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Eine Hand voll Leben

Eine Hand voll Leben

Nach dem Überlebenskampf geht es für Eltern von Frühchen um das Verarbeiten der Ereignisse. Eine Elterngruppe bietet seit kurzem im Therapiezentrum Linzerberg (OÖ) Unterstützung an.

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von Karin Windpessl

Wenige Gramm kann neues Leben wiegen. „Eine Hand voll Leben“ nennt es Brigitte Fischerlehner in ihren Vorträgen, die sie zumeist vor PädagogInnen hält. Frühchen wiegen oft nur 600 Gramm. Mit Fachwissen möchte sie Verständnis für den Lebensweg von Frühgeborenen schaffen. Meist erkennen Erwachsene sehr spät, dass Kinder im Kindergarten oder in der Schule etwas mehr Zeit benötigen, anders reagieren und mehr Zuwendung brauchen, als ihre Klassenkollegen. „Frühchen“ müssen sich vieles hart erkämpfen, was für andere selbstverständlich ist.

Hier ist es wichtig, Bezugspersonen zu informieren. Schon sehr früh, ab der 23. Schwangerschaftswoche, ist es heute zumindest medizinisch möglich, ein Frühgeborenes zu retten. Hat das Baby überlebt, folgt die Verarbeitung der Erlebnisse. „Ein Trauma für die Eltern“ nennt es Fischerlehner, das es gilt, schrittweise aufzuarbeiten.

Es ist, als ob man auf einen 5000er geschickt wird – ohne Kondition und Kompass.

Die Psychologin gibt Eltern und Kindern psychologische Begleitung nach dieser schwierigen Phase einer Frühgeburt. Es gilt, bei der Gesundung von körperlichen und seelischen Wunden zu begleiten. Im Therapiezentrum werden Eltern und Kinder von Logopädinnen, Ergotherapeutinnen, Physiotherapeutinnen und Psychologinnen unterstützt. Mit einer ins Leben gerufenen Gruppe wendet sich das Therapiezentrum am Linzerberg nun gezielt an die Eltern von Frühchen. Auch Jahre nach der Geburt ist eine Teilnahme möglich. Ab März trifft sich die Gruppe einmal im Monat. Ungewisses Bangen, Hoffen, diese reale, ständige Todesangst. Fischerlehner: „Derlei intensive Gefühle verbinden und stärken. Man sieht, dass es auch andere mit einem ähnlichen Schicksal gibt.“

Wieso ist es gerade mir passiert? Bei den Eltern bricht ein Sturm der Gefühle los. Was habe ich falsch gemacht? Wieso ist gerade mir so etwas passiert? „Man ist auf die 40. Woche eingestellt, denkt, dass das Kind im Mai zur Welt kommt, und plötzlich findet die Geburt im Dezember statt. Oft müssen die Kleinen im Krankenhaus bleiben, um überwacht zu werden. Die frisch gebackenen Eltern kommen ohne Kind heim, Familie und Freunde trauen sich nicht nachzufragen, es gibt keine Glück wünsche“, beschreibt die Psychologin das Spannungsfeld der ersten Phase nach der Geburt.

Kommt ein Baby zu früh auf die Welt, ist es vielen Reizen zu früh ausgesetzt. „Es ist, als ob man auf einen 5 000er geschickt wird – ohne Kondition, ohne Kompass, ohne Schuhe, ohne Kleidung. Überhaupt nicht gesichert“, erklärt Fischerlehner. Meist werden die Frühgeborenen in den ersten Wochen intensivmedizinisch begleitet. In der Intensivstation sind Hoffnung und Angst ständige Begleiter. Dieser an sich lebensrettende Ort erzeugt aber auch Stress im Nervensystem des Neugeborenen – die Trennung von der Mutter, das Piepsen des Inkubators, das grelle Licht. Ein Rucksack, den viele Kinder ins Leben mitnehmen. Auch später kann es immer wieder vorkommen, dass Veränderungen im Leben wie Kindergartenstart oder Schulwechsel auf die Kinder ein hohes Maß an Stress erzeugen. Elisabeth Laggner ist es als Leiterin des Therapiezentrums am Linzerberg daher wichtig, „den Eltern zu vermitteln, dass sie und ihr Kind schon viel geschafft haben und das Vertrauen wieder wächst.“ Das Vertrauen in die eigene Kraft und in die gemeinsame Zukunft. Auch wenn diese etwas anders aussehen mag, als geplant. Die neue Gruppe bietet hierfür einen geschützten Platz, einen Ort des Austauschs und der gegenseitigen Unterstützung.

Erstes Treffen

Alle interessierten Eltern von Frühchen unterschiedlichen Alters sind herzlich zum ersten Kennenlerntreffen eingeladen: 11. März 2019, 16.30 Uhr, im Therapiezentrum Linzerberg, Gallneukirchen. Anmeldungen im Sekretariat: Tel. 07235 63251 571

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