: Zum einen gibt es der hosten die Recommendations, sondern die Marke nicht nur eine Stimme, sondern auch Produkte selbst zeigen dem Konsumenten Augen und Ohren – also eine Wahrnehmung die Empfehlungen der Personen, denen er für ihre Umwelt; Marken werden dialogfähig. vertraut (seiner Peergroup) und die daher für ihn relevant sind. Am Point of Sale auf Andererseits expliziert die Annahme, die Handy-lesbaren RFID-Chips oder ganz simMarke sei ein Abstraktum zur Kommunikapel im Fernsehen auf Flying Buttons. Manchtionsfähigkeit, dass dieses Abstraktum zwar mal artet so etwas natürlich in organisiertes nicht in seiner Funktion, aber in seinem Ab- Marketing aus; generell wird es aber immer straktionsgrad verhandelbar respektive ska- relevante Empfehlungen von Menschen gelierbar ist. Warum mit jedem Menschen in ben, die ein Produkt befürworten; ansonsten der gleichen Lautstärke und Stimmlage spre- würde es das Produkt nicht geben respektive chen? Warum nicht mit jedem Menschen so nicht für diese Peergroup relevant sein. sprechen, wie er es am besten versteht? Mit der Konkretisierung der UnternehmensDie Antwort: Weil es nicht anders geht. Weil kommunikation wandelt sich das CluetrainFernsehspots nicht reagieren können, weil Manifest zu einem realitätsnahen Programm die Hängung von Plakaten fix ist, und weil und das Marketing zur leisen Metaebene der es daher unmöglich ist mit jedem, sondern Relevanzvermittlung: „Das Produkt ist für höchstens mit allen zu reden. Kurzum: Eine dich, wenn du es willst.“ Deshalb, sprechen Marke bleibt abstrakt, weil es ihr aus techsie es aus: QUIET QUALITY ADVERTISING. nisch-strukturellen Gründen nicht möglich ist, mit einer dispersen Öffentlichkeit in Kontakt zu treten.
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Kapitel 5 – Entwicklung innovativer Geschäftsideen
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Entwicklung innovativer Geschäftsideen
Das Zusammentreffen des „User 2.0“ mit den umfangreichen Möglichkeiten des „Web 2.0“ sorgt für eine intensive Innovationsdynamik. Es werden dabei ökonomische Kräfte wirksam, die Branchen und Geschäftsfelder zu einer grundlegenden Neuausrichtung zwingen. Der Z_punkt Web 2.0 Report betont hierzu vier wichtige Charakteristika von „Business 2.0“:
1. Mikromärkte im „Long Tail“37 werden profitable Geschäftsfelder. 37
Der Begriff „Long Tail“ kommt ursprünglich aus der Statistik. Der Chefredakteur des US-Magazins „Wired“ Chris Anderson übertrug den Begriff erstmals in die Welt des E-Commerce. Wenn alle verkauften Produkte nach der Häufigkeit ihrer Nachfrage aufgetragen werden, bilden die Topseller am linken Rand der Verteilungskurve einen steilen Gipfel. Die schwächer nachgefragten Güter generieren jedoch zusammengenommen (d.h. als „Long Tail“) oft ein größeres Absatzvolumen als die bestverkaufte Ware. Siehe auch Web 2.0 Report, S. 46 und http://www.wired.com sowie: Waffe der Verbraucher, http://www.manager-magazin.de, 04. September 2006
Traditionell galten „Ladenhüter“ als vollkommen unrentabel. Mit Web 2.0 kann sich das ändern. Lagerhaltung, Logistik und Präsentation der Angebote unterliegen im Netz anderen Gesetzen. Dank „unbegrenzter Regalplätze“ kann Kunden in Shops wie Amazon eine immense Sortimentsbreite angeboten werden. Ausgereifte „Filterfunktionen“ sorgen dafür, dass sich die Kunden trotzdem zurechtfinden. Empfehlmechanismen bilden eine Ergänzung. Extrem vergrößerte Auswahl und adäquate Filterung des Angebotes bilden neue Erfolgsmöglichkeiten.
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2. Netzwerkeffekte sorgen für eine anhaltend starke Konzentration auf wenige Plattformen. Mächtige Angebotsplattformen, die von einigen wenigen Medien- und Handelsimperien bespielt werden, sind zum Synonym für ganze Kategorien geworden. eBay für das Auktionshaus, Google für die Internet-Suche, Amazon für das Online-Kaufhaus, iTunes für den Music-Store. Auch die Shooting Stars des Web 2.0 ziehen alle Aufmerksamkeit auf sich: MySpace steht für Social Networking, Flickr für Fotosharing, YouTube für Videosharing. Es gilt also auch im Web 2.0: Die Masse macht’s. Netzwerkeffekte können – insbesondere auf Märkten mit hoher Innovationsdynamik – „kippen“, die Massen wechseln dann zu einem anderen „Anker“.
3. Kollektive Intelligenz wird zur wichtigen Produktivkraft. Ein Leitbild der Dot.com-Ära, um User auf eine Webseite zu locken, lautete: „Great content“. Man dachte, der Betreiber müsse Informationen im Übermaß bieten und diese aktuell halten, damit der Nutzer einen Grund zu häufigen Besuchen hat. Demgegenüber stellen Web-2.0-Plattformen Funktionalitäten bereit, aber keine Inhalte. Es sind die User, die eine Seite mit Leben füllen. Um überhaupt einen Nutzen bieten zu können, sind Web-2.0-Anwendungen auf die User angewiesen. Im Falle der Fotosharing-Seite Flickr heißt das, dass der User selbst nicht nur Fotos hochlädt, sondern auch noch Schlüsselwörter (Tags) vergibt, die gewährleisten, dass andere User später die Bilder auch finden können. Ohne derartige Tags wären diese Bilder nutzlos.
4. Virale Architekturen sorgen für eine rapide Verbreitung neuer Angebote. Die enorme Geschwindigkeit, mit der YouTube zu einer derart bekannten Plattform herangewachsen ist, erstaunt noch immer. Wie gelingt es Web-2.0-Start-Ups ab dem Angebot zu einem Selbstläufer zu werden, der wächst und wächst? Neben den Nutzerbeiträgen, die dafür sorgen, dass ein Angebot mit steigender Bekanntheit auch beständig an Wert für andere User gewinnt, spielen virale Architekturen38 eine wichtige Rolle. Diese sorgen dafür, dass Mund-zu-Mund-Propaganda derartige Dimensionen annimmt.
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Vergleiche Abbildung Kapitel: „Web 2.0 revolutioniert das klassische Medienmodell“
Kapitel 5 – Entwicklung innovativer Geschäftsideen
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Business Impacts von Web 2.0
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Quelle: Mash Up Your Business! Der Web 2.0 Report Z_punkt GmbH The Foresight Company, Essen, Seite 45
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Business Mashups etablieren sich
Die Grundidee von „Mash Up Your Business“ ist einfach: Verbinde die Angebote von zwei oder mehr Unternehmen so intelligent, dass daraus ein neues Produkt mit überzeugendem Mehrwert für den Konsumenten entsteht. Ein prominentes Beispiel ist die Kooperation zwischen Apple und Nike, um Laufschuhe mit dem iPod zu einem Trainingstool zu verbinden.39 Hier sehen wir ein Business Mashup auf drei Ebenen: auf Ebene des Produktes, der Marke und des (gemeinsamen) Marktzuganges. Das Image von Apple wird durch dieses Mashup sportlicher und das der Marke Nike technikaffin, ohne dabei das jeweilige Kern-Business zu verwässern.
Mit Business Mashups können Innovationen schneller und effizienter umgesetzt werden. Dabei geht es vor allem um den Konsumenten, denn dessen Lebenswelt macht nicht an Produkt-, Markt- oder Unternehmensgrenzen halt. Echter Kunden-Mehrwert entsteht nicht nur durch neue Produkte, sondern auch oder gerade durch gekonnte Verknüpfung von Produkten.
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http://www.apple.com/de/ipod/nike/
Gastkommentar von Willi Schroll, Senior Foresight Consultant bei Z_punkt GmbH The Foresight Company, Büro Berlin Da in konvergenten Medienumgebungen und in den sozialen Netzwerken eine sehr große Menge wertvoller Daten über die einzelnen User anfallen (clickstream), bekommen die Anbieter für intelligente Datenanalyse ein zunehmendes Gewicht. Unkonventionelle Kooperationen, wie sie etwa zwischen Nike und Apple stattfinden (iPod Sport Kit), werden wichtiger, da derartige „Business Mashups“ mehrere Lifestyle-Sphären verbinden und die Nutz- und Symbolwerte des Produkts steigern können.
Kapitel 5 – Entwicklung innovativer Geschäftsideen
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In-Game Advertising: ein aktueller Trend
Zur Finanzierung der steigenden Entwicklungskosten von Computerspielen werden integrierte Werbebotschaften künftig eine zunehmende Rolle spielen. So das Fazit des 3. GfM World Kongress40, bei dem Spieleentwickler, Werbetreibende und Agenturen u.a. in Berlin sich zum Thema „Games for Marketing“ austauschten. Während das Fernsehen an Bedeutung verliert, werden Computerspiele als Werbemedium zunehmend attraktiver. Spieler sitzen – anders als TV-Zuseher – meist hochkonzentriert und vielfach auch emotional gefesselt vor dem Bildschirm. Neue Techniken – ähnlich den aus dem Web bekannten AdServern – ermöglichen es, Werbebotschaften auch live in Spiele einzustreuen und zu messen, wie lange und aus welchem Winkel diese von den Spielern betrachtet werden. Für André Sonder von IGA Worldwide ist daher klar, dass In-GameWerbung künftig attraktiver sein wird als Fernsehspots.41 Die steigende Bedeutung des In-Game Advertising zeigt sich auch durch eine weitere Akquisition von Google. Google übernahm mit Adscape media einen Spezialisten für Werbeeinblendungen in Videospielen.42 Adscape wird nicht eigenständig bleiben, sondern in Google integriert.43 Erfolgreiche Beispiele für In-Game Advertising sind „Worms 3D“, eine Kooperation von Sega und Red Bull, oder die Product Placements von Coca Cola und Burger King in „Need for Speed“.
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http://gfm-world.de/ http://www.ingameadvertising.com/ http://www.google.com/press/annc/annc_adscape.html 43 http://www.heise.de/newsticker/meldung/86995, vom 19.03.2007 44 In-Game-Advertising entwickelt sich zum Milliardengeschäft, 07.03.2007, http://www.heise.de/newsticker/meldung/86365 41
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In In-Game Advertising investierten Werbefirmen nach Zahlen des US-Marktforschungsunternehmens Yankee Group Research allein im vergangenen Jahr rund 165 Millionen US-Dollar. „Bis 2010 werden in diesem Bereich mehr als 732 Millionen US-Dollar jährlich umgesetzt“, prognostiziert Yankee. Grund sei insbesondere, dass Männer im Alter zwischen 18 und 34 Jahren bereits heute im Schnitt mehr Zeit mit Computerspielen (12,5 Stunden pro Woche) verbringen als mit dem Fernseher (9,8 Stunden).44
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Computerspiele sind also keineswegs nur etwas für Kinder. Der durchschnittliche Spieler ist heute 33 Jahre alt. Werbetreibende reizt diese einkommensstarke Klientel, zumal sie auf anderen Kommunikationswegen nur sehr schwer erreichbar ist. Noch ist die Reklame in Computerspielen ein Nischenmarkt – doch einer mit hohen Wachstumsraten. Die Spieleentwickler-Branche hat dynamische Formen erdacht, in Computerspielen - dank Verbindung mit dem Internet - stets aktuelle Werbung einzublenden. Firmen wie IGA Worldwide oder Massive bilden beispielsweise ein Bindeglied zwischen Werbekunden und Spieleherstellern. Ein Beispiel ist das Videospiel Tony Hawk: Dort bewegt sich der Skateboarder durch eine Stadt, in der, wie im wirklichen Leben, Reklametafeln stehen, auf denen das aktuelle Kinoprogramm angepriesen wird. Die Werbevermittler zeichnen auf, wie oft und wie lange der Spieler das Plakat betrachtet. Der Anzeigenkunde zahlt einen Kontaktpreis – vergleichbar der Werbung in einer Zeitschrift.45 Die ORF Ski Challenge ist ein internationales Aushängeschild der österreichischen Game-Entwicklerszene. Das Online-Spiel des Wiener Entwicklerstudios Greentube46 ist mit Millionen von Nutzern weltweit erfolgreich. Die Ski Challenge 07 hat ihre dritte Saison mit neuen Rekordzahlen beendet. Zum ersten Mal wurde die Ski Challenge 07 in fünf Ländern Europas lizenziert: in Österreich vom Partner ORF, in der Schweiz vom Partner SF, in Deutschland vom Partner SevenOne Intermedia (Pro7, Sat.1, Kabel 1), in Norwegen vom Partner NRK und in Schweden vom Partner SVT. Aufgrund dieser großen Verbreitung und der gesammelten Werbepower dieser Partner erfolgten nach Unternehmensangaben bereits 3 Millionen Downloads, 13 Milliarden generierte AdImpressions und 230 Millionen gefahrene Online-Rennen. Die Ski Challenge wird über so genanntes dynamisches In-Game Advertising finanziert. Dabei gelang es, eine große Zahl international bedeutender Werbepartner wie beispielsweise Visa, Siemens, My Video, Reise.com, Swisscom, Audi und AON an Bord zu holen.
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Digitale Werbekampagnen: Versteckte Reize im PC, http://www.sueddeutsche.de/computer/ artikel/27083187/article.html 46 http://www.greentube.com
Kapitel 5 – Entwicklung innovativer Geschäftsideen
Gastkommentar von Cornelia Lenz, Fachreferentin für „e-Games und internationale Kooperation“ Volkswagen AG, Wolfsburg, Deutschland Die Bedeutung und Zukunft der Kommunikation im „e-Game-Bereich“ Volkswagen hat die zunehmende Bedeutung von Video-Games für das Marketing erkannt und nutzt es auch. Da es über die klassische Kommunikation immer schwieriger wird, die wachsenden Zielgruppen zu erreichen, nutzen wir innovative Wege für die Kommunikation und Dialogaufnahme mit unseren zukünftigen Kunden. Durch die Präsenz in „e-Games“ kann der User unsere Produkte emotional erleben. Neue Technik (z.B. im Bereich der Konsolen-Generationen PS3, XBox360 und Wii) lässt auch neue Werbeformen zu. Durch Online-Funktionen der neuen Konsolen können wir aktuelle Werbebotschaften dynamisch platzieren. Da der Automobilbau unser Kerngeschäft ist, sind wir natürlich besonders stark in „Racing Games“ vertreten. Es kommt allerdings nicht nur darauf an, in Spielen präsent zu sein, sondern mit den Usern einen Dialog aufzunehmen, der sich über die authentische Vermittlung der Fahrzeug-Erlebniswerte aufbaut. Volkswagen hat das Potenzial dieser innovativen Werbeform erkannt und hat sich entsprechend aufgestellt.
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Schlussfolgerungen
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Schlussfolgerungen
• Die Zeit ist reif für Lifestyle Advertising: Das Breitbandnetz, die „Netzkultur“, der User und die Technik haben sich entwickelt. Der Stellenwert des Internet, das Kaufverhalten (E-Commerce) und die Qualität (Usability und Informationsgehalt) der Web-Seiten haben sich verändert. Die Angst vor Neuem ist verschwunden – das Internet gehört zum Alltag. • Mit der heranwachsenden Internet-Generation ändern sich die Ansprüche an die Medien in Bezug auf Interaktivität und Individualität. Das „Mitmach-Web“ entwickelt sich zu einem vielfältigen, in den Tagesablauf integrierten sozialen Raum. • Um Lifestyle Advertising umzusetzen, sind umfangreiche Adaptionen von Geschäftsmodellen und Abläufen in Unternehmen sowie strategische Neuausrichtungen notwendig. „User“ werden zu wertvollen Partnern und in unternehmerische Wertschöpfungsketten eingebunden. Der dynamische Prozess, Listen – Evaluate – Respond, erfordert eine kontinuierliche Kommunikation zwischen Konsument und Unternehmen sowie eine enge Abstimmung innerhalb der einzelnen Geschäftsbereiche. • Web 2.0 revolutioniert das klassische Medienmodell und lässt Information nun bidirektional zwischen Medienkonsument und Medienmacher fließen – eine Chance für vertrauenswürdige Marken.
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• Die Konvergenz der Medien weicht die Grenzen zwischen Inhalt, Werbung, Distribution und Konsument auf. Deshalb sollten Marken als Teil individueller Lifestyles integriert werden. Informelle Kommunikation, wie etwa Mundpropaganda, prägt die Wahrnehmung der meisten Marken. Konsumenten orientieren sich bei wichtigen Kaufentscheidungen zunehmend an Communities. • Mobile Marketing, Virales Marketing und Community Marketing ermöglichen eine punktgenaue Ansprache interessanter Kundensegmente unter Nutzung vorhandener Markenwerte. • „Findability“ wird zum Erfolgsfaktor für das Marketing. Zeit und Aufmerksamkeit des Users sind heiß umkämpft. • Web 2.0 führt zur Renaissance des Ortes und verstärkt die Entwicklung von „location based services“. • „Social Commerce“ (Empfehlungshandel) bietet auch für den traditionellen Handel neue Konzepte und Möglichkeiten. • Medienunternehmen, Contentproduzenten und Formatentwickler müssen die neuen digitalen Vertriebskanäle bedienen und sich auf entbündelte (Content-)Formate einstellen. • „Mash Up Your Business!“ markiert den Übergang zu neuen Wertschöpfungs- und Businessmodellen. Damit werden Kooperationen über Branchengrenzen hinweg noch wichtiger und wertvoller. • Lifestyle Advertising erfordert Kooperationen zwischen allen Beteiligten: vom innovativen Applikations- und Formatentwickler über Werbeagenturen und Werbetreibende zu Contentproduzenten und Distributoren etc. und benötigt gleichzeitig neue Methoden zur Werbeerfolgskontrolle und –messung.
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Auftraggeber und Autorin
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Auftraggeber und Autorin departure wirtschaft, kunst und kultur gmbh
Karoline Simonitsch
Das „Schwerpunktprogramm Creative Industries“ der Stadt Wien, mit dem die departure wirtschaft, kunst und kultur gmbh als 100-prozentiges Tochterunternehmen des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds im Mai 2004 Österreichs das erste umfassende Wirtschaftsförderungsprogramm für Creative Industries gestartet hat, unterstützt die wirtschaftliche Verwertung innovativen und kreativen Schaffens in Wien und gilt inzwischen europaweit als erfolgreiches Modell der Innovationsförderung auf Wettbewerbsbasis. Dabei wird nicht in kreative Abläufe, deren Gesetzmäßigkeiten und Freiräume eingegriffen, sehr wohl aber werden Wege aufgezeigt, wie kreative Entwicklungen einer weiteren wirtschaftlichen Verwertung zugeführt werden können – im Sinne des Hervorbringens neuer Werte und nicht im Sinne einer Kommerzialisierung von Kunst und Kultur.
Dr. Karoline Simonitsch studierte an der KF-Uni Graz, der WU-Wien und der University of California, Berkeley, USA. Von April 2000 bis März 2007 arbeitete sie bei PricewaterhouseCoopers in Wien bzw. Düsseldorf in der Funktion als Managerin mit Prokura. Seit April 2007 ist sie als selbständige Unternehmensberaterin tätig – vorwiegend in Deutschland und Wien.
Im Laufe des bisherigen Förderprogramms wurden im Rahmen von 13 Calls 89 Projekte an der Schnittstelle von Kreativität/Kunst und Wirtschaft mit rund 7,2 Mio. Euro gefördert und mehr als 520 hoch qualifizierte Arbeitsplätze neu geschaffen oder gesichert. Diese Fördersumme löst ein privates Investvolumen von rund 28 Mio. Euro aus. departure wirtschaft, kunst und kultur gmbh Hörlgasse 12, 1090 Wien, Austria office@departure.at
Schwerpunkte ihrer beratenden Tätigkeit sind: sich verändernde Geschäftsmodelle, Unternehmensprozesse und Implikationen für Unternehmensstrategien mit Fokus auf Technologie-, Medien- und Telekommunikationsmärkte. Sie ist Autorin und Vortragende zu Trends in diesen Märkten und seit 2004 Jurymitglied bei departure. Dr. Karoline Simonitsch Business Development & Strategic Consulting Laudongasse 34/1/41, 1080 Wien, Austria simonitsch_office@aon.at
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Gastkommentare
Frank Mackenroth
Willi Schroll
Partner, Entertainment & Media Leader Advisory Germany, Büros Berlin & Hamburg, PricewaterhouseCoopers AG Deutschland, www.pwc.de
Senior Foresight Consultant, Z_punkt GmbH The Foresight Company, Büro Berlin, Manfred-von-Richthofen-Str. 9, D-12101 Berlin, www.z-punkt.de
PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist in Deutschland mit rund 8.000 Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von 1,1 Milliarden Euro eine der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. An 28 Standorten arbeiten Experten für nationale und internationale Mandanten jeder Größe. PricewaterhouseCoopers bietet Dienstleistungen an in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen (Assurance), Steuerberatung (Tax) sowie in den Bereichen Transaktions-, Prozess- und Krisenberatung (Advisory). Eine hohe Qualitätsorientierung sowie vorausschauendes Denken und Handeln kennzeichnen die Aktivitäten des Unternehmens.
Willi Schroll beschäftigt sich als Senior Foresight Consultant schwerpunktmäßig mit Zukunftstechnologien und ihren Konsequenzen für Unternehmen und Wirtschaft.
Frank Alexander Zahn
Cornelia Lenz
Exozet Group GmbH & Co KG, Oberbaum City, Rotherstraße 20, D-10245 Berlin, www.exozet.com
Fachreferentin für “e-Games und internationale Kooperation”, Volkswagen AG, D-38436 Wolfsburg, www.volkswagen.de
Die exozet group bestehend aus den drei Units exozet interact (Agentur für digitale Kommunikation), exozet effects (Studio für visuelle Effekte) und exozet games (Game Development Studio) hat Dependancen in Berlin, Potsdam, Wien und Zagreb. Das Unternehmen wurde 1996 von Frank Alexander Zahn gegründet und beschäftigt inzwischen rund 80 Mitarbeiter. Zu den Kunden zählen namhafte Vertreter der unterschiedlichsten Branchen – darunter Universal Music Deutschland, der Deutsche Bundestag, MTV Networks, der Axel Springer Verlag, die Karlsberg Brauerei, RTL Enterprises, American Express, Fleurop, die UFA Film & TV Produktion etc.
Der Volkswagen Konzern Der Volkswagen Konzern mit Sitz in Wolfsburg ist einer der führenden Automobilhersteller weltweit und der größte Automobilproduzent Europas. Acht Marken aus sechs europäischen Ländern gehören zum Konzern: Volkswagen, Audi, Bentley, Bugatti, Lamborghini, SEAT, Skoda und Volkswagen Nutzfahrzeuge. Jede Marke hat ihren eigenständigen Charakter und operiert selbständig im Markt. Ziel des Konzerns ist es, attraktive, sichere und umweltschonende Fahrzeuge anzubieten, die im zunehmend scharfen Wettbewerb auf dem Markt konkurrenzfähig und jeweils Weltmaßstab in ihrer Klasse sind.
Über Z_punkt Z_punkt The Foresight Company ist ein Beratungsunternehmen für strategische Zukunftsfragen mit Sitz in Essen, Karlsruhe und Berlin. Seit 1997 unterstützt Z_punkt Unternehmen und öffentliche Auftraggeber mit Foresight Research und Consulting – die Übersetzung von Trend- und Zukunftsforschung in die Praxis des strategischen Managements.
Design: Rosebud, Inc.
departure wirtschaft, kunst und kultur gmbh HĂśrlgasse 12, 1090 Wien, Austria --- - - - - - - - - - - - - - - -------------------------------- --T +43 1 4000 87100, F +43 1 4000 87109 ofďŹ ce@departure.at, www.departure.at