der Spatz Nr. 1 / 2020

Page 28

BAUEN & WOHNEN Anzeigen

Klimafreundlich bauen Klimaschutz ist zwischenzeitlich in aller Munde und viele machen sich Gedanken, was ihr Beitrag zur CO2Vermeidung sein kann. Das beginnt beim Einkauf, bei der Fortbewegung und beim Reisen, hat aber auch mit der Art zu tun, wie wir wohnen, heizen und auch bauen. Beim Bauen werden große Mengen an Material und damit auch Energie bewegt und verarbeitet, was unterschiedliche Auswirkungen auf das Klima hat, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. // Dipl.-Ing. Thomas Schilling

Gebäudegröße Elementar sowohl bei den Kosten wie bei der Klimarelevanz ist die Gebäudegröße in Bezug auf die Nutzeranzahl. Hatte der Durchschnittsbürger 1960 noch durchschnittlich ca. 19 m² Wohnfläche zur Verfügung sind es heute ca. 47 m², wie man beim statistischen Bundesamt nachlesen kann. Grund hierfür sind zum einen gestiegene Ansprüche an die Wohnverhältnisse und zum anderen die stetig sinkende Anzahl der Haushaltsgröße von der Großfamilie in Richtung Single-Haushalt. So kommen heute auf 1.000 Einwohner rund 507 Wohnungen, 40% aller Wohnungen in Deutschland sind Single-Haushalte, wobei v.a. Senioren häufig große Flächen belegen. Obwohl die Bevölkerung in Deutschland zwischen 1960 und heute nur um rund 10% gewachsen ist, finden sich allerorten ausufernde Baugebiete, die enorme Ressourcen verbrauchen. Auch wenn es hier und da auch aus Kostengründen einen Trend zu sogenannten Tiny Houses und in den Städten zu Mikroappartements, Wohnungssharing und Wohnen auf Zeit gibt, ist die allgemeine Entwicklung v.a. auf dem Land eher gegenläufig. Hier dominiert nach wie vor das Einfamilienhaus, das nach einer eher kurzen Zeit mit den Kindern am Ende wieder nur von 1-2 Personen bewohnt wird und häufig in einem Neubaugebiet liegt, für das man ein Auto benötigt.

Flexible Wohnungsnutzung Auch Architekten und Stadtplaner haben erkannt, dass flexible Wohnstrukturen helfen könnten, Wohnungen nach Bedarf zu teilen, zusammen zu legen oder umzunutzen und damit Ressourcen zu sparen und gleichzeitig Gemeinschaft zu schaffen. Stichworte hierfür sind Mehrgenerationen-Wohnen, Bauherrengemeinschaften und sozial gemischte Quartiere. Dies betrifft aber v.a. den Geschosswohnungsbau in städtischen Gebieten, bei dem meist umfangreichere Planungen im Vorfeld erfolgen und gelegentlich auch behördliche Vorgaben für eine nachhaltige Flächennutzung bestehen. Bei Einfamili-

Einfamilienhaus Altomünster in Holzbauweise, Planung Thomas Schilling

enhäusern ist evtl. die zuschaltbare Einliegerwohnung ein Ansatz in diese Richtung, aber sicher noch lange nicht das Ende. Im Alter brachliegende Wohnflächen könnten bei richtiger Planung bzw. sinnvollen Umbaumaßnahmen in kleinere Teilflächen mit separaten Eingängen oder ggf. auch Wohngemeinschaften überführt werden. Das gesellschaftliche Bewusstsein für solche Themen wächst immerhin, und es werden immer mehr Neubauprojekte im städtischen Kontext vorgestellt, in denen dies berücksichtigt wird. In Zeiten der Kleinstfamilien wächst der Bedarf nach gemeinschaftlichen Angeboten und Nachbarschaftshilfe, was auch durch richtige Wohnbauplanung unterstützt werden kann.

Nachhaltigkeitssiegel Abgesehen von diesen strukturellen Überlegungen unter dem Aspekt, „ein qualitätsvolles weniger kann oft mehr sein“ sind beim konkreten Bauen natürlich viele weitere Aspekte im Hinblick auf deren Klimarelevanz abzuwägen. Dies betrifft die Infrastruktur eines Wohngebietes, d.h. die Verkehrsanbindung, die Energieversorgung, die Nutzung von Flächen und deren Versiegelung, den Herstellungsprozess von Baustoffen und Gebäuden, die Wohnnutzung und schließlich irgendwann auch den Abbruch. Die Bewertungsmöglichkeiten sind vielfältig und Gegenstand fachlicher Diskussion.

Infrastruktur Viele Städte und Gemeinden haben erkannt, dass für den Klimaschutz, aber auch für zukünftige Autarkie, eine eigene und nachhaltige Energieversorgung essentiell ist, weshalb immer mehr lokale Energienetze, gespeist durch Geothermie, Hackschnitzel, Sonnenkraft oder Blockheizkraftwerke an den Start gehen, die immer weitere Gebiete versorgen können. Im Großraum München betrifft dies sowohl die Fernwärme der Stadt, wie im Umland zahlreiche Gemeinden, die Wärme aus Geothermie und Hackschnitzel anbieten. Die hohen Investitionskosten solcher Netze werden durch den Anschluss vieler Haushalte relativiert und stellen für die Gesellschaft einen großen Mehrwert sowohl in ökologischer und finanzieller Hinsicht, wie in Bezug auf Unabhängigkeit und Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen dar. Dies ist auch ein Grund, warum für den Anschluss an solche Netze hohe Fördergelder zur Verfügung stehen. Ergänzt werden können Nahwärmenetze durch Solarstrom, der auf den Dächern vieler Häuser kostengünstig produziert, in zwischenzeitlich erschwinglichen Batterien gespeichert und über ein intelligentes Stromnetz bedarfsgerecht verteilt werden kann. Hierzu, wie auch für die Windkraft sind jedoch auch leistungsfähige Stromtrassen erforderlich, ohne die die Energiewende nicht gelingen wird. Der Abschied von Öl und Gas ist eingeläutet, aber noch ein weiter Weg zu gehen. Ein weiteres großes Thema ist die Verkehrsanbindung – die Erschließung neuer Bauflächen abseits von Zentren, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindergärten und öffentlichem Nahverkehr produziert unnötigen Individualverkehr und stellt auch

28

der Spatz 1|2020


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.