dérive Zeitschrift für Stadtforschung dérive Okt — Dez 2022 No 89 dérive ISSN 1608-8131 9 euro UNDPOLYZENTRALÖKOSOZIAL
Das Zentrum historischer europäischer Städte ist traditionell der Ort weltlicher und religiöser Macht ebenso wie der großen Kultur- und Bildungseinrichtungen. Ein starkes Bevölkerungs wachstum im Zuge der Industrialisierung und die Eingemein dung von Vororten führte, die Grenzen der mittelalterlichen Stadt sprengend, im 19. und 20. Jahrhundert zu einer starken, oft konzentrischen räumlichen Ausdehnung. Leistungsstarke öffentliche Verkehrsmittel und speziell die Verbreitung des Autos erlaubten es, die Funktionen in der Stadt zu trennen und zu bündeln, was zur Folge hatte, dass immer längere Strecken zu überwinden waren, um zur Arbeit, zu Orten für Freizeit, zu Geschäften zu kommen. Die Gegenbewegung war die Stadt der kurzen Wege, die heute als 15-Minuten-Stadt in neuer Form Schlagzeilen macht und auf polyzentralen Strukturen basiert. Sie soll es möglich machen, viele alltägliche Wege zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln in kurzer Zeit zu erreichen und damit den motorisierten Individualverkehr ein dämmen. Dadurch sinkt der CO2-Ausstoß, wird Straßenraum frei und kann vielfältiger genutzt werden. Lärm und schlechte Luft werden reduziert, es entsteht Platz für mehr Grün, wodurch Hitzeinseln verschwinden.
Der Einwand, dass es weiterhin viele Menschen geben wird, die nicht ums Eck arbeiten, sondern sich mehr als 15 Minuten durch die Stadt bewegen werden müssen, stimmt natürlich ebenso wie die Gefahr einer ›green gentrifcation‹ besteht, weil in attraktiven Gegenden höhere Mieten verlangt werden können. Eine mögliche Verdörfichung der Stadt fassen zumindest wir bei dérive auch eher als eine Bedrohung denn als einen Grund zur Freude auf.
Ansätze wie in Barcelona und Valencia, wo versucht wird, mit sehr einfachen Mitteln in kurzer Zeit viele Super blocks und Plätze zu transformieren, um über die ganze Stadt verteilt Verbesserungen zu schaffen, ist auch ein Versuch, einer seits Gentrifzierung zu verhindern und andererseits durch das Überangebot keine neuen singulären touristischen Attraktionen zu schaffen. Ob das gelingen kann, wird sich zeigen. Ohne starkes Mietrecht und regulatorische Eingriffe in den Bodenund Immobilienmarkt wird es wohl eher nicht funktionieren.
In der vorliegenden Ausgabe von dérive werfen wir einen kritischen Blick auf die breit diskutierten Projekte in Barcelona und Paris. Wir veröffentlichen Simon de Boecks ausführlichen Beitrag Barcelonas Superblocks und die Rückgewinnung des öffentlichen Raums, für den er sich die Konzepte und die ersten Umsetzungen in Barcelona auch im Vergleich zur Pariser 15-Minuten-Stadt detailliert angesehen hat.
Um bauliche Transformationsprozesse im Geiste einer sozial- und klimagerechten Stadtentwicklung geht es auch in einem Artikel von Katharina Kirsch-Soriano da Silva über ein
Wiener Nachverdichtungsbeispiel, in dem sie die unmittelbaren Veränderungen für die alltäglichen Lebenswelten von länger ansässigen Bewohner*innen in den Fokus nimmt, die solchen Eingriffen oft kritisch gegenüberstehen.
Das Potenzial von polyzentralen Strukturen im Zusam menhang mit Bildungs- und Kulturzentren erkundet ein Text über gemeinschaftsorientierte Bildungsnahversorgung nach 1945 in Wien, den Carina Sacher und Lukas Vejnik verfasst haben.
Selbstverständlich betrachtet die aktuelle Ausgabe von dérive das Konzept der Polyzentralität auch historisch und beleuchtet den unmittelbaren, aktuellen Diskurs dazu. Andre Krammer hat sich dieser Aufgabe angenommen und eine kritische Evaluation des Leitbilds Polyzentralität geschrieben.
Der Magazinteil bringt einen Beitrag über zwei typische Schweizer Großwohnsiedlungen der 1950er bis 1970er Jahre in Bern bzw. Aarau. Eveline Althaus und Leonie Pock haben diese im Rahmen eines Forschungsprojekts am ETH Wohnforum untersucht und gehen in ihrem Beitrag für dérive »am Beispiel der Erneuerungsprozesse von Spielplätzen auf Veränderungen und Kontinuitäten von den Planungskonzepten bis heute ein«.
Tino Buchholz, Post-doc am Städtebau-Institut der Uni versität Stuttgart, steuert einen Beitrag über das Format der Internationalen Bauausstellung IBA sowie seine Mängel und Möglichkeiten zwischen Baukultur und Technoplanung bei. Im Besonderen geht es ihm dabei um »ein konfikthaftes Ver ständnis sozialer Raumproduktion entlang nicht endender Kämpfe um sozialräumliche Anerkennung«.
Die Interviewgäste in der dérive-Serie zu Kunst im öffentlichen Raum bzw. öffentlicher Kunst sind diesmal Anna Schäffer, Jochen Becker und Simon Sheikh, die als Projekt gruppe Situation Berlin Teil der Initiative Urbane Praxis sind. Anliegen ist ihnen, nicht die »klassische Vorstellung von Kunst im öffentlichen Raum zu propagieren«, sondern ein operieren »an der Schnittstelle zur Stadtpolitik und aktivistischer Praxis«.
Das Kunstinsert stammt diesmal von der wohl bekann testen tschechischen Performance-Gruppe ZTOHOVEN rund um die Künstler*innen Roman Týc, Tomáš Jasný and Matej Hajek, die für uns eine rote Unterhose über der Prager Burg wehen lassen.Wenn diese Ausgabe erscheint, steht das 13. urbanize!Festival vor der Tür. Mit Around the Corner: Polyzentrale Stadt-Strukturen für die ökosoziale Transformation lädt es ein, gemeinsam die Gegenwart und Zukunft der Stadt zu entwer fen. Wir freuen uns, euch zu sehen!
Christoph Laimer
01 Editorial
8 Ausgaben (2 Jahre) dérive um 56,–/75,– Euro (Österr./Europa) inkl. ein Exemplar ANGEBOT:von: ABONNEMENT + BUCH* »Es hat sich gezeigt, dass dertouristische Tsunami die Identität der Stadt und das tägliche Leben der Bewohner*innen erstickt und zudem die Wohnungspreise drastisch erhöht« Simon De Boeck, S. 19 Dagmar Pelger Spatial Commons. Zur urbanerVergemeinschaftungRäume Hamburg: Adocs, 2022 256 Seiten, 26 Euro Bestellungen an: bestellung@derive.at *Solange der Vorrat reicht www.derive.atZeitschrift für Stadtforschung dérive
Inhalt
01 Editorial CHRISTOPH LAIMER
Schwerpunkt
04—09
Das Leitbild der POLYzentralität Eine kritische Evaluation
ANDRE KRAMMER
10—15
Zentren geistiger nachGemeinschaftsorientierteSTADTerweiterungBildungsnahversorgung1945
CARINA SACHER, LUKAS VEJNIK
16—25
BARCELONAS SUPERBLOCKS und die Rückgewinnung des ÖFFENTLICHEN Raums SIMON DE BOECK
26—36
TransformationsPROZESSE in der wachsenden STADT – zwischen Chancen und Widerständen KATHARINA KIRSCH-SORIANO DA SILVA
Kunstinsert 32—36
OUT OF SHIT! ZTOHOVEN
Magazin
37—42
Geteilte Räume im Wandel – am Beispiel von Begegnungs- und SPIELORTEN in GROSSWOHNSIEDLUNGEN EVELINE ALTHAUS, LEONIE POCK
43—48
Technoplanung und die INTERNATIONALE Bauausstellung in der KRITISCHEN Phase der URBANISIERUNG: Was kann IBA? TINO BUCHHOLZ
49—54
»Die Spirale muss nach OBEN gehen« Ein Interview mit Mitgliedern der Berliner Initiative Urbane Praxis
URSULA MARIA PROBST, ANNA SCHÄFFLER, JOCHEN BECKER UND SIMON SHEIKH
Besprechungen
55—60
Unter Sternen – Manifesta 14 S.55 Wie Phönix aus der Asche, Stadtentwicklung in Moravia, Medellín S.56 Wie die documenta fifteen neue Formen von Kunst und Zusammenleben eröffnet S.57 Die Stadt im Outdoor-Tanzfieber S.59
68 IMPRESSUM
dérive – Radio für Stadtforschung
Jeden 1. Dienstag jeden zweiten Monat von 14.00 bis 14.30 Uhr in Wien auf ORANGE 94.0 oder als Webstream https://derive.at/radioSendungsarchiv:http://o94.at/live.
03
–
Schwerpunkt
Das Leitbild der POLYzentralität Eine kritische Evaluation
»Jeder Punkt kann zum Brennpunkt werden, zum privilegierten Ort, an dem alles konvergiert. So dass jeder städtische Raum in sich dieses Möglich-Unmögliche trägt, seine eigene Negation. Jeder städtische Raum war somit, ist und wird konzentrisch und poly-(multi)zentrisch sein.«
Henri Lefebvre in Die Revolution der Städte (1970)
Randstad: Niederländische Metropolregion. Zur Randstad gehören die urbanen Gebiete von und um Amsterdam, Haarlem, Leiden, Den Haag, Delft, Rotterdam, Dordrecht, Gouda, Utrecht, Hilversum und Almere. Karte — Jeroencommons (CC BY-SA 3.0).
Die polyzentrale Stadt ist eines der Leitbilder – wie etwa auch jenes der Smart City –, das in den letzten Jahrzehnten auf Konferenzen und in Publikationen Karriere machte und seine Spuren in Stadtentwicklungsplänen vieler Städte hinterlassen hat. Primär handelt es sich um ein Modell, das ökonomisch auf Standortfragen ausgerichtet ist, aber in dessen Rahmen auch potentiell positive soziale Effekte verhandelt werden.
Bereits in den 1960er Jahren starteten in europäischen Groß städten Versuche, der alten gewachsenen Stadt eine neue City gegenüberzustellen. Meist handelte es sich dabei um Bürovier tel mit Zusatzfunktionen. La Defense in Paris kam eine (zwei felhafte) Vorbildwirkung zu. Wien zog mit der Wiener Donau city Mitte der 1990er Jahre verspätet nach. Auch in Wien wird die Sinnhaftigkeit dieser zweiten City immer wieder in Frage gestellt, hat diese doch nie ganz das Image der Künstlichkeit und Retortenhaftigkeit ablegen können. Das Zweit-Zentrum schien vielerorts bald in einer allzu groben Dialektik festgefah ren. Die polyzentrische Stadt ist auch der Versuch, eine stärker plurale und dynamische Entwicklung in den Blick zu nehmen. Gegenwärtig wird das Konzept der Polyzentralität auf unterschiedliche Maßstäbe angewandt – auf Metropolregio nen, die mehrere Städte umfassen, auf Städte und ihr Umland oder auf das engere Stadtgebiet. Dabei geht es immer um ein komplementäres Zusammenwirken einer gegebenen Anzahl zentraler Orte. Durch Kooperationen sollen nicht nur wirt schaftliche und soziale Synergien erzielt werden, von denen man sich in der globalen Konkurrenz Standortvorteile erhofft, sondern auch drängende Probleme – wie aktuell etwa Mobili täts- und Klimafragen – die durch Zusammenarbeit der maß geblichen Akteur*innen großräumlich verhandelt und gelöst werden können.
Vorbild Randstad
Seit den 1960er Jahren gilt die niederländische Städte region Randstad als die archetypische polyzentrische Metropo lis. Sie umfasst heute ca. 7.000 km² und zählt rund sieben Mil lionen Einwohner*innen. Im Verbund übernehmen die einzelnen Städte spezielle Aufgaben. Amsterdam etwa hat seinen Schwerpunkt im Bereich Wirtschaft und Finanzen, Den
g,yPolzentralität,StadtentwicklunRandstad,Gartenstadt,y,g,15-Minuten-StadtStadtderkurzenWee,Netzstadt,ContinentCitggpStadtarchiel,Nachbarschaft,Zivilesellschaft,Ruhrebiet,Wien
04 dérive No 89 — polyzentral und ökosozial
ANDRE KRAMMER
10 dérive No 89 — polyzentral und Zentrenökosozial geistiger mitIdeewurdeHandNachnahversorgungGemeinschaftsorientierteSTADTerweiterungBildungs-nach1945demZweitenWeltkriegginginWiendieRealisierungvonneuenWohnviertelninHandmitderErrichtungvonVolkshochschulbauten.InderZweitenRepublikdievonderVolksbildungsbewegungAnfangdes20.JahrhundertsbegründeteeinesflächendeckendenNetzesfürdieErwachsenenbildungaufgegriffenunddemBauvon ›Volksheimen und Häusern der Begegnung‹ weitergesponnen. Die damit verbundenen städtebaulichen Überlegungen zur polyzentralen Nahversorgung mit niederschwelligen, gemeinschaftlichen und demokratischen Räumen für Bildung und Kultur erfahren heute wieder einen Aufschwung. CARINA SACHER, LUKAS VEJNIK yg,,VolkshochschulenBildunStadtteilzentren,Polzentralität,g,g,DezentralisierunKulturräume,Nachbarschaft,ThirdPlaces,StadtplanunWien Volksheim Heiligenstadt; (c) Bezirksmuseum Döbling
16 dérive No 89 — polyzentral und ökologischerenbungDiezen,internationalenReiheder2000erpischenUmgestaltungenDemÖFFENTLICHENdieSUPERBLOCKSBARCELONASökosozialundRückgewinnungdesRaumsKonzeptderSuperblocksgehteinereiche,aberrelativjungeGeschichtestädtischerinBarcelonavoraus,vondenendiejenigenimZusammenhangmitdenOlymSpielen1992dieumfangreichstenundeinschneidendstenwaren(Siart2012).IndenJahrenwurdedieStrategiederurbanenProjekteamnordöstlichenEndederKüstemitAufwertungdesFórum,desFlussesBesosunddesBahnhofsSagrerafortgesetzt.DieaufsehenerregenderProjektebrachtedieStadtimmerwiederindenBlickpunktderStädtebaukritik.MitdenSuperblockswillBarcelonaeinurbanesProjektumsetdasintensivermitderkomplexen,kompaktenundsichverdichtendenStadtinteragiert.ehrgeizigenZielereichenvonderReduzierungdesPKW-VerkehrsüberdieWiederbeleöffentlicherRäumeundneuenGovernance-ModellenbiszueinergesünderenundStadt. pSuerblock,15-Minuten-Stadt,Barcelona,Paris,öffentlicherRaum,Mobilität,Biodiversität,g,g,pKlimawandelanassuntaktischerUrbanismus,BrandinPartizipation,IldefonsCerdàDie von Ildefons Cerdàs Mitte des 19. Jahrhunderts geplante Rasterstruktur. Foto — Ikuday SIMON DE BOECK
26 dérive No 89 — polyzentral und ökosozial Ein Stadtteil in Veränderung; Foto — Caritas Stadtteilarbeit Wohnanlage aus den 1970er Jahren; Foto — Caritas Stadtteilarbeit KATHARINA KIRSCH-SORIANO DA SILVA wachsendenPROZESSETransformations-inderSTADT–zwischenChancenundWiderständenTransformationsprozessesindintegralerBestandteilderEntwicklungundWeiterentwicklungvonStädten.SiestellenaberauchHerausforderungendarundwerdenmitunterganzunterschiedlichwahrgenommen.EinBlickaufaktuelleEntwicklungeninWienzeigt,wieimKontextderDynamikeinerwachsendenStadtindenvergangenenJahreneineVielzahlneuerStadtentwicklungsgebieteentstandenistundwiediebestehendeStadtanvielenOrtennachverdichtetwird.VordemHintergrundvonImmobilienmärkten,dieimglobalenKapitalismusweltweitverstärkteinerVerwertungs-undGewinnmaximierungslogikunterworfensind,stelltsichdieFrage,wiedasWohneninwachsendenStädtenleistbarbleibenkann.StädtischeNachverdichtung,dieeinenstarkenFokusaufgemeinnützigenundkommunalenWohnbaulegt,kannindiesemZusammenhangeineChancedarstellen.WeitereFragestellungeneinersozial-undklimagerechtenStadtentwicklungkönnendabeiaufgegriffenundneueWegefürbedürfnisorientierteWohnformenundklimafreundlicheStadtgestaltungentwickeltwerden.BereitslängeransässigeBewohner*innenseheninstädtischenEntwicklungsprozessenabernichtnurChancen.FürsiebedeuteteinezunehmendeUrbanisierung,auchperiphererGebiete,eineunmittelbareVeränderungihrerLebensweltenundihresgewohntenAlltags,dersiehäufigmitSkepsisundWiderstandbegegnen.DerfolgendeBeitragmöchte,basierendaufdenErfahrungenausderBegleitungkonkreterNachverdichtungsprozesse,dieSpannungsfelder,indenendiesestattfinden,sichtbarmachenundreflektieren. gg,g,,TransformationUrbaneNachverdichtunStadtentwicklunBevölkerunswachstum,g,gg,gProzessbeleitunMitestaltunWohnbau,Bestand,Gemeinwesenarbeit,Wien
ZTOHOVENKunstinsert OUT OF SHIT!
Das Kunstinsert dieser Ausgabe stammt von der vermutlich bekanntesten tschechischen Perfor mancegruppe ZTOHOVEN um die Künstler Roman Týc, Tomáš Jasný und Matej Hajek. Das seit 2002 bestehende Kollektiv setzt sich aus einer Kerngruppe von fünf bis zehn Künstler*innen zusammen, die sich je nach Projekt auf bis zu 100 Personen erweitern kann. Meist verwenden die Künstler*innen Deck- bzw. Künstlernamen wie Ector Khon, Daniel Gerous, Petr Žílka, Roman Týc, Otto Horši oder Tomáš Jasný, die doppeldeutig interpretierbar sind. Der Name der Gruppe selbst kann als Programm gelesen werden und bedient sich eines Wortspiels. Er bedeutet so viel wie »Raus hier« (Z toho ven) oder ›Sto Hoven‹ (engl.: One hundred shits) bzw. nach eigenen Angaben einfach »out of the shit«.
Die Projekte von ZTOHOVEN sind meist politisch angelegt, wobei sie sich nicht scheuen, auch tagespolitische Themen anzuvisieren. Präzise Recherche und minuziöse Vorbereitung sind genauso wie Symbolkraft, Unverfrorenheit und Humor Merkmale ihrer Arbeit. Bei Citizen K schafften sie es 2010, ihre Identitäten zu vermischen, indem zwölf ihrer Mitglieder mit dem selben Haarschnitt Fotoporträts machten. Mithilfe von Morphing-Software verschmolzen sie jeweils zwei Gesichter zu einem, in dem die signifkanten Gesichtszüge beider zu erkennen waren. Sie beantragten neue Ausweise und benutzten jeweils den Namen eines Kollegen. Zwölf Monate lang lebten sie unter dieser fktiven Identität. Sie verwendeten ihre Ausweise, um an Wahlen teilzunehmen, ins Ausland zu reisen, einige beantragten sogar einen Waffenschein damit. Nach einiger Zeit enthüllten sie in einer Ausstellung ihre geheimen Identitäten einschließlich der Dokumentation des gesamten Prozesses des Projektes.
Bei einem früheren Projekt (2007) wurde ein gefaktes Video, das eine Atomexplosion zeigt, mittels Hacking in die Wettervorhersage des öffentlich-rechtlichen Fernsehens für das Riesen gebirge eingespielt. Es entstand kurze Panik, bevor sich die Sache aufklärte. Vielfach haben ihre Projekte ein gerichtliches Nachspiel, das sie bewusst in Kauf nehmen. In mancher Hinsicht erin nern die Aktionen von ZTOHOVEN an jene der Münchner Gruppe Spur in den 1960er Jahren –mit dem Unterschied, dass bei ZTOHOVEN die Arbeit mit den Medien einen sehr großen Teil der Projekte ausmacht.
In dérive stellen wir ein Projekt vor, das eine sehr hohe mediale Präsenz erreicht hat und sich direkt in das tagespolitische Geschehen Tschechiens eingeschrieben hat. Bei Red Under pants – Decentralization of Power (Criminal court) oder die Schmutzige Wäsche des Präsidenten sind Mitglieder von ZTOHOVEN, verkleidet als Rauchfangkehrer, vorbei an allen Sicherheits beauftragten auf die Prager Burg gestiegen, um die tschechische Flagge zu demontieren und stattdessen eine überdimensionale rote Boxershort zu hissen (siehe https://vimeo.com/ztohoven/ trenky2). Die Aktion richtete sich in erster Linie gegen den Präsidenten Miloš Zeman. ZTOHOVEN warfen ihm mit der Aktion Behindertenfeindlichkeit, ein Naheverhältnis zu Oligarchen und Diktatoren und vieles mehr vor. Unter anderem auch, dass er einen anrüchigen russischen Ölhänd ler und einen chinesischen Geheimdienstoffzier in seinen Beraterstab berufen hat, womit sich die rote Farbe der Unterhose erklärt. In einem kurzen Gedicht, das über Twitter verbreitet wurde und Teil des Inserts ist, hat die Künstlergruppe die Motivation für diese Aktion im Nachhinein publik gemacht.Seit2015
steht ZTOHOVEN mit der russischen Gruppe Pussy Riot in intensivem Aus tausch. Eines der letzten abgeschlossenen Projekte, Pacman, bei dem sie ebenso interventionis tisch agierten, beschäftigte sich mit Monokulturen und Genmanipulationen in der Landwirt schaft (siehe nächste Seite, Abbildung unten.)
Derzeit wird an einem Projekt, das sich mit unseren ›Footprints‹ beschäftigt, gearbeitet. Dazu kann aber momentan noch nicht mehr verraten werden.
Barbara Holub / Paul Rajakovics
32 dérive No 89 — polyzentral und ökosozial
http://www.ztohoven.com
Geteilte Räume im WANDEL – am Beispiel von Begegnungsund SPIELORTEN GROSSWOHNSIEDLUNGENin
Großwohnsiedlungen haben die Siedlungslandschaft in den 1960er und 1970er Jahren grundlegend verändert; Bern West (mit Tscharnergut rechts) 1982, in: ETH Bildarchiv, Comet Photo, (CC BY-SA
In den 1950er bis 1970er Jahren hielt mit Großwohnsiedlungen eine neue Art des Bauens und Wohnens Einzug in europäische Städte und Vororte. Aufgrund der damaligen Wohnungsnot entstanden oft mals in kürzester Zeit dichte hochgeschossige Bauten, die für breite Bevölkerungsschichten zu einem Zuhause werden sollten. Für das Ein- und Zusammenleben in der damals noch ungewohnten Wohn form spielten die für kollektive Nutzungen gebauten Anlagen der Siedlungen eine zentrale Rolle. Im Rahmen des Forschungsprojekts PuSH untersuchte ein Team am ETH Wohnforum solche gemeinsam geteilten, öffentlichen Räume in Schweizer Großwohnsiedlungen. Am Beispiel der Erneuerungsprozesse von Spielplätzen geht dieser Beitrag auf Veränderungen und Kontinuitäten von den Planungskon zepten bis heute ein.
»Die vielen Begegnungsorte sind für das Zusammenleben im Tscharnergut wichtig«, erklärt ein älterer Bewohner, der in der ersten Berner Großsiedlung aufgewachsen ist und heute wieder dort lebt. Bei einem Rundgang versteht man, was er meint. Zwischen den massiven aus Sicht-Beton gebauten Wohnblöcken erstrecken sich weite Grünfächen, im Schatten von Bäumen fnden sich Bänke und Tische. Das Quartierzentrum, das seit 1962 besteht sowie der Dorfplatz mit Brunnen, charakteristischem Glocken turm und angrenzenden Gaststätten, laden dazu ein, sich zu treffen. Auch der Kleintierzoo, mit den Ziegen und den schwarz schimmernden Seidenhühnern, wird rege besucht – die zu dicken Esel zeugen davon.
In der knapp 90 Kilometer nordöst lich entfernt liegenden Großwohnsied lung Telli in Aarau betonen Interview partner*innen ebenfalls den positiven Einfuss der öffentlichen und kollektiven Anlagen auf die Wohnqualität. Eine seit mehreren Jahren dort wohnhafte Stu dentin sagt etwa: »Ich fnde die vielen Begegnungszonen, die es hier gibt, sehr wichtig und es dürfte meiner Ansicht nach auch noch mehr davon geben. Zum Beispiel bei den Laubengängen dürfte es noch mehr Tische haben und es müssten nicht alle gleich aussehen wie jetzt, son dern sie könnten völlig wild zusammen
37Eveline Althaus , Leonie Pock — Geteilte Räume im WANDEL – am Beispiel von Begegnungs- und SPIELORTEN in GROSSWOHNSIEDLUNGEN
4.0). EVELINE ALTHAUS, LEONIE POCK
g,GroßwohnsiedlunSpielplätze,Wohnen,Wohnbaupolitik,Öffentlichkeit,Allmende,ggg,,,GenossenschaftNachbarschaftGemeinschaftsräumeBeenunsorte,Schweiz
BauausstellungINTERNATIONALE in der KRITISCHEN Phase der URBANISIERUNG: Was kann IBA?
Ein Gespenst geht um in der Stadtplanung, das Gespenst der ›Technoplanung‹. Selbst wenn nicht wenige den modernistischen Anspruch an rational, erkennende Planung distanzierter Expert*innen überwunden glaubten, beobachten andere die hartnäckige Beständigkeit ökonomischer Impera tive und technokratischer Prozeduren nicht nur im deutschen Planungsap parat. Das technokratische Moment distanzierter Fachplanung wurde bereits von Henri Lefebvre als solches ausgemacht, wenn er Planer*innen und Architekt*innen als ›Halbgötter‹ beschreibt. Der Industrialisierung verpfichtet, mögen sie die Bedürfnisse der Bewohner*innen zwar kognitiv erkennen, aber sozialräumliche Anerkennung sieht anders aus.
»Die Stadt explodiert (…) und dennoch weigern sich die einstigen Führungskräfte (an alte Formen, Funktionen, Strukturen gebundene Institutionen und Ideologien), sich der neuen Situation anzupassen.« (Lefebvre 2003, S. 119)
Lefebvres Analyse ist durchaus zeitge mäß. Im Spannungsfeld von Mensch und Natur, Vergabejurist*innen und Investorenarchitektur probt formale Stadtplanung den Spagat zwischen Legalität und Legitimität gesellschaftli cher Ansprüche an lebenswerte Städte. Als »Architektin sozialer Ungleichheit« (Davy 2020a) sucht Planung nach Lösungen für hausgemachte Probleme, entwirft Szenarien, erstellt Machbar
keitsstudien, erarbeitet Pläne, zieht Grenzen. Die Inklusion von Emotion und Begierde verbleibt dabei ein Kunst stück, dessen Beherrschung für Planung unerreichbar scheint (Davy 2020b). Wie lässt sich die instrumentelle Vernunft funktionaler Sachzwänge bezwingen: Planning with half a mind (Baum 2015)?
Die Internationale Bauausstellung (IBA) bewegt sich in einem ähnlichen Spannungsfeld, nur ist sie um das Aus
loten der Grenzen des Möglichen, und des Unmöglichen, internationaler Bau kultur bemüht. Als informelles Instru ment der Stadtplanung – mit paradig matischem Anspruch – kann sie als ›Biennale des Urbanismus‹ gelten und steht formalen, technokratischen Proze duren kontrastreich gegenüber. Was also kann die IBA? Wie können wir den ›Ausnahmezustand der Stadtplanung‹, den die IBA für sich proklamiert,
43 Tino Buchholz — Technoplanung und die Internationale Bauausstellung TINO BUCHHOLZ undTechnoplanungdie
g,g,g,p,IBAStadtlanunNorm,Form,TechnoplanunAnerkennunRaumproduktion,gStuttart,Lustprinzip,Wirklichkeit,Investorenarchitektur,Baukultur,Moderne
»Die Spirale mussnach OBEN gehen« Ein Interview mit Mitgliedern der Berliner Initiative Urbane Praxis
Künstler*innen, Stadtaktivist*innen, Akteur*innen aus Kultur, Architektur und Soziokultur haben sich 2020 in Berlin auf Initiative des Rats für die Künste zu einem Verbund zusammenge schlossen und erproben in Stadtlaboren und Campusprojekten diverse die Peri pherie einbeziehende Kooperations- und Gestaltungsformen stadträumlicher Transformation. Bis dato fanden Raum experimente, Aktions- und ThinktankFormate sowie Symposien und Konfe renzen statt. Ein für internationale Bei träge offenes Glossar wurde publiziert und 11 Thesen auf dem Weg zu einem Manifest der Urbanen Praxis zur Unter mauerung der Notwendigkeit strukturel ler Veränderungen erstellt. Folgende Pro jekte waren 2020 Partner*innen der öffentlich geförderten Initiative Urbane Praxis: Berlin Mondiale mit ihren Kno tenpunkten, Stadtwerk MRZN/S27, station urbaner kulturen/nGbK Hellers dorf, Zentrum für Kunst und Urbanistik, Floating University, Haus der Statistik, Baupalast und CoCooN. Neben der Erschließung neuer Flächen stand die Entwicklung eines gemeinsamen Fahr plans für urbane Praxis auf der Agenda. Eine Roadmap für nachhaltige Förde rung und Strukturentwicklung wurde
entworfen, der Kulturverwaltung vorge legt und von dieser abgelehnt. Gegründet wurde nun der Verein für Urbane Praxis Anna Schäffer, Jochen Becker und Simon Sheikh sind als Projektgruppe Situation Berlin Teil der Initiative Urbane Praxis. Neben der urbanen Praxis in Berlin wollen sie nun den internationalen Austausch intensivieren.
Ursula Probst: Euch drei verbinden unterschiedliche Historien. Gemeinsam arbeitet ihr an Formen ›urbaner Praxis‹, die Stadt strukturell anders denken und leben lässt.
Jochen Becker: Vor drei Jahren haben wir als nGbK (neue Gesellschaft für bildende Kunst) ein Symposium zu urbanen Kulturen in der Berlinischen Galerie veranstaltet. Die von Eva Hert zsch, Adam Page und mir mit anderen organisierte station urbane kulturen in Berlin-Hellersdorf stand dabei in vielerlei Hinsicht Pate. Dieses Symposium sollte Wege aus den Fallen einer in die Jahre gekommenen Praxis von ›Kunst im öffentlichen Raum‹ aufweisen. Es war schon damals auch ein Urbane-PraxisProjekt, doch der Name Urbane Praxis kam erst später, 2020. Der Begriff ist aus dem Rat für die Künste heraus entstan
den, eine Selbstorganisation aktiver Kul tur-Organisationen in Berlin. Aus dem Selbstverständnis als Rat ging die For derung hervor, dass all die in den 1990ern begründeten postdiszipli nären Aktivitäten endlich eine substan zielle fnanzielle und strukturelle Unter stützung benötigen.
Probst: Es gab zunächst Unterstützung durchBecker:Corona-Fördermaßnahmen?
Von den an Berlin ausge schütteten Bundesgeldern wurden mehrere Millionen Euro vom Berliner Kultur-Senat weitergereicht, weil man letztlich unvorbereitet und ohne Konzept war, und nicht genau wusste, wohin damit: Hauptsache Kultur im halbwegs infektionssicheren Außenraum. Ein Jahr lang hat der Senat auf die ›Draußenstadt‹ Geld regnen lassen, sodass auch die aus dem Rat für die Künste Bottom-up-Strukturinitiativeentstandene Urbane Praxis ein Büro eröffnen konnte, neun exemplarische Campus-Projekte förderte und ein Diskursprogramm entwickelte –alles für ein Jahr, und danach war es wieder vorbei. Es gab erneut das Angebot an die nGbK, die als Institution beteiligt ist, nochmals einen Kongress zu machen. Die nGbK hat daraufhin mich und ich
49Ursula Maria Probst — »Die Spirale muss nach OBEN gehen« URSULA MARIA PROBST IM GESPRÄCH MIT ANNA SCHÄFFLER, JOCHEN BECKER UND SIMON SHEIKH
,,,,,KunstAktivismusArchitekturBerlinUrbanePraxisKunstimöffentlicheng,g,p,RaumKooeration,InstitutionalisierunStadtentwicklunFörderpolitik
Besprechungen
Unter Sternen –Manifesta 14
in den Nachthimmel leuchten und individuell zu besetzen sind. Das Hotel selbst beher bergt temporär auf seinen sieben Etagen Werke, die, thematisch gegliedert, Geschichte anders zu erzählen versuchen, von politischer Vorstellungskraft und Engagement berichten und von dem Wunsch nach Reparatur und Transformation. Kurato rin Catherine Nichols hat in engem Aus tausch mit lokalen Kollektiven und Künst ler*innen eine Schau zusammengestellt, die Fragen zur aktuellen Verortung der Region in breitere Debatten zu Ökologie, Migration, zu Genderfragen und den gegenwärtigen Krisen des Kapitalismus einbettet.
Sound markiert einen Tag. Die gigantische Leere der Betonarchitektur wird so zum Resonanzraum verkörperter Erinnerung und Erfahrung, der auch danach fragt, was als nächstesDennkommt.tatsächlich
Pristina, Hauptstadt des jüngsten Staates in Europa, ist Schauplatz der diesjährigen Manifesta – jener nomadischen Biennale, die nicht nur aktuelle, oft ortsbezogene Werke der bildenden Kunst präsentieren, sondern die urbane Textur der jeweiligen Gastgeberstadt mit ihren Herausforderungen und Potenzialen sichtbar machen will. Die Wahl des Austragungsortes legt heuer fast automatisch einen Fokus auf die Problema tik ethnisch geprägter Konflikte nicht nur dieser Region. Parallel betrachtet sie die post-transitorische Stadtlandschaft in ihren baulichen Schichtungen und sozialen Bruch stellen. Vor allem Ikonen des lokalen Modernismus dienen als Ausstellungsorte: langsam zerfallende Bauten, die gleich wohl noch immer die Ideale des Sozialis mus als ruinenhafte Zeichen in die Stadt silhouette
Seinenmalen.Ausgangspunkt nimmt der sich über 25 Stationen erstreckende Parcours im Grand Hotel Pristina im Zentrum. 1978 als Luxusresidenz erbaut, in der auch Tito über nachtete, sind Symbolik und Funktion heute suspendiert, eine neue Nutzung nicht in Sicht. Petrit Halilaj hat die fünf Sterne, die als Leuchtreklame das Premium-Hotel einst zierten, um weitere Sterne ergänzt. Nicht länger Indikatoren für Luxus, präsentieren sie sich jetzt als frei flottierende Zeichen, die
Von den 103 teilnehmenden Künst ler*innen der Biennale stammen 65 Prozent aus der Region und ihrer Diaspora. Die internationalen Beiträge liefern einen Blick von außen, der in seinen prägnantesten Positionen die sich überlagernde Historie des Landes freilegt. Ugo Rondinone bei spielsweise hat das Monument für die Helden der nationalen Befreiungsbewe gung aus der Tito-Ära, das Adem Jashari, dem Anführer im Kosovokrieg, umgewidmet werden sollte, komplett in violette Folie gehüllt. Das kann man als allgemeinen Debattenbeitrag zu Denkmälern als Reprä sentanten von Ideologien sehen. Die tem poräre Verwandlung des Partisanenmonu ments setzt vor allem aber die Dreiecksform der hoch aufragenden Skulptur, die die »Brüderlichkeit und Einheit« der verschiede nen im Kosovo lebenden ethnischen Gruppen festigen sollte, zur Neubetrach tung inImSzene.riesigen Gebäude der Druckerei Rilindja, in den 1970er-Jahren von Georgi Konstantinovski entworfen, zwischenzeitlich Veranstaltungsort für Techno-Events und heute von Teilabriss bedroht, wurde einst die einzige in albanischer Sprache verfasste Zeitung Jugoslawiens gedruckt. Mit Brutal Times zeigt der türkische Künstler Cevdet Erek eine Installation aus Sound und Licht, die den Ort in seine Vergangenheitsschich ten zerlegt. Die Rhythmen der dunklen mini malen Beats stehen für Rilindjas vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1990er Jahre reichende Geschichte: eine Sekunde
ist das die Frage, die sich jede Ausgabe der Manifesta stellen muss, zieht sie doch weiter, während die mangelnde Sichtbarkeit und institutionelle Einbindung der lokalen Kunstszene beste hen bleibt. Parallel zur Ausstellung hat Carlo Ratti (CRA – Carlo Ratti Associati) über seine Methode des partizipativen Urbanismus deshalb eine Reihe von Prozes sen und Aktivitäten initiiert, die Rolle und die Bedingungen lokaler Infrastrukturen und der Nutzung des öffentlichen Raums zu reflektieren. Das hat dazu geführt, dass die Manifesta erstmals in ihrer Geschichte selbst eine kulturelle Einrichtung ins Leben gerufen hat, das Zentrum für erzählerische Praxis im Gebäude der ehemaligen Hivzi Sulejmani Bibliothek. Als langfristiges interdisziplinäres Projekt angelegt, das in den ersten Jahren von der Biennale finanziert wird, steht es für ein offenes Angebot und soll herausfinden, wie es verwaltet und geleitet werden soll und welche Aktivitäten dort stattfinden sollen. Eine nicht mehr genutzte Eisenbahnli nie, die früher Ziegel in alle Teile Jugoslawi ens transportierte, wurde zu einer Green Line, einem Fußgängerkorridor, umgestaltet, der, bepflanzt und mit Sitzgelegenheiten ausgestattet, als Promenade und Treffpunkt genutzt werden kann. Die Ziegelei selbst, Pristinas größter postindustrieller Standort, wurde bereits 2021 in öffentliches Eigentum überführt und die Zukunft des Geländes damit in die Hände der Bürger*innen gelegt. Die Manifesta hat das Kollektiv raumlabor berlin eingeladen, um das Gelände zu akti vieren und ein gemeinschaftliches Terrain zu verwandeln. [Working on] Common Ground, ein 100-tägiges Labor, versucht in Zusammenarbeit mit Kollektiven aus dem Kosovo und der Region lokale politische, soziale und ökonomische Narrative in Bezug zu aktuellen Herausforderungen wie Dekon taminierung, Kreislaufwirtschaft, Regenera tion und Nachhaltigkeit zu setzen. Ob sich diese Ambitionen in einer tatsächlichen
Vanessa Joan Müller
Above Everyone, 2022, Alban Muja. Foto — Manifesta 14 Pristina, Ivan Erofeev
55Bes p rechun g en
Impressum
dérive – Zeitschrift für Stadtforschung
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: dérive – Verein für Stadtforschung
Mayergasse 5/12, 1020 Wien
Vorstand: Michael Klein, Christoph Laimer, Elke Rauth ISSN 1608-8131
Offenlegung nach § 25 Mediengesetz
Zweck des Vereines ist die Ermöglichung und Durchführung von Forschungen und wissenschaftlichen Tätigkeiten zu den Themen Stadt und Urbanität und allen damit zusammenhängenden Fragen. Besondere Berücksichtigung fnden dabei inter- und transdisziplinäre Ansätze.
Grundlegende Richtung
dérive – Zeitschrift für Stadtforschung versteht sich als interdisziplinäre Plattform zum Thema Stadtforschung.
Redaktion
Mayergasse 5/12, 1020 Wien
Tel.: +43 (01) 946 35 21
E-Mail: vimeo.com/derivestadtforschunginstagram.com/derive_urbanizetwitter.com/derivemagazinfacebook.com/derivemagazinurbanize.atderive.atmail(at)derive.at
dérive – Radio für Stadtforschung
Jeden 1. Dienstag jeden zweiten Monat von 17.30 bis 18 Uhr in Wien live auf ORANGE 94.0 oder als Webstream http://o94.at/live. Sendungsarchiv: http://cba.fro.at/series/1235
Chefredaktion: Christoph Laimer
Redaktion/Mitarbeit: Thomas Ballhausen, Andreas Fogarasi, Elisabeth Haid, Judith Haslöwer, Barbara Holub, Milena Hufnagel, Michael Klein, Andre Krammer, Silvester Kreil, Karin Lederer, Erik Meinharter, Paul Rajakovics, Elke Rauth, Manfred Russo
Autor*innen, Interviewpartner*innen und Künstler*innen dieser Ausgabe: Eveline Althaus, Jochen Becker, Tino Buchholz, Simon de Boeck, Matej Hajek, Barbara Holub, Katharina Kirsch-Soriano da Silva, Andre Krammer, Vanessa Joan Müller, Manuel Oberlader, Leonie Pock, Ursula Maria Probst, Paul Rajakovics, Carina Sacher, Anna Schäffer, Simon Sheikh, Lukas Vejnik
Anzeigenleitung & Medienkooperationen: Helga Kusolitsch, anzeigen(at)derive.at
Website: Artistic Bokeh, Simon Repp
Grafische Gestaltung: Atelier Anna Liska Mitarbeit Lucia Elena Pru˚sˇa
Lithografie: Branko Bily
Coverfoto: Praça Superilla de Sant Antoni, 2019; Leku Studio, Architekt*innen: Jokin Santiago, Marta Sola, Barcelona; www.lekustudio.com; Foto – Del Rio Bani
Hersteller: Resch Druck, 1150 Wien
Kontoverbindung
Empfänger: dérive — Verein für Stadtforschung Bank: Hypo Oberösterreich IBAN AT53 54000 0000 0418749, BIC OBLAAT2L
Abonnement Standard: 28 Euro (inkl. Versandspesen Inland)
Ermäßigt: 24 Euro (inkl. Versandspesen Inland)
Förder- und Institutionenabo: 50 Euro Ausland jeweils plus 8 Euro Versandspesen
Abonnements laufen ein Jahr (vier Hefte). Bestellungen an: bestellung(at)derive.at oder per Bestellformular auf www.derive.at
Gefördert von: BMKOES – Kunstsektion Stadt Wien Kultur
Die Veröffentlichung von Artikeln aus dérive ist nur mit Genehmigung des Herausgebers gestattet.
68 dérive No 89 — polyzentral und ökosozial
»Der Kampf um den » öffentlichen Raum ist » der Kampf um die » Straße als zukünftigen » ›polytechnischen Ort‹, » der Raum für mensch» liche Begegnungen, » Biodiversität und An» passung an den Klima» wandel bietet.« Simon De Boeck, S. 23 Taktischer Urbanismus, Volkshochschulen, 15-Minuten-Stadt, Stadtteilzentren, Stadtentwicklung, Barcelona, Superblocks, Nachverdichtung, Großwohnsiedlung, IBA, Urbane Praxis, öffentlicher Raum, Klimawandelanpassung, Raumproduktion