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Interview
6.2022
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Wo Mies nur eine Einfachverglasung einsetzte, benötigen wir heute eine Dreifachverglasung. Ist auch der hohe Materialverbrauch ein Argument gegen den Glasvorhang? Es geht nicht nur um die Materialkosten. Viele Architekten setzen gegen den Rat ihres Bauphysikers große Verglasungen durch und ärgern sich dann, wenn die Haustechnik das gesamte Gebäude mit Technik für Heizung, Kühlung und Klimatisierung vollstopft. Wir sollten uns also von diesem falschen Leitbild der vollständigen Transparenz lösen, schließlich gibt es viele Alternativen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir ein komfortables Raumklima mit architektonischen Mitteln schaffen. Das Lochfenster in der Wand ist Jahrtausende alt als architektonisches Thema, und es trägt, glaube ich, immer noch. Die Vollverglasung ist eigentlich tot. Kann man Ihre Versuchshäuser als Antwort auf die Frage sehen, welches Material, Holz, Ziegel oder Beton, das nachhaltigste ist? Da gibt es keine Sieger und Verlierer. Grundsätzlich war die Idee zu zeigen, dass Wandaufbauten nicht aus vielen unterschiedlichen Schichten bestehen
Schels Lanz/PK Odessa
Der Bogen wurde bei Einfamilienhäusern lange als Toskana-Stil belächelt. Jetzt kehrt er sogar im Verwaltungsbau zurück. Was halten Sie von dieser Renaissance? Im Gegensatz zu diesen meist rein formal eingesetzten Elementen sind unsere Bögen aus einer konstruktiven Notwendigkeit heraus motiviert. Beim Betonhaus haben wir diese Notwendigkeit zum gestalterischen Leitmotiv gemacht. Beim Ziegelhaus ist der Bogen aus vier geviertelten Standardziegeln über eine einfache Holzschalung gemauert. Die Wand hat durchgehend den gleichen U-Wert ohne Wärmebrücken und der Maurer kann mit einem Typ Stein das ganze Haus bauen. Diese einfachen Bögen verursachen auch keine Mehrkosten, allerdings etwas aufwändigere Fenster.
Schels Lanz/PK Odessa
Wie wollen Sie Ihre Architektenkollegen überzeugen, auf kleinere, nachhaltigere Fenstergrößen umzusteigen? Als architektonisches Leitbild gilt ja immer noch die Ganzglasfassade, die schon Mies van der Rohe propagiert hat. Ich glaube, man muss einfach gute Häuser bauen, die anderen Prinzipien folgen. Über das gelungene Beispiel kann man viel bewegen! Vielleicht können wir aus den Anforderungen unserer Zeit sogar eine neue Architektursprache entwickeln. Ich denke schon, dass wir bei unseren Forschungshäusern in Bad Aibling einen interessanten Weg beschritten haben. Alle drei Häuser sind aus den Anforderungen an die Konstruktion entwickelt, bei einem Haus sind die Außenwände aus massivem Holz, beim zweiten aus Dämmziegel und beim dritten aus monolithischem, unbewehrtem Leichtbeton. Wenn man im Massivbau auf Bewehrung und industriell vorgefertigte vielschichtige Bauteile verzichten möchte, bietet sich als Sturz über den Fenstern aus rein konstruktiven Überlegungen ein Bogen an.
Geometrisch sind die drei Versuchshäuser in Bad Aibling idenWLVFK 6R NDQQ GHU (LQÁXVV GHU XQWHUVFKLHGlichen Materialien vergleichend gemesVHQ ZHUGHQ
In terms of geometry, the three experimental houses in Bad Aibling are identical. This allows measuring and monitoring the influence of different materials comparatively.
lations led to an ideal room geometry, we became interested in the influence of different materials on building performance. In Bad Aibling, we built three houses that are geometrically identical, yet consist either of timber, brick or concrete. Further buildings featuring loam and hybrid construction types will follow. By measuring indoor temperatures and energy consumption, we will gain empirical insight that can be transferred to general building practice. How do you intend to convince your architectural colleagues to switch to smaller, more sustainable window sizes? The glazed curtain wall facade remains the ideal of architecture since the days of Mies van der Rohe.