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Ein EU-Ratspräsident zweifelt an der Gemeinschaft

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Menschen begegnen

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Er beschimpft Journalistinnen als Prostituierte und wettert gegen Migrationskorridore für Flüchtlinge aus Afghanistan. Der slowenische Regierungschef Janez Janša gibt auf Twitter gern den Trump. Sein Land hat noch bis Ende 2021den Vorsitz der EU inne. Kritiker bezweifeln, dass Janša im besten Interesse der Gemeinschaft handelt.

Text Alexandra von Nahmen, Studioleiterin DW-Büro, Brüssel

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Die Evakuierung in Afghanistan dauerte noch an, da twitterte Janez Janša schon eifrig – mit einer klaren Botschaft: „Die EU wird keine Migrationskorridore für Afghanistan öffnen. Wir werden die strategischen Fehler aus 2015 nicht wiederholen. Wir müssen nur denjenigen helfen, die uns während der NATO-Operation geholfen haben“, schrieb der slowenische Regierungschef. Darunter postete er vier Archivfotos, die lange Schlangen von Geflüchteten zeigten.

Ist das die richtige Botschaft eines Politikers, dessen Land gerade die Ratspräsidentschaft innehat? Kann Janša kontroverse Themen wie die Frage einer gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik vorantreiben und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedsländern vermitteln, wie es die anderen EU-Staaten vom rotierenden Ratsvorsitz eigentlich erwarten? Viele Mitglieder des europäischen Parlaments zweifeln daran.

Ein Ministerpräsident, der sich gern auf Twitter fetzt

„Zum ersten Mal steht unser Land im Rampenlicht – nicht wegen einer soliden Ratspräsidentschaft, sondern wegen der Brachialrhetorik unseres Ministerpräsidenten, der sich gern fetzt“, sagt Tanja Fajon, Chefin der oppositionellen slowenischen Sozialdemokraten und Mitglied im EU-Parlament. Sie wirft Janez Janša vor, die europäischen Werte nicht zu respektieren. „Er steuert unser Land in die falsche Richtung und verändert den Charakter der slowenischen Gesellschaft. Bislang unabhängige Institutionen wie Medien, Justiz, aber auch das Militär und die Polizei werden politisch instrumentalisiert“, so Fajon.

Beobachter in Brüssel befürchten, Janša führe sein Land auf einen autoritären Pfad, ähnlich wie Viktor Orbán in Ungarn. Besonders in der Kritik stehen Janšas verbale Attacken auf Journalisten und Politiker, die es wagen, ihn zu kritisieren. Seine Regierung hat sich zudem monatelang geweigert, die Finanzierung der unabhängigen staatlichen Nachrichtenagentur STA nachhaltig zu sichern. Slowenien hat bisher auch keine eigenen Ankläger an die EU-Staatsanwaltschaft entsandt. Das schwächt die neue Behörde, die Korruption in der Gemeinschaft bekämpfen soll. Der nationalkonservative Regierungschef hat außerdem Viktor Orbán im Streit um das ungarische LGBT-Diskriminierungsgesetz unterstützt – obwohl Slowenien als liberal und weltoffen gilt.

Ein Orbán-Freund an der Spitze der EU-Staaten

Kein Wunder also, dass es in Brüssel Kritik hagelte, als Janša dort zum Auftakt der Ratspräsidentschaft im Juli 2021 sein Programm vorstellte. „Leider scheinen Sie diesem sehr finsteren Club angehören zu wollen, der freie Medien nicht schätzt, die Unabhängigkeit der Justiz nicht erträgt oder LGBTQRechte nicht respektiert“, brachte ihm Malik Azmani von der liberalen Fraktion im EU-Parlament entgegen. Die Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ska Keller, hielt Janša vor, dem Kurs der illiberalen Demokratie zu folgen: „Das ist gefährlich für die europäischen Werte, die Ihre Präsidentschaft angeblich hochhalten will.“

Die Sozialdemokratin Tanja Fajob zeigte sich gegenüber der DW besorgt. „Ich würde mir wünschen, dass unsere Ratspräsidentschaft erfolgreich ist.“ Der EU-Vorsitz sei für ein kleines Land wie Slowenien eine Chance, Positives zu fördern, fügt die Abgeordnete hinzu.

Vermittler gesucht

Die EU könnte durchaus einen Vermittler gut gebrauchen. Die Europäische Kommission liegt seit längerem im Streit mit Ungarn und Polen um die Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien. Dabei geht es auch um die Frage, ob und inwieweit das EU-Recht über nationalem Recht steht. Ein Streit, der sich in den letzten Wochen immer wieder zugespitzt hat.

Aber Janez Janša hat sich bereits positioniert. Beim diesjährigen Strategischen Forum im slowenischen Bled Anfang September sagte er, dass die Mitgliedsstaaten im Zweifel Freiheiten haben sollten und ein gemeinsames europäisches Vorgehen nicht unbedingt erreicht werden müsse. Die Gemeinschaft habe sich von ihren Grundprinzipien entfernt, kritisierte er die EU und deren „normative Macht“.

Janez Janša gibt auf Twitter gern den Trump.

Janšas Verhalten während der Ratspräsidentschaft wird keine Folgen für die Union haben, sagt der slowenische Politikwissenschaftler Alem Maksuti. Der Regierungschef, der sich gern als der Trump Europas gibt, habe das Vertrauen seiner Bevölkerung verloren, ebenso wie die Mehrheit im Parlament. Maksuti rät dazu, Populisten wie Janša zu ignorieren. Janša selbst hatte übrigens einer InterviewAnfrage der DW zum Thema eine Absage erteilt.

Alexandra von Nahmen

leitet das Studio der DW in Brüssel. Davor hat sie das Studio in Washington D.C. und in Moskau geleitet. 2020/2021 war sie Präsidentin der White House Foreign Press Group.

@AlexandravonNah

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