GESCHÄFTSBERICHT 2005
Vorwort
Vorwort Zunehmend positive Wachstumsprognosen für 2006 zeigen, dass Deutschland angesichts seines großen Potenzials und seiner Chancen und angesichts eingeleiteter Reformen wieder auf einen leichten Aufschwung hoffen kann. Im Jahr 2005 war allerdings noch immer keine breit angelegte und selbsttragende wirtschaftliche Erholung festzustellen. Das vergangene Jahr steht jedoch für einen politischen Neuanfang. Die neue Bundesregierung hat die Chance, mit einem entschlossenen und zielgerichteten Kurs der Erneuerung unsere hausgemachten, strukturellen Probleme zu lösen, wieder nachhaltig Wachstum und Beschäftigung aufzubauen und zu sichern. Der Koalitionsvertrag reicht dazu allerdings nicht aus. Er formuliert aber das richtige und wichtige Ziel, die Beitragssätze zur Sozialversicherung zum 1. Januar 2007 dauerhaft auf unter 40 % zu senken. Dieser Selbstverpflichtung der großen Koalition zur Senkung der lohnbezogenen Sozialabgaben kommt entscheidende Bedeutung für die Schaffung neuer Beschäftigung zu. Allerdings kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn umgehend weitergehende ausgabensenkende Strukturreformen in Angriff genommen werden. Die BDA hat auch im Jahr 2005 in allen Bereichen der Sozialpolitik tragfähige, zukunftsorientierte Konzepte entwickelt und problemorientierte Lösungsansätze angeboten. Wir konnten zahlreiche Vorschläge durchsetzen und falsche Initiativen verhindern.
So haben Präsidium und Vorstand der BDA am 4. Juli das Reformkonzept der Arbeitgeber »Wachstum und Beschäftigung fördern« beschlossen, dessen Vorschläge im Koalitionsvertrag bereits zum Teil aufgegriffen wurden. Wir wollen die Politik darin unterstützen, Deutschland wieder voranzubringen. Ziel unserer Arbeit sind gesetzliche und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken, unternehmerisches Handeln fördern sowie zu einem investitionsfreundlichen gesellschaftlichen Klima in unserem Land beitragen. Der vorliegende Geschäftsbericht informiert Sie über die wichtigsten politischen Schwerpunkte unserer Arbeit im Jahr 2005.
Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums Berlin, im Dezember 2005
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Inhalt
Arbeitsmarkt
7
Arbeitsrecht
21
Tarifpolitik
35
Soziale Sicherung
45
Bildung/Berufliche Bildung
65
Europäische und internationale Sozialpolitik
83
Gesellschaftspolitik
97
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
105
BDA-Mitgliedsverbände
113
Präsidium und Vorstand
116
In memoriam
118
BDA-Organigramm
121
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ARBEITSMARKT
Arbeitsmarkt
Arbeitmarkt: Sorgenkind oder Trendwende? Der Abbau der Arbeitslosigkeit wird in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD zu Recht als »zentrale Verpflichtung« für die Regierungspolitik bezeichnet. Nach einem Jahr gesetzgeberischen Reformstillstandes mit erneuter Rekordarbeitslosigkeit ist hier auch höchste Priorität geboten. Angesichts der gewaltigen Herausforderung scheint die neue Koalition beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag denn auch entschlossen. Er soll von derzeit 6,5 % zu Beginn des Jahres 2007 auf 4,5 % gesenkt werden. Das ist ein richtiger und dringend notwendiger Schritt. Die BDA hatte im Februar 2005 nochmals an die alte Bundesregierung appelliert, durch eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung ein Aufbruchsignal zur Entlastung der Wirtschaft von den zu hohen Lohnzusatzkosten zu setzen. Die neue Bundesregierung will handeln, wünschenswert und möglich wäre allerdings ein schnelleres Vorgehen, als es jetzt beschlossen wurde. Leider hat sich die Koalition noch nicht auf weitergehende Strukturreformen in der Arbeitslosenversicherung verständigt. Bereits im Rahmen der neuen Steuerung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist ein dauerhaftes Beitragssatzsenkungspotenzial in Höhe von einem halben Prozentpunkt ab 1. Juli 2006 erzielt worden. Mittelfristig könnte bei entschlossenen ausgabenreduzierenden Reformen die BA die Beitragssatzsenkung auch allein ohne Mehrwertsteuer-Beitrag schultern. Dazu aber muss der Gesetzgeber handeln. So wäre das von der Wissenschaft für eine zweiprozentige Beitragssatzsenkung errechnete Wachstum in Form von bis zu 300.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen durchaus eine realistische Perspektive. Immerhin will die neue Bundesregierung anders als die frühere rot-grüne Koalition die Verkürzung des Arbeitslosengeldanspruchs auf maximal 18 Monate nicht mehr verschieben. Letzteres wäre ein schwerwiegender Salto rückwärts in die Frühverrentungspolitik gewesen, der die Arbeitslosenversicherung mit milliardenschweren Mehrausgaben belastet hätte.
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Die bisherigen Maßnahmen der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze reichen nicht aus, um Wachstum und Beschäftigung spürbar zu beleben. Die erhofften Wirkungen von Hartz IV sind vorerst nicht nur ausgeblieben, sondern haben sich aufgrund von Fehlentscheidungen des Gesetzgebers, die von der BDA bereits im Gesetzgebungsverfahren kritisiert wurden, bisher teilweise in ihr Gegenteil verkehrt. Statt mehr Aktivierung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hat deren Zahl zugenommen, statt der geplanten Einsparungen in Milliardenhöhe sind die Ausgaben sogar in zweistelliger Milliardenhöhe gestiegen. Der in der Bundesagentur durch den Vorstand mit Unterstützung des Verwaltungsrates erfolgreich gestartete Umbau zu einem leistungsfähigen Dienstleister am Arbeitsmarkt wurde durch die Überfrachtung der Arbeitsagenturen mit der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II und das Kompetenzwirrwarr in den Arbeitsgemeinschaften massiv zurückgeworfen. Ob die geplanten Korrekturen in der Koalitionsvereinbarung ausreichen, um die Kosten in den Griff zu bekommen und endlich mehr bedürftige Hilfeempfänger insbesondere auch in einem wachsenden Niedriglohnsektor zu beschäftigen, ist sehr zweifelhaft. Der Vorstoß des BA-Vorstandsvorsitzenden Weise zu einer klaren Kompetenzzuweisung für das operative Geschäft der Arbeitsgemeinschaften zugunsten der Kommunen, wenn diese es wollen, war ein dringend erforderlicher Schritt, mit dem die BA selbst die Initiative ergriff, die vom Gesetzgeber organisierte Verantwortungslosigkeit beim Arbeitslosengeld II zu überwinden. Die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag sind ohne Zweifel ein Einstieg in die Fortsetzung und Vertiefung der Reformen. Ohne weitere Maßnahmen werden sie aber nicht die notwendige nachhaltige Wirkung erzielen können. Ohne entschlossene gesamtwirtschaftliche Strukturreformen kann der notwendige Beschäftigungsaufbau in Deutschland nicht breit in Gang gesetzt werden. Deshalb ist Bundeskanzlerin Merkel Recht zu geben, die die Koalitionsvereinbarung als »Startpunkt« für die weitere notwendige Politik bezeichnet hat.
Arbeitsmarkt
Mehr Arbeitslose auch ohne »Hartz-IV-Effekt« Das Jahr 2005 wird mit einem Negativrekord in die deutsche Arbeitsmarktgeschichte eingehen. Erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland wurde im Januar die psychologisch wichtige Marke von fünf Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen durchbrochen. Der vorerst absolute Tiefpunkt am deutschen Arbeitsmarkt war mit mehr als 5,3 Millionen Arbeitslosen im Februar erreicht. Vor allem aufgrund günstiger saisonaler Einflüsse und des seit Jahresbeginn kontinuierlichen Ausbaus der öffentlichen Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose (»1-Euro-Jobs«) sank die offizielle Zahl der Menschen ohne Job in den folgenden Monaten wieder und lag im November bei 4,53 Millionen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit rechnet für das Jahr 2005 insgesamt mit durchschnittlich 4,88 Millionen Arbeitslosen, die von den Arbeitsagenturen, Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen betreut werden müssen. Dies bedeutet im Jahresdurchschnitt etwa eine halbe Million Arbeitslose mehr als noch vor einem Jahr. Entgegen anders lautenden Beschwichtigungen kann die desolate
Entwicklung am Arbeitsmarkt keinesfalls allein auf die mit Hartz IV zu Jahresbeginn ausgelöste statistische Erhöhung der Arbeitslosenzahl zurückgeführt werden. Zwar ist es richtig, dass die Einbeziehung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in die Zahl registrierter Arbeitsloser erheblich zum Anstieg der offiziellen Arbeitslosenzahlen beigetragen hat. Jedoch ergibt sich selbst unter Berücksichtigung des »Hartz-IV-Effektes« gegenüber dem ohnehin schlechten Vorjahr im Jahresdurchschnitt eine erhebliche Zunahme der Arbeitslosigkeit um rund 120.000. Darüber hinaus ist es offensichtlich, dass die nun völlig zu Recht in der offiziellen Statistik ausgewiesenen ehemaligen Sozialhilfeempfänger und Angehörigen von Arbeitslosenhilfeempfängern auch vor Inkrafttreten der Arbeitsmarktreform de facto arbeitslos waren, obwohl sie offiziell nicht erfasst wurden. Erschreckend schlecht war im abgelaufenen Jahr die Beschäftigungsentwicklung. Laut der BA-Arbeitsmarktstatistik gingen im September (letzter verfügbarer Wert) über 330.000 Menschen weniger einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach als noch im Jahr zuvor. Besonders stark ging die Beschäftigung in Ostdeutschland zurück – allein gegenüber 2004 um 2,7 %.
2004
Deutlich mehr Arbeitslose als im Vorjahr
2005
5.094.652
5.301.239
5.263.532
5.058.026
4.888.266
4.781.839
4.835.892
4.799.798
4.650.046
4.555.921
4.531.213
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
5.000 000 4.000 000 5.000 000 3.000 000 2.000 000 1.000 000 0 *Arbeitslosenzahlen für das Jahr 2005 einschließlich Korrekturwert. Damit sind in jedem Monat auch Arbeitslose berücksichtigt, die von Optionskommunen betreut werden.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
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Arbeitslosenstatistik: Hoch und runter mit Hartz IV Die mit Hartz IV erfolgte Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe hat in der Arbeitslosenstatistik deutliche Spuren hinterlassen. Für die Arbeitslosenzahl ergeben sich sowohl erhöhende wie mindernde Wirkungen. Arbeitslosenzahl erhöhende Faktoren: Einbeziehung erwerbsfähiger ehemaliger Sozialhilfeempfänger, die jetzt Arbeitslosengeld II beziehen und die vorher nicht als arbeitslos registriert wurden Einbeziehung erwerbsfähiger Angehöriger von ehemaligen Arbeitslosenhilfebeziehern, die jetzt Arbeitslosengeld II erhalten und denen Arbeit zumutbar ist An dieser Stelle ist die Arbeitslosenstatistik mit Hartz IV ein wenig transparenter und aussagekräftiger geworden. Diese Personen waren auch vor der Arbeitsmarktreform de facto arbeitslos, wurden allerdings nicht offiziell erfasst. Arbeitslosenzahl zurückdrängende Faktoren: Abmeldung aus Arbeitslosigkeit, weil Partnereinkommen beim Arbeitslosengeld II stärker angerechnet wird als bei der Arbeitslosenhilfe Perspektivisch stärkere Aktivierung und bessere Betreuung der Arbeitslosen Statistische Verringerung der Arbeitslosenzahl durch neue arbeitsmarktpolitische Maßnahme für Langzeitarbeitslose (insbesondere Einstiegsgeld und »1-Euro-Jobs«) Intensivere Überprüfung der Verfügbarkeit und damit verbundene Arbeitsaufnahmen und Abmeldungen aus Arbeitslosigkeit Entscheidend für den Erfolg von Hartz IV ist, ob es gelingt, Ausgleichsprozesse am Arbeitsmarkt zu beschleunigen, die Vermittlung von Arbeitslosen zu verbessern und so die Verweildauer in Arbeitslosigkeit entscheidend zu verkürzen. Eine rein statistische Verringerung der Arbeitslosigkeit durch die Ausweitung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen darf nicht als positives ökonomisches Signal gewertet werden.
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Innerhalb der letzten drei Jahre sind damit in Deutschland insgesamt rund 1,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gegangen – das sind fast 1.200 jeden Tag. Dass die Entwicklung bei der »Erwerbstätigkeit« mit einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr positiv verlief, kann auf keinen Fall als Signal für eine Entspannung am Arbeitsmarkt gedeutet werden. Dieser Zuwachs wird insbesondere von einer reinen Ausweitung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente »1-Euro-Job« und Existenzgründungszuschuss (»Ich-AG«) getragen, nicht einmal von den 2004 so stark angestiegenen Minijobs am ersten Arbeitsmarkt. Gerade auch von den »Ich-AGs« gab es im Jahr 2005 erheblich mehr als im Vorjahr. Inwieweit diese jedoch letztlich einen nachhaltigen Beitrag zur Verringerung der Arbeitslosigkeit leisten, bleibt fraglich. So explodierte unmittelbar vor Einführung des Arbeitslosengeldes II die Zahl der »Ich-AGs« förmlich, bevor die Zugänge im Jahresverlauf drastisch zurückgingen. Es ist daher von Mitnahme- und Missbrauchseffekten in großem Umfang auszugehen. Offensichtlich handelt es sich in vielen Fällen nicht um eine echte, dauerhafte Selbstständigkeit, sondern um eine reine Ausweichreaktion, wenn kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestand oder dieser Anspruch geringer gewesen wäre als der Existenzgründungszuschuss. Die Bewertung der BA bleibt aktuell: Die Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland müssen entscheidend verbessert und strukturelle Verkrustungen aufgebrochen werden. Erst dann kann eine nachhaltige Entspannung der dramatischen Arbeitsmarktlage erwartet werden. Die vom IAB angestellten Prognosen zur Arbeitsmarktentwicklung im Jahr 2006 lassen darauf schließen, dass wir davon noch viel zu weit entfernt sind. So wird auch für das nächste Jahr mit einem weiteren Rückgang der Beschäftigung gerechnet und die Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich um gerade einmal 60.000 zurückgehen.
Arbeitsmarkt
Arbeitslosengeld II auf Aktivierung und Mobilisierung ausrichten Vor einem Jahr wurde mit Inkrafttreten von Hartz IV und der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe die neue Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II eingeführt. Die Reform ist grundsätzlich richtig und wichtig, bleibt aber mit gravierenden Konstruktionsfehlern durch die Administrationsentscheidung der Politik behaftet. Ziel der Reform war es, Kosten und Bürokratie abzubauen, Verschiebebahnhöfe zwischen den Systemen zu schließen und im Rahmen einer umfassenden Aktivierungsstrategie erwerbsfähige Hilfeempfänger besser zu fördern und zu fordern. Funktioniert hat mit extremem Verwaltungsaufwand in der BA im Wesentlichen die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II zum Jahresende 2005. Die erhofften Wirkungen durch Aktivierung der Arbeitslosen blieben bisher weitgehend aus. Für das Jahr 2005 sind vielmehr folgende Ergebnisse festzuhalten: Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften lag Ende des Jahres 2005 um rund 1,2 Millionen über den Annahmen von Ende 2004. Die Kosten für die Fürsorgeleistung explodieren, im Lauf des Jahres wurden mindestens elf Milliarden € mehr ausgegeben als veranschlagt. Durch die für effektive Verwaltung untaugliche Konstruktion der Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit entsteht eine kaum administrierbare, neue, flächendeckende Verwaltungsebene in Deutschland. Die Aktivierung und Mobilisierung von geringer Qualifizierten und Langzeitarbeitslosen kommt mit monatelanger Verzögerung viel zu schleppend in Gang. Für diese Entwicklung trägt der Gesetzgeber die Verantwortung, der bei der Umsetzung der Fürsorgeleistung von Anfang an gravierende Fehlentscheidungen getroffen hat. Die gemeinsame Zuständigkeit für das Arbeitslosengeld II von Arbeitsverwaltung und kommunalen Gebietskörperschaften läuft auf organisierte Verantwortungs-
losigkeit hinaus. Sie hat nicht weniger, sondern mehr organisatorische Schnittstellen geschaffen. Die neue bundesweite Verwaltungsebene der Arbeitsgemeinschaften hatte mit viel zu vielen Schwierigkeiten, zum Beispiel bezüglich Mittelverteilung und Rechtsaufsicht, zu kämpfen. Die eigentlich angestrebte Strategie des Förderns und Forderns konnte so erst viel zu spät anlaufen. Die Arbeitgeber setzen sich weiter dafür ein, dass mittelfristig die kommunale Seite zumindest die Verantwortung für die Berechnung und Auszahlung des Arbeitslosengeldes II übernimmt. Wenn mit Hartz IV mehr Wirkung am Arbeitsmarkt erzielt werden soll, müssen vor allem auch die bestehenden Anreizfehler beseitigt werden. Schon der Name Arbeitslosengeld II suggeriert fälschlicherweise, es handele sich um Leistungen der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung. Die systemwidrigen Zuschläge nach dem Bezug von Arbeitslosengeld setzen zusätzlich eher einen Anreiz, länger in Arbeitslosigkeit und Transferbezug zu verharren, anstatt alle Anstrengungen auf eine zügige Beschäftigungssuche zu richten. In die völlig falsche Richtung geht deshalb auch die Anhebung des Arbeitslosengeld-II-Regelsatzes in den neuen Bundesländern auf Westniveau von 345 €. Dies lässt nicht nur die geringeren Lebenshaltungskosten in den neuen Ländern unberücksichtigt, denn trotz des bislang geringeren Regelsatzes können sich Arbeitslosengeld-II-Empfänger in Ostdeutschland zumindest die gleiche Menge an Konsumgütern leisten wie Empfänger in den alten Bundesländern mit dem um 14 € höheren Satz. So kann ein arbeitsloser Hilfeempfänger in Mecklenburg-Vorpommern oder in Brandenburg mit dem bisherigen Eckregelsatz von 331 € Dienstleistungen und Waren kaufen, für die ein Arbeitsloser in Nordrhein-Westfalen rund 352 € bezahlen müsste. Überdies führt die Anpassung der Sätze nach oben vor allem vor dem Hintergrund der in den neuen Bundesländern im Durchschnitt niedrigeren Löhne auch zu verschärften Lohnabstandsproblemen, verbunden mit geringeren Leistungsanreizen.
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Arbeitsmarkt
Insgesamt hat die Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes II die Hemmschwelle für eine Inanspruchnahme der Leistung gesenkt. Hinter dem Hochschnellen der Zahl der Bedarfsgemeinschaften steht unter anderem eine Kategorie von »neuen Bedürftigen«, die früher weder Arbeitslosen- noch Sozialhilfe bezogen haben. So wird aus den Arbeitsgemeinschaften berichtet, dass viel mehr Selbstständige wie zum Beispiel junge Rechtsanwälte einen Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt haben. Darüber hinaus war 2005 zu beobachten, dass gerade junge Menschen mit Hartz IV dem Elternhaus den Rücken gekehrt haben, eine eigene Wohnung beziehen und alles durch das staatliche Fürsorgesystem bezahlen lassen.
Es ist deshalb richtig, wenn die neue Bundesregierung unverheiratete volljährige Kinder unter 25 Jahren grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbeziehen und die finanzielle Förderung der Unter-25-Jährigen, die erstmals eine eigene Wohnung beziehen, klar beschränken will. Zu unterstützen ist auch das Vorhaben der Koalition, die Anrechnung von Partnereinkommen im Rahmen des Arbeitslosengeldes II klarzustellen. So soll es künftig nicht mehr möglich sein, allein durch die Erklärung, nicht füreinander einstehen zu wollen, bereits eine Nichtanrechnung von Partnereinkommen erreichen zu können. Es ist wichtig, jetzt schnell zu einem Prüfungsergebnis zu kommen, mit dem Ziel, die Beweislast für
»1-Euro-Jobs«: Fluch oder Segen?
Interesse« sicherzustellen, sind völlige Transparenz und ein umfassendes Monitoring unerlässlich. Die BDA hat sich mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass hierfür vor Ort Arbeitsagenturen, Arbeitsgemeinschaften und Kommunen Beiräte einrichten, in die in erster Linie die Arbeitgebervertreter der besonders betroffenen Wirtschaftsbereiche eingebunden werden.
Kaum ein arbeitsmarktpolitisches Instrument hat so heftige öffentliche Diskussionen ausgelöst wie die mit Hartz IV eingeführten Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose. Seit Jahresanfang haben über 530.000 Langzeitarbeitslose einen so genannten »1-Euro-Job« aufgenommen. Da diese Arbeitsgelegenheiten zeitlich befristet sind, zählte die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Teilnehmerbestand Ende des Jahres deutlich mehr als 300.000. Die BDA hat die Akzeptanz des arbeitsmarktpolitischen Instruments der »1-Euro-Jobs« klar an strikte Kriterien gebunden. Es können einerseits sinnvolle Tätigkeiten im Interesse des Arbeitslosen und der Allgemeinheit eröffnet und andererseits – auch im Sinne einer verbesserten Aktivierung – die Kooperationsbereitschaft getestet und Schwarzarbeit bekämpft werden. Die schnelle Vermittlung des Arbeitslosen in eine reguläre Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt muss aber – auch während einer laufenden öffentlichen Beschäftigung – jederzeit absoluten Vorrang haben. Zudem dürfen durch öffentliche Arbeitsgelegenheiten keine Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt verdrängt werden. Um die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Kriterien »Zusätzlichkeit« und »von öffentlichem
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Klar ist, dass öffentliche Arbeitsgelegenheiten keine echte Beschäftigung sind, sondern ein arbeitsmarktpolitisches Instrument und eine Gegenleistung des arbeitslosen Hilfeempfängers für die Unterstützung durch die Solidargemeinschaft. Daher darf die anhaltende Ausweitung der »1-Euro-Jobs« auch nicht als Beschäftigungszuwachs oder Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt gewertet werden. Dass »1-Euro-Jobber« in der Statistik als Erwerbstätige gezählt werden, ist ebenso irreführend wie die Erfassung von Angeboten für eine öffentliche Arbeitsgelegenheit als »offene Stelle«. Letzteres hat wesentlich mit zu dem absurden Ergebnis geführt, dass in Ostdeutschland mittlerweile mehr als 60 % der registrierten offenen Stellen kein Angebot für einen regulären Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt, sondern für eine öffentlich geförderte Beschäftigung sind. Solche irreführenden Zählweisen müssen abgestellt werden.
Arbeitsmarkt
das Vorhandensein einer eheähnlichen Partnerschaft von BA und Kommunen zu nehmen, den zusammenlebenden Paaren aber die Möglichkeiten einzuräumen, selbst zu beweisen, dass sie keine eheähnliche Lebensgemeinschaft gegründet haben. Neben der Eindämmung der erheblichen Mitnahmeeffekte muss jetzt auch die Missbrauchsbekämpfung konzentriert und energisch angegangen werden. Die Fürsorgeleistung muss so ausgestaltet werden, dass die wirklich Bedürftigen erreicht werden und nicht die Findigen, die entweder über die Familie abgesichert sind oder Leistungen beziehen, dem Arbeitsmarkt im Grunde aber nicht zur Verfügung stehen. Nicht wenige konnten davon profitieren, dass die Arbeitsgemeinschaften neben dem Aufbau neuer Organisationsstrukturen und fortbestehenden Schwierigkeiten mit dem IT-System »A2LL« keine Kapazitäten für eingehende Kontrollen hatten. Eine telefonische Befragung der BA, mit der der Arbeitslosigkeitsstatus überprüft werden sollte, hat gezeigt, dass fast 44 % der Arbeitslosengeld-II-Empfänger trotz häufiger Versuche zu unterschiedlichen Zeiten und an
verschiedenen Tagen telefonisch gar nicht erreicht werden konnten. Ein kurzfristiges Vermittlungsangebot der Arbeitsgemeinschaft hätte sie somit gar nicht erreichen können. Knapp 19 % der erreichten Befragten haben sich ausdrücklich geweigert, die Fragen der BA zu beantworten. Bei 7,0 % der Befragten stellte sich heraus, dass sie gar nicht mehr arbeitslos waren. Dies alles heißt nicht, dass in allen Fällen Missbrauch vorgelegen hat. Es drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass der Anteil derjenigen, die zu Unrecht Leistungen beziehen, noch viel zu groß ist. Hier gilt es, verstärkt nachzusteuern. Positiv ist deshalb, dass die große Koalition sich darauf verständigt hat, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass Leistungsempfänger zur Teilnahme an Telefonabfragen verpflichtet werden, mit denen die aktuelle Lebenssituation überprüft werden kann. Wichtig ist auch, dass die schon heute bestehenden Möglichkeiten zum Datenabgleich noch konsequenter genutzt und auch die gesetzliche Grundlage für eine Erweiterung des Datenabgleichs geschaffen werden soll, um auch im Ausland existierende Konten und Depots von Leistungsbeziehern zu ermitteln.
„1-Euro-Jobs“: Rasante Ausweitung im Jahresverlauf 350.000 300.000 Teilnahmebestand
246.307 250.000
291.000*
317.000*
327.000**
218.060
200.000
178.938
150.000
131.582
100.000 50.000
268.958
304.000*
80.706 32.024
50.528
0 Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August September Oktober November Dezember
* Gerundeter Schätzwert (vorläufiger Teilnehmerbestand plus geschätzter Korrekturwert), Stand: Dezember 2005. Aufgrund der zeitverzögerten Erfassung der Eintritte in die Maßnahme werden die monatlichen Teilnehmerbestände bis zu drei Monate rückwirkend korrigiert. ** Hochrechnung auf Basis von Erf ahrungswerten Quelle: Bundesagentur für Arbeit
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Arbeitsmarkt
Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung beschleunigen Die Senkung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung von derzeit 6,5 auf 4,5 % ist ein dringend notwendiger Schritt für mehr Beschäftigung. Eine Senkung der Beiträge kann und sollte aber früher als zum 1. Januar 2007 erfolgen. Die Grundlagen für eine zügige Beitragssatzsenkung hat der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit – vor allem auch von der Arbeitgeberseite in der Selbstverwaltung unterstützt – durch ein neues Steuerungssystem erarbeitet, nach dem der Mitteleinsatz im Rahmen eines Controllingprozesses nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit erfolgt. Der BA ist es so seit Einführung der neuen Steuerungslogik im Jahr 2003 bis Ende 2005 gelungen, im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik über 5,5 Milliarden € einzusparen – ohne Einbußen bei den Integrationen in den Arbeitsmarkt. Das vorläufige Ergebnis: Erstmals seit 20 Jahren wird die BA nach dem Haushaltsplan 2006 einen Überschuss erwirtschaften. Der BA-Vorstand hat transparent dargelegt, welche Spielräume die BA damit geschaffen hat, um der Politik die Option für Beitragssenkungen zu ermöglichen. Danach kann der Beitragssatz ab dem 1. Juli 2006 dauerhaft um 0,5 Prozentpunkte und eventuell etwas mehr ab 2008 sinken. Die Eigenleistung der BA wäre noch wesentlich größer, wenn sie nicht durch den systemwidrigen Aussteuerungsbetrag mit über fünf Milliarden € im Jahr 2006 belastet würde. Wenn der Gesetzgeber die Beitragszahler von dieser willkürlichen und verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Strafzahlung zur Finanzierung der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II entlastet, könnte die BA den von ihr in der Koalitionsvereinbarung geforderten vollen Prozentpunkt Beitragssatzsenkung problemlos erbringen und darüber hinaus sogar noch einen Teil der für die Senkung um einen zweiten Beitragssatzpunkt geplanten Mehrwertsteuererhöhung ersetzen.
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Wenn es der Politik wirklich Ernst ist, alle vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Lohnzusatzkosten im Bereich der Arbeitslosenversicherung zu senken, dann muss sie über den Koalitionsvertrag hinausgehende Strukturreformen vornehmen. Mit der von den Arbeitgebern geforderten Beschränkung der Bezugszeit beim Arbeitslosengeld auf zwölf Monate und einer generellen Wartezeit von vier Wochen zwischen Eintritt der Arbeitslosigkeit und Beginn des Arbeitslosengeldbezugs wäre ein weiteres Senkungspotenzial um dauerhaft fast 0,6 Prozentpunkte vorhanden. Zusammen mit der Beseitigung des Aussteuerungsbetrages könnte dies den Finanzierungsanteil der Mehrwertsteuer durch Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung selbst vollständig ersetzen. Darüber hinaus gehören alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf den Prüfstand. Es ist deshalb erfreulich, dass sich die Koalition dies ebenso vorgenommen hat wie auch die damit verbundene geplante Abschaffung aller unwirksamen und ineffizienten Maßnahmen, die spätestens im Jahr 2007 erfolgen soll. Damit unterstreicht die neue Bundesregierung, dass der eingeschlagene Kurs von Vorstand und Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit, Maßnahmen nur noch streng nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit einzusetzen, beibehalten werden muss. Gleichzeitig sollten auch die Freiräume für eigenverantwortliches, unternehmerisches Handeln in den Agenturen für Arbeit durch eine Straffung und Flexibilisierung des gesetzlich geregelten Förderinstrumentariums vergrößert werden. Für eine Weiterentwicklung des Steuerungssystems gilt es jetzt zudem, über die Wirkungen und Kosten aller Maßnahmen vollständige Transparenz herzustellen.
Reform der Bundesagentur auf bessere Arbeitsvermittlung ausrichten Die Umsetzung der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II hat auch im Jahr 2005 enorme personelle und technische Ressourcen bei der Bundesagentur für Arbeit und ihren Agenturen vor Ort gebunden. Dass der notwendige
Arbeitsmarkt
Umbau der BA zu einem modernen Dienstleister am Arbeitsmarkt trotz dieser Zusatzbelastung im Lauf des Jahres weiter deutlich Form angenommen hat, ist als besondere Leistung der BA zu bewerten. Nicht nur der Controllingprozess verbunden mit der Steuerung des Mitteleinsatzes nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit konnte weiterentwickelt werden. Vor allem konnten die neuen Kundenzentren in den Agenturen vor Ort, das Herzstück der Organisationsreform, bis Ende des Jahres 2005 alle ihre Arbeit aufnehmen. Der von den Arbeitgebern seit Jahren eingeforderte Leistungssprung der Arbeitsverwaltung im Bereich der Beratung und Arbeitsvermittlung muss damit jetzt endlich entschieden angegangen werden. Denn die arbeitsmarktpolitische Bedeutung einer effizienten Besetzung offener Stellen ist hoch: für die Unternehmen, weil es trotz der sogar noch gestiegenen hohen Arbeitslosigkeit oft nicht gelingt, den Fachkräftebedarf zügig und passgenau zu decken, für die Arbeitsuchenden, weil durch eine intensive Arbeitsvermittlung sowohl das Zugangs- als auch das Verbleibsrisiko in Arbeitslosigkeit verringert wird, und auch für die Gemeinschaft der Beitragszahler, weil die durchschnittliche Verbleibsdauer in Arbeitslosigkeit abgesenkt und damit die Kosten der Arbeitslosigkeit reduziert werden können. Essenzielle Voraussetzung für eine umfassende Vermittlungsstrategie ist nicht nur ein systematisches Profiling der Stärken und Schwächen auf der Bewerberseite. Vielmehr muss die BA stärker als bisher vor allem durch den vom BA-Vorstand vorangebrachten professionellen Arbeitgeberservice bei der Besetzung freier Stellen überzeugen. Im Jahr 2006 sollten erste Ergebnisse sichtbar werden, die sich nicht nur in einer gestiegenen Kundenzufriedenheit niederschlagen, sondern in erster Linie in zeitnahen und passgenauen Stellenbesetzungsvorschlägen. Die Unternehmen erwarten von den neuen Kundenzentren und den so genannten »Handlungsprogrammen«, mit denen höhere Qualitätsstandards in der Arbeitsvermittlung verankert werden sollen, ein umfassenderes Dienstleistungsangebot. Die Arbeitgeber haben den Reformansatz auch deshalb unterstützt, weil damit
das Vermittlungsgeschäft vor Ort transparenter wird und Schwachstellen schneller angegangen werden können. Es gilt jetzt, die positiven Ergebnisse aus den Modellagenturen flächendeckend sicherzustellen: Die Erreichbarkeit der Vermittler muss besser, Wartezeiten kürzer, die effektive Zeit für Vermittlung länger werden. Um den notwendigen qualitativen Sprung in der Arbeitsvermittlung zu unterstützen, muss die BA überdies so weit wie möglich mit privaten Dienstleistern, das heißt insbesondere mit Zeitarbeitsunternehmen und privaten Arbeitsvermittlern, kooperieren. Sie darf sich nicht als Konkurrent zu privaten Anbietern verstehen, sondern muss perspektivisch gerade auch das Vermittlungsgeschäft durch die Privaten gezielt managen. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig, die Tätigkeit der Arbeitsvermittler stärker erfolgsorientiert zu vergüten. Damit kann das Interesse der Vermittler nicht nur an der Verbesserung der eigenen Leistung, sondern auch an einem optimierten Einsatz privater Dritter wesentlich gesteigert werden. Die BA ist 2005 auf diesem Weg ein ganzes Stück weitergekommen. Der Beitrag zum Abbau von Arbeitslosigkeit, den selbst eine optimal reformierte, effiziente Arbeitsverwaltung leisten kann, ist jedoch klar begrenzt. Sie kann die Arbeitslosenquote um maximal einen Prozentpunkt senken, das entspricht einer Arbeitslosenzahl von 400.000 bis 500.000. Auch im kommenden Jahr werden den Agenturen für Arbeit in der Summe wieder rund zwei Millionen freie Stellen gemeldet – es besteht also Potenzial, den Ausgleich am Arbeitsmarkt voranzubringen. Darüber hinaus bleibt der Gesetzgeber gefordert, die BA von versicherungsfremden Aufgaben wie zum Beispiel der Auszahlung des Kindergeldes zu entlasten, damit sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren kann.
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Arbeitsmarkt
Saisonkurzarbeitergeld muss kostenneutral und freiwillig sein Zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung insbesondere in der Baubranche plant die Regierungskoalition die Einführung eines so genannten Saisonkurzarbeitergelds. Mit dem neuen Instrument sollen regelmäßige Winterentlassungen bei Auftragsmangel vermieden werden. In der Schlechtwetterzeit von Dezember bis März erhalten danach Arbeitnehmer in Saisonbranchen bei Arbeitsausfall eine beitragsfinanzierte Lohnersatzleistung in gleicher Höhe wie Arbeitslosengeld. Die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit des Saisonkurzarbeitergeldbezugs muss dagegen der Arbeitgeber übernehmen, wobei tarifvertraglich eine Beteiligung der Arbeitnehmer an diesen Kosten vereinbart werden kann. Damit greift die Bundesregierung eine Initiative der Tarifparteien in der Baubranche auf, die nach Gesprächen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bereits im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung vereinbart haben, die Sozialversicherungskosten bei Saisonkurzarbeitergeld zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Verhältnis 60 : 40 zu teilen. Die BDA unterstützt das Saisonkurzarbeitergeld, sofern sichergestellt wird, dass die Zahlung von Saisonkurzarbeitergeld für die Arbeitslosenversicherung zumindest kostenneutral ist im Hinblick auf die ansonsten zu erbringenden Arbeitslosengeldleistungen einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge. Deshalb dürfen aus der Zahlung von Saisonkurzarbeitergeld keine neuen Arbeitslosengeldansprüche entstehen. Weiterhin muss eine Anrechnung auf einen Arbeitslosengeldanspruch erfolgen, sofern das erklärte Ziel der ganzjährigen Beschäftigung verfehlt wird und der Arbeitnehmer im Anschluss an Saisonkurzarbeitergeld noch während der Schlechtwetterzeit Arbeitslosengeld beantragt. Außerdem darf wegen der zusätzlichen Belastungen der Arbeitgeber mit den Kosten der Sozialversicherungsbeiträge eine Einbeziehung in das Saisonkurzarbeitergeld – wie im Baubereich – nur mit Zustimmung der Arbeitgeberverbände der entsprechenden Branchen erfolgen.
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Verrechtlichung und Bürokratisierung beschädigt richtigen Präventionsgedanken Die BDA wirbt weiter dafür, dass eine wirksame Prävention auch im ureigenen Interesse der Arbeitgeber an einer Begrenzung von Kosten und einer Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit liegt. Die Regelung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements in dem im Jahr 2004 in Kraft gesetzten § 84 Abs. 2 SGB IX ist dafür allerdings kontraproduktiv. Hiernach hat der Arbeitgeber, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres insgesamt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Mit dieser Norm werden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Sie hat die Verrechtlichung der Prävention unnötig und überhastet vorangetrieben, anstatt die bereits bestehenden erfolgreichen betrieblichen Modelle anderen Unternehmen als Vorbild anzubieten und diese zu eigenen Lösungen anzuregen. Diese Verrechtlichung ist kontraproduktiv, da sie den Blick auf rechtliche Mindeststandards und heftig umstrittene arbeitsrechtliche Konsequenzen verengt. Sie fördert deshalb nicht eine sinnvolle Prävention, sondern lenkt geradezu vom gemeinsamen Interesse aller Beteiligten in der betrieblichen Praxis an einer wirksamen Prävention ab. Die BDA tritt deshalb für die Abschaffung des § 84 Abs. 2 SGB IX ein. Von den Sozialversicherungen fordert die BDA, dass sie ihre Dienstleistungen für Arbeitgeber im Bereich der Prävention verstärken und mit dem Aufbau eines Bonussystems die Vorteilhaftigkeit betrieblicher Prävention noch besser verdeutlichen. Im Übrigen muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass eine wirksame Prävention stets zuallererst in der Eigenverantwortung jedes Einzelnen liegt.
Die BDA engagiert sich auch weiterhin im Rahmen der Initiative »Jobs ohne Barrieren« der Bundesregierung, mit der die Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben gestärkt werden soll. Mit dieser Kampagne werden vorbildliche private Projekte finanziell gefördert und einer breiten Öffentlichkeit als Best-Practice-Beispiele zugänglich gemacht. Sinn und Zweck der Aktion kann es dagegen nicht sein, Förderinteressen zu bedienen und neue bürokratische Strukturen aufzubauen.
Beschäftigung Älterer – falsche Signale beseitigen Die neue Bundesregierung hat die Förderung der Beschäftigung Älterer im Koalitionsvertrag zu einem wichtigen Thema gemacht. Die angestrebten Impulse werden aber ohne eine grundlegende Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung eher gering sein. Kontraproduktiv ist die jetzt beschlossene Verlängerung der so genannten 58erRegelung, nach der ältere Arbeitslose Arbeitslosengeld beziehen können, ohne der Vermittlung zur Verfügung zu stehen. Statt alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren, auch Ältere wieder verstärkt zurück in den Arbeitsmarkt zu bringen, wird damit ein falsches Signal gegeben und der Frühverrentung weiterhin Vorschub geleistet. Die BDA hat den eingeleiteten Paradigmenwechsel zu einer Erhöhung der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen schon vor Jahren selbst angestoßen und mit vorangetrieben. Zwar ist die Erwerbsbeteiligung Älterer im internationalen Vergleich in Deutschland immer noch viel zu gering. Mittlerweile konnten aber auch schon erste Fortschritte erzielt werden. So ist die Erwerbsbeteiligung der Über-55-Jährigen von 2001 bis 2004 von 37,8 auf 41,2 % gestiegen, und dies sogar bei einer noch verschlechterten Arbeitsmarktlage, während die Erwerbsbeteiligung aller anderen Altersgruppen im gleichen Zeitraum gesunken ist.
Betriebliche Personalpolitik zwischen europäischer Normung und demografischer Herausforderung Eine der zentralen Herausforderungen für die betriebliche Personalpolitik ist der demografische Wandel. Betriebe müssen sich auf ältere Belegschaften und weniger Nachwuchskräfte einstellen. Die BDA war 2005 unter anderem aktiv an der Entwicklung von Werkzeugen für die betriebliche Personalarbeit zur Bewältigung des demografischen Wandels beteiligt und hat sich im Rahmen der »Initiative Neue Qualität der Arbeit« und der Initiative »Partner für Innovation« für nutzbare praxisnahe Ergebnisse eingesetzt. Gleiche Ziele verfolgt die BDA auch mit der Übernahme von mehr Verantwortung in der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in Europa. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind eine wichtige Zielgruppe der BDA. Aus diesem Grund initiierte die BDA zum Beispiel auch einen Erfahrungsaustausch zur Kooperation von KMU auf dem Gebiet der Personalentwicklung und Weiterbildung. An Praxisbeispielen wurden Erfolgsfaktoren identifiziert und Barrieren für wirkungsvolle Kooperationen dargestellt und in einer Dokumentation zusammengefasst. Die BDA hat sich konsequent allen Aktivitäten entgegengestellt, eine europäische Norm für ein Human Resource Management System zu etablieren, und hat diese erfolgreich verhindert. Der angestrebte europäische Standard war realitätsfremd, insbesondere für KMU inakzeptabel und drohte statt zu einer besseren Personalpolitik zu mehr Bürokratie und Kosten zu führen. Aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen und individuellen Personalziele der Betriebe kann es eine erfolgreiche Lösung nach dem Motto »one size fits all« in der Personalarbeit nicht geben.
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Arbeitsmarkt
Entsprechend dem Koalitionsvertrag will die Bundesregierung nun die auslaufenden Förderinstrumente zur Erleichterung der Beschäftigung Älterer verlängern, was zu begrüßen ist. So können zum Beispiel die Befreiung des Arbeitgebers von dem Beitrag zur Arbeitslosenversicherung bei Einstellung eines älteren Arbeitslosen oder die Abfederung eines Lohnverlustes durch die Arbeitslosenversicherung bei Aufnahme einer niedriger bezahlten Arbeit durch den älteren Arbeitslosen flankierende Impulse für einen Bewusstseinswandel für mehr Beschäftigung Älterer geben. Im Koalitionsvertrag wird zu Recht die Bedeutung von Weiterbildung und Qualifizierung für Ältere herausgestellt. Die Verantwortung für Weiterbildung darf jedoch nicht ausschließlich den Betrieben zugewiesen werden, sondern liegt auch bei jedem Einzelnen. Schematische Vorgaben für betriebliche Weiterbildung wären kontraproduktiv und würden den Arbeitsmarkt weiter regulieren. Die konkrete Entscheidung über Inhalt und Umfang der Weiterbildung kann sinnvoll nur im jeweiligen Einzelfall beziehungsweise auf Betriebsebene erfolgen. Verbindliche Absprachen zum Beispiel auf Tarifvertragsebene können nicht so bedarfsgerecht differenzieren, dass sie für den einzelnen Betrieb und den einzelnen Arbeitsplatz passende Regelungen enthalten.
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Das Thema »Weiterbildung« hat nicht nur aus arbeitsmarktpolitischer, sondern auch aus bildungs- und personalpolitischer Sicht für die BDA generell einen hohen Stellenwert. Die heute noch zu geringe Weiterbildungsbeteiligung Älterer ist – wie insgesamt die zu niedrige Erwerbsbeteiligung Älterer – eine Folge der früher vom Gesetzgeber gezielt eröffneten und über Jahrzehnte gelebten Vorruhestandspraxis. Dies führte dazu, dass die Lernbereitschaft älterer Mitarbeiter mit der zunehmenden Aussicht auf Frühverrentung abnahm und für Unternehmen sich Investitionen in die Weiterbildung Älterer weniger lohnten. Deshalb laufen alle Signale zur Beibehaltung von Frühverrentungsmöglichkeiten auch den Anstrengungen zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung Älterer diametral entgegen. Die BDA unterstützt gezielt Initiativen, die das Thema »Ältere Arbeitnehmer in der Arbeitswelt« aufgreifen. Sie hat 2005 unter anderem aktiv bei der »Demografie-Initiative« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mitgewirkt und engagiert sich im Rahmen der »Initiative Neue Qualität der Arbeit« (INQA) bei der Kampagne »30, 40, 50 + – Älter werden in Beschäftigung«.
Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Arbeitsrechtliche Beschäftigungsbremsen lösen Die Hoffnung auf eine grundlegende Modernisierung des deutschen Arbeitsrechts hat sich bisher nicht erfüllt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD liest sich trotz seiner annähernd 200 Seiten in vielen Teilen wie ein Brevier des Stillstands. Die dringend notwendigen Reformen werden nur teilweise angegangen. Ein schlüssiges Gesamtkonzept fehlt weiterhin, auch wenn mit der Regelung einer Vereinbarungsmöglichkeit über die Wartezeit im Kündigungsschutzgesetz erste Schritte zu einer Flexibilisierung erkennbar sind. Besonders enttäuschend ist, dass die Koalitionsvereinbarung keine gesetzliche Regelung zur Absicherung betrieblicher Bündnisse für Arbeit vorsieht. Zur Sicherung der Tarifautonomie ist die gesetzliche Klarstellung des Günstigkeitsprinzips im Tarifvertragsgesetz unumgänglich. Abweichungen vom Tarifvertrag, die der Beschäftigungssicherung oder dem Aufbau neuer Beschäftigung dienen, müssen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch ohne Einverständnis der Tarifparteien rechtssicher vereinbart werden können. Ein bloßes Bekenntnis zur Tarifautonomie und zu Gesprächen mit den Tarifvertragsparteien genügt diesem wichtigen Ziel nicht. Auch das Tarifverhandlungsrecht bedarf der grundlegenden Reform. So untergräbt die zunehmende Zahl von Arbeitskämpfen gegen tarifgebundene Unternehmen die Tarifautonomie und verstößt gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Mit solchen Arbeitskämpfen wird die Friedenspflicht und damit ein tragender Pfeiler der deutschen Tarifautonomie untergraben. Zu Unrecht wird das Thema »Betriebsverfassung« im Koalitionsvertrag vollständig ausgespart. Auch wenn sich die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als konstitutives Element des Betriebsverfassungsgesetzes immer wieder in der Praxis bewährt, bedarf es der Öffnung für Vereinbarungslösungen und flexiblere Regelungen.
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Das Betriebsverfassungsgesetz muss unbürokratischer und Entscheidungen müssen schneller umgesetzt werden. Die Novellierung im Jahr 2001 hat allein die Gremien vergrößert und das Verfahren bürokratischer gemacht. Zumindest diese Fehlentwicklung hätte durch den Koalitionsvertrag rückgängig gemacht werden müssen. Die Beschlüsse der Koalitionsvereinbarung im Arbeitszeitrecht sind ebenfalls ambivalent. Zwar ist es erfreulich, dass die Übergangszeit für die Umsetzung der verfehlten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, nach der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu werten ist, um ein Jahr verlängert wird. Auf der anderen Seite stehen aber das Festhalten am bürokratischen und unflexiblen Teilzeitanspruch und die Ankündigung einer weiteren Verschärfung bei der Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten. Arbeitszeitflexibilität hat für den Produktionsstandort Deutschland eine essenzielle Bedeutung. Diese durch bürokratische und unflexible Gesetzesvorgaben einzuschränken, nimmt den Unternehmen ein wichtiges Ventil und eine wichtige Steuerungsmöglichkeit im Wettbewerb mit kostengünstigeren Standorten. Ein zentrales Thema der kommenden Legislaturperiode wird (erneut) die systemgerechte Einführung der Nichtdiskriminierungsregelung der Europäischen Union in das deutsche Vertragsrecht sein. Dabei darf nicht über die Vorgaben der Richtlinien hinausgegangen werden. Schon die Verabschiedung der Richtlinie hätte von der Bundesregierung verhindert werden können und müssen. Jetzt muss alles unternommen werden, damit nicht noch über die bürokratischen und unflexiblen Regelungen der Richtlinie hinausgegangen wird. Das vom Deutschen Bundestag kurz vor der Neuwahl verabschiedete Antidiskriminierungsgesetz hätte demgegenüber den gravierendsten Einschnitt in das Individualarbeitsrecht seit der Schaffung des Kündigungsschutzgesetzes im Jahre 1951 bedeutet. Daran, dass das vorgesehene Gesetz im Gesetzgebungsverfahren nach seiner Verabschiedung durch den Bundestag noch gestoppt werden konnte, hat die Arbeit der BDA maßgeblichen Anteil gehabt.
Arbeitsrecht
Die BDA wird sich auch weiter dafür einsetzen, dass das Arbeitsrecht stärker als bisher für Vereinbarungslösungen und Optionen geöffnet wird. Wir brauchen mehr flexiblere Regelungen in Gesetzen und – flankiert durch Gesetzesänderungen – in Tarifverträgen. Hierzu ist eine Neujustierung des Arbeitsrechtes innerhalb seiner systematischen Stellung im Zivilrecht notwendig. Das Arbeitsrecht muss auf seinen Grundgehalt zurückgeführt werden: Arbeitsrecht bildet den Rechtsrahmen für das Sonderprivatrecht auf dem Gebiet des Arbeitslebens.
Kündigungsschutz und Befristungen Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Option, die Wartezeit im Kündigungsschutz auf 24 Monate auszudehnen, kann gegenüber dem geltenden Befristungsrecht Vorteile und Vereinfachungen mit sich bringen. So stellt die Möglichkeit, auch wiederholt mit demselben Arbeitnehmer eine über sechs Monate hinausgehende Wartefrist zu vereinbaren, einen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Befristungsrecht dar. Nach geltendem Recht ist eine sachgrundlose Befristung ausgeschlossen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit bereits einmal ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hatten. Es entfällt das Risiko, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande kommt, nur weil das Schriftformerfordernis für die Befristung nicht eingehalten wurde. Schließlich kann das Arbeitsverhältnis während einer vereinbarten Wartefrist von 24 Monaten jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden, während für die Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nicht nur das Kündigungsrecht ausdrücklich vertraglich vorbehalten sein, sondern darüber hinaus auch noch eine soziale Rechtfertigung für die Kündigung vorliegen muss. Der Widerstand der Gewerkschaften gegen die Optionslösung zeigt, dass hierin der erste Schritt einer Reform des Kündigungsschutzes liegen kann, auch wenn wegen der schon heute bestehenden Möglichkeit sachgrundloser Befristungen für die Dauer von bis zu zwei Jahren noch nicht von einer durchgreifenden Modernisierung
des Kündigungsschutzgesetzes gesprochen werden kann. Es bleibt weiter notwendig, die Wartezeit im Kündigungsschutzgesetz auf 36 Monate und den Schwellenwert, ab dessen Erreichen das Kündigungsschutzgesetz gilt, auf 20 Arbeitnehmer anzuheben. Bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags wird zu klären sein, wie die Anwendung besonderer Kündigungsschutzvorschriften für Schwerbehinderte und andere Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz bei einer verlängerten Wartefrist von 24 Monaten ausgeschlossen werden kann. Die BDA wird sich dabei für Regelungen einsetzen, die nicht hinter der geltenden Rechtslage zurückbleiben. Die BDA wird auch weiter für die Möglichkeit eintreten, sachgrundlose Befristungen vereinbaren zu können; dies gilt insbesondere für die Möglichkeit der tariflichen Verlängerung des Höchstbefristungszeitraums, die entsprechend der Ankündigung im Koalitionsvertrag unbedingt erhalten bleiben muss. Im Zusammenhang mit der Überregulierung des deutschen Arbeitsrechts muss auch die Frage der Besteuerung von Abfindungen diskutiert werden. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Abschaffung des Steuerfreibetrages kann die arbeitsrechtlichen Probleme weiter verschärfen. Einerseits ist in vielen Fällen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung kaum möglich, andererseits sind im Vertrauen auf sozialversicherungsrechtliche und arbeitsrechtliche Regelungen im Altersteilzeitgesetz und im Rentenrecht schon im Jahr 2004 durch den Gesetzgeber selbst insbesondere Altersteilzeitvereinbarungen angestoßen worden, bei denen die Beteiligten von der Steuerfreiheit der Abfindung ausgegangen sind. Die Aufhebung der Steuerfreiheit auch für diese Fälle ist daher unter Vertrauensschutzgesichtspunkten problematisch. Auch wenn der Bundestag in seinem Gesetzesbeschluss vom 16. Dezember die Übergangsregelung nochmals revidiert hat, bleiben Rechtsfragen offen. Diese müssen durch eine Klarstellung im Wege des Steuererlasses oder der Steuerrichtlinie abschließend geklärt werden. Das Bundesfinanzministerium muss für adäquate Regelungen und Rechtssicherheit sorgen.
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Arbeitsrecht
Eingriffe des Europäischen Gerichtshofes in die nationale Arbeitsrechtsordnung
dieses Verstoßes deutsche Gerichte die Befristungsregelung nicht mehr anwenden dürfen. Folge wäre die Unwirksamkeit entsprechender Befristungsvereinbarungen.
Einmal mehr hat das Jahr 2005 die bedenkliche Tendenz bestätigt, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich im Bereich des Arbeitsrechts immer mehr zur Superrevisionsinstanz entwickelt und tief in nationales Recht eingreift. Anfang des Jahres hat der EuGH mit der Entscheidung in der Rechtssache »Junk« die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Begriff der Entlassung im Recht der Massenentlassung gekippt. Nach Auffassung des EuGH muss eine Massenentlassung bereits vor dem Ausspruch der Kündigung bei den zuständigen Arbeitsbehörden angezeigt werden. Die Bundesregierung hat es versäumt, im Verfahren vor dem EuGH zur deutschen Rechtslage Stellung zu nehmen. Die Folge ist ein unerträglicher Zustand der Rechtsunsicherheit, die Agenturen für Arbeit richten sich teilweise nach dem bisher geltenden Recht, teilweise nach der Auslegung des EuGH und auch die Gerichte haben unterschiedlich entschieden. In einem ausführlichen Leitfaden hat die BDA zum Ausschluss jeglichen Rechtsrisikos die Empfehlung ausgesprochen, beim Anzeigeverfahren bis zu einer Gesetzesänderung zweigleisig zu verfahren und sowohl vor der Kündigung als auch vor der Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse die Massenentlassung anzuzeigen. Aufgrund der massiven Intervention der BDA hat die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitsagenturen angewiesen, auch den Eingang von Massenentlassungsanzeigen zu bestätigen, die nach der bisherigen Rechtslage erstattet werden. Der Gesetzgeber ist nun dringend aufgefordert, durch eine Änderung des Kündigungsschutzgesetzes wieder Rechtssicherheit herzustellen.
Die BDA bedauert die Entscheidung. Mit ihr greift der EuGH auf nicht hinnehmbare Art und Weise in grundgesetzlich garantierte Gesetzgebungskompetenzen ein. Würden Arbeitsgerichte die Vorschrift einfach nicht anwenden, bedeutete dies einen Eingriff in die Kompetenzen der Legislative. Sie steht auch im Widerspruch zu dem Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer zu fördern, was gerade auch die OECD von der neuen Bundesregierung gefordert hat.
Weiterhin hat der EuGH mit Urteil vom 22. November 2005 die deutsche Regelung zur erleichterten befristeten Beschäftigung älterer Arbeitnehmer für europarechtswidrig erklärt (»Mangold«). Die Regelung verstößt danach nicht nur gegen eine der Antidiskriminierungsrichtlinien, sondern auch gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der EuGH meint, dass aufgrund
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Nun muss der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, die einerseits europarechtlichen Anforderungen gerecht wird, andererseits die Beschäftigungsaussichten älterer Arbeitnehmer verbessert. Die Koalitionäre haben sich im Koalitionsvertrag erfreulicherweise darauf verständigt, die Altersbefristung beizubehalten und mit dem Europarecht vereinbar auszugestalten. Eine solche Neuregelung kann an der Vollendung des 52. Lebensjahres der betroffenen Arbeitnehmer festhalten. Dies ist verhältnismäßig und geeignet, deren Beschäftigungsaussichten zu verbessern. Hinzu kommen muss als weiteres Kriterium, dass es sich um die Neueinstellungen eines zuvor arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmers handelt.
EU-Antidiskriminierungsrichtlinien systemgerecht in deutsches Recht einfügen Der Bundestag hat am 17. Juni 2005 – kurz vor den Bundestagsneuwahlen am 18. September 2005 – ein Antidiskriminierungsgesetz zur Umsetzung der vier so genannten europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien verabschiedet. Die Mehrheit des Bundesrates hat aber das bürokratische und über die EU-Richtlinien hinausgehende Gesetz abgelehnt und deshalb den Vermittlungsausschuss angerufen. Das Gesetzgebungsverfahren
BDA zur Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien: konnte vor den Neuwahlen nicht mehr abgeschlossen werden und muss daher in der neuen Legislaturperiode neu begonnen werden. Die BDA hat sich mit Stellungnahmen, Presseaktivitäten und intensiver Lobbyarbeit gegen das bürokratische, die Richtlinien übererfüllende und die Wirtschaft belastende Gesetz gewandt und damit maßgeblich zur Verhinderung des Gesetzes beigetragen. Auch wenn Diskriminierungen kein Problem der deutschen Rechtswirklichkeit sind, zwingen uns die vier EUAntidiskriminierungsrichtlinien, deutsche Antidiskriminierungsregelungen zu schaffen, soweit diese in geltenden Gesetzen – wie zum Beispiel dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder dem Beschäftigtenschutzgesetz – nicht schon existieren. Die BDA fordert, dass die EU-Antidiskriminierungsrichtlinien in einem ganz neuen Anlauf – und nicht aufbauend auf das gescheiterte Gesetz – systemgerecht in nationales Recht umgesetzt werden. Der Gesetzgeber sollte sich dabei auf die zwingend erforderlichen Regelungen beschränken. Dafür ist kein eigenständiges Antidiskriminierungsgesetz notwendig! Es darf keine neue Bürokratie geschaffen werden. Der weitaus größte Teil der europarechtlichen Vorgaben aus den Antidiskriminierungsrichtlinien gilt in Deutschland bereits. Ausreichend ist daher ein Artikelgesetz, mit dem die fehlenden Regelungen, die in den Richtlinien vorgegeben werden, in bestehende Gesetze integriert werden. Die Arbeitgeber lehnen jede willkürliche Benachteiligung bestimmter Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen ab. Ein Übermaß an gesetzlichen Regelungen wirkt sich jedoch kontraproduktiv gerade auch für den geschützten Personenkreis aus. Der deutsche Gesetzgeber darf daher keinesfalls über die ohnehin schon bürokratischen Vorschriften aus Brüssel hinausgehen. Nur eine Richtlinienumsetzung, die eine ausgewogene Balance zwischen der grundrechtlich geschützten Vertragsfreiheit und den Inhalten der Richtlinien herstellt, wird zur Akzeptanz von Antidiskriminierungsregelungen bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern führen!
Im Arbeitsrecht sollten die schon bestehenden Regelungen, die eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und der Schwerbehinderung verbieten, so ergänzt werden, dass sie zukünftig auch Diskriminierungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung, des Alters, der Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung umfassen. Für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen bedarf es keiner eigenen Regelung. Diese werden nach Maßgabe des allgemeinen Rechts von den Diskriminierungsverboten mit umfasst. Die Umsetzung im allgemeinen Zivilrecht muss auf ein Verbot der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts beschränkt und in das allgemeine Schuldrecht des BGB integriert werden. Es darf auch künftig keinen Anspruch auf Abschluss eines Vertrags als Sanktion für diskriminierendes Verhalten geben. Ein Anspruch auf Schadensersatz sollte gewährt werden, wenn tatsächlich ein Vermögensschaden der betroffenen Person eingetreten ist. Eine »Entschädigung« im Sinne des Ersatzes eines immateriellen Schadens darf nur gewährt werden, wenn eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegt. Eigenständige Klagemöglichkeiten für Antidiskriminierungsverbände, Betriebsräte oder Gewerkschaften sehen die Richtlinien nicht vor. Daher darf für sie kein Verbandsklagerecht geschaffen werden. Eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle sollte im Beschäftigtenschutzgesetz sowohl für das Arbeits- als auch das allgemeine Zivilrecht geregelt und beim BMFSFJ angesiedelt werden. Ihre Zuständigkeit sollte sich – entsprechend den Richtlinien – auf die Beratung, wissenschaftliche Untersuchung und Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf Diskriminierungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts beschränken.
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Arbeitsrecht
Verlängerung der Übergangsregelung im Arbeitszeitgesetz richtig Aus Anlass des EuGH-Urteils in der Rechtssache »Jäger« vom 9. September 2003 wurde das Arbeitszeitgesetz zum 1. Januar 2004 geändert. Die gesamte Zeit des Bereitschaftsdienstes – einschließlich der Ruhephasen – wird seitdem der Arbeitszeit zugerechnet. Um die schwerwiegenden Folgen dieser Gesetzesänderung abzumildern und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass nicht kurzfristig Tarifverträge angepasst werden konnten, wurde gleichzeitig mit der Änderung des Arbeitszeitgesetzes eine Übergangsfrist in § 25 ArbZG geschaffen. Nach dieser Regelung konnten zum 1. Januar 2004 bestehende oder nachwirkende tarifliche Regelungen weiterhin angewandt werden. Diese Übergangsfrist sollte zum 1. Januar 2006 auslaufen. Ohne diese Übergangsregelung hätte die Gefahr bestanden, dass Unternehmen ihren bisherigen Geschäftsbetrieb nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Belastungen hätten aufrechterhalten können. Dies betrifft neben karitativen Einrichtungen vor allem auch Unternehmen, die aus feuerpolizeilichen und ähnlichen Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Werksfeuerwehren bereithalten müssen und deshalb auf die Ableistung von Bereitschaftsdienst in erheblichem Umfang angewiesen sind. Dazu zählen vor allem Flughäfen, Chemiewerke und Stahlhochöfen. In der Praxis bestehen dieselben Probleme fort, die zur Einführung der Übergangsfrist geführt haben: Vor dem Hintergrund der bereits im November 2003 vorgenommenen Ankündigung der EU-Kommission, eine schnelle Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie vorzunehmen, wurden Tarifverträge zu Recht nicht sofort und nicht flächendeckend angepasst. Die Änderung der Arbeitszeitrichtlinie soll das Ziel haben, die sich aus der neuen Bewertung des Bereitschaftsdienstes ergebenden wirtschaftlichen Folgen für die Mitgliedstaaten abzumildern. Es bestand daher zu Recht ein Vertrauen der Unternehmen darauf, dass die geänderte Arbeitszeitrichtlinie bis
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zum 31. Dezember 2005 in Kraft treten würde. Die Entwicklungen, die zu deutlichen Verzögerungen geführt haben, konnten von den Betroffenen nicht vorausgesehen werden. Die BDA hat sich daher schon frühzeitig und erfolgreich für eine Verlängerung der Übergangsfrist um weitere zwei Jahre stark gemacht. Auch Bayern hatte einen Gesetzesantrag zur Verlängerung der Übergangsfrist für bestehende tarifvertragliche Regelungen in § 25 ArbZG bis zum 31. Dezember 2007 eingebracht. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Entwurfs eines »Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze« die Verlängerung der Übergangsfrist um ein Jahr beschlossen. Die Übergangsregelung gilt damit bis zum 31. Dezember 2006. Auch wenn die erneute Verlängerung der Übergangsregelung um zwei Jahre mit einer größeren Planungssicherheit für die Unternehmen verbunden gewesen wäre, können durch diese Gesetzesänderung Probleme in bereitschaftsdienstintensiven Betrieben kurzfristig, unkompliziert und für die verschiedenen Branchen befriedigend gelöst werden.
Betriebliche Bündnisse endlich rechtssicher machen Die BDA tritt dafür ein, die Tarifautonomie zu erhalten und fortzuentwickeln. Dazu müssen die betrieblichen Gestaltungsspielräume innerhalb der Flächentarifverträge erweitert werden. Ziel sind Tarifverträge mit Öffnungsklauseln in allen Branchen, die nicht erst im Härtefall greifen, sondern vorbeugend zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Investitions- und Innovationsbedingungen wirken und deren praktische Umsetzung in den Betrieben funktioniert.
Arbeitsrecht
Die Schaffung der entsprechenden Tarifvertragsstruktur ist in erster Linie eine Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Aber die freiwillige tarifliche Öffnung funktioniert nicht in allen Branchen. Neue oder erweiterte Öffnungsklauseln werden von den Gewerkschaften in einzelnen Branchen noch immer und dauerhaft blockiert. In anderen Bereichen wird die Anwendung und damit die Nutzung der Öffnungsklauseln im Betrieb blockiert. Auch diese Branchen und Betriebe müssen aber die Möglichkeit haben, betriebliche Bündnisse einzugehen.
Fällt der Tarifvorrang weg, würde sich der Betriebsrat zu einer Betriebsgewerkschaft entwickeln. Eine solche Entwicklung würde die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und damit ein tragendes Element unserer Betriebsverfassung untergraben. Der Betriebsrat wäre bei Verteilungskonflikten gleichzeitig der zum Streik bereite Verhandlungspartner des Arbeitgebers. Mitbestimmung und Tarifkompetenz gehören aber nicht in eine Hand.
Deshalb muss das Günstigkeitsprinzip an das veränderte wirtschaftliche und soziale Umfeld des Tarifrechts angepasst werden. Die BDA fordert eine gesetzliche Klarstellung des Günstigkeitsprinzips, die den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, zur Beschäftigungssicherung, aber auch zur Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Investitions- sowie Innovationsbedingungen der Unternehmen von tariflichen Einzelregelungen abzuweichen. Eine solche Abweichung soll als günstiger gelten, wenn ihr der Betriebsrat zugestimmt hat oder aber die Abweichung mit zwei Dritteln der Arbeitnehmer vereinbart worden ist.
Biedenkopf-Kommission zur Unternehmensmitbestimmung: Europäische und internationale Entwicklungen bestimmen den Modernisierungsbedarf
Das bedeutet, dass Arbeitgeber und Betriebsrat eine Regelungsabrede treffen. Es handelt sich nicht um eine Betriebsvereinbarung. Auf der Grundlage dieser Regelungsabrede unterbreitet der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ein Änderungsangebot der Arbeitsbedingungen. Widersprechen die Arbeitnehmer dem Änderungsangebot ihres Arbeitsvertrags nicht, werden die geänderten Arbeitsbedingungen Bestandteil des Arbeitsvertrages. Die BDA wendet sich gegen eine Einschränkung oder Abschaffung des Tarifvorrangs im Betriebsverfassungsgesetz, sie wäre kontraproduktiv und verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Betriebsvereinbarungen, die ohne Zustimmung der Tarifvertragsparteien geschlossen werden, greifen tief in die Arbeitsverträge ein, ohne dass der Betriebsrat hierzu von den Arbeitnehmern beauftragt worden wäre.
Die von Bundeskanzler Schröder eingesetzte Kommission zur Modernisierung der deutschen Unternehmensmitbestimmung unter Leitung von Herrn Prof. Biedenkopf ist am 14. Oktober 2005 in ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Ihr Arbeitsauftrag lautet, eine Analyse der in Europa bestehenden Mitbestimmungsregelungen sowie der Stärken und Schwächen der Mitbestimmung vorzunehmen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen von der Kommission bewertet werden, und auf dieser Grundlage sollen praxisorientierte Modernisierungsvorschläge entwickelt werden. Mitglieder der Kommission sind für die Wirtschaft Herr Dr. Hundt, Herr Thumann und Herr Dr. Gentz, für die Arbeitnehmerseite Herr Sommer (DGB), Herr Peters (IG Metall) und Herr Reppien (Gesamtbetriebsratsvorsitzender RWE Power) und für die Wissenschaft neben Herrn Prof. Biedenkopf Herr Prof. Wißmann (ehem. Präsident des BAG) und Herr Prof. Streeck (Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung). Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass sich die Koalition für eine gesetzgeberische Umsetzung konsensualer Vorschläge der Kommission einsetzen wird. Herr Prof. Biedenkopf möchte das Kommissionsergebnis bis Dezember 2006 vorlegen.
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Arbeitsrecht
Von Herrn Prof. Wißmann und Herrn Prof. Streeck geleitete Arbeitsgruppen werden das Verhältnis der deutschen Mitbestimmung zur europäischen Entwicklung sowie das Verhältnis von Mitbestimmung zur Kapitalmarktentwicklung, zum Gesellschaftsrecht sowie zur Wissensgesellschaft analysieren. Prüfstein für die Arbeit der Biedenkopf-Kommission wird sein, mit welcher Ernsthaftigkeit die von BDA und BDI vorgelegten umfassenden Modernisierungsvorschläge diskutiert und zur Umsetzung gebracht werden. Damit Unternehmensmitbestimmung nicht zum negativen Standortfaktor wird, müssen Verhandlungslösungen für die Vereinbarung von Mitbestimmung zwischen Anteilseignern beziehungsweise Unternehmen und Arbeitnehmern geschaffen werden. Die Mitbestimmung muss so modernisiert werden, dass Deutschland als Holding- und Investitionsstandort attraktiver wird und den europäischen und internationalen Entwicklungen im Gesellschaftsrecht und der Entwicklung von Corporate Governance Rechnung getragen wird.
Aktuelle Entwicklungen im europäischen Gesellschaftsrecht Die europäische Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen wurde inzwischen im EU-Amtsblatt veröffentlicht und ist am 15. Dezember 2005 in Kraft getreten. Sie muss bis zum Dezember 2007 in nationales Recht umgesetzt werden. Hinsichtlich der Mitbestimmung besteht gegenüber den Regelungen zur Europäischen Aktiengesellschaft (SE) der Vorteil, dass die Auffangregelung und damit das weitestgehende Mitbestimmungssystem bei Scheitern der Verhandlungen nur dann zur Anwendung gelangt, wenn vor der Fusion 33,3 % aller beteiligten Arbeitnehmer von einem Mitbestimmungssystem betroffen sind. Bei der SE lag diese Grenze noch bei 25 %. Den mitbestimmungsrechtlichen Teil zur Umsetzung wird das Bundesarbeitsministerium zuliefern, den gesellschaftsrechtlichen Teil das Bundesjustizministerium. Die Regelung wird voraussichtlich in einem neuen Abschnitt im Umwandlungsgesetz erfolgen.
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Die Gesellschaftsform der SE hat inzwischen einige Interessenten gefunden. In Deutschland wurden erste kleinere SE-Gründungen vorgenommen. Die Allianz AG plant eine solche Gründung. Neben den negativen Auswirkungen der Mitbestimmungsregelungen auf die Attraktivität der neuen Gesellschaftsform ist auch die steuerrechtliche Problematik bisher noch nicht gelöst. Inzwischen wurde aber die Fusionssteuerrichtlinie geändert, so dass mit einer Umsetzung dieser Richtlinie bis 2007 die steuerrechtlichen Hindernisse bei der Gründung einer SE beseitigt werden können und müssen. In nationales Recht umgesetzt wird in Kürze auch die Europäische Genossenschaft. Neben einer nahezu wortgleichen Übernahme der gesellschafts- und mitbestimmungsrechtlichen Regelungen aus dem »Gesetz zur Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft« (SEEG) sieht der Referentenentwurf des Umsetzungsgesetzes eine Vereinfachung des Genossenschaftsrechts und eine Übertragung von Corporate-Governance-Regeln aus dem Aktienrecht auf das Genossenschaftsrecht vor. Die Relevanz der neuen Regelungen im Hinblick auf die Mitbestimmung ist insofern gering, als in Deutschland zurzeit nur sieben mitbestimmte Genossenschaften existieren. Auf der Brüsseler Agenda stehen weiterhin die 14. Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung, die in der Prioritätenliste allerdings herabgestuft wurde, die Einführung der Europäischen Privatgesellschaft und die Einführung eines obligatorischen Wahlrechts zwischen monistischer und dualistischer Unternehmensverfassung. Alle diese Vorhaben werden dazu beitragen, dass sich der Wettbewerb der Gesellschaftsrechtssysteme in Europa weiter verschärft. Die BDA fordert deshalb, dass in Deutschland die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass die Unternehmensmitbestimmung kein Stolperstein in diesem Wettbewerbsprozess ist.
Arbeitsrecht
Betriebsratswahlen 2006 In der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2006 finden die nächsten turnusmäßigen Betriebsratswahlen statt. Es gibt zwar nicht so umfassende Neuregelungen wie beim letzten Wahlturnus 2002. Die Aufblähung der Betriebsverfassung durch die Novellierung 2001 insbesondere mit der Absenkung der Schwellenwerte wurde vom Gesetzgeber trotz der erheblichen Mehrbelastung der Wirtschaft bisher nicht rückgängig gemacht. Damit wurde für weitere vier Jahre die Chance verpasst, durch eine Flexibilisierung und Entlastung im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung die Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen im europäischen und internationalen Wettbewerb zu verbessern. Auch die Möglichkeit elektronischer Wahlen oder zumindest der Einsatz von Wahlgeräten wurden entgegen zunächst anders lautenden Zusagen bisher nicht geregelt. Betriebe haben damit nicht die Möglichkeit, unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik unnötige Kosten und Aufwand bei den Betriebsratswahlen einzusparen. Viele Rechtsfragen, die sich aus den verfehlten Änderungen ergeben haben, wurden aber mittlerweile geklärt. So hat das BAG richtigerweise in inzwischen gefestigter Rechtsprechung entschieden, dass trotz der Ausdehnung des Wahlrechts auf Leiharbeitnehmer diese bei der Berechnung der Schwellenwerte im Entleihbetrieb nicht mitzuzählen sind. Der »listenübergreifende Geschlechtersprung«, wonach ein Kandidat einer anderen Liste zum Zuge kommt, wenn auf der eigentlich gewählten Liste kein Vertreter des Minderheitengeschlechts vorhanden ist, wurde dagegen in falscher Gewichtung der Bedeutung des Schutzes des Minderheitengeschlechts gegenüber dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl als zulässig angesehen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage steht noch aus.
In Verfahrensfragen, beispielsweise betreffend die Pflicht des Wahlvorstands zur Prüfung eingereichter Wahlvorschläge, hat das BAG zur konkreten Anwendung der Vorschriften Stellung genommen und so Klarheit geschaffen.
Deregulierung und Bürokratieabbau konsequent vorantreiben Die »Initiative Bürokratieabbau« der letzten Bundesregierung hat keine spürbare Entlastung für die deutschen Unternehmen gebracht. Sie hat sich vielmehr in der Änderung wirtschaftlich unbedeutender Einzelregelungen und der Abschaffung von Vorschriften verloren, die bereits keinen Anwendungsbereich mehr hatten. Insofern begrüßt die BDA ausdrücklich, dass der Bürokratieabbau im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD eine hervorgehobene Stellung einnimmt. So ist die geplante kurzfristige Umsetzung von Sofortmaßnahmen zur Entlastung des Mittelstandes sowie von Existenzgründern ein erster wichtiger und richtiger Schritt, der schnell umgesetzt werden muss. Insbesondere auf die Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren muss dabei das Augenmerk gerichtet werden. Daneben bedarf es eines Gesamtkonzepts für einen nachhaltigen Regelungsabbau, welcher die Belastungen für alle Unternehmen dauerhaft reduziert, aber auch Neubelastungen verhindert. Hier könnte die geplante Umsetzung des Standardkostenmodells – eines in anderen europäischen Ländern bereits bewährten Verfahrens zur objektiven Messung der bürokratischen Belastungen von Unternehmen – ein wichtiger Schritt sein. Entscheidend wird sein, dass die daraus gewonnenen Erkenntnisse konsequent umgesetzt werden. Darüber hinaus liegen bereits konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau vor. Der Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft hat bereits 2003 in einem Gutachten eine Vielzahl von Vorschlägen zum Bürokratieabbau gemacht, deren entlastende Wirkung anerkannt ist und die sofort umgesetzt werden können.
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Arbeitsrecht
In stärkerem Maße als bisher muss das Augenmerk schließlich darauf gerichtet sein, bereits die Entstehung überflüssiger Bürokratie zu verhindern. Die BDA hat in diesem Zusammenhang die Einführung eines »Bürokratie-TÜV« gefordert, der bereits in der Entstehungsphase jede neue gesetzliche Regelung auf ihre bürokratischen Auswirkungen überprüft und gegebenenfalls Anpassungen anregt beziehungsweise die geplante Regelung verhindert. Der geplante »Normenkontrollrat« beim Bundeskanzleramt kann der Grundstein für eine solche wirkungsvolle Gesetzesfolgenabschätzung sein. Entscheidend ist, dass ein solches Gremium mit den entsprechenden Rechten ausgestattet ist, um wirksam der Entstehung überflüssiger Bürokratie entgegenzuwirken.
Föderalismusreform umfassend und konsequent weiterführen Die jetzt gefundene Einigung in der Föderalismusreform geht in die richtige Richtung. In ihrer Gesamtheit stellen die Änderungsvorschläge aber keinen Durchbruch zu einer Entflechtung der Zuständigkeiten dar. Die notwendige grundlegende Reform der Finanzverfassung wird aufgeschoben. Die BDA begrüßt die Vorschläge zum Abbau der Zustimmungsrechte. Diese reichen aber für die Reduzierung der zustimmungspflichtigen Gesetze auf den ursprünglich vom Grundgesetz intendierten Anteil von 10 % noch nicht aus. So können die vorgesehenen »Ausnahmefälle«, in welchen wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung keine Abweichungsmöglichkeiten für die Länder in Betracht kommen sollen, Einfallstore für weitere zustimmungspflichtige Gesetze sein. Das Gleiche gilt für eine Zustimmungspflichtigkeit von durch die Länder auszuführenden Leistungsgesetzen, die nicht auf eine zu erwartende erhebliche Ausgabenbelastung der Länder begrenzt ist.
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Im Hinblick auf die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen ist zunächst die geplante Abschaffung der Intransparenz begünstigenden Rahmengesetzgebung zu begrüßen. Insbesondere die damit einhergehende Stärkung der Länder in der Bildungskompetenz war überfällig. Die Länder müssen allerdings im Falle abweichender Gesetzgebung berücksichtigen, in den wesentlichen Punkten wie Hochschulzugang – insbesondere für Absolventen der beruflichen Bildung – oder Mobilität der Studierenden gemeinsame Absprachen zu treffen. Im Hinblick auf die notwendige Entflechtung der Mischfinanzierung ist leider kein vollständiger Durchbruch erzielt worden. Richtigerweise soll zwar die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau abgeschafft werden; die Mischverantwortung und Mischfinanzierung im Bereich der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung besteht jedoch fort, hier ist eine deutlichere Konzentrierung der Grundlagenforschung beim Bund wünschenswert. Die künftige Zuständigkeit der Länder für die Besoldung und Versorgung ihrer Beamten ist sinnvoll, sie ermöglicht eine flexible Abstimmung auf die wirtschaftliche Situation in den Ländern. Zu hinterfragen ist die Ausnahme des bürgerlichen Rechts, des Arbeitsrechts und zahlreicher anderer Materien des Katalogs konkurrierender Zuständigkeiten von der Anwendung der Erforderlichkeitsklausel. Dadurch würde der Bund eine maßgebliche Aufwertung erfahren und könnte dann auf die betreffenden Materien ohne Weiteres zugreifen. Vielmehr sollte den Ländern die notwendige Flexibilität eingeräumt werden, gerade in wirtschaftsrelevanten Bereichen, wie dem Arbeitsrecht, aufgrund von Länderöffnungsklauseln regional experimentieren zu können. Solche Öffnungsklauseln wären beispielsweise für Regionen mit weit überdurchschnittlichen Arbeitslosenquoten (etwa 50 % über dem bundesweiten Durchschnitt) denkbar. Durch die geplante Änderung wird das Arbeitsrecht dagegen weiterhin statisch und losgelöst von den jeweils regionalen Bedürfnissen geregelt.
Arbeitsrecht
Ohne eine Reform der Finanzverfassung, nach der die Länder finanziellen Handlungsspielraum zurückgewinnen müssen, wird die jetzige Föderalismusreform ein Torso bleiben. Entsprechend der Zusage der Koalition müssen daher Bund und Länder eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen baldmöglichst in Angriff nehmen.
Große Justizreform für eine effektive Justiz Die Einigung der Koalition, unter Einbeziehung aller Vorschläge der Justizministerkonferenz zur Großen Justizreform ein Gesamtkonzept für eine nachhaltige Sicherung der Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der Justiz erstellen zu wollen, ist zu begrüßen. Die Justiz bedarf der grundlegenden Modernisierung. So beeinträchtigen überlange Verfahrensdauern in allen Gerichtszweigen den Rechtsschutz. Unnötig ausdifferenzierte Fachgerichtsbarkeiten
leisten der Verkomplizierung und Zersplitterung des Rechts Vorschub. Übertragene Aufgaben blähen die Justiz auf und hindern eine effiziente Erledigung der Kernaufgaben. Folge dieser Missstände sind kostenintensive und unkalkulierbare Verfahren, die Deutschland langfristig im internationalen Wettbewerb der Rechtssysteme zurückwerfen können. Um die Leistungsstärke und Zukunftsfähigkeit der Justiz langfristig zu sichern, fordert die BDA substanzielle und nachhaltige Strukturverbesserungen. Dabei würde der »kleinste gemeinsame Nenner« dem Ziel einer umfassenden Justizreform nicht gerecht. Vielmehr müssen Organisation und Verfahren so gestaltet werden, dass die Gerichte ihre Kernaufgaben effektiv erfüllen können. Das Konzept der Justizministerkonferenz sieht vor, den Ländern eine Zusammenführung der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit zu ermöglichen. Das BDA-Präsidium hat diese Überlegungen ausdrücklich begrüßt.
Nivellierende Wirkung des Länderfinanzausgleichs beseitigen Länderfinanzausgleich: Geber und Nehmer Geberländer
Nehmerländer
So viele Millionen € mussten diese Länder im Jahr 2003 von ihren Steuereinnahmen für den Länderfinanzausgleich abgeben: Nordrhein-Westfalen Hamburg
So viele Millionen € bekamen diese Länder im Jahr 2003 aus dem Länderfinanzausgleich zu ihren Steuereinnahmen dazu: 54
Schleswig-Holstein
16
Saarland
106
Bayern
1.851
Rheinland-Pfalz
259
Hessen
1.869
Bremen
338
Baden-Württemberg
2.159
Mecklenburg-Vorpommern
392
Niedersachsen
393
Thüringen
498
Brandenburg
501
Sachsen-Anhalt
519
660
Sachsen Quelle: BMF, Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Berlin
933 2.637
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Arbeitsrecht
Eine funktionale Zweigliedrigkeit, wie sie sich in der Finanzgerichtsbarkeit bewährt hat, kann auch in den übrigen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten die Verfahren beschleunigen. Dabei können das Widerspruchsverfahren und das erstinstanzliche Verfahren durch ein einheitliches Widerspruchsverfahren ersetzt werden. In Zivilsachen empfiehlt sich dagegen, im Sinne einer effizienten Tatsachenfeststellung einen dreigliedrigen Instanzenzug mit einer einstufigen Eingangsinstanz beizubehalten. Bund und Länder müssen nunmehr die geeigneten Maßnahmen für eine zielführende Justizreform ergreifen und umsetzen. Die bereits auf den Weg gebrachten Gesetze für eine Länderöffnungsklausel zur Zusammenführung der öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten sollten aufgegriffen und in der Großen Justizreform gebündelt werden.
Verfahren zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch stoppen! Die BDA fordert die Europäische Kommission auf, die Arbeiten zu einem Gemeinsamen Referenzrahmen (GRR) für ein europäisches Vertragsrecht umgehend einzustellen. Der geplante GRR ist eine akademische Kopfgeburt, für die weder eine praktische Notwendigkeit noch eine Rechtsgrundlage ersichtlich ist. Eine mangelnde Harmonisierung des Vertragsrechts hat weder den deutschen Exporterfolgen noch wirtschaftlich überdurchschnittlich erfolgreichen Ländern mit mehreren Zivilrechtssystemen, wie den USA oder Großbritannien, geschadet. Widersprüchlichkeiten des geltenden Richtlinienrechts – besonders im Verbraucherrecht – können unmittelbar behoben werden, eines GRR bedarf es dazu nicht. Das Vorhaben der Kommission scheint umso fragwürdiger, wenn man die bisher vorgelegten, nicht aufeinander abgestimmten Teilentwürfe und das Verfahren betrachtet. Entgegen der Mitteilung der Kommission von Oktober 2004, wonach der GRR lediglich als Leitlinie für Praktiker und den europäischen Gesetzgeber
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gedacht sein soll, legen die Forschergruppen in der offenen Absicht einer Kodifikation eines Europäischen Zivilgesetzbuchs längst ausgearbeitete detaillierte Modellgesetze vor, die mit möglichst wenigen Änderungen noch in der laufenden Barroso-Legislaturperiode verabschiedet werden sollen. Angesichts der Komplexität und des Zeitdrucks bleibt der Praxis keine realistische Möglichkeit zur Einflussnahme. Die ausufernden praxisfremden Entwürfe bestätigen die Befürchtung der Wirtschaft, dass die beabsichtigte Harmonisierung vor allem weitere Einschränkungen der Vertragsfreiheit beinhalten würde. Der von der federführenden Generaldirektion Verbraucherschutz eingeschlagene Weg, die Privatautonomie und Gestaltungsmöglichkeiten durch zwingende Verbraucherschutzgesetzgebung mehr und mehr einzuschränken, soll auch auf zentrale Bereiche des Schuldrechts und für die Vertragsverhältnisse zwischen Unternehmen ausgeweitet werden. Die einseitige Tendenz der EUNeuregelungen zu immer mehr Verbraucherschutz trägt jedoch zur unangemessenen Belastung der Wirtschaft bei. Es ist auch nicht veranlasst, die Verbraucher schützenden Vorschriften auf Verträge zwischen Unternehmen auszudehnen. Im Übrigen ist die Generaldirektion Verbraucherschutz für diesen Bereich nicht zuständig. Ebenso wenig bringen die Vorschläge für ein optionales Instrument für den Abschluss grenzüberschreitender Verträge Vorteile. Die Wiener Konvention zum Internationalen Warenkauf ist von den meisten Mitgliedstaaten ratifiziert worden und kann, soweit die Vertragsparteien dies möchten, entsprechend angewandt und zugrunde gelegt werden. Dass diese Konvention im internationalen Wirtschaftsverkehr bisher keine große Bedeutung erlangt hat, zeigt, dass individuelle Lösungsansätze und die Wahl einer bestimmten Rechtsordnung vorherrschen.
Tarifpolitik
Tarifpolitik
Tarifrunde 2005: Zwischen Fortschritt und Stillstand Die Tarifabschlüsse 2005 leisteten in Anbetracht der anhaltend schwachen Konjunktur einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Wirtschaft. Im Durchschnitt wurde auch in diesem Jahr der moderate Kurs der Lohnentwicklung fortgesetzt. Dagegen konnte der Prozess der tariflichen Öffnung nur sehr begrenzt an die Erfolge des vergangenen Jahres anknüpfen.
Moderate Lohnentwicklung: Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität In der Tarifrunde 2005 konnten im Wesentlichen moderate Tarifabschlüsse erzielt werden. Es wurden Abschlüsse mit Kostenentlastungen, wie zum Beispiel in der Bauwirtschaft, Abschlüsse mit einer Jahresbelastung unter 1,0 %, wie zum Beispiel in der Druckindustrie und in der Zeitarbeit, leider aber auch Abschlüsse mit einer Jahresbelastung von über 3,0 %, wie im Stahlbereich, vereinbart. Im Durchschnitt lagen die Entgeltanhebungen im Jahr 2005 bei 1,5 % und damit etwa in Höhe des Produktivitätszuwachses. Trotz des moderaten Lohnverlaufs liegt Deutschland im internationalen Vergleich der Lohnstückkosten nach wie vor an der Spitze. Deutschland steht damit unter einem erheblichen Wettbewerbsdruck. Die Marktfähigkeit vieler deutscher Produkte basiert bereits heute teilweise auf Vorleistungen, die im kostengünstigen Ausland produziert werden. So ist der wirtschaftskonforme Lohnverlauf auch dieser Tarifrunde ein unerlässlicher Beitrag zur Stabilisierung der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit und damit auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen am Standort Deutschland.
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Ein kostenseitiger Fehlstart der Tarifrunde 2005 war der im Februar erzielte Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Trotz leerer Kassen und den mit der Tarifreform verbundenen Mehrkosten wird für die Bundesbeschäftigten in Ostdeutschland die Arbeitszeit bei gleichem Lohn um eine Stunde auf 39 Stunden verkürzt. Zudem erfolgt eine stufenweise Lohnangleichung auf 97 % des Westniveaus. Auch die für Westdeutschland vereinbarten jährlichen Einmalzahlungen von 300 € führen zu weiteren Kostenbelastungen. Die Länder, in denen für die Beschäftigten teilweise bereits Arbeitszeiten von bis zu 42 Wochenstunden gelten, haben das Tarifergebnis nicht übernommen. Damit trat erstmals in der Geschichte des öffentlichen Dienstes zum 1. Oktober ein zweigeteiltes Tarifrecht in Kraft. Mit dem Ziel weiterer Kostenentlastungen sind die Länder aus der Tarifgemeinschaft ausgeschieden und verhandeln nun gesondert. In der Stahlindustrie hat die IG Metall Anfang Mai durch massive Streikandrohungen einen Tarifabschluss erzwungen, der bei einer 17-monatigen Laufzeit für die ersten fünf Monate eine Einmalzahlung von 500 € und eine anschließende Entgeltanhebung von 3,5 % vorsieht. Dieser überhöhte Abschluss war der spezifischen Branchenkonjunktur geschuldet. Für andere Wirtschaftszweige durfte er keine Orientierung sein. Auch für die Stahlindustrie wird der Abschluss in seiner strukturellen Belastung nur schwer verkraftbar sein und weitere Rationalisierungen nach sich ziehen. Das Reisebürogewerbe hat mit dem Tarifabschluss von Anfang Juni bei einer Gesamtlaufzeit von 30 Monaten nach sechs Nullmonaten eine Stufenanhebung der Entgelte um jeweils 1,4 % ab Juli 2005 und Juli 2006 vereinbart. Die ebenfalls zu diesen Zeitpunkten fälligen Einmalzahlungen von 300 € und 150 € gelten nicht für den Vertrieb oder Unternehmen mit negativem Betriebsergebnis. Daneben wird die Möglichkeit eröffnet, in wirtschaftlichen Härtefällen sowie zur Beschäftigungssicherung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien von tariflichen Bestimmungen abweichen zu können.
Tarifpolitik
Arbeitskosten im internationalen Vergleich: Westdeutschland zweitteuerste Nation Im internationalen Vergleich wichtiger Industrieländer hatte Westdeutschland 2004 mit über 27 € pro Arbeiterstunde nach Dänemark die zweithöchsten Arbeitskosten zu verkraften. Im Schnitt sind damit die Produktionsbedingungen in Westdeutschland 38 % teurer als in den etablierten Konkurrenznationen. Zwar produzieren die Betriebe in Ostdeutschland mit über 17 € pro Arbeiterstunde günstiger als Betriebe in den alten Bundesländern.
verschlechtert, was vor allem dem gestiegenen Eurokurs zuzuschreiben ist. Doch ein starker Euro hat nicht das hohe, über Jahre angestiegene Arbeitskostenniveau zu verantworten. Dies ist in erster Linie auf die hohen Personalzusatzkosten zurückzuführen. Sie sind in den alten Bundesländern mit über 12 € pro Arbeiterstunde die höchsten im internationalen Vergleich. Für die Wirtschaft verdeutlicht das Ergebnis der Studie vor allem, dass Unternehmen in Deutschland – trotz der nun zum Teil moderaten Lohnentwicklungen und der ersten Fortschritte im Bereich der tariflichen Öffnung – noch lange nicht über annähernd vergleichbare Wettbewerbsbedingungen wie ihre ausländischen Konkurrenten verfügen.
Doch auch hier sind die Kosten stetig gestiegen und überschreiten schon jetzt das Niveau Kanadas, Spaniens und Großbritanniens. Zudem hat sich 2004 das Kostenranking Deutschlands im internationalen Vergleich um eine Position
Arbeitskosten: Internationaler Vergleich DK D (W) N CH B FIN NL S A L F UK IRL USA J I D (O) CDN E GR P H CZ SK PL
7,08
21,06 12,15
15,45
8,86
18,46 8,65
16,66 11,85
13,16
10,82
14,06
10,60
13,15
9,67
13,65 9,84
11,66
7,20
14,13 9.98
10,76
6,27
13,61
5,34
13,45
5,78
12,98 7,33
10,62 8,40
8,84
6,78
10,37
4,69
12,13 7,61
8,98 4,21
6,21 3,11
4,10 1,97
2,55 2,45 2,14 2,08
2,04 1,46 1,21
28,14 27,60 27,37 25,31 25,01 24,88 23,74 23,32 21,50 21,33 20,74 19,89 18,79 18,76 17,95 17,24 17,15 16,82 16,59 10,72 7,21 4,53 4,49 3,61 3,29
Arbeitskosten = Stundenlohn + Personalzusatzkosten im verarbeitenden Gewerbe pro Std. in € Stundenlohn Personalzusatzkosten Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln
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Tarifpolitik
Mitte Juni vereinbarte die Druckindustrie einen Tarifabschluss, der bei einer zweijährigen Laufzeit ab April 2005 eine Einmalzahlung von 340 € und für das zweite Jahr eine Entgelterhöhung von 1,0 % vorsieht. Darüber hinaus konnten durch deutlich reduzierte Zuschläge für Überstunden und Samstagsarbeit sowie durch die Einführung von Arbeitszeitkonten spürbare Kostenentlastungen geschaffen werden. Auf den dringend benötigten Arbeitszeitkorridor musste die Druckindustrie aufgrund der anhaltenden Blockadehaltung von ver.di jedoch verzichten. Die chemische Industrie schnürte im Juni ein branchenspezifisches Tarifpaket. Vereinbart wurde eine Tarifanhebung von 2,7 % sowie erneut rein betrieblich abdingbare monatliche Pauschalzahlungen von 1,2 % bei einer Gesamtlaufzeit von 19 Monaten. Für Langzeitarbeitslose und Berufsanfänger gelten weiterhin Einstiegstarife. Die Zahl der Ausbildungsplätze wird im Jahr 2006 um 1,6 % und 2007 um weitere 1,7 % erhöht. Damit wird die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Steigerungsrate des Ausbildungsplatzangebotes um insgesamt 7,0 % gegenüber dem Basisjahr 2003 erreicht. Ein bemerkenswertes Kostensignal für andere Branchen war der Ende Juni erzielte Abschluss der krisengeschüttelten Bauwirtschaft. Die Entgelte werden nach sieben Monaten mit einer Pauschalzahlung von insgesamt 210 €, die nur im Tarifgebiet West anfällt, für zwölf Monate um 1,0 % angehoben. Daneben wurden bauspezifische Zusatzleistungen gestrichen und die leistungsbezogene Vergütung ausgebaut. Ab 1. Januar 2006 wird die wöchentliche Arbeitszeit bei gleichem Lohn von 39 auf 40 Stunden verlängert. Dagegen war es nicht möglich, die betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Arbeitszeit innerhalb des Flächentarifvertrages zu erweitern. Anfang Juli erzielte der Groß- und Außenhandel zunächst in Baden-Württemberg einen Tarifabschluss, der während der zweijährigen Laufzeit nach vier Nullmonaten eine Entgeltanhebung von 0,5 % sowie eine zusätzliche Einmalzahlung von insgesamt 230 € vorsieht.
38
Für die letzten elf Monate der Laufzeit erfolgt eine weitere Anhebung um 1,7 %. In den weiteren Tarifgebieten wurden entsprechende Ergebnisse vereinbart. Die Manteltarifverhandlungen zu einer flächendeckenden Einführung von Öffnungsklauseln im Groß- und Außenhandel werden separat weitergeführt. Die Papiererzeugung West vereinbarte Ende Juli bei einer 22-monatigen Laufzeit für zehn Monate statt einer linearen Tabellenanhebung eine rein betrieblich abdingbare Einmalzahlung von 410 €. Für das darauf folgende Jahr werden die Löhne und Gehälter um 2,2 % angehoben. Daneben wurde eine Vereinbarung zu Langzeitkonten getroffen, auf denen auch bis zu 10,0 % der jährlichen Tarifentgelte angespart werden können. Im Tarifgebiet Ost gibt es Entgeltanhebungen in drei Stufen von 1,5/ 2,2/1,0 % während der Tariflaufzeit. Einen kostenseitig sehr günstigen Abschluss konnte die Wohnungswirtschaft Anfang Oktober vereinbaren. Neben der Entgeltvereinbarung, die für das erste Jahr der 30-monatigen Gesamtlaufzeit sowie für die anschließenden 18 Monate jeweils Tabellenanhebungen von 0,9 % vorsieht, werden zwei Einmalzahlungen von jeweils 200 € nur im Tarifgebiet West gezahlt. Darüber hinaus wurde eine Öffnungsklausel für einen rein betrieblich zu regelnden Arbeitszeitkorridor geschaffen. Der Tarifabschlussder Kautschukindustrie von Ende Oktober sieht bei einer 20-monatigen Laufzeit für die ersten sechs Monate eine rein betrieblich abdingbare Einmalzahlung von 300 € und eine anschließende Entgeltanhebung von 1,9 % vor. Darüber hinaus werden die untersten Entgeltgruppen für weitere Tätigkeiten geöffnet. Zusätzlich erhält der Verein zur Beschäftigungsförderung einen Gesamtbetrag von vier Millionen €, aus denen Förderleistungen für Altersteilzeit, weitere Ausbildungsplätze sowie Unterstützungsleistungen in sozialen Härtefällen beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gewährt werden.
Tarifpolitik
Ausgewählte Tarifabschlüsse 2005 (nach Abschlussdatum) Tarifbereich/Beschäftigte
Tariferhöhung in %
Laufzeiten
Weitere Vereinbarungen/Bemerkungen
Öffentlicher Dienst Bund, Gemeinden West + Ost (09.02.05) 2.300.000
--
02/05–12/07 35 Nullmonate mit Einmalzahlungen (35 Monate)
West: 3 Einmalzahlungen von je 300 €/Jahr für 2005/2006/2007, Ost: Stufenweise West-Angleichung bis 2007 auf 97% West, Ost: Einführung eines einheitlichen Entgelt-Rahmentarifvertrags ab 10/05, u. a. Absenkung von Entgelten und Jahressonderzahlung einheitl. WAZ von 39 Stunden f. Bund, f. Gemeinden bis 40 Stunden möglich, Meistbegünstigungsklausel zur Übernahme abweichender Verhandlungsergebnisse mit den Ländern
Deutsche Bahn AG West + Ost (28.02.05) 140.000
--
03/05–06/07 28 Nullmonate mit Einmalzahlungen (28 Monate)
24 Einmalzahlungen von je 50 €/Monat, Anhebung der Tarifsätze um 1,9% zum 30.06.07, Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag mit Kündigungsausschluss bis Ende 2010, u. a. mit erweitertem Flexibilisierungsrahmen der WAZ, Absenkung von Vergütung und Urlaub, ertragsabhängiger Entgeltgestaltung
Stahlindustrie West + Ost (11.05.05) 93.000
3,5
09/05–08/06 5 Nullmonate mit Einmalzahlungen (17 Monate)
Einmalzahlung von 500 €
Reisebürogewerbe West + Ost (06.06.05) 70.000
1,4 1,4
07/05–06/06 07/06–06/07 6 Nullmonate mit Einmalzahlungen (30 Monate)
Einmalzahlungen von insgesamt 450 € (nicht für AN im Vetrieb + bei negativem Geschäftsergebnis), Leistungs-/ ertragsabhängige Entgeltgestaltung, Öffnungsklausel ermöglicht Entgeltabsenkung bis zu einem Monatseinkommen
Druckindustrie West + Ost (16.06.05) 200.000
1
04/06–03/07 12 Nullmonate mit Einmalzahlungen (24 Monate)
Einmalzahlung von 340 €, Vereinbarung zu Arbeitszeitkonten und zur Samstagsarbeit, Absenkung von Zuschlägen und Freischichten, Öffnungsklauseln zur Absenkung der Sonderzahlungen mit Verhandlungsbeteiligung und Zustimmung der TVP
Chemische Industrie West + Ost (16.06.05) 550.000
2,7
regional unterschiedl. 06.08.2005 bis 12/06–02/07 zusätzl. Einmalzahlung (19 Monate)
Auf die Laufzeit bezogene Einmalzahlung von 1,2 % des Tarifentgelts, Öffnungsklausel ermöglicht Absenken/ Verschieben ohne Zustimmung der TVP, Umwidmung der vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 478,57 € ab 2006 für die tarifliche Altersvorsorge, Ost: Übernahme der West-Vereinbarung, zusätzliche Entgeltsteigerungen um 1,5 + 1,6 % ab 10/06 + 10/07
Bauwirtschaft West + Ost (21.06.05) 800.000
1
04/06–03/07 Nullmonate, West mit Einmalzahlungen (19 Monate)
17 Nullmonate, da keine Entgeltvereinbarung f. 04/04 – 08/05 bei ungekündigtem Vorgänger-TV getroffen wurde Einmalzahlungen von je 30 EUR/Monat f. 09/05 – 03/06, Mindestlohn-TV mit abgesenkter Stufenregelung bis 08/08, Verlängerung der WAZ von 39 auf 40 Std. ohne Lohnausgleich, Vereinbarungen zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung
Großandel und gewerbl. 0,5 Außenhandel 1,7 Verbundgruppen Baden-Württemberg (09.07.05) 150.000
08/05–04/06 05/06–03/07 4 Nullmonate mit Einmalzahlung (24 Monate)
Einmalzahlung von insgesamt 230 €, entsprechende Vereinbarungen mit abweichenden Tarifanhebungen und Einmalzahlungen in anderen Tarifgebieten
Papierindustrie West + Ost (27.07.05) 55.000
2,2
03/06-02/07 10 Nullmonate mit Einmalzahlung (22 Monate)
Schlichtungsergebnis: Einmalzahlung von 410 €, Öffnungsklausel ermögl. Absenkung/Entfallen/Verschieben, TV zu Zeitwertkonten, Ost: Entgeltanhebungen um 1,5/2,2/1,0 % jeweils 08/05 + 08/06 + 03/07
Wohnungs-/Immobilienwirtschaft West + Ost (04.10.05) 50.000
0,9
01/06–12/06 01/07–06/08 (30 Monate)
Aufrundung der Tarifentgelte ab 01/06 auf 5 €, ab 01/07 auf 10 € West: zusätzliche Einmalzahlungen von insgesamt 400 €, TV zur Beschäftigungssicherung
Kautschukindustrie West (25.10.05) 35.000
1,9
04/06–05/07 6 Nullmonate (20 Monate)
Einmalzahlung von 300 bzw. 350 €, Öffnungsklausel ermögl. Absenkung/Entfallen/Verschieben, Etataufstockung des Vereins zur Beschäftigungsförderung f. Altersteilzeit, zur Einrichtung von Ausbildungsplätzen und zur Milderung u. a. von kündigungsbedingten Härtefällen
0,9
39
Tarifpolitik
Flexibilisierung und Differenzierung bleibt alternativlos Auch in diesem Jahr konnten einige Branchen ihre betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten erweitern. Bei der erfolgsabhängigen Ausgestaltung der Vergütung wurden teilweise weitere Flexibilisierungsfortschritte erreicht. In der chemischen Industrie wurde erneut ein Tarifsplitting vereinbart, das neben einer Tabellenanhebung monatliche Einmalzahlungen vorsieht, die rein betrieblich abdingbar sind. In der Kautschukindustrie und der Papiererzeugung West sind vereinbarte Einmalzahlungen ebenfalls rein betrieblich, in der keramischen Industrie West unter Beteiligung der Tarifpartner abdingbar. In der Druckindustrie können die tariflich vereinbarten Sonderzahlungen aus wirtschaftlichen Gründen mit Zustimmung der Tarifparteien ganz oder teilweise entfallen. In der Steine- und Erden-Industrie besteht die Möglichkeit, zur Beschäftigungssicherung tarifliche Leistungen mit Zustimmung der Tarifparteien bis zum Umfang eines Monatsgehalts zu reduzieren. In der kunststoffverarbeitenden Industrie Baden-Württemberg kann das 13. Monatsgehalt in einer Bandbreite von 70 bis 125 % rein betrieblich erfolgsabhängig ausgestaltet werden. Auch leistungsabhängige Vergütungsbestandteile gewannen weiter an Bedeutung. Im öffentlichen Dienst wurden die Weichen für eine leistungsabhängige Bezahlung ab dem Jahr 2007 gestellt. Die Kriterien für die Leistungszulagen sind allerdings noch nicht ausformuliert. Im Leistungslohnsystem der Bauwirtschaft wurde eine Bonus-/Malus-Regelung eingeführt. Im Reisebürogewerbe können aufgrund einer tariflichen Öffnungsklausel Monatsentgelte und Jahressonderzahlungen ohne Zustimmung der Tarifparteien leistungsabhängig ausgestaltet werden. Auch bei der Differenzierung der Entgelte wurden Fortschritte erzielt, insbesondere in Form einer stärkeren Spreizung der Löhne. Die Steine- und Erden-Industrie vereinbarte in Thüringen und Hessen Mitte des Jahres
40
abgesenkte Einstiegstarife und eine stärkere Differenzierung der Vergütung nach dem Grad der Ausbildung. Auch die Kautschukindustrie hat ihre unterste Tarifgruppe für weitere Tätigkeiten geöffnet. Die Deutsche Lufthansa AG hat Anfang Oktober für das Bodenpersonal eine neue, sich stärker an der Qualifikation orientierende Vergütungsstruktur vereinbart. Die Tarifentwicklung folgt damit einer Empfehlung der Wirtschaftsforschungsinstitute, die in ihrem Herbstgutachten erneut darauf hingewiesen haben, dass der technische Fortschritt und die zunehmende Globalisierung der Märkte auch eine stärkere Lohndifferenzierung nach Branchen, Regionen und Berufsqualifikationen erfordern. Einige Branchen konnten dieses Jahr auch durch eine weitere Differenzierung der Arbeitszeit zur Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Betriebe beitragen. In der Bauwirtschaft wurde die regelmäßige Wochenarbeitszeit bei gleichem Lohn von 39 auf 40 Stunden angehoben. Damit wurde zum ersten Mal in einem Flächentarifvertrag mit einer DGB-Gewerkschaft die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängert. Das holzund kunststoffverarbeitende Handwerk in NordrheinWestfalen hatte zuvor in einem Tarifabschluss mit den Christlichen Gewerkschaften die regelmäßige Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich von 37 auf 40 Stunden verlängert. Mit derselben Gewerkschaft erzielte auch das Elektrohandwerk Bayern im September eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 37 auf 39 Stunden. Mit ver.di und Transnet vereinbarten Ende Juni die privaten Eisenbahnen eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 39 Stunden. Der Beschäftigungspakt der Deutsche Bahn AG vom Februar sieht ebenfalls eine Ausdehnung der Arbeitszeit vor. Berechnungsgrundlage für die Einkommen ist statt der bislang geltenden 38-Stunden-Woche die 40-Stunden-Woche. Seit Juli gilt eine Wochenarbeitszeit von 39 Stunden, die mit Zustimmung der Gewerkschaften betrieblich auf bis zu 40 Stunden verlängert werden kann. Im Gegenzug sind bis 2010 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.
Tarifpolitik
Insgesamt können Arbeitszeitverlängerungen ein Element bei der Sicherung von Arbeitsplätzen sein. Wichtiger als eine generelle Ausweitung der Arbeitszeit sind aber Lösungen für die immer unterschiedlicheren Situationen in den Betrieben einer Branche. Dabei geht es um Möglichkeiten, das Arbeitszeitvolumen flexibel dem konkreten betrieblichen Bedarf anzupassen. In diesem Sinne kann in der Leder erzeugenden Industrie und der Schuhindustrie zur Beschäftigungssicherung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich um eine Stunde verlängert werden. In der Schuhindustrie kann die Wochenarbeitszeit von generell 39 Stunden nun auf 40 Stunden ausgedehnt werden. Noch weiter reichende tarifliche Öffnungen konnten in der Wohnungswirtschaft und im Reisebürogewerbe mit dem ver.di-Fachbereich »Besondere Dienstleistungen« erzielt werden. Die Wohnungswirtschaft kann nun die geltende 37-StundenWoche rein betrieblich ohne Lohnausgleich um 2,5 Stunden verkürzen oder verlängern. Bei einer Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich sollen beschäftigungssichernde Maßnahmen vereinbart werden. Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann im Reisebürogewerbe in wirtschaftlichen Härtefällen zur Beschäftigungssicherung von den tariflichen Bestimmungen abgewichen werden. Die Öffnungsklausel gilt damit auch für die Dauer der Wochenarbeitszeit, die im Reisebürogewerbe derzeit 38,5 Stunden beträgt.
Tarifliche Öffnungsklauseln dürfen nicht weiter blockiert werden Trotz aller Anstrengungen konnten in dieser Tarifrunde in anderen Branchen keine Fortschritte im tariflichen Öffnungsprozess erzielt werden. Bei ver.di beschränkt sich die Öffnungsbereitschaft auf den bereits genannten Fachbereich »Besondere Dienstleistungen« und dessen Verhandlungsführer. Ansonsten blockiert ver.di auch weiterhin eine flächendeckende Verankerung dringend
benötigter betrieblicher Gestaltungsspielräume. So konnte die Druckindustrie zwar dieses Jahr spürbare Kostenentlastungen vereinbaren. Andererseits scheiterten auch nach 15 Verhandlungsrunden alle Bemühungen der Arbeitgeber, eine tarifliche Öffnungsklausel für eine flexible Ausgestaltung der dort geltenden 35-StundenWoche zu erreichen. In der Papierverarbeitung und im Einzelhandel sind auch nach monatelangen Verhandlungen beim Thema »Öffnungsklausel« keine Annäherungen erkennbar. Auch im Groß- und Außenhandel lehnt ver.di bislang jedwede Art von Öffnungsklauseln ab. Aber auch in den Branchen, in denen bereits Öffnungsklauseln vereinbart wurden, zeichnet sich seit einiger Zeit eine abnehmende Umsetzungsbereitschaft der Gewerkschaften ab. So verweigert beispielsweise in der Ernährungswirtschaft die Gewerkschaft NGG die Nutzung der vereinbarten Öffnungsklausel zur Arbeitszeit. In der Metall- und Elektroindustrie verdichten sich die Anzeichen, dass Anwendungsfälle der so genannten Pforzheimer Vereinbarung in einzelnen Regionen zunehmend restriktiv gehandhabt werden und sich Verhandlungen länger hinziehen. Zweifellos müssen die betrieblichen Gestaltungsspielräume innerhalb der Flächentarifverträge in erster Linie durch die Tarifvertragsparteien selbst geschaffen und weiterentwickelt werden. Den Branchen, denen die Vereinbarung entsprechender Öffnungsklauseln nicht gelingt, ist allerdings nicht damit geholfen, dass auf die Öffnungserfolge anderer Bereiche verwiesen wird. Daher muss auch das gesetzliche Tarifrecht fortentwickelt werden, um betriebliche Bündnisse für Arbeit im Rahmen der Flächentarifverträge zu fördern und damit auch in denjenigen Branchen zu ermöglichen, in denen sie bisher noch fehlen oder blockiert werden. Konkret ist dazu die Klarstellung des Günstigkeitsprinzips im Tarifvertragsgesetz erforderlich. Abweichungen vom Tarifvertrag, die der Beschäftigungssicherung oder dem Aufbau neuer Beschäftigung dienen, müssen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch ohne Einverständnis der Tarifparteien rechtssicher vereinbart werden können.
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Tarifpolitik
Leider ist im Koalitionsvertrag eine dahingehende Weichenstellung nicht beschlossen worden. Immerhin sind sich die Koalitionsparteien darin einig, dass betriebliche Bündnisse für Arbeit im Rahmen der Tarifautonomie wichtig sind, um Beschäftigung zu sichern. Sie beabsichtigen, über die weitere Ausgestaltung Gespräche mit den Tarifvertragsparteien zu führen. Die Arbeitgeber werden diese Gespräche nutzen, um weiterhin mit Nachdruck auf die Notwendigkeit einer Fortentwicklung des gesetzlichen Tarifrechts hinzuwirken.
Staatliche Eingriffe in die Lohnfindung: In jeder Form kontraproduktiv Trotz der bereits erreichten Tariferfolge bei der Differenzierung und Flexibilisierung streben die Gewerkschaften unverändert staatliche Lohneingriffe in Form starrer Einheitslösungen an. Ähnliche Forderungen haben im Rahmen der vorgezogenen Bundestagswahlen auch in den Wahlprogrammen der Parteien SPD, Bündnis90/ Die Grünen und Die Linke.PDS Niederschlag gefunden. Das Vorhaben der alten Bundesregierung, dieses Ziel durch eine unbegrenzte Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes zu erreichen, konnte erfolgreich verhindert werden. Das hierzu bereits laufende Gesetzgebungsverfahren wurde Ende Juni aufgrund massiver Intervention der BDA gestoppt. Das Gesetz hätte den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ermächtigt, in allen Branchen tarifliche Mindestlöhne per Rechtsverordnung als gesetzlichen Mindestlohn festzulegen, wenn die Gewerkschaft dies beantragt. Entgegen diesen ursprünglichen Plänen sieht der Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung nur noch vor, das bislang für die Bauwirtschaft geltende Gesetz lediglich auf das Gebäudereinigerhandwerk auszuweiten. Eine weitere Ausdehnung des Entsendegesetzes soll nur für Branchen in Betracht kommen können, in denen bereits nach dem Tarifvertragsgesetz für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge gelten.
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Ausblick 2006 Die erneut ernüchternden Wachstumsprognosen des Sachverständigenrats und der Wirtschaftsinstitute von 1,0 beziehungsweise 1,2 % für das Jahr 2006 verdeutlichen, dass die Verteilungsspielräume auch nächstes Jahr unverändert klein bleiben. Die Fortsetzung des moderaten Lohnverlaufs bleibt damit auch 2006 alternativlos. Die Aufgabe der Tarifparteien ist mehr denn je der Erhalt von Wertschöpfung hier in Deutschland. Dazu bedarf es noch mehr Betriebsnähe und vor allem Kostenstabilität. Auch in der Tarifpolitik werden verlässliche und vertrauensbildende Rahmenbedingungen benötigt. Zum Prüfstein für die Tarifrunde 2006 wird insoweit der Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie. Er wird zeigen, inwieweit die Gewerkschaften bereit sind, ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung gerecht zu werden und einen Beitrag für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu leisten. Auch in den weiteren Verhandlungen des nächsten Tarifjahres, wie beispielsweise in der Textil- und Bekleidungsindustrie, dem privaten Bankengewerbe und der chemischen Industrie, muss dieser Grundsatz Verankerung finden.
SOZIALE SICHERUNG
Soziale Sicherung
Anhaltender Reformbedarf Der mit der »Agenda 2010« eingeleitete Reformprozess, der zumindest einige richtige Weichenstellungen beinhaltet, ist im Jahr 2005 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Hierzu haben vor allem der Bundestagswahlkampf, die sich daran anschließenden Sondierungsgespräche und die mehrwöchigen Koalitionsverhandlungen beigetragen. Dem unverändert hohen Reformbedarf in allen Sozialversicherungszweigen trägt auch der im November unterzeichnete Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD nicht hinreichend Rechnung. Weder gelingt der Einstieg in die notwendige schrittweise Entkopplung der Sozialversicherung vom Arbeitsverhältnis, noch wird die Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Senkung der Personalzusatzkosten verwendet. Für die Erreichung des im Koalitionsvertrag formulierten Zieles, die Beitragssätze zur Sozialversicherung von derzeit 42 % dauerhaft unter 40 % zu senken, müssen weitere, deutlich über die bislang konkret vereinbarten Maßnahmen hinausgehende Schritte unternommen werden. Selbst unter der Annahme, dass Beitragssatzsteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung vermieden werden können, ergibt sich aus der geplanten Anhebung des Rentenbeitragssatzes zum 1. Januar 2007 von 19,5 auf 19,9 % und der beabsichtigten Senkung des Beitragssatzes zur Bundesagentur für Arbeit von 6,5 auf 4,5 % ein rechnerischer Entlastungseffekt von nur 1,6 Prozentpunkten. Das ist zu wenig, um die selbst gesetzte Zielmarke tatsächlich zu erreichen. In allen Sozialversicherungszweigen sind weitergehende, durchgreifende Strukturreformen dringend erforderlich. Dies ist zwingend zur Entlastung der Betriebe bei den auch im internationalen Vergleich viel zu hohen Personalzusatzkosten und damit Voraussetzung für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland in einem weiter zunehmenden Standortwettbewerb.
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Sozialkosten: Abgabenlast weiter auf Rekordniveau Die Sozialpolitik der rot-grünen Bundesregierung hat – trotz teilweise sachgerechter Richtungsentscheidungen – keinen Beitrag zur Konjunktur- und Arbeitsmarktbelebung geleistet. Im Gegenteil: Die Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung lag zum 1. Januar 2005 mit 42 % weiter auf Rekordniveau. Allein vor diesem Hintergrund muss der Reformprozess fortgesetzt und intensiviert werden. Außerdem geben diese geringfügigen Entlastungen die wirkliche Entwicklung der Zwangsabgabenlast zur Finanzierung der Sozialversicherung nicht korrekt wieder. Sie sind im Gesamtergebnis ausschließlich auf die Umschichtung von Finanzierungsmitteln und die Erschließung zusätzlicher Geldquellen in der Renten- und Krankenversicherung zurückzuführen.
Beitragssätze bleiben hoch Gesamtsozialversicherungssatz jeweils zum Stichtag 1. Januar, im Bundesdurchschnitt 42,5 42,0
42,0
42,0
42,0
2003
2004
2005
41,5 41,0
41,0
40,8
41,3
40,5 40,0 2000
2001
2002
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ohne den mehrwert- und ökosteuerfinanzierten »Zusätzlichen Bundeszuschuss« hätte der Beitragssatz in der Rentenversicherung am 1. Januar 2005 nicht 19,5 %, sondern 21,7 % betragen. Zudem wurden zum 1. Januar 2003 die Beitragsbemessungsgrenzen in der Rentenversicherung bundeseinheitlich außerordentlich um 13,3 %
Soziale Sicherung
heraufgesetzt statt lediglich um 2,2 % in West- und 2,7 % in Ostdeutschland, wie es der vorausgegangenen Bruttolohnentwicklung entsprochen hätte. Hieraus errechnet sich eine Beitragssatzentlastung von rund 0,2 Prozentpunkten. Hinzu kommt die dreimalige Absenkung der Mindestschwankungsreserve in der Rentenversicherung von ursprünglich 1,0 Monatsausgaben über 0,8 und 0,5 Monatsausgaben zum 1. Januar 2002 beziehungsweise 2003 auf nunmehr 0,2 Monatsausgaben zum 1. Januar 2005. Ohne diese Absenkungen hätte der Beitragssatz in den vergangenen Jahren noch höher liegen müssen. In der Krankenversicherung ist der durchschnittliche Beitragssatz seit 1998 sogar weiter von 13,6 auf nun 14,2 % gestiegen. Das mit der jüngsten Gesundheitsreform verbundene Ziel, den bundesdeutschen Durchschnittssatz von 14,3 % am 1. Januar 2004 binnen Jahresfrist wieder auf 13,6 und letztlich sogar auf 13,0 % abzusenken, wurde also klar verfehlt. Die Einführung eines Sonderbeitrags der Versicherten in Höhe von 0,9 % zum 1. Juli 2005 und die gleichzeitige Verpflichtung der Krankenkassen, ihre allgemeinen Beitragssätze zu diesem Stichtag ebenfalls um 0,9 Prozentpunkte zu senken, entlastet zwar die Betriebe bei den viel zu hohen gesetzlichen Personalzusatzkosten. Eine Verringerung der Gesamtabgabenlast resultiert hieraus aber nicht. In der Pflegeversicherung liegt der Beitragssatz seit 1998 konstant bei 1,7 %. Durch den ab 1. Januar 2005 fälligen Beitragszuschlag für kinderlose Pflegekassenmitglieder von 0,25 % ergibt sich jedoch eine tatsächliche Erhöhung des durchschnittlichen Beitragssatzes auf 1,77 %. Auch das bedeutet zusätzliche Zwangsabgaben, allerdings nicht für die Betriebe, deren Anteil weiterhin 0,85 % beträgt. Die annähernd auf Rekordniveau verharrende Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Personalzusatzkosten im produzierenden Gewerbe Deutschlands im Jahr 2004 mit durchschnittlich 21.630 € je Vollzeitbeschäftigten einen neuen Höchststand erreicht haben. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhten sie sich um 370 € beziehungs-
weise 1,7 %, während das Entgelt für geleistete Arbeit beziehungsweise Direktentgelt um 660 € beziehungsweise 2,4 % auf 28.240 € anstieg. Die Personalzusatzkostenquote verminderte sich um 0,5 Prozentpunkte auf jetzt 76,6 %. Da der rückläufige Anteil des »Zweitlohns« am Direktentgelt nicht das Ergebnis gesunkener Personalzusatzkosten, sondern überproportional gestiegener Direktentgelte gewesen ist, besteht für eine Entwarnung an der Personalzusatzkostenfront jedoch kein Anlass. Der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung jüngst veröffentlichte »Sozialbericht 2005« ist ein weiterer Beleg für eine wachstums- und beschäftigungsfeindliche Sozialpolitik. Die Sozialleistungen beliefen sich im Berichtsjahr 2003 – neuere Daten enthält dieser Bericht nicht – auf insgesamt 696,5 Milliarden €. Das entspricht einem Anstieg um 1,6 % gegenüber 2002 und um 14,9 % verglichen mit 1998. Im Fünfjahresdurchschnitt resultiert daraus eine Wachstumsrate von 2,8 %. Demgegenüber nahm das Bruttoinlandsprodukt, also der Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen, lediglich um 0,7 % im Vorjahresvergleich und um 10,2 % bezogen auf das Ausgangsjahr zu. Der Mittelwert – 1998 bis 2003 – liegt bei 2,0 %. Für 2003 ergibt sich daraus eine Sozialleistungsquote – also ein Verhältnis von Sozialausgaben zum Bruttoinlandsprodukt – von 32,2 % (1998: 30,8 %). Das ist der höchste jemals ermittelte Wert und zugleich die fünfte Erhöhung in ununterbrochener Reihenfolge. Jeder Prozentpunkt belastet die Beitrags- und Steuerzahler – also vorrangig die Arbeitnehmer und Betriebe – mit jährlich rund 21,6 Milliarden €. Hätte sich die Sozialleistungsquote gegenüber dem Ausgangsjahr 1998 nicht erhöht, dann wären die Soziallasten heute um 30,2 Milliarden € geringer. Zusammenfassend hat also das Umverteilungsvolumen unter der rot-grünen Bundesregierung mit den bekannten negativen Folgen für den Arbeitsmarkt weiter unverhältnismäßig zugenommen.
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Soziale Sicherung
Rentenversicherung: Reformdruck hält unverändert an
Im Mittelpunkt künftiger Reformen muss das Ziel stehen, die Sozialversicherung insgesamt und in allen ihren Zweigen dauerhaft leistungsfähig sowie finanzierbar zu erhalten. Das setzt als sozialpolitische Leitlinie voraus:
Die gesetzliche Rentenversicherung als Kernstück der Alterssicherung stand im Berichtsjahr unverändert im Fokus der Sozialpolitik. Zum 1. Januar 2005 ist das »Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung« in Kraft getreten. Dieses so genannte RV-Nachhaltigkeitsgesetz hat vor allem zum Ziel, einerseits den Beitragssatzanstieg bis 2020 auf höchstens 20 % und bis 2030 auf maximal 22 % zu begrenzen sowie andererseits das Rentenniveau vor Steuern für einen Durchschnittsverdiener mit 45 Versicherungsjahren in den genannten Zieljahren nicht unter 46 und 43 % sinken zu lassen. Kernelement beziehungsweise Hauptsteuerungsinstrument ist der in die Rentenanpassungsformel neu eingebaute Nachhaltigkeitsfaktor. Danach wird die bruttolohnorientierte Rentenanpassung auch gedämpft,
eine Konzentration aller Sozialversicherungszweige auf eine Basissicherung mit Kernleistungen, eine Entkoppelung der Krankheits- und Pflegekostenfinanzierung vom Arbeitsverhältnis, eine Stärkung der kapitalgedeckten eigenverantwortlichen Risikovorsorge durch verbesserte Rahmenbedingungen. Die BDA hat in eigenen Positionspapieren zum weiteren Reformbedarf in allen Bereichen der Sozialversicherung sowie in ihren Stellungnahmen zu den im letzten Jahr in Kraft getretenen beziehungsweise verabschiedeten Sozialgesetzen konkrete Maßnahmen aufgezeigt, wie diese alternativlose Zielsetzung realisiert werden kann.
Sozialbudget – Ungebremstes Ausgabenwachstum
Sozialbudget BIP nominal
170
163 160
160
155 151 147
150 142 140
137
138
142
132 130
138 132
124
140
135
128 119
120
122
125
120
113 116
110 107
110
100 1991
1992
Index, 1991 = 100
48
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, BDA
Soziale Sicherung
wenn sich – vor allem im Zuge der demografischen Entwicklung – der Quotient aus Rentenbeziehern und Beitragszahlern erhöht. Insgesamt enthält das RV-Nachhaltigkeitsgesetz sachgerechte und notwendige Maßnahmen zur Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie reichen aber insgesamt nicht aus. Nicht akzeptabel ist vor allem der einkalkulierte weitere Beitragssatzanstieg um 2,5 Prozentpunkte, wodurch allein die Beitragszahler um rund 22 Milliarden € auf Jahresbasis und in heutigem Geldwert belastet würden. Über die Kopplung des »Zusätzlichen Bundeszuschusses« an die Beitragssatzentwicklung käme eine Mehrbelastung der Steuerzahler in Höhe von rund vier Milliarden € hinzu. Die BDA fordert, den Beitragssatz in der Rentenversicherung mittelfristig zurückzuführen und dauerhaft bei unter 20 % zu halten. Alles andere wäre wegen weiter steigender Personalzusatzkosten wachstums- und beschäftigungsfeindlich. Aktuelle Prognosen zeigen zudem, dass die dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz zugrunde liegenden Beitragssatzprognosen – wie bei allen vergangenen Rentenreformen – zu optimistisch waren. Nach Berechnungen der Rentenversicherungsträger wird der Beitragssatz nach geltendem Recht 2020 bei 20,5 % und 2030 bei 22,6 % liegen.
bei negativer Bruttolohn- und -gehaltsentwicklung je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer Veränderungen beim Beitragssatz, Altersvorsorgeanteil und/oder Nachhaltigkeitsfaktor, die zusammengenommen zu einer stärkeren Rentenkürzung beziehungsweise Minusrunde führen würden, den ohnehin sinkenden aktuellen Rentenwert nicht noch zusätzlich verringern. Im Ergebnis führt das dazu, dass das RV-Nachhaltigkeitsgesetz – zumindest in den Jahren 2005 und 2006 – die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung im Vergleich zum alten Rentenrecht sogar weiter in die Höhe treibt. Die aktuellen Finanzprobleme der Rentenversicherung sind deshalb zu einem erheblichen Teil auch eine Folge der jüngsten Gesetzesänderungen und damit von der früheren Bundesregierung selbst verschuldet.
Weitere Beitragssatzrisiken resultieren darüber hinaus aus den im RV-Nachhaltigkeitsgesetz enthaltenen Rentensicherungsklauseln. Durch sie wird von vornherein die Wirksamkeit des neu in die Rentenanpassungsformel eingebauten Nachhaltigkeitsfaktors beschnitten.
Die BDA fordert deshalb, die Rentensicherungsklausel zumindest dann nicht anzuwenden, wenn sie zu einem konjunktur- und beschäftigungsfeindlichen Beitragssatzanstieg im Folgejahr führen würde, und ansonsten bei Anwendung der Rentensicherungsklausel die dadurch unterbliebenen Rentenkürzungen bei künftigen Rentenerhöhungen nachzuholen. Ferner sind – zur mittel- und langfristigen Sicherung der Leistungsfähigkeit sowie Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung – weitere Strukturreformen unverzichtbar: Sie müssen vor allem zum Ziel haben, die abschlagsfreie Regelaltersgrenze weiter schrittweise entsprechend der auch künftig zunehmenden Lebenserwartung vom 65. auf das 67. Lebensjahr anzuheben.
Danach dürfen bei positiver Bruttolohn- und -gehaltsentwicklung je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer Veränderungen beim Beitragssatz, Altersvorsorgeanteil und/oder Nachhaltigkeitsfaktor, die zusammengenommen zu einer Rentenkürzung beziehungsweise Minusrunde führen würden, den bisherigen aktuellen Rentenwert nicht verringern beziehungsweise
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD greift mit der beabsichtigten Ergänzung der Rentenanpassungsformel um einen »Nachholfaktor« und der angekündigten Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre zwei zentrale BDA-Positionen auf. Zur Sicherung der langfristigen Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung reichen diese beiden Schritte jedoch nicht aus.
49
Soziale Sicherung
Über die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen sind darüber hinaus die monatlichen Abschläge bei vorzeitigem Rentenbezug zur Vermeidung von Vorfinanzierungskosten und Frühverrentungsanreizen von 0,3 auf 0,5 % zu erhöhen. Außerdem sind die Anspruchsvoraussetzungen und Anrechnungsmodalitäten der Hinterbliebenenversorgung, auf die rund 20 % der gesamten Rentenausgaben entfallen, im Hinblick auf deren Fürsorgecharakter zu korrigieren. Die BDA hat im Juli 2005 unter dem Titel »Finanzierbarkeit und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung durch entschlossene und nachhaltige Reformen sichern« ein ausführliches Positionspapier zum Handlungsbedarf, zu den Reformleitlinien und zu konkreten Maßnahmen vorgelegt. Das zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene »Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen« enthält als zentralen Schwerpunkt für die gesetzliche Rentenversicherung die schrittweise Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung. Danach werden ab 2005 und beginnend mit 60 % die Beiträge zur Rentenversicherung steuerfrei gestellt. Der Freistellungssatz erhöht sich in 2-Prozentpunkt-Schritten bis auf 100 % im Jahr 2025. Gleichzeitig und beginnend mit 50 % werden die ausgezahlten Renten steuerpflichtig. Bis 2020 erhöht sich der Satz pro Zugangsjahrgang beziehungsweise Kohorte in 2-Prozentpunkt-Schritten auf 80 % und anschließend in 1-Prozentpunkt-Schritten auf 100 % im Jahr 2040. Durch die – von der BDA seit vielen Jahren geforderte – Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung erfolgt nicht nur eine steuerliche Gleichbehandlung mit anderen Alterseinkommen, sondern findet das ansonsten anerkannte und praktizierte Zuflussprinzip auch auf Renten Anwendung. Zugleich vergrößert sich über höhere Nettoeinkommen bei den Arbeitnehmern deren Spielraum für eine ergänzende kapitalgedeckte Altersvorsorge. Zukunftssicher ist nur ein optimales Mischsystem aus verminderter kollektiver Umlagefinanzierung und vermehrter privater Kapitaldeckung.
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Das zum 1. Januar 2006 in Kraft tretende »Gesetz zur Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge« ist keine Alternative zu weiteren Strukturreformen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Gegenteil: Zum einen werden hierdurch die Arbeitgeber zum Ausfallbürgen für unzureichende Reformen. Zum anderen werden alle bisherigen Reformerfolge zur Stabilisierung und Senkung der gesetzlichen Personalzusatzkosten wieder zunichte gemacht. Erschwerend kommt hinzu, dass vom zusätzlichen Beitragsaufkommen zu Lasten der Betriebe in Höhe von rund 20 Milliarden € etwa die Hälfte den anderen Sozialversicherungszweigen – Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung – als »windfall profits« zufließt, also in keiner Weise der Beitragssatzstabilisierung in der Rentenversicherung bei 19,5 % zugute kommt beziehungsweise der Auffüllung der Nachhaltigkeitsrücklage dient. Im Ergebnis wird durch das »Vorverlegungsgesetz« eine Beitragssatzanhebung lediglich um ein Jahr hinausgeschoben. Der Koalitionsvertrag sieht bereits eine Beitragssatzanhebung zum 1. Januar 2007 von 19,5 auf 19,9 % vor. Diese zu vermeiden erfordert eine umfassende Rentenreform, die sowohl sofortige als auch nachhaltige Wirkung zeigt. Vor diesem Hintergrund können die im Koalitionsvertrag für die Rentenversicherung geplanten Maßnahmen nicht überzeugen. Die Anhebung des Beitragssatzes zum 1. Januar 2007 von 19,5 auf 19,9 % – bedingt auch durch die für sich gesehen sachgerechte Kürzung der Rentenversicherungsbeiträge des Bundes für Empfänger von Arbeitslosengeld II – bedeutet eine zusätzliche und kräftige Erhöhung der gesetzlichen Personalzusatzkosten. Das ist wachstums- sowie beschäftigungsfeindlich und hat zur Folge, dass einschließlich der gleichzeitig geplanten Absenkung des Beitragssatzes zur Bundesagentur für Arbeit von 6,5 auf 4,5 % die Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung nicht unter 40 % sinken kann. Hinzu kommt, dass nach dem Koalitionsvertrag die Dynamik der Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt an die gesetzliche Rentenversicherung gestoppt werden soll. Damit zieht sich der Bund nach und nach aus seiner Verantwortung für die Rentenversicherung zurück
Soziale Sicherung
beziehungsweise geht die Finanzierung wieder stärker zu Lasten der Beitragszahler. Die richtigen Vorhaben der schrittweisen Heraufsetzung der gesetzlichen Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre und der Einführung eines Nachholfaktors zur Berücksichtigung unterbliebener Rentenkürzungen bei künftigen Rentenanpassungen werden zumindest teilweise durch »Ergänzungsregelungen« direkt wieder zunichte gemacht. Denn zum einen sollen Versicherte mit mindestens 45 Pflichtbeitragsjahren künftig unverändert mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Das ist nicht nur – auch aufgrund neuer Anreize für einen möglichst frühen Rentenbezug – mit hohen Kosten verbunden, sondern zugleich mit dem Äquivalenzprinzip unvereinbar und nachteilig für Frauen, da sie in der Regel weniger Beitragsjahre erreichen. Zum anderen soll künftig grundsätzlich auf Rentenkürzungen verzichtet werden, also auch dann, wenn die Löhne und Gehälter rückläufig sind. Eine solche »Rentensicherungsklausel« verstößt gegen das für die Rentenversicherung fundamentale
Beitragssatz und Rentenniveau vor Steuern nach geltendem Recht Rentenniveau 25.0
Beitragssatz
51,0 49,0
24.0 23.0
22,6
47,0
46,6
45,0
22.0 43,1 21.0
43,0
20.0
41,0
20,5 19.0
39,0 2010
2015
2020
2025
2030
Prinzip der Teilhabeäquivalenz, wonach die Rentner hinsichtlich der Rentenhöhe an der allgemeinen Lohnentwicklung teilhaben sollen. In der Gesamtbetrachtung werden damit die Beitragssatzziele von höchstens 20 % im Jahr 2020 und 22 % im Jahr 2030 ohne zusätzliche, durchgreifende und nachhaltige Strukturreformen immer unrealistischer. Nach Berechnungen der Rentenversicherungsträger ist unter den Bedingungen des Koalitionsvertrages mit einem Beitragssatzanstieg auf etwa 21,5 % im Jahr 2020 und 24,5 % im Jahr 2030 zu rechnen.
Betriebliche Altersvorsorge: Rahmenbedingungen weiter verbessern Die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge nimmt erfreulicherweise weiter zu. Dies belegt auch der Endbericht einer Erhebung der TNS Infratest Sozialforschung zur Situation und Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst von 2001 bis 2004. In diesem Zeitraum stieg die Verbreitung von Anwartschaften aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – inklusive des öffentlichen Dienstes – von 52 auf 59 % an. In der Privatwirtschaft erhöhte sich der Anteil der Anwartschaftsberechtigten in Gesamtdeutschland von 38 auf 46 %. In absoluten Zahlen haben derzeit ca. 15,9 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte eine Anwartschaft auf betriebliche Altersvorsorge (davon ca. 5,3 Millionen auf eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes). Die Zahlen differieren im Einzelnen unter anderem nach alten und neuen Bundesländern, nach Geschlecht und Betriebsgrößen. Die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge liegt in den neuen Bundesländern und vor allem in kleinen Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern immer noch erheblich unter dem Durchschnitt. Die Erhebung weist aber auch aus, dass sich die genannten Unterschiede seit 2001 zusehends verringern.
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund
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Soziale Sicherung
Eine weitere Verschiebung zeigt sich bei der Finanzierung der betrieblichen Altersvorsorge. Die rein arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersvorsorge nimmt zugunsten der kofinanzierten Modelle ab. Diese Verschiebung ist vor allem auf die Zählmethode zurückzuführen, wonach Betriebe, in denen die betriebliche Altersvorsorge bisher allein durch die Arbeitgeber finanziert wurde, dann als kofinanzierte betriebliche Altersvorsorge gezählt werden, wenn auch nur ein einziger Mitarbeiter Gehaltsbestandteile in betriebliche Altersvorsorge umwandelt. Der Anteil der rein arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersvorsorge stieg leicht von 26 auf 29 %. Zu den wichtigsten Gründen aus Sicht der Arbeitgeber, betriebliche Altersvorsorge einzuführen oder auszubauen, gehören die Motivation der Beschäftigten mit 49 % in den alten Bundesländern beziehungsweise 58 % in den neuen Bundesländern und der Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung mit 41 % in den alten beziehungsweise 42 % in den neuen Bundesländern. Ein hoher Anteil der Arbeitgeber begründet die Nichteinführung einer betrieblichen Altersvorsorge mit mangelndem Interesse der Arbeitnehmer zu 70 % in den alten beziehungsweise 58 % in den neuen Bundesländern. Der Pensionssicherungsverein (PSVaG) hat einen Vorschlag zur Umstellung seines Finanzierungsverfahrens vorgelegt. Handlungsbedarf ergibt sich vor allem auf-
Betriebliche Altersvorsorge weiter auf dem Vormarsch Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst mit BAV (Angaben in %) 52
2001 (31.12.)
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2003 (31.12.) 2004 (30.06.)
59 0
10
20
30
Quelle: TNS Infratest Sozialforschung
52
40
50
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70
grund der sich abzeichnenden Gewichtsverschiebung zwischen den Durchführungswegen der betrieblichen Altersvorsorge von den voll insolvenzsicherungspflichtigen hin zu den insolvenzsicherungsfreien beziehungsweise nur bedingt insolvenzsicherungspflichtigen Durchführungswegen. Das Inkrafttreten der Siebten Novelle zum Versicherungsaufsichtsgesetz im September 2005 kann diese Entwicklung beschleunigen, da die Übertragung von Pensionsverpflichtungen auf Pensionsfonds erleichtert wurde. Die vom PSVaG vorgeschlagene vollständige Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren ist ein sinnvoller Lösungsansatz, weil dadurch eine weitgehende Unabhängigkeit des Finanzierungsverfahrens des PSVaG von künftigen Verschiebungen zwischen den Durchführungswegen der betrieblichen Altersvorsorge erreicht wird. Jedoch wird der Vorschlag des PSVaG, auch wenn er langfristig zu einer Entlastung der Mitgliedsunternehmen führt, übergangsweise eine Mehrbelastung für die Unternehmen bedeuten. Die Reform des Finanzierungsverfahrens bietet zudem die Chance, die künftige Beitragsgestaltung risikoorientierter weiterzuentwickeln. Insbesondere könnte dann die Beitragshöhe stärker von der Bonität des haftenden Unternehmens abhängig gemacht werden und die Beitragsbelastung bei rückgedeckten Unterstützungskassen sowie bei anderen Insolvenzsicherungen, wie zum Beispiel Treuhandmodellen, abgesenkt werden. Die geplante EU-Richtlinie zur Verbesserung der Portabilität von Betriebsrenten würde die Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersvorsorge verschlechtern. Die BDA lehnt den Richtlinienentwurf deshalb ab. Dieser sieht vor, dass grundsätzlich jeder Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft diese bei einem Arbeitsplatzwechsel zum nächsten Arbeitgeber mitnehmen kann. In den ersten Entwürfen der Richtlinie galt dieser Mitnahmeanspruch für alle Durchführungswege der betrieblichen Altersvorsorge. Auf Betreiben unter anderem der BDA wurden die internen Durchführungswege (Direktzusagen, Unterstützungskassen) vom Mitnahmeanspruch für zunächst zehn Jahre ausgenommen.
Damit konnten für die deutschen Unternehmen massive Eingriffe in ihre Liquidität verhindert werden. Aufgrund der Befristung besteht für die internen Durchführungswege jedoch weiterhin Gefahr. Außerdem würde die im Richtlinienentwurf vorgesehene Pflicht zur Dynamisierung der Anwartschaften ausgeschiedener Mitarbeiter zu hohen Mehrkosten führen. Das Gleiche gilt für die geplante Verkürzung der Unverfallbarkeitsfristen, die zudem zu einer Entwertung der betrieblichen Altersvorsorge als personalpolitisches Instrument zur Mitarbeiterbindung führen würde. Darüber hinaus enthält der Entwurf neue bürokratische Arbeitgeberpflichten im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge, die im deutschen Recht bislang nicht bestehen. Das Ziel des Richtlinienvorhabens, die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern, entspricht auch den Interessen der deutschen Unternehmen. Diesem Ziel wird aber schon dadurch Rechnung getragen, dass kein Arbeitnehmer seine unverfallbaren Betriebsrentenansprüche bei Ausscheiden aus dem Unternehmen verliert. Bei Eintritt des Versorgungsfalls erhält er seine Leistungen von seinem früheren Arbeitgeber. Da also kein Mobilitätshemmnis besteht, fehlt auch der Handlungsbedarf. Der vorgelegte Richtlinienvorschlag enthält viele verschärfende Regelungen, die das Interesse der Arbeitgeber an der betrieblichen Altersvorsorge, die eine freiwillige Leistung ist, mindern würden. Dem notwendigen Ziel, die betriebliche Altersvorsorge weiter zu verbreiten, laufen die geplanten Vorschriften damit diametral zuwider.
Wesentliche Regelungen des Richtlinienentwurfs zur Verbesserung der Portabilität von Betriebsrentenanwartschaften Anspruch des ausscheidenden Arbeitnehmers auf Mitnahme seiner unverfallbaren Rentenansprüche zum neuen Arbeitgeber Festlegung der Unverfallbarkeitsfrist auf höchstens zwei Jahre (in Deutschland höchstens fünf Jahre) Mindestalter, ab dem Rentenansprüche erworben werden können, von höchstens 21 Jahren (in Deutschland mindestens 30 Jahre) Verpflichtung zur Dynamisierung der Anwartschaften ausgeschiedener Mitarbeiter (in Deutschland abhängig von Zusageform und Durchführungsweg) Umfassende Informationspflicht der Arbeitgeber zu Betriebsrentenanwartschaften auf Verlangen des Arbeitnehmers (in Deutschland begrenzte Informationspflicht bei berechtigtem Interesse des Arbeitnehmers)
Der Gesetzgeber bleibt aufgerufen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, um die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge zu fördern. Die BDA hat hierzu umsetzbare und praktikable Vorschläge erarbeitet. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Aufwendungen für betriebliche Altersvorsorge systemgerecht und in ausreichendem Umfang von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen dauerhaft freigestellt werden. Die Entgeltumwandlung für betriebliche Altersvorsorge darf
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Soziale Sicherung
nicht nur bis 2008, sondern muss unbegrenzt darüber hinaus von der Beitragspflicht befreit bleiben. Andernfalls droht der arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersvorsorge ein baldiges Ende, insbesondere weil dann sowohl in der Aufwands- als auch in der Leistungsphase Kranken- und Pflegeversicherungsbeitragspflicht bestehen würde. Damit würde die arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge weitgehend an Attraktivität verlieren. Abzulehnen sind Überlegungen, ein Obligatorium in der betrieblichen Altersvorsorge einzuführen. Auch bei der teilweise vorgeschlagenen automatischen Entgeltumwandlung mit Opting-out-Möglichkeit für Arbeitnehmer handelt es sich um eine Zwangslösung, die wieder neue Bürokratie schafft. Dieser Vorschlag verbietet sich schon deshalb, weil die dauerhafte Beitragsfreiheit von Entgeltumwandlung bislang noch nicht gewährleistet ist. Bei der automatischen Entgeltumwandlung liefen die Arbeitnehmer Gefahr, dass ihre Mittel in eine meist unrentable Anlage gelenkt würden, weil sie dann sowohl auf die Aufwendungen als auch auf die Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge Beiträge zahlen müssten. Für Pensionsfonds haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Seit der Einführung des Pensionsfonds als fünften Durchführungsweg der betrieblichen Altersvorsorge im Jahr 2002 hat die BDA auf Verbesserungen gedrängt, damit der Pensionsfonds ein Erfolg werden kann. Im Sommer 2005 hat der Gesetzgeber erfreulicherweise diese Vorschläge aufgegriffen und mit der Verabschiedung der Siebten Novelle zum Versicherungsaufsichtsgesetz die EU-Pensionsfondsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Ziel dieser Richtlinie ist es, über Mindeststandards im Aufsichtsrecht einen europaweiten Markt für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge zu schaffen, so dass Pensionsfonds und -kassen grenzüberschreitend tätig werden können. Die wichtigste Verbesserung für Pensionsfonds ist die Entbindung von der Pflicht, ihre Einrichtungen versicherungsförmig durchführen zu müssen. Das bedeutet vor allem, dass diese einen höheren als den für Lebensversicherungen geltenden Höchstzinssatz bei der
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Kalkulation ihrer Pensionspläne zugrunde legen dürfen. Damit werden die Voraussetzungen gleichzeitig verbessert, unternehmensinterne Pensionsverpflichtungen auf Pensionsfonds auszulagern. Bei Pensionskassen wird künftig sachgerecht zwischen Wettbewerbs- und Firmenpensionskassen unterschieden.
Gesetzliche Krankenversicherung: Weitere Strukturmaßnahmen unumgänglich Am 1. Januar 2005 – ein Jahr nach Inkrafttreten des »Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung« (GKV-Modernisierungsgesetz) – betrug der durchschnittliche Beitragssatz der Krankenkassen 14,2 %. Zum Jahresende lag er – einschließlich des zum 1. Juli 2005 eingeführten Sonderbeitrags in Höhe von 0,9 % – immer noch bei 14,2 %. Die mit dem GKVModernisierungsgesetz gesteckte Zielmarke von 12,1 % für den paritätisch finanzierten Beitrag im Jahr 2006 ist damit unerreichbar geworden. Laut Koalitionsvertrag wird angestrebt, den derzeitigen durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz mindestens stabil zu halten und »möglichst« zu senken. Allein mit den bislang vereinbarten Maßnahmen (Stärkung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen unter anderem durch eine Erleichterung von Kassenfusionen, Weiterentwicklung und Vereinfachung des Risikostrukturausgleichs, Reform der Kassenärztlichen Vereinigungen, Preissenkungen bei Generika um 5 %) wird sich jedoch noch nicht einmal dies erreichen lassen. Die BDA hat darauf hingewiesen, dass im Gegenteil mit weiter steigenden Beitragssätzen zu rechnen ist. Dies gilt ganz besonders, weil nach dem Koalitionsvertrag die Beteiligung des Bundes an den Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen schrittweise bis auf Null zurückgeführt werden soll. Daraus ergibt sich rechnerisch ab 2007 ein erhöhter Beitragssatzbedarf von 0,4 bis 0,5 Prozentpunkten. Hinzu kommt eine Mehrbelastung aufgrund der geplanten Mehrwertsteueranhebung, die
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isoliert gesehen die Ausgaben der Krankenkassen um über 800 Millionen € erhöht. Dies entspricht einem weiteren rechnerischen Beitragssatzbedarf von ca. 0,1 Beitragssatzpunkten. Die Entscheidung für ebenso wichtige Reformmaßnahmen auf der Finanzierungsseite wurde von den Koalitionsparteien angesichts der hier nicht zu vereinbarenden Konzepte der Gesundheitsprämie und der Bürgerversicherung vertagt. Der Reformbedarf in der gesetzlichen Krankenversicherung über das GKV-Modernisierungsgesetz hinaus ist jedoch weiterhin hoch. Den bislang in Gang gesetzten und von den neuen Koalitionsparteien vereinbarten Maßnahmen fehlt es vor allem mit Blick auf die demografische Entwicklung an Nachhaltigkeit. Es drohen gleichzeitig eine beschleunigte Ausgabenexpansion sowie – bei Aufrechterhaltung der lohnbezogenen Finanzierung – eine tendenziell rückläufige Beitragsbemessungsgrundlage. Handlungsbedarf in der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich aber auch aus der Tatsache, dass Deutschland im internationalen Vergleich einerseits die dritthöchsten Gesundheitsausgaben pro Kopf der Bevölkerung aufweist und andererseits beim medizinischen Leistungsstand nur einen mittleren Platz belegt. Diese krasse Diskrepanz belegt gravierende Ineffizienzen im Leistungsgeschehen und in den Organisationsstrukturen sowie große Fehlanreize für Versicherte und Leistungserbringer. Vor diesem Hintergrund muss die gesetzliche Krankenversicherung dringend grundlegend und nachhaltig sowohl auf der Leistungs- als auch auf der Finanzierungsseite reformiert werden. Die BDA hat dazu im Mai 2005 ein Konzept zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt. Danach sind folgende Maßnahmen dringend erforderlich:
BDA-Konzept zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung 1. Der Wettbewerb im Gesundheitswesen muss auf allen Ebenen intensiviert werden. Vertragsfreiheit für die Krankenkassen ist eine zentrale Voraussetzung für einen Kosten senkenden und Qualität sichernden Wettbewerb. 2. Die Eigenverantwortung der Versicherten ist durch mehr Selbstbeteiligung und mehr Kostentransparenz auszuweiten. 3. Das Krankengeld ist auf maximal 52 Wochen zu begrenzen. 4. Versicherungsfremde Leistungen müssen aus der Beitragsfinanzierung herausgenommen werden. 5. Der gesetzlich definierte Leistungskatalog muss mit dem Ziel einer Konzentration auf eine Basissicherung mit Kernleistungen kontinuierlich auf Inhalt und Umfang überprüft werden. 6. Die Krankheitskostenfinanzierung muss vom Arbeitsverhältnis entkoppelt werden. Die lohnbezogene paritätische Beitragsfinanzierung sollte deshalb auf ein einkommensunabhängiges Gesundheitsprämienmodell mit steuerfinanziertem sozialem Ausgleich für einkommensschwache Versicherte umgestellt werden. Die BDA hat hierzu bereits im September 2004 ein umsetzbares und praktikables Finanzierungskonzept vorgelegt. 7. Zur langfristigen Sicherung der Finanzierbarkeit ist der Auf- und Ausbau einer kapitalgedeckten Risikovorsorge unverzichtbar.
Pflegeversicherung: Alarmglocken schrillen immer lauter In der sozialen Pflegeversicherung hat sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben im Jahr 2004 weiter geöffnet. Das Finanzdefizit stieg um 130 Millionen € auf nunmehr 820 Millionen € an. Das ist nicht nur der höchste Fehlbetrag in der Geschichte der sozialen Pflegeversicherung, sondern auch das sechste Defizitjahr in Folge.
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Bereits heute ist absehbar, dass auch der zum 1. Januar 2005 eingeführte und von der BDA nachdrücklich kritisierte Sonderbeitrag für Kinderlose, von dem sich das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung Mehreinnahmen in Höhe von 700 Millionen € erhofft, die finanzielle Talfahrt der Pflegekassen nicht stoppen kann. Viel Zeit für eine durchgreifende Strukturreform bleibt deshalb nicht: Das neuerliche Rekorddefizit hat die freien Rücklagen der sozialen Pflegeversicherung auf nur noch 1,2 Milliarden € oder gerade einmal 0,8 Monatsausgaben schrumpfen lassen. Spätestens 2008 werden die Reserven der sozialen Pflegeversicherung aufgezehrt sein. Der finanziellen Schieflage der Pflegekassen darf in keinem Fall mit einer Beitragssatzanhebung begegnet werden. Ein steigender Beitragssatz wäre nicht nur wachstums- und beschäftigungsfeindlich, sondern stünde auch in diametralem Gegensatz zu dem von der neuen Bundesregierung bekräftigten Ziel, die Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung auf unter 40 % zu begrenzen. Eine Reform der sozialen Pflegeversicherung muss vor allem auf der Ausgabenseite ansetzen. Hier kann insbesondere auf den Vorschlag der Rürup-Kommission zurückgegriffen werden, die monatlichen Leistungen bei ambulanter und stationärer Pflege auf leicht abgesenktem Niveau anzugleichen: Pflegestufe I einheitlich 400 statt 384 und 1.023 €, Pflegestufe II einheitlich 1.000 statt 921 und 1.279 € sowie Pflegestufe III einheitlich 1.500 statt 1.432 €. Die Umsetzung dieses Vorschlages würde nicht nur zu Einsparungen von rund zwei Milliarden € pro Jahr – oder 11,0 % des aktuellen Ausgabenvolumens – führen, sondern auch den Grad der Pflegebedürftigkeit zum alleinigen Maßstab der Leistungshöhe machen. Das entspricht auch dem vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen geforderten Vorrang der ambulanten vor der stationären Pflege. Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Leistungsausweitungen (Anhebung des Leistungsniveaus für Demente und psychisch Kranke, Dynamisierung der Leistungssätze, Ausweitung des Pflegeurlaubs) sind angesichts der prekären
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Finanzlage der sozialen Pflegeversicherung und der noch ungelösten demografischen Herausforderung fehl am Platze. Leistungsausweitungen setzen vielmehr gleichwertige Einsparungen an anderer Stelle voraus. Eine weitere Zunahme des Gesamtleistungsvolumens ist nicht vertretbar. Dies würde zu Lasten der Personalzusatzkosten und damit von Arbeitsplätzen gehen und zu einer weiteren Ausweitung der demografieanfälligen Umlagefinanzierung führen. Auch in der Pflegeversicherung ist ein ausgewogenes Mischfinanzierungssystem mit vermehrter kapitalgedeckter Risikovorsorge anzustreben. Darüber hinaus muss die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung – ebenso wie in der gesetzlichen Krankenversicherung – vom Arbeitsverhältnis abgekoppelt und auf ein einkommensunabhängiges Prämienmodell umgestellt werden. Hierzu sollte der Arbeitgeberanteil in den Bruttolohn der Beschäftigten ausgezahlt und ein ergänzender steuerfinanzierter Sozialausgleich für Einkommensschwache eingerichtet werden. Das ist unverzichtbar, um die demografisch bedingt steigenden Pflegeausgaben nicht zu einer Wachstums- und Beschäftigungsbremse werden zu lassen.
BDA-Forderungen zur Reform der sozialen Pflegeversicherung Abkopplung der Finanzierung vom Arbeitsverhältnis durch Auszahlung des Arbeitgeberanteils in den Bruttolohn und Einführung von »Pflegeprämien« mit steuerfinanziertem sozialem Ausgleich für einkommensschwache Haushalte Gleichstellung der Leistungen in der ambulanten und stationären Pflege auf einem insgesamt abgesenkten Niveau Verzicht auf Leistungsausweitungen ohne gleichwertige Einsparungen an anderer Stelle Keine Anhebung oder Dynamisierung der Leistungssätze ohne vorherige Ausschöpfung aller vorhandenen Wirtschaftlichkeits- und Qualitätssicherungsreserven Auf- und Ausbau einer kapitalgedeckten Risikovorsorge zur langfristigen Sicherung der Finanzierbarkeit
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Unfallversicherung: Reform dringend erforderlich CDU/CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe bis Mitte der Legislaturperiode ein Konzept für eine Reform der Unfallversicherung entwickelt werden soll, um das System auf Dauer zukunftssicher zu machen. Ziel sollen eine Straffung der Organisation, die Schaffung leistungsfähiger Unfallversicherungsträger und ein zielgenaueres Leistungsrecht sein. Die BDA unterstützt dieses Reformvorhaben der Koalition nachdrücklich. Eine Generalüberholung der gesetzlichen Unfallversicherung ist seit langem überfällig.
BDA-Forderungen zur Reform der gesetzlichen Unfallversicherung Die Versicherungsleistungen sind auf den Kernbereich der betriebsspezifischen Risiken zu konzentrieren. Insbesondere müssen Wegeunfälle aus dem Leistungskatalog der Unfallversicherung ausgegliedert und Berufskrankheiten gegenüber allgemeinen Erkrankungen klarer abgegrenzt werden. Das gesamte Rentensystem ist mit dem Ziel einer sachgerechten Risikozuordnung zu reformieren. Insbesondere muss dabei die Unfallrente auf den Ausgleich des Erwerbsschadens konzentriert sowie der Grundsatz des Vorrangs der Unfallrenten vor den Altersrenten der gesetzlichen Rentenversicherung aufgehoben werden. Zudem ist für Unfallrenten das derzeitige Umlageverfahren schrittweise auf ein kapitalgedecktes Verfahren umzustellen. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Leistungserbringung sind auch im Unfallversicherungsrecht gesetzlich zu verankern. Die Berufsgenossenschaften müssen ihre Dienstleistungsfunktion für die Unternehmen bei Beratung und Information der Mitgliedsunternehmen verstärken.
Die Organisationsstruktur der gewerblichen Berufsgenossenschaften ist zu straffen. Fusionen müssen erleichtert und verstärkt vorangetrieben werden. Doppelarbeit von Gewerbeaufsicht und Berufsgenossenschaft mit zwangsläufigen Reibungsverlusten und Doppelbelastungen für die Betriebe ist zugunsten einer einheitlichen Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften zu beseitigen. Dabei darf es zu keinen zusätzlichen Kostenbelastungen für die Berufsgenossenschaften kommen. Die Insolvenzgeldumlage muss reduziert und der Einzug von den Berufsgenossenschaften auf die Krankenkassen übertragen werden. Eine Privatisierung der gesetzlichen Unfallversicherung ist, insbesondere auch wegen der bestehenden Altlasten, keine geeignete Alternative zu den notwendigen Strukturreformen in der gesetzlichen Unfallversicherung. Dass eine Reform der Unfallversicherung dringend erforderlich ist, zeigt auch die Tatsache, dass der Lastenausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften im Sommer 2005 – innerhalb von nicht einmal drei Jahren – erneut reformiert werden musste. Kernpunkt der erneuten Reform ist eine Herabsetzung des Grenzwertes für die Ausgleichsberechtigung von Berufsgenossenschaften vom 4,5-Fachen auf das Dreifache der durchschnittlichen Rentenlast. Dies setzt allerdings einen internen Solidarausgleich der hoch belasteten Berufsgenossenschaften voraus. Danach müssen zwischen 20 und 30 % der Altlasten (Aufwendungen für Renten, Sterbegeld und Abfindungen) innerhalb der Berufsgenossenschaft nach der Lohnsumme umgelegt werden, was zu einer Entlastung der Unternehmen mit einer hohen Gefahrklasse führt. Nur im Volumen dieser internen Umverteilung soll der erweiterte externe Lastenausgleich greifen. Die BDA hat diese erneute Reform als verfrüht und nicht ausreichend begründet kritisiert. Erst mit Wirkung zum 1. Januar 2003 war auf der Grundlage eines Selbstverwaltungskonzepts der gewerblichen Berufsgenossenschaften eine Anpassung des Lastenausgleichs insbesondere zugunsten der Berufsgenossen-
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schaften der Bauwirtschaft vorgenommen worden. Zudem hätte diese Reform des Lastenausgleichs mit Entlastungen auf der Leistungsseite der gesetzlichen Unfallversicherung verbunden werden müssen.
Dualismus im Arbeitsschutz: Probleme nicht gelöst Mitte November 2005 hat die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) erneut über den Dualismus im Arbeitsschutz zwischen Ländern und Berufsgenossenschaften beraten und festgestellt, dass Kooperationsvereinbarungen gemäß § 21 Abs. 3 ArbSchG der geeignete Weg seien, um die durch die Überwachung entstehenden Aufwendungen für die Betriebe zu verringern. Die ASMK ist damit leider nicht dem gemeinsamen Votum von Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und BDA für eine Übertragung von Aufgaben des Staates im Bereich der Überwachung der Betriebe auf die gewerblichen Berufsgenossenschaften auf der Grundlage von § 21 Abs. 4 ArbSchG gefolgt. Als Begründung wird angeführt, dass dies einerseits nicht zu einer deutlichen Entlastung der Betriebe führen würde, andererseits aber ein hoher Abstimmungs- und Koordinierungsaufwand zwischen den Berufsgenossenschaften, dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften sowie Bund und Ländern entstehen würde. Eine bessere Transparenz der Überwachungsstrukturen würde so nicht erreicht. Die BDA hatte sich für eine Aufgabenübertragung auf die Berufsgenossenschaften ausgesprochen, da sie zum einen durch ihre Branchengliederung am ehesten in der Lage sind, sich praxisnah auf die unterschiedlichen Gegebenheiten einzustellen, und zum anderen, da so sichergestellt wäre, dass die Betriebe – über Bundesländergrenzen hinweg – nur einen Ansprechpartner haben. Die ASMK hat ferner den Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung beauftragt, eine gemeinsame
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Arbeitsschutzstrategie vorzulegen. Als Entscheidungsorgan für die Planung, Koordinierung etc. zur Umsetzung der gemeinsamen Arbeitsschutzstrategie soll eine »Nationale Arbeitsschutzkonferenz« eingerichtet werden. Mitglieder sind der Bund, die Länder und die Unfallversicherungsträger. Diese nationale Arbeitsschutzstrategie soll auf Länderebene zusätzlich durch regionale Arbeitsprogramme unterfüttert werden. Daneben soll ein bundesweites »Arbeitsschutzforum«, in welchem neben den oben genannten Institutionen auch die Sozialpartner, weitere Sozialversicherungsträger und Forschungseinrichtungen Mitglieder sein sollen, an der Willensbildung der »Nationalen Arbeitsschutzkonferenz« beteiligt werden. Die BDA sieht in der vorgeschlagenen Arbeitsschutzstrategie mit ihren neuen Gremien und Abstimmungsprozessen die Gefahr, dass – entgegen allen Bekundungen der alten und neuen Bundesregierung – erneut Bürokratie geschaffen wird und die Selbstverwaltung der gewerblichen Berufsgenossenschaften an Einfluss verliert.
Arbeitsschutz: Weiterer Bürokratieabbau erforderlich Im Mai 2005 hat der mit der Modernisierung der Arbeitsstättenverordnung neu geschaffene Arbeitsstättenausschuss seine Arbeit aufgenommen. Aufgabe des Ausschusses ist es, Regeln zu ermitteln, wie die in der Arbeitsstättenverordnung gestellten Anforderungen erfüllt werden können. Dazu soll er die noch fortgeltenden Arbeitsstättenrichtlinien auf eventuell erforderlichen Ersatz, Aktualisierungsbedarf oder Wegfall prüfen. Die BDA, die im Arbeitsstättenausschuss vertreten ist, wird als Ziel eine Reduzierung der Arbeitsstättenregeln verfolgen. Sie wird darauf achten, dass die durch die Modernisierung der Arbeitsstättenverordnung entfallenen Detailregelungen nicht durch neue ersetzt werden und dass die damit gewonnene Flexibilität nicht durch die Arbeitsstättenregeln wieder unsachgerecht eingeschränkt wird.
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Nachdem in den letzten Jahren die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften für die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung im Bereich der alternativen Betreuung und für die Regelbetreuung für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten reformiert wurde, soll nun auch die Regelbetreuung für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten überarbeitet werden. Die Arbeiten an diesem Konzept werden Anfang 2006 beginnen. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wird unter anderem die Vereinfachung der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung von Kleinbetrieben als Ziel genannt. Die BDA wird diesen Prozess intensiv begleiten und unterstützen. Die Betriebe müssen von bürokratischen Hemmnissen in diesem Bereich befreit und die Betreuung muss insgesamt gefährdungsorientierter ausgerichtet werden.
Arbeitswissenschaftliche Themen gewinnen an Bedeutung Die Herausforderungen der Globalisierung und der daraus resultierende Wettbewerbsdruck zwingen die Betriebe noch stärker, ihre betrieblichen Prozesse hinsichtlich Effektivität und Effizienz zu überprüfen. Besonders die Organisation des Zusammenspiels der von der Arbeitswissenschaft angebotenen Instrumente zur Prozessoptimierung ist eine der wesentlichen Herausforderungen für viele Unternehmen. Die BDA unterstützt aktiv diese – häufig unter der Überschrift »Ganzheitliche Produktionssysteme« (GPS) angesprochenen – Überlegungen und die Vermittlung des zum Teil in Vergessenheit geratenen Methodenwissens, unter anderem durch Beteiligung an der REFA-Methodenentwicklung (REFA = Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung) und in einem engen Dialog mit der MTM-Gesellschaft (MTM = Methods Time Measurement). Darüber hinaus dient der von der BDA organisierte kontinuierliche Erfahrungsaustausch mit Vertretern der Mitgliedsverbände und Betriebspraktikern dazu, ihr Beratungsangebot auf aktuelle praktische Erkenntnisse auszurichten.
Eine zunehmende Bedeutung gewinnen die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Beschäftigtenstruktur. Neben der mit den Stichworten »Erhalt der Innovationsfähigkeit« und »Fachkräftemangel« verbundenen, vorrangig personalpolitischen Dimension dieses Themas betrifft dies auch die Arbeitsorganisation. Von der Arbeitswissenschaft wird Unterstützung im Hinblick auf eine den Bedürfnissen und Fähigkeiten einer alternden Erwerbsbelegschaft angepasste Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung gefordert. Die BDA engagiert sich in diesem Bereich unter anderem in der INQA-Demografie-Kampagne. Darüber hinaus begleitet sie die Diskussion über die Einsatzmöglichkeiten von Frühindikatoren zur Ermittlung negativer Auswirkungen der demografischen Entwicklung. Dem »Work Ability Index« (WAI) als Instrument zur Steuerung von verhältnis- und verhaltenspräventiven Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die BDA arbeitet deshalb in dem im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gebildeten WAI-Netzwerk mit. In diesem Rahmen werden Initiativen von Unternehmen zur systematischen Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit alternder Belegschaften von der BDA mit unterstützt. In der internationalen Normung haben Arbeiten zur Festlegung ergonomischer Anforderungen an altersgerechte Arbeitsmittel und Arbeitsumgebungen begonnen. Als Beispiele für Handlungsfelder sind dabei größere Beleuchtungsdichten an Arbeitplätzen und Berücksichtigung verminderter Körperkräfte bei der Maschinengestaltung, wie zum Beispiel bei der Rückstellkraft von Bedienelementen, zu nennen. Die BDA wirkt aktiv in den Gremien des Deutschen Instituts für Normung (DIN) an diesen branchenübergreifenden Grundlagendokumenten mit. Das Thema »Psychische Belastung bei der Arbeit« findet in der Öffentlichkeit zunehmende Beachtung. Dieses schwer greifbare, wissenschaftlich anspruchsvolle Thema erfordert jedoch ein Handeln mit Augenmaß und hohem Praxisbezug.
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Die europäischen Sozialpartner haben richtigerweise und mit Erfolg den Richtlinienüberlegungen der Kommission zum Thema »Stress« vorgegriffen und sind gemeinsam aktiv geworden und haben im Jahr 2004 eine Rahmenvereinbarung zu arbeitsbedingtem Stress abgeschlossen. Die BDA hat sich hierin als Mitunterzeichner verpflichtet, in Umsetzaktivitäten das Bewusstsein und das Verständnis für arbeitsbedingte psychische Fehlbelastungen zu steigern. Die BDA gibt Unterstützung bei der Umsetzung von betrieblichen Maßnahmen sowie zur Entwicklung von Konzepten gegen den politischen Missbrauch des Themas, das oft undifferenziert als Generalthema der Arbeitsgestaltung in die Betriebe gebracht wird, ohne dabei deren unterschiedliche Relevanz in den verschiedenen Arbeitsfeldern sowie die unterschiedlichen Einflussfelder außerhalb der Betriebe hinreichend zu berücksichtigen. Die Beurteilung der psychischen Belastung erfordert Verfahren, mit denen zum einen objektive Belastungsmomente in der Arbeit und zum anderen individuelle Beanspruchungen und Bewältigungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer erfasst und beurteilt werden können. Die derzeit vorhandenen Lösungsansätze sind im Hinblick auf die Ansprüche der betrieblichen Praxis umstritten. Unabhängig von der verwendeten Methodik zur Erfassung psychischer Belastung sind deren Ergebnisse zu relativieren. Kein Arbeitsplatz kann so gestaltet werden, dass jeder Arbeitnehmer ohne Fehlbeanspruchung daran tätig sein kann. Die Gründe liegen in Unterschieden individueller Beanspruchbarkeit, Ausbildung, ergänzender Qualifikationen und persönlicher Eignung. Die BDA hat aktiv den Dialog mit der Wissenschaft und den gewerblichen Berufsgenossenschaften zur Behandlung psychischer Belastung bei der Arbeit aufgenommen und hierzu unter anderem ein Symposium zu Strategien und Handlungsansätzen durchgeführt.
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Präventionsgesetz darf Beitragszahler nicht belasten Im Februar 2005 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Präventionsgesetzes beschlossen und in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Die damit verfolgten Ziele, die Prävention zu stärken und die Voraussetzungen für eine verbesserte Vernetzung und Kooperation der verschiedenen Akteure im Bereich der Prävention zu schaffen, sind richtig und werden von der BDA unterstützt. Der vorgesehene Weg zur Erreichung dieser Ziele ist jedoch aus mehreren Gründen falsch. Dies hat die BDA immer wieder im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens – unter anderem in einer Anhörung vor dem Bundestagsausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung am 9. März 2005 – deutlich gemacht.
Die vorgesehene weitgehende Finanzierung von Präventionsmaßnahmen aus Beitragsmitteln ist verfehlt. Bei der Prävention handelt es sich – wie im Entwurf selbst dokumentiert – um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Gebietskörperschaften dürfen ihre Aufgaben nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes nicht mit Hilfe von Beiträgen der Sozialversicherung finanzieren. Wenn diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Sozialversicherung übertragen würde, handelte es sich um eine Verlagerung staatlicher Aufgaben auf die Sozialversicherung und keineswegs – wie behauptet – um eine »Ausrichtung an den originären Aufträgen« der Sozialversicherung. Präventionsmaßnahmen, die der Allgemeinheit zugute kommen sollen, wie zum Beispiel Aufklärungskampagnen einer geplanten Präventionsstiftung oder so genannte Lebensweltprojekte in Kindergärten, Schulen oder so genannten benachteiligten Stadtteilen, dürfen nicht einseitig zu Lasten von Arbeitgebern und Versicherten gehen, sondern müssen vielmehr aus Steuermitteln finanziert werden. Insofern begegnete der Gesetzentwurf sogar verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Der Gesetzentwurf ist aufgrund der Neuwahlen obsolet geworden. Die neue Bundesregierung will die Pläne jedoch weiterverfolgen. Der Koalitionsvertrag sieht ausdrücklich vor, die Prävention zu einer eigenständigen Säule der gesundheitlichen Versorgung auszubauen. Die BDA wird einen neuen Anlauf kritisch begleiten.
Reform der Ausgleichsverfahren für Entgeltfortzahlung und Mutterschaftsleistungen nicht sachgerecht Zum 1. Januar 2006 tritt das »Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen« (Arbeitgeberausgleichsgesetz – AAG) in Kraft, in dem die Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen (Entgeltfortzahlung und Mutterschaftsleistungen) neu geregelt werden. Die vorgesehene Einbeziehung der Angestellten in das bislang auf Arbeiter beschränkte Umlageverfahren »U 1« und die Einbeziehung der bislang ausgeklammerten Betriebsund Ersatzkassen in das Umlageverfahren entsprechen langjährigen Forderungen der BDA. Die gleichzeitig im Gesetz vorgesehene generelle Anhebung der Betriebsgröße von 20 auf 30 Arbeitnehmer hat die BDA jedoch abgelehnt. Mit Nachdruck hat die BDA vor allem die vorgesehene Einbeziehung aller Unternehmen in das Ausgleichsverfahren »U 2« für Mutterschaftsleistungen abgelehnt. Dies soll einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. November 2003 Rechnung tragen, nach dem die Regelung des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 GG (Gleichbehandlungsgebot) unvereinbar mit dem Grundgesetz ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2005 eine Neuregelung zu schaffen. Die BDA hat bereits im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens unter anderem im Positionspapier »Neugestaltung der Mutterschaftsgeldfinanzierung« vom Frühjahr 2004 deutlich gemacht, dass Mutterschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe (Art. 6 Abs. 4 GG) ist,
die folgerichtig von der Allgemeinheit und damit aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden muss. Hinzu kommt, dass eine neue, mit hohem Verwaltungsaufwand und hohen Kosten verbundene Zwangsabgabe entsteht. Für den Fall, dass eine solche systemgerechte Lösung nicht sofort umsetzbar ist, hat die BDA als Zwischenlösung auf dem Weg zu diesem Ziel vorgeschlagen, den bisherigen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld mit dem Mutterschaftsgeld der Krankenkasse zu einer Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zusammenzuführen. Darüber hinaus hat die BDA gefordert, dass Arbeitgeber das Ausgleichsverfahren für ihre Arbeitnehmer zentral bei einer Krankenkasse ihrer Wahl durchführen können. Bislang ist die Zuständigkeit der Krankenkasse an die Mitgliedschaft des jeweiligen Arbeitnehmers gekoppelt. In der betrieblichen Praxis führt der Kontakt mit einer Vielzahl von Krankenkassen bei der Durchführung des Umlage- und Erstattungsverfahrens zu hohem Verwaltungsaufwand. Ein Krankenkassenwahlrecht des Arbeitgebers würde gewährleisten, dass der Arbeitgeber es immer nur mit einer Krankenkasse seiner Wahl zu tun hat. Zudem würde vermieden, dass der Arbeitgeber – infolge der Krankenkassenwahl seiner Arbeitnehmer – unterschiedliche Umlage- und Erstattungssätze abrechnen muss. Gleichzeitig würde der beim »U 1«- und »U 2«Verfahren fehlende Wettbewerb unter den Krankenkassen um effiziente Verwaltungsstrukturen gefördert.
Sozialwahlen 2005 erfolgreich abgeschlossen Die Vertreterversammlungen und Verwaltungsräte von rund 350 Trägern der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung wurden am 1. Juni 2005 neu gewählt. Bei der weit überwiegenden Anzahl der Versicherungsträger gab es so genannte Friedenswahlen. In diesem Fall gelten die vorgeschlagenen Bewerber mit Ablauf des Wahltages als gewählt. Auf der Versichertenseite fand bei acht Sozialversicherungsträgern (Bundesversicherungsanstalt
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für Angestellte – jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund –, Barmer Ersatzkasse, Deutsche Angestellten Krankenkasse, Techniker Krankenkasse, Kaufmännische Krankenkasse, BKK Brose, BKK Exklusiv, Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland) eine Wahl mit Wahlhandlung statt. Die BDA war – wie in den Jahren zuvor – Listenträger für die Arbeitgeberseite bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte/Deutschen Rentenversicherung Bund, der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sowie der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gaststätten. Die Listen für die Vertreterversammlungen wurden bereits im November 2004 eingereicht. Die jeweiligen Wahlausschüsse haben die Listen zugelassen, so dass die von der BDA benannten Personen für die vier Sozialversicherungsträger mit Ablauf des 1. Juni 2005 als gewählt galten. Auch die Vorstände der Sozialversicherungsträger wurden im Laufe des zweiten Halbjahres 2005 von den Vertreterversammlungen gewählt. Die BDA hat hier ebenfalls die Listenträgerschaft für die oben genannten Sozialversicherungsträger übernommen und die Besetzung der Gremien zwischen den bei den jeweiligen Versicherungsträgern versicherten Branchen abgestimmt und vorbereitet.
Organisationsreform der Rentenversicherung in Kraft getreten Zum 1. Januar 2005 ist die jahrelang diskutierte und von der Selbstverwaltung vorangetriebene Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung in Kraft getreten. Ziel der Reform ist es insbesondere, die Verwaltungs- und Verfahrenskosten in der gesetzlichen Rentenversicherung in den ersten fünf Jahren nach Inkrafttreten um ca. 10,0 % (das heißt um mehr als 350 Millionen €) zu senken und die Zahl der Versicherungsträger zu verringern.
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Die damit einhergehende Fusion der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger zur neuen Deutschen Rentenversicherung Bund ist am 1. Oktober 2005 erfolgt. Damit sind auch einige Veränderungen für die Selbstverwaltung wirksam geworden. So gehören der Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund neben den von den Versicherten des Trägers und deren Arbeitgebern paritätisch gewählten Mitgliedern jetzt auch Repräsentanten der Regionalträger und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See an. Entscheidungen in Trägerangelegenheiten werden vom so genannten Trägerausschuss der Vertreterversammlung getroffen. Dem Trägerausschuss gehören ausschließlich die von den Versicherten und Arbeitgebern gewählten Mitglieder an. Der Vorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund besteht aus 22 Personen. Ihm gehören zwölf auf Vorschlag der Regionalträger, acht auf Vorschlag der gewählten Mitglieder des Trägerausschusses der Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund und zwei auf Vorschlag der Vertreter der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gewählte Mitglieder an. Entscheidungen über Trägerangelegenheiten werden – analog zur Vertreterversammlung – von einem Trägerausschuss des Vorstandes getroffen.
Vorgezogene Beitragsfälligkeit schafft neue Bürokratie in der Lohn- und Gehaltsabrechnung Zur Stabilisierung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung müssen die Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge vom 1. Januar 2006 an knapp drei Wochen früher als bisher überweisen. Durch das »Gesetz zur Änderung des Vierten und Sechsten Buches Sozialgesetzbuch« wurde die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge vom 15. des Folgemonats auf den drittletzten Bankarbeitstag des Abrechnungsmonats vorverlegt, so dass die Unternehmen im Jahr 2006 insgesamt 13 Monatsbeiträge abzuführen haben.
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Die BDA hat die Vorverlegung während des Gesetzgebungsvorhabens und insbesondere in der entsprechenden Anhörung im Bundestag nachdrücklich kritisiert und wegen der finanziellen und bürokratischen Belastung der Arbeitgeber abgelehnt. Die schwierige Finanzlage in der Rentenversicherung war absehbar und wäre durch rechtzeitige und durchgreifende Reformen vermeidbar gewesen. Die BDA hatte dazu schon im Vorfeld der letztjährigen Rentenreform entsprechende Vorschläge unterbreitet. Ein stabiler Beitragssatz ist zwar zwingend notwendig, aber die Vorverlegung der Beitragsfälligkeit ist der falsche Weg: Den Betrieben wird Liquidität in Milliardenhöhe entzogen und der Verwaltungsaufwand in der Lohn- und Gehaltsabrechnung unverhältnismäßig erhöht. Nach der Gesetzesbegründung soll die Vorverlegung der Beitragsfälligkeit die Unternehmen mit einem Zinsverlust in Höhe von rund 400 Millionen € belasten. Dies entspricht jedoch lediglich der Höhe der Kosten, wie sie jedes Jahr bei einer dauerhaften Fremdfinanzierung der vorgezogenen Beiträge eintreten würde. Tatsächlich belastet das Gesetz die Betriebe aber im
kommenden Jahr mit zusätzlichen Beiträgen in Höhe von rund 20 Milliarden €. Angesichts der niedrigen Eigenkapitalquote vieler Unternehmen wird dies die ohnehin bestehenden Probleme bei der Fremdmittelaufnahme noch verstärken und damit gerade in kleinen und mittleren Unternehmen weitere Investitionen gefährden. Außerdem bringt die Neuregelung für Unternehmen neue administrative Lasten. Dies ist besonders gravierend, weil die Betriebe im Rahmen der Lohnund Gehaltsabrechnung bereits jetzt unentgeltlich eine Vielzahl von Verwaltungsaufgaben für öffentliche Stellen übernehmen. Dieser Aufwand wird durch die Neuregelung noch erhöht. Die BDA hat Verbesserungen erreicht, die zumindest die praktische Umsetzung in den Betrieben so weit wie möglich erleichtern.
Struktur der Rentenversicherung Deutsche Rentenversicherung (DRV Bund)
Sozialwahlen
Regionalträger/Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV KBS)
Vertreterversammlung (96) 60 2 34
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Vertreterversammlung
Sozialwahlen
Vorstand
Vorstand (22) 2 12
Geschäftsführung Direktorium (3) (Geschäftsführung)
Trägerauschuss, zuständig für den Trägerbereich der DRV Bund
Erweitertes Direktorium (9) 3 1 5 Vertreter der DRV KBS
Vertreter der Regionalträger
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund
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Bildung/Berufliche Bildung
Bildung/Berufliche Bildung
Durchlässigkeit, Qualitätsverbesserung, Potenzialentfaltung: Bildung vor großen Herausforderungen Bildung und Wissenschaft sind entscheidende Wettbewerbsfaktoren für jede moderne Volkswirtschaft. Ein exzellentes Bildungssystem, herausragende Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung sowie ein innovationsfreundliches Klima sind Grundbedingungen, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Bildungspolitik gehört deshalb zum Kerngeschäft der Arbeitgeber. Das deutsche Bildungssystem steht an der Schwelle tiefgreifender Veränderungen. Eine umfassende Debatte über Bildungsreformen ist in Gang gekommen. Wir engagieren uns für eine zielgerichtete und umfassende Qualitätsverbesserung der Leistungsergebnisse in den Schulen und Hochschulen, den Ausbildungsbetrieben und Berufsschulen. Das im April vom Präsidium verabschiedete Leitbild eines modernen und leistungsfähigen Bildungssystems »Bildung schafft Zukunft« fasst die Positionen der BDA für die Weiterentwicklung von Schule, Hochschule und beruflicher Bildung zusammen und stellt einen quantifizierten Zielkatalog für das Jahr 2015 mit konkreten Umsetzungsplänen auf.
»Offensive für Bildung und Wissenschaft« erforderlich Auf dieser Basis schlägt die BDA der neuen Bundesregierung eine »Offensive für Bildung und Forschung« vor, die sie mit eigenen Aktivitäten im kommenden Jahr untermauern wird. Die neue Bundesregierung steht vor nachfolgenden zentralen Aufgaben und Herausforderungen in der Bildungspolitik, bei deren Lösung sie unsere aktive Unterstützung hat. Sie muss: ein bildungsfreundliches Klima schaffen und bundesweit Mobilität sicherstellen das Klima der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verbessern
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Bildung, Forschung und Wissenschaft im Haushalt Priorität geben die Studienfinanzierung modernisieren mit einem elternunabhängigen Ausbildungsbudget – statt Kindergeld und BAföG – und einem bundesweiten Kreditangebot einen umfassenden Nationalen Qualifikationsrahmen entwickeln, um Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu gewährleisten sowie den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte zu verbessern die Verbesserung der Schulqualität durch bundesweite Bildungsstandards, Evaluation der Ergebnisse und Hilfe bei der Qualitätsverbesserung unterstützen die Bildungsberichterstattung intensivieren und zum Bildungsmonitoring ausbauen Sonderprogramme fortsetzen, wie zum Beispiel das Ganztagsschulprogramm Sprachkompetenz und Integration von Kindern mit Migrationshintergrund fördern und einfordern den Ausbildungspakt fortsetzen und Verpflichtungen aus dem Pakt umsetzen die Schaffung und Modernisierung von Ausbildungsberufen unterstützen Berufsvorbereitung und Einstiegsqualifizierung weiterbringen die Differenzierung des Ausbildungsspektrums für Leistungsschwächere und -stärkere voranbringen die gesetzliche Basis zur Flexibilisierung von Ausbildungsvergütungen schaffen die Berufsbildung internationalisieren und Auslandsaufenthalte fördern ein bildungsfreundliches Klima schaffen Nur mit einer erfolgreichen Bildungspolitik gelingt auch eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Deshalb ist die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine bessere Bildung und Ausbildung jedes Einzelnen zu gewährleisten.
Bildung/Berufliche Bildung
Novellierung des Berufsbildungsgesetzes – neue Chance nutzen Am 1. April 2005 trat das neue Berufsbildungsgesetz (BBiG) in Kraft. Die Bilanz fällt gemischt aus. Zwar bleibt die grundsätzlich erfolgreiche Struktur der deutschen Berufsbildung unangetastet, allerdings wurden die Chancen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die duale Ausbildung nicht genutzt. Seit Jahren schon gab es Bemühungen zur Zulassung von Absolventen vollzeitschulischer Bildungsgänge zur Kammerprüfung, die von der BDA kritisch bewertet wurden. Die dabei oft angestrebte unkonditionierte Zulassung würde die schulische Ausbildung immer weiter expandieren, sich am Bedarf der Betriebe vorbeientwickeln und zugleich mit diesen um die besten Bewerber konkurrieren. Um eine Verschulung der Ausbildung zu verhindern, hat sich die BDA bei der diesjährigen gesetzlichen Neuregelung erfolgreich für eine Konditionierung eingesetzt. Folgende Kriterien müssen dabei von den schulischen Ausbildungsgängen erfüllt werden, damit eine Kammerprüfung möglich wird: die Gleichwertigkeit nach Inhalt, Anforderungen und zeitlichem Umfang mit einer betrieblichen Ausbildung, eine sachliche und zeitliche Gliederung sowie ein angemessener Anteil an fachpraktischer Ausbildung. Zudem wurde die Regelung bis August 2011 befristet. Die Landesausschüsse für Berufsbildung sind nun gefordert, ihre Mitsprachemöglichkeiten wahrzunehmen, die Bildungsgänge auf ihre Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt zu prüfen und auf die Befristung jeder Einzelverordnung zu achten. Zur Unterstützung der Arbeitgebervertreter in den Landesausschüssen hat die BDA gemeinsam mit den anderen Spitzenverbänden im Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (KWB) konkrete Kriterien erarbeitet, die hier beachtet werden sollten. Ein regelmäßiger Informationsaustausch über die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern wurde sichergestellt.
Auch an anderen Stellen des BBiG konnten von der BDA wichtige Änderungen erreicht werden: Beispielsweise wurde die Probezeit für Auszubildende von drei auf vier Monate verlängert. Erfreulich ist, dass im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD eine Überprüfung der Wirkungen der BBiG-Novellierung angekündigt wird. Dabei gilt es, die Rahmenbedingungen für Ausbildung konsequent zu verbessern. Insbesondere muss der Spielraum zur stärkeren Flexibilisierung der Ausbildungsvergütung bei nicht tarifgebundenen Vertragspartnern gesetzlich erweitert werden. Ausbildungsvergütungen von im Schnitt 600 € haben sich in einigen Branchen zu einem massiven Ausbildungshemmnis entwickelt. Im Gesetz muss daher die Möglichkeit zur Festlegung der Ausbildungsvergütung auf das Niveau für vergleichbare (staatliche) SGB-III-Maßnahmen von zurzeit rund 280 € geschaffen werden. Was der Staat für seinen Förderbereich als angemessen erachtet, darf für ausbildende Betriebe gesetzlich nicht als unangemessen definiert bleiben. Darüber hinaus unterstützen wir die Bundesregierung beim Abbau weiterer gesetzlicher Regelungen, die betriebliches Ausbildungsengagement erschweren: Wenn ein Jugendlicher die Abschlussprüfung nicht besteht, ist es selbstverständlich, dass er Zeit für einen Neuanlauf braucht. Nicht einzusehen – da mit einem erheblichen, vorab nicht zu kalkulierenden Mehraufwand für den ausbildenden Betrieb verbunden – ist dagegen, warum bei Nichtbestehen der Abschlussprüfung ein Vertragsverlängerungsanspruch von bis zu einem Jahr besteht. Erforderlich ist daher, den Vertragsverlängerungsanspruch auf sechs Monate zu beschränken. Zudem wird zahlreichen Betrieben die Einstellung jüngerer Auszubildender ab 16 Jahren, meist Hauptschulabgänger, erschwert, da die Beschäftigungszeiten für dieses Alter am Abend stark eingeschränkt sind. So dürfen Auszubildende über 16 Jahre im Gaststättengewerbe nur bis 22 Uhr arbeiten, an Abenden vor Berufsschultagen sogar nur bis 20 Uhr, sofern der Berufsschulunterricht vor 9 Uhr beginnt. Diese Beschränkung ist angesichts überwiegend später Geschäftszeiten insbesondere im Hotel- und Gaststättenbereich ein echtes Ausbildungshemmnis
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Bildung/Berufliche Bildung
und nicht mehr zeitgemäß, eine Lockerung dringend erforderlich. Darüber hinaus sollte es dem ausbildenden Betrieb freistehen, welche Auszubildenden er nach der Ausbildung in Beschäftigung übernimmt, und möglich sein, dabei nach Leistung zu entscheiden. Dies ist allerdings eingeschränkt, da das Betriebsverfassungsrecht Sonderrechte von Jugend- und Auszubildendenvertretern bei der Übernahme in Beschäftigung vorsieht. Um leistungsstärkere Jugendliche hier nicht weiter zu benachteiligen, müssen diese Sonderrechte gestrichen werden.
Modernisierung der Ausbildungsberufe 2005 erfolgreich fortgesetzt Neue und moderne Ausbildungsberufe sind nach wie vor ein Schlüssel zur Erfüllung des Ausbildungspaktes. Durch entsprechend gestaltete Ausbildungsberufe können bisher nicht beteiligte Unternehmen und Branchen für die Ausbildung gewonnen und damit neue Ausbildungsplätze geschaffen werden. Im Rahmen der 1996 gestarteten Aktion »Neue Berufe« wurden bislang 62 neue Berufe geschaffen und 198 Ausbildungsordnungen überarbeitet und modernisiert. Bei der künftigen Arbeit im Ordnungsbereich muss dem Thema »Flexibilisierung von Ausbildungsordnungen« eine größere Rolle beigemessen werden. Für leistungsschwächere Jugendliche sind in Wirtschaftsbereichen mit entsprechendem Bedarf und Beschäftigungschancen weitere zweijährige Berufe mit weniger komplexen Anforderungen notwendig. Das Potenzial hierzu liegt vor allem im Dienstleistungssektor, dort unter anderem im Bereich Schutz und Sicherheit oder Wellnessdienstleistungen. Es sollten darüber hinaus künftig verstärkt Kombinationen von Berufen entwickelt werden, nach denen Ausbildungen in einem zweijährigen Beruf auf entsprechende dreijährige Ausbildungen angerechnet werden können. Ebenfalls sind zweijährige anspruchsvolle Berufe für leistungsstarke Jugendliche zu entwickeln, zum Beispiel im Bereich Produktionstechnologie.
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Aus- und Fortbildungen: Modernisierung wird intensiv fortgesetzt Neue zweijährige Berufe 2005 Änderungsschneider/-in Fachkraft Agrarservice Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen Produktionsfachkraft Chemie Servicefahrer/-in Neue dreijährige Berufe 2005 Kaufmann/-frau für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen Kaufmann/-frau für Tourismus und Freizeit Oberflächenbeschichter/-in Technische/-r Produktdesigner/-in
Neu geordnete Berufe 2005 Baustoffprüfer/-in Binnenschiffer/-in Fleischer/-in Industriekeramiker/-in Anlagentechnik Industriekeramiker/-in Dekorationstechnik Industriekeramiker/-in Modelltechnik Industriekeramiker/-in Verfahrenstechnik Oberflächenbeschichter/-in (neue Spezialisierung) Papiertechnologe/-technologin Polster- und Dekorationsnäher/-in Produktionsmechaniker/-in Textil Produktveredler/-in Textil Reiseverkehrskaufmann/-frau Sattler/-in Tierwirt/-in
Bildung/Berufliche Bildung
Voraussichtlich neue Berufe 2006 Automatenkaufmann/-frau Automatenmechatroniker/-in Fachangestellte/-r für Markt- und Sozialforschung Fachkraft für Automatenservice (zweijähriger Beruf) Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice Fachkraft für Speiseeisherstellung (zweijähriger Beruf) Kaufmann/-frau für Dialogmarketing Servicefachkraft für Dialogmarketing (zweijähriger Beruf) Verfahrensmechaniker/-in für Kunststoff- und Kautschuktechnik, Schwerpunkt Faserverbunde und Kunststofffenster (neue Schwerpunkte)
Neue Fortbildungsordnungen 2005 (nach § 53 BBiG) Abwassermeister/-in Fachwirt/-in Außenwirtschaft und -handel Handelsfachwirt/-in Industriemeister/-in Fachrichtung Mechatronik Industriemeister/-in Fachrichtung Papiererzeugung Industriemeister/-in Fachrichtung Textilwirtschaft Meister/-in der Hauswirtschaft Meister/-in für Kreislauf- und Abfallwirtschaft und Städtereinigung Meister/-in für Rohr-, Kanal- und Industrieservice Wassermeister/-in
Voraussichtlich neu geordnete Berufe 2006 Fachkraft für Hafenlogistik Fachverkäufer/-in im Nahrungsmittelhandwerk Flechtwerkgestalter/-in Hafenschiffer/-in Holzmechaniker/-in Immobilienkaufmann/-frau Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel Kaufmann/-frau in der Kommunikationswirtschaft Mechatroniker/-in für Kältetechnik Mediengestalter/-in Bild und Ton Medienkaufmann/-frau Digital und Print Medizinische/-r Fachangestellte/-r Ofen- und Luftheizungsbauer/-in Tiermedizinische/-r Fachangestellte/-r Tischler/-in Verfahrenstechnologe/-technologin für Mühlen- und Futtermittelwirtschaft
Voraussichtlich neue Fortbildungsordnungen 2006 (nach § 53 BBiG) Betriebswirt/-in (HwK) Betriebswirt/-in (IHK) Bilanzbuchhalter/-in Controller/-in Fachkaufmann/-frau für Marketing Fachwirt für Messe-, Tagungs- und Kongresswirtschaft Gestaltungsberater/-in im Raumausstatterhandwerk Handelsassistent/-in Einzelhandel Meister/-in für Veranstaltungstechnik Pharmareferent/-in Schließ- und Sicherungstechniker/-in Technische/-r Fachwirt/-in (IHK)
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Bildung/Berufliche Bildung
Des Weiteren sollten verstärkt betriebsspezifische Zusatzqualifikationen angeboten werden, durch die parallel zur Ausbildung weitere oder vertiefte Kompetenzen erworben werden können und die so die Attraktivität einer beruflichen Ausbildung weiter verstärken. Um die Auszubildenden noch gezielter auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, müssen darüber hinaus die Ausbildungsordnungen die Vermittlung beruflicher Handlungsfähigkeit durch Fach-, Methoden- und Problemlösekompetenz, Team- und Kommunikationsfähigkeit stärker einbeziehen.
Ausbildungspakt ist auch im zweiten Jahr auf Erfolgskurs Trotz schwieriger Rahmenbedingungen war der Ausbildungspakt auch 2005 erfolgreich – auf der Basis großen Engagements der Paktpartner und insbesondere der Ausbildungsleistung der Betriebe. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt konnte – entgegen der allgemeinen rückläufigen Beschäftigungsentwicklung – stabilisiert werden. Ende September zogen ausnahmslos alle Paktpartner, die Bundesbildungsministerin und der Bundeswirtschaftsminister, die Bundesagentur für Arbeit, BDA, BDI, DIHK und ZDH, zum Beginn des Ausbildungsjahres eine positive Zwischenbilanz für 2005. Zu diesem Zeitpunkt waren weniger unvermittelte Bewerber gemeldet als im Vorjahr. Auch die Lehrstellenlücke hatte sich gegenüber 2004 verkleinert.
Positive Zwischenbilanz ist gute Basis für erfolgreiche Nachvermittlung Der 30. September war auch der Startschuss für die Nachvermittlungsaktivitäten, die in diesem Jahr erneut Verbesserungen auf dem Ausbildungsmarkt brachten. Die Zahl der unvermittelten Bewerber hat sich von September bis November um rund 17.400 auf rund 23.500 reduziert.
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Die Lücke zwischen unvermittelten Bewerbern und unbesetzten Ausbildungsplätzen hat sich um rund 11.200 auf 17.100 verringert. Berücksichtigt man die im Oktober und November für den sofortigen Ausbildungsbeginn neu gemeldeten, noch unbesetzten Ausbildungsplätze, beträgt die Lücke nur noch rund 12.600. Für die weitere Nachvermittlung im Dezember stehen noch 10.900 unbesetzte Ausbildungsplätze und 20.300 offene Einstiegsqualifizierungen zur Verfügung. Damit gibt es die von den Arbeitgebern versprochene ausreichende Basis, den noch unversorgten Bewerbern auch tatsächlich ein Angebot machen zu können. Diese Zahlen beweisen, wie sehr sich das gemeinsame Engagement im Ausbildungspakt lohnt und für die Jugendlichen auszahlt. Hervorzuheben ist insbesondere auch der Erfolg des neu eingeführten Instruments der Einstiegsqualifizierung (EQJ). Schon 2004 war die Zusage von 25.000 Plätzen für EQJ von den Betrieben mit über 30.000 Angeboten weit übertroffen worden. 2005 hat sich dies wiederholt: Bisher wurden bei den Arbeitsagenturen über 36.000 EQJ-Plätze gemeldet. Nachdem die Vermittlung in EQJ 2004 sich aufgrund fehlender Kenntnisse und mangelnden Interesses der Jugendlichen noch schwierig gestaltete und nur gut die Hälfte der Plätze besetzt werden konnte, verbesserte sich dies in diesem Jahr erheblich. Bisher begannen 9.800 Jugendliche eine Einstiegsqualifizierung, zweieinhalb Mal so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Und sie haben gute Übergangschancen in Ausbildung: Rund 60 % der Teilnehmer des Vorjahres mündeten in Ausbildung. Daher sollten die Anfang Dezember 2005 noch 20.300 unbesetzten EQJ-Plätze in der weiteren Nachvermittlung von den noch unvermittelten Jugendlichen unbedingt genutzt werden. Die Behauptung, EQJ seien für die jungen Menschen nur eine Warteschleife, das heißt ohne Perspektive, kann man anhand dieser Fakten klar als politisch motivierte Propaganda entlarven.
Bildung/Berufliche Bildung
Ausbildungspakt schafft Trendwende Veränderung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der betrieblichen Ausbildungsverträge zwischen 2003 und 2005 2 1,5 0,5
1,6 Beschäftigte
0
Ausbildungsverträge
-0,5 -1 -1,5
-2,6
-2 -2,5 -3 Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der BA-Beschäftigtenstatistik und der BIBB-Statistik zu Ausbildungsverträgen, Angaben in %
Diese positiven Entwicklungen zeigen, was der Ausbildungspakt zu leisten vermag. Zugleich werden aber auch seine Grenzen sichtbar: Der Ausbildungspakt kann keinen dauerhaften Durchbruch zu mehr Beschäftigung und damit mehr Ausbildung bringen. Wenn in den letzten drei Jahren rund 1,5 Millionen Beschäftigungsverhältnisse verloren gegangen sind, hat dies auch Konsequenzen für den Ausbildungsmarkt. Der rechnerische Verlust beträgt 90.000 Ausbildungsplätze, entsprechend der durchschnittlichen Ausbildungsquote von 6,0 %. Wenn bei den betrieblichen Ausbildungsverträgen seit Abschluss des Ausbildungspaktes ein leichtes Plus zu verzeichnen ist, ist dies bei dem zu kompensierenden Wegfall der genannten 90.000 Ausbildungsplätze ein besonders großer Erfolg. Aber nur wenn die Politik die Rahmenbedingungen für Beschäftigung durch Kostensenkung, Arbeitsmarktflexibilität und Entbürokratisierung im Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nachhaltig verbessert, wird auch der Ausbildungsmarkt dauerhaft davon profitieren.
Ausbildungspakt wird mit neuer Bundesregierung fortgesetzt Zu begrüßen ist, dass die Fortsetzung des Ausbildungspaktes im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD verankert wurde. Dabei gilt es, neue Schwerpunkte zu setzen. Neben der Mobilisierung von Lehrstellen bietet die Zusammenarbeit im Pakt Chancen zur Integration von mehr leistungsschwächeren Jugendlichen in Ausbildung und Beschäftigung. Ansatzpunkte sind die Reduzierung der Ausbildungskosten insbesondere durch eine Flexibilisierung der Ausbildungsvergütungen, die weitere Differenzierung des Ausbildungsspektrums und die Schaffung neuer Berufe entsprechend den Anforderungen der betrieblichen Praxis. Darüber hinaus muss die Schulqualität zur Sicherung der Ausbildungsreife der Schulabgänger verbessert und die Berufsvorbereitung leistungsschwächerer Jugendlicher durch modulare Qualifizierungskonzepte, die in Form von Bausteinen überschaubare Ausbildungsinhalte vermitteln, effizienter gestaltet werden.
Pakt arbeitet an Verbesserung der Ausbildungsreife Einer aktuellen Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge bleibt rund jeder zehnte angebotene Ausbildungsplatz unbesetzt, weil es aufgrund mangelhafter schulischer Voraussetzungen keine geeigneten Bewerber gibt. Für mehr Ausbildung brauchen wir daher neben wachstums- und beschäftigungsfördernden Rahmenbedingungen auch wirksame bildungspolitische Reformen, damit Schulabgänger den Anforderungen einer Ausbildung gewachsen sind. An den Schulen muss die Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit der Schüler oberste Priorität haben. Die Arbeitgeber unterstützen die Schulen bei ihrer Aufgabe seit langem durch Angebote zur Berufsorientierung. Nur wenn die Probleme bei der Wurzel gepackt werden, können nachhaltige Erfolge erzielt werden. Denn weder die Arbeitgeber noch die Bundesagentur für Arbeit können dauerhaft Reparaturbetrieb für Versäumnisse in Schule und Elternhaus sein.
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SCHULEWIRTSCHAFT (SW) in Zahlen: SCHULEWIRTSCHAFT ist eine bundesweite Bewegung, die in rund 450 regionalen Arbeitskreisen auf freiwilliger Basis 22.000 Schul- und Unternehmensvertreter zusammenbringt, um gemeinsam einen Beitrag zur Sicherung von Ausbildungs- und Berufsfähigkeit der jungen Menschen zu leisten. SCHULEWIRTSCHAFT kooperiert bundesweit mit 8.200 Betrieben. Bundesweit werden mit 5.000 Veranstaltungen mehr als 190.000 Teilnehmer durch SCHULEWIRTSCHAFT direkt angesprochen. Mehr als 3.500 Mal berichteten die Medien bundesweit im vergangenen Jahr, das heißt, jeden Tag erschienen fast zehn Beiträge über SW-Aktivitäten. Das SCHULEWIRTSCHAFT-Netzwerk ist ein gefragter Gesprächspartner und Auskunftsgeber: Mehr als 24.000 Anfragen erreichten die verschiedenen Ebenen der SW-Arbeit; rein rechnerisch gesehen werden damit pro Arbeitstag 110 Anfragen an das Netzwerk gerichtet. Dabei werden unter anderem jährlich über 4.000 Schul- und Unternehmenskontakte vermittelt. Auf der Länderebene werden die Aktivitäten der Arbeitskreise von den Arbeitgeberverbänden und ihren Bildungswerken in 15 Landesarbeitsgemeinschaften SCHULEWIRTSCHAFT getragen. Auf Bundesebene koordiniert die Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT die Arbeit (sie wird von der BDA und vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln getragen).
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Die BDA hat Anfang 2005 eine Handreichung (»Der Ausbildungspakt beginnt in der Schule«) zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Schulen und Unternehmen entwickelt. Dabei greifen die Arbeitgeberverbände auf bewährte Konzepte der bundesweit bestehenden regionalen SCHULEWIRTSCHAFT-Arbeitskreise zurück. Mit einer Sammlung erprobter Instrumente zur Berufsorientierung werden Anregungen und Hilfestellungen von der Kooperation zwischen Schulen und Unternehmen über Betriebspraktika bis zum Mentorenprogramm gegeben. Die Ausbildungsreife der Schulabgänger war auch Schwerpunktthema des Paktlenkungsausschusses unter Beteiligung der KMK-Vorsitzenden im Februar 2005. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe »Schule und Wirtschaft« erarbeitet Transferstrategien für die Schwerpunkte Berufsorientierung, Ausbildungsreife und Übergangsmanagement. Anhand erfolgreicher Kooperationsprojekte zwischen Schulen und Unternehmen werden bewährte Inhalte, Verfahren, Methoden und Organisationsformen systematisiert und verallgemeinert. Unter der Federführung der BDA entwickelt die Pakt-AG unter Beteiligung der KMK ein Transferkonzept zur festen Verankerung von Berufsorientierung im schulischen Alltag in enger Kooperation mit außerschulischen Partnern. Erste Ergebnisse in Form von Handreichungen für Schulen und Betriebe werden Anfang 2006 vorgestellt.
Trendwende in der Schulpolitik setzt Bildungsstandards und selbstständige Schule als Ziel In der deutschen Schulpolitik ist in allen Bundesländern und in der Ständigen Konferenz der Kultusminister (KMK) eine Trendwende eingeleitet worden: Verbindlich vorgegebene nationale Bildungsstandards einerseits und selbstständige Schulen andererseits sind die neuen Koordinaten des Schulsystems. Besteht in der Zielrichtung Konsens, so lässt die konkrete Umsetzung teilweise noch sehr zu wünschen übrig. Vor allem brauchen die Schulen bei der Umstellung auf ihre veränderten Aufgaben mehr Unterstützung und »Coaching« durch die
Bildung/Berufliche Bildung
Länder und ihre Institutionen. Das schulpolitische Engagement der BDA konzentriert sich deshalb darauf, zum einen auf Qualitätssicherung und -verbesserung bei den Bildungsstandards und ihrer Umsetzung zu dringen und zum anderen Schulen praktische Hilfestellungen bei der Etablierung von Qualitätsverbesserungsprozessen anzubieten.
Selbstständige Schule als Chance begreifen Bereits im letzten Jahr hatte die BDA mit der Publikation »Selbstständige Schule« eine Handreichung für die Schulen – und andere Entscheidungsträger – vorgelegt, in der sie darstellte, was Selbstständigkeit konkret bedeutet und wie sie gestaltet werden kann. Mit der großen Tagung »Selbstständige Schule – Illusion oder Chance?« im September 2005 wurde das Thema weiterverfolgt. Selbstständigkeit verlangt von den Schulen, vor allem von der Schulleitung, kompetent und professionell Personalführung und -entwicklung sowie Qualitätssicherung umzusetzen. Die 450 regionalen Arbeitskreise SCHULEWIRTSCHAFT tragen dazu bei, genau diesen Transfer zu unterstützen. Sie setzen bei der Etablierung der Selbstständigkeit von Schulen einen ausgesprochenen Schwerpunkt ihres Engagements. Auf der Tagung wurde aber auch deutlich, dass die verantwortlichen Bildungspolitiker auf Länderebene den Schulen wirkliche Gestaltungsmöglichkeiten – zum Beispiel bei der Personalauswahl – erst noch einräumen müssen.
PISA 2003: Deutschlands Schulen verzeichnen Fortschritte Dass sich die Mühe des schulpolitischen Engagements lohnt, aber auch zielgerichtet fortgesetzt werden muss, zeigten die insgesamt ermutigenden Ergebnisse der PISA-Studie 2003, die einen Schwerpunkt auf die mathematischen Kompetenzen der 15-jährigen Schüler gelegt hatte. Im Juli und November 2005 wurden die Er-
gebnisse der Erweiterungsstudie PISA 2003-E für die Bundesländer veröffentlicht. Deutschland hat bei dieser zweiten internationalen Bildungsstudie der OECD insgesamt deutlich aufgeholt, die gravierenden Probleme – sehr hoher Anteil an schwachen Schülern, zu schmale Elite, starke Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom Status der Eltern und die mangelhafte schulische Integration der Migrantenkinder – bestehen allerdings unverändert fort. Entwarnung kann daher, trotz berechtigter Hoffnung auf weitere Fortschritte, nicht gegeben werden. Die Leistungssteigerung von PISA 2000 zu PISA 2003 zeigt sich im Vergleich der einzelnen Bundesländer mit der internationalen Skala noch deutlicher als beim Vergleich des Bundesdurchschnitts mit dieser Skala: Alle Länder konnten sich verbessern, einige sind überdurchschnittlich und nur wenige liegen noch unter dem internationalen Durchschnitt. An der Spitze steht Bayern: Es erreicht sogar den internationalen Spitzenbereich mit Finnland, Japan und Kanada. In geringem Abstand folgen Sachsen, Baden-Württemberg und Thüringen. Dem Durchschnitt entsprechen Sachsen-Anhalt, Saarland, Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Brandenburg. Unterdurchschnittlich bleiben Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen. Sind dies nun vier Länder, lagen bei PISA 2000 noch zehn unter dem Durchschnitt. Durch die Breite der Qualitätsverbesserung ist allerdings das Leistungsgefälle zwischen den Ländern gleich geblieben: Zwischen Bayern und Bremen entspricht es 1,5 Schuljahren. Auch bei einer Berücksichtigung von Sozialstruktur und Migrationshintergrund der Schüler bleiben die Leistungsunterschiede zwischen den Ländern groß. Ein besonderes Problem in Deutschland ist der enge Zusammenhang von sozialer Herkunft und mathematischer Kompetenz. Besonders stark ausgeprägt ist er in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Bremen, besonders schwach dagegen in Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen. Bayern, Thüringen und Sachsen sind die Länder, die soziale Chancengerechtigkeit mit einem hohen
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handen sein, als der Mathematikunterricht zutage fördert. Die Migrantenkinder liegen von allen OECD-Staaten in Deutschland am stärksten zurück. Sie wurden für die PISA-Tests danach eingeteilt, wie häufig sie – nach eigenen Angaben – die deutsche Sprache im Alltag verwenden. Rund 50 % sprechen vor allem deutsch im Alltag, 31 % verwenden genauso oft ihre Herkunftssprache und immerhin noch 13 % – also viel zu viele – verwenden überwiegend eine andere Sprache. Deutsch sprechende Migrantenkinder kommen im Kompetenzerwerb ihren deutschen Altersgenossen am nächsten und erreichen in einigen Ländern sogar den Landesdurchschnitt, während fremd- und mehrsprachige Migrantenkinder bis zu zwei Schuljahre zurückliegen. Die Sprache erweist sich daher, nun auch empirisch belegt, als entscheidender Faktor. Jugendliche aus der ehemaligen Sowjetunion sprechen zu gut 47 % überwiegend deutsch, aber nur 32 % selbst der hier geborenen Kinder türkischstämmiger Eltern: Diese erreichen geringere Leistungen
Leistungsstand verbinden und damit Benchmarks bilden. Sie zeigen, dass ein allgemein hohes Leistungsniveau auch sozial benachteiligten Schülern zugute kommt und diese »mitzieht«. Extrem ungünstig ist die Kombination von schwachem Niveau und starker Herkunftsprägung dagegen in Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Bremen. Bayern hat ein traditionell gegliedertes, Thüringen wie Sachsen haben ein schulformübergreifendes System: Dies bestätigt, dass die Schulstruktur nicht der ausschlaggebende Faktor für das Leistungsniveau sein kann. Auffällig in der Länderstudie ist, dass die schwächeren Schüler zu hohen Anteilen Wiederholungen hinter sich haben, die ihre Leistungen aber offensichtlich nicht verbesserten. Eine Überraschung bot die erstmalige Untersuchung der »Problemlösekompetenz«: Die deutschen Schüler sind hier überdurchschnittlich gut und die breite Leistungsstreuung fehlt. Problemlöse- und mathematische Kompetenz hängen üblicherweise eng zusammen: Also muss bei den Jugendlichen ein weitaus größeres Potenzial vor-
Problemlösung gut – Mathe schlecht: Schülerpotenzial in Mathematik wird im Unterricht nicht entfaltet 540
500 = OECD-Mittelwert
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Mathematik
Quelle: PISA 2003: Ergebnisse des zweiten Ländervergleichs (2005)
Bildung/Berufliche Bildung
gen Studie lagen vor allem bei Bildung und Chancen am Arbeitsmarkt, lebensbegleitendem Lernen, Bildungsinvestitionen und Arbeitsbedingungen der Lehrer. Deutschland konnte in vielen Bereichen Boden gutmachen, dennoch deckt die Studie zahlreiche Defizite auf: Zwar bestätigen die OECD-Experten Deutschland nach dem Reformrückstand der achtziger und neunziger Jahre eine Trendwende hin zu mehr Spitzenqualifikationen, ohne dass aber der Rückstand annähernd ausgeglichen werden konnte. Dringend aufzuholen ist vor allem bei den naturwissenschaftlichen Absolventen, deren Anteil nicht einmal halb so hoch ist wie in Korea, Irland, Frankreich, Australien, Großbritannien, Finnland und Neuseeland. Darüber hinaus nimmt das Risiko, arbeitslos zu werden, mit geringerem Bildungsstand in Deutschland wesentlich stärker zu als im OECD-Mittel. Auch bei den Bildungsinvestitionen besteht Reformbedarf, denn der
als die zugewanderten Jugendlichen aus der ehemaligen Sowjetunion. In beiden Gruppen sprechen allerdings fast 20 % kaum deutsch. Die Notwendigkeit der von der BDA und ihren Mitgliedsverbänden geforderten Sprachförderung und verbindlicher Sprachtests noch vor dem Grundschulstart wird damit klar bestätigt.
»Bildung auf einen Blick 2005« bestätigt BDA-Forderung nach Frühförderung Auch die OECD-Studie »Bildung auf einen Blick 2005« macht deutlich, dass Deutschland noch große Anstrengungen unternehmen muss, um den Aufstieg in die Spitzenliga zu schaffen. Die Schwerpunkte der diesjähri-
Migrantenkinder: Je mehr Deutsch gesprochen wird, desto besser sind die Schulleistungen 560
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Quelle: PISA 2003: Ergebnisse des zweiten Ländervergleichs (2005)
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Anteil öffentlicher und privater Bildungsinvestitionen am BIP ist noch immer unter dem OECD-Durchschnitt. Zudem wird das Geld falsch verteilt: In Deutschland fließen weiterhin Bildungsinvestitionen überproportional in den tertiären (hochschulischen) Bereich, obwohl Bildungsrenditen im Primarbereich (Kindergarten und Grundschule) am höchsten sind. Bewiesen ist, dass der in frühen Bildungsphasen eingesetzte Euro die höchsten Bildungsrenditen erbringt. Beispielsweise ermittelte eine Schweizer Studie ein volkswirtschaftliches Kosten-Nutzen-Verhältnis der Züricher Kindertageseinrichtungen von 1 : 4. Aus volkswirtschaftlicher Sicht fließen pro Franken, der in die Kindertagesstätten investiert wird, wieder vier Franken an die Gesellschaft zurück. Die Arbeitgeber sehen damit ihre Forderung bestätigt, das Bildungssystem »vom Kopf auf die Füße zu stellen«. Die BDA ist dabei, sich des Themas »Frühkindliche Bildung« intensiv anzunehmen.
Neue Chancen im Hochschulbereich konsequent ergreifen Eines der bestimmenden Themen der hochschulpolitischen Diskussion im Jahr 2005 war die Auseinandersetzung um die Einführung von Studiengebühren. Das am 26. Januar verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugunsten von Studiengebühren eröffnet den Ländern die Möglichkeit, diesen Weg zu beschreiten. Statt der Etablierung überzeugender Konzepte war die weitere Entwicklung geprägt von Verunsicherung und kleinteiligen Lösungsansätzen, die allenfalls im Ansatz die Steuerungsmöglichkeiten des Instruments Studiengebühren ausnutzen werden. Baden-Württemberg lässt mit dem gerade verabschiedeten Gesetz zur Einführung von Studiengebühren nicht einmal den kleinsten Spielraum an Gestaltungsmöglichkeiten. Dort sollen die Hochschulen verpflichtet werden, einheitlich 500 € pro Semester von jedem Studierenden zu verlangen. Zwar sind die Vorschläge aus Bayern (Bandbreite zwischen 100 und 500 €, aber ebenfalls Verpflichtung für die Hochschulen, Gebühren zu erheben) und Nordrhein-
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Westfalen etwas liberaler, aber die volle Entscheidungsfreiheit über die Erhebung von Gebühren und deren weitere Verwendung wird nirgends den Hochschulen überlassen. Zur Autonomie einer Hochschule gehört, dass sie über Art und Höhe der Festsetzung von Studiengebühren selbst entscheidet. Dies muss zu den selbstverständlichen Grundbedingungen bei der Einführung dieses Instruments gehören. Darüber hinaus droht durch die Lösungsansätze der Studienfinanzierung das Thema »Studiengebühren« weiter an Attraktivität zu verlieren. Bundesländer, die ausschließlich über die eigenen Landesbanken Darlehen für ein Studium nur innerhalb der eigenen Landesgrenzen anbieten, gefährden eines der wesentlichen Ziele des Bologna-Prozesses: die Steigerung der Mobilität der Studierenden. Wer als Studierender die Hochschule wechseln will und zur Finanzierung seines Studiums von unterschiedlichen Landesbanken Darlehen in Anspruch nimmt, wird nach dem Studium mit Forderungen der jeweiligen Banken konfrontiert, deren Rangfolge völlig ungeklärt ist. Besser wäre es daher, das von der BDA vorgelegte Modell eines einfachen, transparenten und kostengünstigen Darlehensangebotes, das bundesweit allen Studierenden zugänglich ist, umzusetzen. Dies wäre sowohl mit als auch ohne Beteiligung des Bundes möglich, wenn sich die Länder auf ein solches Vorgehen verständigen würden. Die BDA wird dieses Thema weiter intensiv mit Bund und Ländern diskutieren und für ihren Lösungsvorschlag werben, der zugleich eine Neuausrichtung der gesamten Studienfinanzierung vorsieht, die angesichts der prognostizierten Entwicklung der Studierendenzahlen überfällig ist. Eine der Grundvoraussetzungen muss auch dabei lauten: Jede Hochschule entscheidet selbst über Art und Höhe der Studiengebühren, damit die Eigenverantwortung gestärkt wird.
Bildung/Berufliche Bildung
Autonomie und Wettbewerb an den Hochschulen schaffen Voraussetzung für mehr Autonomie und Wettbewerb an Hochschulen ist allerdings, dass die Länder jetzt ihrerseits die Landeshochschulgesetze deutlich entschlacken und den Hochschulen tatsächlich die Entscheidungsbefugnisse für alle wesentlichen Bereiche übertragen. In Einzelfällen geschieht dies bereits, wie das Beispiel der TU Darmstadt mit einem eigens verabschiedeten Gesetz zeigt. Doch solche Ansätze dürfen nicht die Ausnahme bleiben, sondern müssen zur Regel werden, damit ein echter leistungsfördernder Wettbewerb zwischen den Hochschulen einsetzt. Bei einem solchen Wettbewerb wird auch das Thema »Qualität und Qualitätssicherung« weiter an Bedeutung gewinnen, weil es im Eigeninteresse der Hochschulen liegt, entsprechende Qualitätsmanagementsysteme zu installieren. Immerhin erkennen immer mehr Hochschulen die Bedeutung dieses Themas für die eigene Einrichtung. Dazu beigetragen hat sicherlich auch der neu konstituierte Akkreditierungsrat, der zu Beginn des Jahres in eine eigenständige Stiftung überführt wurde. Bestimmendes Thema war die Vereinbarung von Kriterien für die Reakkreditierung der in Deutschland arbeitenden Akkreditierungsagenturen. Letztlich geht es dabei um eine verlässliche und transparente Qualität der Agenturen selbst, die in der Vergangenheit durchaus unterschiedlich war. Der neue Akkreditierungsrat legt zu Recht auf diesen Aspekt hohen Wert, denn von der Qualität der Agenturen hängt nicht zuletzt die Akzeptanz der Akkreditierung insgesamt ab, sowohl an den Hochschulen als auch in den Unternehmen.
installiert hat. Hier nutzt die BDA einerseits die Erfahrung, die die Unternehmen mit Qualitätssicherung gesammelt haben, und versucht, entsprechende Ansätze in die Diskussion einzubringen. Zusätzlich ist die BDA bestrebt, die Wirtschaftsvertreter in den Agenturen durch einen regelmäßigen Meinungsaustausch zu einer gemeinsamen Grundhaltung zu bringen, die dann bis in den Akkreditierungsrat getragen werden kann.
Spitzenleistungen ermöglichen: Elitehochschulen für Deutschland Exzellenz in Bildung und Forschung ist die Grundlage für wissenschaftlichen Fortschritt und technische Innovationen unserer wissensbasierten Wirtschaft. Die BDA setzt sich deshalb für herausragende und wettbewerbsfähige Hochschulen ein, die auf hohem Niveau forschen und lehren. Allerdings lassen sich Eliteuniversitäten nicht verordnen oder medienwirksam inszenieren, wie der zähe Diskussions- und Entscheidungsprozess zur Exzellenzinitiative verdeutlicht hat. Deutsche Hochschulen brauchen vielmehr Rahmenbedingungen, die Spitzenleistungen ermöglichen und in denen Exzellenz gefördert wird. Arbeitgeberpräsident Dr. Hundt und der Vorstandsvorsitzende der ALTANA AG, Dr. Schweickart, haben deshalb mit der gemeinsamen Tagung »Schafft unser Hochschulsystem ein ›deutsches Berkeley‹? – Elitebildung an staatlichen Hochschulen« im Dezember 2005 das Thema »Elitehochschulen« wieder auf die politische Tagesordnung gesetzt. Die Tagung erfuhr einen hohen Zuspruch von Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Deutlich wurde, dass vor allem die Rahmenbedingungen geändert und Wettbewerb ermöglicht werden muss.
Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die eine rasche Weiterentwicklung des bisherigen Ansatzes der Akkreditierung fordern. Die bisherige Produktakkreditierung, bei der jeder einzelne Studiengang bewertet wird, soll abgelöst oder zumindest ergänzt werden um eine Prozessakkreditierung, bei der bewertet wird, ob die Hochschule ein funktionierendes Qualitätsmanagementsystem
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Bildung/Berufliche Bildung
Schaffung eines internationalen Hochschulraums bleibt wichtiges Ziel Mit hohem Engagement hat sich die BDA an der weiteren Umsetzung des Bologna-Prozesses auf nationaler und europäischer Ebene beteiligt. Die Einführung der gestuften Studienstruktur mit den neuen Abschlüssen Bachelor und Master hat jetzt auch in Deutschland an Fahrt gewonnen und geht inzwischen zügiger voran als zu Beginn des Prozesses. Allerdings bleiben weiterhin etliche Stolpersteine erhalten: Die Landesregierungen versuchen teilweise noch immer, detailliert in die neuen Strukturen einzugreifen, und verhindern damit notwendige Modernisierungen an den Hochschulen. Dies gilt für die pauschale Festlegung auf eine dreijährige Dauer der Bachelor-Studiengänge ebenso wie für die offen oder verdeckt geforderte Übergangsquote in die Master-Studiengänge. Darüber hinaus hat die große Koalition vereinbart, die Juristenausbildung nicht an die gestufte Studienstruktur anzupassen. So bleibt es weiterhin Aufgabe der BDA, den konsequenten Rückzug des Staates aus der Detailsteuerung der Hochschulen einzufordern. Erfreulich ist jedoch die sich immer deutlicher zeigende Akzeptanz der neuen Abschlüsse in den Unternehmen. Solange die Hochschulen die erwartete Qualität liefern, stehen den Absolventen attraktive Einstiegs- und Karrierewege offen. Mit unterschiedlichen Aktivitäten – Informationsflyer, Handreichungen, Tagungen – trägt die BDA dazu bei, dass die notwendigen Informationen auch die KMU erreichen und der Austausch zwischen Hochschulen und Unternehmen intensiviert wird. Nur durch einen intensiveren Dialog beider Seiten wird es möglich sein, die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt so an die Hochschulen weiterzugeben, dass auch die Studieninhalte darauf besser abgestimmt werden.
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Dabei ist in der Abschlusserklärung der Bologna-Ministerkonferenz vom Mai dieses Jahres eindeutig vereinbart, dass alle Hochschulabschlüsse einen Bezug zum Arbeitsmarkt haben müssen. Diese Form der Öffnung wurde lange strittig diskutiert, doch ist den Bologna-Teilnehmerstaaten deutlich geworden, dass die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums ohne eine Beteiligung der Wirtschaft kaum erfolgreich umsetzbar ist. Auf Initiative der BDA ist seit der Ministerkonferenz der europäische Dachverband, UNICE, beratendes Mitglied in der so genannten Bologna-Follow-up-Group. Dieses ist das wichtigste Gremium zwischen den alle zwei Jahre stattfindenden Ministerkonferenzen; alle thematischen Schwerpunkte werden dort diskutiert und die inhaltliche Vorbereitung der Ministerkonferenzen geleistet. Die BDA nimmt diese Aufgabe in enger Abstimmung mit anderen europäischen Arbeitgeberorganisationen wahr und drängt vor allem auf die Berücksichtigung der auch national zentralen Themenbereiche wie Beschäftigungsbefähigung und Qualitätssicherung. Gemeinsam mit anderen Beteiligten wird die BDA diese Themen vorantreiben und bei den Hochschulen größere Aufmerksamkeit einfordern. Letzteres gilt vor allem für das Thema »Durchlässigkeit zur beruflichen Bildung«. Hier zeigen sich die Universitäten noch sehr zurückhaltend, unterstützt durch Regierungsvertreter einzelner Teilnehmerstaaten. Während der Ministerkonferenz im Mai wurde der vorgelegte Europäische Qualifikationsrahmen für den Hochschulbereich verabschiedet, der eher eine Abschottung zum Bereich Berufliche Bildung bedeutet, als dass er eine echte Durchlässigkeit befördert. Eine Etablierung mehrerer, auf Teilbereiche des Bildungssystems beschränkter Qualifikationsrahmen macht allerdings keinen Sinn. Insbesondere für die Unternehmen bringt ein solches Instrument nur dann einen Mehrwert, wenn es alle Bildungsbereiche umfasst und die berufliche Bildung angemessen einordnet. Deshalb arbeitet die BDA in der entsprechenden Arbeitsgruppe des Bologna-Prozesses mit, um eine echte Durchlässigkeit zu erreichen.
Auf dem Weg zu mehr Durchlässigkeit: Europäischer und Nationaler Qualifikationsrahmen als Wegbereiter Die EU-Kommission hat im Sommer dieses Jahres einen ersten Vorschlag für den Europäischen Qualifikationsrahmen (European Qualification Framework, kurz: EQF) unterbreitet, der das gesamte Bildungssystem umfassen und auf das lebenslange Lernen ausgerichtet sein soll. Dem Kommissionsvorschlag folgend bilden acht neu entwickelte Niveaustufen den Kern des EQF, die auf der Grundlage von Lernergebnissen definiert werden. Zum EQF zählen laut Kommissionsvorschlag darüber hinaus eine Reihe zum Teil noch zu entwickelnder gemeinsamer Grundsätze und Verfahren, durch die die Anwendung des EQF in Europa vergleichbar werden soll. Hierzu zählt unter anderem der Bereich Qualitätssicherung, Validierung informellen und non-formalen Lernens sowie Schlüsselkompetenzen. Operationalisiert und für den einzelnen Bürger zugänglich werden soll der EQF durch ein Instrumentarium, zu dem unter anderem ein Leistungspunktesystem, der neue Europass, die Datenbank PLOTEUS und insbesondere auch Nationale Qualifikationsrahmen zählen. Der EQF will mit seinen auf Lernergebnissen aufgebauten Referenzniveaus ein neues Vergleichskriterium für die in verschiedenen Systemen eingebetteten Qualifikationen bieten. Dieser Vergleich setzt konsequent an den Inhalten an. Mit dem EQF bietet sich daher erstmals die Chance, Bildungs- und Beschäftigungssysteme miteinander zu verknüpfen, den Wechsel zwischen den unterschiedlichen Systemen zu vereinfachen und dadurch einen wirklichen Beitrag zum lebenslangen Lernen zu leisten. Darüber hinaus eröffnet sich die Chance, bestehende Verkrustungen in den nationalen Bildungssystemen aufzubrechen und notwendige Modernisierungen vorzunehmen.
Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung 2005 – Weiterqualifizierung von Lehrkräften und Ausbildern Der Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung wurde 2005 zum sechsten Mal vergeben. Auch in diesem Jahr hat die BDA einen inhaltlichen Schwerpunkt für den Arbeitgeberpreis für Bildung gewählt, der ein in der bildungspolitischen Diskussion noch zu wenig beachtetes Thema in den Mittelpunkt rückt. Ausgezeichnet wurden die besten Konzepte zur Personalentwicklung und Weiterqualifizierung von Lehrkräften und Ausbildern, die die Kompetenzen der Lehrkräfte individuell weiterentwickeln und die Maßnahmen in ein Entwicklungsprogramm der gesamten Einrichtung einbetten. BDA-Ehrenpräsident Dr. Klaus Murmann und der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bahn AG, Dr. h. c. Hartmut Mehdorn, haben im Rahmen des Deutschen Arbeitgebertages am 3. November 2005 in Berlin den mit je 10.000 € dotierten Deutschen Arbeitgeberpreis für Bildung verliehen. Preisträger sind in der Kategorie Schule die Grundschule am Theodor-Heuss-Platz, München in der Kategorie Hochschule die Fachhochschule Bielefeld in der Kategorie Berufsschule die Staatliche Berufsschule Vilshofen in der Kategorie Betrieb die Deutsche Telekom AG, Bonn Alle Preisträger zeichnet aus, dass die Konzepte auf andere Schulen, Hochschulen, Berufsschulen und Betriebe übertragen werden können. Damit besitzen sie Vorbildcharakter und können zur Nachahmung empfohlen werden.
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Bildung/Berufliche Bildung
Zu dem von ihr vorgelegten Vorschlag hat die Kommission einen breit angelegten Konsultationsprozess begonnen. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben diese Gelegenheit ergriffen, um eine gemeinsame Stellungnahme zu erarbeiten, die im Wesentlichen folgende Punkte umfasst: Die Förderung beruflicher Handlungsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit muss Hauptfunktion des EQF sein. Beruflicher Kompetenzerwerb muss auf allen Stufen angemessen berücksichtigt werden, das heißt, alle Stufen des EQF müssen über verschiedene Bildungswege erreicht werden können. Die Architektur des EQF muss stringent und lückenlos sein – das bedeutet eine konsequente Orientierung an Lernergebnissen. Der EQF muss für seine Nutzer handhabbar sein, das heißt, dass die Deskriptoren zur Beschreibung von Kompetenz valide und einfach nachvollziehbar sind. Die Ganzheitlichkeit von Qualifikationen muss gewahrt und deren Fragmentierung darf nicht gefördert werden. Die Einführung des EQF muss durch eine Phase der Erprobung und Evaluation begleitet werden.
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Darüber hinaus soll die Möglichkeit der Entwicklung eines ebenfalls bildungsbereichsübergreifenden Nationalen Qualifikationsrahmens für Deutschland zeitnah eruiert und erprobt werden. Der Erfolg des EQF wird entscheidend von der Entwicklung Nationaler Qualifikationsrahmen abhängen. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben unter dem Dach des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufabildung im Frühling 2005 erste Vorschläge hierzu unterbreitet. Ein offizieller politischer Entwicklungsprozess hat hingegen noch nicht begonnen. Dieser ist nun von der neuen Bundesregierung zu initiieren, wenn wir es in Deutschland mit der Förderung von Durchlässigkeit im Bildungssystem und der Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung ernst meinen.
Europ채ische und internationale Sozialpolitik
Europäische und internationale Sozialpolitik
Europa in der Krise – Politikerneuerung statt Denkpause Das Jahr 2005 war für die Europäische Union ein besonders schwieriges Jahr. Angesichts der durch die Referenden in Frankreich und den Niederlanden offenbar gewordenen schweren Vertrauenskrise bei den Bürgern braucht die EU jetzt eine glaubwürdige Neuausrichtung der Politik. Die BDA hat ihre Vorstellungen für eine zukunftsfähige Europapolitik in die Diskussion gebracht. Zwei Präsidiumsbeschlüsse vom Januar und September 2005 zeigen Wege für eine Neuausrichtung auf: Regulierungsstopp in der Sozialpolitik, weniger Bürokratie, Konzentration auf die Kernaufgaben, Drosselung des Erweiterungstempos, Stabilisierung der Währungsunion und ein realistischer Finanzrahmen sind notwendige Voraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union. Dies ist für die deutsche Wirtschaft von überragender Bedeutung. Weniger und bessere Rechtsetzung ist zentrales Anliegen für eine nachhaltige Europapolitik. Der Vereinfachung und Verbesserung des europäischen Rechtsrahmens kommt eine Schlüsselrolle zu, nicht nur für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, sondern auch für die Wiederherstellung des Vertrauens der Bürger in EU-Institutionen. Deshalb fordert die BDA ein Moratorium für alle sozialpolitischen Rechtsakte, die zusätzliche Verpflichtungen und Belastungen für die Unternehmen implizieren. Ein solches Moratorium verschafft den neuen Mitgliedstaaten auch die erforderliche Zeit, sich im praktischen Leben ihrer Länder auf die vollständige Anwendung des frisch übernommenen EURechts zu konzentrieren sowie leistungsfähige Verwaltungsstrukturen und Gerichtsbarkeiten aufzubauen. Vor diesem Hintergrund ist es ein wichtiges Signal, dass sich die Staats- und Regierungschefs am 15./16. Dezember 2005 auf den Finanzrahmen 2007 – 2013 geeinigt haben, nachdem dies im Juni des Jahres am fundamentalen Streit über Agrarausgaben und britischem Rabatt gescheitert war. Auch wenn der nun erzielte Kompro-
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miss keine grundlegend neuen Weichenstellungen beinhaltet, so ist zumindest der britische Rabatt etwas gekürzt worden und die dadurch freiwerdenden Mittel können den neuen EU-Mitgliedern in Osteuropa zur Verfügung gestellt werden. Mit dieser Einigung hat die Europäische Union gezeigt, dass sie fähig und bereit ist, Anstöße für eine neue europäische Orientierung zu geben und dafür auch Kompromisse einzugehen. Allerdings ist dies nur der erste allernotwendigste Schritt gewesen. Die BDA würdigt die positive Vermittlerrolle von Bundeskanzlerin Merkel, die einmal mehr beweist, wie stark Deutschland unter deutlicher Beachtung auch der legitimen Interessen gerade der kleineren und mittleren Mitgliedstaaten der EU auf sachgerechte und vernünftige Kompromisse in der Europäischen Union hinwirken kann. Auch auf nationaler Ebene kann die Bundesregierung wirkungsvoll dazu beitragen, das Vertrauen in die EU wieder zu stärken, beispielsweise wenn zukünftig europäische Richtlinien 1:1 in nationales Recht umgesetzt werden und so ausgeschlossen wird, dass EU-Recht für weitergehende politische Vorhaben missbraucht wird. Das zur Zeit im Vermittlungsausschuss ruhende Antidiskriminierungsgesetz und das bestehende Teilzeit- und Befristungsgesetz sind Beispiele solchen Missbrauchs. Insgesamt müssen sich Politik und Öffentlichkeit in den Mitgliedstaaten stärker und frühzeitiger mit den konkreten europäischen Themen befassen. Allzu oft wird die öffentliche Diskussion so genannten Europaexperten überlassen und nicht wirklich angemessen ernst genommen. Die Alarmglocken schrillen oft umso lauter, wenn die auf der europäischen Ebene bereits gefallenen Entscheidungen in nationales Recht umgesetzt werden. Nachahmenswertes Gegenbeispiel ist die so genannte Sonnenschutzrichtlinie (vgl. unten). Um genau diese Herausforderung aktiv anzugehen, hat die Hauptgeschäftsführung der BDA im November 2005 Gespräche mit der Regierung und den Arbeitgeber-
verbänden in Österreich zur Vorbereitung der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft geführt, die im Januar 2006 beginnen wird. Mit dieser Initiative eines gezielten Dialoges mit künftigen Ratspräsidentschaften ist es möglich, wichtige politische Anliegen frühzeitig in die Debatte zu bringen, gemeinsame Interessenpunkte zu identifizieren und gemeinsame Ziele zu verfolgen. Mit der finnischen Präsidentschaft, die im Juli 2006 beginnt, wird dieser Dialog ebenfalls geführt werden.
Erweiterung darf EU nicht überfordern
Die nächste Erweiterungsrunde der EU – Stand der Gespräche Dezember 2005 1. Türkei und Kroatien Status: Beitrittsländer 3. Oktober 2005: Beginn der Verhandlungen 2. Mazedonien Status: Bewerberland (Beschluss des Rates vom 15./16. Dezember 2005) 3. Übrige Balkanländer
Die Europäische Kommission hat im November 2005 ihre neue EU-Erweiterungsstrategie vorgestellt. Diese Strategie fußt auf drei Pfeilern: erstens der Bekräftigung der Zusagen der EU in Bezug auf die Erweiterung (dies schließt die Beitrittsperspektive für die Balkanstaaten ein), zweitens der Anwendung strenger Beitrittskriterien und drittens der Verbesserung der Kommunikation. Die Kommission betont stärker als bei vorherigen Erweiterungsrunden, dass jede mögliche Erweiterung strikt die Umsetzung der Kopenhagener Kriterien erfordert und sich auch nach der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union richtet. Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei wurden am 3. Oktober 2005 eröffnet. Der Beitrittsvertrag mit Rumänien und Bulgarien wurde bereits im April 2005 unterzeichnet. Mazedonien erhielt Kandidatenstatus. Den anderen Balkanstaaten – Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro – wurde der Kandidatenstatus in Aussicht gestellt.
Albanien Status: Potenzielles Bewerberland Bosnien/Herzegowina Status: Potenzielles Bewerberland Serbien/Montenegro Status: Potenzielles Bewerberland Kosovo (unter Verwaltung des UN-Sicherheitsrates) Status: Potenzielles Bewerberland
Eine engere Anbindung gerade der Balkanstaaten an die EU kann Frieden stiften und Stabilität sichern und insofern für die Zukunft Europas von großer Bedeutung sein, wirtschaftlich und politisch. Jedoch hat die EU seit 2004 eine Erweiterung um zehn Staaten – von 15 auf 25 – zu verkraften, die sie noch sehr lange Zeit enorm belastet. Ihre Einwohnerzahl wurde um ein Fünftel erhöht, das gemeinsame Sozialprodukt aber nur um ein Zwanzigstel vermehrt.
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Europäische und internationale Sozialpolitik
Diese Erweiterung ist die größte und tiefstgreifende in der Geschichte der EU. Deshalb muss bei allen weiteren Schritten in Richtung eines Beitritts zur EU vorher genau überprüft werden, ob die EU überhaupt erweiterungsfähig ist und die Aufnahme weiterer Länder verkraften kann, ohne selbst Schaden zu nehmen. Es ist deshalb ein Gebot der Vernunft und Voraussetzung für den Selbsterhalt der EU, dass ab sofort – wie im Falle der Türkei ausdrücklich beschlossen – jede neue Beitrittsverhandlung ergebnisoffen geführt wird. Oft können auch andere Möglichkeiten der wirtschaftlichen und politischen Annäherung zielführend sein.
Klare Fokussierung der EU auf Wachstum und Beschäftigung Die Lissabonner Reformagenda ist und bleibt der europäische Motor für notwendige nationale Reformen, die umgesetzt werden müssen, damit die EU der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt werden kann. Auf dieses Ziel beherzt zuzugehen, sichert den Menschen weitgehend Arbeit und Wohlstand, auch unter den Bedingungen eines globalen, harten Wettbewerbs. Der Europäische Rat hat den Lissabon-Prozess bei seiner Frühjahrstagung 2005 neu ausgerichtet und einen neuen Steuerungsmechanismus verabschiedet. Die Politikbereiche Beschäftigung, Makroökonomische Politik und Strukturreformen wurden zusammengefasst und die Berichterstattungsverfahren vereinfacht. Der Rat hat integrierte EU-Leitlinien verabschiedet, die als Orientierungen für die nationalen Reformprogramme dienen. Ihre Realisierung bietet die Chance, die EU endlich wieder auf einen ausreichenden Wachstumspfad zu führen. Die Verantwortung für die erforderlichen Reformanstrengungen liegt bei den Mitgliedstaaten selbst und nicht bei EU-Institutionen. Obwohl es richtige und wichtige Initiativen – gerade auch im Bereich »Better Regulation« – enthält, ist das neue Lissabon-Programm in seiner ganzen Breite leider nicht konsistent. Einer bunten Sammlung von Initiativen
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wird das Label »Lissabon« aufgeklebt, ohne dass inhaltlich eine eindeutige Fokussierung auf Wachstum und Beschäftigung besteht. Teilweise sind sogar eher wachstums- und beschäftigungsschädliche Wirkungen zu befürchten. Dass die Einrichtung des Instituts für Gleichbehandlung – im neuen Lissabon-Programm aufgeführt – Wachstum und Beschäftigung fördert, ist nicht wahrscheinlich. Die Neufassung der Gleichbehandlungsrichtlinien – ebenso neuer Programmteil – lässt zusätzliche Lasten finanzieller und bürokratischer Art für die Unternehmen befürchten, wenn man die heutigen Forderungen des Europäischen Parlaments (EP) hierzu betrachtet. Schließlich sind weitere im Programm aufgenommene Initiativen, wie zum Beispiel die zweite Phase der Konsultation der Sozialpartner zu Umstrukturierungen, sehr kritisch zu sehen, denn damit kann den Sozialpartnern letztlich die Federführung für dieses Thema aus der Hand genommen werden.
Schlechte Werte für Deutschland im internationalen Vergleich 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Deutschland BIP-Wachstum pro Kopf
EU 25 Beschäftigungswachstum
USA Arbeitslosenrate
Angaben für 2004 in % Quelle: EU-Kommission, Generaldirektion Beschäftigung
Europäische und internationale Sozialpolitik
»Better Regulation« – Schritte in die richtige Richtung Neben der Vereinfachung von Gesetzesinitiativen muss auch der Abbau bestehender Überregulierung entschlossen angegangen und die Übererfüllung bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht künftig ausgeschlossen werden. In der Mitteilung der Europäischen Kommission »Bessere Rechtsetzung für Wachstum und Beschäftigung in der EU« vom März 2005 werden die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgefordert, bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht nicht über die Brüsseler Vorgaben hinauszugehen und damit »Übererfüllung« zu betreiben. Diese Position der Kommission entspricht der Kernforderung der BDA nach einer 1:1-Umsetzung europäischer Richtlinien. Die Kommission hat im Oktober 2005 einen ersten Schritt zum Abbau bestehender Überregulierung getan, indem sie eine Liste konkreter Maßnahmen zur Rechtsvereinfachung vorgelegt hat. Bedauerlich ist jedoch, dass die EU-Kommission den Bereich sozialpolitischer Überregulierung in der Substanz völlig ausspart. Die BDA hatte zahlreiche Vorschläge eingebracht, wo dereguliert werden muss: Notwendig ist zum Beispiel die Abschaffung viel zu detaillierter und unnötiger bürokratischer sowie oft wirklichkeitsfremder Bestimmungen der Betriebsübergangsrichtlinie und der Bildschirmgeräterichtlinie. Alle EU-Institutionen müssen nun an einem Strang ziehen, um die bestehende Gesetzgebung deutlich zu entschlacken. Es wäre inakzeptabel, wenn die zur Entbürokratisierung und Vereinfachung vorgeschlagenen Neufassungen von Richtlinien dazu missbraucht würden, den Unternehmen neue und verschärfte Verpflichtungen aufzuerlegen. Für die Zukunft muss erreicht werden, dass zusätzliche Bürokratie bereits im Vorfeld eines Gesetzgebungsvorschlags vermieden wird. Dem dienen die überarbeiteten Leitlinien zur Gesetzesfolgenabschätzung.
Sozialpolitische Agenda der Kommission – immer noch falscher regulativer Ansatz Die Sozialpolitische Agenda vom 9. Februar 2005 steht unter dem Motto »Ein soziales Europa in der globalen Wirtschaft: Arbeitsplätze und neue Chancen für alle«. Sie legt die sozialpolitischen Prioritäten der Europäischen Union für den Zeitraum bis 2010 aber so fest, dass sie keinen Beitrag zu diesem selbst gesetzten Ziel leisten, sondern eher Gegenteiliges bewirken. BDA und UNICE kritisieren sowohl den falschen regulativen Ansatz als auch die Tendenz der Kommission, die Autonomie der Sozialpartner im Rahmen des Sozialen Dialogs zu unterlaufen. So sollen die Richtlinien »Betriebsübergang« und »Massenentlassungen« sowie die Richtlinie zur »Information und Konsultation der Arbeitnehmer« verschärft werden. Außerdem wird eine neue Initiative zum Arbeitnehmerdatenschutz angekündigt. Alle diese Vorhaben würden für die Unternehmen erneute Belastungen, ein Mehr an Bürokratie und Kosten bedeuten und sich dadurch negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken. Darüber hinaus will die Kommission unter dem Stichwort »Sozialer Dialog« einen »Rahmen für transnationale Kollektivverhandlungen« erstellen – ein Vorhaben, zu dem weder ein Anlass besteht, noch die Kommission eine Befugnis hat. Die BDA hat als Antwort auf diese in wesentlichen Punkten inakzeptable und für Wachstum und Beschäftigung kontraproduktive Sozialagenda der Kommission das BDA-Konzept »Für eine nachhaltige und beschäftigungsfreundliche Sozialpolitik in der EU« vorgelegt. Die Kommission muss in ihrem sozialpolitischen Handeln die Mitgliedstaaten bei ihren nationalen Reformbemühungen unterstützen und darf diese nicht zusätzlich erschweren.
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Europäische und internationale Sozialpolitik
Optische Strahlungen – Regulierungsirrsinn zur Sonnenstrahlung gestoppt
Revision der Arbeitszeitrichtlinie – Arbeitszeitflexibilität ausbauen und nicht einschränken
Der Richtlinienvorschlag zur optischen Strahlung und die damit verbundene Debatte zum Schutz der Arbeitnehmer vor der Sonne zeigten geradezu groteske Züge. Das war Regulierungsirrsinn in Reinkultur. Es sollte der Schutz von im Freien arbeitenden Arbeitnehmern vor der Sonne geregelt werden. Danach hätte ein kleiner Bauunternehmer morgens früh UV-Strahlungsindizes abfragen und eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen müssen. Unter Umständen wäre er für die Gestellung einer »persönlichen Schutzausrüstung« wie T-Shirts oder Sonnenkappen verantwortlich gewesen. Zudem wäre er verpflichtet gewesen, beispielsweise für Hellhäutige eine besondere, individuelle Gesundheitsakte zu führen, mit der offenen Frage, wie »hellhäutig« definiert wird.
Im Anschluss an die äußerst problematische Rechtsprechung des EuGH in den Fällen »Simap« und »Jäger«, dass Bereitschaftsdienst vollständig als Arbeitszeit zu bewerten ist, hat die Europäische Kommission einen vernünftigen Vorschlag zur Revision der Arbeitszeitrichtlinie vorgelegt. Durch die Revision besteht die Chance, die Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH in den Fällen »Simap« und »Jäger« rückgängig zu machen und mehr Arbeitszeitflexibilität zu erzielen.
Die BDA hat diese Vorschriften von Beginn an aufs Schärfste abgelehnt. Eine Regulierung in diesem Bereich ist nicht nur überflüssig, sondern wäre auch im Lichte der wirtschaftlichen Herausforderungen, die gerade KMU zu meistern haben, geradezu schädlich gewesen. Die BDA hatte gefordert, jedwede Regelung zum Schutz vor Sonnenlicht zu streichen. Die Tatsache, dass am Ende einer langen Debatte nun doch die Vernunft gesiegt hat und Europäisches Parlament, Rat und Kommission sich im Vermittlungsausschuss auf die Herausnahme der natürlichen optischen Strahlung aus dem Geltungsbereich der Richtlinie verständigt haben, ist einer exzellenten Kooperation engagierter EP-Abgeordneter zu verdanken, wobei dem Anliegen die von der BDA initiierte breite Aufnahme der Thematik in den Medien besonderen Rückenwind gab.
Nachdem der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission durch das Europäische Parlament zum Teil verschärft worden war, erzielte der Ministerrat auf Arbeitsebene Konsens in wichtigen Punkten, wie zum Beispiel darüber, dass die inaktive Zeit während des Bereitschaftsdienstes keine Arbeitszeit ist und diese Zeit durch nationales Gesetz oder Tarifvertrag beziehungsweise Sozialpartnervereinbarung auf die Ruhezeit angerechnet werden kann. Außerdem soll der Standardbezugszeitraum zur Berechnung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von vier Monaten bestehen bleiben. Schließlich scheiterte jedoch die Verabschiedung des gemeinsamen Standpunktes, nachdem die Mehrheit der Delegation den britischen Vorschlag ablehnte. Die BDA wird sich wie bisher weiterhin dafür einsetzen, dass baldmöglichst im Ministerrat eine politische Einigung für eine vernünftige Revision der Arbeitszeitrichtlinie zustande kommt. Notwendig ist insgesamt eine Ausweitung statt eine Einschränkung von Flexibilitätsspielräumen bei der Arbeitszeit.
Gleichbehandlung – Vereinfachungen statt Verschärfung Die europäische Gesetzgebung zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ist ein weiteres Beispiel, wie die europäische Politik Regulierung verschärft, anstatt sie zu vereinfachen.
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Europäische und internationale Sozialpolitik
Ursprünglich sollten, was eine sinnvolle Vereinfachung wäre, die unterschiedlichen vorhandenen Richtlinien zusammengefasst werden, um zu mehr Transparenz und Übersichtlichkeit zu kommen. Das Europäische Parlament hat allerdings in erster Lesung substanzielle inhaltliche Verschärfungen im Gleichbehandlungsrecht, die weit über den ursprünglichen Richtlinienvorschlag der Kommission hinausgehen, beschlossen. Die EU-Kommission hat dieser bedenklichen Tendenz nicht in ausreichendem Maße gegengesteuert und verschärfende Änderungsanträge des Europäischen Parlaments in den geänderten Richtlinienvorschlag übernommen. So sollen zum Beispiel die Mitgliedstaaten tarifvertragliche Vereinbarungen im Hinblick auf die Einhaltung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen überwachen. War in der Vorgängerrichtlinie geregelt, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Förderung des sozialen Dialogs treffen, »unter anderem durch Überwachung der betrieblichen Praxis, durch Tarifverträge, Verhaltenskodizes ...«, so bezieht sich diese Überwachung nun ausdrücklich auf den Bereich der Tarifverträge. Dass der Ministerrat diese problematische Regelung in seine politische Einigung vom 8./9. Dezember 2005 aufgenommen hat, ist höchst bedenklich, denn es ist zu befürchten, dass hierdurch auf die Tarifautonomie in inakzeptabler Weise eingewirkt wird.
Kommission zu entschärfen (vgl. im Einzelnen Kapitel Soziale Sicherung – »Betriebliche Altersvorsorge: Rahmenbedingungen weiter verbessern«). Jedoch das grundsätzliche Problem bleibt: Die betriebliche Altersvorsorge ist in Deutschland eine freiwillige Leistung der Unternehmen, mit einer Verbreitung von nahezu 60 % unter allen Beschäftigten. Wenn in diesem sensiblen Bereich durch EU-Vorschriften erhebliche Planungsrisiken geschaffen werden, ist zu befürchten, dass sich die Unternehmen aus diesem System sukzessive verabschieden. Deshalb muss sich die EU generell jedweden rechtlichen Eingriffs in freiwillige Leistungsversprechen enthalten.
Dienstleistungsrichtlinie – Potenzial voll ausschöpfen Der gemeinsame Binnenmarkt gehört neben der Friedenssicherung zu den zentralen Erfolgsfaktoren der europäischen Integration. Der Binnenmarkt hat gleichwohl noch eine bedeutende Lücke, den Dienstleistungsbereich. Zehn Jahre nach Abschluss des ersten Binnenmarktprogramms ist sein Potenzial noch immer nicht voll ausgeschöpft.
Dienstleistungsfreiheit bringt Beschäftigung
Portabilität betrieblicher Altersversorgung – Schlag gegen freiwilliges Engagement
0,6 0,5 0,4
Die Europäische Kommission hat im Oktober 2005 einen Richtlinienvorschlag zur Portabilität betrieblicher Altersvorsorge vorgelegt. Mit diesem Richtlinienvorschlag würde das richtige und notwendige Ziel der Förderung der Arbeitnehmermobilität auch auf freiwillige Vorsorgesysteme übertragen, und darin liegt die Schwierigkeit. Es ist zwar nicht zuletzt auf Betreiben der BDA gelungen, die mit Abstand problematischsten Regulierungen noch vor der Beschlussfassung durch die
0,3 0,2 0 Beschäftigungszuwachs insgesamt Deutschland
Beschäftigungszuwachs Dienstleistungssektor
EU 25
Quelle: Copenhagen Economics, Economics Assessment of the Barriers to the Internal Market for Services, January 2005, Angaben in %
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Europäische und internationale Sozialpolitik
Gerade der deutschen Wirtschaft würde der Binnenmarkt für Dienstleistungen große Chancen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bieten. Insbesondere der Export von Dienstleistungen könnte einen enormen Schub erhalten. Bisher beträgt der Anteil der Dienstleistungswirtschaft an den Exporten lediglich 14 % – bei einem Gewicht von 70 % an der Wirtschaftsleistung. Deshalb ist der Richtlinienvorschlag über Dienstleistungen im Binnenmarkt, der zurzeit im Europäischen Parlament diskutiert wird und der die grenzüberschreitende Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit erleichtern will, besonders wichtig. Um dieses komplexe Thema für 25 Mitgliedstaaten befriedigend zu lösen, ist ein breiter, horizontaler Ansatz notwendig, und damit macht das Herkunftslandprinzip als Kernansatz in diesem Gesetzgebungsprozess Sinn. Das in der öffentlichen Diskussion immer wieder vorgebrachte Argument, die Dienstleistungsrichtlinie fördere Sozialdumping, ist eine verzerrte Darstellung. Denn genau um dies zu verhindern, sind zahlreiche Regelungen vorgesehen, die dazu führen, dass auch weiterhin zum Beispiel die Gesundheitsschutzregelungen, die Arbeitszeitregelungen, die Hygieneregelungen und andere Sozialstandards desjenigen Landes anzuwenden sind, in dem die Dienstleistung erbracht wird. Der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments hat mit seiner Stellungnahme zur Dienstleistungsrichtlinie vom November 2005 die Debatte etwas nach vorne gebracht. Er bringt mit seinem Beschluss zum Ausdruck, dass das Land, in dem die Dienstleistung erbracht wird, weiterhin selbst die Regelungen zum Beispiel in Bezug auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, Volksgesundheit und Umwelt bestimmt, zur Anwendung bringt und kontrolliert. Gleichzeitig legt er fest, dass Zugang und Ausübung einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung den Regelungen des Herkunftslandes unterliegen.
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Beim Bereich Entsendung von Arbeitnehmern hatte die BDA schon im ganz frühen Stadium der Diskussion darauf gepocht, dass die notwendigen Kontrollregelungen nicht ausgehebelt werden. Der Binnenmarktausschuss hat nun die vom Beschäftigungsausschuss beschlossene Streichung der entgegenstehenden Regelungen (Art. 24, 25) übernommen. Durch die neu aufgenommene Regelung, dass die generelle Kontrolle bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung nun dem Land obliegt, in dem die Dienstleistung erbracht wird, wird Befürchtungen einer fehlenden Missbrauchskontrolle angemessen Rechnung getragen. Bedauerlich ist jedoch die vollständige Herausnahme der medizinischen Versorgung aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie. Das Plenum des Europäischen Parlaments ist nun aufgefordert, den sachlich ausgewogenen Beschlüssen von Beschäftigungs- und Binnenmarktausschuss zu folgen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Vollendung des Binnenmarktes zu leisten. So würde Europa mit einem wichtigen neuen Baustein im Sinne der LissabonStrategie seine Chancen für Wachstum und Beschäftigung wahren.
Wirtschaftsmigration – europäische Rahmenregelung bringt keinen Mehrwert Das von der EU-Kommission im Januar 2005 vorgelegte Grünbuch soll eine Debatte anregen, ob nicht ein gemeinsamer europäischer Rahmen zur Wirtschaftsmigration sinnvoll wäre. Das Thema »Zuwanderung von Drittstaatenangehörigen« ist höchst sensibel. Das belegen die Erfahrungen, die Deutschland im jahrelangen politischen Ringen um ein modernes Zuwanderungsrecht gemacht hat, bis es schließlich gelang, eine Politik der gesteuerten Zuwanderung zu erreichen, die sich nach den Bedürfnissen der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes richtet und nicht auf eine Belastung der Sozialsysteme hinausläuft.
Europäische und internationale Sozialpolitik
Vor diesem Hintergrund und angesichts der unterschiedlichen Migrationsbedürfnisse und Migrationsprobleme der einzelnen Mitgliedstaaten ist eine europäische Harmonisierung der verschiedenen Zulassungssysteme der Mitgliedstaaten zu den jeweiligen nationalen Arbeitsmärkten derzeit weder sinnvoll noch praktikabel. BDA, BDI, DIHK und ZDH haben dies in ihrem gemeinsamen Positionspapier gegenüber der EU-Kommission verdeutlicht.
Demografischer Wandel – Rolle der EU auf Erfahrungsaustausch konzentrieren Die Bevölkerungsalterung stellt sicherlich eine der größten Herausforderungen dar, denen sich die Mitgliedstaaten gegenübersehen. Die erforderlichen konkreten gesellschafts-, wirtschafts- sowie sozialpolitischen Anpassungsmaßnahmen sind allerdings nicht auf europäischer Ebene, sondern ausschließlich in den Mitgliedstaaten selbst zu entwickeln und zu entscheiden. In ihrem Grünbuch zum Demografischen Wandel vom 16. März 2005 hat die EU-Kommission die wichtigsten demografischen Herausforderungen für die Mitgliedstaaten aufgezeigt und zentrale Fragen zu ganz unterschiedlichen Themenkomplexen formuliert, wie demografischem Wandel der Bevölkerung, Zuwanderung, niedriger Geburtenrate, Solidarität zwischen den Generationen, Integration von Jugendlichen, Rolle der Sozialdienste, Langzeitpflege und Pflegemöglichkeiten vor Ort sowie der Rolle der Europäischen Union bei der Lösung der aufgeworfenen Probleme. Die Kommission sollte zu diesem wichtigen Thema die Rolle des Moderators übernehmen und einen umfassenden Erfahrungsaustausch und ein Benchmarking der Systeme initiieren, damit die in den Mitgliedstaaten gewonnenen Erkenntnisse und ergriffenen Maßnahmen unter besonderer Berücksichtigung der Ziele der europäischen Wachstums- und Beschäftigungsstrategie gefördert und verbreitet werden.
EuGH – bedenkliche Rechtsprechung Beim Thema »Herausforderungen durch den demografischen Wandel« spielt die Frage zunehmender Beschäftigung älterer Arbeitnehmer eine herausragende Rolle. Nationale Maßnahmen zur Steigerung des Anteils älterer Arbeitnehmer unterliegen aber auch europäischer Gesetzgebung und Rechtsprechung. Wie stark die Wirkungen durch Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf unsere nationale Rechtsordnung und besonders auf die deutsche Wirtschaft sind, veranschaulicht der Fall »Mangold« (C-144/04) zur Altersbefristung drastisch. Der EuGH hat die deutsche Regelung zur erleichterten befristeten Beschäftigung älterer Arbeitnehmer für europarechtswidrig erklärt. Der Ausgang dieses Verfahrens ist symptomatisch für eine generelle, sehr bedenkliche Entwicklung: Mit zunehmendem Einfluss europäischer Gesetzgebung auch auf das nationale Arbeitsrecht wächst in Deutschland die Tendenz, in Rechtsstreitigkeiten den EuGH anzurufen. Nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) können alle Gerichte den EuGH um Vorabentscheidung über die Auslegung des EGV oder von Gemeinschaftsrechtsakten, insbesondere von Richtlinien, ersuchen, soweit das Gericht eine derartige Frage für entscheidungserheblich hält. Die Möglichkeit, dem EuGH Rechtsfragen vorzulegen, wird von einzelnen Richtern an den Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten häufig wahrgenommen, obwohl die aufgeworfenen Rechtsfragen für den Ausgangsrechtsstreit nicht entscheidungserheblich sind und eine Vorlage eigentlich unzulässig ist. Die Vorlage verfolgt den Zweck, die eigene, vom Bundesarbeitsgericht abweichende Rechtsauffassung zur Geltung zu bringen. Viele Anwälte machen sich dies zunutze, um mit Hilfe des EuGH eine Entscheidung über arbeitsmarktpolitisch umstrittene Themen herbeizuführen (vgl. beispielsweise die Rechtssache »Mangold« zur Altersbefristung, C-144/04, oder etwa »Draehmpaehl« zum Diskriminierungsverbot gemäß § 611a BGB, C-180/95, offensichtlich unter den Parteien abgesprochene Musterverfahren).
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Da der EuGH in der Rechtssache »Mangold« (C-144/04) dazu übergegangen ist, nationalen Gerichten die Anwendung nationalen Rechts zu untersagen, wird auf diese Weise das Gesetzgebungsmonopol nationaler Parlamente ausgehebelt. Der EuGH dehnt seine Zuständigkeit über Gebühr und vor allem ohne Rechtsgrundlage aus. Dabei bezieht er sich auf allgemeine Rechtsgrundsätze, die weder im EGV noch in Verordnungen oder Richtlinien angelegt sind. Eine adäquate Umsetzung des europäischen Rechtsrahmens in nationales Recht wird unnötig erschwert. Hinzu kommt, dass die ehemalige Bundesregierung in zwei EuGH-Verfahren (»Junk«, C-188/03, »Mangold«, C-144/04) versäumt hat, schriftlich Stellung zu nehmen und so deutsche Regelungen hinreichend zu verteidigen. Das Ergebnis waren arbeitsmarktpolitisch verfehlte Entscheidungen des EuGH. Solche Versäumnisse dürfen sich in Zukunft nicht wiederholen. Die BDA fordert, die Regelung im EGV zur Vorlageberechtigung zu überdenken. Sinnvoll wäre, die in Art. 234 EGV vorgesehene Vorlagemöglichkeit und -pflicht so zu beschränken, dass einzelne Richter nicht zum Zwecke persönlicher Selbstbestätigung und dann auch aufgrund fingierter Prozesse die Möglichkeit erhalten, die im Grundgesetz austarierte Gewaltenteilung unter Mithilfe des EuGH aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Sozialer Dialog – seine Weiterentwicklung setzt uneingeschränkte Autonomie voraus Der Europäische Soziale Dialog hat sich seit seiner Einsetzung im Jahre 1995 in bemerkenswerter Weise weiterentwickelt. Die europäischen Sozialpartner sind heute als aktive, Verantwortung tragende Akteure Teil der europäischen Governance. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Europäischen Sozialen Dialoges veranstaltete die Kommission am 29. September 2005 ein »Gipfeltreffen des Sozialen Dialoges«. Anlässlich dieser
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Veranstaltung wurde die fortentwickelte Rolle der Sozialpartner als aktive Stakeholder auf dem europäischen Aktionsfeld von der Kommission anerkannt und begrüßt. Der Versuch der Kommission, den Sozialen Dialog in jüngster Zeit zu Lasten der Autonomie der Sozialpartner neu zu interpretieren und zu einem von der Kommission zu zensierenden Instrument zu machen, steht allerdings im krassen Gegensatz dazu. So schreckte die Kommission 2005 nicht davor zurück, trotz warnender Interventionen von BDA und UNICE die zweite Konsultationsphase zu den Themen »Unternehmensumstrukturierungen« und »Revision der Europäischen Betriebsratsrichtlinie« einzuleiten und damit den Versuch zu unternehmen, den Sozialpartnern hier die Federführung aus der Hand zu nehmen. Vor diesem Hintergrund nutzte die BDA die Gelegenheit beim Gipfeltreffen des Sozialen Dialoges, den anwesenden Kommissionspräsidenten persönlich aufzufordern, die Autonomie der europäischen Sozialpartner uneingeschränkt zu respektieren. Nur ein wirklich autonomer Sozialer Dialog hat für BDA und UNICE eine Zukunftsperspektive und kann die Basis für die derzeit in Vorbereitung befindliche Fortschreibung des Ende 2005 auslaufenden gemeinsamen Arbeitsprogramms bilden. Gegenwärtig behandeln die europäischen Sozialpartner als letzte noch unerledigte Themen ihres gemeinsamen Aktionsprogramms 2003–2005 »Ältere Arbeitnehmer«, »Schattenwirtschaft« und »Belästigung am Arbeitsplatz«. Zu den beiden ersten Themen hatten die Sozialpartner Seminare abgehalten, um zu sondieren, welche gemeinsamen Aktionen möglich sind. In beiden Fällen wurde entschieden, diese Themen vertiefend erst im Rahmen des nächsten gemeinsamen Aktionsprogramms weiterzubehandeln. Zu »Belästigung am Arbeitsplatz« hat die Kommission im Januar 2005 mit der Einleitung der ersten Konsultationsphase ihre Absicht unterstrichen, hier rechtsetzend tätig zu werden. Vor dem Hintergrund eines hierzu im Mai 2005 durchgeführten sondierenden Seminars beschloss UNICE dann im November 2005, dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) Verhandlungen über ein freiwilliges, rechtlich nicht binden-
Europäische und internationale Sozialpolitik
des Abkommen zur Verhinderung und Bekämpfung von Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz anzubieten. Abhängig von der Antwort des EGB könnte es dann 2006 zu diesen Verhandlungen kommen.
CSR – Freiwilligkeit wahren und Vielfalt sichtbar machen Das 2004 ins Leben gerufene Internetportal »CSR Germany – Unternehmen tragen gesellschaftliche Verantwortung« ist im Laufe des Jahres 2005 weiterentwickelt worden. Unter www.csrgermany.de wird das umfangreiche und vielfältige Engagement der Unternehmen dargestellt. Das Portal trägt auch dazu bei, ein Netzwerk der CSR-Akteure zu schaffen und den Erfahrungsaustausch zu fördern. Die Datenbank mit Good-PracticeBeispielen wächst kontinuierlich und bietet besonders mittelständischen Unternehmen Anregungen für ihre eigenen CSR-Aktivitäten. Die BDA flankiert das Engagement der Unternehmen durch die politische Interessenvertretung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Bei dieser Interessenvertretung gilt das Leitprinzip: Unternehmen sind die Gestalter von CSR. Je nach Branche, Größe und geografischem Umfeld sind sie es, die die für ihre speziellen Bedürfnisse geeigneten CSR-Strategien freiwillig entwickeln und dafür stehen, dass die von ihnen gesetzten Grundsätze zur Nachhaltigkeit im Umwelt- und Sozialbereich an ihren Standorten in der Welt eingehalten werden. Auf europäischer Ebene setzt sich die BDA gemeinsam mit UNICE dafür ein, dass CSR seinen freiwilligen und vielfältigen Charakter behält und nicht regulierenden oder standardisierenden Eingriffen etwa durch einen europäischen Referenzrahmen ausgesetzt wird, wie es noch Anfang des Jahres beabsichtigt war. Ein solcher Ansatz widerspräche den Ergebnissen des europäischen Multistakeholderforums zu CSR (EMSF), welches die Kommission selbst eingerichtet und finanziert hat.
In einem Schreiben an die beiden zuständigen Kommissare Verheugen und Spidla hat die BDA diesen Widerspruch deutlich artikuliert. Schließlich haben sich zwei Jahre lang Experten aller Stakeholdergruppen mit genau dieser Fragestellung beschäftigt und dann in ihrem Abschlussbericht im Juni 2004 die klare Aussage getroffen, dass ein europäischer Referenzrahmen weder notwendig noch sachlich begründet ist. Dort heißt es wörtlich: »Our baseline of understanding is: convergence of CSR practices and tools is occurring on a market-led basis through voluntary bottom-up and multi-stakeholder approaches, and other drivers, and that this can achieve quality and a good balance between comparability, consistency and flexibility.« Inzwischen wurde durch die Überzeugungsarbeit der Wirtschaft erreicht, dass die Federführung für das Thema von der Generaldirektion Beschäftigung in die Generaldirektion Unternehmen übergeben wurde. Als sicher gilt inzwischen auch, dass die Kommission sich von der Idee eines europäischen Referenzrahmens für CSR verabschiedet hat. Nicht nur auf europäischer, sondern auch auf globaler Ebene ist CSR ein wichtiges Thema. Dies zeigt die Agenda der internationalen Organisationen. Die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen hat gemäß der Beauftragung durch die Menschenrechtskommission im April 2005 ihren Bericht vorgelegt, der bestehende CSR-Menschenrechtsinstrumente, Initiativen und Standards in Bezug auf ihren Rechtsstatus und ihren Gültigkeitsbereich für multinationale Unternehmen analysiert. Ausgangspunkt für diesen Bericht waren die im August 2003 vorgelegten so genannten »Draft Norms« einer Arbeitsgruppe der »SubCommission« der Menschenrechtskommission. Dieser Ansatz der so genannten »Draft Norms«, nach dem die originär staatliche Verantwortung von Menschenrechten verbindlich auf Unternehmen übertragen werden sollte, wurde von der Menschenrechtskommission 2004 zu Recht zurückgewiesen.
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Der Bericht der Hochkommissarin hat allerdings wesentliche Punkte der Debatte von 2004 ignoriert. In einem »Brandbrief« wandte sich die BDA an den zuständigen Staatssekretär im Auswärtigen Amt und kritisierte vor allem, dass die »Draft Norms«, obwohl im letzten Jahr von der Menschenrechtskommission mit guten Gründen ausdrücklich zurückgewiesen, nunmehr wieder als geeignete Grundlage für künftige Debatten gesehen werden sollten. Außerdem hat der Bericht die Konsultationen, die mit den Stakeholdergruppen geführt wurden, geradezu auf den Kopf gestellt. Die einzig repräsentativen Wirtschaftsverbände, International Organisation of Employers (IOE) und International Chamber of Commerce (ICC), wurden nur am Rande erwähnt. Hingegen wurde auf eine kleine Initiative, »Business Leaders’ Initiative for Human Rights (BLIHR)«, der nur zehn Einzelunternehmen angehören, immer wieder Bezug genommen, weil die BLIHR die »Draft Norms« als wegweisendes Instrument betrachtet. Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass dennoch ein positives Ergebnis der diesjährigen Sitzung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen erzielt wurde. Es wurde entschieden, einen Sonderbeauftragten zum Thema »Menschenrechte und multinationale Unternehmen« für die Dauer von zunächst zwei Jahren einzusetzen. Der Harvard-Professor John Ruggie wurde im Juli 2005 für diese Aufgabe ernannt und ist zurzeit dabei, einen Dialog mit der Wirtschaft aufzubauen und Beispiele guter Praxis vorzustellen. Diese Vorgehensweise wird von der Wirtschaft ausdrücklich begrüßt. Im Rahmen des Dialoges mit John Ruggie wird die BDA weiterhin gemeinsam mit der IOE darauf hinwirken, dass multinationale Unternehmen nicht Adressaten individualrechtlicher Verantwortung für die Durchsetzung von Menschenrechten werden. Dies ist nach dem Völkerrecht eine originäre Aufgabe der Staaten und Regierungen und muss es auch bleiben.
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In der Internationalen Standardisierungsorganisation (ISO) wurde die grundsätzliche Entscheidung für die Entwicklung einer ISO-Norm zu CSR getroffen. Die BDA vertrat zwar die Auffassung, dass eine solche Norm keinen Mehrwert hat, konnte aber für diese Position auf internationaler Ebene keine Mehrheit erreichen. Nun geht es darum, die Inhalte der ISO-Norm im Interesse der Unternehmen mitzugestalten und neue Zertifizierungszwänge zu verhindern. In einem Gespräch zwischen der Hauptgeschäftsführung der BDA und dem stellvertretenden Generalsekretär der ISO wurde versichert, dass auch die ISO keinesfalls das Ziel verfolgt, eine zertifizierbare Norm zu schaffen. Vielmehr wird in Richtung eines »guidance document« gearbeitet, welches Unternehmen als Leitfaden dienen soll. Es ist zu begrüßen, dass in einer Resolution des zuständigen Vorstandsgremiums der ISO erklärt wird: »The working group shall not develop a management system standard.« Die beharrliche Argumentation der BDA zeigt Wirkung, obwohl die gegenläufigen Kräfte nicht unterschätzt werden dürfen. Sie wittern ein Milliardengeschäft mit Akkreditierungen und Zertifizierungen, die sie sich von den Unternehmen teuer bezahlen lassen wollen.
ILO – Normenumsetzung wichtiger als neue Normensetzung Die ILO (International Labour Organization – Internationale Arbeitsorganisation) ist inzwischen das wichtigste Diskussionsgremium zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern in Bezug auf die Auseinandersetzung über die soziale Dimension der Globalisierung. Sie ist als einzige der UN-Organisationen dreigliedrig organisiert, so dass Arbeitgeber und Gewerkschaften jeweils ein Viertel der Stimmen im Verwaltungsrat und bei der Internationalen Arbeitskonferenz haben. Somit ist für die Arbeitgeber hier eine direkte Einflussnahme und Mitgestaltung möglich.
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Die BDA tritt dafür ein, dass die Aktivitäten der ILO sich mehr darauf konzentrieren, Rahmenbedingungen zu schaffen, um bestehende Normen in allen Mitgliedsländern umzusetzen, anstatt immer neue Normen zu schaffen, die von immer weniger Ländern ratifiziert werden. Dazu gehört auch, dass bestehende Arbeitsnormen, dort wo es sinnvoll und möglich ist, konzentriert, modernisiert und zusammengefasst werden. Dieses Konzept, der so genannte »integrated approach«, wird inzwischen auch von immer mehr Regierungen und innerhalb der ILO selbst als zukunftsweisend erkannt. So konnten die Arbeitgeber während der Internationalen Arbeitskonferenz 2005 durch ihr Abstimmungsverhalten das Zustandekommen eines neuen umfassenden Übereinkommens zu Fall bringen, erstmals seit 40 Jahren. Es handelte sich um das Übereinkommen zur Arbeit im Fischereisektor, welches viel zu umfangreich und detailliert verfasst war und dem »integrated approach« in keiner Weise entsprach, sondern einen Schritt zurück zur alten Normensetzungspolitik der ILO bedeutet hätte. Zudem waren viele der vorgeschlagenen Standards nur für westeuropäische Maßstäbe realisierbar und hätten von vornherein die Entwicklungsländer ausgeschlossen. Damit haben die Arbeitgeber in der ILO ein deutliches Zeichen gesetzt. Ein eventuelles neues Übereinkommen für den Fischereisektor muss so klar und praxisorientiert ausformuliert sein, dass es von der Mehrzahl der Staaten auch ratifiziert werden kann. Die ILO hat sich aktuell als übergeordnetes Thema die soziale Dimension der Globalisierung auf die Fahnen geschrieben. Der Bericht der Weltkommission von 2004 zur sozialen Dimension der Globalisierung ist die Grundlage für Folgemaßnahmen der ILO. Besonders zwei Forderungen gilt es nun mit Leben zu füllen:
1. Die Verbesserung der Beschäftigungslage in den Entwicklungsländern ist die Voraussetzung für die soziale Dimension der Globalisierung. Sie muss zuallererst auf nationaler Ebene beginnen. 2. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen UNInstitutionen sowie IWF und Weltbank muss besser und widerspruchsfrei organisiert werden. Die BDA unterstützt beide Forderungen und setzt sich dafür ein, dass sie in dem »Follow-up«-Prozess des Berichtes umgesetzt werden. Die BDA bietet auch Unterstützung für international tätige Unternehmen an, die in ihren CSR-Verhaltenskodizes zur sozialen Verantwortung zunehmend auf die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Bezug nehmen. Bezüglich der konkreten Umsetzung der in diesen Normen enthaltenen Grundsätze (vor allem in den Entwicklungsländern) erwarten sie Rat und Unterstützung von der ILO, wofür die BDA vermittelnd tätig ist. Damit erhält die ILO eine neue Bedeutung für die Arbeitgeberverbände. Die BDA gestaltet diese neue Rolle aktiv durch ihre Arbeit im Verwaltungsrat der ILO und bei der Internationalen Arbeitskonferenz mit.
BDA – Gastgeber für internationale Besucher Auch im zweiten Halbjahr 2005 besuchten jede Woche ein bis zwei Delegationen aus West- und Osteuropa, Amerika und Asien die BDA. Vertreter internationaler Organisationen, von Botschaften, Arbeitgeberverbänden, Unternehmen, Gewerkschaften und Universitäten informierten sich über die Arbeit der BDA. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Themen »Tarifrunde 2005«, »Agenda 2010«, »Reformen auf dem Arbeitsmarkt«, »Europäischer Verfassungsvertrag«, »Erweiterung der Europäischen Union«, »Corporate Social Responsibility (CSR)« und »Bildungspolitik«.
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Soziale Marktwirtschaft braucht Freiheit Im Jahr 2005 wurden deutsche Unternehmen zum Teil polemischer Kritik ausgesetzt. Der im Zuge der nordrhein-westfälischen Landtagswahlen von Seiten der SPD erhobene Vorwurf, internationale Finanzinvestoren würden wie Heuschrecken über die deutsche Gesellschaft herfallen, hat eine ideologisch geprägte Debatte über das Verhältnis von Markt und Moral und die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ausgelöst. Die betriebswirtschaftliche Entscheidungsfreiheit großer und auch mittelständischer Unternehmen wurde einem kaum nachzuvollziehenden Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Der Aufbau internationaler Produktionsstandorte wurde zum Teil als unpatriotisch beschimpft, der Abbau von Arbeitsplätzen als unmoralisch bezeichnet, selbst das Erzielen von Unternehmensgewinnen geriet in Verruf. Die BDA hat 2005 auf dem Feld der Gesellschaftspolitik frühzeitig die Initiative ergriffen, um dieser einseitigen Polemik entgegenzutreten, die Debatte konstruktiv zu beeinflussen und den berechtigten Anliegen und Interessen der deutschen Wirtschaft Gehör zu verschaffen. Dabei geht es um eine langfristig angelegte Trendwende in der öffentlichen Debatte über die gesellschaftliche und ethische Verantwortung der Wirtschaft. Ziel ist, dass in Deutschland wieder ernsthaft und aufrichtig über das unserer Gesellschaftsordnung zugrunde liegende Verständnis von Freiheit und unser gemeinsames Wertegerüst diskutiert wird. Die gesellschaftspolitische Diskussion darf nicht zu einer einseitigen Unternehmerschelte verkommen, sondern muss gesamtgesellschaftliche und ökonomische Interessen als gleichberechtigte Teile unseres Wertesystems verstehen. Eigenverantwortliches Handeln und unternehmerische Freiheit sind Teil dieser Werteordnung – der Sozialen Marktwirtschaft. Um die Diskussion über die Grundwerte unserer Gesellschaftsordnung zu intensivieren und ihr mehr Öffentlichkeit zu verleihen, hat die BDA bereits im Jahr 2004 die Veranstaltungsreihe »Arbeitgeberforum Wirtschaft
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und Gesellschaft« ins Leben gerufen. Insbesondere der viel beachtete Auftritt von Bundespräsident Horst Köhler auf dem II. Arbeitgeberforum im März 2005 hat für neuen Schwung in der Debatte über die Richtung unserer Gesellschaft gesorgt. Gleichzeitig setzt sich die BDA durch den engen und konstruktiven Kontakt zu gesellschaftlich einflussreichen Gruppen wie den Kirchen, Parteien oder auch den Gewerkschaften dafür ein, dass die gesellschaftspolitischen Anliegen der Wirtschaft nicht nur durch Spitzenveranstaltungen, sondern auch auf der operativen Ebene, wie zum Beispiel in Arbeitsgruppen, Ausschüssen oder Podiumsdiskussionen, Verbreitung finden. Nur durch eine möglichst breit angelegte Arbeit kann die BDA die Interessen ihrer Mitglieder im Bereich der Gesellschaftspolitik wirkungsvoll vertreten.
Wirtschaftsethik – Unternehmensgewinne sind moralisch und ethisch geboten! Die »Kapitalismusdebatte« hat in diesem Jahr eine neue Welle der Unternehmerschelte hervorgebracht. Gewinnsucht und Profitgier würden zunehmend dominieren, die soziale Verantwortung der Wirtschaft werde immer weiter zurückgedrängt, lauten zusammengefasst die Vorwürfe. Die BDA hat sich stets darum bemüht, die Debatte zu beruhigen und zu versachlichen. Was ist ausschlaggebend für die Entscheidungen der Verantwortungsträger in den Unternehmen? Ziel eines Unternehmens ist es und muss es sein, seine Position im Markt zu sichern und damit wettbewerbs- und zukunftsfähig zu bleiben. Nur dann kann es Arbeitsplätze schaffen sowie zu Wohlstand und Fortschritt in der Gesellschaft beitragen. Gewinn signalisiert, dass die Strategie des Unternehmens richtig ist. Gewinn ist daher nicht alles, aber ohne Gewinn ist alles nichts. Diese Position öffentlich zu machen, war eines der Hauptanliegen der gesellschaftspolitischen Arbeit der BDA im Jahr 2005. Der Zweck der Wirtschaft ist es, die Menschen mit Gütern und Dienstleistungen zu versorgen – in ausreichen-
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der Menge, zu marktfähigen Preisen und mit der gewünschten Qualität. Das ist der Dienst der Wirtschaft am Menschen. Der zurzeit geschmähte »Kapitalismus« ist es, der im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage die Güter und Dienstleistungen am effektivsten bereitstellt. Diese ethische Dimension geht in der »Kapitalismuskritik« völlig unter.
Staat und Politik haben die Aufgabe, die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens so zu gestalten, dass die Unternehmen ihren Zweck optimal erfüllen können. Die eigene Verantwortung für funktionsfähiges Wirtschaften kann die Politik nicht einfach abwälzen. Sie ist es, die ihre »Hausaufgaben« machen und wirtschaftsförderliche Rahmenbedingungen schaffen muss.
II. Arbeitgeberforum Wirtschaft und Gesellschaft »Die Ordnung der Freiheit« – Bundespräsident Horst Köhler fordert ein neues Freiheitsverständnis Einer der Höhepunkte der gesellschaftspolitischen Arbeit der BDA im Jahr 2005 war der Auftritt von Bundespräsident Horst Köhler auf dem II. Arbeitgeberforum Wirtschaft und Gesellschaft am 15. März 2005 im Haus der Deutschen Wirtschaft. Ziel der 2004 ins Leben gerufenen Veranstaltungsreihe »Arbeitgeberforum Wirtschaft und Gesellschaft« ist es, prominenten Gastrednern die Möglichkeit zu geben, zu zentralen Fragen der Gesellschaftspolitik Stellung zu beziehen und der öffentlichen Debatte über den Kurs unserer Gesellschaft wichtige Impulse zu verleihen. Köhlers Rede »Die Ordnung der Freiheit« wurde zu einem flammenden Appell an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sich auf die wahren Grundwerte der Sozialen Marktwirtschaft, insbesondere die Freiheit, zurückzubesinnen und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als entscheidende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aufgabe unserer Zeit zu verstehen. Köhler rief zu weitreichenden Reformen auf, um Deutschland auf die Realitäten einer globalisierten Welt einzustellen und die Massenarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Dabei müsse der Grundsatz »Vorfahrt für Arbeit« gelten. Alle anderen politischen Anstrengungen müssten dieser Aufgabe nachgeordnet werden. In vielen Punkten bestätigte der Bundespräsident die Forderungen der Arbeitgeber: Die Politik stehe in der Verantwortung, die Arbeitskosten zu senken, das Steuersystem zu vereinfachen und einen nachhaltigen Bürokratieabbau anzuge-
hen. Kreatives Unternehmertum müsse mehr Freiheit bekommen, der Staat sich dagegen auf seine Kernaufgaben konzentrieren und jeder Einzelne mehr Eigenverantwortung übernehmen. Aufgabe der Politik sei es, den Bürgern Orientierung und Perspektive für den anstehenden Wandel zu geben. Zum Abschluss seiner Rede wies der Bundespräsident auf die wichtige Rolle hin, die erfolgreiches und gewinnorientiertes Unternehmertum für den Standort Deutschland erfüllt: »In Deutschland gilt es zuweilen als moralisch verdächtig, Gewinn zu machen. Das ist falsch. Wer als ordentlicher Unternehmer Gewinne erzielt, der hat andere von seiner Leistung überzeugt und ihnen geholfen.« Die Resonanz auf das II. Arbeitgeberforum Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) war außergewöhnlich stark: Die Rede des Bundespräsidenten beherrschte tagelang die politische Diskussion und hatte ein gewaltiges Medienecho. Von zentraler Bedeutung war das Aufbruchsignal, das von dem Auftritt des Bundespräsidenten im Haus der Deutschen Wirtschaft ausging: Deutschland kann den Aufschwung aus eigener Kraft bewältigen. Das vorhandene wirtschaftliche Potenzial muss sich aber auch entfalten können. Nur nachhaltiges Wachstum schafft Arbeitsplätze, sichert die Einnahmen des Staates und ermöglicht die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme.
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Deutschland braucht mehr und nicht weniger Arbeitgeber, wenn mehr und neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Viele junge Menschen sind zur Existenzgründung oder zur Übernahme des Familienbetriebs durchaus bereit. Dazu müssen sie ausdrücklich ermutigt und in ihrer Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft anerkannt, dürfen deswegen aber nicht verunglimpft werden. Das
Zerrbild des »Kapitalismus« und der »vaterlandslosen Gesellen« geht an der unternehmerischen Realität in Deutschland völlig vorbei. Die Diskussion um die Zukunft unserer Sozialen Marktwirtschaft, die gesellschaftliche und soziale Verantwortung von Unternehmen und die Frage nach der Verant-
III. Arbeitgeberforum Wirtschaft und Gesellschaft »Otto Esser – Gelebte Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft« Im Mittelpunkt des III. Arbeitgeberforums »Otto Esser – Gelebte Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft« am 5. Dezember 2005 stand einerseits Leben und Werk des 2004 verstorbenen langjährigen Präsidenten der BDA, Otto Esser, und andererseits die Debatte um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Otto Esser trat in seiner Zeit als BDA-Präsident von 1978 bis 1986 mit der Nachfolge des von Terroristen ermordeten Hanns-Martin Schleyer ein schweres politisches Erbe an. Er galt zeit seines Wirkens als entschiedener und fairer Verhandlungsführer der Arbeitgeber, der ganz im Sinne der Sozialpartnerschaft den Interessenausgleich stets im Blick hatte. Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt betonte ebenso wie Dr. Otto Graf Lambsdorff, der die Würdigung Essers vornahm, wie sehr Esser als BDA-Präsident die zentrale Bedeutung der Freiheit für unsere Gesellschaftsordnung am Herzen lag. Ein überbordender staatlicher Eingriff in die Rechte und Pflichten des Einzelnen und eine übermäßige Betonung des Sozialstaats gefährdeten für Esser die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft – ein Gedanke, der auch in der heutigen gesellschaftspolitischen Debatte nicht vergessen werden darf. Essers Ausspruch »Freiheit bleibt ein wesentliches Ziel der Sozialpolitik« bringt dieses Grundverständnis zum Ausdruck. Der zweite Teil des Arbeitgeberforums widmete sich der Frage, inwieweit sich Marktwirtschaft
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und moralisches Verhalten in Zeiten der Globalisierung vereinbaren lassen. Gastredner Prof. Dr. Michael Burda und der Präsident des BAVC, Eggert Voscherau, wiesen darauf hin, dass das primäre Interesse der Unternehmen zunächst der Sicherung der eigenen Existenz und der eigenen Wettbewerbsfähigkeit gelten müsse. Auch die Podiumsdiskussion, mit Prof. Dr. Burda, dem Vorstandssprecher der Walter-Raymond-Stiftung Dr. Eckart John von Freyend, dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer und Prof. Dr. Bernd Rüthers prominent besetzt, widmete sich diesem Themenkomplex. Ein Unternehmen, das keine Gewinne erwirtschaftet, ist nicht in der Lage, seine Rolle in der Gesellschaft wahrzunehmen. Die Erwirtschaftung von Gewinnen und die Investition in die eigene Wettbewerbsfähigkeit sind somit Ausdruck eines moralisch handelnden Unternehmens. Das Arbeitgeberforum zum Gedenken an Otto Esser hat deutlich gemacht, wie sehr die Frage nach Freiheit und Verantwortung sowohl die Amtszeit Otto Essers als auch die heutige politische Tagesordnung bestimmt. Sein Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, in Zeiten des politischen und gesellschaftlichen Wandels mit Prinzipientreue und Standhaftigkeit an dem Gedanken der Freiheit als Basis unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ebenso festzuhalten wie an dem Bewusstsein der eigenen gesellschaftlichen Verantwortung als Unternehmer.
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wortung der Politik für die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung waren auch zentrale Themen der Arbeitgeberforen Wirtschaft und Gesellschaft im Jahr 2005.
Kirche und Wirtschaft – Fortsetzung des konstruktiven Dialogs Auch im Jahr 2005 zeigte sich, dass die Kirchen sich in hohem Maße als moralische Autorität in die aktuelle gesellschaftspolitische Debatte einschalten. Der konstruktive Dialog von Kirche und Wirtschaft, fester Bestandteil der gesellschaftspolitischen Arbeit der BDA, hat zu einer Annäherung der wirtschafts- und sozialpolitischen Standpunkte beider Seiten beigetragen. Überwog früher die gegenseitige Skepsis, sind Wirtschaft und Kirchen heute in vielen aktuellen politischen Fragen um Ausgleich und Übereinstimmung bemüht. Repräsentanten der Kirchen sind ebenso gern gesehene Gäste auf Fachtagungen und Symposien der BDA wie BDA-Vertreter auf Veranstaltungen der Kirchen. Insbesondere in Fragen der Wirtschaftsethik, aber auch im Bereich der Familienpolitik oder der frühkindlichen Bildung profitiert die BDA von dem regelmäßigen Austausch mit Kirchen und christlichen Unternehmerverbänden. Dies wurde besonders im November 2005 deutlich, als Vertreter der BDA mit Bischöfin Margot Käßmann und Bischof Joachim Reinelt sowie verschiedenen weiteren Repräsentanten der Kirchen und kirchennaher Organisationen inhaltliche Positionen zur Familienpolitik austauschten. Für die gesellschaftspolitische Arbeit der BDA wird die Familienpolitik eine zunehmend bedeutende Rolle spielen. Die Kirchen sind insbesondere bei diesem Thema durch ihren gesamtgesellschaftlichen Blick für die Interessen der Familie und auch aufgrund ihrer praktischen Arbeit im Bereich der Kinderbetreuung und der Familienfürsorge wertvolle Gesprächspartner für die BDA.
Balance von Familie und Beruf – eine wichtige Notwendigkeit für unsere Gesellschaft Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen sind ein wichtiges Anliegen der Wirtschaft. Die BDA unterstützt deshalb die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD verankerte Forderung nach einer ganzheitlichen Politik für Familien. Die demografischen Folgen der anhaltend niedrigen Geburtenrate werden zu einem deutlich spürbaren Mangel an qualifizierten Fachkräften führen. Die Fehler der Vergangenheit im Bereich der Familienpolitik, wie zum Beispiel die Vernachlässigung des Ausbaus der Kinderbetreuung, müssen deshalb endlich korrigiert werden. Positiv ist, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat. Mit einer Erwerbstätigenquote von fast 60 % liegt Deutschland über dem EU-Durchschnitt und hat die Ziele der Lissabon-Strategie bereits vorzeitig erreicht. Rund ein Viertel der Führungskräfte in den Unternehmen ist weiblich, im mittleren Management liegt der Frauenanteil inzwischen bei über 40 %. Im Jahr 2005 hat die BDA mehrfach das Engagement der Wirtschaft dokumentiert, so unter anderem mit der Konferenz »Familie – ein Erfolgsfaktor für die Wirtschaft«, bei dem der vormalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt den ökonomischen Nutzen familienfreundlicher Maßnahmen und den hohen Stellenwert einer nachhaltigen Familienpolitik verdeutlicht haben, und mit dem Unternehmenswettbewerb »Erfolgsfaktor Familie 2005«. Dass sich immer mehr Unternehmen für eine familienfreundliche Personalpolitik entscheiden, zeigt auch die hohe Beteiligung am Unternehmenswettbewerb: Im Vergleich zum Wettbewerb im Jahr 2000 haben sich fünf Mal mehr Unternehmen beworben.
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Gemeinsam mit der neuen Bundesregierung drängt die BDA darauf, dass der bedarfsgerechte quantitative und qualitative Ausbau der Kinderbetreuung, besonders für Kinder unter drei Jahren, höchste Priorität erhält. Der derzeitige Versorgungsgrad in Westdeutschland von noch nicht einmal 3 % im Krippenbereich deckt sich nicht mit den Bedürfnissen der Eltern, die nach der Geburt eines Kindes frühzeitig an ihren Arbeitsplatz zurückkehren möchten. In Zukunft wird es darüber hinaus noch wichtiger werden, dass sich zum einen die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen stärker als bisher an den Arbeitszeiten der Eltern orientieren und zum anderen die Unternehmen durch flexible Arbeitszeitmodelle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei unterstützen, Arbeitszeitbeginn und -ende besser mit ihren familiären Pflichten vereinbaren zu können. Darüber hinaus müssen in Kinderbetreuungseinrichtungen schrittweise verbindliche Bildungs- und Erziehungspläne eingeführt werden, da Kindergärten die erste Stufe unseres Bildungssystems darstellen. Neben einem flächendeckenden Angebot an Betreuungseinrichtungen leistet eine familienfreundliche Personalpolitik für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen wichtigen Beitrag zur Balance von Familie und Beruf und stellt für die Unternehmen einen entscheidenden Standortvorteil dar. Innovative Arbeitszeitmodelle sowie Kontaktangebote in der Elternzeit und die Unterstützung bei der Organisation der Kinderbetreuung oder der Pflege älterer Angehöriger sind nur einige Beispiele, von denen auch die Unternehmen profitieren.
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Untersuchungen der Prognos AG auf der Basis betrieblicher Controllingdaten aus zehn mittelgroßen deutschen Unternehmen belegen, dass sich die Umsetzung betriebsspezifisch angepasster, familienfreundlicher Maßnahmen betriebswirtschaftlich rechnet. Die von der Prognos AG entwickelte Modellrechnung, die ein Maßnahmenpaket aus Arbeitszeitflexibilisierung, Betreuungs- und Kontakthalteangeboten, Telearbeit und betrieblicher Kinderbetreuung zur Grundlage hatte, konnte eine Rendite der familienfreundlichen Investitionen in Höhe von 25 % ermitteln. Diese Rendite ergibt sich unter anderem aus geringeren Krankenständen, niedrigeren Wiedereinstellungs- und Fluktuationskosten und geringeren Fehlzeiten. Um für die Vorteile und die Notwendigkeit einer familienfreundlichen Personalpolitik zu werben, engagiert sich die BDA auch zukünftig bei Projekten im Rahmen der »Allianz für Familie« und unterstützt weiterhin die »Lokalen Bündnisse für Familie«, die vor Ort Familien bei der Umsetzung konkreter Projekte helfen.
Presse- und Ă–ffentlichkeitsarbeit
Medienereignisse 2005 Arbeitgeberforum Wirtschaft und Gesellschaft: Die Grundsatzrede von Bundespräsident Horst Köhler beim Arbeitgeberforum der BDA am 15. März 2005 hat die Schlagzeilen bestimmt: Berichterstattung in nahezu allen Medien Aufmacher in heute, Tagesschau, Süddeutsche Zeitung, Bild, Financial Times Deutschland Live-Übertragung auf Phoenix, N24, n-tv 97 Journalisten 26 Kamerateams und Fotografen Insgesamt hat das Arbeitgeberforum Wirtschaft und Gesellschaft 50 Millionen Menschen in Deutschland erreicht.
Deutscher Arbeitgebertag: Der Deutsche Arbeitgebertag am 3. November 2005 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Franz Müntefering sowie den Oppositionsführern Guido Westerwelle und Reinhard Bütikofer war ein riesiges Medienereignis: Berichterstattung in nahezu allen Medien Aufmacher in heute, Tagesschau, Die Welt, Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung Live-Übertragung auf Phoenix, n-tv über 100 Journalisten 19 Kamerateams und Fotografen Insgesamt hat der Deutsche Arbeitgebertag 2005 weit über 25 Millionen Menschen in Deutschland erreicht.
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BDA – die öffentliche Stimme der deutschen Wirtschaft Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA war im Jahr 2005 vor allem durch die Diskussion über den weiteren Reformkurs Deutschlands und die vorzeitigen Bundestagswahlen geprägt. Positionen, Interessen und Forderungen der deutschen Arbeitgeber wurden regelmäßig in die Öffentlichkeit getragen; nahezu alle Medien berichteten kontinuierlich über die politischen Botschaften der BDA. Besondere Aufmerksamkeit zogen das »Arbeitgeberforum Wirtschaft und Gesellschaft« mit Bundespräsident Horst Köhler und der Deutsche Arbeitgebertag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf sich. Beide Veranstaltungen haben die mediale Agenda beherrscht und die öffentliche Meinung nachhaltig geprägt. Ein Schwerpunkt der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA ist es, die Bereitschaft zu Reformen in Deutschland zu fördern. Mit viel langem Atem ist es der BDA inzwischen gelungen, zentrale Forderungen – etwa die grundlegende Modernisierung unserer sozialen Sicherungssysteme und die Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 % – fest in der öffentlichen Debatte zu verankern. Diese Ziele werden daher auch im kommenden Jahr eine zentrale Rolle in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA spielen. Weitere Themen waren der Widerstand gegen das Antidiskriminierungsgesetz und die Sonnenschutzrichtlinie der EU. In beiden Fällen hat die BDA mit einer intensiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dazu beigetragen, dass die Politik letztlich eingelenkt hat. Dabei hat die BDA auch im Jahr 2005 immer ihren Grundsatz verfolgt, dass Schlagzeilen keinen Wert an sich haben. Unsere Pressearbeit orientiert sich an einer sachlich fundierten Kritik mit konkreten Verbesserungsvorschlägen. Dazu gehören die Prinzipien einer verantwortungsvollen, fairen und offenen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Damit wird der politischen Durchsetzbarkeit der Positionen der deutschen Wirtschaft letztlich am besten gedient.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bild, Januar 2005
Positionen artikulieren Die Presseaktivitäten im Verlauf eines Jahres lassen sich kaum noch zählen. Zu den täglichen Aufgaben gehören unter anderem Interviews, Stellungnahmen und Presseerklärungen. Im Jahr 2005 hat die BDA zum Beispiel über 80 Presseerklärungen veröffentlicht. Das Aufgabenspektrum der BDA-Pressestelle reicht aber weit darüber hinaus: Sie plant Pressekonferenzen und ist ständiger Ansprechpartner für Journalisten. Die folgenden Schlaglichter sollen einen Eindruck von der Vielfalt der Aufgaben vermitteln. Insgesamt hat die BDA im vergangenen Jahr zu 22 Pressekonferenzen und -gesprächen eingeladen. Dazu zählen vor allem die sechs Auftritte vor der Bundespressekonferenz. Die Themen waren: Beiträge senken – Beschäftigung schaffen (Februar) BDA-Modell zur Studienfinanzierung jetzt umsetzen! (Februar) Agenda 2005 – was noch in diesem Jahr geschehen kann und muss! (März) Das Bildungsprogramm der Arbeitgeber (April) Zwischenbilanz Tarifrunde 2005 – tarifliche Öffnung gerät ins Stocken (Juli) Aktuelle wirtschaftspolitische Fragen (Dezember) Darüber hinaus gab es Pressekonferenzen unter anderem zur Antidiskriminierungsrichtlinie, zu Corporate Social Responsibility oder zur MINT-Initiative. Diese Pressekonferenzen waren sehr gut besucht und garantierten jeweils eine breite Berichterstattung über die Themen der BDA.
Die Bundestagswahlen stellten für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eine Zäsur dar. Wie schon in den vorangegangenen Bundestagswahlkämpfen hat die BDA keinerlei parteipolitische Wertungen ausgesprochen und sich auch ansonsten bewusst zurückgehalten. Fachfragen sind zwar in der bewährten Art und Weise unmittelbar beantwortet worden, die BDA achtete jedoch in besonderem Maße auf ihre parteipolitische Neutralität, was in den Medien einen positiven Niederschlag fand. Im gesamten Wahlkampf hat sich die BDA an dem Prinzip orientiert, nicht der »Lehrmeister« der Parteien und Politiker zu sein, sondern politische Fragen inhaltlich zu bewerten und Verbesserungsvorschläge zu machen. Auch am Wahlabend verzichtete die BDA deshalb auf vorschnelle Kommentierungen.
Neue Osnabrücker Zeitung, August 2005
Die BDA hat auf ein eigenes Reformkonzept gesetzt, das die zentralen Aufgaben für die neue Regierung unabhängig von ihrer Zusammensetzung sachlich beschrieb. Unter dem Titel »Wachstum und Beschäftigung fördern« wurden die Positionen der deutschen Arbeitgeber im Bundestagswahlkampf gebündelt. Die Nachfrage nach der Broschüre war gerade bei Journalisten groß.
Soziale Marktwirtschaft verteidigen, politische Ablenkungsmanöver aufdecken Ein wichtiger Baustein der Öffentlichkeitsarbeit ist auch die tägliche Information und Aufklärung der Journalisten über wirtschaftliche Zusammenhänge und unternehmerische Entscheidungen. Diese Arbeit manifestiert sich zumeist nicht in konkreten Schlagzeilen, ist aber für die langfristige Akzeptanz des Reformkurses in den Medien absolut unverzichtbar.
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Pressestimmen 2005 »Arbeitgeberpräsident Hundt ist ein umsichtiger Interessenvertreter. Scharfe Töne liegen ihm nicht, er vertritt seine Positionen in der Regel klar, aber maßvoll.«
Mit sachlichen Argumenten und klaren Worten setzt sich die BDA auch in diesem Bereich nachdrücklich für die Interessen der Arbeitgeber ein. Es gilt, den Menschen abseits populistischer Zerrbilder eine realistische Vorstellung von der deutschen Wirtschaft sowie den Unternehmen und Betrieben zu vermitteln.
Der Tagesspiegel, April 2005
»Arbeitgeberpräsident Hundt provoziert mit Forderungen nach einer kürzeren Elternzeit – und trifft bei der Regierung auf Zustimmung.« Die Welt, April 2005
»Die Bundestagswahl hat die meisten Lobbyisten auf dem falschen Fuß erwischt. (...) Eine Ausnahme bildete die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.« Kölnische Rundschau, September 2005
»Man muss die politischen Schlussfolgerungen der Arbeitgeberverbände, speziell ihre Forderung nach weiteren Einschnitten bei Sozialleistungen, nicht teilen. Mit ihrer Analyse aber treffen sie ins (Rot-) Schwarze: So wie sich die Koalition aufgestellt hat, kann sie ihr Versprechen unmöglich halten, die Sozialabgaben spürbar zu senken.« Frankfurter Rundschau, November 2005
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In diesem Zusammenhang ist auch die verstärkte Kommunikation des gesellschaftlichen Engagements der deutschen Wirtschaft zu nennen. Unter dem Stichwort »Corporate Social Responsibility« ist dieses Engagement 2005 zunehmend in die Öffentlichkeit getragen worden und hat das mediale Bild der Unternehmen positiv beeinflusst. Die BDA hat diesen Trend unter anderem mit der Internetseite www.csrgermany.de und einer speziellen Pressekonferenz zu CSR energisch unterstützt. Die hohen Zugriffszahlen auf die Internetseite belegen die Richtigkeit dieser Positionierung. Die BDA wird sich deshalb auch in Zukunft gegen Angriffe auf die Wirtschaft stellen und die herausragende gesellschaftliche Bedeutung der Unternehmen betonen.
Europa – ein Zentrum der Berichterstattung Angesichts der wachsenden Bedeutung der Europäischen Union hat die BDA auch ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf europäischer Ebene weiter intensiviert. Neben einer Reihe von Interviews mit internationalen Medien (unter anderem »Le Figaro«, »La Tribune«, »Il Giorno«) zählten dazu vor allem eine gemeinsame Pressekonferenz mit UNICE-Präsident Ernest-Antoine Sellière in Berlin und eine BDA-Pressekonferenz in Brüssel. Beide Veranstaltungen zogen großes Medieninteresse auf sich, was den zunehmenden Bedarf an einer europäisch ausgerichteten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit belegt.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dass öffentlicher Druck auch in Brüssel große Wirkung erzielt, hat das Beispiel Sonnenschutzrichtlinie eindrucksvoll gezeigt. Im Sommer 2005 startete die BDA eine breite Kampagne gegen die überzogenen Pläne der EUKommission zum Schutz vor optischer Strahlung. Diese abstrakte Materie entwickelte sich schnell zu einem Medienthema, das am Ende sogar die Boulevardzeitungen auf den Plan rief.
Insgesamt gibt der Deutsche Arbeitgebertag den politischen Botschaften der deutschen Arbeitgeber damit über den Tag hinaus Gewicht und Stimme. In diesem Zusammenhang muss auch der Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung erwähnt werden, der inzwischen fester Bestandteil des Deutschen Arbeitgebertages ist. Für die diesjährige Preisverleihung wurde mit BR alpha, dem Bildungskanal des Bayerischen Rundfunks, erstmals ein Medienpartner ins Boot geholt. Dank dieser Medienpartnerschaft wurde im November unter anderem eine 45-minütige Dokumentation über Preis und Preisträger von dem Sender ausgestrahlt.
Die Welt, September 2005
Positionen publizieren Der einstimmige Tenor der Berichterstattung: Diese Richtlinie ist überzogen und weitgehend unnötig. Dem wachsenden Druck mussten schließlich auch die Initiatoren der Richtlinie nachgeben: Die Richtlinie zum Schutz vor optischer Strahlung wurde deutlich abgeschwächt und bleibt nun weitgehend auf die künstliche Strahlung beschränkt.
Im Fokus der Medien: Der Deutsche Arbeitgebertag 2005 Mit dem Deutschen Arbeitgebertag findet auch die Presseund Öffentlichkeitsarbeit der BDA ihren jährlichen Höhepunkt. Erstens gilt die Rede von Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt vor über 1.400 hochrangigen Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft als wichtigster Auftritt des Jahres. Er setzt Akzente und wirkt weit über die BDA hinaus. In diesem Jahr forderte Dr. Dieter Hundt vor allem einen »Aufbruch für Deutschland« – ein unverändert aktueller Aufruf. Darüber hinaus zieht der Deutsche Arbeitgebertag natürlich auch eine Vielzahl von Journalisten aus dem In- und Ausland an und garantiert eine breite Medienberichterstattung. Die Präsenz der BDA reicht von den großen Nachrichtensendungen der Fernsehanstalten bis zu den Titelseiten der Tageszeitungen.
Die BDA trägt die Positionen der deutschen Arbeitgeber auch über eine Vielzahl eigener Publikationen und Medien in die Öffentlichkeit. An erster Stelle ist hier die BDA-Homepage www.bda-online.de zu nennen: Im Jahr 2005 wurden weit über 30 Millionen Zugriffe registriert, das entspricht rund 90.000 Zugriffen pro Tag. Um den Nutzwert dauerhaft zu gewährleisten, ist vor allem eine regelmäßige Aktualisierung der Seiten von Bedeutung. Auf der BDA-Homepage ist deshalb nahezu jeden Tag eine neue Nachricht zu finden. Die Seite liefert den Nutzern außerdem eine Vielzahl von Hintergrundinformationen, Broschüren und Positionspapieren. Hinzu kommen weitere Internetangebote wie www.bda-pro-job.de, www.bildung-schafft-zukunft.de und www.csrgermany.de, die spezielle Themen der BDA jeweils vertieft behandeln. Die Homepage bietet Nutzern auch die Möglichkeit, sich direkt an die BDA zu wenden. Über die E-Mail-Adresse info@bda-online.de ist die Pressestelle für jeden Bürger rund um die Uhr zu erreichen. Dieser Service wird gerne genutzt: Im vergangenen Jahr sind durchschnittlich bis zu 1.000 Zuschriften pro Woche eingegangen. Da die BDA großen Wert auf die direkte Kommunikation legt, wird jede seriöse Zuschrift so schnell wie möglich beantwortet.
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Die BDA-Informationsdienste Die Informationsdienste der BDA wurden im Jahr 2005 vollständig überarbeitet. Der alte Kurznachrichtendienst wurde durch den BDA-Newsletter ersetzt und auf einen rein elektronischen Versand umgestellt. Gleichzeitig wurde das Erscheinungsbild modernisiert und vereinheitlicht: Die drei Informationsdienste – BDA-Newsletter, EuroInfo, Kirche und Wirtschaft – erscheinen nun in einem einheitlichen Layout. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr über 60 Informationsdienste veröffentlicht. Die erfolgreiche Modernisierung wird durch die kontinuierlich steigenden Abonnentenzahlen bestätigt. Euro-Info
Kirche und Wirtschaft
BDA-Newsletter
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Publizistisch abgerundet wurde das Informationsangebot durch den »Arbeitgeber«, das Monatsmagazin der BDA zur unternehmerischen Sozialpolitik. In elf Ausgaben hat das aufwändig produzierte Magazin unternehmerische Positionen vertreten und Orientierung zu gesellschaftspolitischen Themen geboten. Titelthemen waren 2005 unter anderem »Globalisierung – die deutsche Wirtschaft zwischen Internationalisierung und Standorttreue« oder »Bildung schafft Zukunft – das Bildungsprogramm der Arbeitgeber«. Mit Ablauf des Jahres erfährt der »Arbeitgeber« eine Neuausrichtung und wird ab Januar 2006 als Beihefter zum Fachmagazin »Personal«, das vom Handelsblatt-Verlag herausgegeben wird, erscheinen.
BDA-Mitgliedsverb채nde Pr채sidium und Vorstand
BDA-Mitgliedsverbände
BDA-Mitgliedsverbände Industrie Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.
Finanzdienste Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V. Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland
Wirtschaftsvereinigung Bergbau e. V. Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V.
Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V.
Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie Bundesverband Druck und Medien e. V.
Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e. V.
WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V.
ZGV – Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e. V.
Arbeitgeberverband der Deutschen Glasindustrie e. V.
Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels e. V.
Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.
Handwerk
Kaliverein e. V.
Zentralverband des Deutschen Baugewerbes
Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e. V.
Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH)
Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V. GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß (ANG) e. V. Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V.
Landwirtschaft Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V. Verkehrsbetriebe
Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V.
Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrsbetriebe – Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe)
Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder
Verband Deutscher Reeder e. V.
Arbeitgeberverband Stahl e. V.
Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr
Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V. – Sozialpolitischer Hauptausschuss –
Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus (GVSt) Unternehmensverband Steinkohlenbergbau (UVSt) Gesamtverband der Deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund – Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ) Verein der Zuckerindustrie
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Handel
Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.
BDA-Mitgliedsverbände
Dienstleistungsgewerbe Deutscher Bühnenverein Bundesverband der Theater und Orchester
Landesvereinigungen
Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD)
Baden-Württemberg Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e. V.
Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen
Bayern Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen + Bildung e. V.
Berlin und Brandenburg Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V.
Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU) BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e. V.
Bremen Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V. Hamburg und Schleswig-Holstein
Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V.
UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.
Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA)
Hessen Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.
Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft KEP- und Postdienste e. V. Deutscher Sportstudio Verband e. V. Arbeitgeberverband der Deutschen Fitness- und Racket-Anlagen Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Telekommunikation (ArgeTel) Arbeitgeberverband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA)
Mecklenburg-Vorpommern Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern e. V. Niedersachsen Unternehmerverbände Niedersachsen e. V. Nordrhein-Westfalen Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände NordrheinWestfalen e. V. Rheinland-Pfalz Landesvereinigung Unternehmerverbände RheinlandPfalz e. V.
Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ)
Saarland Vereinigung der Saarländischen Unternehmens-
Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V.
verbände e. V. Sachsen Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW) Sachsen-Anhalt Landesvereinigung der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e. V. Thüringen Verband der Wirtschaft Thüringens e. V. (VWT)
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Präsidium und Vorstand
Präsidium und Vorstand Präsident Dr. Dieter Hundt Ehrenpräsident Dr. Klaus Murmann Vizepräsidenten Walter Botschatzki Günther Fleig Dr. Tessen von Heydebreck Martin Kannegiesser Otto Kentzler Dr. Walter Koch (Schatzmeister) Dr. Hans-Joachim Körber Eggert Voscherau
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Weitere Mitglieder des Präsidiums Peter Barz Prof. Thomas Bauer Ernst Baumann Anton F. Börner Gerd von Brandenstein Dr. Gerhard F. Braun Wolfgang Brinkmann Dr. Jürgen Deilmann Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann Goetz von Engelbrechten Dr. Manfred Gentz Dr. Reinhard Göhner Prof. Dr. Kurt Häge Helmut Heinen Wolfgang Heinze Klaus Hering Dr. Fritz-Heinz Himmelreich Ingrid Hofmann Prof. Dr. Karl Friedrich Jakob Dr. Eckart John von Freyend Helmut F. Koch Ingo Kramer Manfred Lantermann Stefan H. Lauer Dr. Joachim Lemppenau Helmut Lübke Horst-Werner Maier-Hunke Dr. h. c. Hartmut Mehdorn Prof. Dr. Helmut Merkel Hans Georg Michelbach Dr. Arend Oetker Dr. Wolfgang Pütz Jürgen Radomski Kai-Uwe Ricke Randolf Rodenstock Harry Roels Gerd Sonnleitner Dr. Theo Spettmann Prof. Dieter Weidemann Dr. Hans-Dietrich Winkhaus Dr. Klaus Zumwinkel
Präsidium und Vorstand
Vorstand Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören folgende Damen und Herren dem Vorstand an: Dr. Norbert Bensel Hans van den Berg Dr. Ralf Bethke Roland Brohm Ulrich Alfred Büchner Prof. Dr. Hubert Burda Frank Dupré Volker Enkerts Dr. Helge Fänger Ernst Fischer Dr. Hans Otto Gardeik Hartmut Geldmacher Peter Gerber Gerhard Gördes Florian Groz Jörg Hagmaier Siegfried Hanke Dr. Michael Hann Peter Hoffmeyer Dr. Gernot Kalkoffen Dr. Uwe Kasimier Jürgen Krebaum Lothar Lampe Frank Leonhardt Rainer Marschaus Dr. Uwe Mehrtens Eberhard Potempa Hanns-Jürgen Redeker Wolfgang Reichel Dr. Josef Rettenmeier Dr. Markus Rückert Manfred Rycken Dr. Hans-Peter Schiff Jürgen Schitthelm Dirk Schlüter Birgit Schwarze Ralf Stemmer Bernd Tönjes Philipp Urban Peter Weinmann
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In memoriam
In memoriam Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in langjähriger Mitarbeit verbunden und hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer Sozialpolitik.
Wir gedenken ihrer.
Michael Hultgren Geschäftsführer Bankenverband Hamburg 30. Januar 2005
Eugenie Burgholte-Kellermann ehem. Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 11. April 2005
Dr. Wolfgang Eichler ehem. Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 9. Mai 2005
Johann-Dietrich von Hassell ehem. Ausschussvorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 26. August 2005
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Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im Haus der Deutschen Wirtschaft Breite Straße 29 10178 Berlin
Präsident Dr. Dieter Hundt Sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau
Tel. 030 / 20 33 - 0 Fax 030 / 20 33 -10 55
Telefon -10 04 Fax -10 05
E-Mail info@bda-online.de www.bda-online.de
Organigramm
Mitglied der Hauptgeschäftsführung Alexander Gunkel
Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Göhner
Sekretariat Anne-Katrin Biereigel
Sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau Janet Valdeig-Ermes
Telefon -10 08 Fax -10 15
HGF.mail@bda-online.de
Telefon -10 07 Telefon -10 06 Fax -10 05
HGF.mail@bda-online.de
Verwaltung und Verbandsorganisation
Soziale Sicherung
Volkswirtschaft, Finanzen, Steuern
Arbeitsrecht
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ulrich Hüttenbach
Eugen Müller
Roland Wolf
Dr. Uwe Mazura
Martin Pulm Katrin Altmann
Dr. Volker Hansen Gert Nachtigal Klaudia Buddemeier Dr. Martin Kröger Saskia Osing Florian Swyter
Ottheinrich Freiherr von Weitershausen
Thomas Prinz Dr. Sven-Frederik Balders Dr. Nisha Biswas Rainer Huke Kristina Schütt Dr. Derk Strybny
Jörg Swane Andreas Groß Kristian Schalter
Adressverwaltung Thomas Bieche Manuel Schiller Finanzwesen Martin Pulm Gudrun Häntsch Sirpa Ohm Viola Rieche Finanzen.mail@ bda-online.de Informations- und Kommunikationstechnik Martin Brüning Thomas Hyrbaczek Christian Seipp Hans-Jürgen Tunze Iuk.mail@bda-online.de
Arbeitswissenschaft Norbert Breutmann
Peter von Metzler Dr. Hans-Jürgen Völz Sekretariat Cornelia Hentschel Telefon -19 50 Fax -19 55 Abt_11@bda-online.de
Walter-RaymondStiftung (WRSt)
Redaktion SAE Barbara Braun
Institut für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung (ISWA) Ottheinrich Freiherr von Weitershausen Dr. Jörg SchulteAltedorneburg
Personal Astrid Zippel Diana Klich Personal.mail@ bda-online.de
Organisation Jutta Wunderlich
Verwaltung Sven Kochanowski Verwaltung.mail@ bda-online.de Bibliothek Anke Beyer-Stamm Service Frank Halup Astrid Leu Christiane Vannier Sekretariat Janet Brandecker Telefon -11 00 Fax -11 05 Abt_01@bda-online.de
Sekretariat Ingrid Schramm Heike Bozan Carola Wünsche Telefon -16 00 Fax -16 05 Abt_06@bda-online.de
Sekretariat Ellen Dumschat Telefon -19 54 Fax -19 55 WRSt.mail@bda-online.de
Sekretariat Simone Scharf Monika George Manuela Hahn Telefon -12 00 Fax -12 05 Abt_02@bda-online.de
Sekretariat Claudia Jungkowski Claudia Kurschat Telefon -18 00 Fax -18 05 Abt_08@bda-online.de
Planung, Koordination, Grundsatzfragen Büro des Präsidenten und Hauptgeschäftsführers Christina Uhl Bianca Rister Antonin Finkelnburg
Sekretariat Kati Hildebrandt Telefon -10 20 Fax -10 25
Abt_10@bda-online.de
Mitglied der Hauptgeschäftsführung Peter Clever Sekretariat Beate Murtezani
Telefon Fax
-10 09 -10 15
HGF.mail@bda-online.de
Lohn- und Tarifpolitik
Arbeitsmarkt
Bildung/ Berufliche Bildung
Europäische Union und Internationale Sozialpolitik
Robert Reichling
Dr. Jürgen Wuttke
Dr. Barbara Dorn
Renate Hornung-Draus
Bernhard Schwarzkopf Natalia Stolz
Ilka Houben Dr. Stefan Hoehl Christian Lepping Alexander Wilhelm Susanne Wittkämper
Dr. Christoph Anz Dr. Donate Kluxen-Pyta Julia Gocke Yvonne Kohlmann Tanja Nackmayr Anne Schmitz-Huebner Gerrit Witschaß
Prinzessin Alexandra-F. zu Schoenaich-Carolath Antje Gerstein Eva Barlage-Melber Angela Schneider-Bodien Matthias Thorns
Tarifarchiv Freimut Wolny Astrid Bohn
Sekretariat Susan Peronne Marion Blumauer Telefon -14 00 Fax -14 05 Abt_04@bda-online.de
Sekretariat Bianca Voyé Janine Spolaczyk Marion Hirte Telefon -19 00 Fax -19 05 Abt_09@bda-online.de
Betriebliche Personalpolitik Rainer Schmidt-Rudloff Carlotta Köster-Brons
Büro Brüssel Prinzessin Alexandra-F. zu Schoenaich-Carolath (Leitung) Brigitte De Vita
Sekretariat Solveig Rädler Marina Fahrentholtz Telefon -13 00 Fax -13 05 Abt_03@bda-online.de
Sekretariat Doreen Mertens Telefon -14 10 Fax -14 05 Abt_04@bda-online.de
Sekretariat Kornelia Wendt Katja Finke Telefon -15 00 Fax -15 05 Abt_05@bda-online.de
Sekretariat Astrid Schwarz Telefon (0032-2) 290 03 01 Fax (0032-2) 290 03 19 Buero_bruessel@ bda-online.de
Stand 1. Januar 2006
Impressum
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im Haus der Deutschen Wirtschaft Breite Straße 29 10178 Berlin Tel. 030 / 20 33 - 0 Fax 030 / 20 33 -10 55 E-Mail info@bda-online.de www.bda-online.de Redaktionsschluss 21. Dezember 2005
Gestaltung Jürgens. Design + Kommunikation www.juergens-dk.de