b – N° 8 / Das Magazin des Balletts am Rhein

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Editorial

Von den Kraftfeldern zwischen Mensch und Körper, Bewegung und Worten, Geschichten und Formen, Künstlern und Zuschauern, Sehen und Gesehenwerden, Tanz und Musik und Fotografie und Bildender Kunst. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und Anschauen und eine unvergleichliche Spielzeit 2017/18. ballettamrhein.de

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Inhalt

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Inhalt 06

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Scharf umrissene Porträts des Menschen

Von den heiligen Geheimnissen des Musizierens

Hans van Manen zum 85. Geburtstag

Der Geiger Marc Bouchkov

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Wo Geister und Unerklärbares noch nicht als Hirngespinste gelten

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Gaga — Ich fühle mich wie Wasser, wie Luft

Gedanken zu Schwanensee

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Roses of Shadow

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Von der nonverbalen Kraft des Tanzes

Adriana Hölszky komponiert für Martin Schläpfer

Ein Gespräch mit dem Choreographen Ben J. Riepe

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Young Moves 2017

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b.29 — b.32 Die Spielzeit 2016/17 in Fotografien von Gert Weigelt

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Das Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg 96

Rückblick / Ausblick / Neues

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New York — New York Maria Calegari & Bart Cook erinnern an Balanchine und Robbins

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Künstlerisches Team / Impressum

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Von menschlichen Niederungen und Befindlichkeiten Florian Etti

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Porträt

TEXT

A N G EL A R EINH A R DT

FOTOS

G ER T W EI G ELT

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Hans van Manen

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Het Nationale Ballet: Ode to the Master

Porträt

H A NS VA N M A NEN Z U M 8 5 . G EB U R T S TAG

Ein wenig amüsiert wirkt er manchmal, wenn er die Ovationen entgegennimmt, in tadel­ loser Haltung und vollendeter Eleganz: Im Ernst, Leute, so viel Lärm um ein Ballett? Hans van Manen tritt nicht an die Rampe und breitet die Arme aus, er legt keinen Halbgott-Auftritt hin wie John Neumeier oder einst Maurice Béjart. Gerade im Juli ist er 85 Jahre alt geworden, der Gentleman aus Holland hat Stil, aber bestimmt kein Pathos. Seit über 60 Jahren choreographiert er, ist der letzte aus der Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Ballett in Europa groß machte: Roland Petit und Béjart gehörten dazu, John Cranko oder Birgit Cullberg. Die anderen seiner berühmten europäischen Zeitgenossen haben alle später angefangen. Seine Werke sind so alterslos wie er, genauso elegant und stilvoll. Macht ihn das allein zum Klassiker? Hans van Manen war nicht immer der feste Fels der eleganten Neoklassik, der zuverlässig brillante Teil eines dreiteiligen Abends, der linientreue Ästhet unter all den Zertrümme­ rern, Konzeptperformern und Überdehnern. Lange war der Klassiker ein Revoluzzer, im­ mer an vorderster Front der Avantgarde – schon damals ein Minimalist, der Skandale nicht plakatierte, sondern sie eher als Pointen setzte, als kleine, wirkungsvolle Stiche. 1965 schickte er in Metaforen, einem neoklassi­

schen Ballett reinsten Wassers, nicht nur die übliche Paarung Ballerina plus Partner auf die Bühne, sondern choreographierte ein zu­ geneigtes Duo für zwei Frauen und – deutlich anrüchiger – einen lupenreinen Pas de deux für zwei Männer: Das erregte zu dieser Zeit doch einiges Aufsehen. Wenige Jahre später kombinierte er in Mutations Filmauf­ nahmen mit Auftritten splitternackter Tänzer, im Duo Twilight tanzte 1972 erstmals eine Frau Ballett auf High Heels. Auch bei den neuen Medien war van Manen vorne dabei, 1979 ließ er in Live die Tänzerin mit einer Videokamera flirten und am Ende unter der Konfrontation mit ihrem Live-Bild leiden. In Bits and Pieces steuerte der Choreograph seine Tänzer per Fernbedienung, Fünf Tangos war das erste Ballett auf Tango-Musik. Hans van Manen hatte ständig neue Ideen, viele von ihnen veränderten das Genre grundlegend. Aber er blieb immer beim Ballett, behielt die klaren Linien und den Spitzen­ schuh, dekonstruierte nicht, ließ nie das The­ ater die Überhand über den Tanz gewinnen: „Ich mache keine Experimente. Ich mache Ballette.“ Van Manen huldigt der Ordnung, um sie leise zu irritieren, er konzipiert per­ fekte Strukturen, nur um dann einen kleinen Parameter zu ändern und neugierig die Stö­ rung zu verfolgen. Tanzen zwei Männer die­ selben Schritte wie sonst ein gemischtes Paar,

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dann spielen beim Zusehen plötzlich unsere sozialen Konventionen eine Rolle. Hohe Ab­ sätze machen den akademischen Tanz schick und mondän. In Compositie herrschen per­ fekte Spiegelungen, bis einer sie aufbricht, im Kleinen Requiem bringt ein überzähliger Tänzer die Symmetrie der Paare durchein­ ander. Van Manen ist ein Meister darin, die Ordnung in Frage zu stellen und uns in der Grenzüberschreitung eine neue, unbekannte Schönheit zu zeigen. Er stellt Konventionen in Frage: in Bewegung, nicht in Worten. Und dennoch führt gerade er uns bis heute, wo alle Konventionen im Tanz mehrfach zerbro­ chen wurden, immer wieder den Maßstab vor Augen: Klarheit, Strenge, Reduktion aufs Wesentliche, die perfekte Einheit von Form und Inhalt. Er hat das Ballett nie angetastet, liebt weiter die Schönheit seiner Geometrien, die Spannung des aufrechten Körpers. Van Manens Strukturen sind leicht und kristallin durchschaubar: rechte Winkel, Parallelen, Spiegelungen, horizontale Linien. Man kann fast jede seiner Choreographien mit Balanchine’schem Auge als Neoklassik betrachten, als ein Fest der abstrakten Formen – läge nicht immer eine Geschichte darin verbor­ gen. Van Manens Ballette sind nie abstrakt, immer schwirren diese subtilen Spannungen zwischen den Tänzern, denn die blicken ein­ ander ins Gesicht und nicht in Balanchines unbestimmte himmelblaue Ferne. Oder sie


Hans van Manen

»Hans van Manen hatte ständig neue Ideen, viele von ihnen veränderten das Genre grundlegend. Aber er blieb immer beim Ballett, behielt die klaren Linien und den Spitzenschuh, dekonstruierte nicht, ließ nie das Theater die Überhand über den Tanz gewinnen: ›Ich mache keine Experimente. Ich mache Ballette.‹ Van Manen huldigt der Ordnung, um sie leise zu irritieren, er konzipiert perfekte Strukturen, nur um dann einen kleinen Parameter zu ändern und neugierig die Störung zu verfolgen. Van Manen ist ein Meister darin, die Ordnung in Frage zu stellen und uns in der Grenzüberschreitung eine neue, unbekannte Schönheit zu zeigen. Er stellt die Konventionen in Frage: in Bewegung, nicht in Worten.«

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Martin Schläpfer

Wo Geister und Unerklärbares noch nicht als Hirngespinste gelten Gedanken zu Schwanensee

TEXT

M A R T IN S C HL Ä P F ER

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Schwanensee

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Martin Schläpfer

Mit besonderer Spannung wird in dieser Spielzeit Martin Schläpfers Uraufführung Schwanensee erwartet, setzt sich der Schweizer Choreograph doch erstmals direkt mit einem der großen Stoffe des romantischen Ballett-Repertoires auseinander und geht dabei seine ganz eigenen Wege. Für das Ballettmagazin hielt er einige Gedanken zu dieser intensiven Arbeit fest. Premiere ist am 8. Juni 2018 im Opernhaus Düsseldorf. ——

Ich bin per Zufall zum Ballett gekommen, durchs Eiskunstlaufen, wusste gar nicht, was Ballett ist, oder was man sich darunter vor­ zustellen hat, bis ich selbst, als fast schon 16-Jähriger, an der Stange stand. Da begeg­ nete ich dann auch zum ersten Mal dem Wort „Schwanensee“ – zusammen mit vielen anderen, neuen, fremden wie „Giselle“ oder „George Balanchine“. Es war klar, dass sich offensichtlich etwas Wichtiges, fast Großes hinter dieser Begrifflichkeit verbarg. Mein Elternhaus war ein politisches, naturverbun­ denes – kein kulturelles. So gehörte ich auch nicht zu jenen Jugendlichen, die früh ins Opernhaus mitgenommen wurden, wodurch ich allenfalls hätte wissend sein können. Als Peter Appel, der damals, Mitte der 1970er Jahre, als Ballettmeister bei John Neumeier in Hamburg tätig war, zum ersten Mal nach St. Gallen in unsere kleine, aber feine, von Marianne Fuchs geleitete Schule kam, um uns zu unterrichten, brachte er unter anderem auch ein Schwanensee-Programmheft mit, genauer gesagt: das Programmheft von Illu­ sionen wie Schwanensee, denn so hatte John Neumeier seine eigene hervorragende Fas­ sung des Balletts betitelt. Ich weiß noch ge­ nau, wie ich es endlos lange studierte, die Fotos von Magali Messac als Odette bewun­ derte und es von vorne bis hinten sogar von Hand abschrieb. Sehr wahrscheinlich ver­ stand ich kaum etwas von dem, was da stand, aber dieses Büchlein hatte etwas Magisches und ich hoffte, es würde etwas Wunderbares mit mir tun. In einem Sommer, ich weiß nicht mehr genau welchen Datums, durfte ich mit einigen aus­ gewählten Tanzschülern nach Köln, an die weltberühmte, damals noch existierende In­ ternationale Sommerakademie des Tanzes, reisen, dort verschiedene Klassen belegen und Unterricht bei großen Pädagogen wie Eileen

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Ward, Jonathan Watts und natürlich Peter Appel nehmen. Irgendwie landete ich auch in einer Pas de deux-Stunde. Ich weiß noch, dass meine Partnerin Marion Jäger war, die spätere Erste Solistin des Stuttgarter Balletts, die zur gleichen Zeit wie ich auch bei Mari­ anne Fuchs Ballett studierte und der Star der Schule war. Verglichen mit ihr war ich roh, wild und unkonzentriert – noch vollkommen „unbeschaffen“ … Und dann war da plötzlich dieser Liebes-Pas de deux zwischen Odette und Siegfried aus dem 2. Schwanensee-Akt vor mir – getanzt von der ungarischen Bal­ lerina Marta Metzger und Peter Appel. Ich hatte im Leben zuvor noch nie etwas Schöne­ res und Verwirrenderes gesehen als Marta Metzger mit Peter Appel. Gelernt habe ich wohl nichts – aber ich entflammte für etwas Unbeschreibbares, das mich damals aus der Bahn warf und schlussendlich bis heute fest in den Fängen hält. Ich entflammte für das, was Kunst, was der Mensch in der Kunst sein kann. Später hatte ich eher einen „SchwanenseeRiss“. Lange war mir Giselle in ihrer vielleicht naiveren, aber auch reineren, mich mehr be­ rührenden Personenführung und stringente­ ren Dramaturgie näher, Dornröschen lieber, da es für mich der „bessere“ Tschaikowsky war. Große Tänzerinnen und Tänzer begeis­ terten und bewegten mich mehr in allen an­ deren klassischen Balletten. Natalia Makaro­ vas Odette/Odile durfte ich leider nie sehen. Wie hätte mich der „kantilenische Ansatz“ ihrer Interpretation interessiert, mit dem sie sich, wie sie selbstbewusst in ihrem Buch beschreibt, von den meisten westlichen Bal­ lerinen distanzierte. Margot Fonteyn sieht man jetzt nur noch auf Film, kann ihre Kunst so vielleicht noch erahnen. Ich selbst habe in Schwanensee nur einmal getanzt, die Rolle von Prinz Siegfrieds Freund Benno in Heinz


Schwanensee Spoerlis Fassung. Zu jener Zeit war ich men­ tal und physisch am tiefsten Punkt meiner Karriere – und denke ungern und nur mit großer Selbstkritik daran zurück. Das Ganze wurde leider auch noch vom Fernsehen auf­ gezeichnet. Als Choreograph kommt man um Marius Petipa und Lew Iwanow nicht herum. Petipa steht für viele Meisterwerke, die man auch heute noch mehr oder weniger original auf den großen Ballettbühnen der Welt bewun­ dern oder zumindest sehen kann. Er steht für einen kristallklaren, akademisch-geometrisch angelegten Choreographie-Ansatz, der wie Architektur nichts dem Zufall überlässt. Bis heute beeinflusst er jeden Choreographen, den es noch interessiert, was gutes Ballett war, ist und auch heute noch sein kann – mental, aber auch ganz direkt. Iwanow, der für den meisterhaften „weißen“ 2. Akt (früher 1. Akt, 2. Szene) verantwortlich zeichnete, ist mit Petipa verglichen eher unbekannt. Er hat nichts Weiteres von solcher Meisterschaft und einem derartigen Willen zur Reduktion – fast könnte man von Abstraktion sprechen – choreographiert. Aber er bleibt als Künstler und Lehrer trotzdem sehr bedeutend – und sein „Schwanenakt“ machte ihn zum Vorläu­ fer Mikhail Fokines, der mit seinen lyrischen und tiefempfundenen Balletten wie Les Syl­ phides oder Chopiniana einen Gegenpol zu Petipa bildete. Die Entstehungsgeschichte des Balletts Schwanensee ist hochinteressant, voller Widersprüche und Geheimnisse. Genauso wie das Libretto eine seltsame Verkettung von My­ then, Plätzen und Figuren aus aller Welt ist, die nicht unbedingt zum Besten gehört, was es im Tanz gibt, hat das Stück, das man heute als Klassiker mehr oder weniger in der PetipaIwanow-Fassung kennt (Ausnahmen bilden u.a. die Versionen von John Neumeier und vor allem Mats Ek) eine veritable Berg- und Talfahrt hinter sich. Die Moskauer Premieren von 1877 und 1880 waren in den Choreogra­ phien von Wenzel Julius Reisinger und Joseph Hansen Misserfolge. Tschaikowskys Musik wurde nicht verstanden, zerstückelt und mit anderen Kompositionen, die man dazusetzte, ruiniert. Das Ballett blieb länger vergessen, sozusagen in der Versenkung, und wurde erst 1895 am St. Petersburger Mariinsky-Theater wieder herausgebracht – diesmal in der Neu­ fassung der beiden Tanzschöpfer Petipa und Iwanow, nachdem man zwei Jahre zuvor zum Gedenken an den im November 1893 verstor­ benen Peter I. Tschaikowsky den von Iwanow bereits fertig choreographierten 2. Akt schon gezeigt hatte. Aber auch hier ist das Quellen­ material höchst mehrdeutig und ich kann in

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Interview

Von der nonverbalen

Kraft des Tanzes EIN G ES P R ÄC H MI T D EM C H O R EO G R A P HEN B EN J. R IEP E

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Ben J. Riepe

INTERVIE W

A NNE D O PAÇ O FOTOS

G ER T W EI G ELT

Man muss aufpassen, dass man am Eingang in die Engelbertstraße 23 in Düsseldorf-Flingern nicht vorbeiläuft, so unscheinbar ist dieser Zutritt in einen Hinterhof, in dem sich dann aber eine äußerst fas­ zinierende Welt auftut: Der Sitz der Ben J. Riepe Kompanie – eine Halle zum Proben, ein Ort, in dem aber auch all die Requisiten, Stoffe, Materialien, Skulpturen, Masken, Möbel, Kostüme sich finden, mit denen gearbeitet wird, und ein winziges Büro, bis unter die Decke vollgestopft mit all den Dingen, die zur Administration eines Ensem­ bles dazugehören. Es ist ein Morgen im Juli 2017. Um 12 Uhr ist Probe für ein „Choreographiertes Abendessen“. Nach und nach trudeln die Tänzerinnen und Tänzer ein, versammeln sich zu einem lautstarken Warm up, das sich durch die offene Tür wie eine fremde Geräuschwelt über die Gegend legt. Ben J. Riepe und ich sitzen in dem lauschigen Hinterhof in der Sonne. Im Vorderhaus öffnet sich ein Fenster. Eine Frau schaut neugierig zu uns herüber und grüßt freundlich. Wir beginnen, über Tanz, über Ben J. Riepes Arbeit, sein Leben mit einer freien Compagnie, seinen Werdegang, Düsseldorf und die Welt zu sprechen. Für das Programm b.35 des Balletts am Rhein kreiert Ben J. Riepe in dieser Spielzeit ein neues Stück. Es ist das erste Mal, dass er mit einer Ballettcompagnie zusammenarbeitet.

angelegtes Essen: Wir sitzen alle zusammen an einem Tisch, Tänzer, Musiker, mein Team, ich und die Zuschauer mischen sich – und es­ sen gemeinsam. Dazu kommen als weitere Ebenen all die Dinge, mit denen ich arbeite: Musik, Licht, Nebel, Bewegung, Inhalte. Manch­ mal sind Gäste oder Gastgeber auch als Experten eines Themas involviert. Es entsteht eine offene, entspannte Atmosphäre, in der der Zuschauer weiß, wie er sich verhalten soll, aber trotzdem permanent Überraschungsmomente erlebt und so aus dem scheinbar Bekann­ ten woanders hingeführt wird. Je nachdem, wohin wir eingeladen sind, ändere ich das Format, passe es dem jeweiligen Kontext vor Ort oder den Themen, mit denen ich mich gerade beschäftige, an. Räume zu schaffen, in denen auch der Zuschauer sich verhalten muss, ist ein wichtiger Aspekt deiner Arbeit …

… der Inhalt aller meiner Stücke ist der Mensch und sein Körper. Was ich damit mache, ist Choreographie. Choreographie bedeutet für mich Strukturierung von Raum und Zeit. Was, wie und in wel­ chem Raum ich etwas strukturiere, hängt wiederum von der jeweiligen Fragestellung ab. Auf diese Weise ist die Idee entstanden, meine Werke auch in andere Räume zu setzen: ein Stück, das für eine Bühne entstanden ist, z. B. in ein Museum zu transferieren. Man merkt dann schnell, dass vieles plötzlich nicht mehr funktio­ niert und man seine Arbeit dem neuen Umfeld entsprechend weiterdenken muss. So habe ich mir immer neue Räume erobert. Andere Räume eröffnen andere Sehgewohnheiten – in einem Mu­ seum z. B. ist man viel freier, kann die eigene Distanz zum Kunst­ werk selbst festlegen und entscheiden, wie lange man davor verweilt. Gleichzeitig erreicht man in einem Museum nie eine Konzentration wie in einem Theater. Damit zu arbeiten und einen solchen Aspekt der Freiheit wieder zurück ins Theater zu holen, interessiert mich sehr.

Wenn man deine Werke anschaut, geht es immer wieder um das eine: den Körper und den Menschen darin in all seinen Facetten. Es gäbe auch andere Themen für den Tanz. Was fasziniert dich so sehr an dem, was wir sind?

Jede Kunstform hat ein Medium – ein Instrument, ein Textbuch, eine Partitur, eine Staffelei, eine Kamera. Der Tanz hat dies nicht zwangs­ läufig, und dies ist der Punkt, an dem Kunst für mich wirklich frei ist. Was aber bedeutet das „Material“, das wir im Tanz haben: der Körper? Der Körper ist letztlich alles, ist Instrument, Textbuch, Partitur, Staf­ felei, Kamera – und das durchforsche ich in meinen Arbeiten. Dass der Tanz eine nonverbale, abstrakte Sprache ist, die nichts erklärt, zu­ gleich aber so viel mehr ist als das, was ich verbalisieren kann, und immer ganz direkt mit dem Leben zu tun hat, macht ihn als Kunst­ form für mich so existenziell. An diesem Punkt arbeite ich – immer und immer wieder.

Im Dezember 2016 hast du in Essen drei Tage lang PACT Zollverein in einen Transformationsraum sinnlicher Wahrnehmungen verwandelt. Arena Arctica hieß die Performance mit deiner Compagnie, aber auch Gästen aus Kultur und Wissenschaft – darunter der Autor und Kurator Georg Herzberg, die Choreographin Wanda Golonka, der Physiker Uwe Schallenberg und das Indie-Pop Duo SEA+AIR. Zum Thema „Musik – Landschaft – Mensch“ hast du einen offenen Raum geschaffen, in dem deine Kunst, Musik und andere künstlerische Interventionen, aber auch Forschungsansätze und offene Gespräche zu gegenseitigen Impulsgebern wurden. Für den Zuschauer wurde das emotionale Erleben, aber auch die kognitive Rezeption zu einem offenen Prozess.

Du reist übermorgen mit deiner Compagnie nach England, zum Festival von Reading, wo du ein „Choreographiertes Abendessen“ veranstaltest. Was muss man sich darunter vorstellen?

Die Idee stammt aus einer Recherche, bei der ich mich intensiv mit dem Choreographieren von Atmosphären beschäftigt habe. Ich habe dabei verschiedenste Formate ausprobiert, u.a. auch ein partizipativ

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Interview

Ich möchte die Zuschauer dazu ermutigen, sich auf eine Arbeit ein­ zulassen, sie erst einmal wirken zu lassen, ohne gleich zu urteilen. Zu erfahren, was geschieht, wenn man etwas nicht versteht, sondern erlebt. Auf ein Tanzstück gibt es meist viele verschiedene Sichtweisen. In Arena Arctica hatte ich deshalb die Idee, als Teil der Aufführung verschiedene Menschen, sogenannte „Experten“, unterschiedliche Einführungen in meine Arbeit geben zu lassen: wissenschaftlich, künstlerisch, schamanistisch, physisch. Als Zuschauer musste man sich für eine davon entscheiden, so dass sich verschiedene Grup­ pierungen mit unterschiedlichen Perspektiven auf mein Thema bildeten. Das plurale Erleben wurde dadurch sehr gestärkt und deutlich, was bei dem immer wieder geäußerten Wunsch, etwas „ver­ stehen“ zu wollen, immer wieder verdrängt wird: Jeder Mensch ist anders, jeder Zuschauer bringt andere Voraussetzungen in eine Theateraufführung mit, eine eigene Stimmung und Verfassung – und entsprechend erlebt jeder auch etwas eigenes, darf, ja soll dies erleben! Viele sind ein zweites Mal gekommen.

Das ist natürlich perfekt, darüber freue ich mich sehr, denn genau dies ist meine Idee. So viele Menschen gehen heute ins Theater und wollen einfach nur loslassen und möglichst wenig denken. Genau deshalb interessieren mich diese Grenzgänge. Ich glaube an die Kraft des Nonverbalen, die Kraft des direkten Erlebens und arbeite sehr intensiv an einer Einlassung, denn um eine solche geht es im Theater doch letztlich immer. Dies nicht durch Verbalisierung zu vermitteln, ist für mich wesentlich. Dein Weg, auf dem du dorthin gekommen bist, wo du heute als Ben J. Riepe mit deiner Ben J. Riepe Kompanie stehst, ist ein sehr interessanter. Wer hat dich zum Tanz gebracht?

Für mich war schon als sehr kleines Kind klar, dass mich Kunst in allen möglichen Richtungen interessiert. Schon früh habe ich Theater gespielt, eigene Stücke erfunden, aber auch gemalt. Mein Vater war Lehrer und spielte mit seinen Schülern auch Theater. Als ich einmal auf eine seiner Proben mitgehen durfte, war ich von Anfang an total fasziniert und wollte unbedingt dabeibleiben. Ein an­ deres prägendes Erlebnis hatte ich, als ich einmal nicht schlafen konnte. Ich stand auf und ging zu meinen Eltern, die im Fernsehen gerade La fille mal gardée anschauten … Zunächst war ich aber sehr auf der Suche. Das Schauspiel war mir zu expressiv, seine Spra­ che hat mir nichts gesagt. Zum Ballett kam ich über den Hochleistungssport, als ein Lehrer uns empfahl, unseren Körper ganz-

Als Zuschauer Teil deines Ganzen zu sein, ja extrem involviert zu werden, ohne direkt mitzuspielen, habe ich sehr stark bei Persona beim diesjährigen Festival tanz nrw em­ pfunden – eine sehr interessante Erfahrung, die ich in dieser Intensität noch nie zuvor gemacht habe.

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Ben J. Riepe du Printemps. Wie fasziniert war ich von diesem Stück als Zuschauer! Und nun, als ich selbst darin auf der Bühne stand, begann es sich für mich völlig zu entzaubern. Ich war während des Tanzens nur mit dem Durchzählen der Musik beschäftigt, permanent am Schauen, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Platz war. Noch lange musste ich gegen diese Erfahrungen ankämpfen, auch wenn ich nur wieder Zuschauer war. Letztlich wurde mir damit aber auch klar, dass ich auf der anderen Seite stehen möchte, dass ich gar nicht selbst tanzen, sondern viel lieber zuschauen, Menschen studieren möchte – auch bei meinen eigenen Proben. Manchmal schaue ich acht Stun­ den am Tag einfach nur meinen Tänzern zu – und muss mich selbst nicht bewegen.

heitlich zu trainieren. Ich bekam Unterricht an einer kleinen Pro­ vinzballettschule – und nach einem Jahr habe ich nichts anderes mehr gemacht. Doch auf Dauer war mir das Ballett zu formal, auf eine gewisse Weise zu glatt. Ich begann, mich mit Bildender Kunst zu beschäftigen, die mir aber wiederum zu versplittert erschien. Mit 16 Jahren habe ich dann erstmals ein Stück von Pina Bausch gese­ hen – und das hat mich einfach umgehauen. Plötzlich wurde mir klar, warum Tanz für mich so interessant ist: eine nonverbale Spra­ che, mit der man all das ausdrücken kann, wonach ich suche. Das Theater, die Bildende Kunst, der Körper und die Bewegung – all dies war in Pinas Arbeit drin, so dass ich mich schließlich zu einer Tanzausbildung an der Folkwang Hochschule entschied. Nach dem Studium hast du dann mit Pina Bausch auch gearbeitet, warst als Gast in ihrem Tanztheater Wuppertal engagiert. Wie war es für dich, ihre Stücke zu tanzen?

Du hast dich dann entschieden deine eigene Compagnie zu gründen, was ein sehr mutiger Schritt ist. Eine Alternative wäre ja gewesen, sich um eine Stelle an einem etablierten Ensemble zu bemühen.

Ein sehr starkes Erlebnis war für mich, als Tänzer an diesen speziel­ len Ort zu kommen. Ich hatte über das Tanztheater Wuppertal sehr viel recherchiert, alles gelesen, was ich finden konnte, alle Fernseh­ reportagen und viele Vorstellungen angeschaut. Als ich dann zum ersten Mal im Probensaal in der Wuppertaler Lichtburg stand, war mir alles vertraut – und vielleicht war genau das mein Problem. Mit Pina zu arbeiten, war großartig. Ich habe sehr viel von ihr gelernt und an wunderbaren Orten wie Tokyo, Genf oder bei der Ruhrtri­ ennale getanzt. Zugleich hatte ich aber das Gefühl, zu spät bei ihr zu sein. Die Stücke, die mich wirklich interessierten, die neuen, revolutionären, waren schon vor über 20 Jahren entstanden und wurden inzwischen – so empfand ich es – zu oft nur noch reprodu­ ziert. Das aber war nicht das, was mich interessierte. Hinzu kam aber noch etwas anderes: Ich begann zu spüren, dass ich mich auf der Bühne nicht wirklich wohl fühlte, mir das Tänzersein nicht viel gab. Eine besondere Erfahrung machte ich dann mit Pinas Sacre

Während meiner Studienzeit war ich bereits mehrfach bei „Junge Choreographen“-Projekten dabei, habe schließlich mein erstes abendfüllendes Stück kreiert, dann ein zweites, Preise gewonnen … Plötz­ lich lief das ganze. Meine dritte Arbeit wurde bereits vom tanzhaus nrw und einigen anderen Institutionen koproduziert. Gastspielein­ ladungen folgten. Ich weiß nicht, ob ich damals einfach Glück hatte, denn heute muss ich sagen, dass es extrem schwierig geworden ist, sich nicht nur mit seinen Arbeiten präsentieren zu können, sondern überhaupt wahrgenommen zu werden. Die Tanz- und Kulturland­ schaft hat sich derart potenziert. Gerade für den Tanz gibt es so viele neue Festivals, dass viele Veranstalter es gar nicht mehr schaf­ fen, einen Überblick zu haben. Ich kann mich noch erinnern, wie ich beim ersten Festival tanz nrw bei einer Vorstellung den gesam­ ten Saal voller Veranstalter hatte – sogar die Leitung des Pariser Théâtre de la Ville war gekommen.

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Probenfoto aus Ben J. Riepes »Carne Vale!« mit den Tänzern Sudeep Kumar Puthiyaparambath, Petr Hastík und Simon Hartmann

Interview

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Ben J. Riepe

»Der Inhalt aller meiner Stücke ist der Mensch und sein Körper. Was ich damit mache, ist Choreographie. Choreographie bedeutet für mich Strukturierung von Raum und Zeit. Was, wie und in welchem Raum ich etwas strukturiere, hängt wiederum von der jeweiligen Fragestellung ab. Dass der Tanz eine nonverbale, abstrakte Sprache ist, die nichts erklärt, zugleich aber so viel mehr ist als das, was ich verbalisieren kann, und immer ganz direkt mit dem Leben zu tun hat, macht ihn als Kunstform für mich so existenziell. An diesem Punkt arbeite ich – immer und immer wieder.« BEN J. RIEPE

International zu arbeiten heißt für dich nicht nur, mit der Ben J. Riepe Kompanie weltweit zu gastieren, sondern auch immer wieder in andere Länder zu gehen und das dortige Leben zu erfahren. Zuletzt hattest du im vergangenen Frühjahr auf Einladung des Goethe-Instituts eine Residenz in Salvador de Bahia – ein Brasilienaufenthalt, den du für intensive Recherchen nutzen konntest.

Malaysia, Seoul, Indien, also vor allem im Großraum Asien. Ein Lateinamerika-Aufenthalt war nun für mich sehr wichtig, ist doch gerade Brasilien mit seinem ausgeprägten Körperkult ein riesiges Forschungsgebiet: Im Candomblé, dieser afrobrasilianischen Reli­ gion voller Voodoo-ähnlicher Bräuche, aber auch im Karneval fin­ den sich so viele extreme Beispiele für Körperzustände! Mit all dem habe ich mich sehr intensiv beschäftigt, und das gesammelte Mate­ rial fließt nun in mein Choreographieren mit ein, indem ich es einem intensiven Prozess der Verarbeitung unterwerfe, bei dem mich v. a. interessiert, was das ganze mit mir, mit meiner Kunst macht. Salvador de Bahia ist eine unglaublich spannende Stadt. Es gibt sehr viele Afroamerikaner, die Bevölkerung ist extrem gemischt und noch heute sieht man die vielen Spuren der Kolonialgeschichte. Ich war schon einmal vor 20 Jahren dort und es hat mich sehr interes­ siert, zu erleben, in welche Richtung sich die Stadt entwickelt hat, aber auch, wie ich sie heute sehe. Die politische Situation in Brasi­ lien ist derzeit extrem instabil. Die Kulturförderung wurde auf die nächsten zehn Jahre eingefroren, für Tanz gibt es überhaupt keine staatliche Unterstützung mehr. In den Schulen wird Kunst und Sport nicht mehr unterrichtet, was in einem Schwellenland, das in den letzten Jahren eine extreme Kommerzialisierung erfahren hat, eine Katastrophe ist. Die Kinder bewegen sich nicht mehr, machen keine Kunst mehr! Ich fühlte mich zunächst in Salvador allerdings wie im Elfenbeinturm. Das Goethe-Institut liegt im reichsten Viertel der Stadt, auf einem Grundstück der Bundesrepublik Deutschland, alle sprechen deutsch. Schnell wurde mir klar, dass ich nach einer loka­ len Anbindung suchen muss, um in das wirkliche Leben dort vor­ zudringen. Durch das internationale Festival Vivadança erhielt ich die Möglichkeit, mit einigen Tänzern ein Stück zu erarbeiten. Diese haben mich auch zum Karneval mitgenommen, was eine sehr ent­ scheidende, ja heftige, beängstigende Erfahrung war: diese Masse an Menschen, aus der man nicht mehr herauskommt, das Gefühl, kein eigener Körper mehr zu sein, sondern sich völlig dem Flow überlas­ sen zu müssen, bis man irgendwann „ausgespuckt“ wird. Die Polizei griff immer wieder auf extrem brutale Weise ein und der Lärm in der Stadt war unbeschreiblich.

Ich bin sehr viel international unterwegs. Die letzten Jahre war ich jeweils mindestens zwei Monate am Stück im Ausland. Allerdings war der Grund immer eine Auftragsarbeit für eine Compagnie – in

Für November hast du ein neues Stück unter dem Titel Carne Vale! im Programm zum 50-jährigen Jubiläum der Düsseldorfer Kunsthalle angekündigt …

Informieren sich manche Veranstalter heute eventuell stärker über andere, vor allem die digitalen Medien?

Ich glaube nicht, dass das so funktioniert. Die meisten Veranstalter kaufen nach wie vor nur Vorstellungen ein, die sie auch live gesehen haben. Daraus ergibt sich dann eine Art Teufelskreis, ist ihr Argu­ ment, einen nicht einzuladen, doch, dass sie keine Vorstellung gesehen hätten. Zugleich erscheinen mir viele eher desorientiert ange­ sichts der vielen verschiedenen Arten von Performances. In jedem Museum wird getanzt, Anne Imhof hat bei der Biennale von Vene­ dig gerade einen Goldenen Löwen mit einer solchen Performance gewonnen. Der Tanz „spritzt“ in so viele Richtungen auseinander, kaum einer weiß noch genau, was diese Kunstform bedeutet. Die gesamte freie Szene ist sehr auf der Suche und findet aus der Spirale, permanent innovativ sein zu müssen, nicht mehr heraus. Die Stadt­ theater sind dagegen ganz eigene Universen und viele schauen nicht über den Tellerrand hinaus. So vielen Tanzschaffenden fehlt das Selbstbewusstsein, an die Kraft des Tanzes, nämlich das Nonverbale, wieder zu glauben. Diese Kraft wieder zu entdecken, bedarf der Einlassung – und nicht des Geredes über gesellschaftliche Relevanz. Ich denke im Moment sehr viel darüber nach, wie unser „Kulturmarkt“ sich in gewisser Weise selbst auffrisst und welche Konsequenzen ich daraus ziehen sollte. Für mich muss sich etwas entscheidend ändern. Dass das Ballett am Rhein und ich nun ko­ operieren, ist für mich auf jeden Fall eine richtige Bewegung, ein Übersprung, der mir im Moment sehr interessant erscheint – nicht zuletzt gerade auch in dieser Mischung aus lokal und global, festen, sicheren und freien, beweglicheren Strukturen.

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Rückblick

b.29 — b.32 »Ein vielseitig, wunderbares Repertoire des 21. Jahrhunderts« bewunderte Tanzkritiker Manuel Brug (Die Welt) beim Ballett am Rhein: von George Balanchine bis Martin Schläpfer, von Jerome Robbins bis Hans van Manen, aber auch Marco Goecke, Natalia Horecna, Sol León & Paul Lightfoot und Remus Şucheană. Ein Rückblick auf die vier großen Premieren der Spielzeit 2016/17 in Fotografien von Gert Weigelt. —— 26


b.29 / MOZARTIANA —— GEORGE BALANCHINE ©  THE GEORGE BALANCHINE TRUST Marcos Menha, Feline van Dijken


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b.29 / MOZARTIANA —— GEORGE BALANCHINE ©  THE GEORGE BALANCHINE TRUST Alexandre Simões LINKS Sonia Dvořák, Eric White RECHTS


b.29 / KONZERT FÜR ORCHESTER —— MARTIN SCHLÄPFER Ensemble LINKS Marlúcia do Amaral, Marcos Menha RECHTS




b.29 / THE CONCERT —— JEROME ROBBINS ©  THE ROBBINS RIGHTS TRUST Feline van Dijken, Michael Foster LINKS OBEN Matan Porat, Ann-Kathrin Adam LINKS UNTEN Ensemble RECHTS


b.30 / REMUS ŞUCHEANĂ —— CONCERTO GROSSO NR. 1 Ann-Kathrin Adam, Sonia Dvořák, Yoav Bosidan, Brice Asnar, Philip Handschin, Norma Magalhães




b.30 / LONESOME GEORGE —— MARCO GOECKE Ensemble LINKS OBEN Alban Pinet, Nathalie Guth LINKS UNTEN Sonny Locsin, Mariana Dias RECHTS


b.30 / WOUNDED ANGEL —— NATALIA HORECNA Yuko Kato, Marcos Menha, Camille Andriot Rubén Cabaleiro Campo RECHTS

LINKS






b.31 / ADAGIO HAMMERKLAVIER —— HANS VAN MANEN Doris Becker, Vincent Hoffman LINKS OBEN Sonia Dvořák, Alexandre Simões LINKS UNTEN Marcos Menha, So-Yeon Kim RECHTS



b.31 / SH-BOOM! —— SOL LEÓN & PAUL LIGHTFOOT Marcos Menha LINKS OBEN Rubén Cabaleiro Campo LINKS UNTEN Yuko Kato RECHTS


b.32 / PETITE MESSE SOLENNELLE —— MARTIN SCHLÄPFER Rubén Cabaleiro Campo, Eric White, Brice Asnar, Yoav Bosidan, Bruno Narnhammer, Philip Handschin Eric White RECHTS OBEN Camille Andriot RECHTS UNTEN

LINKS



b.32 / PETITE MESSE SOLENNELLE —— MARTIN SCHLÄPFER Ensemble



Interview

NEW YORK

NEW YORK 56


Maria Calegari & Bart Cook

Stars des New York City Ballet im Gespräch

INTERVIE W

C A EC IL I A B R ENNINK ME Y ER FOTOS

S T E V EN C A R A S U ND MARTHA SWOPE

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Interview

Stehen Werke von George Balanchine oder Jerome Robbins auf dem Programm, haben die Tänzerinnen und Tänzer des Balletts am Rhein immer wieder die besondere Gelegenheit, herausragende Persönlichkeiten der New Yorker Tanzwelt persönlich kennenzulernen und mit ihnen zu arbeiten. Im Herbst 2017 sind Maria Calegari und Bart Cook für die Einstudierung von Stravinsky Violin Concerto in Düsseldorf zu Gast. Beide gehörten seit den 1970er Jahren zu den Stars des New York City Ballet. Heute geben sie George Balanchines und Jerome Robbins’ Choreographien, aber auch ihr immenses Wissen und ihre zahlreichen Erfahrungen an Compagnien weltweit weiter. ——

CAECILIA BRENNINKMEYER Sie blicken auf eine äußerst erfolgreiche Tänzer-Karriere beim New York City Ballet unter George Balanchine und Jerome Robbins zurück. Wie haben Sie Ihre Anfänge in dieser berühmten Compagnie erlebt?

MARIA CALEGARI

Ich war zunächst Schülerin an der von George Balanchine ge­ gründeten und geleiteten School of American Ballet und hatte dann das große Glück, mit 17 Jahren von ihm in sein New York City Ballet aufgenommen zu werden. Rückblickend gesehen gab es verschiedene Dekaden in Balanchines Leben: seine An­ fänge in Amerika, seine Zeit am New York City Center, die be­ rühmte Ära der Ballerinas Maria Tallchief und Tanaquil Le Clercq, die beide seine Ehefrauen wur­ den – eine sehr produktive und prägende Zeit für den Choreo­ graphen. Mit seinem Ballett The Four Temperaments war ihm 1946 der große Durchbruch ge­ lungen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war er berühmt. Ich durfte ihn in seiner Zeit am Lincoln Center kennenlernen, wo er seine letzten und besten Jahre hatte.

BART COOK

Ich war zunächst Tänzer am Utah Civic Ballet, das heutige Ballet West in Salt Lake City. Eines Tages tanzte Jacques Du­ bois als Gast in unserem Nuss­ knacker – und dies war der Wen­ depunkt meiner Karriere. Über ihn bekam ich ein Stipendium für die School of American Bal­ let. George Balanchine kam im­ mer wieder in unsere Class und beobachtete uns. Schließlich wählte er mich als Tänzer für seine Compagnie aus. Durch das Repertoire des Utah Civic Ballet kannte ich bereits seine wun­ derschönen Ballette Symphony in C, Serenade und Concerto Barocco, aber auch Jerome Rob­ bins’ West Side Story, in der ich in einer Produktion der Univer­ sität in Utah bereits Baby­John getanzt hatte. Dass ich in New York nicht nur die Werke Balan­ chines, sondern auch unter Jerome Robbins tanzen sollte, war zunächst eine große Über­ raschung für mich.

MARIA CALEGARI

CAECILIA BRENNINKMEYER New York war in den 1970er Jahren das Tanzmekka schlechthin. Nicht nur Balanchine hatte zu dieser Zeit Erfolg, sondern auch viele andere Schulen und Compagnien etablierten sich.

BART COOK

Das damalige New York war eine Stadt mit vielen wunderba­ ren Möglichkeiten, die Tanzwelt extrem bunt und schillernd. Die Compagnie des American Ballet Theatre war auf ihrem Höhe­ punkt und ging an der Metropo­ litan Opera ein und aus – wie heute noch. Der NYCB­Tänzer Eliot Feld gründete sein eigenes Ensemble, aber auch die Modern Dance Szene war einzigartig: Trisha Brown, Yvonne Rainer, Twyla Tharp … Twyla kam von Paul Taylor, sie choreographierte vor allem für das Joffrey Ballet und machte Experimente mit Spitzenschuhen. Es war wirk­ lich eine aufregende Zeit!

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Wenn wir noch genug Energie und Zeit hatten, sahen wir uns Vorstellungen der anderen Com­ pagnien an. Das American Ballet Theatre war eine Art Rivale und für uns war es sehr interessant zu sehen, wie die Werke Balan­ chines dort getanzt wurden. Theme and Variations etwa hatte er für das ABT kreiert, das an­ sonsten aber Stücke wie Schwanen­ see, Giselle usw. zeigte und uns nicht weiter in die Quere kam. Ich denke, dass sich nur in einer Stadt wie New York und dank der vielen Sponsoren die Tanz­ szene derart entwickeln konnte. Dass das New York City Ballet und noch viele andere damals gegründete Compagnien bis heute bestehen, liegt aber auch an dem herausragenden Œuvre von Balanchine und Robbins.


Maria Calegari & Bart Cook

George Balanchine mit Bart Cook bei einer Probe zu »Stravinsky Violin Concerto« (Foto © Steven Caras)

George Balanchine mit Jerome Robbins (Foto © Martha Swope)

BART COOK

Natürlich musste auch das New York City Ballet für den Erfolg kämpfen. Als wir Mitglieder des Ensembles wurden, hatte Suzanne Farrell die Compagnie gerade verlassen und die Besu­ cherzahlen gingen stark zurück. Aber Balanchine war ein guter Geschäftsmann. Um Geld zu akquirieren, nahm er einen Auf­ trag der Pan American Airways an und machte für sie eine eher erbärmliche Choreographie namens PAMTGG – abgekürzt: „Pan Am Makes the Going Great“. Die Musik war ein schreckliches Arrangement des Werbejingles der Airline. Wir Tänzer trugen Umhänge und Kronen wie die Freiheitsstatue und Westen mit Fransen. Es war wirklich ver­ rückt! Aber Balanchine war sich dafür nicht zu schade – und so gewannen wir einen Sponsor, der uns für unsere Tourneen kosten­ los in alle Welt flog.

MARIA CALEGARI

Ich glaube nicht, dass es im Tanz etwas Vergleichbares wie die Er­ folgsgeschichte von Balanchine und dem New York City Ballet gibt – vielleicht Frederick Ash­ ton und das Royal Ballet Lon­ don. Balanchine war so vielseitig und wandelbar, und was ihn bis heute von vielen anderen Cho­ reographen unterscheidet, war seine große Musikalität. Er selbst war ein guter Pianist, wie er die Musik von Komponisten wie Igor Strawinsky und Peter I. Tschai­ kowsky nutzte, ist einzigartig. CAECILIA BRENNINKMEYER Auch als Lehrer soll Balanchine eine Ausnahme gewesen sein. Welche Erinnerungen haben Sie an seine Trainingsstunden?

MARIA CALEGARI

Balanchines Class war sehr hart und seine Art zu unterrichten eher experimentell und nicht dafür da, unsere Muskeln zu stärken oder unsere Körper für die Proben vorzubereiten. Er arbeitete extrem genau und nutzte seine Zeit effizient, um neue Ideen auszuprobieren. BART COOK

In Balanchines Class ging man nicht als Warm up. Es dauerte eine Weile, bis ich verstanden hatte, dass man sich selbst vor­ bereiten musste, um für das, was Balanchine von uns verlangte, bereit zu sein. Manchmal dauer­ ten die Übungen an der Stange nur drei Minuten – ein paar Tendus und Grand­Pliés –, und den Rest des Trainings nutze er, um winzige neue Bewegungen und Schrittfolgen mit uns zu studieren. Als ich beim New York City Ballet anfing, war ich noch ein sehr „roher Diamant“. Um meine Technik zu verbes­ sern, nutzte ich jede Gelegenheit weiterhin das Training an der School of American Ballet zu besuchen – genau wie es viele andere Stars auch machten. Be­ reits als Schüler konnte ich auf diese Weise bei Stanley Williams mit all den berühmten Tänzern des NYCB und des ABT trai­ nieren: Edward Villella, Peter Martins, Rudolf Nurejew, Erik Bruhn. Die Stimmung war da­ mals unglaublich, und für mich war es eine besondere Chance, diese großen Künstler zu beob­ achten.

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MARIA CALEGARI

Balanchine hatte einen guten Humor und war sehr selbstbe­ wusst. Dadurch konnte er das Beste aus uns herausholen. Es hat uns sehr beeindruckt, dass er sich nie große Sorgen machte, ob eine neue Produktion ein Erfolg würde. Nicht alles, was er kreierte war gut – aber das störte ihn nicht. BART COOK

Seine Tänzer und andere Tanz­ schaffende unterstützte Balan­ chine, wo er nur konnte. Als Arthur Mitchell z. B. 1969 mit seinem Dance Theatre of Harlem das erste afro­amerikanische Bal­ lettensemble aufbaute, herrschte in New York eine unruhige Zeit. Der Rassenkonflikt schwelte noch immer und es kam oft zu Unruhen und Aufständen auf den Straßen von Manhattan. Balanchine entschied sich, 1971 zusammen mit Arthur Mitchell Concerto for Jazzband and Or­ chestra zu kreieren. Die weißen Tänzer des New York City Ballets tanzten mit den schwarzen Tän­ zerinnen Mitchells und anders­ herum. Die Musik machte Doc Severinsen mit seiner Band, die dank ihrer Auftritte in Johnny Carson’s Tonight Show die Stars der Jazz­Szene waren. Für Arthur Mitchell war diese Zusammen­ arbeit eine wichtige Unterstüt­ zung und machte ihn bekannter. Manchmal verlor Balanchine aber auch vor der Class ein paar Sätze über die aktuellen Schlag­ zeilen und ließ uns seine Mei­ nung wissen.


Florian Etti

Von menschlichen Niederungen und Befindlichkeiten

»In meinen Bildern formuliere ich die menschlichen Niederungen und Befindlichkeiten, die ich im Schauspiel oder Tanz als Voraussetzung für meine Räume und Kostüme annehme. In der Theaterarbeit setzt man sich fortwährend mit Menschen auseinander und zugleich erscheint es unmodern, sich mit dem Menschen zu beschäftigen. Diese ›Uncoolness‹ muss man wagen! Die Verbindung zwischen meinen Bildern und der Theaterarbeit ist der Körper, mehr nicht. Ich möchte auf beiden Seiten sehen, was passiert. Meine Bilder kommen aus der Zeichnung, sind vielleicht auch eher Zeichnungen. Zeichnungen sind wie Kinder, sie haben nicht notwendigerweise den Schlachtruf der Moderne. Das macht sie ein bisschen freier.« FLORIAN ETTI

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Florian Etti

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Interview

Von den heiligen Geheimnissen des Musizierens M A R C B O U C HKO V S P IELT S T R AW INS K Y F Ü R DA S B A L L E T T A M R HEIN

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Marc Bouchkov

Mit Marc Bouchkov betrat in der Spielzeit 2014/15 zu Mats Eks Ballett RÄTTIKA ein noch weitgehend unbekannter Solist den Orchestergraben des Düsseldorfer Opernhauses – und spielte sich mit Johannes Brahms’ Violinkonzert sogleich nicht nur in die Herzen aller Beteiligten des Ballett am Rhein-Programms b.23, sondern auch in die von Zuschauern und Presse. Nicht wenige kamen ein zweites Mal – auch um den jungen Geiger zu erleben, der mit seinem Spiel voller Emotionen und Persönlichkeit auf faszinierende Weise zeigte, wie sehr Musik immer auch Kommunikation ohne Worte ist. ——

INTERVIE W

FOTOS

A NNE D O PAÇ O

NIKO L A J L U ND

musikalischer die Tänzerinnen und Tänzer sind, desto mehr sind sie auch in der Lage, auf die Spontaneität und Inspiration zu reagieren, die in jenen Momenten einer Aufführung passieren, die ich als die besonders „heiligen“ empfinde. Genau dieses Gefühl hatte ich damals beim Spielen des Brahms-Konzertes.

Seit deinem Debüt mit dem Violinkonzert von Johannes Brahms im Frühjahr 2015 im Opernhaus Düsseldorf hast du deine Karriere auf dem Konzertpodium mit vielen wichtigen Auftritten und großem Erfolg fortgesetzt. Nun kommst du zum Ballett am Rhein zurück – diesmal mit einer ganz anderen Komposition: dem Violinkonzert von Igor Strawinsky. Was interessiert dich am Tanz?

Strawinsky komponierte sein Violinkonzert für den Geiger Samuel Dushkin, mit dem er sehr eng zusammenarbeitete. Arbeitest du auch mit lebenden Komponisten?

Meine Begeisterung für den Tanz geht weit zurück, denn ich besuchte ein Konservatorium, auf dem Musiker und Tänzer zusammen studierten. Ich habe damals sehr viel Tanz kennengelernt und studiert und sehr viel Wichtiges für mich darin entdeckt. Bis heute denke ich im­ mer wieder auch mit etwas Nostalgie an diese Zeit zurück. Das ist der Grund für meine Faszination.

Oh ja, das tue ich und denke, dass diese Erfahrung einen auf ganz neue Ebenen im Verstehen und Betrachten von Musik führt. Zu den Künstlern, mit denen ich zuletzt zusammengearbeitet habe, zählen der russisch-amerikanische Komponist und Pianist Igor Ray­ khelson, der aus der Ukraine stammende Leonid Desyatnikov und vor allem der wunderbare Lette Pēteris Vasks. Viele zeitgenössische Komponisten ziehen ihre Inspiration auch aus der Perspektive des Interpreten, wissen sehr genau, dass Musik auf dem Papier allein nicht lebt. Mir wurde so immer wieder auch versichert, dass die Interpretation ein wichtiger Schlüssel ist, jeder Künstler eine Partitur auf seine Weise lesen, seine eigene Wahrheit in ihr entdecken sollte – also eigentlich genau das, was geschieht, wenn man ein Buch liest!

Bei einer Ballettaufführung muss man als Solist nicht nur mit dem Dirigenten und den Musikern im Orchester kommunizieren, sondern auch mit den Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne. Welche besonderen, über einen Auftritt in einem Konzertsaal hinausgehenden Herausforderungen entstehen daraus?

Für den Solisten und Dirigenten kommt bei einer Ballettaufführung in der Tat ein zusätzlicher Vorbereitungsprozess hinzu – aber ist das eine schlechte Sache? Er macht die Musik organisierter und verlangt ein präzises Konzept, das aber natürlich der Schlüssel für eine starke Interpretation sein kann. Diese Vorbereitungen braucht es, damit wir mit unseren auf der Bühne tanzenden Kollegen korrespondieren. Zugleich denke ich aber, dass je talentierter, physisch begabter und

Du bist noch ein junger Musiker, heute 26 Jahre alt. Wie entscheidest du, welches Repertoire im Moment für dich das richtige ist? Entwickelst du deine eigenen Saisonprogramme oder reagierst du auf das, was Konzertveranstalter dir vorschlagen?

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Interview Ich denke beides! Oft studiere ich neue Werke zunächst nur für mich und wenn ein anderer Programmvorschlag kommt, fokussiere ich mich ganz auf diesen. Im Moment erweitert sich mein Repertoire durch viele Anfragen sehr schnell und intensiv, so dass ich für mich selbst gar nicht nach neuen Werken suchen muss. Mein Terminka­ lender ist dicht! Welches „mein Repertoire“ sein sollte, habe ich noch nicht entschieden. Dies ist etwas, womit ich mich beschäftigen werde, wenn ich alle Konzerte, die ich liebe, in „den Fingern“ habe.

anderer sammelte. Das Musikmachen auf allerhöchstem Niveau, auf dem extrem begabte Musiker gemeinsam jene besondere Verbin­ dung aus Energie und Kraft miteinander teilen, ist eine unglaubliche Erfahrung für einen jungen Musiker, der eine Karriere als Solist an­ strebt. Sich heute als junger Künstler durchzusetzen, ist nicht einfach. Es gibt sehr viele exzellent ausgebildete Musiker. Du hast eine ganze Reihe wichtiger Preise gewonnen. Sind Wettbewerbe ein „Motor“ für die Karriere?

Gibt es Komponisten, die du besonders bevorzugst?

Einige Sinfonien Gustav Mahlers wie die Dritte mit ihrem Schluss­ satz – und aus Bruckners Sinfonie Nr. 8 liebe ich ganz besonders den dritten Satz.

Ich denke, dass Wettbewerbe für junge Künstler ein wichtiges Sprungbrett sind und uns grundsätzliche Dinge lehren: Die Vorbereitung auf einen Wettbewerb ist eine der härtesten physischen und psychi­ schen Herausforderungen, denn die Anforderungen sind stets extrem hoch und verlangen gleichzeitig aber auch eine „künstlerische Fri­ sche“. Diejenigen, denen es gelingt, beides zu verbinden, schaffen es bis an die Spitze und können dann auch eine Solokarriere starten, denn: Ist auch die Teilnahme an Wettbewerben extrem hart – der Beginn einer Solokarriere ist noch schwieriger.

Was spielt sich in deinem Kopf ab, wenn du auf der Bühne vor dem Orchester und Publikum stehst und spielst?

Einmal wollte ich genau diese besondere Situation für mich selbst untersuchen und dachte, es könnte ein guter Weg sein, mein Verhal­ ten zu analysieren – nicht zuletzt auch, um weiterzukommen. Doch dann musste ich sehr schnell feststellen, dass man die Praxis und nicht die Aufführung analysieren muss. Der Moment der Aufführung ist ein heiliges Geheimnis – und muss es bleiben. Alles und nichts kann in unserem Kopf sein. Und vielleicht muss es genauso sein, um die Musik in ihrem Höchsten zu gestalten und sich mit ihr zu ver­ binden. Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass ich nach einem Konzert vom Podium komme und mich nicht erinnern kann, worauf sich meine Gedanken jenseits der Musik, der Verbindung mit den übrigen Musikern – der Energie all der Künstler auf der Bühne – richteten. Da muss doch etwas gewesen sein …

Im Dezember kehrst du zum Ballett am Rhein mit Strawinskys Violinkonzert zurück. Welche anderen Projekte erwarten dich in der Spielzeit 2017/18?

Sehr viel Schönes erwartet mich, darunter Johannes Brahms’ Doppelkonzert mit der Tapiola Sinfonietta und sein Violinkonzert mit dem MDR Sinfonieorchester Leipzig. Ich werde Erich Wolfgang Korn­ golds Violinkonzert in Kiew und auf einer Frankreich-Tournee spie­ len, Strawinskys Violinkonzert auf Einladung von Wen-Pin Chien auch in Taiwan. Darüber hinaus sind eine ganze Reihe von sehr schö­ nen Recitals in Deutschland, aber auch im Ausland geplant. ———

Du stammst aus einer Musikerfamilie. Wie wichtig war dieses Umfeld für deine musikalische Entwicklung?

HÖRTIPP

Am 22. September 2017 ist in der Serie harmonia#nova, mit der das Label Harmonia Mundi außergewöhnliche junge Künstler vorstellt, die erste CD von Marc Bouchkov erschienen. Begleitet von dem Pianisten Georgiy Dubko spielt er Werke von Eugène Ysaÿe, Ernest Chausson sowie zwei eigene Kompositionen.

Sehr wichtig! Es gab mir von Anfang an den Willen und die Kraft, diesen gefährlichen und schwierigen Weg zu gehen. Später war es für mich aber auch entscheidend, loszulassen und mich emotional nicht zu sehr zu binden. Denn neben all der Unterstützung kann eine zu enge Bindung auch die Entwicklung eines eigenen Selbst­ wertgefühls und der eigenen Persönlichkeit behindern. Es ist eine sehr diffizile Sache, zu erkennen, wann der richtige Moment gekom­ men ist, um mit den eigenen Flügeln zu fliegen. Zunächst war mein Großvater Mattis Vaitsner mein Lehrer, dann Claire Bernard am Konservatorium von Lyon, Boris Garlitsky in Paris. Zurzeit ist es Michaela Martin an der Kronberg Academy. Bevor du dich ganz auf deine Solistenkarriere konzentriert hast, warst du Geiger im NDR Sinfonieorchester Hamburg. Was hat dich dazu bewegt, zunächst eine Position in einem Orchester zu wählen?

Dafür gab es zwei Gründe: Zum einen brauchte ich einen Job, um mich von Freunden und meiner Familie finanziell unabhängig machen zu können. Auf der anderen Seite wollte ich unbedingt in dem Um­ feld, das mir immer als „die große deutsche Orchesterkultur“ vor­ gestellt wurde, arbeiten. Und ich habe es nicht bereut. Das Orches­ terspiel wurde vielmehr ein wunderbarer Teil meines Lebens. Ich habe mich mehr und mehr dafür begeistert und es fiel mir wirklich schwer, nach drei Jahren damit wieder aufzuhören. Ich muss einfach sagen, dass ich meine stärksten musikalischen Erfahrungen beim Spielen der Sinfonien Bruckners, Mahlers, Beethovens und vieler

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Marc Bouchkov

»Hört man Marc Bouchkov eines der großen romantischen Violinkonzerte spielen, fühlt man sich an die ›goldene Zeit‹ der Violinvirtuosen erinnert, an die Tradition eines Jascha Heifetz, Leonid Kogan oder David Oistrach. Es ist dieser verführende Klangsinn, jenes ›Espressivo‹, das – verbunden mit einer makellosen Technik – den jungen Geiger auszeichnet. Und gleichzeitig ist er eine ›moderne‹, vielseitige und individuelle Künstlerpersönlichkeit.« JURYBEGRÜNDUNG LOTTO-FÖRDERPREIS DES RHEINGAU MUSIK FESTIVALS 2016

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Gespräch

Ich fühle mich wie Wasser, wie Luft GESPR ÄCH

YOAV B O S IDA N — M A AYA N S HEINF EL D

Er ist einer der faszinierendsten Akteure des modernen Tanzes, gilt als ein Revolutionär, der das Extreme liebt. Seine Choreographien sind Liebeserklärungen an den Körper in Bewegung voll explosiver Kraft, Wildheit, Erotik, Freiheit, aber auch Einfühlsamkeit, Reinheit, Zartheit und Verletzlichkeit. Seine ganz eigene Tanztechnik nennt Ohad Naharin: Gaga. Mit Decadance zeigt das Ballett am Rhein in b.35 erstmals ein Tanzstück des israelischen Choreographen. Die Premiere am 27. April 2018 im Opernhaus Düsseldorf nahm Yoav Bosidan – Mitglied des Balletts am Rhein – zum Anlass, sich mit Maayan Sheinfeld – Tänzerin in Ohad Naharins Batsheva Dance Company – über die Besonderheiten von Gaga auszutauschen. —— 74


Gaga liche Metaphern, die ich zuvor noch nie im Unterricht gehört hatte, um uns zu erklären, was wir tun sollten. Ich glaube, ich war damals noch zu jung, um den besonderen Reiz von Gaga zu spüren. YOAV BOSIDAN   Ich war zunächst auch eher skeptisch, als uns die Lehrerin sagte, wir sollten unseren eigenen Raum im Studio finden und ihr einfach nur zuhören. Doch dann geschah etwas, das mich schnell begeisterte: Zum ersten Mal spürte ich, was ich schon immer beim Tanzen spüren wollte. Ich fühlte mich wie Wasser, wie Luft. Ich fand eine Möglichkeit, mich mit meinem Körper auf eine sehr sinnliche Art und Weise auszudrücken und bis an die Grenzen meiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu gehen. Nach der ersten Gaga-Class wusste ich: Gaga ist ein Teil von mir und dieses einzigartige Körperwissen wird mich bis zum Ende meiner Tänzerkarriere begleiten. War dir von Anfang an klar, dass dich Gaga als Tänzerin erfüllen würde?

MAAYAN SHEINFELD   Von Beginn meiner Laufbahn bei der Bat-

sheva Dance Company an wurde Gaga für mich sehr reizvoll. Es war eine wunderbare Erfahrung, das Improvisieren zu erlernen und zu trainieren. Gaga war anders, als alles, womit ich mich bis dahin wohl gefühlt habe. Aber gleichzeitig war es auch eine große Heraus­ forderung. Ich hatte zunächst mit einigen, vor allem psychischen Blockaden zu kämpfen. Mir war klar, dass ich diese überwinden und etwas in mir freilassen musste, um vielfältiger in meinem Ausdruck zu werden. Dieser Prozess sollte nicht nur auf meinen Tanzstil Aus­ wirkungen haben, sondern auch auf mein Leben. Schon bald entwi­ ckelte ich eine Art Sucht, ich konnte die nächste Gaga-Class kaum erwarten. Es war, als ob sich eine Schatztruhe öffnete und ich nicht sicher war, was mich darin erwartete. Gaga gibt mir die Grundlage für tägliche Experimente mit meinem Körper und Geist: die physi­ schen Grenzen meines Körpers auszuprobieren, meine Bewegungen mit meiner Fantasie zu beflügeln, die Leidenschaft sich zu bewegen im ständigen Fluss zu halten. Zunächst dachte ich, ich müsse viele von meinen in der Ausbildung gelernten Techniken aufgeben, aber

YOAV BOSIDAN   Als ich 2008 an der Thallma Yallin School of the Arts meine Ausbildung anfing, entdeckte ich die Schönheit der professionellen Ballettwelt. Ich hatte an fünf Tagen der Woche klassisches Ballett-Training und zusätzlich an drei Tagen auch Modern-Dance-Unterricht. Ballett war für mich wie Mathematik. Alles muss sehr präzise und korrekt aus­ geführt werden. Ich erinnere mich noch genau, wie ich eines Tages den Hinweis auf unserem Stundenplan entdeckte: „Nächste Woche werden alle Schüler in Gaga unterrichtet. Seid offen für Neues!“ Mir war sofort klar, dass Gaga mir eine fremde Welt eröffnen würde, aber dass diese sich so stark von der Balletttechnik unterscheidet, konnte ich nicht ahnen. An der Schule lernte ich Maayan Sheinfeld kennen. Wir sind bis heute enge Freunde, auch wenn sich unsere Wege nach unserer gemeinsamen Ausbildung bald schon wieder trennten: Ich verfolgte eine eher klassische Ballettlaufbahn, tanzte in Den Haag, Amsterdam, Florenz, Lucca und auch eine Zeitlang wieder in meiner israelischen Heimat, bevor ich zur Spielzeit 2016/17 Tänzer beim Ballett am Rhein wurde. Maayan wurde dagegen 2010 Mitglied der Batsheva Dance Company in Tel Aviv, wo sie noch heute unter Ohad Naharin tanzt. Sie hat Gaga zu ihrem Beruf gemacht. Ich dagegen wurde klassischer Balletttänzer. Gerne tauschen wir uns regelmäßig über unsere Erfahrungen in diesen verschiedenen Tanzwelten aus. So auch bei meinem letzten Besuch in Tel Aviv im Sommer 2017 – vor Beginn der neuen Spielzeit beim Ballett am Rhein, in der erstmals ein Werk Ohad Naharins auf dem Programm steht und sich so auch meine und Maayans Welten wieder näher kommen.

MAAYAN SHEINFELD   Ich habe das erste Mal von Gaga gehört, als

ich mit ungefähr 14 Jahren im Gemeindezentrum meiner Heimat­ stadt Ewen Jehuda tanzte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich von An­ fang an begeistert davon war. Der Lehrer nutzte ziemlich ungewöhn­

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Gespräch des Körpers passiv. Als nächster Schritt könnte der Lehrer verlangen, das Wasser in unserer Vorstellung durch unsere Arme hindurch flie­ ßen, aber den Rest unseres Körpers sich weiter im Wasser treiben zu lassen … So kommen immer weitere Ebenen hinzu – die Fantasie kann aber auch eine ganz andere Richtung nehmen. Hilft Gaga dir in deiner klassischen Tänzerlaufbahn? YOAV BOSIDAN   Ja, meine Erfahrungen mit Gaga helfen mir im Alltag als Tänzer sehr, sowohl in unseren Trainingsstunden als auch bei jeder Art von Repertoire, das wir tanzen. Es hilft mir, über meine Grenzen hinaus zu gehen, mir in meinem Kopf keine Schranken in den Weg zu legen und auch physisch eine bessere Qualität der Bewegung zu finden. Ich habe das Gefühl, dass ich jeden kleinsten Teil meines Körpers spüren und die Kontrolle darüber haben kann. Sehr interessant finde ich auch, dass Gaga nicht nur eine Tanztechnik für professionelle Tänzer ist. Inzwischen werden fast überall auf der Welt Workshops angeboten, die jeder – auch der Laie – besuchen kann. Hier werden keine Übungen gemacht, für die man eine klassische Tänzerausbildung benötigt, so dass Gaga auch für jeden Menschen jeden Alters und jeder körperlichen Verfassung geeignet ist.

MAAYAN SHEINFELD   Für mich ist das Gaga-Training zugleich

auch ein Werkzeug und eine Sprache, um so direkt wie möglich mit Ohad Naharin und seiner Welt zu kommunizieren, ihn zu verstehen und mich natürlich auf das Repertoire der Batsheva Dance Company vorzubereiten. Es bedarf nur weniger Worte, damit wir Tänzer so­ fort wissen, was er von uns sehen möchte. Er ist einfach unglaublich. Ich bewundere ihn sehr und liebe seine Arbeit. ———

eigentlich geht es nicht darum, das klassische Können auszuradieren. Die Schönheit von Gaga hat vielmehr mit den unendlichen Möglich­ keiten des Ausdrucks im Tanz zu tun. YOAV BOSIDAN   In einer Gaga-Class kreiert jeder Tänzer, angeregt durch bildliche Anweisungen des Lehrers, Bewegungen in einer individuellen Weise. Die Gaga-Sprache trainiert die Vorstellungskraft und Flexibilität, lässt uns achtsam mit unseren Schwächen umgehen und körperliche Grenzen respektieren. Gaga gibt dem Tänzer die Möglichkeit, den Körper sehr natürlich zu bewegen und den inneren Gesetzen des eigenen Rhythmus zu folgen – es gibt eigentlich keine andere Regel als diese. Oder wie würdest du die Besonderheit von Gaga beschreiben?

MAAYAN SHEINFELD   Bei Gaga geht es darum, Kopf und Körper

mit einander zu verbinden und als eine Einheit zu nutzen. Ich denke, dass genau dies auch die Grundlage für das Künstlersein ist – Kontrolle über sein Werkzeug zu haben und es so zu gebrauchen, wie man es wünscht. Als ich neu im Ensemble der Batsheva Dance Company war und intensiv Gaga trainiert habe, habe ich sofort gemerkt, dass ich sehr viel lockerer und flexibler in meinem ganzen Körper und vor allem in meinen Hüften wurde, viel Spannung loslassen konnte. Meine Gelenke ließen sich plötzlich in viel mehr Richtun­ gen drehen, als ich es vom klassischen Tanz gewohnt war. Im Ballett will man immer nach oben, weg vom Boden, leicht sein, schwerelos erscheinen. Bei Gaga geht es um das Gegenteil: Gaga ist sehr mit dem Boden verbunden. In einer Gaga-Class bewegt man sich ohne Unterbrechung über die gesamte Dauer des Trainings. Der Lehrer gibt Anweisungen, die als weitere Ebenen zu deiner Grundbewe­ gung hinzukommen und dich dazu einladen, neue Bewegungen zu erforschen. Wenn man z. B. aufgefordert wird, sich vorzustellen, man würde im Wasser treiben, gibt es keine abrupten Bewegungen, alles fließt, man kann ganz loslassen, aber zugleich bleibt kein Teil

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Foto © Gadi Dagon

Gaga

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Roses of Shadow

Der Weg zur Klanglichke Roses of Shadow: Adriana Hölszky komponiert für Martin Schläpfer

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eit

Adriana Hรถlszky

TEXT

A NNE D O PAร O

FOTOS

S A S C H A K R EK L AU & B AU ER-S T U D I O S L U DW I G S B U R G

als Drama 79


Roses of Shadow

»Ich wollte schon lange für den Tanz schreiben, weil die Ströme dort schneller fließen. Sänger brauchen Zeit, sie müssen atmen. Bei Tänzern geht es zack, zack. Dadurch wird die Interaktion zwischen Körper, Raum und Klang schärfer. Gleichzeitig sind die einzelnen Ebenen unabhängiger von einander, freier.« ADRIANA HÖLSZKY

Wenn sich für ihn einmal eine fruchtbare Part­ nerschaft aufgetan hat, belässt Martin Schläp­ fer es meist nicht bei nur einer Zusammen­ arbeit. Und auch Komponisten wendet er sich immer wieder gerne in ganzen Werkzyklen oder zumindest Paarungen zu: Bach, Schubert, Ligeti, Sciarrino, in den letzten Jahren immer wieder Brahms, Lutosławski … Dass der Tanz den direkten Austausch mit der zeitgenössi­ schen Musik braucht – und umgekehrt –, da­ von ist Martin Schläpfer überzeugt. 2014 ent­ stand auf diese Weise ein Werk, das in der Tanzlandschaft der letzten Jahre keinen Ver­ gleich kennt: DEEP FIELD – für Martin Schläpfer komponiert von Adriana Hölszky, im Opernhaus Düsseldorf uraufgeführt mit dem gesamten Ballett am Rhein, Mitgliedern der Düsseldorfer Symphoniker, zahlreichen Gästen sowie dem WDR Rundfunkchor Köln. „Es ist ein so gewaltiges Theaterereignis, wie man’s im deutschen Tanz vielleicht noch nie erlebt hat“, schrieb Marieluise Jeitschko nach der Uraufführung auf tanznetz.de. Hartmut Regitz (Stuttgarter Nachrichten) erlebte „ein Gesamtkunstwerk, das ganz zweifellos neue Hör­ und Seherfahrungen ermöglicht“, und Stefan Schmöe schrieb im Online Musik Ma­ gazin: „Man kann Schläpfers Courage gar

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nicht hoch genug einschätzen. Da traut sich jemand was, und da glaubt jemand fest da­ ran, dass Kunst – und gerade zeitgenössische Kunst – Berechtigung und Sinn, ja: Notwen­ digkeit hat. (…) Adriana Hölszky und Martin Schläpfer setzen Maßstäbe – auch im 21. Jahr­ hundert lebt das Ballett und zehrt nicht nur von der Substanz. Leicht machen sie es dem Publikum nicht, aber die Kunstanstrengung ist unbedingt lohnenswert.“ Drei Jahre später, im Sommer 2017. Aus einem der Studios im Balletthaus am Düsseldorfer Steinberg ertönt Ungewohntes: Als würde man auf einem Vulkan sitzen und das Beben spüren – aus einer weit entfernten Tiefe. Wenn auch zwischendurch immer wieder alles ruhig erscheint, eine Spannung bleibt, eine Beun­ ruhigung, die nicht verschwindet und immer dann wiederkommt, wenn man sie gerade nicht erwartet. Dirigent Wen­Pin Chien ar­ beitet intensiv mit einem kleinen Ensemble aus neun Musikern. Die Sängerin und Stimm­ künstlerin Angelika Luz ist aus Stuttgart an­ gereist, zusammen mit der Geigerin Monika Hölszky­Wiedemann, der Zwillingsschwester der Komponistin, die etwas abseits sitzend über das Geschehen wacht und immer wieder


Adriana Hölszky

»Adriana Hölszkys Musik hat eine unglaubliche Kraft, ist expressiv und mehrdimensional, sprüht vor Energie. Meine Arbeit – wie auch die der Compagnie und der gesamten Deutschen Oper am Rhein – wurde durch DEEP FIELD nicht nur neu definiert, sondern kräftig durchlüftet.« MARTIN SCHLÄPFER

wertvolle Anmerkungen zu ihrer Komposi­ tion gibt. Aus anderen Teilen Deutschlands sind Stefan Hussong mit seinem Akkordeon, Naoko Kikuchi mit zwei Bass­Kotos und Paul Hübner mit verschiedenen Trompeten, einem Euphonium und Alphorn nach Düssel­ dorf gekommen. Aber auch Mitglieder der Düsseldorfer Symphoniker und der Deutschen Oper am Rhein ließen sich für dieses Projekt begeistern: Der Cellist Do­Min Kim feilt zu­ sammen mit Monika Hölszky­Wiedemann gerade noch an ungewöhnlichen Spieltechni­ ken, Jochen Mauderer hat mehrere Klari­ netten um sich herum aufgebaut, Ville En­ ckelmann präpariert seinen Flügel mit Metallplatten, Plastikkarten und anderem. Beeindruckend ist das Instrumentarium von Schlagzeuger Fabian Clasen – von einem riesigen Ölfass, das einen markerschüttern­ den, unendlich tiefen Klang von sich geben kann, verschiedenen Gongs, Tam­Tams, Röhrenglocken und Zimbeln über Holz­ und Fell­Schlagzeug und einen geheimnisvollen Rainmaker bis zu schnarrenden Rassel­ und Schrapp­Instrumenten. Geprobt wird das neueste Werk von Adriana Hölszky – der zweite Auftrag, den Martin Schläpfer an die deutsch­rumänische Komponistin vergeben hat: Roses of Shadow. Die Uraufführung ist am 16. Dezember 2017 im Opernhaus Düs­ seldorf. Mit DEEP FIELD hatte Adriana Hölszky zum ersten Mal ein Werk eigens für den Tanz kom­ poniert – zutiefst fasziniert von den Arbeiten Martin Schläpfers: „Ein innerliches Vibrieren, das in jeder Ader, jedem Muskel der Tänzer

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sichtbar wird, ein permanentes Ausloten und Ausweiten der Grenzen: eine Orchestrierung von Kräften, Farben und Gefühlen“, entdeckte sie in seinem Choreographieren, das sich in diesen Punkten durchaus mit ihrem Kompo­ nieren berührt. 1953 in Bukarest geboren und seit 1976 in Stuttgart lebend, zählt Adriana Hölszky zu den wichtigsten Komponistinnen ihrer Generation und hat sich seit der Urauf­ führung von Bremer Freiheit 1988 in München mit der Musik­Theater­Bühne und ihren Pa­ rametern wie Stimmen, Szenen, Gesten und Räumen auf unterschiedlichste Weise ausein­ andergesetzt. Hans Werner Henze, der als Leiter der Münchener Biennale des Zeitge­ nössischen Musiktheaters Bremer Freiheit zur Uraufführung brachte, schrieb über seine Entdeckung für das Musiktheater: „Adriana Hölszky schreibt schwierige, widerspenstige Partituren, unangepasst und alles andere als modisch. Der Hörer wird provoziert, gestört, es wird ihm auf die Nerven gegangen, an die Nieren.“ Zahlreiche Preise, Ehrungen und CD­Ein­ spielungen sowie Aufführungen u. a. bei den Donaueschinger Musiktagen, Wiener Fest­ wochen, Schwetzinger Festspielen, den Opern­ häusern in Stuttgart, Frankfurt und Mann­ heim sowie bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik bezeugen heute Adriana Höl­ szkys Bedeutung. Ihre Oper Böse Geister nach Dostojewski, 2014 nur wenige Wochen nach DEEP FIELD am Nationaltheater Mannheim erstmals präsentiert, wurde vom Magazin Opernwelt zur „Uraufführung des Jahres“ ge­ kürt. Von 2000 bis 2013 leitete sie als Profes­


Young Moves

g n u o Y s e v o M ie h p

ra g eo hei n r o R h C am m r t ts o f t t alle a l P sB de

Unter professionellen Bedingungen eine eigene Choreographie ent­ wickeln – das ist die Idee von Young Moves, einer Plattform Choreographie, in der Tänzerinnen und Tänzer des Balletts am Rhein sich einmal im Jahr mit ihren eigenen Arbeiten dem Publikum präsentieren. Im Juli 2017 kamen sechs Ballette von Wun Sze Chan, Sonny Locsin, Boris Randzio, Chidozie Nzerem, So-Yeon Kim und Michael Foster auf der großen Bühne im Opernhaus Düsseldorf zur Uraufführung. Gert Weigelt hat sie fotografiert. —— 84


YOUNG MOVES / NO DESTINATION —— WUN SZE CHAN Cassie Martín OBEN Eric White, Virginia Segarra Vidal, Irene Vaqueiro, Yuko Kato

UNTEN


YOUNG MOVES / FOURMIS —— SONNY LOCSIN Camille Andriot OBEN Norma Magalhães, Bruno Narnhammer, Tomoaki Nakanome, Camille Andriot, Mariana Dias, Arthur Stashak

UNTEN


YOUNG MOVES / ANDANTE SOSTENUTO —— BORIS RANDZIO Rashaen Arts, Marlúcia do Amaral, Richard Jones, Asuka Morgenstern


YOUNG MOVES / EDGE OF REASON —— CHIDOZIE NZEREM Marlúcia do Amaral, Marcos Menha OBEN Ensemble UNTEN


YOUNG MOVES / 43 —— SO-YEON KIM Eric White OBEN Tomoaki Nakanome, Yuko Kato, Asuka Morgenstern

UNTEN


YOUNG MOVES / EAST COASTING —— MICHAEL FOSTER Ensemble



B A L L E T T

A M

R H E I N

SPIELZEIT 2017/18 — b.29

b.34

Young Moves

Gastspiele

MOZARTIANA GEORGE BALANCHINE

APPENZELLERTÄNZE MARTIN SCHLÄPFER

PLATTFORM CHOREOGRAPHIE

HET NATIONALE BALLET AMSTERDAM ODE TO THE MASTER

KONZERT FÜR ORCHESTER MARTIN SCHLÄPFER

LE SPECTRE DE LA ROSE MARCO GOECKE

TEMET NOSCE URAUFFÜHRUNG FELINE VAN DIJKEN

THE CONCERT JEROME ROBBINS —

DER GRÜNE TISCH KURT JOOSS —

23.09.2017 ↗

Opernhaus Düsseldorf

b.32

Theater Duisburg

b.35

PETITE MESSE SOLENNELLE MARTIN SCHLÄPFER —

14.10.2017 ↗ Theater Duisburg 22.11.2017 ↗ Opernhaus Düsseldorf (Reprise)

b.33 STRAVINSKY VIOLIN CONCERTO GEORGE BALANCHINE ROSES OF SHADOW URAUFFÜHRUNG / AUFTRAGSKOMPOSITION ADRIANA HÖLSZKY & MARTIN SCHLÄPFER POLISH PIECES HANS VAN MANEN — 16.12.2017 ↗

02.02.2018 ↗

DECADANCE OHAD NAHARIN ENVIRONMENT URAUFFÜHRUNG BEN J. RIEPE ABENDLIED URAUFFÜHRUNG REMUS ŞUCHEANĂ — 27.04.2018 ↗

Opernhaus Düsseldorf

ALLTAG HANS VAN MANEN —

OUR DISCONTENT URAUFFÜHRUNG SONIA DVOŘÁK

15.09.2017 ↗ De Nationale Opera Amsterdam www.operaballet.nl

POSIDONIA URAUFFÜHRUNG VIRGINIA SEGARRA VIDAL

HIGHLIGHTS DES INTERNATIONALEN TANZES BONN

RHAPSODY ON A THEME URAUFFÜHRUNG ERIC WHITE — 30.06.2018 ↗

Theater Duisburg

OBELISCO KONZERT FÜR ORCHESTER MARTIN SCHLÄPFER — 26.11.2017 ↗ Oper Bonn www.theater-bonn.de

INTERNATIONALE MAIFESTSPIELE WIESBADEN Programm wird noch bekannt gegeben.

— 13. & 14. 05.2018 ↗ Staatstheater Wiesbaden www.staatstheater-wiesbaden.de

b.36 SCHWANENSEE URAUFFÜHRUNG MARTIN SCHLÄPFER — 08.06.2018 ↗

Opernhaus Düsseldorf

Opernhaus Düsseldorf

INFOS & K ARTEN

Düsseldorf: Tel. + 49 (0) 211. 89 25 211 Duisburg: Tel. + 49 (0) 203 . 283 62 100

ballettamrhein.de

Roses of Shadow (b.33) wird gefördert durch


Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg Das Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg wurde 2009 von Martin Schläpfer neu formiert und zählt inzwischen zu den erfolgreichsten und innovativsten deutschen Ballettcom­ pagnien. Nachdem bereits eine Umfrage der Deutschen Bühne das Ensemble 2010 auf den 1. Platz setzte, kürte die Zeitschrift tanz in ihrer internationalen Kritikerumfrage Martin Schläpfer zum „Choreographen des Jahres 2010“ und das Ballett am Rhein viermal in Folge 2013, 2014, 2015 und 2017 zur „Kompanie des Jahres“. Seit 2016/17 ­leitet Remus Şucheană als Ballettdirektor an der Seite von Martin Schläpfer als Künstlerischem Direktor und Chefchoreographen das Ballett am Rhein. 45 Tänzerinnen und Tänzer aus 16 Nationen sind in dem ausschließlich aus Solistinnen und Solisten bestehenden Ensemble vertreten, das nicht nur auf den beiden Bühnen der Deutschen Oper am Rhein im Opernhaus Düsseldorf und dem Theater Duisburg, sondern auch auf internationalen Gastspielen und Festivals zu erleben ist. Zu diesen zählen Auftritte beim Edinburgh International Festival, im Théâtre de la Ville Paris, Het Muziektheater Amsterdam, Gran Teatre del Liceu Barcelona, Stanislawski- und NemirowitschDantschenko-Musiktheater Moskau, Royal Opera House Muscat, in der Israeli Opera Tel Aviv, im Festspielhaus St. Pölten, bei der Ballettfestwoche des Bayerischen Staatsballetts München, in der Berliner Staatsoper, in Bilbao, Bonn, Den Haag, Genf, Gütersloh, Hannover, Köln, Ludwigshafen, bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, beim Festival Musica Sacra Maastricht und den Internationalen Maifestspielen Wies­baden. Einen Schwerpunkt im Repertoire des Balletts am Rhein bilden die Choreographien Martin Schläpfers, der in den letzten Jahren in über 60, mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Werken seinen Stil zu einer unverwechselbaren, zeitgenössischen Ballettkunst verdichtet hat. Neben Martin Schläpfers Arbeiten findet das Repertoire des Balletts am Rhein sein Profil in einem sorgfältig geplanten Zusammenspiel aus historischen Choreographien, zeitgenössischen Meisterwerken sowie zahlreichen Uraufführungen renommierter wie junger Künstler. Der Bogen spannt sich dabei von Frederick Ashton, George Balanchine, August Bournonville, Kurt Jooss, Jerome Robbins und Antony Tudor bis zu Merce Cunningham, William Forsythe, Paul Taylor und Twyla Tharp. Choreographen wie Nils Christe, Mats Ek, Marco Goecke, Jiří Kylián, Sol León und Paul Lightfoot oder Amanda Miller und Regina van Berkel arbeiten ebenso mit dem Ballett am Rhein wie Natalia Horecna, Young Soon Hue, Brigitta Luisa Merki, Terence Kohler, Ben J. Riepe oder Remus Şucheană. Darüber hinaus zählt das Ensemble zu den wichtigsten Interpreten Hans van Manens, der der Compagnie inzwischen zehn seiner Werke anvertraute und ihr 2014 mit dem Ballett „Alltag“ auch eine Uraufführung schenkte. Als musikalische Partner stehen dem Ballett am Rhein mit den Düsseldorfer Symphonikern und Duisburger Philharmonikern zwei hochkarätige Klangkörper zur Verfügung. 2014 kam es im Rahmen von „DEEP FIELD“ zu einer Auftragskomposition von Adriana Hölszky außerdem erstmals zu einer Zusammenarbeit mit dem WDR Rundfunkchor Köln. Auf Gastspielen arbeitete das Ballett am Rhein u.a. mit dem Royal Scottish National Orchestra, dem Orchester des Stanislawski-Theaters Moskau, der Württembergischen Kammerphilharmonie und dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich zusammen. ——

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Rückblick / Ausblick / Neues

Preise & Nominierungen Kompanie des Jahres 2017

Förderpreis „Darstellende Kunst“

Erneut wurde das Ballett am Rhein 2017 zur „Kompanie des Jahres“ gekürt. Damit erhält das Ensemble von Martin Schläpfer und Remus Şucheană – nach 2013, 2014 und 2015 – bereits zum vierten Mal die renommierte Auszeichnung der Fachzeitschrift tanz, die in einer ausführlichen Umfrage von 42 internationalen Journalisten alljähr­ lich die Höhepunkte der Saison ermittelt. Viel Lob und weitere No­ minierungen gab es aber auch für Martin Schläpfer als „Choreograf des Jahres“, seine Petite Messe solennelle als „Aufführung des Jahres“ sowie für Marlúcia do Amaral, Marcos Menha und Chidozie Nzerem als „Tänzer/in des Jahres“. Dass das Ballett am Rhein „höchstes Ansehen genieße“, begründeten die Kritiker folgendermaßen: „Kompanie des Jahres“

MANUEL BRUG, BERLIN (DIE WELT): „Während in Paris und London, auch in New York, ästhetisch nichts vorangeht, feilt das Ballett am Rhein weiter an einem vielseitigen, wunderbaren Repertoire des 21. Jahrhunderts.“ NATALI COLETTE KURTH, MAINZ (SWR): „Eine einzigartige Kompanie mit einzigar­ tigem Repertoire und Martin Schläpfers Initiative, neue Musik für den Tanz erschaffen zu lassen.“ SANDRA LUZINA, BERLIN (DER TAGESSPIEGEL, ARTE JOURNAL): „Die Tänzer sind virtuos, musikalisch und sehr sinnlich.“ ELENA PHILIPP, BERLIN (NACHTKRITIK, TANZRAUMBERLIN): „Ballett am Rhein: wieder und immer noch die überzeugende Verbindung von klassischer Tech­ nik und zeitgenössischem Ausdruck – klar, präzise, elegant.“

Ann-Kathrin Adam in George Balanchines »Duo concertant« und Martin Schläpfers »verwundert seyn – zu sehn«.

Seit 1972 vergibt die Landeshauptstadt Düsseldorf Förderpreise in verschiedenen Bereichen der Künste und Wissenschaften, mit denen sie die Vielfalt und Lebendigkeit kultureller Angebote in der Stadt stützen, anregen und fördern möchte. Nachdem bereits 2012 Marlúcia do Amaral mit dem Förderpreis im Bereich Darstellende Kunst aus­ gezeichnet wurde, erhält mit Ann-Kathrin Adam nun eine weitere Tänzerin des Balletts am Rhein die renommierte, mit 4.000 Euro dotierte Auszeichnung.

„Aufführung des Jahres“

MANUEL BRUG, BERLIN (DIE WELT): „Martin Schläpfers Petite Messe solennelle (…): so heiter wie nachdenklich, (schein-)heilig und profan wie Rossini und das italienische Dorfleben.“

„Choreograf des Jahres“

NICOLE STRECKER, KÖLN (WDR, DLF, KÖLNER STADTANZEIGER U.A.): „Martin Schläpfer für seinen Mut zu sperrigen Kompositionen und sein untrügliches Gespür für Perfektion bei der Neueinstudierung eigener Werke.“ BETTINA TROUWBORST, KREFELD (WESTDEUTSCHE ZEITUNG): „Martin Schläpfer für sei­ nen Choreografen-Eigensinn: radikal religionskritisch in seiner Petite Messe solennelle, theatral in Konzert für Orchester, spielerisch in Obelisco.“

Als Martin Schläpfer das Ballett am Rhein 2009 als Direktor über­ nahm, hat er sogleich das außergewöhnliche künstlerische und tanz­ technische Potential der an der Stuttgarter John Cranko-Schule ausgebildeten Tänzerin erkannt und seither intensiv und kontinuier­ lich mit ihr gearbeitet. In vielen seiner Werke kreierte er Hauptrollen für Ann-Kathrin Adam, die aber auch in zentralen Rollen anderer Choreographen – darunter zuletzt in Balanchines Duo Concertant, Ashtons Symphonic Variations, die Mad Ballerina in Robbins’ The Concert sowie in Werken von Hans van Manen, William Forsythe, Merce Cunningham oder Nils Christe – ihre künstlerische Bandbreite zeigen konnte.  ———

„Tänzer/in des Jahres“

BETTINA TROUWBORST, KREFELD (WESTDEUTSCHE ZEITUNG): „Marlúcia do Amaral als lockendes Weib in Martin Schläpfers Petite Messe solennelle und für ihr charismatisches Solo in seinem Obelisco.“ LILO WEBER, LANDSCHLACHT, BERLIN (NEUE ZÜRCHER ZEITUNG): „Chidozie Nzerem vom Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg.“ DORION WEICKMANN, BERLIN (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, TANZ): „Marcos Menha in Mar­ tin Schläpfers Petite Messe solennelle.“

Die Preisverleihung findet am 12. Dezember 2017 statt.

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Rückblick / Ausblick / Neues

Choreografin des Jahres Für die Tanzjournalistin Marieluise Jeitschko war die Nachwuchsförderung im Bereich Tanz ein wichtiges Thema der vergangenen Spiel­ zeit. Aus den vielen Programmen junger Choreographinnen und Choreographen, die sie gegen Ende der Saison besucht hatte, stach ihr Wun Sze Chans Tanzstück No Destination besonders ins Auge, so dass sie in der Spielzeit-Umfrage von tanznetz.de die Ballett am Rhein-Tänzerin zur „Choreografin des Jahres“ kürte. No Destination war Wun Sze Chans zweite eigene Choreographie, entstanden für die Plattform YOUNG MOVES 2017 des Balletts am Rhein.  ———

Red Dot Award Communication Design 2017 Das Magazin des Balletts am Rhein wurde auch 2017 wieder mit dem renommierten Red Dot Award in der Kategorie „Communication Design“ ausgezeichnet. Aus den mehr als 8.000 Einreichungen aus insgesamt 50 Ländern bestand die im vergangenen Oktober erschie-

nene Ausgabe b – No 7 des in der deutschen Publikationslandschaft einmaligen Ballettmagazins erneut das mehrtägige, strenge Evaluierungsverfahren für gutes Design und Kreativität durch eine inter­ nationale Fachjury.  ———

Schläpfer-Ballette im Fernsehen

Mit seiner abendfüllenden Petite Messe solennelle ist es Martin Schläpfer erneut gelungen, das Fernsehen für seine Tanzkunst und das Ballett am Rhein zu gewinnen. Am 22. Juli 2017 übertrug der Sender 3sat im Rahmen des Festspielsommers 2017 seinen Mitschnitt von Martin Schläpfers jüngster Tanzkreation zu Gioacchino Rossinis Petite Messe solennelle, die Anfang Juni im Opernhaus Düsseldorf ihre Uraufführung erlebte. Regie für die Fernsehfassung führte der renommierte und vielfach theatererfahrene Peter Schönhofer, der u. a. den Bayerischen Fernsehpreis für die Fernsehregie von Peter Steins Faust I sowie den Deutschen Kamerapreis für die Aufzeichnung der Oper Mitridate von den Salzburger Festspielen erhielt und zweifach für den Grimme-Preis für Fernsehregie nominiert wurde. Im Auftrag von ZDF/3sat hat Peter Schönhofer nun eine Petite Messe solennelle-

Verfilmung geschaffen, die aus den wechselnden Perspektiven der acht beteiligten Kameras faszinierende Einblicke in Martin Schläpfers Tanz­ kunst und die künstlerische Expressivität der Tänzerinnen und Tänzer des Balletts am Rhein gibt. Eine weitere Fernsehaufzeichnung folgt im Sommer 2018: Annette von Wangenheim, Regisseurin des auch auf DVD vorliegenden Martin Schläpfer-Porträts Feuer bewahren – nicht Asche anbeten sowie eines Mitschnitts von Martin Schläpfers Ballett DEEP FIELD, der auf arte concert gezeigt wurde, konnte für eine Aufzeichnung von Martin Schläpfers Uraufführung Schwanensee durch die Sender arte/WDR gewonnen werden.  ———

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Rückblick / Ausblick / Neues

Zum Lesen und Anschauen

Ballett am Rhein — Kalender 2018 Seit 2013 gibt der renommierte DuMontKalenderverlag jährlich einen hochwertigen Fotokunst-Kalender mit 12 großformatigen Szenenbildern (44,5 x 48,0 cm) des Balletts am Rhein heraus. Choreographien von Mar­ tin Schläpfer, getanzt von unserer Compag­ nie, fotografiert von Gert Weigelt. Der Kalen­ der 2018 ist für 27,00 € erhältlich in unseren Opernshops sowie im Buchhandel. ———

Marco Goecke — Dark Matter Ein elegant aufgemachtes Buch, das anhand 18 ausgewählter Choreographien Einblicke in Marco Goeckes Schaffen gibt. Zahlreiche Farbfotografien und Werkkommentare werden ergänzt durch Texte von Sibylle Berg und Angela Reinhardt. Nadja Kadel (Hrsg.): Dark Matter. 18 ausgewählte Choreographien von Marco Goecke. 2003–2015. Dt. / Engl. Königshausen & Neumann 2016, 128 Seiten, 28,00 € ———

Feuer bewahren – nicht Asche anbeten Der Choreograf Martin Schläpfer Annette von Wangenheims für den Prix Italia nominiertes Porträt über den Choreo­ grafen Martin Schläpfer auf DVD! In deut­ scher Sprache, optional mit englischen Untertiteln und exklusivem Bonusmaterial. Empfohlener Verkaufspreis: 17,90 €. ———

Ausstellung im Deutschen Tanzarchiv Köln Berliner Secession & Russisches Ballett: Ernst Oppler

Ernst Oppler stammte aus einem kultivierten, bürgerlichen jüdischen Elternhaus in Hannover. Sein Vater hatte als Architekt u. a. die dortige, in der „Reichskristallnacht“ zerstörte Synagoge ge­ baut. Sein Nachruhm erfuhr im Dritten Reich großen Schaden, seine vom Jüdischen Museum Berlin angekauften Werke wurden bei der erzwungenen Schließung beschlagnahmt und sind heute zum Teil verschollen.

Anlässlich des 150. Geburtstags des „Tanzmalers“ Ernst Oppler (1867– 1929) zeigt das Deutsche Tanzarchiv Köln bis zum 28. Januar 2018 erstmals eine umfassende Retrospektive aus seinem bedeutenden Nachlassbestand. Berührungspunkte ergeben sich dabei auch mit dem aktuellen Spielplan des Balletts am Rhein, setzte sich Ernst Oppler – wie der Choreograph Marco Goecke – auch intensiv mit den Werken der russischen Tanzavantgarde der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts auseinander, darunter Mikhail Fokins 1911 in Monte Carlo uraufgeführtes Le Spectre de la Rose (rechte Abbildung), beschäftigte sich in seinen Bildern u. a. aber auch mit Schwanensee.

Weitere Informationen zur Ausstellung und dem vielseitigen Rahmenprogramm: www.der-tanzmaler.de  ———

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Unsere Initiative:

Kundennähe und Spezialkompetenz. Als Spitzeninstitut für die rund 1.000 Genossenschaftsbanken in Deutschland fungiert die DZ BANK als Impulsgeber für die gesamte Genossenschaftliche FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken. Zusammen verbinden wir regionale Kundennähe mit globaler Finanzmarktexpertise und bieten ein flächendeckendes Allfinanzangebot, sehr hohe Bonität und individuelle Lösungen für den Mittelstand. Alles rund um unsere Produkte erfahren Sie unter dzbank.de


Impressum Künstlerisches Team 2017/18 Chefchoreograph und Künstlerischer Direktor

Martin Schläpfer Ballettdirektor

Remus Şucheană

Persönliche Referentin der Ballettdirektion

Licht

Avi Yona Bueno (Bambi), Stefan Bolliger, Kévin Briard, Joop Caboort, Thomas Diek, Udo Haberland, Jan Hofstra, Hermann Markard, Franz-Xaver Schaffer, Jennifer Tipton, Volker Weinhart Tänzerinnen

Nadja Kadel

Ann-Kathrin Adam, Marlúcia do Amaral, Camille Andriot, Doris Becker, Wun Sze Chan, Mariana Dias, Feline van Dijken, Sonia Dvořák, Nathalie Guth, Alexandra Inculet, Kailey Kaba, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Helen Clare Kinney, Aleksandra Liashenko, Norma Magalhães, Anne Marchand, Cassie Martín, Asuka Morgenstern, Claudine Schoch, Elisa­ beta Stanculescu, Julie Thirault, Irene Vaqueiro, Virginia Segarra Vidal

Barbara Stute

Tänzer

Elisabeth Beckmann Betriebsdirektor

Oliver Königsfeld

Leitende Dramaturgin

Anne do Paço

Dramaturgie und Produktion

Caecilia Brenninkmeyer / Alban Pinet Gastdramaturgin

Technische Koordination Sekretariat

Sabine Chaumet, Sabine Dollnik FSJ-Kultur

Chiara Tillmanns Fotograf

Gert Weigelt Ballettmeister

Kerstin Feig, Callum Hastie, Antoinette Laurent, Uwe Schröter Gasttrainingsleiter

Johnny Eliasen, Young Soon Hue, Monique Janotta, Sighilt Pahl, Louisa Rachedi, Christiana Stefanou

Rashaen Arts, Brice Asnar, Yoav Bosidan, Rubén Cabaleiro Campo, Odsuren Dagva, Michael Foster, Filipe Frederico, Philip Handschin, Vincent Hoffman, Sonny Locsin, Pedro Maricato, Marcos Menha, Tomoaki Nakanome, Bruno Narnhammer, Chidozie Nzerem, Friedrich Pohl, Boris Randzio, Alexandre Simões, Arthur Stashak, Daniel Vizcayo, Eric White Dirigenten

Wen-Pin Chien, Axel Kober, Gerhard Michalski Gesangs- und Instrumentalsolisten

Maria Calegari, Bart Cook, Iyar Elezra, Ben Huys, Giovanni Di Palma, Fabio Palombo, Iris Reyes, Claudio Schellino, Joysanne Sidi­ mus, Remus Şucheană, Mea Venema, Jeanette Vondersaar

Alina Bercu (Klavier), Eduardo Boechat (Klavier), Marc Bouchkov (Violine), Patrick Francis Chestnut (Harmonium), Fabian Clasen (Schlagzeug), Ville Enckelmann (Klavier), Morenike Fadayomi (Sopran), Sarah Ferede (Sopran), Franziska Früh (Violine), Christian Grifa (Klavier), Paul Hübner (Trompeten, Alphorn, Euphonium), Stefan Hussong (Akkordeon), Torben Jürgens (Bass), Naoko Kikuchi (Koto), DooMin Kim (Violoncello), Katarzyna Kuncio (Alt), Angelika Luz (Sopran), Susan Maclean (Alt), Jochen Mauderer (Klarinette), Matan Porat (Klavier), Ovidiu Purcel (Tenor), Dagmar Thelen (Klavier), Nikolaus Trieb (Violoncello), Corby Welch (Tenor), Wolfgang Wiechert (Klavier)

Bühnen- und Kostümbildner

Chor

Repetitoren

Eduardo Boechat, Christian Grifa, Hiroko Ishigame Choreographen

George Balanchine, Feline van Dijken, Sonia Dvořák, Marco Goecke, Kurt Jooss, Hans van Manen, Ohad Naharin, Ben J. Riepe, Jerome Robbins, Martin Schläpfer, Virginia Segarra Vidal, Remus Şucheană, Eric White Choreographische Einstudierung

Marcus Spyros Bertermann, Keso Dekker, Florian Etti, Marco Goecke, Hein Heckroth, Rakefet Levy, Darko Petrovic, Irene Sharaff, Bernd Skodzig, Michaela Springer, Saul Stein­ berg, Rouben Ter-Arutunian, Thomas Ziegler

Ballettschule des Balletts am Rhein Direktion

Remus Şucheană Pädagogen

Young Soon Hue, Carlos Sampaio, Remus Şucheană, Eva Zamazalová Repetitoren

Eduardo Boechat, Hiroko Ishigame, Yuko Moriya, Igor Tetelbaum Spielzeit 2017/18 Herausgeber

Deutsche Oper am Rhein Theatergemeinschaft Düsseldorf Duisburg gGmbH Generalintendant

Prof. Christoph Meyer

Geschäftsführende Direktorin

Alexandra Stampler-Brown Chefchoreograph und Künstlerischer Direktor

Martin Schläpfer Ballettdirektor

Remus Şucheană Redaktion

Caecilia Brenninkmeyer, Anne do Paço (verantwortlich) Mitarbeit

Elisabeth Beckmann, Daniela Matys, Alban Pinet Anzeigenbetreuung

Stefani Schmoll

Corporate Design und Gestaltung

Markwald Neusitzer Identity www.mnidentity.de Lithographie und Druck

Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KG Redaktionsschluss

2. Oktober 2017 — Änderungen vorbehalten! Die Fotos auf den Seiten 13 bis 17 und 56/57 entnahmen wir pixabay.com. Ohad Naharin (Seite 73): batsheva.co.il, Deutsch von Caeci­ lia Brenninkmeyer. Alle übrigen Texte sind Originalbeiträge für dieses Magazin. Nach­ druck nur nach vorheriger Einwilligung. Alle Rechte vorbehalten.

Chor der Deutschen Oper am Rhein Orchester

Düsseldorfer Symphoniker Duisburger Philharmoniker

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Kulturpartner Umschlag: Petite Messe solennelle – Martin Schläpfer Außen: Mariana Dias / Innen: Alexandre Simões, Rubén Cabaleiro Campo, Christine Jaroszewski und Marcos Menha



ballettamrhein.de

Sponsor Deutsche Oper am Rhein & Ballett am Rhein


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