Impfpflicht in Praxen und Co.

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Recht · Einrichtungsbezogene Impfpflicht

Seit dem 16. März 2022 gilt bundesweit die im Vorfeld heiß diskutierte einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen.

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Einrichtungsbezogene Impfpflicht · Recht

Was Sie jetzt im Gesundheitswesen beachten sollten

Impfpflicht in Praxen und Co. Seit dem 16. März 2022 gilt bundesweit die im Vorfeld heiß diskutierte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ im Gesundheitswesen, die mit Datum vom 19. Mai nun auch vom sofort angerufenen Bundesverfassungsgericht noch einmal bestätigt worden ist. Arbeitgeber müssen sich nun mit den Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse auseinandersetzen und insbesondere wissen, wie mit ungeimpften Beschäftigten umzugehen ist. Welche Pflichten Arbeitgeber und Mitarbeitende betroffener Einrichtungen nun haben, erläutert Rechtsanwalt Stefan Engels.

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er Bundestag beschloss im Dezember 2021 das „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie“. Hierin enthalten ist der § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG), dessen Wirkung zum 16. März 2022 nun als „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ bekannt ist. Konkret sollen Beschäftigte in den vorgenannten Einrichtungen bis zum 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen. Es handelt sich hierbei um eine Verpflichtung durch den Gesetzgeber, denn der

Arbeitgeber selbst kann seine Arbeitnehmer nicht zu einer Impfung zwingen. Jedoch beinhaltet eine Impfpflicht für diese Berufsgruppen auch, dass der Arbeitgeber eine Immunität voraussetzen darf. Bei einer Impfpflicht am Arbeitsplatz kollidieren zum einen die geschützten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers aus Art. 12 und 14 Grundgesetz (GG) als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nach Art. 2 Absatz 1 i.V.m. Art. 1 Absatz 1 GG als auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Absatz 2 Satz 1 GG, denn der Arbeitnehmer muss sich durch

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Recht · Einrichtungsbezogene Impfpflicht

Diejenigen, die in einer der betroffenen Einrichtungen tätig sind, sind verpflichtet, einen Impfnachweis zu erbringen

1. Einrichtung § 20a Absatz 1 IfSG konkretisiert die betroffenen Einrichtungen. Auch wenn oftmals von einer „Impfpflicht in der Pflege“ die Rede ist, so geht die Wirkung des § 20a IfSG doch ein ganzes Stück weiter. Die Regelungen gelten unter anderem auch für Arzt- und Zahnarztpraxen, Krankenhäuser, Dialyseeinrichtungen oder Tageskliniken. Auch Heilpraktiker sind über § 20a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Buchstabe i) IfSG über

Mehr Wissen Bundesrechtlich geregelte humanmedizinische Heilberufe sind unter anderem:

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Diätassistent, Ergotherapeut, Hebamme und Entbindungspfleger, Logopäden, Masseur und medizinische Bademeister,

die „Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe“ mit erfasst. Unter einer solchen Praxis sind die verschiedenen Räumlichkeiten einer einen Heilberuf ausübenden Person erfasst, in denen sie Patienten empfängt, berät, untersucht und therapiert (siehe Kasten). Unter § 20a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Buchstabe i) IfSG fallen alle Praxen sowohl von Angehörigen der genannten Berufe sowie – obwohl sie nicht zu den oben genannten reglementierten Berufen gehören – von Angehörigen von sonstigen Heilberufen, deren Tätigkeit die medizinisch-helfende Behandlung und Betreuung von Patienten mit sich bringt. Dazu gehören zum Beispiel Heilpraktiker. Erfasst sind die Angehörigen dieser Berufe auch dann, wenn sie ihre Leistungen als selbstständig Tätige beziehungsweise ambulant (zum Beispiel in der räumlichen Umgebung bei Patienten) erbringen. Insbesondere sind Hebammen unabhängig von ihrem Leistungsumfang erfasst.

Orthoptist,

2. Personenkreis

Physiotherapeut,

Auch der Personenkreis ist nicht nur auf das Pflegepersonal beschränkt. Das Gesetz unterscheidet nicht, ob eine Person Patientenkontakt hat oder in der Ge-

Podologe sowie Psychotherapeut

schäftsführung oder Verwaltung der Einrichtung arbeitet. Die „Impfpflicht“ gilt grundsätzlich für alle Mitarbeitenden der Einrichtung. Ebenso wenig knüpft das Gesetz an die Vertragsverhältnisse an. Die Personen müssen lediglich in der Einrichtung tätig werden, ein Arbeitsverhältnis zur Einrichtung ist nicht erforderlich. Die Impfpflicht gilt damit auch für externe Personen wie beispielsweise Leiharbeitnehmer oder solche, die im Wege von Werk- oder Dienstleistungsverträgen in der Einrichtung tätig werden (etwa Reinigungspersonal, Wachdienst, Küchenpersonal).

3. Nachweispflicht Die Nachweispflicht trifft jeweils denjenigen, der in der Einrichtung tätig wird (zum Beispiel Arbeitnehmer). Dieser ist dazu verpflichtet, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen (§ 20a Absatz 2, 3 IfSG): | Impfnachweis nach den Vorgaben des Paul-Ehrlich Instituts, | Genesenennachweis nach den Vorgaben des Robert Koch Instituts, | ein ärztliches Zeugnis, das bestätigt, dass eine Impfung gegen das SARSCoV-2-Virus nicht möglich ist.

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eine Impfung einen Stoff in seinen Körper injizieren lassen.


Einrichtungsbezogene Impfpflicht · Recht

Merke: Sofern sich nun also ein Arbeitnehmer, der nicht aufgrund eines ärztlichen Attests von einer Impfung ausgenommen ist, nicht impfen lässt, darf er in den entsprechenden Einrichtungen nicht arbeiten. Es besteht dann ein Beschäftigungsverbot, welches aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt. Folglich entfällt für diesen Personenkreis auch die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 326 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB).

4. Meldepflicht Erfolgt ein entsprechender Nachweis nicht oder bestehen Zweifel an der Echtheit beziehungsweise inhaltlichen Richtigkeit des Nachweises, so hat der Arbeitgeber das zuständige Gesundheitsamt zu informieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit und zieht gegebenenfalls ein Bußgeld nach sich (§ 73 Absatz 1 Nr. 7e, Absatz 2 IfSG). Der Arbeitgeber ist also zur ausführlichen Prüfung verpflichtet – sollte aber nicht alles dokumentieren. Die Meldepflicht hebelt immerhin den Datenschutz nicht aus!

Bitte beachten Datenschutzrechtlicher-Praxistipp: Der Grundsatz der Datenminimierung erlaubt einem Arbeitgeber, nur solche Daten zu erheben, die tatsächlich nach § 20a IfSG benötigt werden. Deshalb sollte ein Arbeitgeber lediglich vermerken, dass ein entsprechender Nachweis erbracht wurde, nicht jedoch, um welche Art von Nachweis (Impf-, Genesenennachweis, ärztliches Zeugnis) es sich handelt. Darüber hinaus sollte er ein etwaiges Ablaufdatum vermerken.

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5. Weiterbeschäftigung, Freistellung und Kündigung Die Auswirkungen der Regelungen aus § 20a IfSG sind differenziert zu betrachten. Die Regelung unterscheidet zwischen sogenannten „Alt-Arbeitnehmern“ (= schon vor dem 16. März 2022 in der Einrichtung tätig) und „Neu-Arbeitnehmern“ (= danach).

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a. (Weiter-)Beschäftigung Eindeutig ist, dass Neu-Arbeitnehmer nach § 20a Absatz 3 S. 4, 5 IfSG ohne Nachweis nicht beschäftigt werden dürfen. Ein Verstoß ist sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber bußgeldbewehrt (§ 73 Absatz 1 Nr. 7g, Absatz 2 IfSG). Dies wiederum bedeutet, dass der Arbeitgeber den Impfstatus schon im jeweiligen Vorstellungsgespräch künftig wird abfragen dürfen. Hingegen unterliegen Alt-Arbeitnehmer ohne Nachweis nach dem Wortlaut der Regelung nicht automatisch einem Tätigkeitsverbot. Vielmehr muss das Gesundheitsamt ein entsprechendes Tätigkeitsund Betretungsverbot aussprechen. Der Arbeitgeber kann Alt-Arbeitnehmer ohne Nachweis also grundsätzlich weiter einsetzen und muss erst bei entsprechender Anordnung des Gesundheitsamts handeln. Vorab hat er jedoch seine Meldepflicht zu erfüllen. b. Freistellung Der Neu-Arbeitnehmer ohne Nachweis kann ohne Vergütung freigestellt werden. Es gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Ausnahmen von diesem Grundsatz liegen nicht vor. Gleiches gilt für einen Alt-Arbeitnehmer, für den das Gesundheitsamt bereits ein Tätigkeitsverbot erlassen hat. Auch dieser kann unentgeltlich freigestellt werden. Sonderfall: Hat das Gesundheitsamt jedoch noch kein Tätigkeitsverbot für den Alt-Arbeitnehmer erlassen, ist die Rechtslage nicht eindeutig und kann daher (noch) nicht rechtssicher beantwortet werden. Für Arbeitgeber, die dennoch eine (unbezahlte) Freistellung beabsichtigen, bestehen daher Restrisiken, die sie im Vorfeld genau abwägen sollten! c. Kündigung In Bezug auf den Neu-Arbeitnehmer ist Arbeitgebern zu raten, Arbeitsverhältnisse erst nach Vorlage der Nachweise abzuschließen. Sollte dennoch ein Arbeitsverhältnis vereinbart worden sein, findet das Kündigungsschutzgesetz erst nach sechs Monaten Anwendung. In Bezug auf den Alt-Arbeitnehmer muss zunächst der Grund des fehlenden Nach-

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weises in den Blick gefasst werden. Legt der Arbeitnehmer trotz Nachweispflicht keinen Nachweis vor und begründet dies nicht, so handelt es sich um eine Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber ist dazu berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen und den Arbeitnehmer unter Fristsetzung zum Nachweis aufzufordern. Kommt der Arbeitnehmer dieser Aufforderung nicht nach, berechtigt dies zur ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Legt der Arbeitnehmer keinen Nachweis vor, weil er diesen nicht erbringen kann (keine Impfung, nicht genesen, kein ärztliches Zeugnis), ist wie auch bei der Freistellung zu unterscheiden, ob bereits ein behördliches Tätigkeitsverbot vorliegt oder nicht. Im Falle eines behördlichen Tätigkeitsverbots entfällt beim Arbeitnehmer im Regelfall die persönliche Eignung zur Erfüllung der Tätigkeit (vergleichbar mit dem Entzug des Führerscheins eines Berufskraftfahrers). Damit kann der Arbeitgeber grundsätzlich zur Kündigung berechtigt sein, eine Prüfung des Einzelfalls ist jedoch unbedingt erforderlich! Merke: Eine Kündigung stellt immer das letzte zur Verfügung stehende Mittel dar (sogenannte Ultima Ratio), daher sollte im Vorfeld eine Abmahnung ausgesprochen werden. Sofern noch kein behördliches Tätigkeitsverbot erteilt worden ist, bestehen ähnliche Unwägbarkeiten wie im Rahmen der Freistellung, dies einmal mehr noch angesichts der (derzeitigen) Befristung des § 20a IfSG bis zum 31. Dezember 2022. Daher ist Arbeitgebern von einer Kündigung hier eher abzuraten.

Stefan Engels, Rechtsanwalt, Mönchberg. Tätigkeitsschwerpunkte bilden die Geschäftsfeldentwicklung und Internationalisierung von Unternehmen.

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