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Der Bruch Nagelverletzungen und ihre Folgen ab Seite 8
Street Style Retro-Fashion und die passenden Nailart-Kreationen ab Seite 24
DOSSIER:
Oh nein, zu jung? Die aktuelle Gesetzeslage bei minderjährigen Kunden im Studio ab Seite 44
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Oh nein, zu jung?
MEIN KUNDE ist U18 Nicht immer sind Eltern mit den Einkäufen ihrer Kinder einverstanden. Doch auch Minderjährige können in eingeschränktem Rahmen Verträge abschließen und zustimmen müssen die Eltern nicht in jedem Fall. Was es bei minderjährigen Kunden in Ihrem Institut zu beachten gilt, erklärt unser Rechtsexperte Stefan Engels.
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eutzutage verfügen Jugendliche über eine Kaufkraft von mehreren Milliarden Euro, sei es durch Taschengeld, Geldgeschenke, Nebenjobs oder andere regelmäßige Einkommen. Zudem sind sie auch gern gesehene Kunden in Kosmetik- und Nagelinstituten, denn sie stellen als eine Zielgruppe einen wichtigen Kundenstamm dar: Zum einen haben viele Minderjährige im jugendlichen Alter schon ein Bedürfnis, gepflegt aufzutreten, zum anderen sind Jugendliche heutzutage auch gerne bereit, in Nägel, Maniküre,
Kosmetik und Co. ihr Geld zu investieren. Aber welche, vor allen Dingen rechtliche Fragen stellen sich, wenn es sich bei den Kunden im Studio noch um Minderjährige handelt? Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der deutsche Gesetzgeber keine expliziten Altersgrenzen erwähnt. Dennoch gibt es einige rechtliche Besonderheiten, die vor einer Anwendung beachtet werden müssen.
Beschränkt geschäftsfähig Nach § 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (kurz: BGB) sind alle Personen volljährig, die das 18.
Lebensjahr vollendet haben. Aus dem Umkehrschluss ergibt sich, dass alle Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, folglich minderjährig sind. Minderjährige stehen in unserer Rechtsordnung unter einem besonderen Schutz. Zwar haben auch sie schon Rechte und Pflichten. Jedoch gelten Kinder und Jugendliche zwischen dem siebten und dem 18. Lebensjahr nur als beschränkt geschäftsfähig. Das bedeutet, sie sind in der Lage, einen Vertrag abzuschließen. Allerdings ist für dessen Wirksamkeit zusätzlich erforderlich, dass das vorherige Einverständnis (= Einwilligung)
Jugendliche bis zu dem 18. Lebensjahr gelten als beschränkt geschäftsfähig, aber auch hier gibt es Ausnahmen. Das sollten Sie mit Ihrer Kundin in solch einem Fall vor der Behandlung klären.
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Alter
geschäftsfähig
beschränkt geschäftsfähig
geschäftsunfähig
vorteilhafte Verträge
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nachteilige Verträge
unter 7 Jahren
7-17
ab 18
nein oder ungültig
oder die nachträgliche Zustimmung (= Genehmigung) des beziehungsweise der Erziehungsberechtigten vorliegt. Merke: Vor einem Alter von sieben Jahren sind Kinder rechtlich gesehen geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 1 BGB) und ihre eingegangenen Verpflichtungen nichtig (§ 105 BGB). Eltern können somit zum Beispiel den Kaufpreis gegen Rückgabe der Ware zurückverlangen!
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Achtung Ausnahmen Von dieser grundsätzlichen Regelung gibt es jedoch zwei Ausnahmen: 1 Bei Geschäften, die lediglich einen rechtlichen Vorteil des Jugendlichen begründen i.S.v. § 107 BGB (typisches Fallbeispiel hier: Schenkung ohne Auflagen), ist keine Einwilligung des/der Erziehungsberechtigten erforderlich.
bedingt, Zustimmung notwendig
ja oder gültig
2 Eine weitere Ausnahme bildet der sogenannte „Taschengeldparagraph“, siehe § 110 BGB. Hiernach können Jugendliche ohne die Einwilligung der Eltern rechtswirksam Geschäfte tätigen, wenn sie dies mit Mitteln bestreiten, die ihnen zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen worden sind. Grundsätzlich sind jedoch nur Barkäufe möglich, und diese auch nur in einem gewissen finanziell abgesteckten Maximalrahmen (ständige Rechtsprechung: zwischen 20 und 50 Euro, je nach Alter und Einkommen). Raten- oder Teilzahlungsgeschäfte – etwa Abos – sind im Rahmen dieser Vorschrift hingegen nicht möglich. Verkäuferinnen und Verkäufer haben hier auch grundsätzlich keinen Vertrauensschutz, der Schutz der Minderjährigen geht immer vor! Mithin deckt diese Vorschrift lediglich kleinere Ein-
käufe wie dekorative Kosmetik oder Pflegeprodukte. Ausnahme: Kauft ein Minderjähriger hingegen von seinem Taschengeld einen Gegenstand, von dem er weiß, dass die Eltern nicht einverstanden sind, so ist auch dieser Vertrag nicht wirksam!
Aufklärung über Risiken Für Behandlungen und Anwendungen jeglicher Art ist jedoch das vorherige Einverständnis erforderlich. Dies allein schon deshalb, weil jede (!) Behandlung seriöserweise eine vorherige Aufklärung über die Risiken und Erfolgsaussichten erfordert. Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass es je nach geplanter Anwendung, auch aus medizinischer Sicht, bestimmte Altersgrenzen zu beachten gilt. Hingegen, ähnlich wie bei einer kosmetischen Operation, gibt es
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Es ist ratsam, dass Sie für jeden Ihrer Kunden eine Kundenkartei mit persönlichen Daten führen und gegebenenfalls auch die Einwilligung des Erziehungsberechtigten vorliegen haben.
bei kosmetischen Anwendungen kein Mindestalter. Beachten sollten Sie hier, dass viele Maßnahmen wie etwa Permanent Make-up, Nageldesign oder auch eine dauerhafte Haarentfernung nur noch bedingt wieder rückgängig gemacht werden können. Somit kann die Anwendung bei Minderjährigen dazu führen, dass sich bestimmte kosmetische
Maßnahmen vor Abschluss der Wachstumsphase später sogar negativ auswirken können, weil sich der Körper noch verändert. Hier hat sich in der Praxis eine Altersgrenze von 16 Jahren herausgebildet, denn: Vor dem 16. Lebensjahr sollten solche Anwendungen besser nicht durchgeführt werden.
Fatale Folgen Online mehr erfahren Exklusiv für Online-Abonnenten: Einen Artikel zum Thema „Vorsicht geboten – minderjährige Kunden“ finden Sie auf unserer Internetseite www.beautyforum.com. Geben Sie die Nummer 151948 in das Suchfeld ein.
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Auf die Einhaltung dieser Altersgrenze sollten Sie auch unbedingt bestehen! Als anschauliches Beispiel möchte ich hier die Nagelmodellage anführen (der ein oder andere von Ihnen mag vielleicht schon gestutzt haben, als er im vorange-
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gangenen Absatz „Nageldesign“ gelesen hat). Nagelbett und Nagelfalz sind im frühen jugendlichen Alter noch nicht fertig ausgebildet. Verletzungen können hier zu dauerhaften Nagelfehlbildungen führen. Die Folgen können für Sie als Inhaberin sehr unangenehm werden, nämlich dann, wenn Ihnen genau deswegen – unter Umständen erst Jahre später – eine kostenpflichtige Schadensersatzklage ins Haus schneit. Hier bleibt festzuhalten, dass es gerade keine feststehende Altersgrenze gibt, die in irgendeinem Gesetz verankert wäre. Kleinere Anwendungen wie etwa das Auftragen von Nagellack oder Make-up sind grundsätzlich auch bei der jüngeren Kundschaft unter 16 Jahren denkbar. Grundsätzlich darf im Rahmen einer kosmetischen Behandlung im Studio nahezu jede Anwendung durchgeführt werden. Bei apparativen Anwendungen sind insoweit unbedingt auch die Herstellerhinweise zu beachten. Alles andere wäre grob fahrlässig.
Daten schützen Zu beachten ist in diesem Zusammenhang schließlich auch der Datenschutz, denn diesen gilt es – wie auch sonst – genauso auch bei Minderjährigen zu berücksichtigen. Die Daten von Kindern und Jugendlichen unterliegen einem besonderen Schutz. Während Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr schon selbst in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten einwilligen können, ist dies bei Kunden unter 16. Jahren an die Einwilligung des/ der Erziehungsberechtigten geknüpft. Die erforderliche Einwilligung zur Datenschutz-Grundverordnung
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Vorsicht ist geboten, denn Nagelbett und Nagelfalz sind im frühen jugendlichen Alter noch nicht fertig ausgebildet. Es kann zu Verletzungen kommen.
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(DSGVO oder DS-GVO) sollten Sie daher unbedingt einholen, denn ansonsten drohen Ihnen unter Umständen heftige Strafzahlungen.
Fazit Gerade weil unser Gesetzgeber keine expliziten Altersgrenzen nennt, werfen (kosmetische) Behandlungen an dem Personenkreis der unter 18-Jährigen regelmäßig viele Fragen auf und führen zu Unsicherheiten.
Bei der Überlegung, ob und ab welchem Alter Sie bestimmte Anwendungen anbieten, sollten Sie neben den oben genannten Voraussetzungen auch den gängigen Branchenstandard beachten. Hier geben oftmals auch die Berufsverbände hilfreiche Tipps. Unabhängig davon sollten Sie vor jeder Anwendung die erforderliche Nutzen-Risiko-Abwägung durchführen. Machen Sie sich dabei insbesondere bewusst: Die Kundschaft der unter 18-Jährigen stellt zweifelsohne eine äu-
ßerst attraktive Zielgruppe dar, denn mit dieser Klientel lässt sich für Sie schon heute Ihr Kundenstamm von morgen aufbauen.
Stefan Engels ist seit 2002 zugelassener Rechtsanwalt und praktiziert in Mönchberg. Sein Tätigkeitsschwerpunkt bildet die Geschäftsfeldentwicklung und Internationalisierung von Unternehmen.
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