3 minute read
Was wird aus unserer Arbeit?
from Diakonie 01/2019
by Diakoniewerk
Robert Misik ist Journalist und Autor und schreibt unter anderem für „Falter“, „Profil“ und „Der Standard“. Auf Einladung der „Plattform Zukunft“ war Misik in Gallneukirchen (OÖ) zu Gast und und sprach über die Zukunft der Arbeit.
Karin Windpessl
Advertisement
Sie beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit dem Begriff der Arbeit. Wie wichtig ist es für Menschen, Arbeit zu haben?
Zunächst ist Arbeit natürlich eine Notwendigkeit, weil unser Einkommen von ihr abhängt. Dass wir Geld haben, das Lebensnotwendigste kaufen zu können, aber auch, darüber hinaus, einen gewissen Wohlstand zu erwirtschaften. Aber die Bedeutung der Arbeit geht darüber weit hinaus. Arbeit ist für die meisten von uns eine wichtige Quelle der Identität.
Was alles kann Arbeit leisten? Von der finanziellen Absicherung einmal abgesehen.
Sie leistet unglaublich viel. Sie stattet uns mit Identität aus, aber auch mit unserem gesellschaftlichen Status. Sind wir anerkannt in den Augen der anderen? Diese Frage hat viel mit unsere Stellung im Erwerbsleben zu tun. Arbeit strukturiert unseren Tag. Oft ist sie eine Herausforderung in positiver Hinsicht, wir verbessern unsere Fertigkeiten im Prozess der Arbeit, was uns wiederum ein gutes Gefühl geben kann. Im Kollegenkreis sind wir, wenn alles gut läuft, aufgehoben. Fühlen wir uns respektiert im Job, geht es uns gut, fühlen wir uns gemobbt oder nur als Befehlsempfänger, eher schlecht. Die Arbeit hat also viel Einfluss auf unseren Gefühlshaushalt.
Welche Auswirkungen wird die Digitalisierung auf uns Menschen haben?
Nun, an sich könnten wir uns darüber freuen: Die Geschichte des menschlichen Fortschrittes ist die Geschichte von Produktivitätsfortschritten durch technologische Innovation und bedeutete immer auch, dass uns harte Arbeit – oder auch nervtötende Arbeit – von Maschinen abgenommen wurde. Dieses Potential hat die neue technologische Revolution auch, die man schon das „zweite Maschinenzeitalter“ nennt.
Die Industrialisierung veränderte Arbeit an sich und den Begriff der Arbeit von Grund auf. Stellt die Digitalisierung einen ähnlichen Bruch mit bisherigen Strukturen dar?
Die erste industrielle Revolution vernichtete Arbeit in einem traditionellen Sektor, der Landwirtschaft, schuf aber neue Jobs im industriellen Sektor. Das bedeutete einige Jahrzehnte Verelendung. Langfristig entstanden aber Jobs mit hoher Wertschöpfung und ordentlichen Löhnen. Die Digitalisierung und Automatisierung kann nun den Effekt haben, dass in den industriellen Sektoren immer weniger Menschen arbeiten und neue Jobs vor allem im Dienstleistungsbereich entstehen, in dem üblicherweise schlechter verdient wird, wobei „Dienstleistungen“ natürlich ein sehr schwammiger Begriff ist. Da gehört der Banker genauso dazu wie das Pflege personal im Seniorenheim oder die Verkäuferin und der Verkäufer im Supermarkt.
Der Titel ihres Vortrags für die Plattform Zukunft lautete: „Intelligente Automaten, selbstlernende Maschinen. Werden wir am Ende alle arbeitslos?“ Darf ich Ihnen die Frage zurückspielen?
Ich denke, wir sollen den Satz sehr ernst nehmen: Voraussagen sind immer schwierig, besonders, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Wir können heute schon einige Tendenzen sehen, etwa die Automatisierung von Fabriken, und die wachsende Bedeutung von Dienstleistungen, die Fähigkeit, vieles zu automatisieren und auszulagern und den Aufstieg des Online- Handels. Wir erleben auch einen gewissen Aufstieg von Phänomenen der „modernen Sklaverei“. Dass uns die Roboter alle ersetzen, dafür gibt es aber keine Hinweise. Eher darauf, dass der Stress zunimmt und der Druck auf die Einkommen stärker wird.
Arbeitszeitflexibilisierung, mobiles Arbeiten – Wie wichtig ist heute noch der Begriff des Teams? Werden wir alle zu Individualisten?
Einerseits arbeiten wir vernetzter, also insofern wird die Bedeutung von Teams eher größer, andererseits entstehen viel mehr fluide, projektorientierte Teams und die Bedeutung einer eingeschworenen Kollegenschaft nimmt ab. Dass damit auch im Arbeitsbereich das Kollektive gegenüber dem Individuellen abnimmt, ist klar. Aber wir sollen auch nicht vergessen, dass dieser Wert des Individualismus einer ist, der von außen in die Unternehmen hineinwirkt. Er ist ja die Ideologie unseres Zeitalters.
Wie schaut die Arbeit der Zukunft aus?
Zum Teil werden uns Maschinen ersetzen. Bauarbeiter können durch Roboter ersetzt werden, die Ziegelhäuser viel schneller errichten. Anwälte können durch Software ersetzt werden. Röntgenärzte ebenso. Die Liste der Berufsbilder, die ersetzt werden können, ist lang. Andererseits sind immer schon viele Berufsbilder durch neue technische Möglichkeiten ersetzt worden. Und dafür sind immer auch neue entstanden. Wir werden viel mehr mit intelligenten Maschinen zusammen arbeiten müssen. Was die PCs betrifft, sind wir das ohnehin schon gewohnt. Aber auch Roboter in der Produktion werden wohl bald viel kollaborativer werden, also nicht bloß irgendwelche Roboterarme, die einen Schritt ausführen, sondern die mit uns zusammen arbeiten, wie ein Kollege, die also auch auf uns reagieren können.
Wie kann ich mich als Arbeitnehmer darauf vorbereiten?
Individuell, indem ich mich für Neues interessiere, indem ich lerne, mich sogar begeistere für diese Wunderwelt. Nur ist das auch eine Falle: So rennen dann alle ein Rennen gegeneinander. Viel wichtiger ist eine kollektive Vorbereitung, etwa durch Betriebsräte, die am besten schon voraus denken, wohin die Reise geht, damit sie nicht immer nur reagieren.
Immer öfter wird von Arbeits - zeitreduktion bei Vollzeitanstellung gesprochen, es gibt bereits Firmen, die eine 30 Stunden Woche Vollzeit anbieten. Was halten Sie davon?
Historisch war es jedenfalls immer so, dass mit den Produktivitätsfortschritten mehr Wohlstand, mehr Arbeitssicherheit und auch eine verkürzte Arbeitszeit einher ging. Wir haben die Arbeitszeit, grob gesagt, innerhalb von hundert Jahren zwischen 1870 bis 1970 von 70 auf 40 Stunden pro Woche reduziert – aber seither ging eher wenig voran. Also, natürlich steht das an: 30 Stunden sind genug.