2/2011 Das Magazin der Deutschen Umwelthilfe und des Global Nature Fund
welt
Unerwartete Vielfalt im Lebensraum Stadt 100 Prozent Ökostrom ist möglich Mangroven – ein Naturschatz am Pulicat-See
Der Luchs kehrt in dichte Wälder zurück welt 2/2011
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schwecke.mueller
Felicidad Gonzales, eine der Bäuerinnen der Kleinbauernkooperative ANAPQUI: „Es ist erfreulich, wie sich der QuinoaAnbau in den letzten Jahren entwickelt hat. Das haben wir vor allem dem Bio-Anbau und dem Fairen Handel zu verdanken. Viele Familien sind aufgrund dieser guten Perspektiven wieder hierher zurückgekommen.“
Bio-Pionier seit 1974
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Wir machen Bio aus Liebe.
Auf ein Wort
Prof. Dr. Harald Kächele Bundesvorsitzender Deutsche Umwelthilfe e.V.
Liebe Leserin, lieber Leser, im Sommer des Atomausstiegs gehen die Meinungen auseinander. Kann man dem von Bundesregierung und Parlament beschlossenen Ausstiegsfahrplan zustimmen oder nicht? So ist es auch unter den Umweltverbänden. Natürlich geht es schneller als bis zum Jahr 2022, aber soll man deshalb die Chance zum gesellschaftlichen Konsens verwerfen? Argumente Pro und Contra finden Sie auf den Seiten 26 und 27. Viel zu wenig Engagement investiert die Bundesregierung in das notwendige Gegenstück zum Atomausstieg. Der Umstieg in eine Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien wird bei dem bescheidenen Ehrgeiz der schwarz-gelben Koalition wohl nicht weit kommen. Doch die große Transformation ist möglich. Lesen Sie mehr dazu auf Seite 18. Noch viel zu wenig ist bekannt, wie hoch die Artenvielfalt in unseren Städten und Gemeinden ist. Die DUH widmet sich seit einer Reihe von Jahren diesem Thema, sie gibt Anregungen und liefert Anreize, damit Städte und Gemeinden dieses Potenzial erkennen, pflegen und ausbauen. Und sie hat damit Erfolg. Fast 900 Projekte, die Städte und Gemeinden bei der DUH eingereicht haben, hatten wir im deutschlandweiten Wettbewerb „Bundeshauptstadt der Biodiversität“ individuell zu bewerten. Ab Seite 12 stellen wir die Gewinner vor. Die DUHwelt zeigt sich in einem erneuerten Gewand. Mit gutem Grund. Denn Deutsche Umwelthilfe und Global Nature Fund entwickeln sich weiter. Neue Herausforderungen, neue Themen, neue Projekte stellen höhere und vielfältigere Anforderungen an die gemeinsame Zeitschrift. Wir haben daher das Heft klarer strukturiert und eine angemessene Form für die ständig wachsende Themenfülle entwickelt, ohne den Umfang des Hefts erweitern zu müssen. Auch die Titelseite hat ein zeitgemäßeres Gesicht bekommen. Wir hoffen, dass es Ihnen gefällt und freuen uns auf Ihre Kommentare zur neuen DUHwelt. Ihr
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Inhalt Stadt der Zukunft?
schauplatz
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Weißstorch-Szenen, fotografiert von Otto Hahn
aktuell
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Musterländle beim Klima- und Naturschutz?
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UNEP bestätigt Klimawirkung von Dieselruß
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Impressum
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GNF-Präsidentin erneut ausgezeichnet
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DUH-Markt
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otholz im Stadtwald, seltene Orchideen, naturnahe Bäche und Flüsse, dazu noch begrünte Wohngebiete und ein Schulbiologiezentrum. Das alles und noch mehr geht, und zwar in der Bundeshauptstadt der Biodiversität 2011. Die DUH hat Nischen für Natur in deutschen Städten aufgespürt.
10 Solaranlage für die „Bundeshauptstadt im Klimaschutz 2010“ geht ans Netz 10 Sparpläne für Wasserstraßen helfen dem Naturschutz an Flüssen
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11 Europäischer Gerichtshof stärkt Rechte von Umweltverbänden
11 Klimafreundlich Campen in Mecklenburg-Vorpommern
Hört der Klimaschutz bei Politikerlimousinen auf?
Ministerpräsident Volker Bouffier liegt auf Platz H essens eins. Leider unrühmlich, denn es geht um den Spritver-
11 Althandy-Rückgabe leicht gemacht
Der Verein Ecocamping zeichnete einen Campingplatz aus.
themen
brauch seines Dienstwagens. Die DUH stellt regelmäßig ein entsprechendes Ranking der Spitzenpolitiker auf. Manche reagieren genervt.
12 Blaugrünes Labkraut und Wasserbüffel
Biodiversität in der Stadt
13 Ein Blick hinter die Kulissen: So werden die Besten ermittelt 16 Lernende Stadt
Interview mit Professor Gerhard de Haan
18 Die große Transformation: 100 Prozent grüner Strom für Deutschland ist möglich 20 Fischer, Mangroven und Meeresschildkröten
Reise in ein GNF-Projektgebiet in Indien
magazin
n Verkehr
22 Schaufahren gegen den Klimaschutz geht weiter
DUH fragt nach dem Spritverbrauch von Politiker-Dienstwagen
23 Vorrang für Spritsparer
22 DUH stoppt Biotec landen Arsen, Blei und Cadmium? Selbstverständlich W owerden solche hoch giftigen Stoffe unter strenger behördlicher Aufsicht auf sichere Deponien gebracht, denkt man. Der Weg von Giftmüll über die sächsische Firma Biotec hat wenig mit dem Wort Ent-Sorgung zu tun. Vielmehr mit besorgniserregend.
n kreislaufwirtschaft und mehrwegschutz
24 Giftmüllskandal in Sachsen aufgedeckt 25 Mehrweg braucht Schutz
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Mehrweggetränkesysteme schonen die Umwelt
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Inhalt
n energie
26 Energiewende: Zukunft statt Renaissance 27 Bioenergie: Die schwierigste Erneuerbare 28 EcoIT: Energieeffizienz im Großkrankenhaus Charité
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Eine Umstellung der EDV spart Strom und Kosten.
29 Solarstrom-Erzeugung erreicht Rekord n naturschutz
Energiewende: Zukunft statt Renaissance?
Fahrplan für den Abschied von der Atomenergie M erkels erhielt im Parlament breite Zustimmung und nimmt
30 Waldklimaprojekte helfen Klima, Mensch und Natur
Gestalt an. Wird jetzt alles gut?
32 Schlussverkauf im deutschen Wald?
Der Holzverbrauch Deutschlands steigt stetig.
33 Die Wunder des Auwald-Dschungels 34 Lebendige Wälder bewahren Vielfalt 35 1.000 Bäume für den Auwald 35 Leserbrief 36 Die Werra ist kein Abwasserkanal!
Salzfracht aus der Kaliindustrie belastet den Fluss
38 Futter für die Bienen 39 Plauer See ist erster Lebendiger See des Jahres 39 Artenschutz: Störche und Wölfe 40 Neue Living Lakes-Perle in der Mongolei
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40 Das Okavango-Delta braucht Schutz
Das Delta ist ein Naturschatz von weltweiter Bedeutung.
41 Ein Schutzzaun hilft Menschen und Elefanten 42 Früher war mehr Fisch: Zurück in die Zukunft
Waldklimaprojekte brauchen Qualitätsstandards speichern CO und schützen so das Klima. Dieser B äume einfachen Formel folgen Unternehmen und Privatleute, 2
wenn sie Emissionen kompensieren möchten. Doch Baum ist nicht gleich Baum.
Naturschützer appellieren an die Politik.
n umwelt Erleben
43 Die Biodiversitätspolitik entdeckt die Jugend 43 Wissensquiz über nachhaltige Ernährung: Wer is(s)t fair?
„Unbekannte“ Tierart
44 Die Rückkehr des heimlichen Jägers
Luchse brauchen dichte und große Wälder
duh intern
46 Schlaglichter auf die DUH des Jahres 2011
Ein Gespräch mit Professor Dr. Harald Kächele
menschen für natur
42 Das wollen wir wieder haben
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och vor hundert Jahren war er ein stattlicher Kerl. Später dann der Star unter den Fischstäbchen. Heute kommt der Kabeljau traurig daher. Hilfe für ihn und viele andere Fische ist (noch) nicht in Sicht.
47 Ein Leben hinterlässt Spuren
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SCHAUPLATZ
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SCHAUPLATZ
n Otto Hahn ist Naturfotograf und bereichert mit seinen Fotos schon seit vielen Jahren die DUHwelt. Die Weißstorchbilder auf dieser Doppelseite sind in seiner Heimat auf der Schwäbischen Alb und während einer Spanienreise entstanden. Eines der Fotos zeigt zwei kopulierende Störche über einem toten Artgenossen, dem Opfer eines Nestkampfes. Otto Hahn nennt es „das makaberste Tierfoto meines Lebens“.
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AKTUELL Ambitioniert
Musterländle beim Klima- und Naturschutz? und der Staatswald FSC-zertifiziert werden. Auen will GrünRot wirksamer vor Bebauung schützen und beim Hochwasserschutz vorrangig ökologisch verträgliche Lösungen finden.
n Die neue Grün-Rote Landesregierung in Baden-Württemberg hat in ihrem Koalitionsvertrag die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes mit verbindlichen Zielen fixiert, „auf dessen Grundlage ein umfassendes integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept entwickelt“ werden soll.
Nach Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz folgt damit ein drittes Bundesland dem DUH-Vorschlag für ein Klimaschutzgesetz. Darüber hinaus will die Regierung neben den bereits im Bau befindlichen Anlagen „keine weiteren Kohlekraftwerke in Baden-Württemberg“. Jenseits des Koalitionsstreitpunktes Stuttgart 21, bei dem die Partner sich nur in Verfahrensfragen einigen konnten, weist der Koalitionsvertrag zahlreiche Initiativen auf, mit denen Grün-Rot Baden-Württemberg auf ÖkoKurs bringen will. Als langfristiges Ziel nennen die Partner die Netto-Null beim Flächenverbrauch. Und die neue Landesregierung verspricht „angemessene personelle und finanzielle Ressourcen im Naturschutz“. Eine landesweite Konzeption für großflächigen Naturschutz soll entstehen und in diesem Zuge ein Nationalpark eingerichtet werden. Zehn Prozent der öffentlichen Wälder sollen aus der Nutzung genommen
Von links: Die Wahlsieger Winfried Kretschmann (Die Grünen) und SPD-Landeschef Nils Schmid stellten im Mai den Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit vor.
Außerdem muss die Landesverwaltung Vorbildcharakter bei der Umsetzung nachhaltiger Mobilität haben, so steht es im Koalitionsvertrag. Beschaffungsvorgaben für den Fuhrpark will Grün-Rot nicht nur unter ökonomischen, sondern auch unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten angehen. (mf, jk) o
Doppelt schädlich
UNEP bestätigt Klimawirkung von Dieselruß n Umwelt- und Verkehrsexperten von BUND, DUH, NABU und VCD sehen sich durch die Ergebnisse der umfangreichen wissenschaftlichen Studie für das UN-Umweltprogramm (UNEP) und die World Meteorological Organization bestätigt.
Nach Aussage dieser Veröffentlichung vom 14. Juni 2011 sind feinste Rußpartikel aus Dieselmotoren nicht nur für schwere Gesundheitsschäden von Menschen insbesondere in den Ballungszentren verantwortlich, sondern sie verstärken auch deutlich die Klimaerwärmung. Eine wesentliche Erkenntnis der Studie lautet:
Die globale Temperaturerhöhung könnte um rund 0,5 Grad Celsius im Jahr 2050 reduziert werden, wenn die Vermeidung kurzlebiger klimaschädlicher Emissionen wie Rußpartikel, aber auch Methan und Ozon, parallel zur Kohlendioxid-Reduzierung umgesetzt würde. Dabei verspricht die Reduzierung der Rußemissionen eine doppelte Dividende: Das Leiden und der vorzeitige Tod von jährlich bis zu 4,5 Millionen Menschen weltweit könnten verhindert werden, wenn der gesundheitsgefährdende Feinstaub eingedämmt würde. Zudem könnten die arktische
Eisschmelze und die durch sie ausgelöste zusätzliche Erwärmung erheblich vermindert werden. Die UNEP-Studie empfiehlt neun Maßnahmen zur Rußreduzierung, darunter die Ausstattung aller Dieselfahrzeuge und Baumaschinen mit Partikelfiltern. Die oben genannten Verbände haben es bereits seit 2002 als dringliches Ziel formuliert, Rußemissionen aus Dieselmotoren von Pkw, Lkw, Lokomotiven, Baumaschinen und der Schifffahrt vollständig zu stoppen. Die viel diskutierten Umweltzonen spielen dabei eine entscheidende Rolle. (ds) o
IMPRESSUM Zeitschrift für Mitglieder und Förderer der Deutschen Umwelthilfe e.V. und des Global Nature Fund ■ Herausgeber: Deutsche Umwelthilfe e.V., Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell, Tel.: 07732 9995-0, Fax: 07732 999577, www.duh.de, E-Mail: info@duh.de ■ V.i.S.d.P.: Rainer Baake, Jürgen Resch ■ Redaktion: Michael Hadamczik (mha), Jutta Kochendörfer (jk), Melanie Fessler (mf), Christine Göcke (cg) ■ Autoren: Annette Bernauer (ab), Erika Blank (eb), Uschi Ehinger (ue), Gabi Fiedler (gf), Oliver Finus (of), Thomas Fischer (tf), Udo Gattenlöhner (ug), Rotraud Hänlein (rh), Tobias Hartmann (th), Steffen Holzmann (sh), Silvia Jablonski (sj), Franziska Müller (fm), Amrei Münster (am), Cornelia Niklas (cn), Gerd Rosenkranz (gr), Agnes Sauter (as), Dorothee Saar (ds), Ulrich Stöcker (us), Patrick Trötschler (pt), Jürgen Quentin (jq), Thomas Wey, Silke Wissel (sw), Nina Wolff (nw), Albert Wotke (aw) ■ Gestaltung: Claudia Kunitzsch ■ Druck: Wachter GmbH & Co. KG, Bönnigheim ■ Anzeigen: Michael Hadamczik; es gilt die Anzeigenpreisliste 2011 ■ Verlag und Vetrieb: DUH Umweltschutz-Service GmbH, Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell ■ Gedruckt auf 100 % Recycling-Papier ■ Heftpreis: 1,50 Euro
■ Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00) 8 190 002
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DUHmarkt
Erfolgreich
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GNF-Präsidentin erneut ausgezeichnet n Für ihr Engagement im internationalen Seennetzwerk Living Lakes erhielt Marion Hammerl den von der französischen Umweltstiftung Yves Rocher vergebenen „Spezialpreis Internationale Presse Trophée de femmes 2011“. Die Preisverleihung fand am 8. März, dem Weltfrauentag, in Paris statt. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wurde von Marion Hammerl für die Projektarbeit des Global Nature Fund gespendet.
Dies ist bereits die dritte Auszeichnung, die die GNF-Präsidentin für ihre ehrenamtliche Arbeit im Living Lakes Netzwerk von der Yves Rocher Stiftung erhält. Die umtriebige Umweltmanagerin schmiedet Allianzen mit Naturschutzorganisationen und scheut keine Mühen, um sich vor Ort über Umweltprobleme zu informieren oder im persönlichen Kontakt mit verantwortlichen Regierungen für den Schutz der Natur zu streiten. Marion Hammerl engagiert sich seit mehr als zwanzig Jahren erfolgreich für den Umwelt- und Naturschutz. Seit 2002 ist sie Präsidentin des Global Nature Fund. (ue) o
Faszinierender Bildband: Pantanal – Das Herz Südamerikas Angelika Hofer & Günter Ziesler Tecklenborg Verlag; 140 Seiten; 136 Bilder, gebunden, Format: 30 x 24 cm, 38,50 zzgl. E 4,10 Versandkosten Bestell-Nr: 2068
Vientiane – Singapur Per Rikscha durch Südostasien
Thomas Bauer Spannende und unterhaltsame Beschreibung einer außergewöhnlichen Reise Schardt Verlag, broschiert, 154 Seiten, 2010 E 12,80 3,50 Versandkosten Bestell-Nr: 2076
Süßwassertiere
Ein ökologisches Bestimmungsbuch Helmut Schwab, Klett Verlag, 1995, 320 Seiten, zahlr. Farbfotos, 22,50 zzgl. 3,50 Versandkosten Bestell-Nr: 2207
Naturreiseführer aus dem Naturerbe Verlag Jürgen Resch:
Informationsblätter: Die sechsseitigen Informationsblätter behandeln die wichtigsten Themen des Natur- und Umweltschutzes. Stückpreis 0,50 Euro, bei größeren Abnahmemengen Rabatt auf Anfrage. ● Energiesparlampen ● Treibhaus
Erde Geburt des Plopp (4-seitig) ● Amphibien ● Erfolge und Defizite im Vogelschutz ● Biber ● Hornissen ● Spinnen ● Libellen ● Rettet die Wale ● Soziale Faltenwespen ● Kleinwale in Nord- und Ostsee ● Grundwasser ● Aktion Biberschutz ● Lebendige Elbe ● Energie aus lebendigen Wäldern ● Lebendige Werra ● Lebendige Donau ● Lebendige Weser ● Die
Ich bestelle folgende Artikel: Bestell-Nr.
Okavangodelta, Naturparadies im Süden Afrikas Wolfgang Engelhardt, 128 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, 2005 12,00 Bestell-Nr: 2040
Stückzahl
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Absender: Name Straße
Ein Jahr in der Natur Marion Hammerl setzt sich auf internationaler Ebene für den Seenschutz ein.
CD Musikverlag Edition Ample, Pavel Pelz, Ein akustischer Spaziergang in der Natur von Januar bis Dezember, 9,90 Bestell-Nr: 4052
PLZ, Ort
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Datum/Unterschrift DUH Umweltschutz-Service GmbH Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell, Fax 07732 9995-77
AKTUELL Treibende Kraft
Richtungsweisend
Prozesserfolg in Sachen Kormoran n Der Verwaltungsgerichts-
Von links: Gerhard Stryi-Hipp (Fraunhofer-ISE), Stephan Hansen (Geschäftsführer First Solar Deutschland), Rainer Baake (Bundesgeschäftsführer DUH), Gerda Stuchlik (Umweltbürgermeisterin), Dr. Dieter Salomon (Oberbürgermeister der Stadt Freiburg), Walter Außenhofer (Umweltamt der Stadt Freiburg).
hof Baden-Württemberg hat im Berufungsverfahren des NABU gegen das Land ein richtungsweisendes, abschließendes Urteil zum Schutz des Kormorans erlassen. In ihrem Urteil vom 16. März 2011 erklärten die Richter die naturschutzrechtliche Befreiung durch das Regierungspräsidium Freiburg vom April 2008 für rechtswidrig. Sie hatte es ermöglicht, im Naturschutzgebiet Radolfzeller Aachried
Solaranlage geht ans Netz n Freiburg im Breisgau, Sie-
gerin im DUH-Wettbewerb „Bundeshauptstadt im Klimaschutz 2010“, hat den von der First Solar GmbH gestifteten Hauptpreis offiziell in Betrieb genommen: Die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Bürgerhauses am Seepark ist am 31. Mai 2011 ans Netz gegangen. Im Beisein des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon sowie von First Solar Geschäftsführer Stephan Hansen und DUH Bundesgeschäftsführer Rainer Baake produzierte die aus 405 Dünn-
schichtzellen bestehende Anlage mit einer Leistung von 30 kWp (Kilowatt peak) ihren ersten Strom. In seiner Ansprache betonte Baake die Bedeutung der Kommunen für die Erfüllung weitreichender Klimaschutzziele: „Gerade vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan ist es wichtig, dass deutsche Kommunen die Energieversorgung wieder verstärkt in die eigene Hand nehmen und dabei konsequent auf Erneuerbare Energien setzen. Damit werden Kommunen zur treibenden Kraft der Energiewende.“(of) o
Beim Streit um Vergrämungsaktionen gegen Kormorane im Naturschutzgebiet Radolfzeller Aachried (unten) bestätigte der Verwaltungsgerichtshof die Argumentation des NABU.
in einer kalten Aprilnacht brütende Kormorane mittels Halogenscheinwerfern von ihren Nestern zu vertreiben, damit die Eier der Gelege auskühlen. Die Richter konstatierten, dass sämtliche Voraussetzungen für eine naturschutzrechtliche Befreiung nicht vorgelegen haben und gaben damit dem NABU in allen Punkten Recht. Das Gericht konnte keinen Ursachenzusammenhang zwischen Kormoran und fischereiwirtschaftlichen Schäden einerseits und Netz- und Fischschäden andererseits erkennen. Deshalb erklärte das Gericht die so genannte KaltEi-Aktion vom April 2008 für unverhältnismäßig. Darüber hinaus habe das Regierungspräsidium Freiburg gegen europäisches Naturschutzrecht verstoßen. Das Naturschutzgebiet Radolfzeller Aachried ist als Teil eines Europäischen Vogelschutzgebietes gemeldet. Auf eine Verträglichkeitsprüfung hätte nicht verzichtet werden dürfen. Der NABU Baden-Württemberg hatte zunächst mit Unterstützung der DUH beim Verwaltungsgericht Freiburg geklagt, die Klage war dort 2009 abgewiesen worden. (cn) o
Umsetzung erwünscht
Sparpläne für Wasserstraßen helfen dem Naturschutz an Flüssen n Das Bundesverkehrsministerium hat im Mai neue Kategorien und damit einhergehende Kürzungspläne für das Wasserwegenetz veröffentlicht. Demnach will der Bund künftig nur noch in die für die Berufsschifffahrt
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wichtigen Wasserstraßen investieren und definiert hierfür ein Kernnetz. Dem Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals und der Schleusen an Mosel und Neckar gibt der Bund in seinen Planungen Vorrang. Zahlreiche wenig befahrene
Binnenwasserstraßen sollen nur noch im Bestand erhalten oder sogar renaturiert werden. Werra und Fulda sollen zukünftig ausschließlich dem Wassertourismus dienen, in den östlichen Bundesländern zählt kein Fluss zum Kernnetz.
Demnach soll dort kein Ausbau für moderne große Schiffe mehr erfolgen, dies gilt auch für Elbe und Saale. Letztere soll künftig ebenso „Restwasserstraße“ werden wie die Leine südlich von Hannover. (jk)
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AKTUELL Durchbruch
Europäischer Gerichtshof stärkt Rechte von Umweltverbänden n Anerkannte Umweltverbände, wie die DUH, haben künftig deutlich mehr Möglichkeiten, gesetzeswidrige Industrieund Infrastrukturprojekte vor Gericht zu stoppen. In einem Grundsatzurteil vom 12. Mai 2011 gestand der Europäische Gerichtshof (EuGH) Verbänden das Recht zu, auch gegen die Verletzung von allgemeinen
Umweltschutzvorschriften zu klagen. Bislang können nach deutschem Recht nur solche Rechtsverletzungen geltend gemacht werden, die Einzelpersonen betreffen, zum Beispiel in ihrer Gesundheit oder in Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Die gerichtliche Kontrolle etwa von Gewässeroder Immissionsschutzregeln,
Gut beraten
Klimafreundlich Campen in Mecklenburg-Vorpommern hat den Ferienpark Seehof in der Nähe von Schwerin im Mai 2011 zum ersten „Klimafreundlichen Campingplatz“ Deutschlands gekürt.
Der Campingtourismus blüht in Mecklenburg-Vorpommern.
Die obersten Richter der EU betonten, dass die Mitgliedstaaten der betroffenen Öffentlichkeit einen „weiten Zugang zu Gerichten“ gewähren müssen. Umweltorganisationen dürfen danach auch stellvertretend für die Allgemeinheit klagen, wenn es etwa um erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt gehe. Hintergrund war die Klage des BUND Nordrhein-Westfalen
n Der Verein Ecocamping
Knuth Reuter, Betreiber des Ferienparks, hat hierfür die Gebäude und Technik seines Campingplatzes klimaschonend umgebaut. Zukünftig gewinnt er Warmwasser und Heizenergie aus den erneuerbaren Energien Sonne und Holz, bezieht zertifizierten Ökostrom, setzt auf Wärmeschutz und Tageslicht in Gebäuden und nutzt energieeffiziente Geräte. Die Lebensmittel für die Feriengäste bezieht Reuter überwiegend regional und bietet besondere Angebote für Radreisende an. Die Fachleute von Ecocamping – eine Initiative für nachhaltigen Campingtourismus in Europa und Partner der DUH – haben Knuth Reuter bei der Umsetzung seiner Klimaschutzpläne beraten. Nun erhofft sich der Ferienparkbetreiber einen wichtigen Pluspunkt bei umweltbewussten Campern.
die allein dem Schutz der Allgemeinheit dienen, war bislang nicht möglich. Diese deutsche Beschränkung verstößt gegen EU-Recht, wie der EuGH mit seinem Grundsatzurteil feststellte.
gegen das Steinkohlekraftwerk des Stadtwerke-Verbundes Trianel im westfälischen Lünen. Die Richter am Oberverwaltungsgericht Münster bezweifelten, ob der BUND überhaupt klagen dürfe und baten den EuGH um Klärung. Die Luxemburger Richter entschieden, dass Umweltverbände klagebefugt seien und trugen Deutschland zugleich auf, die Klagemöglichkeiten für Verbände auszuweiten. Diese können Großvorhaben wie in Lünen nunmehr einer weitreichenden gerichtlichen Überprüfung unterziehen. (jq)
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Hingehen
Sielmann Dialoge widmen sich dem Wald
Die Holzhackschnitzelheizanlage weckt Interesse bei den Gästen.
Mit knapp vier Millionen Übernachtungen war das Bundesland an der Ostsee im Jahr 2010 deutschlandweit die beliebteste Campingregion. Wo viele Touristen unterwegs sind, werden Ressourcen in hohem Maß beansprucht: Umweltund klimafreundliche Urlaubsangebote sind deshalb für die zahlreichen Besucher Mecklenburg-Vorpommerns gefragt. Die blühenden Rapsfelder und sanft geschwungenen Hügel in der Mecklenburger Seenlandschaft des nordöstlichsten Bundeslandes ziehen Reisende an – sicher nicht nur, weil Urlaub in Deutschland im Trend liegt. (cg)
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n Im Rahmen einer Dialogreihe zu Wald-Themen bringt die Heinz Sielmann Stiftung Forstwirtschaftler, Wissenschaftler und Praktiker aus dem Umweltschutz sowie prominente Gäste aus der Politik auf ein Podium. Sie beleuchten Schutz, Nutzung und Gefährdung des Waldes. Die Stiftung wendet sich mit ihren kostenlosen Veranstal-
tungen an die breite Öffentlichkeit. o 02. November 2011 Göttingen: Waldökosysteme im Wandel 17. November 2011 München: Nachhaltigkeit im Wald als Zukunftsmodell Informationen und Anmeldung: www.sielmann-dialoge.de
Anklicken
Althandy-Rückgabe leicht gemacht n Komfortabler geht es nicht:
Über das Internet können Sie ab sofort Ihr Althandy hochwertig recyceln lassen oder sogar verkaufen. DUH und Telekom bieten diesen Service an. Lassen auch Sie Ihr altes Handy von der Firma Wirkaufens auf dem neuen Portal schätzen.
Wahlweise können Sie den Erlös für Umweltprojekte spenden! o Internet: www.handysfuerdieumwelt.de
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themen
Blaugrünes Labkraut und Wasserbüffel: Städte sind
voller Leben
Der Siedlungsraum ist ein häufig unterschätzter Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Schon längst haben in Mitteleuropa die urbanen Räume in Sachen Artenreichtum viele ländliche Regionen eingeholt und teilweise sogar übertroffen. Hier finden Tiere wie Zauneidechsen, Ringelnattern und Wechselkröten eine Zuflucht, unzählige Pflanzenarten können überleben, die in der ausgeräumten, überdüngten Agrarlandschaft keinen Platz haben. Von der Vielfalt der Natur in der Stadt profitiert ganz besonders auch der Mensch.
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n Deutschland leben fast 90 Prozent der Bevölkerung in Städten und Ballungsräumen. Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ hat für 2012 das Jahresthema Stadt gewählt, um Fragen zur nachhaltigen Stadt der Zukunft zu beantworten. Auch die DUH stellt sich intensiv diesem Thema. In unserem Wettbwerb „Bundeshauptstadt der Biodiversität“ stellten Kommunen ihre Wege vor, um
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die Vielfalt der Natur auf ihrem Gebiet zu entwickeln. Bundesweit hat die DUH fast 900 Projekte aus 124 Städten und Gemeinden gesammelt und ausgewertet. Das Ergebnis ist erfreulich: Viele Kommunen nehmen ihre Verantwortung für den Naturschutz ernst, und zwar in Siedlungsund Gewerbegebieten ebenso wie auf ihren gemeindeeigenen Landwirtschaftsund Forstflächen. Städte mit einem ökologischen Grünflächenmanagement und
viel urbaner Natur tun nicht nur etwas für die biologische Vielfalt, zugleich verbessern sie auch die Lebensqualität ihrer Bürger, sie sorgen für frische Luft, schaffen neue Erfahrungs- und Erlebnisräume und Raum für Erholung, Spiel und Sport.
Hannover ist „Bundeshauptstadt der Biodiversität 2011“ Die Stadt Hannover betreibt seit Jahren eine erfolgreiche Naturschutzpolitik. Die
themen niedersächsische Landeshauptstadt räumt in ihrem umfassenden Biodiversitätsprogramm „Mehr Natur in der Stadt“ der biologischen Vielfalt Priorität im Stadtentwicklungsprozess ein. Sie hat dazu eine Reihe von Aktionsprogrammen aufgelegt, wie sie in diesem Umfang nur selten in einer einzelnen Kommune anzutreffen sind: Die Stadt ist dabei, ihre Fließgewässer weitestgehend naturnah umzugestalten. Wo immer es möglich ist, können sich Bäche und Flüsse ihren natürlichen Lauf suchen. Der städtische Forstbetrieb im Fachbereich Umwelt und Stadtgrün bewirtschaftet den Stadtwald nach FSC in zertifiziert nachhaltiger Weise. Außerdem gibt es ein sichtbar erfolgreiches Programm zur Totholz-Förderung, das unter anderem vorgibt, Bäume ab einem bestimmten Durchmesser der natürlichen Alterung zu überlassen.
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Auf den städtischen Grünflächen lösen immer häufiger naturnahe Bereiche die einfachen Rasenflächen ab. Ehemalige Standorte seltener Pflanzen wie Gewöhnlicher Andorn und Blaugrünes Labkraut hat der Fachbereich Umwelt und Stadtgrün erfolgreich reaktiviert. Die Stadt unterstützt ihre Bürger mit einem Innenhof- und Wohnumfeld-Programm fachkundig und finanziell bei der Begrünung ihrer Wohngebiete und prämiert die gelungensten Umgestaltungen sogar mit Geldpreisen. Darüber hinaus will Hannover die Menschen für die Natur begeistern. Mit >
2 In der „Bundeshauptstadt der Biodiversität 2011“ Hannover wurden Standorte für seltene Pflanzen wie das Blaugrüne Labkraut 1 oder das Fleischfarbene Knabenkraut 2 reaktiviert. Der Walderlebnisturm gehört zu den außergewöhnlichen Einrichtungen, mit denen die Stadt Hannover ihre Einwohner für die Natur begeistern will. 3
Ein Blick hinter die Kulissen: So werden die n Der Auszeichnungsfeier zur „Bundeshaupt-
stadt der Biodiversität“ gingen viele arbeitsintensive Monate voraus. Zunächst hatten Silke Wissel und ihre Kollegen einen Fragebogen entwickelt. Er sollte möglichst viele Bereiche des kommunalen Handelns berücksichtigen, welche die Biodiversität direkt oder indirekt beeinflussen. Eine projektbegleitende Arbeitsgruppe, bestehend aus Experten aus Wissenschaft, von Bundesbehörden, aus Kommunen und von der Stiftung „Lebendige Stadt“ hat die DUH bei der Erarbeitung des Fragebogens und der Ermittlung der Preisträger beraten.
Silke Wissel ist Projektmanagerin im Kommunalen Umweltschutz und verantwortlich für die Abwicklung des Wettbewerbs „Bundeshauptstadt der Biodiversität“.
Besten ermittelt
In ihrem Wettbewerb befragte die DUH die Kommunen zu „Natur in der Stadt“, „Umweltbildung und Umweltgerechtigkeit“, „Arten- und Biotopschutz“, „Nachhaltige Nutzung“ sowie „Konzeption, Kommunikation und Kooperation“. Der umfangreiche Fragebogen enthielt unter anderem Fragen zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Grünflächen, zum gezielten Schutz einzelner Tier- und Pflanzenarten, zur Integrierung von Biodiversitätszielen in die Stadtplanung und zur Öffentlichkeitsarbeit und > Umweltbildung.
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themen
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Kinderwald, Waldstation, Stadtteilbauernhof, Wald-Hochhaus und Schulbiologiezentrum sind außergewöhnliche Einrichtungen im Stadtgebiet verteilt. Geschulte Umweltpädagogen vermitteln hier Kindern und Jugendlichen spielerisch die Natur in ihrer Stadt und wie wichtig es ist, sie zu schützen. Im DUH-Wettbewerb konnte sich Hannover mit seinem Biodiversitätsprogramm deutlich gegen alle Mitbewerber durchsetzen und trägt nun den Titel „Bundeshauptstadt der Biodiversität 2011“.
Weitere Siegerkommunen In der Teilnehmerklasse 30.000 bis 100.000 Einwohner siegte Ravensburg. In der oberschwäbischen Landschaft in und rund um die Stadt ist die Streuobstwiese ein prägendes Element. Die Bürger nutzen rege das Angebot, Hochstämme günstig über die Stadt zu bestellen. In Privatgärten und auf Streuobstwiesen erhalten so die Stadt und ihre Bürger gemeinsam alte, regionale Obstbaumsorten. Schülerfirmen kümmern sich um die Pflege von städtischen Streuobstwiesen und die Vermarktung des Apfelsaftes.
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Bei den Kommunen von 10.000 bis 30.000 Einwohnern siegte die Gemeinde Ratekau an der Ostsee. Das zentrale Naturschutzprojekt dieser äußerst engagierten Gemeinde vor den Toren Lübecks ist die Sanierung und Renaturierung des 460 Hektar großen Hemmelsdorfer Sees. > Die Stadt Ravensburg und ihre Bürger kümmern sich besonders um die Erhaltung, Pflege und Neupflanzung von landschaftsprägenden Streuobstwiesen. 4 Als herausragendes Beispiel für aktive Schaffung von „Natur in der Stadt“ erhielt die Stadt Leipzig für das Naherholungsgebiet „Grüner Bogen“ im Wettbewerb einen Sonderpreis. 5 und Bild S. 12
Die Auswertung erfolgte mit einem festgelegten Bewertungsschlüssel. Positiv bewertet wurde nicht der Zustand von Biodiversität und Natur in einer Stadt, sondern die Aktivität der Kommunen. Je vielfältigere Maßnahmen eine Gemeinde durchführt, desto mehr Punkte konnte sie erringen. Zusätzlich konnten die Kommunen einzelne Biodiversitätsprojekte beschreiben. Jedes der fast 900 eingereichten Projekte wurde individuell bewertet. Um größtmögliche Objektivität zu gewährleisten, kamen hierbei wieder die Experten der projektbegleitenden Arbeitsgruppe zum Einsatz. Am 6. April 2011 war es dann soweit: Im Historischen Rathaus in Köln wurden die Kommunen ausgezeichnet, die aus dem strengen Bewertungsprozess als Sieger hervorgegangen waren. Unter Mitwirkung der Stiftung „Lebendige Stadt“ und des
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Schirmherrn Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen – vertreten durch die parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser – zeichnete die Deutsche Umwelthilfe die Stadt Hannover als „Bundeshauptstadt der Biodiversität 2011“ aus. Von der Stiftung „Lebendige Stadt“ erhielt Hannover dafür ein Preisgeld von 25.000 Euro. Die Sieger der Teilnehmerklassen und die Gewinner der Sonderpreise erhielten jeweils 5.000 Euro Preisgeld. Die besten drei Kommunen der Teilnehmerklassen tragen nun den Titel „Biodiversitätskommune 2011“. Förderer des Wettbewerbs:
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themen Die Gemeinde traf die mutige Entscheidung, im großen Stil Ufergebiete der natürlichen Überflutung zugänglich zu machen. Sie hat zudem Moore wieder vernässt und 13 Hektar Ackerland in artenreiche Blühflächen umgewandelt. Ratekau kann sich mit seinen Naturschutzmaßnahmen auch mit den ganz Großen messen: Es schaffte hinter Hannover einen herausragenden zweiten Platz in der Gesamtwertung des Wettbewerbs.
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In der Teilnehmerklasse bis 10.000 Einwohner gewann die Eifelgemeinde Nettersheim, die sich als „Naturerlebnisdorf“ besonders der Umweltbildung widmet. Im Naturzentrum Eifel bietet sie den Anwohnern und Besuchern zahlreiche Kräuterwanderungen und geführte Exkursionen ins Schmetterlingsschutzgebiet Urfttal an. Eine klare Spitzenposition im Wettbewerb nimmt Nettersheim bei den Schutzgebieten ein: Über 90 Prozent des gesamten Gemeindegebietes sind durch eine nationale oder europäische Schutzkategorie geschützt.
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Mit Bürgerbeteiligung zu mehr Umweltgerechtigkeit in Marburg
... 10.000 bis 30.000 Einwohner
1. Hannover, außerdem Gesamtsieger des Wettbewerbs; 2. Münster, außerdem Platz 3 in der Gesamtwertung; 3. Frankfurt am Main; 4. Karlsruhe; 5. Augsburg; 6. München; 7. Freiburg; 7. Leipzig; 9. Heidelberg; 10. Bezirk Marzahn-Hellersdorf von Berlin
1. Ratekau, außerdem Platz 2 in der Gesamtwertung; 2. Bad Saulgau; 3. Eckernförde; 4. Rheinstetten; 5. Andernach; 6. Preetz; 7. Taufkirchen; 8. Rietberg; 8. Diepholz; 10. Grießheim
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Die besten zehn Kommunen der Teilnehmerklasse über 100.000 Einwohner
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Für vorbildliche und erfolgreiche Stadtentwicklung erhielt die Stadt Marburg den Sonderpreis im Bereich „Umweltbildung und Umweltgerechtigkeit“. 6 7 Naturerleben in Nettersheim: Geflecktes Knabenkraut mit Blutströpfchen. 8 9 Ratekau zeichnet sich besonders durch Renaturierungsmaßnahmen aus und belegte neben dem Sieg in der eigenen Teilnehmerklasse Platz 2 in der Gesamtwertung. 10
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Nicht alle Bewohner einer Stadt haben gleichermaßen Zugang zu Grünflächen und Möglichkeiten für Naturerholung. Oft ist das Grün in der Stadt in den wohlhabenderen Vierteln angesiedelt. Häufig sind die Unterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen gravierend. Dieses Problems nimmt sich der Wettbewerb beim >
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... 30.000 bis 100.000 Einwohner 1. Ravensburg; 2. Wernigerode; 3. Landshut; 4. Esslingen; 4. Ludwigsburg; 6. Bamberg ; 6. Schwerin; 8. Gütersloh; 8. Suhl; 10. Neu-Ulm
... bis 10.000 Einwohner 1. Nettersheim; 2. Bad Grönenbach; 3. Schwebheim; 4. Ascha; 5. Weissach im Tal; 6. Rust; 7. Tännesberg; 8. Königsfeld; 9. Bordelum; 10. Sennfeld
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themen Thema „Umweltgerechtigkeit“ an. Einige Städte verknüpfen inzwischen Umweltschutz mit Sozialpolitik, um gezielt das Wohnumfeld in solchen Stadtvierteln zu verbessern, die nur wenige Grünflächen haben. In den Marburger Stadtteilen Richtsberg und Stadtwald kann man sehen, wie sich durch Stadtentwicklung mit ökologischer Ausrichtung die Lebensqualität verbessert. Bereits vor 25 Jahren begann Marburg mit der umfangreichen Stadterneuerung in den multikulturellen Stadtteilen, in denen überdurchschnittlich viele sozial benachteiligte Bürgerinnen und Bürger leben. Plätze, Straßen und Häuser wurden saniert, Gärten angelegt und Spielplätze eingerichtet. Zwischen den Häusern entstanden parkähnliche Freiflächen. Die Menschen identifizieren sich heute mit ihrem Wohnumfeld und ihrem Stadtteil, Integration und kultureller Austausch sind gelebte Realität. Für diese vorbildliche und erfolgreiche Stadtentwicklung erhielt die Stadt Marburg den Sonderpreis im Bereich „Umweltbildung und Umweltgerechtigkeit“.
Sonderpreis für viel „Natur in der Stadt“ Im Leipziger Stadtteil Paunsdorf entstand auf einer ehemaligen Kasernenfläche am Rande einer Plattenbausiedlung der Grüne Bogen – ein abwechslungsreiches und modernes Erholungsgebiet für 17.000 Anwohner. Die konnten bei der Gestaltung mitreden und erleben nun die biologische Vielfalt jeden Tag direkt vor der eigenen Haustür. Kernstück des Grünen Bogens ist ein Beweidungsprojekt, bei dem PrzewalskiWildpferde und Wasserbüffel einen Wildnisbereich und Feuchtbiotope naturnah erhalten und so einen für eine Großstadt einmaligen Erlebniswert schaffen. Eine Aussichtsterrasse und ein Rundweg um die Beweidungsfläche bieten weiträumige Blicke in die vielfältige Landschaft. Vorhandene Kleingärten, Wald, Selbsternteflächen sowie die von Schafen beweideten Brachflächen werden in das Gesamtkonzept einbezogen. Für Jugendliche gibt es einen Jugendtreff und eine Skateranlage. Als herausragendes Beispiel für aktive Schaffung von „Natur in der Stadt“ vergab die DUH im Wettbewerb einen Sonderpreis an die Stadt Leipzig. (sw) o
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Interview
„Lernende Stadt“ DUHwelt: Herr Professor de Haan, Sie sind Vorsitzender des deutschen Nationalkomitees für die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005-2014). Was verbirgt sich hinter diesem Namen?
der Menschen an, ohne dabei die globalen Bezüge aus dem Auge zu verlieren. Es geht um die Frage: Wie wollen wir leben und was können wir vor Ort tun? Viele der 1.300 von uns offiziell ausgezeichneten Projekte der UN-Dekade setzen sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema „Stadt“ auseinander. Es ist in 2011 übrigens Jahresthema der Dekade. Auch die bundesweiten Aktionstage 2011 vom 16. bis 25. September werden diesen Schwerpunkt haben. Verschaffen Sie sich auf unserer Plattform www.bneportal.de gerne einen Eindruck.
Gerhard de Haan: Die UN-Dekade ist eine weltweite Bildungsoffensive, deren Koordination in Deutschland bei der Deutschen UNESCO-Kommission liegt. Zu diesem Zweck hat sie das Nationalkomitee ins Leben gerufen und mit Mitteln des Forschungsministeriums eine Koordinierungsstelle gegründet. Wir geben auf fachlicher Ebene Impulse, bieten eine Plattform für die zahlreichen Ak Wie sieht Ihre Viteure und setzen uns in sion einer nachhaltigen Politik und Bildungs- Gerhard de Haan, VorStadt der Zukunft aus? praxis für die Ziele der sitzender des deutschen Kennen Sie eine Stadt, Nationalkomitees für die Dekade ein. Diese sind: UN-Dekade „Bildung für die ihr bereits nahe Jeder Mensch soll die nachhaltige Entwicklung“ kommt? Möglichkeit haben, die Werte, Kompetenzen, Kenntnisse und Nein, aber in vielen Städten gibt es Fertigkeiten zu erwerben, die für die schon einzelne Entwicklungen, die als Gestaltung einer zukunftsfähigen Welt zukunftsweisend gelten können. Was erforderlich sind. konkret den Bereich „Bildung“ betrifft, haben wir bislang zwölf Kommunen Die Deutsche Umwelthilfe für ihr Engagement als „Kommunen macht mit ihrem Wettbewerb „Bunder Welt-Dekade“ ausgezeichnet. Eine deshauptstadt der Biodiversität“ auf davon, Neumarkt in der Oberpfalz, das Thema Natur in der Stadt aufhat ein Leitbild entwickelt, vor dem merksam. Wie möchte die UNESCO ich wirklich den Hut ziehe. Ich würerreichen, dass sich mehr Menschen de meine Vision auf folgenden Begriff für eine nachhaltige Entwicklung ihbringen: So wie es das Idealbild einer rer Städte einbringen? „lernenden Organisation“ gibt, so ist Bildung für nachhaltige Entwicklung für mich die Stadt der Zukunft eine setzt immer lokal, in der Lebenswelt im besten Sinne „lernende Stadt“. o Ravensburger Schülerinnen und Schüler pflanzen neue Obstbäume auf einer Streuobstwiese.
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themen
Der Umstieg auf eine Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien ist möglich, sicher und bezahlbar. Mit dieser Kernaussage bestätigt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in einem Gutachten die Position der DUH.
Die große Transformation: 100 Prozent grüner Strom für Deutschland ist möglich
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ie Grundpfeiler der Stromversorgung werden derzeit in Deutschland neu verhandelt. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben ein umfangreiches Gesetzespaket für die Energiewende verabschiedet. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima geht es nicht mehr darum, über das „Ob“ der Energiewende zu streiten, sondern lediglich noch um das „Wie“ und das „Bis wann“. Wissenschaftler, wie die des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), die die Bundesregierung beraten, arbeiten seit Jahren an diesen Fragen. Schon vor Fukushima veröffentlichten die Umweltweisen ihr Gutachten „Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung“. Sie kommen zu klaren Ergebnissen: Zwar erfordert der Um- und Ausbau des Stromnetzes, von Stromspeichern und der weitere Zubau von Produktionsanlagen für die Erneuerbaren hohe Investitionen in den nächsten 20 Jahren. Langfristig jedoch ist der Umstieg auf die regenerative
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Stromerzeugung kostengünstiger als es ein Festhalten am alten System wäre. Bisher waren Atomenergie und Kohle die wichtigsten Säulen unserer Stromversorgung. Doch beide Energiequellen sind nicht nachhaltig. Bei der Atomkraft stehen dem die Katastrophenrisiken und die ungelöste Frage der Atommüllentsor-
gung entgegen, bei der Verbrennung von Kohle die immer stärkere Aufheizung des Weltklimas. Der SRU bewertet in seiner Gesamtschau ausschließlich die regenerative Stromversorgung aus Wind, Sonne, Wasserkraft, Erdwärme und – bei maßvollem Einsatz – Bioenergie als nachhaltig.
Norwegen könnte dank seiner Seen ein wichtiger Partner für Deutschland werden, das Stromspeicher benötigt.
themen Nachhaltig und trotzdem bezahlbar? Unbestritten bleibt auch die Nutzung der Erneuerbaren Energien nicht ohne Umweltauswirkungen. Der SRU fordert deshalb ebenso wie die DUH eine naturschutzfachlich abgesicherte Standortwahl für die Produktionsanlagen. 2035, spätestens 2040, wird eine regenerative Stromversorgung laut SRU im Vergleich zur Fortsetzung der konventionellen Stromerzeugung kostengünstiger sein. Die Regenerativen kommen auf ihrer „Lernkurve“ voran, werden also stetig günstiger; Uran, Kohle, Öl und Erdgas hingegen wegen ihrer zunehmenden Verknappung immer teurer. Außerdem hat jede Tonne Kohlendioxid einen Preis, der stetig wächst.
Stromleitungen können teilweise in der Erde oder am Grund der Nord- und Ostsee verlegt werden.
Kooperation zwischen Deutschland und Norwegen
Die Energiewende beschleunigen
Für den vollständigen Umstieg auf einen regenerativen Strommix bis 2050 empfiehlt der SRU als Königsweg einen Stromaustausch mit den nordischen Nachbarn Dänemark und Norwegen. In Deutschland bleibt die Windenergie nach den Vorstellungen des SRU die wichtigste und kostengünstigste Energiequelle im regenerativen Strommix. Die norwegische Wasserkraft mit ihren Speicherreservoirs in weit verzweigten Seensystemen kann die Windenergieerzeugung an Land und auf dem Meer gut ergänzen. Ziel der Kooperation wäre es, in windschwachen Zeiten zwischengespeicherte Energie aus norwegischen Speicherseen über transnationale Seekabel in Deutschland zu nutzen. Daher empfiehlt der SRU den zügigen Aufbau von Seekabelverbindungen zwischen Deutschland und Norwegen.
Die DUH arbeitet schon seit vielen Jahren an Konzepten für eine Energiewende. Es ist tragisch und Ergebnis eines eklatanten Politikversagens, dass eine verheerende Katastrophe „am anderen Ende der Welt“ offenbar notwendig war, um dem Umstieg in eine regenerative Energieversorgung hierzulande zum Durchbruch zu verhelfen. Plötzlich bestreitet auch die Bundesregierung nicht mehr, dass wir Atomkraft in Deutschland nicht benötigen. Auch bei einem schnellen Atomausstieg bis 2015 werden die Lichter nirgends in Deutschland ausgehen, wie ein Gutachten der Universität Flensburg zeigt, das die DUH Ende April gemeinsam mit den Autoren in Berlin präsentierte.
Die Umweltauswirkungen beim Ausbau der norwegischen Stauseen zu Pumpspeichern sind weniger gravierend als etwa beim Bau neuer Pumpspeicher in den Alpen. Die Seen sind im Norden schon da. Keine zusätzlichen Täler müssten geflutet werden. Ohne Rückwirkungen auf die Ökosysteme bliebe die Operation dennoch nicht: In raschem Rhythmus schwankende Pegelstände verändern zum Beispiel die Ufervegetation. Der Bau neuer Turbinen kann größere Arten wie Lachse gefährden. Deshalb gilt auch hier: Die Standorte von Pumpspeichern müssen sorgfältig ausgewählt werden. Entsprechende Forschungsarbeiten sind in Norwegen bereits angelaufen.
Peter Ahmels, Projektleiter des „Forum Netzintegration“ der DUH: „Derzeit wird in der Diskussion um den schnellen Atomausstieg die Angst vor untragbaren Kosten und einem immens hohen Bedarf an neuen Stromleitungen geschürt. Wir setzen uns dafür ein, dass Bürgerinnen und Bürger bei der Planung neuer Leitungen frühzeitig und auf Basis aller notwendigen Unterlagen beteiligt werden. Neue Hochspannungsleitungen mit 110 Kilovolt gehören in aller Regel unter die Erde. Mit norwegischen Energieund Naturschutzfachleuten haben wir über die Frage neuer Seekabelverbindungen und Stromspeicher beraten. Denn gesamteuropäische Lösungen machen die Energiewende günstiger und sichern sie ab. Klar ist für uns: Ein schneller Atomausstieg bis etwa 2017 wäre in Deutschland möglich, und zwar ohne Versorgungsengpässe.“
Begleitend hat die DUH Eckpunkte für einen Gesetzesvorschlag präsentiert, der den Atomausstieg auch juristisch hiebund stichfest gegen mögliche Klagen absichern kann. Er muss jetzt nur noch umgesetzt werden. (rh) o
Internet: Sondergutachten des SRU (Januar 2011): „Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung“: www.umweltrat.de Gutachten „Atomausstieg 2015 und regionale Versorgungssicherheit“ der Universität Flensburg und DUH-Vorschlag zur gesetzlichen Umsetzung des schnellen Atomausstiegs: www.duh.de, unter „Pressemitteilung vom 27.04.2011“ welt 2/2011
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themen
Fischer, Mangroven und Meeresschildkröten n von Udo Gattenlöhner
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s ist kurz nach Mitternacht und am Flughafen von Chennai in Südindien herrscht hektische Betriebsamkeit. Im Gegensatz zu Deutschland, wo ein Nachtstartverbot existiert, heben in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern die Interkontinentalflüge oft mitten in der Nacht ab. Chennai hat zwischen fünf und acht Millionen Einwohner, je nachdem, wo man die Grenzen der Stadt definiert. Ihren Namen trägt die Stadt erst seit 1996, frü-
her hieß die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Tamil Nadu am Golf von Bengalen Madras. Mein Kollege Nataraj Babu – er nennt mich Mister Udo, ich nenne ihn einfach Babu – wartet am Ausgang des Flughafens auf mich. Babu arbeitet für CRENIEO, eine Partnerorganisation des GNF, und leitet seit 2009 unser gemeinsames Artenschutzprojekt am Pulicat See. Das Projekt wird vom Deutschen Bundesamt für Naturschutz finanziell unterstützt. Es soll
einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten und die wichtigste Einkommensquelle der Bevölkerung am Pulicat See, den Fischfang, sichern. Am nächsten Tag holen Babu und seine Kollegin Premanjali Rao mich ab, und wir fahren in die etwa 60 Kilometer entfernte Stadt Pulicat, die auf tamilisch Pazhaverkadu heißt. Am frühen Morgen herrscht bereits Verkehrschaos in Chennai. Nach etwa zwei Stunden erreichen wir das ländliche Pazhaverkadu am Pu-
Der GNF unterstützt seit vielen Jahren die Renaturierung von Mangrovenwäldern in Südindien. Eine Reise ins Projektgebiet gibt Einblick ins Leben der Landbevölkerung und der Fischer vom Pulicat See.
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themen eine Art Dorfältestenrat sind. Herr Rajasekaran bietet mir an, ihn beim Fischen zu begleiten, und so fahren wir im warmen Licht der langsam untergehenden Sonne auf die Lagune. Der 57-jährige erklärt mir, dass immer sieben Fischerfamilien eine Gruppe bilden, die sich ein über Generationen vererbtes Fangrecht teilt. Langsam gleiten zwei weitere Fischerboote mit bunten Segeln an uns vorbei. Die idyllische Szenerie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei der Fischerei um harte Arbeit handelt. Mit dem Ertrag können die Fischer ihre Familien gerade ausreichend ernähren.
Mit Taschenlampen auf Schildkrötenjagd Projektleiter Nataraj Babu demonstriert frisch gepflanzte Mangrovengebiete am Pulicat See. Mangrovenbäume können unter idealen Wasserverhältnissen schnell wachsen und in zwei Jahren eine Größe von zwei Metern erreichen.
licat See und treffen nur noch vereinzelt auf andere Fahrzeuge. Um 9:30 Uhr klettert die Temperatur schon in Richtung 30 Grad Celsius. Babu berichtet, dass das Thermometer im Februar selten über 35 Grad steigt. Wenn Ende April der Monsun einsetzt, wird es an der südindischen Küste bei hoher Luftfeuchte bis zu 45 Grad heiß, für Europäer schwer erträgliche Temperaturen.
Traditionelle Fischereimethoden sind in Gefahr Pulicat ist das zweitgrößte Binnengewässer Indiens. Die mit dem Meer verbundene Lagune ist reich an Fischen und Krustentieren, und die Menschen leben seit Generationen vom Fischfang. Etwa 30.000 Berufsfischer gibt es am Pulicat, der kleiner als der Bodensee ist. Die traditionelle Fischerei wird seit Jahrhunderten über ein „Padu“ genanntes System geregelt. Padu legt die Fangmengen der Dörfer am See fest und schützt ihn dadurch vor Überfischung. Allerdings steigt die Zahl der Menschen und der Fischer, die rund um die Lagune leben, kontinuierlich an. Übernutzung der Fischgründe und zunehmende Konflikte innerhalb des Padu-Systems sind die Folge. Während wir durch das flache Wasser waten, weist Babu auf das
dichte Wurzelwerk der Mangroven hin, das Larven und Jungtieren zahlreicher Süß- und Salzwasserarten ideale Lebensbedingungen bietet. Mangroven helfen auch, die verheerenden Folgen von Stürmen, Flutwellen und Tsunamis zu lindern. Fast 20.000 Bäume haben Babu und sein achtköpfiges Team in den vergangenen Monaten gepflanzt. Die Setzlinge stammen aus eigener Aufzucht. Da es in der Zwischenmonsunzeit recht trocken werden kann, müssen die Setzlinge in den Baumschulen täglich mit Brackwasser aus der Lagune gewässert werden, eine sehr mühsame Arbeit. Die Menschen am See sind intensiv in das Projekt einbezogen. Frauen aus der Umgebung helfen beim Auspflanzen der Mangrovensetzlinge und bei der Pflege der Pflanzen. Für den Erfolg des Projektes ist es wichtig, die Menschen zu überzeugen, dass die intakten Mangrovenwälder langfristig ihre Lebensgrundlagen sichern. Deshalb organisieren Babu und sein Team regelmäßige Treffen mit den Fischerfamilien. Im Dorf Kottai Kuppam treffe ich Selvaraj Rajasekaran, den Vorsitzenden einer Fischerkooperative, die auf tamilisch „Panchayat” heißen. Babu erklärt, dass die Panchayats
Babu berichtet, dass die Küste südlich von Pulicat zwischen Februar und März von Oliv-Bastardschildkröten zur Eiablage genutzt wird. Die Schildkröte verdankt ihren wenig schmeichelhaften Namen der Tatsache, dass sie früher fälschlicherweise für eine Kreuzung von Unechter Karettschildkröte und Grüner Meeresschildkröte gehalten wurde. Um Mitternacht wandern wir mit Taschenlampen ausgerüstet drei Stunden lang den einsamen Strand entlang. Wir finden leider nur zwei tote Schildkröten. Noch immer bejagen Wilderer die Meeresschildkröten oder plündern ihre Gelege. Der große Teil wird jedoch Opfer des industriellen Fischfangs. Die stark bedrohten Meeresreptilien kommen regelmäßig zum Atmen an die Oberfläche und verstricken sich dabei oft in den Netzen der großen Fischtrawler. An den Stränden Südindiens werden jedes Jahr Tausende toter Schildkröten angespült. Auf meinem Flug zurück nach Deutschland denke ich an meine Begegnung mit dem Fischer Anapan Lourdes vom Pulicat See. Er hat von seinen beiden Söhnen erzählt, die in Chennai studieren. Leider kann Anapan seinen Jungs dort kein Zimmer bezahlen. Also fahren die beiden jeden Tag drei Stunden mit dem Bus nach Chennai, pro Weg, versteht sich. Die Busfahrkarte wird zum Glück von der Regierung gestellt. Solche Details führen mir immer wieder vor Augen, wie privilegiert wir in Deutschland leben. Udo Gattenlöhner ist Geschäftsführer des Global Nature Fund.
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n Verkehr
Schaufahren gegen den Klimaschutz geht weiter Die meisten Vertreter des politischen Spitzenpersonals auf Bundes- und Länderebene zeigen sich von der andauernden Klimadebatte unbeeindruckt. Das spiegelt das Ergebnis der Dienstwagenerhebung der DUH im fünften Jahr wider.
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ie Informationsbereitschaft war in diesem Jahr erfreulich gestiegen. Ausnahmen bestätigten die Regel. Ablehnungsgrund Nummer eins waren wie schon in den Vorjahren angebliche Sicherheitsbedenken. Auch offensichtliches Unverständnis zur Dienstwagenproblematik zeichnete sich ab. So reagierte die Sprecherin des niedersächsischen Umweltministers nach zahlreichen Anfragen mit der Frage, „wann denn endlich Schluss sei mit den Kinderspielchen“. Die hartnäckige Datenverweigerung des Kieler Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen konnte inzwischen bei Gericht ad acta gelegt werden. Personenbezogene Informationen wollte der Regierungssprecher zunächst nicht veröffentlichen. Gestützt auf das Umweltinformationsgesetz konnte die DUH allerdings die Herausgabe der Auskünfte erzwingen.
Wie klimafreundlich sind die deutschen Spitzenpolitiker unterwegs? Mit ihrem neuen Dienstwagen glänzt Bundesjustizministerin LeutheusserSchnarrenberger (FDP) in Sachen Klimaschutz. Er kommt mit 153 Gramm CO2
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pro Kilometer (g CO2 /km) dem seit 2008 geltenden EU-Zielwert für Pkw von 140 Gramm am nächsten. Unter den Bundesministerinnen und -ministern sind die meisten immer noch weit von diesem Zielwert entfernt. Philip Rösler (224 g CO2/km), zum Zeitpunkt der DUH-Anfrage Gesundheitsminister, und Rainer Brüderle (203 g CO2/km), damaliger Minister für Wirtschaft und Technologie, bewegten sich sogar oberhalb der 200-Gramm-Grenze.
Auch in den Länderministerien dringt die Klimadebatte scheinbar nicht zu jedem durch. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und der Regierende Bürgermeister in Berlin, Klaus Wowereit (SPD) haben bezüglich CO2-Ausstoß und Motorleistung gegenüber den Vorjahren sogar weiter aufgerüstet. Die Spitzenposition unter den Klimakillern belegt Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mit 348 g CO2 /km. Als einziger
Bürger haben das Recht, nach den Dienstwagen der Polit-Prominenz zu fragen.
magazin Länderchef unterschreitet Jens Böhrnsen (SPD) den 140 Gramm CO2 -Zielwert.
Stadtstaaten demonstrieren praktischen Umweltschutz In den Länderkabinetten ergibt sich insgesamt ein sehr differenziertes Bild. Die Minister-Limousinen in Bayern und Hessen verbrauchen im Durchschnitt stolze 210 g CO2 /km. Erfreulicherweise haben aber einige Bundesländer damit begonnen, ihre Länderminister und Senatoren mit Sprit sparenden Limousinen auszustatten. Der Senat Bremens ist sich seiner Verantwortung im Klimaschutz offenbar bewusst. Vier von acht Regierungsmitgliedern liegen mit dem CO2 -Ausstoß ihrer Dienstwagen unterhalb des Zielwerts. Dicht gefolgt wird Bremen im Länder-Ranking der DUH vom Berliner (152 g CO2 /km) und vom Hamburger Senat (156 g CO2 /km).
n Verkehr
Vorrang für Spritsparer Bei Anzeigenwerbung und in ihren Verkaufsräumen müssen Autohändler den Energieverbrauch jedes Neufahrzeuges – geregelt ist dies für Pkw – angeben. Der Gesetzgeber beabsichtigt damit, Kaufentscheidungen in Richtung Energieeffizienz zu lenken.
B
eim Autokauf sollte die Frage nach dem Kraftstoffverbrauch und dem CO2-Ausstoß ein wesentliches Entscheidungskriterium sein. Auch wer nicht selbst danach fragt, bekommt den Spritverbrauch seines „Neuen“ vor Augen geführt. So regelt es die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnKV). Doch noch heute, sieben Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung, herrschen große Defizite bei der Umsetzung. Das ist das Ergebnis von DUH-eigenen Stichproben-Kontrollen in Druckerzeugnissen und Internet-Werbeauftritten von Händlern und Herstellern sowie Testbesuchen im Handel. Die DUH fungiert hier als Anwalt der Verbraucher. Sie zählt zu den qualifizierten Einrichtungen, die gegen Verstöße gegen Verbraucher schutzgesetze auf Unterlassung klagen können. Zugleich mahnt die DUH bei den Bundesländern an, über ihre Ordnungsbehörden den korrekten Gesetzesvollzug zu kontrollieren.
Autohandel reagiert mit Unmut Umweltminister fahren mit gutem Beispiel voran Viele namhafte Autohersteller bieten mittlerweile Limousinen mit CO 2-optimierten Antrieben an, die in Komfort und Ausstattung den bisherigen MinisterDienstfahrzeugen in nichts nachstehen. Vier Landesumweltminister haben offensichtlich verstanden, was sie ihrem Amt schuldig sind und halten den derzeit geltenden Zielwert ein, zwei sogar den ab 2012 geltenden verschärften Grenzwert von 120 Gramm: Umweltsenatorin Katrin Lompscher in Berlin (Linke, 92 g CO2 /km) sowie Umweltministerin Simone Peter im Saarland (Bündnis90/ Grüne, 114 g CO2 /km). Die beiden grünen Umweltminister Johannes Remmel aus Nordrhein-Westfalen und Reinhard Loske aus Bremen liegen bei 137 bzw. 144 g CO2 /km. (am) o
Offensichtlich ist Teilen des deutschen Autohandels die Kennzeichnungspflicht lästig. Die Zentralvereinigung des KfzGewerbes zur Aufrechterhaltung lauteren
Wettbewerbs e.V. startete Anfang Februar eine Kampagne gegen die DUH mit dem Ziel, der DUH die Klagebefugnis vom Bundesamt für Justiz aberkennen zu lassen. In einem Rundschreiben an die Händler und Hersteller heißt es: „Die Rechtsverfolgung durch die Deutsche Umwelthilfe (hat) ein Ausmaß erreicht, das so nicht mehr erträglich ist.“ Der Suzuki-Händlerverband spricht auf seiner Website von einer „Belästigung“ durch die DUH. Es ist unglaublich: Die Zentralvereinigung des Kraftfahrzeuggewerbes beschäftigt sich mit der Problematik, dass eine nicht unerhebliche Zahl ihrer Mitglieder gegen geltendes Recht verstößt. Sie kommt jedoch nicht zu der Schlussfolgerung, ihre Mitglieder zukünftig in ihrer Rechtstreue zu unterstützen. Dass ihre Qualifikation als ökologischer Verbraucherschutzverband überprüft werden soll, hindert die DUH keinesfalls daran, Autowerbung zu beobachten und Verstöße gegen das Verbraucherrecht zu melden. Gerade damit stärkt die DUH das Umweltbewusstsein rund um den Autokauf. Im Jahr 2010 hat das Bundesamt für Justiz die DUH-Aktivitäten umfangreich geprüft und genau dies bestätigt. (as) o
Sprit sparen beginnt beim Autokauf.
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magazin anderem die Schwermetalle Arsen, Blei und Cadmium. Durch ein so genanntes Immobilisierungsverfahren wollte Biotec den Giftmüll in ungefährliche Abfälle umwandeln. Die vermeintlich stabilisierten Giftabfälle lagerte das Unternehmen dann auf Übertagedeponien in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ab. Das Landratsamt Nordsachsen hatte die Abfallbehandlungsanlage in Pohritzsch 1999 genehmigt, obwohl keine Nachweise zur Langzeitstabilität der Outputmaterialien vorlagen.
Behörden versagten bei der Anlagenüberwachung
n Abfallwirtschaft
Giftmüllskandal in Sachsen aufgedeckt Dem Unternehmen S.D.R. Biotec wurde am 1. April 2011 die Betriebsgenehmigung für die Behandlung hochgiftiger Abfälle entzogen. Denn es besteht der Verdacht auf unsachgemäßen Umgang mit Giftmüll. Damit reagierten die sächsischen Überwachungsbehörden endlich auf Forderungen der Anwohner und der DUH nach einer Schließung der Anlage.
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eil die S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik GmbH in ihrer Abfallbehandlungsanlage in Pohritzsch jahrelang unwirksame Verfahren angewendet hat, sind mindestens 68.000 Tonnen hochgiftigen Materials auf ungeeignete Deponien gelangt. Biotec nahm Giftabfälle, wie z. B. Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen oder Schlämme aus der Metallindustrie an. Solche Abfälle enthalten unter
Höchstwahrscheinlich enthält der Staub giftige Stoffe. Das Foto zeigt ein Fahrzeug auf dem Biotec-Betriebsgelände.
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Die DUH wies die zuständigen Behörden bereits 2008 auf einen nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage und Zweifel an der Technologie hin. Die sächsischen Behörden versuchten jahrelang, Verstöße der S.D.R. Biotec zu verschleiern. Dadurch sollten vermutlich eklatante Fehler bei der Anlagenüberwachung sowie der Umweltskandal selbst nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Im Jahr 2010 kontrollierten die Behörden endlich das Pohritzscher Betriebsgelände. Dabei stellten sie fest, dass die Umwandlung giftiger Abfälle aus der Metallindustrie in ungefährliche Stoffe nicht funktionierte.
Die DUH blieb hartnäckig Erst als die DUH den Behörden nachweisen konnte, dass sie Kenntnis von der illegalen Behandlung gefährlicher Abfälle hatten, griffen diese ein. Daraufhin führten im März 2011 das Landeskriminalamt Sachsen und die Staatsanwaltschaft Leipzig Razzien auf dem Betriebsgelände der S.D.R. Biotec, in den Privatwohnungen der Geschäftsführer und auf Deponien in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen durch. Dabei beschlagnahmten mehr als 60 Beamte Computer, Lieferscheine und Geschäftsunterlagen zur angewandten Verfahrenstechnologie. Den Biotec-Geschäftsführern wird nun das illegale Betreiben einer Anlage, die Falschdeklaration von Abfällen und der unsachgemäße Umgang mit gefährlichen Stoffen vorgeworfen. Ihnen drohen bis zu drei Jahre Haft. Nun muss geklärt werden, wie die immer noch gefährlichen Abfälle überhaupt auf dafür ungeeignete Deponien gelangen konnten und welches Gefahrenpotenzial für Menschen und Umwelt besteht. (tf) o
magazin
n Kreislaufwirtschaft
Mehrweg braucht Schutz Mehrwegflaschen sind umweltfreundlicher. Dennoch gerät das deutsche Mehrwegsystem immer wieder unter Druck. Wider besseren Wissens setzt sich die Politik nicht wirkungsvoll ein.
Ausschreibung
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ine Flut an unökologischen EinwegPlastikflaschen droht das deutsche Mehrwegsystem zu verdrängen. Sie stammt überwiegend von Discountern und großen Getränkeherstellern, bei denen Masse und Profit statt Umweltschutz und Qualität im Vordergrund stehen. Hinzu kommt, dass die Hersteller von Einweggetränkeverpackungen durch eine missverständliche Kennzeichnung die Erkennungsmerkmale von Einweg und Mehrweg verwischen. Die derzeitige gesetzliche Regelung erlaubt solch eine verwirrende Kennzeichnung, so dass häufig der Unterschied zwischen Ein- und Mehrweg für den Käufer kaum erkennbar ist. Um den Kunden eine verlässliche Information als Grundlage zur Kaufentscheidung zu bieten, muss Umweltminister
Die DUH will diesen politischen Versäumnissen entgegenwirken und Transparenz für Verbraucher schaffen. Im April hat sie deshalb gemeinsam mit Verbänden der Getränkewirtschaft eine neue Runde ihrer Informationskampagne „Mehrweg ist Klimaschutz“ gestartet. Die Verbraucher werden mit Postern und Flyern in über 5.000 Getränkemärkten über Umweltvorteile von Mehrwegflaschen informiert.
Mehrweg ist ein Beitrag zum nachhaltigen Konsum Mit dem Kauf von Mehrwegflaschen kann jeder ganz einfach zum Klimaschützer werden. Mehrwegflaschen haben eine eindeutig bessere Ökobilanz als PET-Einwegflaschen, denn sie werden bis zu 50 Mal wiederbefüllt und im Durchschnitt auf deutlich kürzeren Strecken transportiert. (tf) o
Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) vergibt 2011 zum 16. Mal den
UmweltMedienpreis für herausragende journalistische und schriftstellerische Leistungen. Die Auszeichnung soll Ansporn und Förderung sein für Autorinnen und Autoren, die sich mit der Zukunft der Erde, mit Chancen und Risiken künftiger Entwicklungen für Mensch und Natur auseinandersetzen. Der Preis wird an Journalisten, Filmer, Redakteure, Umweltgruppen, Autoren und Verleger in den Kategorien Printmedien (Zeitung, Zeitschrift, Buch), Hörfunk, Fernsehen und Neue Medien verliehen, die in beispielhafter Weise: n
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das Bewusstsein für Umweltgefahren schärfen, umweltbezogene Fragestellungen lösungsorientiert darstellen, Umwelt- und Naturthemen vermitteln, Handlungsanreize für den Umwelt-, Natur- und Artenschutz schaffen, Pionierleistungen im Bereich des Umwelt-, Natur- und Artenschutzes bekannt machen. Nominierungen sind bis zum 31. Juli 2011 möglich.
Wir danken der Deutschen Telekom für die Unterstützung.
Foto: R. Kirchmann (o), Pitopia/E. Wodicka, Pitopia/bildbaendiger, R. Sturm/Pixelio, Pitopia/m-mausolf.de (2010)
Norbert Röttgen endlich eine verpflichtende Kennzeichnung durchsetzen, wie sie auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Eine zusätzlich zum Pfand zu erhebende Klimaschutzabgabe in Höhe von 20 Cent auf Einwegverpackungen wäre ein geeignetes Mittel, um vor allem Discounter an die gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Umweltschutzes heran zu führen und den Anteil von Mehrwegflaschen deutlich zu erhöhen.
Ansprechpartner: Deutsche Umwelthilfe e.V. Erika Blank, Jürgen Resch Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell Tel. 07732 99 95-90, Fax -77 blank@duh.de; www.duh.de
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magazin Auf der Haben-Seite
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Die acht störanfälligsten Atomkraftwerke sind – höchstwahrscheinlich – endgültig vom Netz. Dies bedeutet praktisch eine Halbierung des alltäglichen nuklearen Katastrophenrisikos im Inland.
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Erstmals hat die Politik ein Enddatum des Atomausstiegs festgelegt. Der 31. Dezember 2022 ist zwar nach allen aktuellen Studien nicht der von der Kanzlerin versprochene „schnellstmögliche“ Ausstieg. Doch mit ihm wird die Mehrheit der deutschen Gesellschaft leben können, solange nicht ein weiterer schwerer Unfall passiert. Die Suche nach einem atomaren Endlager wird über Gorleben hinaus geöffnet. Es besteht mindestens die Hoffnung auf ein sachgerechtes und erstmals „ergebnisoffenes Suchverfahren“.
Die – jedenfalls verbale – Allparteienkoalition für den Atomausstieg, die erkennbar in die Gesellschaft wirkt: So trägt der traditionell als Sachwalter der großen Atomkraftwerksbetreiber agierende Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) den Ausstieg mit.
n ENERGIEWENDE
Nach Fukushima ist alles anders. Ob der sich anbahnende Allparteienkonsens über den Atomausstieg hinausreicht, steht noch nicht fest.
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o sehr ich mich im Herbst letzten Jahres … für die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke eingesetzt habe, so unmissverständlich stelle ich heute vor diesem Haus fest: Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert“, sprach Angela Merkel Anfang Juni im Bundestag. Doch die Mehrheit der Deutschen bleibt skeptisch. Ob innere Einsicht oder Machtkalkül die Kanzlerin zu einer der spektakulärsten Kehrtwenden in der deutschen Innenpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg geführt hat oder nicht, ändert momentan nichts an den Folgen. Schwarz-Gelb hat binnen weniger Wochen einen Atomausstieg durch die parlamentarischen Instanzen gepeitscht, der jenem ähnelt, den Rot-Grün schon einmal vor exakt zehn Jahren beschlossen hatte. Das Paradox: 2001 stimmten die Atomkonzerne zu – ohne Fukushima und ohne die gefestigte Alternative aus Sonne, Wind und Co. 2011 drohen sie mit dem Kadi. Dennoch ist der gesellschaftliche Fortschritt, für den es einen verheerenden Unfall am andern Ende der Welt geben musste, immens. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.
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Zukunft statt Renaissance
Anti-Atom-Kundgebung in Japan am 11. Juni 2011. Zerstörte Reaktoren in Fukushima. Was kommt danach?
magazin Gleichzeitig enthält die 180-Grad-Wende der Regierung Unwägbarkeiten, die für die Zukunft mehr erwarten (und befürchten) lassen als die sprichwörtlichen „Mühen der Ebene“:
Auf der Soll-Seite s
Der im Atomausstiegsgesetz vorgesehene Weiterbetrieb von sechs Atomkraftwerken bis 2021/2022 mit einer Leistung von 8.539 Megawatt und ihre voraussichtliche Abschaltung binnen 12 Monaten könnte – wenn es soweit ist – große Begehrlichkeiten wecken, den Ausstieg noch einmal zu verzögern.
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Die erkennbare Vorstellung der Bundesregierung, wegfallende AKW-Leistung durch den Bau zusätzlicher Kohlekraftwerke zu kompensieren, wäre ein Rückfall in das 20. Jahrhundert und würde die nationalen Klimaschutzziele mittelund langfristig in Frage stellen.
Eine in Teilen fragwürdige rechtliche Ausgestaltung des Atomausstiegs birgt das Risiko einer Niederlage der Regierung vor Gericht, mit der Folge, dass die Atomkonzerne ihre „Kriegskassen“ mit von den Steuerzahlern zu begleichenden Entschädigungszahlungen auffüllen können. Sie hätten dann erneut einen (ungerechtfertigten) Startvorteil gegenüber der Konkurrenz.
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Vor allem – und am bedrohlichsten – wirkt die Absicht der Bundesregierung, beim Ausbau der Erneuerbaren nicht zuzulegen, gerade so als wäre Fukushima nicht geschehen und der Atomausstieg nicht beschlossen.
Ein ganzes Bündel von Gesetzen und Verordnungen hat die Bundesregierung binnen weniger Wochen durch Bundestag und Bundesrat getrieben – und sich damit erstmals seit ihrer Amtsübernahme den energiepolitischen Vorstellungen der Mehrheit der Bürger angenähert. Wie weit trägt dieser Fortschritt? Sicher ist schon heute: Der energiepolitische Streit um den richtigen Weg wird weitergehen. Aber auf der Tagesordnung steht seit dem Super-GAU in Fernost: Zukunft statt Renaissance der Technologien des 20. Jahrhunderts. (gr) o
n BIOENERGIE
Die schwierigste Erneuerbare Lange beherrschten Verheißungen die Diskussion über die Bioenergie. Seit einigen Jahren ist es umgekehrt. Debattiert werden die Risiken – und zwar zu Recht.
Raps ist Nahrung, Futtermittel und zugleich Rohstoff für Bioenergie.
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er Charme der energetischen Nutzung von Biomasse liegt darin, dass sie bei ihrer Entstehung genau die Menge des Treibhausgases CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt, die bei der Verbrennung wieder frei wird. Ihre Nutzung ist mithin klimaneutral. Und: Biomasse ist im Gegensatz zu Sonne oder Wind leicht speicherbar. Das hat sie gemein mit Öl, Kohle oder Erdgas.
Wann verkehrt sich der Nutzen ins Gegenteil? Landet im Tank des Geländewagens, was auf den Teller der Armen gehört? Werden in Brasilien die Regenwälder wegen der Ethanolproduktion aus Zuckerrohr noch schneller abgeholzt? Geraten seltene Arten in Deutschland wegen des zunehmenden Maisanbaus für die Biodieselproduktion noch stärker unter Druck? Wann verkehren eine energieintensive Landwirtschaft und der Ausstoß besonders klimaschädlicher Stoffe wie Lachgas, das bei Stickstoffüberschuss nach der Düngung entstehen kann, den Nutzen in sein Gegenteil?
Mit solchen Fragen beschäftigt sich die DUH seit vielen Jahren und sicher verstärkt in der Zukunft. Denn der Klimawandel, eine rasant wachsende Weltbevölkerung, die Verknappung der fossilen Rohstoffe und der Ausstieg aus der Atomenergie verlangen Antworten. Dabei leidet die Debatte über Biokraftstoffe insbesondere in Deutschland unter einem Geburtsfehler: Als die EUKommission den Autoherstellern vor einigen Jahren strenge Klimaschutzvorgaben vorschreiben wollte, stellte sich >
Intensive Landwirtschaft bedroht viele Arten wie die Feldlerche.
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magazin die damals regierende Große Koalition in Berlin quer. Sie erfüllte einen Teil der den Autobauern auferlegten Emissionsminderungen durch die Beimischung von Biosprit. Mit doppelt negativem Effekt: Die Autohersteller schoben die Entwicklung spritsparender Pkw auf die lange Bank und Bioenergie verschwand in den Autotanks. Der Klimaentlastungseffekt wäre jedoch größer gewesen, hätte man die Biomasse zur Erzeugung von Strom und Wärme eingesetzt.
n Eco IT
Energieeffizienz im Großkrankenhaus Charité Die Charité-Universitätsmedizin Berlin ist eine der größten Universitätskliniken Europas. Gemeinsam mit dem Computerhersteller Intel gestaltete sie ihre umfangreiche EDV-Landschaft energieeffizient um. Energiesparen im IT-Bereich – zum Wohl der Umwelt.
I
DUH fordert eine Ausweitung der Nachhaltigkeitsstandards Seit Jahresbeginn muss die Biokraftstofferzeugung nachweislich EU-weit festgelegte Nachhaltigkeitsstandards erreichen. Nur dann dürfen die Mineralölhersteller den Sprit auf ihre Biokraftstoffquote anrechnen. Ziel ist es nun, diese Standards weiter zu verschärfen und weltweit durchzusetzen. Außerdem fordert die DUH gemeinsam mit Wissenschaftlern und anderen Umweltverbänden, ökologische und soziale Nachhaltigkeitsstandards künftig nicht auf Biokraftstoffe zu beschränken, sondern für alle landwirtschaftlichen Produkte, zum Beispiel für die Futtermittelproduktion oder die chemische Industrie, einzuführen. Auf bestimmten ökologisch sensiblen Flächen soll der Anbau von Energiepflanzen ganz verboten werden. Viele Fragen bleiben ohne Antwort. Vielleicht die wichtigste: Wie kann wirksam verhindert werden, dass der BioenergieAnbau die zuvor auf diesen Flächen erfolgte Nahrungsmittelproduktion in andere Regionen verdrängt und dort wertvolle Ökosysteme zerstört? Für den Sommer hat die EU-Kommission einen Vorschlag zum Problem dieser „indirekten Landnutzungsänderung“ angekündigt. Wie auch immer der EU-Vorschlag aussehen wird: Global gesehen bleibt die Lösung dieses Problems eine Generationenaufgabe. (gr) o
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m Jahr 2010 sparte die Charité im Vergleich zum Jahr 2007 mehr als 1.700 Tonnen CO2-Emissionen ein. Wie andere Großunternehmen hat das Krankenhaus einen hohen Bedarf an Infrastruktur und Rechenleistung. Mit Hilfe von Intel begann das IT-Team der Charité deshalb bereits 2008, die EDV-Landschaft energie- und ressourceneffizienter zu gestalten. Der Erfolg des Teams beruht darauf, im gesamten System nach besseren Lösungen zu suchen: Im Rechenzentrum ersetzen nun effiziente neue Server und Virtualisierungstechnologie die Strom fressenden Maschinen. Im Schnitt ersetzt hier ein einziger neuer Server 19 physikalische Rechner. Gleichzeitig passte das Team die Kühlung der Computer optimal den neuen Gegebenheiten an. Auf den Schreibtischen der Mitarbeiter stehen insgesamt 12.000 Rechner. Davon wurden 7.000 durch moderne Maschinen ausgetauscht, die zentral gewartet und gesteuert werden. Dadurch entfällt der
Nachtbetrieb der Server, was Kosten und Stromverbrauch senkt. In der Charité trifft nun eine mehr als 300 jährige Tradition auf eine hochmoderne Rechnerlandschaft. Ärzte und Wissenschaftler arbeiten hier auf internationalem Niveau zusammen. Der Universitätscampus verteilt sich auf vier Standorte mit über 100 Kliniken und Instituten. Rund 13.000 Mitarbeiter behandeln mehr als 700.000 Patienten im Jahr.
Die Charité hat eine Auszeichnung verdient Die Deutsche Umwelthilfe hat das Großkrankenhaus als erstes „ecoIT Projekt 2011“ ausgezeichnet. „Wir hoffen, dass das Beispiel der Charité Schule macht und Nachahmer in den vielen kleinen und großen Kliniken und Krankenhäusern im ganzen Lande findet“, erläuterte Steffen Holzmann, DUH-Projektleiter, bei der Preisübergabe in Berlin. (sh) o
V.l.n.r.: Prof. Dr. Karl Max Einhäupl (Vorstandvorsitzender der Charité), Holger Herzog (Leiter der IT-Systemabteilung), Martin Peuker (stellvertetender Chief Information Officer) und Steffen Holzmann (Projektleiter ecoIT, DUH)
© ausgestrahlt.de/Thorben Höke
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Sonderheft Fukushima n Solarlokal
Japan strahlt – Deutschland steigt aus
SolarstromErzeugung erreicht Rekord
Schiffbruch mit Zuschauern: Nach der Reaktorkatastrophe flogen die Neutronen von Fukushima um die Welt. In Deutschland geriet eine ganze Nation energiepolitisch außer Kontrolle und gebar eine Allparteienkoalition für den Ausstieg: von Greenpeace bis Horst Seehofer. Während Japan weiter gegen nukleare Monster kämpft, rüstet sich Deutschland zur Energiewende. 2022 wird endgültig ausgeknipst.
Die Stromerzeugung aus Sonnen-
Im aktuellen Heft:
energie erreicht einen neuen Rekord,
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Millionen Menschen in Deutschland nutzen die Kraft der Sonne und nehmen ihre Strom- oder Wärmeversorgung selbst in die Hand.
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er im ersten Quartal 2011 erzeugte Solarstrom deckt den Jahresbedarf von rund 785.000 Drei-Personen-Haushalten – das entspricht der Einwohnerzahl von München und Köln zusammen. Allein von Januar bis März dieses Jahres produzierten die Photovoltaik-Anlagen in Deutschland 2,75 Milliarden Kilowattstunden (KWh) Strom. Der Zuwachs gegenüber dem ersten Quartal 2010, mit 2,75 Milliarden KWh, beträgt damit 87 Prozent. Die Zahl der Photovoltaik-Anlagen stieg 2010 um rund 249.000 auf etwa 860.000. Solarstrom wird immer mehr zu einem wichtigen Bestandteil der Stromerzeugung. Auch in den Wintermonaten können Photovoltaik-Anlagen relevante Strommengen erzeugen. (cg) o
Wirtschaft · www.zeozwei .de
Die große
Politik und Neue
Außerdem:
für Umwelt,
pagne SolarLokal. Insgesamt sechs
zeo2 · Magazin
berichtet Peter Finger von der Kam-
zeo
Anzeige zeo2 Die heilsame Katastrophe: Von Fukushima zur deutschen Energiewende n Helden der Erneuerbaren: Fünf Pioniere im Portrait n Interview mit Klimawissenschaftler Ottmar Edenhofer: „Wir sollten uns jetzt nicht als Sieger der Geschichte inszenieren!“ n Notausgang gesucht: Wie entkommt Japan der atomaren Falle? n Atomarer Aufruhr: Die weltweiten Reaktionen
Magazin für Umwelt, Polit ik und
sei wachsam: der Feldhamster n Grüner Koran: Mit Allah für den Klimaschutz n Ganz schön wild: Streifzüge im deutschen Unterholz
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03/2011 · 3,90 Euro
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Grüner koran Mit Allah fürs Klima hamsterba cke Mit dem Nag er auf Du
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Datum, Unterschrift
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Datum, Unterschrift DUHwelt 2/2011
magazin n natur- und klimaschutz / GNF
Waldklimaprojekte helfen Klima, Mensch und Natur Das Schicksal des Mbaracayú Waldes im Osten Paraguays schien besiegelt: Dem Atlantischen Regenwald drohte die Rodung, um landwirtschaftlichen Nutzflächen Platz zu machen. Ein Waldklimaprojekt verhinderte die Zerstörung.
Aufforstungen und die Einführung nachhaltiger Landnutzungspraktiken gehören zu den vielfältigen Projektaktivitäten, die nach dem Kauf des Gebiets gestartet wurden.
Die Menschen einbeziehen Der Wald ist für die Menschen in Mbaracayú Lebensraum und Einkommensquelle. Nur wenn ihre Grundbedürfnisse nach Nahrung, Wasser, Feuerholz und anderen Ressourcen gesichert sind, wird das Waldschutzgebiet auch akzeptiert. Deshalb hat man gemeinsam mit den Anwohnern alternative Einkommensmöglichkeiten wie Geflügel- oder Bienenzucht aufgebaut. Ein Projektbeirat mit Mitgliedern aller betroffenen Gemeinden tagt jährlich, um die Management- und Haushaltspläne für den Mbaracayú-Wald zu bewilligen. Die Ureinwohner dürfen in den Wäldern für ihren täglichen Bedarf jagen und sammeln.
Biologische Vielfalt profitiert am meisten
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ank einer zwei Millionen US-Dollar-Spende konnte das MbaracayúWaldgebiet im Jahr 1992 gekauft und unter Schutz gestellt werden. Seine Rettung war eines der ersten Waldklimaprojekte und ist der Living Lakes Partnerorganisation Fundación Moisés Bertoni in Paraguay zu verdanken. Das amerikanische Energieunternehmen Applied Energy Services hat mit dieser Spende freiwillig die Emissionen eines 1992 auf Hawaii errichteten Kohlekraftwerkes ausgeglichen. Das Unternehmen hatte errechnet, dass das neue Kraftwerk im Verlauf der nächsten 35 Jahre etwa 13,1 Millionen Tonnen Kohlenstoff ausstoßen würde. Der Mbaracayú Wald würde im gleichen Zeitraum mehr als 27 Millionen Tonnen Kohlenstoff in Vegetation und Boden speichern. Der Energiekonzern zahlte daraufhin den Umweltschützern in Paraguay knapp 15 US-Cent für jede Tonne gespeicherten Kohlenstoffs. Wälder sind besonders effektive Kohlenstoffsenken. Mit ihrem Schutz oder
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Das Mbaracayú Schutzgebiet liegt im Osten Paraguays an der Grenze zu Brasilien. Wäre es nicht geschützt worden, würde es heute wie oben aussehen. Es wäre eine landwirtschaftliche Nutzfläche.
mit Wiederaufforstungen können Treibhausgase dauerhaft gespeichert werden. Unternehmen können zum Beispiel mit dem Kauf von Emissionszertifikaten für Waldklimaprojekte freiwillig ihren Kohlenstoffausstoß kompensieren. Der GNF erarbeitet mit der Tropenwaldstiftung OroVerde Leitlinien für hohe ökologische und soziale Standards in Waldklimaprojekten und will damit Waldmonokulturen und die Verdrängung der örtlichen Bevölkerung verhindern.
Im Atlantischen Regenwald von Mbaracayú leben 90 Säugetierarten, darunter Jaguare, Beuteltiere und Ameisenbären. Das Gebiet beherbergt 400 verschiedene Vogelarten, 60 Fischgattungen und eine Vielzahl von Pflanzen mit medizinischer Wirkung. Sie alle profitieren vom Erhalt der Wälder. Beim MbaracayúWaldschutzprojekt standen nicht nur der Erhalt der Natur und die Speicherung von waldgebundenem Kohlenstoff, sondern vor allem die langfristige Beteiligung der vor Ort lebenden Menschen im Vordergrund. Für heutige Waldklimaprojekte kann es als Vorbild dienen. (th) o
Internet: www.globalnature.org/waldklima Förderer des Projekts:
Lebensgrundlage biologische Vielfalt: Lufthansa engagiert sich.
Lufthansa fördert bereits seit vielen Jahren die Arbeit deutscher und internationaler Umwelt- und Naturschutzorganisationen. Ziel dieses Engagements ist es, biologische Vielfalt sowie einzigartige Naturlandschaften zu bewahren. Einen Schwerpunkt hierbei bilden die Artenschutzaktivitäten des Konzerns, wobei dem Schutz bedrohter Kranicharten und ihrer Lebensräume das besondere Interesse gilt. Balance zu halten ist für uns Unternehmensverpflichtung. Mehr dazu in der Broschüre „Umweltförderung“ und im Lufthansa-Nachhaltigkeitsbericht „Balance“, abzurufen unter http://verantwortung.lufthansa.com
www.lufthansa.com welt 2/2011
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magazin der Wälder in Deutschland bis zum Jahr 2020 vorgeben soll. Geplant ist unter anderem, Bäume immer jünger zu ernten („Verkürzung der Umtriebszeiten“), die Holzvorräte im Privatwald stärker zu nutzen und vermehrt nichtheimische Baumarten wie die nordamerikanische Douglasie oder Roteiche anzubauen. Damit verschärft sich die Situation insbesondere für hoch spezialisierte und sehr selten gewordene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten, die auf strukturreiche Waldökosysteme, das Vorhandensein alter oder abgestorbener einheimischer Bäume oder große unzerschnittene Waldgebiete angewiesen sind. So leben etwa 25 Prozent aller einheimischen Käferarten am und vom Totholz, der überwiegende Teil der über 1000 einheimischen Wespen- und Bienenarten ist ebenfalls darauf angewiesen.
n naturschutz
Schlussverkauf im deutschen Wald? Agrarministerin Aigner und die Waldbesitzerverbände wollen wesentlich mehr Holz einschlagen als bisher. Mit dem wirtschaftlichen Druck ist jedoch die weitere Intensivierung der Forstwirtschaft programmiert – gerade auch auf Kosten der biologischen Vielfalt in den Wäldern. Der Feuersalamander liebt Laubwälder mit naturnahen Bachläufen.
D
ie Bundesregierung rechnet bis zum Jahr 2020 mit einem gigantischen, zusätzlichen Bedarf von bis zu 34 Millionen Kubikmetern Holz jährlich. Im Jahr 2002 lag der gesamte Holzeinschlag in Deutschland lediglich bei 40 Millionen Kubikmetern. Allerdings war schon in den letzten Jahren eine deutliche Steigerung der Holzernte auf zuletzt 70 Millionen Kubikmeter zu verzeichnen. Angesichts des – inzwischen von fast allen gewünschten – Booms der erneuerbaren Energien steigt die Nachfrage nach „Energieholz“ anscheinend unaufhaltsam. Bis zum Jahr 2020 soll bereits wesentlich mehr Holz verbrannt werden, als stofflich, zum Beispiel für Möbel oder Papier, genutzt wird. Zudem wird der umweltfreundliche Rohstoff dringend als Ersatzstoff für energieintensive Baustoffe wie Beton oder Baustahl benötigt. Gleichzeitig verbraucht jeder Deutsche inzwischen fast 250 Kilogramm Papier pro Jahr.
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Vollernte im Wald
Pelletheizungen werden in deutschen Eigenheimen immer beliebter.
Die Folgen für den Wald sind schon jetzt vielerorts sichtbar 98 Prozent des deutschen Waldes werden forstwirtschaftlich genutzt. Im „Internationalen Jahr der Wälder 2011“ der Vereinten Nationen will die Bundesregierung eine „Waldstrategie 2020“ beschließen, die Leitlinien für Nutzung und Schutz
Immer öfter werden Flächen bereits jetzt mit „Vollerntemaschinen“ komplett gerodet und nicht nur die Stämme geerntet, sondern auch das Reisig herausgenommen und sogar Wurzeln herausgerissen und zu Hackschnitzeln verarbeitet. Wurzeln und Reisig sind früher meistens im Wald verblieben, haben Totholzbewohnern zur Speise gedient und dem Boden als Dünger. Die Intensivierung droht, auf Kosten der biologischen Vielfalt zu gehen. Die DUH und andere Umweltverbände fordern deshalb die Einführung „ökologischer Leitplanken“ in der Forstwirtschaft, einen Anteil von fünf Prozent „Urwald von morgen“ und ein Konzept für die Senkung des Holzverbrauchs in Deutschland. (aw) o
magazin n naturschutz
Die Wunder des Auwald-Dschungels Naturnahe Auwälder gehören zu den seltensten und am meisten gefährdeten Lebensräumen in Mitteleuropa – weniger als ein Prozent der ursprünglichen Fläche ist noch erhalten. Als „moderne Arche Noah“ bieten sie Rückzugsräume für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten.
„E
s ist eine Landschaft voller Wunder, vergleichbar nur den tropischen Urwäldern, ein Dschungel in unseren gemäßigten Breiten“, so enthusiastisch beschrieb Konrad Lorenz die naturnahen Auwälder und setzte mahnend hinzu: „Wissen wir überhaupt, was wir im Begriff sind zu verlieren?“ Geprägt vom steten Wechsel von Überflutungen und Trockenfallen wuchsen ursprünglich an allen Flüssen Wälder von erstaunlicher Vielgestaltigkeit. Eng verzahnt bilden viele unterschiedliche Standorte ein kleinteiliges Mosaik aus Lebensräumen für eine extreme Artenfülle. Zwei Drittel aller Lebensraumtypen finden sich auf ursprünglich nur sechs bis acht Pro-
zent der Landesfläche in den Auen, über 12.000 Tier- und Pflanzenarten haben hier eine Heimat.
Pionierpflanzen mit besonderen Wurzelsystemen Ganz nahe am Fluss, dort wo häufig im Jahr das Wasser über die Ufer tritt, legen Pionierpflanzen wie die Weide oder das Rohrglanzgras, mit ihren Wurzeln den Boden fest. Bald wachsen Weiden, Pappeln, Erlen und andere Spezialisten, deren biegsame und zugfeste Äste den Wassern widerstehen. Ihre Wurzeln verfügen über hocheffektive Belüftungssysteme und können es ertragen, oft im Wasser
zu stehen. Diese so genannte Weichholzaue verträgt eine Überflutungsdauer von bis zu 200 Tagen im Jahr.
Flatterulme, Springfrosch & Co – große Vielfalt in der Hartholzaue In den etwas flussferneren Teilen einer Aue bestimmt die jährliche Überflutungsdauer, welche Pflanzen- und Tiergesellschaften dort anzutreffen sind. Bei einer durchschnittlichen Überflutung von einbis zweimal im Jahr und für insgesamt nur 20 bis 50 Tage wächst die so genannte Hartholzaue. Hartholz deshalb, weil dort Baumarten wie Stieleiche, Flatterulme oder Esche dominieren. Lianen wie der wilde Hopfen oder die Waldrebe sind hier zuhause. Auch die wilde Form des Weinstocks hat hier seine ursprüngliche Heimat; er kann hier bis 30 Metern hoch werden, gehört allerdings zu den extremen Seltenheiten unserer Flora und findet sich nur noch in den wärmsten Gegenden am Oberrhein und an der Donau. >
Auen sind dynamische Lebensräume mit extremer Artenfülle. In Mitteleuropa sind sie Hotspots der Artenvielfalt. Bild oben: Großer Fuchs, Bild Seite 33: Springfrosch
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magazin Hartholzauen sind wegen der häufigen natürlichen Störungen reich an Totholz; die verschiedenen Entwicklungsphasen des Waldes können kleinsträumig nebeneinander auftreten und bieten so eine große Vielfalt an Lebensräumen. Seltene Schmetterlinge wie der Große Schillerfalter oder der Große Fuchs tummeln sich dort, Prachtlibellen, über 1000 Käferarten, rare Amphibien wie der Springfrosch und viele Vogelarten leben hier.
n naturschutz
Lebendige Wälder bewahren Vielfalt Seinen Horst baut der Schwarzstorch in alten Laubbäumen auf ausladenden Ästen. In Bächen, Tümpeln und Feuchtwiesen jagt er Fische, Amphibien und Mäuse.
Flüsse und Auen sind vielerorts gefährdete Biotope Ursprünglich an nahezu jedem Fluss und Bach zu finden, sind naturnahe Auwälder durch intensive Nutzung der fruchtbaren Auenböden, den Bau von Deichen und Stauregulierungen heute weitgehend verschwunden. Dies zeigt sich insbesondere bei den Auen der großen Flüsse. In Deutschland sind 83 Prozent aller Biotoptypen der Flüsse und Auen gefährdet. Besonders die Hartholzauen hat es schwer getroffen. Lediglich rund 5.700 Hektar naturnahe Hartholzauwälder sind bundesweit noch erhalten, was weniger als einem Prozent des ursprünglichen Bestandes entspricht. In größerer Ausdehnung existieren naturnahe Auenflächen heute nur mehr an sehr wenigen Stellen, etwa an der Mittleren Elbe zwischen Dessau und der Saalemündung, dem Mündungsbereich der Isar in die Donau oder an wenigen Stellen am Ober- und Niederrhein. Wissen wir eigentlich, was wir verloren haben? Es ist dringend an der Zeit, die letzten naturnahen Auen zu erhalten und den Flüssen mehr Raum zu geben. Die DUH setzt sich mit ihren NetzwerkPartnern für Lebendige Flüsse hierfür ein. Außerdem arbeitet sie derzeit an einer umfangreichen Dokumentation, die Beispiele für gelungene Renaturierungen präsentiert, die zum ökologischen Hochwasserschutz beitragen. Die Veröffentlichung wird voraussichtlich im Herbst erscheinen. (aw) o
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Der Schwarzstorch stellt hohe Ansprüche an seinen Lebensraum.
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ralte Baumriesen sind ebenso selten in unseren Wäldern wie naturnahe Kleingewässer. Deshalb setzt sich die Deutsche Umwelthilfe für die Entwicklung wilder Wälder ein. Mehrere Projekte haben darüber hinaus das Ziel, dass Wasser im Wald sein darf. Technische Möglichkeiten dafür gibt es viele: Wasserabflüsse verstopfen, Wehre schließen und Gräben zuschütten. Feuchtwälder binden in hohem Maße CO2 im Boden und im Bewuchs – ihr Erhalt ist also auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
Feuchtwald bietet dem Schwarzstorch eine Chance Im Thüringischen Frankenwald bauen die Förster den Wald um. Sie entfernen Fichten, fördern anschließend den Jungwuchs von Laubgehölzen oder pflanzen Buche, Bergahorn und Tanne als Bergmischwald. Das Projektgebiet umfasst eine 2.500 Hektar große Fläche; mitten hindurch führt der ehemalige innerdeutsche Grenzstreifen, der bereits ökologisch wertvolle Lebensräume bietet. Dank der Bergbäche findet der Schwarzstorch im Gebiet reichlich Nahrung und erzielt schon jetzt überdurchschnittliche
Bruterfolge. Die DUH unterstützt das Projekt finanziell. Auch andernorts in Deutschland sind die beim Schwarzstorch beliebten Laubmischwälder stark bedroht. Mit Partnern vor Ort setzt sich die DUH für den Erhalt der Nordvorpommerschen Waldlandschaft ein. Hier gibt es noch Erlensümpfe, Waldwiesen und Moore. Der örtliche NABU pflegt Feuchtwiesen und ist ständig im Gespräch mit Forstbehörden und Landwirten, um für naturschonende Bewirtschaftung zu werben. Südlich des Hunsrücks (Rheinland-Pfalz) setzt sich das Regionalbündnis SoonwaldNahe e.V. mit Unterstützung der DUH dafür ein, dass der bestehende Naturpark hohe ökologische Standards erreicht. In der Vergangenheit entwässerten Waldbesitzer etliche Flächen und pflanzten monotonen Stangenwald, der in kurzer Zeit hohe Holzerträge erzielt. Um den ursprünglichen Charakter des Soonwaldes wieder herzustellen, legt der Verein in enger Zusammenarbeit mit Förstern Bruch- und Feuchtwiesen an. (jk) o Förderer:
von
magazin gie. Im Winter wandern die erwachsenen Fische aus der Lippe in die kleinen Nebenbäche und laichen dort. In seichten Überschwemmungsflächen wachsen die jungen Quappen im zeitigen Frühjahr geschützt auf. Sind sie erwachsen, wandern sie mit dem nächsten Hochwasser zurück in die Lippe. Die Voraussetzungen an der Lippe sind gut: die Wasserqualität ist hervorragend, Überschwemmungsräume sind vorhanden und Naturschutzfachleute verbessern derzeit die Gewässerstrukturen für die Quappen. (jk) o
n naturschutz
1.000 Bäume für den Auwald
Leserbrief
Die letzten Zeugen der früheren Auwälder sind rar. An die Lippe, einen der großen Flüsse Nordrhein-Westfalens (Kreis Soest), wollen Naturschützer den Auwald zurückholen.
I
n die Lippeaue ist bereits viel Geld geflossen: Das Land Nordrhein-Westfalen und die NRW-Stiftung haben in den vergangenen 20 Jahren rund 850 Hektar Flächen erworben und umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt. Flutrin-
nensysteme wurden ausgebaggert, die Flusssohle erhöht und verbreitert, um naturnahe Überschwemmungsverhältnisse zu ermöglichen. Doch der einst vorhandene Auwald kehrt nicht von allein zurück, im landwirtschaftlich genutzten Grünland kann er sich nicht vermehren. Die DUH und ihr örtlicher Partner, die Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz (ABU), wollen entlang der Lippe neue Auwälder etablieren. Aus dem Bestand alter Eichen, Schwarzpappeln und Baumweiden, die sich über Generationen an die Überschwemmungsbedingungen angepasst haben, werden Stecklinge als Pflanzmaterial für neue Auengehölze gewonnen. Tausend Bäume sollen gepflanzt und die Keimzelle für einen Feuchtwald werden, in dem Schwarzstorch, Mittelspecht und Biber leben können.
Wo es natürliche Steilufer gibt, kann der Eisvogel nisten. Die Quappe leidet unter Verbauungen der Flüsse.
Hilfe für die Quappe In der Lippe existiert noch eine kleine Quappenpopulation. Für deren Schutz setzen sich die DUH-Partner im Rahmen ihres Projektes auch ein. Dabei geht es vor allem um eine bessere Durchgängigkeit der Flüsschen und Bäche: Verrohrungen oder Hindernisse, die Nebenbäche abtrennen, müssen entfernt werden. Denn die Quappe, ein deutschlandweit stark gefährdeter Süßwasserdorsch, hat eine anspruchsvolle Fortpflanzungsbiolo-
n Zum Artikel „Erster Bote des rück-
kehrenden Frühlings“ in der DUHwelt 1/2011 erreichte uns folgende Zuschrift: „Im textlichen Teil verweisen Sie auf das massive Verschwinden des Kiebitzes in der Kulturlandschaft. Die vermeintlichen Ursachen werden benannt – dem ist nichts hinzuzufügen. Allerdings vermisse ich jeglichen Hinweis auf die massive Vogeljagd in Frankreich und den Mittelmeerländern. Meines Wissens geht der Kiebitzabschuss in Frankreich in die Hunderttausende, genaue Zahlen sind beim Komitee gegen Vogelmord, Bonn zu erfragen. Dieser Aderlass ist sicher ein wichtiger Grund für das Verschwinden des Kiebitzes in Mitteleuropa.“ o Franz Beer, BUND Markdorf
(Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Form abzudrucken. Leserbriefe geben nicht unbedingt die Meinung der Deutschen Umwelthilfe wieder.)
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magazin baut, konnte sich der Konzern bisher noch immer aus der Verantwortung stehlen.“
n naturschutz
Die Werra ist kein Abwasserkanal!
Die Aufsalzung der Werra ist bis zu einem Grenzwert von 2.500 Milligramm Chlorid pro Liter Flusswasser behördlich erlaubt. „Es ist paradox. Entgegen der Europäischen Wasser-Rahmenrichtlinie gestatten es die zuständigen Landesbehörden der Kali-Industrie noch immer, Werra und Weser als Entsorgungswege zu benutzen – zu Lasten der Allgemeinheit“, erklärt Vogel. Die Richtlinie verpflichtet die EUMitgliedstaaten zum Einstieg in eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung. Bis 2015 soll eine gute ökologische Qualität für alle europäischen Flüsse erreicht werden, die an einer naturnahen Tier- und Pflanzenarten-Zusammensetzung gemessen wird.
Bis zum Jahresende müssen an der Werra wichtige umweltpolitische Entscheidungen fallen. Gespräche an einem „Runden Tisch“ und Empfehlungen an das Unternehmen K+S gab es bereits viele, um die Werra vor weiterer Salzfracht aus der Kaliindustrie zu bewahren. n von Thomas Wey
S
eit mehr als 100 Jahren nutzt der Düngemittelhersteller K+S die Werra und die umgebende Landschaft als billige Entsorgungswege. Ende 2011 läuft die Genehmigung zur Verpressung von salzhaltigen Abwässern in den Untergrund aus; im Folgejahr endet auch die Genehmigung zur direkten Einleitung in den Fluss. K+S versucht, sowohl die Verpressung als auch die Einleitung aufrecht zu erhalten. Die Behörden haben zumindest angekündigt, in den neuen Genehmigungen strengere Maßstäbe ansetzen zu wollen. Der
Ein Fernsehteam berichtet über Salz-Einleitungen (oben).
BUND als vor Ort aktiver DUH-Partner, weitere Umweltverbände, Bürgerinitiativen und Kommunen an der Werra fordern von den Landesumweltministern endlich einen verbindlichen Fahrplan zur schrittweisen Reduzierung der Belastungen. Der „Runde Tisch“ empfiehlt als Lösung der Probleme den Bau einer Rohrleitung, die die flüssigen Salzabfälle bis in die Nordsee transportiert, bis spätestens 2020. Die technische Machbarkeit und die ökologische Verträglichkeit solch einer Pipeline ist durch Gutachter längst nachgewiesen.
Der Konzern steht in der ökologischen Verantwortung
Die „Werra-Nixe“, eine Holzskulptur, steht für Bürger-Engagement im Gewässerschutz.
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Das Vorkommen des Getigerten Flohkrebses zeigt in Fließgewässern wie der Werra eine Störung des Ökosystems an.
„Die Kosten von rund 500 Millionen Euro für den Bau der Pipeline erscheinen erst einmal viel“, kommentiert Dr. Burkhard Vogel, Landesgeschäftsführer des BUND Thüringen. „Aber angesichts einer jährlichen Gewinnausschüttung an die Aktionäre des Konzerns in derselben Höhe ist die Finanzierung durchaus kein Problem. Durch den hohen Stellenwert des Bergrechtes in Deutschland und den großen Druck, den K+S angesichts von 5.000 Angestellten gegenüber der Politik auf-
Derzeit können sich Fische in dem salzigen Milieu der Werra nicht mehr reproduzieren, die typischen Kleinlebewesen fehlen fast völlig. Einzig ein in den 50er Jahren hier eingesetzter BrackwasserFlohkrebs bildet die Nahrungsgrundlage für die verbliebenen Fische. Durch die Verpressung dringt zudem salziges Abwasser in die Grundwasserschichten ein und versalzt Trinkwasservorräte. Mehrere Kommunen haben bereits eine Klage gegen K+S auf den Weg gebracht. o
Thomas Wey leitet im Rahmen des Projekts Lebendige Werra das „Büro am Fluss“ in Meiningen.
Internet: www.bund.net/thueringen
Förderer des Netzwerks „Lebendige Flüsse“:
Foto: M.Großmann/Pixelio.de
Ich werde Mitglied im Förderkreis und unterstütze damit die Arbeit der Deutschen Umwelthilfe zum Schutz von Natur und Umwelt.
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Glück gehabt?
Ihre Ansprechpartnerin Annette Bernauer Tel. 07732-9995-60 E-Mail: bernauer@duh.de
Deutsche Umwelthilfe e.V. Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell Fax: 07732-9995-77
Sie können auch über unsere Internetseite Mitglied des Förderkreises werden:
www.duh.de Spendenkonto: 81 90 002 2/2011 BLZ 370welt 205 00 37 Bank für Sozialwirtschaft Köln
magazin n naturschutz
Futter für die Bienen Die Obstbauern sind tatkräftige Partner im Netzwerk Blühender Bodensee. In einem Pilotprojekt mit der Bodensee-Stiftung und dem Handelspartner REWE Group legen sie Blühflächen an, pflanzen Hecken und stellen Nisthilfen für die stark gefährdeten Wildbienen auf. Der erfolgreiche Ansatz wird nun auf weitere Anbaugebiete ausgedehnt.
re deutsche Apfelanbaugebiete und nach Österreich übertragen. Etliche Obstbaubetriebe wollen ihre Umweltbilanz sogar weiter verbessern: Gemeinsam mit der Bodensee-Stiftung ermitteln sie Möglichkeiten zur Kraftstoffund Pestizideinsparung.
Inspirationen für Hobbygärtner und Sportler Mit dem Bodensee-Megathlon in Radolfzell nutzt die Bodensee-Stiftung in diesem Jahr eine Sportveranstaltung mit über 2.000 Teilnehmern und mehreren Tausend Zuschauern, um Farbe in die Landschaft zu bringen. Mit Unterstützung der Sparkasse Singen-Radolfzell legen Kommunen und Landwirte entlang der Rad-, Inline- und Laufstrecken Blühflächen an. (pt) o
In den Monaten Juni bis September ist die Landschaft arm an Blüten. Obstbauern legen nun gezielt Blühflächen an.
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lf Pilotbetriebe zwischen Stockach und Ravensburg – darunter auch Bio-Betriebe – haben Betriebsleiter, Anbauberater, Naturschützer und Imker im vergangenen Jahr für Blüten besuchende Insekten umgestaltet. In den Obstplantagen und in deren Nachbarschaft legten sie Blühflächen an und verbesserten mit Untersaaten das Blütenangebot. Auf einigen Flächen extensivierten die Obstbauern die Wiesenbewirtschaftung und schufen
somit langfristig mehr Lebensraum und Nahrung für Blütenbesucher und Samen fressende Vögel. Ab Mitte Juni blühte es dann kunterbunt und Wildbienenhotels boten neue Nistmöglichkeiten. Damit helfen die Obstbauern Bienen, Hummeln und Schmetterlingen. Denn die Blütenbesucher kämpfen zwischen Juni und September mit einer Trachtlücke, weil dann in der Bodenseelandschaft – wie auch andernorts – nur wenige Pflanzen blühen.
Das Netzwerk gibt Impulse Seit Herbst 2010 kennzeichnet die REWE Group die Bodensee-Äpfel mit dem unternehmenseigenen Pro Planet Label. Dieses Zeichen erhalten Produkte, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, wie zum Beispiel den Schutz der Biologischen Vielfalt. 2011 werden bereits rund 80 Obstbauern am Bodensee mitwirken. Dazu weitet sich das Projekt auch räumlich aus. Knapp 20 Betriebe in der Region Neckar-Hohenlohe nehmen teil. Die REWE Group will den Ansatz auf weite-
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Sportler und Zuschauer werden beim diesjährigen Bodensee-Megathlon an blühenden Feldern und Wegrändern entlanggeführt.
Seine Erfolge hat das Netzwerk Blühender Bodensee in einer Broschüre zusammengestellt. Und pünktlich zur Gartensaison gibt es Pflanztipps für blütenreiche Gärten. Beide Publikationen finden Sie zum Herunterladen unter www.bluehender-bodensee.net. Die REWE Group informiert über ihr Label unter www.proplanet-label.com. Förderer: ��������� �����������������
Koordinator:
magazin
Der Plauer See ist Mitglied im 2009 gegründeten deutschen Seennetzwerk „Lebendige Seen Deutschland“.
Mit der Ernennung des Plauer Sees zum Lebendigen See des Jahres möchte der Global Nature Fund Aufmerksamkeit auf die Region lenken. Die BUND Ortsgruppe Plau will die Bevölkerung über die Folgen einer sich anbahnenden Zerstörung des Plauer Sees informieren. Der BUND fordert, die touristische Infrastruktur am See im Einklang mit Natur und Landschaft zu entwickeln und die wertvollen Uferbereiche unverbaut zu erhalten. Bei vielen anderen Seen ist ein Eingreifen schon zu spät. Das darf sich am Plauer See nicht wiederholen. (kt) o Förderer:
n SEENschutz / GNF
Plauer See ist erster Lebendiger See des Jahres
Artenschutz
Deutsche Seen gelten als sauber und reich an Tieren und Pflanzen. Obwohl dies nicht überall der Fall ist, sind Uferzonen vielerorts noch unverbaut und von Massentourismus verschont geblieben. Um den Blick auf solche Naturschätze zu lenken, ernennt der Global Nature Fund erstmals den Lebendigen See des Jahres.
Störche und Wölfe
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ie Mecklenburgische Seenplatte ist wegen ihrer glasklaren Gewässer und ihres natürlichen Zustandes ein beliebtes Reiseziel. Der drittgrößte und von vielen als der am schönsten empfundene See Mecklenburg-Vorpommerns ist der Plauer See. Lange Zeit fanden hier, von Menschen weitgehend ungestört, bedrohte Arten wie Fischotter, Kammmolch und Juchtenkäfer ein Zuhause. Auch Fischadler, Seeadler, Raubwürger und Rohrdommel fühlen sich am idyllischen See immer noch wohl. In neuster Zeit werden jedoch verstärkt Investoren auf den See aufmerksam und planen Wohnungsbauprojekte, neue Häfen und Ferienparks. Die Anliegergemeinden versprechen sich finanziellen Nutzen. Deshalb werden Bauflächen selbst aus Landschaftsschutzgebieten und sensiblen Uferbereichen herausgelöst. Zersiedlung, Zerstörung von Lebensräumen bedrohter Tier- und Pflanzenarten, sowie zunehmende Beunruhigung der Wasserflächen sind die Folge.
n Zwei Tagungsbände zum Artenschutz sind im Mai beim NABU Landesverband Sachsen erschienen: In der 80-seitigen Broschüre „Störche in Sachsen“ kommen Naturschutzfachleute und -praktiker aus dem NABU und anderen Verbänden zu Wort. Sie stellen u. a. Artenschutzprogramme vor und bewerten sie, wobei Biotopgestaltung eine wichtige Rolle spielt. Fischotter gehören zu den Arten, die besonders geschützt werden sollen.
Herabstufung von Schutzstandards Das geltende Bebauungsverbot für das Plauer Seeufer wurde in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig durch behördliche Ausnahmegenehmigungen unterwandert. Nun wird der Schutzstatus weiter gelockert: Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns setzte mit einem neuen Naturschutzausführungsgesetz den Uferschutzstreifen aller Seen des Landes von 100 Meter Breite auf 50 Meter herab.
Im Jahr 2000 sind in der Oberlausitz erstmals seit der Ausrottung der Art in Deutschland wieder Wolfswelpen in freier Natur geboren worden. In dem Band „Wölfe in Sachsen“ (72 Seiten) bringen Vertreter des Landesumweltministeriums, der Forstwirtschaft, der Jägerschaft, der Wissenschaft und des Naturschutzes ihre Argumente und Informationen ein. Sie erhalten die Tagungsbände gegen Zahlung der Versandkosten bei: NABU Landesverband Sachsen e.V. Tel. 0341 2333130 E-Mail: landesverband@nabu-sachsen.de
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Neue Living Lakes-Perle in der Mongolei Der Khuvsgul See im Nordwesten der Mongolei ist neuer Living LakesPartner. Dass Natur- und Klimaschutz eng zusammenhängen, wird hier schnell anschaulich. n DUH International
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mgeben von scheinbar endlosen Lärchenwäldern liegt der Khuvsgul See in der südlichen Taiga, die durch kaltes, raues Klima und kurze Vegetationszeiten geprägt ist. Entsprechend karg ist der Bewuchs. Noch sind die Böden der Taiga ganzjährig gefroren, durch die globale Erwärmung tauen die Permafrostböden jedoch teilweise auf.
25 Tiere pro Einwohner Rund um den Khuvsgul See leben noch immer zahlreiche Nomaden mit ihren Schafen und Ziegen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass es 700.000 Nutztiere in der Region um den Khuvsgul See gibt – bei gerade einmal 28.000 Einwohnern. Die Größe der Herden hat in den letzten Jahren stark zugenommen, mehr Tiere bedeuten auch mehr Einkommen. Die Schafe und Ziegen lieben die saftigen Zweige der jungen Lärchen und fressen mancherorts große Flächen kahl. Ohne Bewuchs sind die Dauerfrostböden schutzlos der Sonne ausgesetzt, folglich tauen die Permafrostböden dann noch schneller auf. Die freigesetzten Treibhausgase treiben den Klimawandel weiter voran. Die Bewahrung der Lärchenwälder ist daher ein zentrales Anliegen der mongo-
lischen Living Lakes-Partnerorganisation Mongol Ecology Center (MEC). Die Umweltschützer zeigen den Hirten, welche Flächen besonders gefährdet sind und zukünftig von den Herden gemieden werden sollen. Gemeinsam mit den Hirten arbeiten sie neue Wanderrouten aus.
Das Okavango-Delta braucht Schutz!
Mit Pferden durch den Nationalpark
16.000 Quadratkilometern beherbergt
Im nahen Khuvsgul Nationalpark nahe der Grenze zu Russland will man den steigenden Autoverkehr mit der traditionellen Fortbewegungsart „Morin Ortoo“ unterbinden. An besonders schönen Stellen im Park und bei den Öko-Campingplätzen können Einheimische und Touristen Pferde mieten und sie an anderen Stationen wieder abgeben. Die Pflege und Fütterung der Tiere wird von den Nomaden übernommen. Ihre ökonomische Abhängigkeit von den Nutztierherden soll durch dieses zweite wirtschaftliche Standbein verringert werden. Die MEC-Aktiven wissen, dass es ihnen nur gemeinsam mit den Einwohnern gelingen wird, den Khuvsgul See zu schützen. Deswegen setzen sie auf Zusammenarbeit und Bewusstseinsbildung, um Wilderei, Abholzungen und Verschmutzungen zukünftig zu vermeiden. (sj) o
Pferde sind das traditionelle Transportmittel am Khuvsgul See.
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Das Okavango-Binnendelta ist ein einzigartiges Naturphänomen in Botswana, im südlichen Afrika. Auf rund es dank wechselvoller Wasserstände Sümpfe, Savannen, Wälder und Halbwüsten. In dem Gebiet leben 500 Vogelarten und eine große Anzahl Säugetiere. Bisher fehlt ihm jeglicher Schutzstatus.
D
ank umfangreicher Vorarbeiten von Karen Ross, einer Naturschutzexpertin und DUH-Partnerin, konnte die Regierung Botswanas die komplexen Anforderungen erfüllen und das OkavangoDelta auf die Vorschlagsliste des UNESCOWelterbes bringen. Für die Ausarbeitung des Bewerbungsdossiers durch Karen Ross hat die Deutsche Umwelthilfe mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit die notwendigen Finanzmittel bereitgestellt. Auch der vorwiegend aus Spenden von Rapunzel Naturkost finanzierte Hand in Hand-Fonds der DUH hat sich beteiligt. Nun heißt es, den Druck aufrecht zu erhalten, bis die UNESCO voraussichtlich im kommenden Jahr über die Aufnahme des Okavango-Deltas in die Welterbeliste entscheidet. Der politische Wille in Botswana ist vorhanden, doch die knappe Staatskasse kann für die professionellen Arbeiten keine Mittel bereitstellen. Dem Vorhaben droht das Geld auszugehen! Die DUH hat daher eine Spendenaktion gestartet, um das Okavango-Delta als Erbe für zukünftige Generationen zu erhalten. (ab, jk) o
Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft Köln BLZ 370 205 00 Konto: 81 90 002 Stichwort: Okavango
magazin n hand in hand-fonds
Ein Schutzzaun hilft Menschen und Elefanten Was unternehmen Dorfbewohner in Malawi, wenn Elefanten ihre Felder plündern und es dabei sogar Tote gibt? Die Naturschutzorganisation Wildlife Action Group International (WAGI) hat zusammen mit Anwohnern der betroffenen Dörfer eine Lösung gefunden: einen solarbetriebenen Elektrozaun.
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land den Titel „UNESCO-Welterbestätte“, darunter nur zwei Naturerbestätten, den Fossilienfundort „Grube Messel“ (Hessen) und das deutsche Wattenmeer. Zu den UNESCO-Kulturerbestätten zählen der Kölner Dom, das Obere Mittelrheintal, die Stralsunder Altstadt und die Klosterinsel Reichenau. Das Dresdner Elbtal musste mit dem Bau der Waldschlösschenbrücke seinen Kulturerbestatus 2009 ablegen. Die UNESCO will mit der Welterbekonvention dazu beitragen, Stätten von außerordentlicher Bedeutung für die ganze Menschheit zu erhalten. Mit der Unterzeichnung der Konvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, die innerhalb ihrer Grenzen gelegenen Welterbestätten zu schützen und dies eigenständig zu finanzieren. Ein von der UNESCO eingerichtetes, zwischenstaatliches Komitee prüft jährlich, welche Stätten neu in die „Liste des Welterbes“ aufgenommen werden. Als Kriterien dienen unter anderem „Einzigartigkeit“ und „Authentizität“ eines Kulturdenkmals oder die „Integrität“ einer Naturerbestätte. Ein überzeugender Erhaltungsplan wird ebenfalls verlangt.
Insbesondere Elefanten kehrten in das Gebiet zurück. Ihre Zahl wurde 2009 auf 100 Tiere geschätzt. Mit den wachsenden Tierpopulationen nehmen jedoch auch die Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren zu. Regelmäßig zerstören Elefanten die Ernte von Kleinbauern und richten damit großen existenziellen und finanziellen Schaden an. Zwischen April 2008 und September 2009 verloren vier Menschen durch Elefanten ihr Leben, und in der Folge wurden sechs Elefanten getötet. Der Elektrozaun soll für den weiteren, langfristigen Erfolg des Naturschutzprojektes und für die Sicherheit der entlang der Peripherie des Schutzgebietes lebenden Bevölkerung sorgen.
Viele Menschen aus der Umgebung finden hierdurch ein gutes Auskommen. WAGI plant, den Zaun zu verlängern, da Elefanten auch andere Dörfer „besuchen“. (cg, eb) o
Der Hand in Hand-Fonds fördert soziale und ökologische Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern. Der Fonds ist eine gemeinsame Initiative des Naturkostherstellers Rapunzel Naturkost und der Deutschen Umwelthilfe. Internet: www.rapunzel.de AN
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Ab September 2009 bauten WAGI-Wildhüter und Männer aus den umliegenden Dörfern den Schutzzaun. Er verläuft über eine Strecke von 12 Kilometern entlang der östlichen Grenze des Thuma Waldreservats. In der Bauphase stellten die vielen Hügel, Gräben und Schluchten eine besondere Herausforderung dar. In den ersten Monaten bauten die Dorfbewohner die notwendige Infrastruktur auf: die Solaranlage, ein Zufahrtstor, 16 Kilometer Zufahrtsstraßen und -wege sowie zwei Wachhäuser am Eingang zum Waldreservat. Außerdem bildete WAGI Personal für Zaunbau und Wartung aus.
Einheimische arbeiten bei Bau und Wartung des solarbetriebenen Zauns mit.
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911 Kultur- und Naturerbestätten aus 151 Staaten werden derzeit auf der UNESCO-Welterbeliste geführt.
Gravierende Konflikte
Die Elefanten verlassen das Waldreservat immer wieder und zerstören Felder und Gemüsegärten.
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n 33 mal findet man in Deutsch-
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Das Natur- und Kulturerbe der Menschheit
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Welterbekonvention
as Thuma Forest Reserve liegt in der afrikanischen Trockensavanne, südwestlich des Malawisees im Salima Distrikt. Seit 1996 leitet die WAGI zusammen mit der nationalen Forstbehörde von Malawi ein Langzeitprojekt zum Schutz der Wildtiere und des Wassereinzugsgebietes für den Malawisee. Dank des Einsatzes von Wildhütern und vieler Umweltschutzmaßnahmen haben sich Flora und Fauna des Reservats erheblich erholt.
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magazin n Meeresschutz
Im Juli 2011 wird die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine re-
Die europäischen Fischereien schwinden nachweislich. Einige Beispiele:
formierte Gemeinsame Fischereipolitik in der Europäischen Union vorlegen.
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Um die Wende zum 20. Jahrhundert betrug die Länge von Kabeljau in der Nordsee 1 bis 1,5 Meter bei einem Alter von acht bis zehn Jahren. Heute messen die angelandeten Kabeljaue lediglich fünfzig Zentimeter, ihr Alter liegt unter drei Jahren. Alle Angaben sind Durchschnittswerte.
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Früher war mehr Fisch: Zurück in die Zukunft
einer nachhaltigen Höhe entsprechen. Gemessen an den verfügbaren Beständen ist die gesamte europäische Fischereiflotte um rund 40 Prozent zu groß.
Im Jahr 1949 erreichte die Blauflossenthun-Fischerei in Nordeuropa ihren Höhepunkt mit einer Jahresfangmenge von 5.485 Tonnen – heute ist in Nordeuropa keine kommerzielle Blauflossenthun-Fischerei mehr möglich.
Um 1640 umfasste die niederländische Heringsflotte sieben- bis achthundert Fangschiffe mit insgesamt 11.000 bis 12.000 Mann Besatzung. Heute kann die Fangmenge von damals mit einem einzigen Trawler und einer zehn bis elf Fischer starken Mannschaft erwirtschaftet werden.
Harte Verhandlungen im EU-Ministerrat und im Europäischen Parlament stehen bevor, bis die Reform schließlich Ende 2012 beschlossen werden soll.
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Matrose mit Dorsch, 50er Jahre. Bei vielen Arten hat sich die Durchschnittsgröße der angelandeten Fische drastisch verringert.
Deutsche Ostsee 2011: Die Mindestanlandegröße vom Dorsch beträgt heute 38 cm. Zu kleine Fische werden oft noch auf See über Bord geworfen.
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senschaftliche Empfehlung, die Fischerei einzustellen. Immer weniger Menschen können von der Fischerei leben: Die Beschäftigung im Fischereisektor ist von 1997 bis 2005 um 23 Prozent zurückgegangen.
ie geplante Reform ist Anlass genug, die Lehren aus Geschichte und Gegenwart der Fischerei zu ziehen. Ein Rückblick veranschaulicht, dass die Fischerei erst in den jüngsten Jahrzehnten zu einer Geschichte der Überfischung geworden ist. Deutlich wird außerdem, wie Überfischung die Meeresumwelt, die Zusammensetzung mariner Lebensgemeinschaften und auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der von der Fischerei lebenden Menschen verändert.
Fischbestände auf dramatisch niedrigem Stand So weit der Mensch zurückdenken kann, gab es in Europa mehr Fische, mehr Boote, mehr Fischereien und mehr Gemeinschaften, die von der Fischerei leben konnten, als heute. Mehr als 70 Prozent der europäischen Fischbestände werden nicht nachhaltig befischt, viele drohen zusammenzubrechen. Für 14 Prozent der Bestände gilt eine dringende wis-
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Nach Schätzung der Europäischen Kommission erzielt die Fischereiflotte der EU in einigen Mitgliedstaaten Fangmengen, die dem Doppelten bzw. dem Dreifachen
Das wollen wir wiederhaben! Indem wir uns den vergangenen Reichtum der Meere bewusst machen, gibt es an die Politik eine einfache Botschaft: Das wollen wir wiederhaben! Die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik bietet die Chance, zurück in die Zukunft zu reisen. Dafür engagieren sich Umweltund Naturschutzorganisationen in ganz Europa in der Kampagne OCEAN2012. Die DUH koordiniert die Aktivitäten dieser Kampagne in Deutschland. (nw) o
Auf EU-Märkten (wie hier im spanischen Cádiz) werden immer noch Haie und andere stark gefährdete Fischarten wie Blauflossenthunfisch angeboten.
magazin n umweltbildung
Die Biodiversitätspolitik entdeckt die Jugend Seit vielen Jahren sind Kinder und Jugendliche Zielgruppe der Naturschutzarbeit der DUH, sei es bei den Elbe-Schüler-Camps oder beim Projekt „Wer is(s)t fair?“. Nun endlich scheint auch die Politik die Jugend zu entdecken.
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essourcen, Biodiversität, die eigene Gesundheit und das Miteinander der Weltgemeinschaft beeinflussen wir täglich bei der Wahl und Zubereitung unseres Essens. Der DUH-Regionalverband Nord zeigt Jugendlichen und ihren Familien in seinem Projekt „Wer is(s)t fair?“ anschaulich solche Zusammenhänge. Mit dem Netzwerk „Schulen für Lebendige Flüsse“ bringt die DUH lokale Umweltverbände und Jugendliche zusammen. Bei gemeinsamen Aktionen erleben die Schüler, dass sie ihre Umwelt positiv gestalten können, indem sie zum Beispiel die Gewässerstruktur des heimatlichen Flusses verbessern. Auch bei den Elbe-Schüler-Camps der DUH stehen Naturerfahrung, Gruppenarbeit und eigenes Handeln im Vordergrund.
Forschen und Begreifen.
Visionen für den Biodiversitätsschutz „Biologische Vielfalt erhalten heißt Zukunft gestalten. Ich freue mich, dass wir mit dem Jugendkongress zur biologischen Vielfalt in den Dialog mit den jungen Leuten eintreten.“ Mit diesen Worten begrüßte Bundesumweltminister Norbert Röttgen 200 junge Teilnehmer des Kon-
n umweltbildung
gresses „Jugend|Zukunft|Vielfalt“ vom 6. bis 8. Mai in Osnabrück. Das Bundesumweltministerium (BMU), das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hatten zu dem Jugendkongress eingeladen. Er soll helfen, die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) umzusetzen und stellt ein eigenes Forum zur Biodiversität nur für junge Menschen dar. DBU-Generalsekretär Fritz Brickwedde unterstrich, dass der Erhalt der Biodiversität entschlossenes gemeinsames Handeln erfordere, da es letztlich um die Lebensgrundlagen von uns allen gehe. „Und dazu sind wir gerade auf junge Leute angewiesen – auf ihre Kreativität, ihre Ideen und Visionen“. Die 16- bis 25-Jährigen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz entwickelten – jeweils nach einem Impulsreferat von Experten – in zehn moderierten Arbeitsgruppen Konzepte, Zukunftsideen und Strategien zu verschiedenen Themen, die auch in der NBS als Zukunfts-Ziele definiert sind. So etwa zu „Zukunft der Meere“, „Biodiversität – Grünes Gold in der Wirtschaft?“, „Biopiraterie“. Die DUH war – passend zu ihren umfassenden Aktivitäten auf diesem Gebiet – mit dem Thema „Konsum und Lebensstil – Biodiversität für jeden Tag“ präsent. Die DUH wird auch über ihre Mitwirkung in der Arbeitsgruppe Biodiversität beim Runden Tisch Bildung für nachhaltige Entwicklung weiter für die Jugendlichen ansprechbar sein. Einige hatten spontan eine neue Gruppe gebildet, die den Nachlauf des Kongresses organisieren möchte, damit die Teilnehmer die neuen Kontakte aufrechterhalten und an den Themen weiterarbeiten können. Die Jugendlichen gaben Politik und Gesellschaft eine klare Botschaft mit auf den Weg, nämlich mehr für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu tun. (us) o
Wissensquiz über nachhaltige Ernährung Für die Umweltbildungsarbeit mit Kindern im Alter ab zehn Jahren bietet „Wer is(s)t fair?“ einen spielerischen Einstieg in das Thema gesunde, nachhaltige Ernährung.
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ie 400 Fragen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden rund um Gesundheit, Ökologie, Soziales und Ökonomie können immer wieder neu zusammengestellt werden. Die Spielerinnen und Spieler müssen sich jeweils für eine oder mehrere vorgeschlagene Antworten entscheiden. Für jede richtige Antwort erhält das Spielteam Fairnesspunkte und rückt dem Sieg näher. Joker steigern die Spannung oder beziehen das Publikum mit ein. Neben den 400 Fragekarten enthält die Spielbox ein analoges und digitales Lösungsheft und eine PowerPoint-Maske. Das Quiz ist ein Beitrag zu der DUHUmweltbildungsaktion „Wer is(s)t fair?“, die als UN-Dekadeprojekt ausgezeichnet wurde. (gf) o Alter: ab 10 Jahren, für den Schulunterricht ab Sekundarstufe I oder für außerschulische Gruppenarbeit Spielgruppen: Kleingruppen ab zwei Spieler plus Quizmaster Schutzgebühr: 18 Euro zuzüglich 7,50 Euro Versandkostenpauschale Bezug beim Herausgeber: Deutsche Umwelthilfe e.V., Regionalverband Nord, Tel: 0511-390805-15, E-Mail: duh-nord@duh.de Bestellformular im Internet: www.duh.de/nachhaltige_ernaehrung.html
Förderer:
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Unbekannte Tierart
Die Rückkehr des
heimlichen Jägers
Ende des 19. Jahrhunderts war der Luchs in fast ganz Mitteleuropa ausgerottet. Durch umfangreiche Wiederansiedelungsprogramme und Einwanderung aus Nachbarländern leben heute wieder etliche der scheuen Katzen in den verbliebenen großen, unzerschnittenen Wäldern. n von Albert Wotke
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on Wölfen und Bären wimmelt es nur so in den Märchen und Mythen der vergangenen Zeit. Den Luchs allerdings suchen wir bei den Gebrüdern Grimm vergebens, obwohl er als dritter großer Beutegreifer Europas den andern beiden nur wenig nachsteht. Der Grund ist in seiner extrem heimlichen Lebensweise zu suchen, die ihn schon früher nur äußerst selten mit dem Menschen in Kontakt brachte.
Einzelgänger im dichten Wald Erwachsene Luchse leben als Einzelgänger nahezu ausschließlich in dichten, unzerschnittenen Wäldern, am besten mit viel Unterholz, in dessen Schutz sie sich auf die Lauer nach ihrer Beute legen können. Ihre phänomenalen Sinnesleistungen „Augen wie ein Luchs“- sind sprichwörtlich: Die Augen sind sechsmal so lichtempfindlich wie die des Menschen, und es wird berichtet, ein Luchs könne das Rascheln einer Maus aus 50 und ein vorüber laufendes Reh aus 500 Metern Entfernung hören.Seine Beute kann zwei- oder dreimal so schwer sein wie
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er selbst. In Mitteleuropa stellt er überwiegend Rehen oder Gämsen nach. Meist sucht er in der Dämmerung Wildwechsel, lauert versteckt im Gebüsch und schleicht sich an, wenn ein Trupp vorüberzieht. Dann stürzt er sich auf sein überraschtes Opfer, packt mit den Krallen der Vorderpfoten zu und tötet es rasch durch einen Biss in die Kehle. Oft schleppt der Luchs die Beute über viele Meter in ein Versteck, um hernach zu speisen. Nacht für Nacht kehrt er zum Riss zurück, bis alles Fleisch verzehrt ist. Nur Knochen, Haut und Verdauungsorgane bleiben übrig. Ein Reh reicht dem Luchs für ca. eine Woche, sofern sich nicht ungebetene Mitesser wie Füchse an der fremden Beute gütlich tun. Ein Luchs benötigt im Jahr ca. 60 Rehe oder Gämsen. Doch verschmäht er auch Füchse, Eichhörnchen, Hasen oder junge Wildschweine nicht. Da der Luchs auf den Überraschungsangriff angewiesen ist und flinken Beutetieren nur ungern nachsetzt, benötigt er ein riesiges Revier zwischen 100 und 450 Quadratkilometern. So durchstreift er Tag für Tag nur ca. ein bis drei Prozent seines Gebiets.
Unbekannte Tierart
Steckbrief Luchs (Lynx lynx)
Meist schleppt der Luchs seine Beute in ein Versteck und frisst dort mehrmals.
Der Luchs ist die größte einheimische Katze. Die nächsten Verwandten sind der fast ausgerottete Pardelluchs auf der iberischen Halbinsel sowie der Kanadische Luchs.
Jungluchsen drohen viele Gefahren Nur in der Paarungszeit von Februar bis April begegnen sich Luchs und Luchsin für ein paar Tage. Das Weibchen wirft nach einer Tragzeit von rund 70 Tagen Ende Mai oder Anfang Juni ein bis vier blinde Junge. Diese kommen in einer Felshöhle oder unter einem umgestürzten Baum zur Welt. In den ersten Wochen werden sie von der allein aufziehenden Mutter gesäugt, danach können sie ihr erstmals zu einem Beutezug folgen. Rund zehn Monate bleiben die Kleinen bei der Mutter, bis sie sich ein eigenes Revier suchen müssen. Viele überleben das erste Jahr der Unabhängigkeit nicht, sondern werden Opfer von Verkehrsunfällen oder auch Fressfeinden. Tiere, welche diese erste schwere Zeit überwunden und ein eigenes Revier ergattert haben, können jedoch bis zu 17 Jahre alt werden. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Luchs in den meisten Gegenden Europas unbarmherzig gejagt und vielerorts ausgerottet. Der letzte deutsche Luchs wurde um 1850 in den bayerischen Alpen erlegt. Nur in abgelegenen Regionen der Pyrenäen, der Karpaten und anderer waldreicher Gebirge konnten sich Luchse halten. Erst umfangreiche Schutz- und Wiederansiedelungsprogramme seit den 1960er Jahren sorgten für eine Trendumkehr. Heute sind in den Alpen bereits die meisten möglichen Reviere wiederbesiedelt, und auch in die großen Waldgebiete der deutschen Mittelgebirge wie Bayerischer Wald, Pfälzerwald, Fichtelgebirge oder Harz sind die heimlichen Jäger zurückgekehrt. Von dort aus sind Luchse bereits weiter gewandert, sogar Hinweise aus Nordrhein-Westfalen und Brandenburg liegen vor. Doch Wanderer werden die scheue Katze wohl nur selten zu sehen bekommen – soviel sie auch Augen und Ohren offenhalten mögen. o
Luchsweibchen ziehen ihren Nachwuchs allein auf.
Verwandtschaft
Aussehen, Gewicht und Größe
Kennzeichen sind die markanten Pinselohren, ein fahlgelbes bis bräunliches Fell mit dunklen Flecken und der sehr kurze Schwanz mit schwarzer Spitze. Der Luchs wird 80 bis 130 Zentimeter lang und erreicht eine Schulterhöhe von 50 bis 75 Zentimetern. Die Männchen wiegen im Durchschnitt 22 Kilogramm, Weibchen 18 Kilogramm.
Lebensraum und Lebensweise
Der Luchs bevorzugt große, möglichst unzerschnittene Waldgebiete mit dichtem Unterholz. In Europa besiedelte er von mediterranen Hartlaubwäldern bis zu den borealen Nadelwäldern alle Klimazonen von der Meereshöhe bis zur oberen Waldgrenze im Gebirge. Luchse leben als Einzelgänger. Luchsweibchen werden mit zwei Jahren, Männchen meist erst mit drei Jahren geschlechtsreif.
Nahrung
Er jagt vor allem mittelgroße Paarhufer wie Rehe und im Gebirge Gämsen. Notfalls erlegt er auch Füchse, Hasen, Eichhörnchen und andere Säugetiere, aber auch Vögel.
Verbreitung, Gefährdung und Schutz
In Europa und Asien ursprünglich weit verbreitet: von der Pazifikküste über Sibirien und Nordchina, Teile der Mongolei, Turkestan nach Russland über fast ganz Europa bis zu den Pyrenäen. Im Gesamtverbreitungsgebiet ist der Luchs nicht selten (Gesamtbestand: ca. 50.000 Tiere, davon in Europa ca. 7.000), in Deutschland wie in weiten Regionen Mitteleuropas wurde der Luchs bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fast vollständig ausgerottet. Dank Wiedereinwanderung aus Nachbarländern wie z.B. Tschechien und Ansiedelungsprogrammen gibt es heute wieder Luchse im Bayerischen Wald, in der Sächsischen Schweiz, im Pfälzerwald, im Fichtelgebirge und eine kleine Population im Spessart. Seit 1999 läuft im Nationalpark Harz ein Luchswiederansiedelungsprogramm mit nachgezüchteten Tieren.
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DUH intern
Schlaglichter auf die DUH des Jahres 2011 Im Jahr 2001 hat Harald Kächele von Gerhard Thielcke den Stab übernommen und damit auch die Verantwortung für die Entwicklung der Deutschen Umwelthilfe. In den zehn Jahren seiner Amtszeit ist eine Menge passiert. Das nehmen wir zum Anlass für ein paar Fragen an den Vorsitzenden.
DUHwelt: Mit welchen Strategien und mit welchem Erfolg setzt sich die DUH für den Naturschutz in Deutschland ein?
Wie wirkt die DUH auf Politik und Unternehmen ein, damit Umweltstandards verbessert und eingehalten werden?
Harald Kächele: Erfolgreicher Naturschutz basiert auf guten Projekten vor Ort. Wir führen traditionell zwar keine eigenen Naturschutzprojekte durch, unterstützen aber eine Vielzahl hervorragender Projekte anderer Verbände mit Zuschüssen. Hier gilt ein besonderer Dank unseren Spendern, seien es Privatpersonen oder Unternehmen.
Zunächst brauchen wir Unternehmen, die in der Lage sind, umweltfreundlichere Produkte, seien es nun Energiesparlampen, Leichtlaufreifen oder Dieselrußfilter herzustellen. Diese Produkte haben in der Regel nur dann eine Chance, wenn entsprechende Mindeststandards in den Gesetzen verankert werden. Unser Job ist es, darauf hinzuwirken, dass die Gesetze entsprechend ausgestaltet werden.
Wir müssen aber auch feststellen, dass die Bedeutung des Naturschutzes in Deutschland vor allem in der Politik immer mehr verkommt. Deshalb engagieren wir uns seit einigen Jahren auch in Berlin und Brüssel mit einem Stamm von eigenen Mitarbeitern, um dem Thema in der Politik wieder mehr Raum einzuräumen. Warum funktionieren die DUH-Wettbewerbe für Kommunen so gut? Das Wichtigste ist, dass es in Deutschland eine unglaubliche Vielfalt an ausgezeichneten Aktivitäten gibt, die von den Kommunen eigenständig entwickelt und getragen werden. Mit unseren Wettbewerben tragen wir eigentlich nur dazu bei, diese in der Praxis bereits bewährten Perlen sichtbar und anderen Städten und Gemeinden zugänglich zu machen. Ich erlebe unsere Wettbewerbe zum einen als große Bestätigung und Ansporn für die Vorreiterkommunen. Zum anderen werden Hemmschwellen für alle diejenigen Kommunen abgebaut, die in Sachen Umwelt- und Naturschutz noch nicht so stark aufgestellt sind, auch selbst aktiv zu werden.
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„Allerdings macht es
uns zunehmend Sorgen, dass wir zwar gute Umweltund Verbraucherschutzgesetze haben, die aber immer häufiger auch von sehr großen Unternehmen unterlaufen
“
werden.
Allerdings macht es uns zunehmend Sorgen, dass wir zwar gute Umweltund Verbraucherschutzgesetze haben, die aber immer häufiger auch von sehr großen Unternehmen unterlaufen werden. In ganz kurzer Zeit ist der Verbraucherschutz dadurch zu einem weiteren Markenzeichen unserer DUH geworden. Wie kann die große Transformation unserer Energieversorgung gelingen und welche Rolle will die DUH dabei spielen? Wir müssen endgültig raus aus der Atom- und Kohleenergie und rein in die Erneuerbaren und in energieeffiziente Lösungen. Im Kampf gegen Atomenergie und Kohlekraftwerke setzen wir vor allem auf juristische Expertise, mit der wir die hervorragende Arbeit anderer Umweltverbände flankieren können. In den Themenfeldern „Erneuerbare Energien“ oder „Ausbau von Stromnetzen und Speicherkapazitäten“, wo es häufig zu Konflikten mit dem Naturschutz kommt, ist die DUH vor allem als Vermittler und Moderator gefragt. o
Die Bundesvorsitzenden der Deutschen Umwelthilfe bei der Amtsübergabe: Gerhard Thielcke und Harald Kächele im Jahr 2001.
Menschen für Natur
Jens Schmidt liebte besonders die Wanderungen im Chiemgau und im Erzgebirge.
Ein Leben hinterlässt
Spuren
Die DUH dankt dem verstorbenen Spender Jens Schmidt, der mit seinem Testament ein bewundernswertes Zeichen seiner Naturliebe setzte.
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ens Schmidt (Jahrgang 1951) unterstützte als Spender schon seit rund 15 Jahren die Deutsche Umwelthilfe. Wir kannten ihn als treuen Förderer und interessierten Naturschützer, der von der Bedeutung unserer Arbeit für künftige Generationen überzeugt war. Sein früher Tod überraschte uns und noch mehr die Großzügigkeit des Erbes, das er uns hinterließ. Er war ein geduldiger und hilfsbereiter Mensch, dessen Leben vom frühen Verlust seines Vaters und dem fürsorglichen Zusammenleben mit seiner Mutter bis zu deren Tod geprägt war. Da er selbst keine Familie gründete, pflegte er weiterhin die verwandtschaftlichen Kontakte seiner Mutter ins Erzgebirge, wo sie herstammte. Er hingegen war in der Großstadt München verwurzelt und unternahm zahlreiche Touren in den Alpen, bei denen er Ruhe und Erholung fand. Er liebte es, bei ausgiebigen Wanderungen im Chiemgau und im Erzgebirge die Natur zu erkunden und Wildtiere zu beobachten. Sein besonderes Interesse galt der Erhaltung von urwüchsigen Landschaften und
ungestörten Lebensräumen, in denen auch die Wildkatze noch eine Chance hat.
am Herzen lag und zur Erfüllung seines letzten Willens beigetragen hat.
Jens Schmidt wurde während einer solchen Wanderung im Juni 2010 vom plötzlichen Herztod überrascht. Er war erst 58 Jahre alt. Sein bereits Jahre zuvor geschriebenes Testament zeugt von reiflicher Überlegung und dem Willen, Gutes zu tun. Neben der Deutschen Umwelthilfe bedachte er eine Familie aus seiner Verwandtschaft, die ihm besonders
Voller Dankbarkeit gedenken wir dieses Naturfreunds. Die DUH versteht ihre Arbeit als Fortführung dessen, was Jens Schmidt zu seinen Lebzeiten wichtig war: Schutz und Erhaltung der natürlichen Umwelt, damit auch künftige Generationen diesen Reichtum schätzen und lieben lernen. An dieser Aufgabe halten wir fest. (ab) o
■ Bildnachweis: Titelseite: Luchs, R. Erl/Naturfoto-Online; S. 3: A. Busch; S. 4: Stadt Leipzig, Amt für Stadtgrün und Gewässer, 2006 (o), R. Sturm/Pixelio (m), Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land (u); S. 5: Gitti Moser/Pixelio (o), Marianne/Pixelio (m), Pitopia/G. Alexander (u.); S. 6/7: O. Hahn/hahn-film; S. 8: Bündnis 90/Die Grünen BadenWürttemberg; S. 9: GNF-Archiv; S. 10: DUH/O. Finus (o), NABU/Reufsteck (m), NABU (u); S. 11: DUH/C. Göcke; S. 12: Leipzig/G. von Szombathely; S. 13: eF/wikimedia (o.l.), LH Hannover, S. Boers (l.u.), LH Hannover (r), DUH/B. Kleemann (u); S. 14: Ravensburg (o), Leipzig, Häfner /Jimenèz, 2005 (u); S. 15: Marburg/H. Scherer (o.l.), Marburg/H. Pukall (u.l.), W. Düx/Naturzentrum Eifel/Nettersheim (o.r.,m.r.), Umweltabteilung Gem. Ratekau (u.r.); S. 16: Deutsche UNESCOKommission (o), Ravensburg (u); S. 18: M. Bruns (o), Statkraft (u); S. 19: wrw/Pixelio (o), B. Dietl (u); S. 20: GNF-Archiv; S. 21: GNF-Archiv (o), B. Gagnon/wikimedia (u); S. 22. Mijozi/wikimedia; S. 23: R. Sturm/Pixelio (l), DUH-Archiv (r); S. 24: Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land; S. 25: Glasaktuell; S. 26: R. Sturm/Pixelio (o), picture alliance (m), Digital Globe/wikimedia (u); S. 27: A. Kusajda/Pixelio (o), D. Iliff/wikimedia creative commons (u); S. 28: G. Altmann/Pixelio (l), DUH-Archiv (r); S. 29: S. Göthert/Pixelio (l); S. 30: D. Salas (l), Fundación Moises Bertoni (r); S. 32: P. Wohlleben (o), M. Linnenbach/wikimedia (m), R. Sturm/Pixelio (u); S. 33: Alta Vista/wikimedia (o), Netzwerk Auenschutz (u); S. 34: S. Ernst/ Naturfoto-Online; S. 35: J. Drüke (o), M. Bunzel-Drüke (m, u); S. 36: T. Wey; S. 38: G. Winter/Pixelio (o), P. Trötschler (m.l.), sportograf (m.r.), netzwerk blühender bodensee (u); S. 39: GNF-Archiv (o), Templermeister/Pixelio (u); S. 40: GNFArchiv (l), G. Fischer/Naturfoto-Online (m); S. 41: R. Eckhoff (l), A. Gredik (o.r.), WAGI (u.r.); S. 42: Frontal Vision (o.l.), C. Arnold (o.r.), DUH/U. Stöcker (u); S. 43: T. Wey (l), DUH/B. Kleemann (r); S. 44: A. v. Düren/Naturfoto-Online; S. 45: A. v. Düren (l.o.), J. Schiersmann (l.u.), R. Erl (r.o.), U. Walz (r.u.), alle Naturfoto-Online; S. 46: DUH-Archiv; S. 47: privat
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