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In die Wirtschaftskraft von Frauen investieren

Starke Frauen sind für ihre Gemeinden ein Wirtschaftsfaktor und ein Zukunftsversprechen.

Caroline Kent

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© Rada Akbar/Women for Women International

Frauen, die einen Krieg überlebt haben und sich für eine friedliche Zukunft engagieren, finden in der Organisation Women for Women International wichtige Unterstützung. In einem Gastbeitrag beschreibt die Deutschland-Direktorin der Organisation ihr Credo: Frauen fördern und damit für stabilere Gesellschaften sorgen.

Text Caroline Kent

Die Weltbank hat 36 Länder als fragil und „konfliktbetroffen“ eingestuft. Allein in diesen Staaten leben 264 Millionen Frauen. Sie gehören zu den ärmsten und am stärksten marginalisierten Bevölkerungsgruppen der Welt. Die meisten von ihnen sind von Konflikten und Unruhen in unterschiedlicher Weise betroffen und beeinträchtigt – durch Gewalt, Vertreibung oder durch den Verlust von Familienmitgliedern und Einkommensquellen. Sie erleben Diskriminierung und Gewalt aufgrund ihres Geschlechts und anderer Faktoren, etwa durch eine Behinderung oder ethnische Zugehörigkeit.

Konflikte und Fragilität verhärten oft tief verwurzelte patriarchalische Strukturen, die die grundlegenden Rechte von Frauen beeinträchtigen. Ihnen bleibt der Zugang zu Verdienstmöglichkeiten und damit verbundenem sozialen Aufstieg sowie gesellschaftlicher Mitsprache verwehrt.

Schritt für Schritt zur Gleichberechtigung

Gul Jan, eine Frau aus Afghanistan, konnte allen Widrigkeiten zum Trotz und auch gegen den Willen ihres älteren Bruders zur Schule gehen, fand aber danach keine Arbeit. Im Jahr 2017 nahm sie am einjährigen Programm von Women for Women International teil und lernte mehr über ihre Rechte und wie sie diese verteidigt. Seitdem engagiert sie sich gegen Gewalt und Kinderehen und kämpft für mehr Gleichberechtigung in ihrer Gemeinde.

Aus Gul Jan ist aber auch eine erfolgreiche Unternehmerin geworden: Mit einem Darlehen aus ihrer örtlichen Spargruppe (Village Savings and Loan Association) kaufte sie eine Nähmaschine und nähte Kleidung. Inzwischen hat Gul Jan mehr als 15 Frauen angestellt und denkt über eine weitere Expansion nach.

Sie sieht sich als Vorbild für andere Frauen, die ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben führen wollen. Die größte positive Veränderung, die sie seit Beginn des Women for Women International-Programms in Afghanistan sieht, ist, dass mehr Familien ihren Töchtern einen Schulbesuch ermöglichen: „Viele Frauen sind sehr glücklich mit dem, was wir geschafft haben. Ich bin stolz auf das, was ich im Alter von 20 Jahren erreicht habe, bin selbstbewusst und unabhängig.“

Frauen gehören an den Verhandlungstisch

Geschichten wie die von Gul Jan machen Hoffnung und zeigen, wie wichtig es ist, in die Wirtschaftskraft marginalisierter Frauen zu investieren – vor allem, wenn wir als internationale Gemeinschaft unser Versprechen, niemanden zurückzulassen, einhalten möchten.

Die Covid-19-Pandemie hat vor allem Frauen in fragilen und konfliktreichen Ländern hart getroffen. Sie sind unter anderem einer überproportional erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt, Einkommensverluste der Frauen führen zu Nahrungsmittelknappheit für die gesamte Familie, Frauen werden sozial isoliert und zunehmend Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt.

Es ist unerlässlich, dass Frauen endlich mit am Verhandlungstisch sitzen, wenn es darum geht, ihre Bedürfnisse und Lebensrealitäten anzuerkennen. Um extreme Armut zu bekämpfen, bedarf es ganzheitlicher und inklusiver Ansätze, die die soziale und wirtschaftliche Kraft von Frauen anerkennen und nutzen. Dafür muss die internationale Gemeinschaft Hindernisse und Stereotypen beseitigen. Und tatsächlich allen benachteiligten Frauen eine Sichtbarkeit verschaffen.

Caroline Kent

Caroline Kent

© Ingo Diekhaus

ist Direktorin von Women for Women International in Deutschland. Sie engagiert sich seit mehr als 20 Jahren für soziale Gerechtigkeit im internationalen Kontext. Ihr Fokus liegt auf den Themen Gendergerechtigkeit und globale Gesundheit. In den Bereichen politische Interessenvertretung, Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnenführung hat Kent für internationale Nicht-Regierungsorganisationen gearbeitet. Zuvor war sie bei den Vereinten Nationen und Mitglied der Geschäftsführung der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW).

Women for Women International

© Serrah Galos/Women for Women International

Isoliert zu sein und nicht gesehen zu werden, war eines der Motive für die Gründung von Women for Women International vor 27 Jahren. Vor dem Hintergrund der Kriege in Ex-Jugoslawien und Ruanda Anfang der 1990er-Jahre hatte die Gründerin Zainab Salbi, irakische Aktivistin und selbst Kriegsüberlebende, eine Vision für die Zukunft bosnischer Frauen, die ihr Leben durch Völkermord, Vergewaltigung und Krieg zerstört sahen. Salbi gründete die Organisation, um Frauen dabei zu unterstützen, ihre eigene Zukunft aus den Trümmern des Krieges zu gestalten. Seitdem hat die Organisation mehr als eine halbe Million Frauen erreicht. Das Ziel: ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

In einem einjährigen Programm werden Frauen Ressourcen vermittelt, die dazu beitragen, ihr Lebensumfeld nachhaltig zu verändern. Was sind ihre Rechte, wie stärken sie ihre Gesundheit? In Gruppen lernen sie, die langjährige kriegsbedingte Isolation zu durchbrechen. Der Austausch über Erlebtes und Zukunftsträume schafft Vertrauen und Solidarität und führt in vielen Fällen zu unternehmerischen Existenzgründungen und Sparverbänden. Zudem – und das ist in der Frauenarbeit nicht alltäglich – bezieht Women for Women International auch Männer mit ein, um gesellschaftlichen Wandel und wirtschaftliche Selbstbestimmung zu fördern.

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