Stellungnahme Golfplatz Glurns

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Golfplatz in Glurns – Ausverkauf der Heimat? Die Fragestellung auf der letzten Gemeinderatssitzung am 24. September 2014 im Glurnser Gemeinderat hinsichtlich der Bereitstellung der „oberen Au“ für die Errichtung eines Golfplatzes und die mediale Aufarbeitung der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes in den lokalen Tages- und Wochenzeitungen nehmen sowohl die Weide-Interessentschaft als auch der Ortsbauernrat von Glurns zum Anlass, Stellung zu nehmen und dabei festzuhalten, dass die heimischen Bauern seit Menschengedenken berechtigt sind, die Weideflächen der „oberen Au“ für ihr Vieh zu nutzen. Ein Nutzungsrecht, das die ältere Generation in der Bauernschaft durch das Zitieren von Aussagen früherer Bürgermeister knapp und unmissverständlich folgendermaßen definiert: „Der Gemeinde gehört der Grund und Boden, das Weidegras aber gehört uns!“. Die heimische Bewirtschaftung der Weideflächen in dieser Aulandschaft hat es wohl immer schon gegeben, aber im Unterschied zu

früher wurde erst in den letzten Jahrzehnten – nachdem sich neben dem Bauernstand durch die veränderte Beschäftigungslage auf Gemeindeebene auch viele andere Standesformen gebildet haben - die Frage nach deren Berechtigung aufgeworfen. Auf der Grundlage geltender Landesbestimmungen, vornehmlich jener über die Agrargemeinschaften und Nutzungsrechte, wurde das Weiderecht in der „oberen Au“ wie auch jene Nutzungsrechte der anderen Heinweideplätze und der Almen nach und nach in schriftlicher Form festgehalten und mit Satzungen geregelt. Kernstücke dieses statutarisch geregelten und mit rechtsgültigem Beschluss der Gemeindebehörde genehmigten Weiderechtes sind die ausnahmslose Berechti­gung eines jeden ortsansässigen Viehhaltungsbetriebes Zugang zu diesen Weideflächen zu haben und die Verpflichtung, diese als Allgemeingut nachhaltig nach Maßgabe der gültigen Vorschriften der Landund Forstwirtschaft sowie des Landschafts- und Gewässer-

schutzes zu bewirtschaften und stetig zu verbessern. Die Mitglieder der Weide-Interessentschaft sind dieser Verpflichtung stets anstandslos nach­gekommen; dies beweist auch der neue Unterschutzstellungsvorschlag der Landesabteilung „Natur, Landschaft und Raumentwicklung“, wonach auf Vorschlag des Heimatpflegeverban­des die „obere Au“ mit benachbarten Parzellen als schützenswerte natürliche Landschaft in ihrer Eigenart, die sie bis auf den heutigen Tage beibehalten hat, den Schutzbestimmungen eines Biotops unterworfen werden soll. Die Artenvielfalt von Flora und Fauna ist besonders auf den Weideflächen der Auen, wie auch auf jenen der Almen, sehr hoch. Den aufgezeigten Tatbeständen wird in der Diskussion um die Bereitstellung der Grund­stücksflächen der „oberen Au“ zur Errichtung eines Golfplatzes kaum Beachtung geschenkt. Mehrheitlich sind die Ratsmitglieder bestrebt, die Grundverfügbarkeit für einen Golfplatz zu sichern. Lokale Inte-

ressen werden dabei in den Hintergrund gedrängt, um für den ganzen Vinschgau, ja sogar für Ferienregionen über die Landesgrenzen hinaus, ein interessantes Vorhaben zur Stärkung des Tourismus unterstützen zu können. Aufgrund der Überzeugung, ein Golfplatz wäre in Kombination mit Wandern, Radfahren und Kultur ein Zusatzangebot, von dem Feriengäste wie Einheimische profitieren würden, sind den Golfplatzbefürwortern im Gemeinderat alle Mittel und Wege Recht, eine positive Grundsatzentscheidung herbeizu­führen. Für die Entscheidungsfindung zählen nicht nur Anwesende, sondern erstmals auch Abwesende. Bedenklich ist auch die Zustimmung von Seiten der in der Landund Forstwirt­schaft öffentlich bediensteten Ratsmitglieder. Im Unterschied zu ihrer Verhaltensweise haben es der Direktor und der Verwaltungsratsprä­sident der Vinschgau Marketing Konsortial G.m.b.H. - Kompetenzzentrum für touristische Anliegen in der Ferienregion Vinschgau, deren


Auftrag in der Vermarktung und in der touristischen Weiterentwicklung der Region liegt - sowie der Malser HGV-Ortsobmann bei der Artikelveröffentlichung zum Thema „Golfplatz“ auf den Vinschgau-Seiten der „Dolomi­ten“Ausgabe vom Sitzungstag des Glurnser Gemeinderates verstanden, das Wasser auf ihre Mühlen zu kehren und sich für den Golfplatz zu profilieren, wohl wissend, dass sich die Standortfrage für dessen Errichtung außerhalb des Gebietes ihrer Wohnsitzgemeinden abspielt. Solange es in Glurns Viehbauern gibt, können diese im Frühjahr und Herbst nicht auf die Weideflächen der „oberen Au“ verzichten, weil die Weidewirtschaft auch hier, wie in ganz Südtirol, vor allem für das Galt- und Mastvieh und weniger für das anspruchsvolle Melkvieh, von großer Bedeutung ist. Zum einen werden die Bauern während der Weidezeiten von der Hofarbeit entlastet, und der nutzbringende Ertrag aus der Viehweide trägt zur Erzielung ihres Einkommens bei; zum anderen hat das Weiden für das Vieh eine positive Auswirkung auf die Tiergesundheit. Die Frühjahrsweide dient zur Vorbereitung für die Übersommerung der Tiere auf den Almen und verlängert spürbar Jahr für Jahr zusammen mit der Herbstweide die Weidezeit unserer hochgelegenen Almen mit ihrem kargen Graswuchs. Die Vegetationszeit ist vor allem auf der „Franzenshöher Alm“ sehr begrenzt und oft aufgrund der Witterung, wie auch jene der „Köpflalm“, nur von kurzer Dauer. Lediglich zusammen mit den Heimweiden wird die Almbewirtschaftung in Glurns interessant und attraktiv. Nebenbei bemerkt, bringt das Weiden auch für den Tourismus durch die idyllische Landschaftsgestaltung seine Vor­teile. Alle vom geltenden Behandlungsplan der Wald- und Weidegüter, ausgearbeitet und über­wacht von der Forstbehörde, vorgesehenen Weideflächen auf dem Glurnser Gemeindegebiet werden genutzt. Die Anzahl der Weidetiere mit jeweils rund 150 Stück im Frühjahr und Herbst ist nämlich gegenüber den früheren Jahren trotz des Strukturwandels der Landwirt­schaft in Richtung Multifunktionalität, aufgrund welchem sich die Anzahl der landwirt­schaftlichen Betriebe mit

Viehhaltung drastisch verringert hat, unverändert geblieben. Daher gibt es vor Ort keine Ersatz-Weideflächen, wie sie die Golfplatzbefürworter im Gemeinderat den Bauern gerne anbieten würden; es sei denn man könnte dafür landwirtschaftlichen Kulturgrund verwenden. Auch das fragliche Angebot der Ersatzzahlungen für verloren gegangene Weideflächen im Falle der Errichtung eines Golfplatzes wird von den Bauern sehr kritisch hinterfragt, da man zum einen für Geld nicht alles kaufen kann, zum anderen aber das Geld durch die Führung des Golfplatzes erst erwirtschaftet werden muss. Was dann, wenn die Golfplatzbewirtschaftung defizitär ist? Selbst bei einem künftigen Einstellen des Golf­betriebes bei mangelnder Auslastung und fehlender Rentabilität könnten die Flächen der „oberen Au“ infolge der Errichtung einer Golfanlage aufgrund des heute verlockenden Ange­ botes der Anwärter für die Führung des Golfplatzes in ihrer heutigen Beschaffenheit nicht mehr hergestellt werden und gingen für immer verloren. Dies würde einen unvorhersehbaren Verlust für die örtliche Bevölkerung darstellen. Ein Phänomen, im weitesten Sinne vergleichbar mit dem in unserer freien Marktwirtschaft heutzutage unaufhaltsamen Verkauf von Kulturgrund an die wohlhabenderen Obstbauern des Unterlands, aus dem sich in Anlehnung an jenes der mancherorts festzustellenden Überwucherung von Zweitwohnungen der Begriff „Ausverkauf der Heimat“ geprägt hat. Neben den hohen Investitionskosten sind bekanntermaßen auch die Führungskosten eines Golfplatzes alles andere als gering. Der kostspielige Golfsport ist heute noch kein Volkssport, daher muss sich die Rentabilität eines Golfplatzes erst beweisen. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu bedenken, dass nur eine begrenzte Anzahl unserer GemeindebürgerInnen die Golfanlage zur Sportausübung beanspruchen bzw. einen direkten Nutzen aus dem Betreiben eines Golfplatzes ziehen würde. Wahrscheinlich könnte man sich künftig der diesbezüglich erwarteten Wertschöpfung vorrangig anderenorts erfreuen, nicht auf Gemeindeebene. Jedenfalls hat be-

zirksweit die jüngste Entscheidung im Glurnser Gemeinderat – vor allem unter den Touristikern, Wirtschaftstreibenden und politischen Verantwortungsträgern – große Freude hervorgerufen, dass nun möglicherweise der Weg für die Errichtung einer von vielen gewünschten Golfanlage als wertvolle zusätzliche Struktur des Fremdenverkehrs (was sie zweifelsohne ist) geebnet wurde und die schwierige, allseits belastende Standortfrage geklärt zu sein scheint; denn von all den erfreuten Hoffnungsträgern will niemand einen Golfplatz vor seiner Haustüre, bzw. auf seinem Gemeindegebiet, haben. Daher verwunderlich, weshalb sich gerade die kleinste Gemeinde im Tal diese Bürde aufhalst, obwohl es vinschgauweit auch alternative Standorte auf öffentlichem Grund und Boden gäbe. Man denke beispielsweise an aufgelassene Militärareale im heutigen Landesbesitz und an landeseigenes, naturbelassenes Schwemmland sowie an ausgedehnte unproduktive Flächen und an Landschaftsstriche mit Trocken- oder Magerrasen im Besitz von Gemeinde- und Fraktionsverwaltungen. Die „obere Au“, vom Landschaftsplan als „Landschaftsschutzgebiet/Bannzone“ mit den cha­rakteristischen Merkmalen einer „natürlichen Landschaft“ definiert, welche wegen ihrer Eigenart und Vegetation als Auwald und bestockte Weide nach der Definition der Durch­ führungsbestimmungen zum Landschaftsplan ein Landschaftsbild von besonderem Wert vermittelt, ist bis in die heutige Zeit – im Unterschied zur „unteren Au“, wo große Flächen dem Bau öffentlicher Infrastrukturen wie der Landesstraße Glurns–Prad, der Bezirksmüll­deponie und der Kläranlage zum Opfer gefallen sind als intakter Lebensraum in ihrer Beschaffenheit unverändert aufrecht erhalten geblieben. Dies weiß eine breite Schicht in der Glurnser Bevölkerung sehr zu schätzen; neben den Bauern identifizieren sich vor allem auch die Jäger und Fischer sowie alle Naturliebhaber mit dieser Aulandschaft. Will man zum Ziel „Golfplatz“ gelangen, braucht es Umwidmungen am Gemeindebauleit­plan, laut welchem die „obere Au“ im Flächen-

widmungsplan teils als Wald und teils als Landwirtschaftsgebiet gewidmet ist, sowie die einhergehende Abänderung des Landschafts­planes. Es sind also einschneidende und drastische Maßnahmen notwendig, um die derzei­tigen Widmungen, die vom Gemeinderat als hierfür zuständiges Gremium erst vor wenigen Jahren festgelegt bzw. wiederbestätigt worden sind, in „Sportanlagen“ oder „Golfanlage“ und möglicherweise für die dazugehörigen Infrastrukturen in „öffentliche Straßen und Parkplätze“ oder in anderweitige „Zonen öffentlicher Einrichtungen“ abändern zu können. Sollte dies auf lokaler und übergeordneter Ebene in der Landeskommission für Natur, Landschaft und Raum­ entwicklung unter landschaftsschützerischen Gesichtspunkten ersatzlos gelingen, so werden Abänderungen der Bauleit- und Landschaftspläne mit zweierlei Maß gemessen; denn be­ kanntermaßen werden in der Genehmigungsphase der von privaten Grundeigentümer bean­ tragten Verwaltungsverfahren für landwirtschaftliche Kultur- oder Nutzungsänderungen in Auen, Feuchtgebieten wie Mösern, bestockten Wiesen und in Grundstücken mit Hecken und Flurgehölzen zwingend entsprechende Ausgleichsmaßnahmen verlangt, um das Gleich­gewicht zwischen Naturlandschaft und produktiven, rationell bewirtschaftbaren Anbauflächen halten zu können. In die Zukunft blickend, vertrauen die Glurnser Bauern mit ihren verbündeten Gegnern zur Errichtung eines Golfplatzes in der „oberen Au“ auf die Vernunft der politischen Verant­wortungs- und Entscheidungsträger sowie auf jener der Funktionäre und Mitglieder von beratenden Mitbestimmungsgremien, dass Bewährtes auch heute in der schnelllebigen Zeit im Wandel starker Veränderungen seinen Bestand hat und Kraft- bzw. Gewaltakte zur Herbei­führung ungewisser Neuerungen auf Kosten von Natur, Landschaft und der örtlichen, derzeit noch betriebenen Viehwirtschaft ausbleiben. Weide-Interessentschaft und Ortsbauernrat von Glurns, 09.10.2014


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