EDITION D | 4 /2016
HAPPY
FEET Schön zu Fuß ab Seite 120
WOW! Kosmetik, die nicht alltäglich ist ab Seite 28
Dossier:
Medizin meets Kosmetik Medical Beauty ab Seite 76
Foto: Malu Wilz Beauté
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Clinical Skincare Concept Seite 50/51
DOSSIER
MEDIZIN MEETS KOSMETIK
RICHTIG ABFRAGEN
as Behandlungsangebot im kosmetischen Bereich hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Wurden noch vor einigen Jahren wirkungsintensive oder sogar invasive Behandlungen eher selten angeboten, so gibt es heutzutage viele Anwendungen, die neben den kosmetischen Wirkun-
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gen auch gesundheitliche (Neben-) Wirkungen hervorrufen können. Vielen Kosmetikerinnen ist dabei nicht unmittelbar bewusst, dass bestimmte kosmetische Behandlungen ganz erhebliche Auswirkungen haben können, etwa wenn bei einem Kunden entsprechende Vorerkrankungen vorliegen und/oder bestimmte Medi-
kamente eingenommen werden. Es ist daher sehr wichtig für die Kosmetikerin, alle relevanten Umstände zu kennen, die nicht nur das Ergebnis der Behandlung gefährden, sondern sogar beim zu behandelnden Kunden heftige Nebenwirkungen verursachen können. Genau an diesem Punkt stellt sich die Frage, welchen Umfang die
Foto: April Cat/Shutterstock.com
RECHTLICHE GRUNDLAGEN – Was sollte die Kosmetikerin eigentlich über Anamnese, Aufklärung und Einwilligung vor kosmetischen Behandlungen bei kranken Kunden wissen? Wir haben bei Rechtsanwalt Stefan Engels nachgefragt.
DOSSIER
MEDIZIN MEETS KOSMETIK
ANAMNESE - SO GEHT‘S – Vor Beginn von (wirkungsintensiven) Behandlungen einen Überblick über entsprechende Vorerkrankungen sowie die Einnahme von Medikamenten verschaffen, um ungewünschte Nebenwirkungen möglichst auszuschließen. – Wirksame Aufklärung beinhaltet Kontraindikationen, Nebenwirkungen sowie mögliche Erfolgsaussichten. – Aufklärung und Einwilligung erfordern – letztlich auch zu Beweiszwecken – stets die Schriftform! Vor Erstellung ist unbedingt fachlicher Rat einzuholen. - Eine wirksame Einwilligung muss spätestens 24 Stunden vor dem geplanten Eingriff abgegeben werden. Eine unmittelbar vor dem Eingriff abgegebene Einwilligung ist unwirksam, denn der Kunde soll für seine Entscheidung genügend Zeit haben und diese in aller Ruhe sowie ohne zeitlichen Druck treffen.
vorherige Anamnese, also die Erhebung aller gesundheitsrelevanten Daten, haben darf und soll.
Umfang der Anamnese Um auf Nummer sicher zu gehen, könnte man sich nun auf den Extremstandpunkt stellen und sagen: so umfangreich wie möglich. Die Kundin ist allerdings rein rechtlich überhaupt nicht verplichtet, ihre Gesundheitsdaten zu offenbaren. Und tut sie es trotzdem – wer haftet, wenn sie beispielsweise unwahre Angaben gemacht hat und es dann zu Nebenwirkungen kommt? Um es vorwegzunehmen: Im Zweifel haftet immer die Kosmetikerin! Neben dem Anamnesebogen gibt es zwei wichtige Instrumente, ohne die keine gefahrgeneigte Behandlung durchgeführt werden sollte. Es handelt sich hierbei um die Aufklärung und die wirksam erteilte Einwilligung der Kundin (vgl. § 183 Satz 1 BGB). Liegen diese wirksam vor, so kann man zumindest das Risiko einer möglicherweise unrichtigen Anamnese deutlich reduzieren: – Die Aufklärung sollte bei kosmetischen Maßnahmen alle relevanten Punkte enthalten, damit sich die Kundin ein vollumfassendes, eigenes Bild von den speziell in ihrem Fall zu erwartenden Erfolgsaussichten und Risiken machen kann.
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– Auch die Anzahl der erforderlichen Behandlungen und die Kosten, die auf die Kundin voraussichtlich zukommen werden, gehören als Bestandteil in ein solches Gespräch und sollten bei der Gelegenheit mit der Kundin ganz offen besprochen werden. – Bei den möglichen Risiken bietet es sich an, alle in der Medizin bekannten Kontraindikationen zu nennen (ähnlich wie auf den Beipackzetteln von Arzneien). – Ganz explizit empiehlt sich der Hinweis, dass bei Vorliegen einer der dort genannten Erkrankungen oder der Unsicherheit, ob eine solche Erkrankung vorliegt, zuerst einmal ein Arzt zu konsultieren ist, der dann verbindlich Auskunft darüber geben kann, ob die gewünschte Behandlung möglich ist.
Vorsicht vor Diagnosen Aufgrund meiner jahrelangen praktischen Erfahrung rate ich Kosmetikerinnen dringend davon ab, aufgrund eines eigenen Anamnesebogens Diagnosen o.Ä. zu stellen. Die von der Kosmetikerin gestellte Diagnose ist im Haftungsfall schlicht unbrauchbar, denn eine Diagnose zu stellen, obliegt alleine Ärzten und ggf. auch Heilpraktikern. Nur dieser Personenkreis hat das Erstellen einer Diagnose aufgrund seiner Ausbildung nachweisbar erlernt! Im Haftungsfall, also wenn eine
relevante Nebenwirkung einmal aufgetreten ist, wird man der Kosmetikerin andernfalls immer entgegenhalten, dass sie die Kundin nicht vorher zu einem Arzt zwecks vorsorglicher Abklärung geschickt hat. Gleiches gilt übrigens, wenn die Kundin gesundheitliche Umstände nennt, die lediglich Symptome beschreiben, welche wiederum auf eine Erkrankung hinweisen. Hier liegt es nicht im Ermessen der Kosmetikerin, letztverbindlich herauszuinden, ob nun die mögliche Krankheit vorliegt oder nicht. Auch hier gilt einmal mehr: Vor Beginn der Behandlung schicken Sie Ihre Kundin zur Abklärung am besten zu einem niedergelassenen Arzt! Nur wer rechtlich auf der sicheren Seite sein möchte, wird so vorgehen, selbst wenn es für den „schnellen Umsatz“ eventuell nicht förderlich ist. Zugegeben: Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die einmal weggeschickte Kundin nicht mehr zurückkommt, etwa weil sie es sich in der Zwischenzeit anders überlegt hat oder bestimmte Leistungen mittlerweile auch in ärztlichen Praxen in Konkurrenz zum eigenen Portfolio angeboten werden. Diesen Umstand wird man aber in Kauf nehmen, wenn man nicht nur seriös am Markt agieren, sondern sich auch rechtlich absichern will. Außerdem gilt: Kommt die einmal weggeschickte Kundin nach ihrem Abklärungstermin beim Arzt wieder zurück zu Ihnen, so wird sie Ihnen voraussichtlich bis zum Ende ihrer Behandlung treu bleiben. Die meisten Kunden sind heutzutage in einem recht hohen Maße aufgeklärt und daher wird ihr umsichtiges Handeln umso mehr geschätzt werden. Die stärkste Kundenbindung ist das Vertrauensverhältnis! Q
STEFAN ENGELS Der seit 2002 zugelassene Rechtsanwalt praktiziert in Mönchberg. Seinen Tätigkeitsschwerpunkt bildet die Geschäftsfeldentwicklung und Internationalisierung von Unternehmen.