Geschäftsbericht 2006

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GESCHÄFTSBERICHT

2006



5 Vorwort

7 Arbeitsmarkt

23 Arbeitsrecht

37 51 soziale sicherung

Inhalt

tarifpolitik

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73 bildung / Berufliche bildung

97 Europäische und internationale sozialpolitik

113 gesellschaftspolitik

119 presse- und öffentlichkeitsarbeit

127 bda-mitgliedsverbände

130 Präsidium und vorstand

134 in memoriam

137 bda-organigramm



Sehr geehrte Damen und Herren,

Die BDA hat sich als Dienstleister für ihre Mitgliedsverbände, als programmatischer und konzeptioneller Motor notwendiger Reformprozesse und in der Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftsverbänden weiterentwickelt und neu aufgestellt. Am 1. November haben sich die Präsidenten von BDA und BDI auf eine engere Zusammenarbeit der beiden Verbände verständigt. Kern der Kooperationsvereinbarung ist die Bildung eines gemeinsamen Präsidiums und die Zusammenlegung wichtiger Teile unserer Organisationen, um die Zusammenarbeit zu intensivieren, die Organisation zu straffen und die Effizienz der Arbeit zu verbessern. Ziel ist, die Schlagkraft der wirtschafts- und sozialpolitischen Interessen­vertretung unserer Mitglieder durch ein verstärktes Zusammenwirken zu erhöhen. Wir werden Ressourcen bündeln, die gemeinsame Kommunikation gegenüber der Politik und Öffentlichkeit intensivieren und beide Verbände werden in Brüssel gemeinsam und einheitlich auftreten. Die erfreuliche wirtschaftliche Aufhellung im Jahre 2006 ist vor allem auf die beständigen Anstrengungen der Unternehmen zurückzuführen. Sie haben ihre Wettbewerbsfähigkeit in den letzten Jahren durch konsequente Strukturveränderungen und durch eine moderate, innovative Tarifpolitik erheblich gesteigert. Zwar gab es auch aus der Politik positive Signale, etwa mit der Föderalismusreform, ersten vernünftigen Ansätzen beim Bürokratieabbau oder mit sozialpolitischen Entscheidungen, wie der Anhebung des Renteneintrittsalters. Dennoch blieben die Reformanstrengungen der großen Koalition hinter dem zurück, was für eine nachhaltige Verbesserung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung notwendig ist. Es gab keinen Konsens für grundlegende Strukturreformen in den Sozialversicherungen, insbesondere keinen einzigen Schritt zur Entkopplung von sozialer Sicherung und Arbeit, keine Bereitschaft zur Neuordnung der Arbeitsmarktverfassung, keine nennenswerten Impulse zur Reform des Arbeitsrechts. Um für die Zukunft die strukturellen Probleme in Deutschland wirklich in den Griff zu bekommen, müssen die Rahmenbedingungen konsequent auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet werden. Zu diesen notwendigen Reformmaßnahmen hat die BDA auch dieses Jahr neue oder aktualisierte Konzepte in allen Bereichen der Sozialpolitik vorgelegt. Der Geschäftsbericht 2006 informiert Sie über die wichtigsten politischen Schwerpunkte unserer Arbeit in diesem Jahr.

Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums Berlin, im Dezember 2006

Vorwort Inhalt

das vergangene Jahr hat durch einen wirtschaftlichen Aufschwung überrascht, mit dem auch Konjunkturexperten und alle Prognostiker nicht gerechnet hatten. Es stand unter dem Vorzeichen einer deutlich veränderten politischen Landschaft und einer inneren, organisatorischen sowie konzeptionellen Erneuerung der BDA.

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ARBEITSMARKT ARBEITSMARKT Inhalt


ARBEITSMARKT

Entspannung am Arbeitsmarkt für Reformen nutzen

2006 war endlich wieder einmal ein besseres Jahr für den Arbeitsmarkt. So ist die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt gegenüber dem Vorjahr um mehr als 350.000 zurückgegangen und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat nach ersten Hochrechnungen um gut 300.000 zugenommen. Damit eine wirklich dauerhafte und nachhaltige Trendwende am Arbeitsmarkt eintreten kann, sind jetzt begleitende Reformen unerlässlich. Trotz aller Freude über Besserungstendenzen: Anlass zur Euphorie gibt es nicht. Das traurige Rekordergebnis der Arbeitslosigkeit im Jahre 2005 konnte verringert und die massive Abwärtsbewegung der letzten Jahre bei der ­sozi alversicherungspflichtigen Beschäftigung gestoppt und in eine Aufwärtsbewegung umgekehrt werden. Von nachhaltiger Entspannung am Arbeitsmarkt kann keine Rede sein. Die Beschäftigungsverluste der vergangenen Jahre sind noch nicht einmal kompensiert und die Zahl der registrierten Arbeitslosen liegt immer noch bei 4,5 Mio. Zugleich muss aber auch den ewigen Schwarzmalern entschieden widersprochen werden, die aus der noch immer viel zu hohen Arbeitslosigkeit schlussfolgern, dass jenseits des ersten Arbeitsmarktes ein zweiter oder gar dritter entwickelt werden müsse. Deutschland belegt selbst mit dem diesjährigen Wachstum von über 2 % im europäischen Vergleich nur einen hinteren Platz. Außerdem haben die gewaltigen Wachstumsverluste in den Jahren 1991 bis 2004 gemessen am Durchschnitt der Europäischen ­Union der damaligen 15 Mitgliedstaaten auch am ­ deutschen Arbeitsmarkt tiefe Spuren hinterlassen. Während die EU-Länder in dieser Zeit insgesamt ein reales Wachstum von fast 30 % erzielt haben, wurde in Deutschland mit ­ mageren 14 % noch nicht einmal die Hälfte erreicht. Der internationale Vergleich zeigt klar, dass die Probleme am deutschen Arbeitsmarkt nicht ­Folge internationaler Entwicklungen oder nur der ­Globalisierung sind, sondern ganz wesentlich auf eigenen Fehlern und Versäumnissen beruhen. Für Deutschland besteht – angesichts anhaltend hoher Arbeitslosigkeit – weder Grund zur Resignation noch – angesichts guter Konjunktur – zur ­selbstzufriedenen Tatenlosigkeit. Der Handlungsdruck am Arbeitsmarkt ist unverändert hoch. Die Politik darf sich nicht auf die gut laufende Weltwirtschaft verlassen. Sie muss vielmehr die wärmende Konjunktursonne

­nutzen, um Strukturreformen voranzubringen und so die Auftriebskräfte am Arbeitsmarkt zu stärken. Dass dies möglich ist und dabei erhebliche Potenziale freigesetzt werden können, zeigen die Fortschritte im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Hier wird mit der Absenkung des Beitragssatzes von 6,5 auf 4,2 % zum Beginn des nächsten Jahres ein großer Schritt getan. Damit wird erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik nach einer Zeit ständig steigender Beitragssätze in der Sozialversicherung der Beitrag in einem Sozialversicherungszweig um mehr als ein Drittel reduziert. Würde dieser Erfolg nicht durch unnötige Beitragssatzsteigerungen an anderer Stelle konterkariert, wären nach wissenschaftlichen Schätzungen allein hieraus über 300.000 zusätzliche Arbeitsplätze möglich. Die Beitragssenkung in der Arbeitslosenversicherung in so hohem Ausmaß ist begünstigt durch die gute konjunkturelle Entwicklung und wird ermöglicht durch Mittelzufluss aus der Mehrwertsteuer. Aber wir ernten mit der Beitragssatzsenkung auch die Früchte des Reformprozesses in der Bundesagentur für Arbeit (BA). Hier ist es seit Einführung der neuen Steuerungslogik nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit in den letzten vier Jahren gelungen, einen Konsolidierungsbeitrag von fast 15 Mrd. € zu erwirtschaften, ohne dass dies mit Einbußen bei den Integrationen in den Arbeitsmarkt verbunden gewesen wäre. Diese Grundlinie haben BA-Vorstand und Verwaltungsrat in breitem Einvernehmen auch für 2007 wieder bestätigt , indem sie einen realistischen Haushalt verabschiedet haben, bei dem für Arbeitsmarktpolitik nur ausgegeben wird, was tatsächlich nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit vertretbar ist. Geradezu tragisch wäre es, den Rückwärtsgang einzulegen und in die Sackgasse der früheren verfehlten ­Arbeitsmarktpolitik zurückzufahren: sei es durch wieder ­ verlängerte Bezugszeiten beim Arbeitslosengeld, die nicht in Beschäftigung, sondern nur in die Frührente führen, sei es durch neue ABM für angeblich hunderttausende nicht mehr in den Arbeitsmarkt Vermittelbare oder sei es durch breite Lohnsubventionen, die nicht Brücken für Arbeitslose in den Arbeitsmarkt bauen, sondern nur Beschäftigung als Strohfeuer entfachen. Falsch wäre es auch, durch Mindestlöhne Beschäftigungs- und damit Teilhabechancen für Menschen ohne oder mit nur geringer beruflicher Qualifikation am ersten Arbeitsmarkt zu versperren. Dies würde sie im dauerhaften Fürsorgebezug regelrecht


Die BDA hat zu allen Reformbaustellen detaillierte Baupläne auf den Tisch gelegt. Wir werden uns weiter entschieden dafür einsetzen, dass die von der Regierungskoalition für das nächste Jahr angekündigten Reformmaßnahmen mehr Flexibilität und Dynamik am Arbeitsmarkt ermöglichen und nicht alte Blockaden für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland Bestandsschutz erhalten oder gar neue hinzukommen.

Entwicklung am Arbeitsmarkt gestalten Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2006 aufgehellt: Die Zahl der Arbeitslosen ist deutlich zurückgegangen, im November wurde zum ersten Mal seit vier Jahren die 4-MillionenMarke leicht unterschritten. Der ungewöhnlich milde Herbst hat dazu ebenso beigetragen wie die spürbar bessere Konjunktur. Erfreulich ist, dass die Arbeitslosenzahlen im Laufe des Jahres auch bereinigt um ­saisonale Einflüsse gesunken sind, im Monatsdurchschnitt um knapp 40.000. Bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wurde nach Jahren massiven Beschäftigungsabbaus seit Mai dieses Jahres die Trendwende zum Aufbau geschafft. Im Herbst wurde nach Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) das Vorjahresniveau um über 300.000 überschritten. Besonders dynamisch entwickelten sich dabei die Zeitarbeitsbranche und sonstige unternehmensnahe Dienstleistungen, aber selbst im Baugewerbe, das ­jahrelang Arbeitsplätze abbauen musste, liegt die Zahl der Beschäftigten im Herbst erstmals wieder auf Vorjahresniveau. Auch die Zahl der offenen Stellen ist 2006 gestiegen. Von Januar bis November 2006 ­wurden bei den Arbeitsagenturen rund 150.000 bzw. gut 7 % mehr

ARBEITSMARKT Inhalt

ein­mauern. Stattdessen muss das mit dem SGB II eingeführte ­Kombi-Einkommen aus eigenem Erwerbseinkommen, ergänzender Fürsorgeleistung „Arbeitslosengeld II“ und anreizsteigernden Freibeträgen so weiterentwickelt werden, dass derjenige, der sich in einem Vollzeitjob anstrengt und die Solidargemeinschaft entlastet, nicht der Dumme ist. Die größte Reformbaustelle am Arbeitsmarkt bleibt die Fürsorgeleistung „Arbeitslosengeld II“. Dass hier noch lange nicht flächendeckend das notwendige „Fordern und Fördern“ von Hilfebedürftigen mit häufig mehreren Vermittlungshemmnissen gelungen ist, offenbart sich allein schon darin, dass von ca. 3,5 Mio. erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die dem Arbeitsmarkt faktisch zur Verfügung stehen, noch nicht einmal jeder Dritte einer Beschäftigung nachgeht, während über zwei Drittel mit keinem einzigen selbst erarbeiteten Euro die Steuerzahler von der an sie zu zahlenden Fürsorge­ leistung wenigstens geringfügig entlasten.

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Jobangebote am ersten Arbeitsmarkt gemeldet als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.

aber insgesamt weiter gewachsen. Er lag Ende 2006 bei rund 65 %.

Trotz dieser positiven Vorzeichen bleibt die Entwicklung am Arbeitsmarkt gespalten. Von den gesamtwirtschaftlichen Aufschwungtendenzen 2006 haben am Arbeitsmarkt vor allem diejenigen profitiert, die ohnehin bessere Beschäftigungschancen haben. Die Zahl der kurzzeitig Arbeitslosen ging im Verlauf des Jahres bis auf den Juli Monat für Monat zurück und lag zuletzt um fast 540.000 unter dem Novemberwert vor einem Jahr. Seit April 2006 ist auch die Arbeitslosigkeit bei den „Hartz-IV“-Empfängern im Monatsverlauf ­ gesunken, aber deutlich schwächer. Hauptgrund für diese Entwicklung ist aber weniger, dass die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung endlich auch zur Überwindung der strukturell verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit beiträgt. Maßgeblich beruht der Rückgang offenkundig auf intensiverer Betreuung von Langzeitarbeitslosen sowie systematischerer Überprüfung, ob diese tatsächlich für die Vermittlung zur Verfügung stehen. So erfreulich es ist, dass die notwendige Aktivierungsstrategie bei Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen offenbar endlich anläuft – innerhalb des vergangenen Jahres ist der Anteil der arbeitslosen Fürsorgeempfänger an den Arbeitslosen

Bei relativ stabiler Konjunktur rechnen die Wirtschaftsforscher für 2007 mit einem erneuten Plus bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung um rund 250.000, etwa in gleichem Umfang soll die registrierte Arbeitslosigkeit sinken. Damit würde der Jahresdurchschnitt der Arbeitslosen 2007 aber immer noch knapp 4,3 Mio. betragen. Dies zeigt, dass die Politik noch viel mehr tun muss, um den deutschen Arbeitsmarkt wieder in Ordnung zu bringen.

Beitragssenkung: Reformkurs der Bundesagentur trägt Früchte Im Jahre 2006 ist die Bundesagentur für Arbeit (BA) in ihrem Reformprozess ein gutes Stück weitergekommen. Greifbare Ergebnisse lieferte auch 2006 das seit rund vier Jahren praktizierte Steuerungssystem, das die Mittelverwendung in der Arbeitsmarktpolitik auf Wirkung und Wirtschaftlichkeit ausrichtet. Die BA konnte 2006 erstmals seit 20 Jahren wieder einen deutlich positiven Jahresabschluss aufweisen. So können die Beitragssätze zur

Langzeitarbeitslosigkeit bleibt 2006 auf hohem Niveau Arbeitslose im SGB II Arbeitslose im SGB III in Mio. 3

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Quelle: Bundesagentur für Arbeit

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Mit der deutlichen Entlastung beim Versicherungsbeitrag wird eine langjährige Forderung der BDA umgesetzt. Die BDA war im Laufe des Jahres allen Versuchen entschieden entgegengetreten, die Überschüsse der BA teilweise zur Sanierung des Bundeshaushaltes zu missbrauchen. Sie hatte sich dafür eingesetzt, den Beitragszahlern das zu viel gezahlte Geld über eine höhere als ursprünglich von der großen Koalition geplante Absenkung des Beitragssatzes zurückzugeben. Die BDA wird weiter darauf drängen, auch alle sich darüber hinaus ergebenden Potenziale zur Senkung des Beitragssatzes zu nutzen. Dabei darf die Bundesagentur jedoch nicht wieder in ein strukturelles Dauerdefizit gebracht werden. Vielmehr muss die Politik den Reformkurs in der BA durch nachhaltige Strukturreformen auch auf der Ausgabenseite flankieren und voranbringen. Dies ist umso wichtiger, als in den

anderen Sozialversicherungszweigen die Beiträge sogar noch weiter ansteigen werden. Die BDA hat zu Beginn des Jahres 2006 mit dem ­Positionspapier „Marktnähe und Wirtschaftlichkeit“ Eckpunkte für die Neuausrichtung der Arbeitslosenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht und darin Wege aufgezeigt, wie die Arbeitslosenversicherung nachhaltig weiter entlastet und auf ihre Kernaufgaben konzentriert werden kann. Dazu gehört, die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld – wie bis 1985 – auf maximal zwölf Monate festzulegen und auch eine Wartefrist von vier Wochen vor dem Bezug von Arbeitslosengeld einzuführen. Dies setzt mehr Anreize, schnell eine neue Beschäftigung zu suchen und Zeiten der Arbeitslosigkeit so kurz wie möglich zu halten. Überdies gilt es, die BA und Beitragszahler von versicherungsfremden Ausgaben zu entlasten. Nach wie vor werden aus Mitteln der Beitragszahler erhebliche gesamtgesellschaftliche Aufgaben und Ausgaben ­geleistet. Diese müssen wie etwa der systemwidrige Aussteuerungsbetrag ganz gestrichen bzw., falls grundsätzlich sinnvoll und notwendig, wie zum Beispiel besondere Hilfen zur erstmaligen Eingliederung von behinderten Jugendlichen in den Arbeitsmarkt, konsequenterweise aus Steuermitteln finanziert werden.

Beitragslast aus Arbeitslosenversicherung sinkt spürbar Jahresbeitrag pro Versichertem (in €)

1.958 1.825

2006 (Einschätzung Bundesagentur für Arbeit) Quelle: Bundesagentur für Arbeit

inkl. 13. Monatsbeitrag

2006

-768 € 1.190

2007 (Eckwerte Bundesregierung)

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Arbeitslosenversicherung ab Januar 2007 unter anderem deshalb auf 4,2 % und damit stärker gesenkt werden als ursprünglich vom Gesetzgeber beschlossen, weil die Mittel gerade auch für Arbeitsmarktpolitik möglichst effektiv und sparsam eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund der von der BA vorsichtig geschätzten künftigen Entwicklung der Zahl der Beitragszahler und der Leistungsempfänger ist diese massive Beitragssenkung auch mittelfristig solide finanziert.

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Trotz des erheblichen gesetzgeberischen Reformbedarfs und trotz der Überfrachtung mit der neuen ­Fürsorgeleistung seit Beginn des Jahres 2005 haben die BA und ihre Agenturen gute Voraussetzungen für ihre Weiterentwicklung zu einem kundenorientierten Arbeitsmarkt-Dienstleister geschaffen. Ein Meilenstein war der Umbau der Agenturen zu modernen Kundenzentren. Auch die neuen Handlungsprogramme, mit denen verbindliche Qualitätsstandards in der Arbeitsvermittlung eingezogen werden, weisen grundsätzlich den richtigen Weg. Tatsache ist aber auch, dass von der BA in wichtigen Bereichen noch regelrechte Leistungssprünge zum ­Besseren erbracht werden müssen. So muss die BA nach den umgesetzten Reformschritten 2007 nun endlich durch ein systema­tisches Profiling der Stärken und Schwächen auf der Bewerberseite und einen professionellen Arbeitgeberservice bei der Besetzung freier Stellen überzeugen. Die Unternehmen erwarten zu Recht eine intensivere und qualitativ erheblich bessere Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Bewerbern für offene Stellen. Dabei muss die BA eng mit privaten Dienstleistern kooperieren. Die Arbeitsagenturen dürfen in den privaten Dienstleistern nicht Konkurrenten sehen, sondern müssen sie als Partner zur möglichst optimalen Erfüllung ihrer Aufgabe einbinden. Der Vermittlungserfolg der Privaten kann dann auch der eigene Erfolg sein und muss als solcher verstanden und angestrebt werden. Die gestiegene Zahl offener Stellen, die oft vergebliche Suche von Unternehmen nach geeigneten Fachkräften – der Bedarf wird 2007 anhalten und steigen – werden die BA in der nächsten Zukunft vor neue große Bewährungsproben stellen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de zugänglich.

Aussteuerungsbetrag abschaffen Den Aussteuerungsbetrag muss die BA aus Beitragsmitteln an den Bundeshaushalt abliefern, wenn innerhalb von drei Monaten nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes der Arbeitslose „Arbeitslosengeld II“ bezieht. Die ­Belastung der Beitragszahler summiert sich seit der Einführung des Aussteuerungsbetrags im Jahre 2005 auf weit über 7 Mrd. €. Im Jahre 2007 ist dies mit geplanten 4 Mrd. jeder achte Euro der voraussichtlich 31 Mrd. € Bei-

tragseinnahmen. Die Begründung, wonach der Aussteuerungsbetrag ein Anreiz für die BA sein soll, den Übertritt eines Arbeitslosengeld-Empfängers nach „Arbeitslosengeld II“ zu vermeiden, ist politisch vorgetäuscht. Es gehört zu den Kernaufgaben der BA, ihre Versicherungsnehmer nach besten Kräften dabei zu unterstützen, Arbeitslosigkeit zu verhindern bzw. zu verkürzen. Falls dies nicht oder erst spät gelingt, muss die BA umso mehr Arbeitslosengeld zahlen. Sie hat also ein direktes eigenes finanzielles Interesse. Der Aussteuerungsbetrag ist deshalb nicht nur unnötig, er ist auch kontraproduktiv, weil er eine im Einzelfall sinnvolle Weiterbildung und Qualifizierung sogar erschwert und verhindert. Geradezu absurd ist es, dass der Aussteuerungsbetrag sogar dann von der BA bezahlt werden muss, wenn ältere Arbeitslose von der 58er-Regelung Gebrauch machen und deshalb für eine Vermittlung ausdrücklich nicht zur Verfügung stehen. Der Aussteuerungsbetrag ist deshalb nichts anderes als ein Instrument zur Finanzierung des Bundeshaushalts durch die Beitragszahler. Dies offenbarten auch jüngste Versuche, durch einen drastisch erhöhten Aussteuerungsbetrag einen weiteren erheblichen Teil der Überschüsse der BA zur Reduzierung des Defizits in den Bundeshaushalt umzuleiten. Die BDA hat sich von Anfang an gegen diesen Griff in die Tasche der Beitragszahler gewandt. Leider hat die Politik die Chance vertan, mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 und der damit verbundenen Erhöhung der ­Mehrwertsteuer zu einer sinnvollen, für Bund und Länder kostenneutralen Lösung zu kommen und das in die Verantwortung der Steuerzahler zu überführen, was nicht Sache der Beitragszahler ist. Hier bestand nämlich die Möglichkeit, den Aussteuerungsbetrag zumindest mit den der BA zufließenden Mehrwertsteuereinnahmen zu verrechnen und damit abzuschaffen, ohne finanzielle Zusatzprobleme für den Bund zu schaffen. Nachdem alle bisherigen politischen Gespräche erfolglos geblieben sind, hat die Selbstverwaltung der BA auf Initiative der Arbeitgebergruppe beschlossen, ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages in Auftrag zu geben. Die Vergabe dieses für die Meinungsbildung zur Arbeitsmarktpolitik wichtigen Gutachtens hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Rechtsaufsicht untersagt. Der Verwaltungsrat der BA hat entschieden, sich gegen den Versuch, die selbstverwaltete Arbeitslosenversicherung in ihren Rechten


Aussteuerungsbetrag: Bisher 7,8 Mrd. € zweckentfremdet in Mrd. 1,6 1,4

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e­ inzuschränken und an das Gängelband des ­Ministeriums zu legen, mit allen rechtlichen Mitteln zu wehren. Um weitere zeitliche Verzögerungen zu vermeiden, werden BDA und DGB das Gutachten nötigenfalls vorfinanzieren. Sollte das Gutachten die Verfassungswidrigkeit des Aussteuerungsbetrags feststellen, wird die BDA mit Mus­ terklagen Beitragszahler beim gerichtlichen Vorgehen gegen die ungerechtfertigte Belastung mit dem Aussteuerungsbetrag unterstützen. Es handelt sich immerhin um einen Betrag von rund einem halben Prozentpunkt des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung.

„Arbeitslosengeld II“: Generalüberholung bleibt erforderlich Trotz der zwischenzeitlichen gesetzlichen Korrekturen bleiben schwerwiegende Konstruktionsfehler bei der neuen Fürsorgeleistung „Arbeitslosengeld II“ bestehen. Sie führen zu einer anhaltend hohen Zahl von Leistungsempfängern, weiter über dem Plan liegenden Kosten und einer insgesamt noch völlig unzureichenden Aktivierung von Langzeitarbeitslosen. Erfreulicherweise zeichnen sich immerhin erste Erfolge bei der Aktivierung junger

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­Arbeitsloser ab, deren Zahl im Verlauf des Jahres um rund 80.000 und damit ein Viertel auf 240.000 zurückgegangen ist. Die BDA hat im Juli einen 10-Punkte-Plan zur Gene­ralüberholung von „Hartz IV“ vorgelegt, in dem der fortbestehende dringende Nachbesserungsbedarf aufgezeigt wird. Grundvoraussetzung für insgesamt bessere Ergebnisse beim „Arbeitslosengeld II“ bleibt eine klare Aufgaben- und Verantwortungszuweisung: Die Mischzuständigkeit zwischen Arbeitsagenturen und ­Kommunen in den so genannten Arbeitsgemeinschaften ist und bleibt völlig verunglückt. Vieles liegt jetzt am Goodwill zu ­reibungsloser Kooperation vor Ort, wenn die Politik nicht die Kraft zur klaren Verantwortungszuweisung ­ findet. Wichtig ist überdies, auch im steuerfinanzierten Für­ sorgebereich vollständige Transparenz über Kosten und Wirkungen der Maßnahmen herzustellen, um erstmalig auch einen validen Überblick zu erhalten, mit welchen Maßnahmen und Mitteleinsätzen welche Integrationswirkungen für Langzeitarbeitslose erzielt werden. Das „Arbeitslosengeld II“ muss auf eine zügige Beschäftigungssuche und Arbeitsaufnahme ausgerichtet werden. Leistungen, die über den Existenzsicherungsbedarf des Hilfebedürftigen hinausgehen, konterkarieren dieses Ziel.

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Dies gilt zum Beispiel für die systemwidrigen Zuschläge, die ehemalige Empfänger von Arbeitslosengeld teilweise noch bis ins vierte Jahr der Arbeitslosigkeit hinein zusätzlich zum „Arbeitslosengeld II“ erhalten. Die Höhe von „Arbeitslosengeld II“ muss nach objektiven Kriterien festgelegt und auch entsprechend den regional sehr unterschiedlichen Lebenshaltungskosten differenziert werden. Deshalb war die bundesweite Angleichung des Regelsatzes auf das höhere Westniveau von 345 € falsch. Überprüfungsbedürftig anhand objektiver Kriterien ist auch die Gesamthöhe des freigestellten Vermögens, das „Arbeitslosengeld-II“-Empfänger nicht einzusetzen brauchen. Die Vervielfachung der Vermögensfreibeträge gegenüber der früheren Sozialhilfe ist einer der Gründe für den Anstieg der Zahl der Leistungsbezieher. Die politisch diskutierte weitere Anhebung von Freibeträgen ist gerade unter dem Gesichtspunkt der Belastung gering verdienender Arbeitnehmer mit Steuern sozial nicht zu rechtfertigen. Dringend korrigiert werden muss auch die mit „Hartz IV“ weitge-

10-Punkte-Plan der BDA zur Reform von „Hartz IV“ Gewaltige Konstruktionsfehler bei der neuen Fürsorgeleistung „Arbeitslosengeld II“ haben statt weniger Langzeitarbeitslosen, weniger Kosten für den Steuerzahler und weniger Verwaltungsaufwands bislang das genaue Gegenteil bewirkt. Die Nachbesserungen des Gesetzgebers haben keine grundlegende Wende zum Besseren gebracht, sondern lediglich einige Fehler beseitigt, teilweise jedoch sogar neue gebracht. Die BDA hat einen 10-Punkte-Handlungskatalog zur Generalüberholung erarbeitet:  Organisationschaos durch klare Aufgaben- und Verantwortungszuweisung beseitigen  Leistungsfeindliche Zuschläge abschaffen  Leistungsniveau nach objektiven Kriterien festlegen. „Arbeitslosengeld II“ ohne Arbeitsbereitschaft für Ältere (so genannte 58er-Regelung) abschaffen  Gegenseitige Unterstützung von Eltern und Kindern wie in der früheren Sozialhilfe auch beim ­„Arbeitslosengeld II“ durch einen Unterhaltsrückgriff wiederherstellen

hend aufgegebene Verantwortung innerhalb der Familie, die eine weitere Ursache für die enorm gestiegene Zahl der Leistungsbezieher ist. Wie in der früheren Sozialhilfe muss die gegenseitige Unterstützung von Eltern und Kindern wieder Vorrang vor staatlicher Fürsorge erhalten. Positiv ist hingegen, dass der Gesetzgeber die von der BDA lange geforderte Beweislastumkehr für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft eingeführt hat. Nach bisheriger Rechtslage konnte ein zusammenlebendes Paar durch die bloße Behauptung, nicht füreinander einstehen zu wollen, eine Anrechnung von Partnereinkommen verhindern. Dringend erforderlich war es weiter, dem mit „Arbeitslosengeld II“ finanzierten Auszug junger Menschen aus der elterlichen Wohnung einen Riegel vorzuschieben. Zu begrüßen sind auch die verbesserten Möglichkeiten zur Missbrauchsbekämpfung, wie sie unter anderem durch den Abgleich von Konten erreicht werden sollen.

 Keine Einrichtung eines so genannten dritten Arbeitsmarktes mit mehreren 100.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsgelegenheiten für angeblich nicht mehr Vermittelbare  Öffentliche Arbeitsgelegenheiten („1-€-Jobs“) zur Überprüfung der Kooperationsbereitschaft nur bei voller Transparenz und ausreichender Kontrolle und nicht gegen das Votum der Vertreter der regionalen Wirtschaft einrichten  50%iger Regelsatz für Jugendliche, die alle ein Angebot etwa in Form einer Ausbildung, einer Beschäftigung, eines Praktikums oder notfalls auch einer Arbeitsgelegenheit erhalten und bei Annahme den vollen Regelsatz bzw. bei Entlohnung ein Kombi-Einkommen mit aufstockendem „Arbeitslosengeld II“ beanspruchen können  Kombi-Einkommen aus eigenem Lohn und ergänzendem „Arbeitslosengeld II“ weiterentwickeln und auf Überwindung der Hilfebedürftigkeit ausrichten und nicht auf optimale Kombination voller Fürsorgeleistung mit geringem Hinzuverdienst  Strafzahlung der BA an den Bund in Form des Aussteuerungsbetrages beenden



Kombi-Einkommen konsequent nutzen

aufstockendem „Arbeitslosengeld II“. Dieses ist zwar noch verbesserungsfähig, grundsätzlich aber richtig. Es kann daher nicht um die Einführung eines neuen Kombi-Einkommens gehen, sondern nur darum, mit diesem Ansatz insgesamt mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme und zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit zu setzen.

Vor dem Hintergrund der im Koalitionsvertrag vereinbarten Regelungen zur Belebung des Niedriglohnsektors ist 2006 die Diskussion über die Einführung von „Kombilöhnen“ für mehr Beschäftigungschancen von Langzeitarbeitslosen und geringer Qualifizierten wieder aufgelebt. Richtig ausgestaltet – als Kombination aus eigenem Arbeitseinkommen und ergänzender staatlicher Unterstützung bei Bedürftigkeit – leisten Kombi-Einkommen einen Beitrag zur dringend notwendigen Belebung des Niedriglohnsektors, der insbesondere erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Chance zum (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt und damit auch zum beruflichen Aufstieg gibt. Was viele in der Diskussion vergessen: Es gibt seit der Einführung von „Hartz IV“ bereits ein Kombi-Einkommen in Form von

Die BDA hat in ihrem Diskussionspapier „Mehr Beschäftigung für gering Qualifizierte und Langzeit­arbeitslose“ aus dem Februar 2006 Wege zur Belebung des Niedriglohnsektors und zur Weiterentwicklung des Kombi-Einkommens vorgestellt. Darin wurde noch einmal verdeutlicht, dass staatliche Zuschüsse in jedem Fall an die individuelle Hilfebedürftigkeit des Arbeitnehmers gekoppelt sein müssen und nur dann gezahlt werden dürfen, wenn das eigene Erwerbseinkommen nicht zur Deckung des Lebensunterhalts ausreicht. Zuschüsse jenseits der Bedürftigkeit sind kontraproduktiv und völlig unvertretbar. Fälschlicherweise als KombiEinkommen deklarierte flächendeckende Lohnsubventionen führen zu massiven Mitnahmeeffekten, kosten viel Geld und entfalten keine positive Wirkung am Arbeitsmarkt. Statt die zu hohen Arbeitskosten mit steuer-

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Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosengeld II“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

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Verbesserungsbedarf gibt es dagegen bei der Abstim­ mung von Fürsorgeleistung und Steuersystem. Es macht keinen Sinn, von einem geringen Einkommen zunächst Steuern einzubehalten, um dann an dieselbe Person wegen Bedürftigkeit aus Steuermitteln staatliche Zuschüsse auszuzahlen. Damit das Kombi-Einkommen am Arbeitsmarkt besser wirken kann, müssen vor allem auch die nach wie vor bestehenden Fehlanreize wie die Zuschläge zum „Arbeitslosengeld II“, die einer schnellen Jobsuche entgegenstehen, konsequent beseitigt werden. Ziel aller Maßnahmen muss überdies immer die Überwindung der Hilfebedürftigkeit sein. Dabei ist jeder Einstieg in Beschäftigung – auch über einen Minijob – grundsätzlich richtig. Es ist aus ökonomischen und sozialen Gründen aber nicht hinnehmbar, dass derzeit offenbar viele Hilfebedürftige bei viel Freizeit nur ein „großzügiges Taschengeld“ hinzu­verdienen wollen und sich dauerhaft im Leistungsbezug einrichten: Von den knapp 1 Mio. Kombi-Einkommens­beziehern hat die Hälfte nur ein Erwerbseinkommen im Minijob-Umfang, rund ein Drittel sogar nur von monatlich unter 200 €. Grundsätzlich richtige und sehr begrüßenswerte Vorschläge für mehr Arbeitsanreize kamen im Spätsommer 2006 vom Sachverständigenrat. So haben die Wirtschaftsweisen vorgeschlagen, die reine Fürsorgeleistung ohne Gegenleistung in Form von Arbeit abzusenken und dafür den Zuschuss bei eigener Arbeit stark zu erhöhen. Eine vollständige und schnelle Umsetzung dürfte allerdings schwierig und aufgrund der kurzfristig notwendigen zusätzlichen öffentlichen Arbeitsgelegenheiten mit erheblichen Verdrängungsgefahren am ersten Arbeitsmarkt verbunden sein. Die BDA hat deshalb vorgeschlagen, dass zunächst jedem jungen

Menschen unter 25 Jahren, der „Arbeitslosengeld II“ beantragt, zum Einstieg in das Berufsleben ein Angebot in Form einer Ausbildung, einer Beschäftigung, eines Praktikums oder notfalls auch einer Arbeitsgelegenheit gemacht wird. Wer dieses Angebot annimmt, erhält den vollen Regelsatz (100 % „Arbeitslosengeld II“) bzw. bei geringer Entlohnung ein Kombi-Einkommen mit aufstockendem „Arbeitslosengeld II“. Dieses Angebot rechtfertigt es, für alle Jugendlichen den „ArbeitslosengeldII“-Regelsatz auf 50 % der vollen Leistung festzusetzen. Mit dem Einstieg bei Jugendlichen könnte das notwendige Umdenken zur vorrangigen Eigenverantwortung vor subsidiärer staatlicher Hilfe vorangebracht werden. Kein Jugendlicher in unserer Gesellschaft soll die Erfahrung machen, dass er nach Ende seiner Schulzeit auch ohne irgendeine eigene Leistung vom Staat vollständig versorgt wird. Nicht nachvollziehbar ist, dass das Kombi-Einkommen in der öffentlichen Debatte im Zusammenhang mit dem Thema „Mindestlohn“ diskutiert wird. Denn beide Ansätze verhalten sich zueinander wie Feuer und Wasser. Die Idee, mit Hilfe von Kombi-Einkommen mehr Beschäftigungsdynamik im Bereich einfacher Tätigkeiten zu entfalten, setzt denknotwendig niedrige, an der geringeren Produktivität orientierte Löhne voraus. Mindestlöhne hingegen würden eine produktivitätsorientierte Entlohnung ausschließen, die Arbeitskosten künstlich in die Höhe treiben und viele „einfache“ Beschäftigungsmöglichkeiten für nicht oder schlecht Qualifizierte verhindern. Die Politik muss sich entscheiden, ob sie über Kombi-Einkommen mehr Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitslose und geringer Qualifizierte schaffen will oder ob sie über Mindestlöhne Langzeitarbeitslosigkeit mit dauerhaftem Fürsorgebezug regelrecht zementiert. Noch absurder ist die Vorstellung, Menschen mit geringer Qualifikation über Mindestlöhne erst vom ersten Arbeitsmarkt auszusperren, um sie dann im so genannten dritten Arbeitsmarkt, einem dauerhaft geförderten, sozialversicherungspflichtigen öffentlichen Beschäftigungssektor, genau die Tätigkeiten ausführen zu lassen, die sich am ersten Arbeitsmarkt wegen des vorgeschriebenen Mindestlohnes nicht mehr rechnen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Kombi-Einkommen“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

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finanzierten Subventionen punktuell zu senken, müssen endlich Strukturreformen in Angriff genommen werden, um die Kosten für die Schaffung von Arbeitsplätzen insgesamt zu reduzieren. Viele der zum Teil erneut in die Diskussion eingebrachten Vorschläge wie zum Beispiel die so genannte „Magdeburger ­Alternative“ oder der Kombilohn Nordrhein-Westfalen sind deshalb strikt abzulehnen. Auch die bislang von den Unionsparteien vorgestellten Pläne für einen „Job-­bonus“ gehen in die falsche Richtung, ebenso wie die im Rahmen der „Initi­ ative 50plus“ geplante Ausweitung der Lohnkosten­ zuschüsse für ältere Arbeitslose.

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Erwerbsbeteiligung Älterer im Vergleich zur Erwerbsbeteiligung insgesamt (1993 – 2005 *) Ältere gesamt in % 70,0

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2004

2005

* Aufgrund von Änderungen bei der Datenerhebung im Jahre 2005 ist der Vergleich mit den Vorjahreswerten nur eingeschränkt möglich. Die Daten für 2006 liegen noch nicht vor Quelle: Eurostat; eigene Darstellung der BDA

„Initiative 50plus“: Hohe Kosten bei fragwürdiger Wirkung Mit der „Initiative 50plus“, die von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde, soll mehr Beschäftigung für Ältere geschaffen werden. Inhalt ist neben der Neugestaltung der Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitslosen die Ausweitung bestehender Förderinstrumente. Die so genannte Entgeltsicherung für ältere Arbeitslose zur Abfederung eines Lohnverlusts bei der Aufnahme einer niedriger bezahlten Beschäftigung soll massiv auf zwei Jahre ausgeweitet werden. Beim Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitslose soll es nicht mehr auf das Erfordernis individueller Vermittlungshemmnisse ankommen. Die aus Beitragsmitteln gezahlte Förderung der Weiterbildung Älterer soll schon für 45-Jährige in Betrieben bis zu 250 Beschäftigten möglich sein. Bei allen Förder­instrumenten werden die Grenzen einer sinnvollen Eingliederungsunterstützung durch die Arbeitslosenversicherung zu einer Subventionierung von Beschäftigung und zu einer allgemeinen Weiterbildungsförderung zum Teil massiv überschritten.

Damit kann das Ziel, mehr Beschäftigung für ältere Arbeitnehmer, nicht erreicht werden. Statt neuer Instrumente zur Subventionierung der Beschäftigung Älterer ist vielmehr eine widerspruchsfreie Gesamtstrategie für mehr Wachstum und Beschäftigung notwendig. Nur so können sich die erkennbaren ersten Erfolge beim Anstieg der Beschäftigung Älterer zu einem wirklichen Durchbruch entwickeln. Die BDA hat zu Beginn des Jahres 2006 ein Diskussionspapier vorgelegt, in dem Handlungsfelder für mehr Beschäftigung Älterer und die Bewältigung der demografischen Herausforderung aufgezeigt werden: Dazu zählen insbesondere eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung insgesamt, die Beseitigung der fortbestehenden Frühverrentungsanreize im Arbeitsförderungsrecht, ein flexibleres Arbeitsrecht, die Beseitigung von Senioritätsprivilegien in Tarifverträgen und der Erhalt der Beschäftigungs- und Arbeitsfähigkeit. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ältere Arbeitnehmer“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.


Mehr Beschäftigung für schwerbehinderte Menschen ist weiterhin ein wichtiges Ziel der BDA. Sie beteiligt sich deshalb unter anderem auch an der Initiative der Bundesregierung „Jobs ohne Barrieren“, mit der die Teil­ habe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben gestärkt werden soll. Mit dieser Kampagne werden vorbildliche Initiativen und Bemühungen von Unternehmen finanziell unterstützt und einer breiten Öffentlichkeit als nachahmenswerte Beispiele zugänglich gemacht. Auch an diesen Beispielen wird ­deutlich, dass sich viele Arbeitgeber unabhängig von gesetz lichen Vorgaben, ja geradezu trotz der gesetzlichen Las­ten mit großem persönlichen ­Engagement für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen einsetzen. Umso mehr kommt es darauf an, vorurteilsfrei auch die Beschäftigungshemmnisse im deutschen Schwerbehindertenrecht zu analysieren. Denn auch gut ge-

meinte gesetzliche Vorschriften können Menschen von beruflicher Teilhabe ausgrenzen. Im Dialog mit der Politik setzt sich die BDA mit Nachdruck dafür ein, das Schwerbehindertenrecht von Überregulierung und unnötigen bürokratischen Vorgaben zu befreien. Die in den letzten Jahren erfolgten Novellierungen des Schwerbehindertenrechts haben die Verbürokratisierung größtenteils noch verstärkt und zusätzlich zu ­erheblicher Rechtsunsicherheit in den Unternehmen geführt. Dies gilt ganz besonders für die stetige Ausweitung und Verschärfung der Präventionsvorschrift. Die zuletzt vorgenommene Einführung des so ­ genannten „betrieblichen Eingliederungsmanagements“ hat mehr Fragen und Streitigkeiten aufgeworfen als Klarheit geschaffen. Sie hat die Verrechtlichung der Prävention unnötig und überhastet vorangetrieben, anstatt die ­ bereits bestehenden erfolgreichen betrieblichen ­Modelle ­anderen Unternehmen als Vorbild anzubieten und diese zu eigenen Lösungen anzuregen. Die Verrechtlichung fördert nicht eine sinnvolle Prävention, sondern lenkt geradezu vom gemeinsamen Interesse aller Beteiligten in der betrieblichen Praxis an einer wirksamen Prävention ab. Sie wirkt kontraproduktiv. Die BDA konnte bisher glücklicherweise verhindern, dass –

ARBEITSMARKT Inhalt

Beschäftigung schwerbehinderter Menschen – Weniger Regulierung und Bürokratie

19 3


wie im Bundesministerium für Arbeit und Soziales angedacht – schon wieder eine erneute Verschärfung der Präventionsvorschrift eingeleitet wurde.

ARBEITSMARKT

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Beschäftigung schwerbehinderter Menschen“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

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Deutschland muss für hochqualifizierte Zuwanderer attraktiver werden Bei der Evaluation des Zuwanderungsgesetzes zu Beginn des Jahres schienen sich im Ergebnis alle einig zu sein, dass das Gesetz zwar eine Reihe von positiven Neuerungen enthält, die neuen Regelungen aber insgesamt immer noch zu bürokratisch und zu sehr auf bloße Verhinderung von Zuwanderung anstelle einer zielgerichteten Steuerung im deutschen Interesse ausgerichtet sind. Insbesondere für hochqualifizierte ausländische Arbeitskräfte und Selbstständige bleibt es aufgrund viel zu hoher Einkommens- bzw. Investitionsanforderungen nach wie vor wenig attraktiv, mit längerfristiger Perspektive nach Deutschland zu kommen. Leider hat sich die Koalition bisher immer noch nicht dazu durchgerungen, den Zuzug gut ausgebildeter Ausländer durch Absenkung der festgelegten Mindesteinkommensgrenze von derzeit ca. 85.000 € pro Jahr zu erleichtern. Dies ist eine folgenschwere Fehlentscheidung. Denn wer die besten Köpfe der Welt haben will, darf sie nicht aussperren. Vielmehr erfordern der zunehmende internationale Wettbewerb, eine wachsende Zahl nicht besetzbarer Arbeitsplätze und der demografisch bedingte Rückgang der inländischen Erwerbsbevölkerung eine konsequente Weiter­ entwicklung des deutschen Zuwanderungsrechts. Die hohe Einkommensanforderung für Hochqualifizierte entspricht dem rund Dreifachen des deutschen Durchschnittseinkommens und kann insbesondere selbst von höchstqualifizierten jungen Nachwuchskräften nicht erreicht werden. Europäische Nachbarländer mit vergleichbaren Einkommenswerten lassen für den Zugang zum Arbeitsmarkt ein Jahreseinkommen von 45.000 € ausreichen. Und gerade die jungen, hochqualifizierten und hochmotivierten, sich leicht integrierenden Zuwanderer benötigen wir doch. Auch

die Regelungen für das Zuzugs- und Aufenthaltsrecht von Selbstständigen sind viel zu restriktiv. Dabei ­leisten gerade Selbstständige ernorme Beiträge für mehr wirtschaftliche Dynamik in Deutschland, denn sie beschäftigen zumeist nicht nur sich selbst, sondern schaffen weitere Arbeitsplätze. Die Abschottung des Arbeitsmarktes gegen ausländische Arbeitnehmer und Selbstständige hat weder in der Vergangenheit das Problem der viel zu hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland verhindert noch wird es in Zukunft dazu führen, die strukturell verfestigte Arbeitslosigkeit gerade von gering Qualifizierten zu reduzieren. Erforderlich hierfür sind mehr Arbeitsanreize im Fürsorgesystem und ein umfassendes Reformkonzept für mehr Beschäftigung und wirtschaftliches Wachstum insgesamt. Gesteuerte, arbeitsmarktorientierte Zuwanderung kann hierbei ein wichtiger Impuls sein. Die BDA setzt sich für die Einführung eines Punkte­ systems ein, um die Zuwanderung im deutschen Interesse nach bestimmten persönlichen Qualifikationen wie Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen zu steuern. Im Rahmen enger Kontingente könnten dann diejenigen schnell, unbürokratisch und flexibel ausgewählt werden, die hier gebraucht werden und von ­denen eine schnelle Integration zu erwarten ist. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zuwanderung und Integration“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.




23 3

Arbeitsrecht Arbeitsrecht Inhalt


Arbeitsrecht

Privatautonomie im Griff der Antidiskriminierung

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Mit dem am 18. August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat die Überregulierung des Arbeitsrechts im Jahre 2006 einen neuen Höhepunkt erreicht. Darüber hinaus wird das gesamte Zivilrecht mit dem Mehltau von Bürokratie und Rechtsunsicherheit belastet. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist einer der schwerwiegendsten Eingriffe in die Privatautonomie seit Jahrzehnten. Dieser Eingriff wird Gestalt und Inhalt der Vertragsfreiheit, die in Deutschland durch das Grundgesetz geschützt ist und die die wesentliche Grundlage jeder freien Gesellschaftsordnung darstellt, massiv beeinträchtigen und ist geeignet, diese Vertragsfreiheit an vielen Stellen auszuhöhlen. Die vier so genannten Antidiskriminierungsrichtlinien, auf denen das AGG basiert und über die das AGG auch noch hinausgeht, hätten auf europäischer Ebene verhindert werden können. Dass dies nicht erfolgt ist, ist bereits ein schwerwiegendes Versäumnis der Politik. Die

Richtlinien verstoßen nicht nur gegen den auch in Europa verankerten Grundsatz von Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit, sie widersprechen auch dem mittlerweile von der Kommission aufgegriffenen Ziel des Bürokratieabbaus und der besseren Rechtsetzung. Kommission und Europäisches Parlament bleiben aufgefordert, die Richtlinien zu überarbeiten und überflüssige Regelungen rückgängig zu machen. Die BDA hat sich seit 1999 zuerst auf europäischer Ebene und danach auf der Ebene des deutschen Gesetzgebers und der deutschen Politik mit ganzer Kraft gegen das Inkrafttreten der Richtlinien und gegen die verfehlten zu ihrer Umsetzung vorgesehenen Gesetzentwürfe gewendet. Die ersten Überlegungen aus dem Bundesjustizministerium im Jahre 2001, die sich allerdings auf das Zivilrecht beschränkten, konnten zwar ebenso verhindert werden wie der erste Anlauf eines eigenständigen Antidiskriminierungsrechts in Form des so genannten Antidiskriminierungsgesetzes (ADG), das zwar noch im Jahre 2005 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, mangels abschließender Beratung im Bundesrat aber nicht mehr in Kraft treten konnte.


Die fehlende Kohärenz des Gesetzes wird auch daran deutlich, dass das Gesetz bereits wieder geändert werden musste und dabei erste Systemfehler aufgehoben wurden. Auch diese systematische Anpassung ändert aber nichts an der Gesamtbewertung, dass es sich um ein verfehltes, über die europäischen Richtlinien hinausreichendes Gesetzeswerk handelt, das eben gerade keine systemgerechte Einfügung der europäischen Vorgaben in das deutsche Recht darstellt. Allzu oft vergisst der deutsche Gesetzgeber, dass Richtlinien nicht einfach abgeschrieben werden müssen und können, sondern im Gegensatz zu europäischen Verordnungen systemgerecht in die nationalen Rechte übertragen werden müssen. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hat die BDA in zahlreichen Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern auf Bundes- und Landesebene, mit Abgeordneten, Ministerpräsidenten und Ministern auf eine Verbesserung des Gesetzes hingewirkt. Eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit mit zwei großen Symposien unter Vertretung von Wissenschaft, Rechtsprechung und Gesetzgebung hat das Engagement der BDA für die ­deutsche Wirtschaft unterstützt. Die BDA wird weiter auf eine Veränderung der Richtlinien auf europäischer Ebene wie auch auf eine Anpassung der deutschen Umsetzung im AGG hinwirken. Um den Unternehmen zu helfen, mit dem Gesetz umzugehen, Rechtsunsicherheit entgegenzuwirken und Unterstützung zu leisten, hat die BDA unmittelbar nach ­Inkrafttreten des Gesetzes auf zahlreichen Veranstaltungen über die Auswirkungen des AGG auf die betriebliche Praxis und erste Erfahrungen mit dem Gesetz informiert. Wir haben im gesamten Bundesgebiet Schulungen von Verbands- und Unternehmensvertretern zum Umgang mit dem AGG durchgeführt. In einem ersten Handlungsleitfaden haben wir Hinweise zu Pflichten und Risiken aus dem AGG und Vorschläge zur Umsetzung der neuen Pflichten in die Praxis zusammengefasst. Wir planen, Unternehmen und Verbände durch geeignete Maßnahmen vor Rechtsmissbrauch von nicht ernst

gemeinten Bewerbungen und Bewerbern zu sichern. Solche so genannten „AGG-Hopper“ bewerben sich bereits seit einiger Zeit und verstärkt seit Inkrafttreten des AGG initiativ oder gezielt auf Stellenausschreibungen, insbesondere solche Stellenausschreibungen, die tatsächliche oder vermeintliche Fehler aufweisen, obwohl sie weder an der Tätigkeit interessiert noch nach ihrer Qualifikation für die Tätigkeit geeignet sind. Das eigentliche Ziel ist die Ablehnung der Bewerbung, um im Anschluss daran von dem Arbeitgeber eine Entschädigungszahlung zu verlangen. Erkennt das Gericht den Missbrauch nicht, können dem Arbeitgeber Entschädigungszahlungen bis zu drei Monatsgehältern drohen. Diskriminierungen in Wirtschaft und Beruf sind nicht akzeptabel. Die Arbeitgeber unterstützen ein Leben und Arbeiten in Vielfalt (Diversity). Keinesfalls aber darf solche berechtigte Förderung von unterschiedlichen Kulturen und Lebensentwürfen in Unternehmen und Gesellschaft durch gesetzliche Zwangsregelungen bürokratisiert werden. So muss beispielsweise jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden können, ob es jährliche „Diversity-Berichte“ abgeben will. Eine Pflicht hierzu darf es nicht geben. Unternehmen müssen entsprechend ihren eigenen Vorstellungen Vielfalt fördern können. Es ist schon in sich unschlüssig, die Förderung von Vielfalt durch Einheitsregelungen erzwingen zu wollen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Antidiskriminierung“ veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de abrufbar.

Ein Beschäftigung förderndes Arbeitsvertragsgesetz kodifizieren Das AGG ist auch ein Musterbeispiel für die Unübersichtlichkeit und die fehlende Gesamtsystematik des deutschen Arbeitsrechts. Um die Richtlinien in deutsches Recht umzusetzen, hätte es ausgereicht, einige bestehende Regelungen in einzelnen Gesetzen zu ergänzen. Denn den Schutz vor ungerechtfertigten Benachteiligungen hat das deutsche Recht lange vor dem AGG und auch lange vor den für die Umsetzung maßgeblichen europäischen Richtlinien gewährleistet, wie beispielsweise im BGB oder im Rahmen des Schwerbehindertenrechts. Es hätten systematische

Arbeitsrecht Inhalt

Leider ist das nun wirksam gewordene AGG kein durchgreifender Schritt zu einer Besserung, auch wenn es gelungen ist, einige Regelungen zu entschärfen, wie zum Beispiel das Klagerecht von Gewerkschaften und Betriebsräten.

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Die BDA tritt für ein systematisches, stringentes und Beschäftigung förderndes Arbeitsrecht ein. Arbeitsrecht ist Sonderprivatrecht für das Arbeitsleben. Es muss sich daher in das Gesamtgefüge der Privatautonomie im Rahmen des deutschen Zivilrechts einpassen. Dies ist schon lange nicht mehr gewährleistet. Ein einheitliches Arbeitsvertragsgesetz kann ein wichtiger Baustein zur Vereinfachung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts werden. Verfehlte Vorschriften, wie sie im AGG zuhauf für Rechtsunsicherheit sorgen, können durch eine solche Gesamtkodifikation stark vermindert werden. Viele Einzelgesetze, Normenkomplexe und Einzelnormen in anderen Gesetzen könnten durch ein solches Gesamtwerk in sich systematisch aufeinander bezogen und der Dschungel des deutschen Arbeitsrechts gelichtet werden. Die BDA tritt daher für ein einheitliches Arbeitsvertragsgesetz ein, das sich allerdings nicht in einer Kompilation von Vorschriften und Kodifikationen von Rechtsprechung erschöpfen darf. Eine Systematisierung und Vereinheitlichung des geltenden Arbeitsvertragsrechts muss vielmehr mit einer beschäftigungswirksamen Inhaltsreform verbunden werden. Nur so kann ein Schritt zu mehr Rechtssicherheit und mehr Beschäftigung geleistet werden. Eine Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts kann darüber hinaus zum Musterbeispiel für Bürokratieabbau werden. Dafür sind inhaltliche Reformen unumgänglich: Die bestehenden, zersplittert normierten Regelungen müssen sämtlich auf ihren Sinn und Zweck, vor allem aber auf ihre Auswirkungen auf Beschäftigung hin überprüft und nötigenfalls geändert werden. Besondere Bedeutung kommt den beschäftigungsrelevanten Bereichen Kündigungsschutz- und Befristungsrecht, den Regeln in bestehenden Arbeitsverhältnissen sowie der Umsetzung europäischer Richtlinien mit beschäftigungspolitischer Implikation zu. Übererfüllungen bei der Umsetzung eu-

ropäischer Vorgaben in deutsches Arbeitsrecht müssen im Rahmen der Kodifikation auf die Richtlinienvorgaben zurückgeführt werden. Mit Blick auf die bisherigen ergebnislos gebliebenen Versuche einer Kodifikation ist davon auszugehen, dass ein allseitiger Konsens bei der Schaffung eines einheitlichen beschäftigungsfreundlichen Arbeitsvertragsrechts nicht Voraussetzung für eine Kodifikation sein kann. Sich allein auf eine zusammenfassende Kodifikation des geltenden Rechts beschränken zu wollen wäre wegen der fehlenden Beschäftigungsimpulse aber nicht ausreichend und wegen der klar divergierenden Einzelfallrechtsprechung auch teilweise willkürlich. Vielmehr wird ein entsprechendes Vorhaben nur Aussicht auf Erfolg haben können, wenn das einheitliche Arbeitsvertragsgesetz als eine zentrale gesetzgeberische Reformmaßnahme für mehr Beschäftigung verstanden wird. Die BDA wird die Entwicklung der Initiative der Bertelsmann-Stiftung, mit der ein einheitliches Arbeitsvertragsgesetz geschaffen werden soll, beobachten und kritisch begleiten. Hierzu wird am 23. Januar im Haus der Deutschen Wirtschaft ein Symposion mit hochkarätiger Besetzung stattfinden. Auch wenn die bisher vorliegenden Entwürfe noch nicht allen Erfordernissen eines modernen Arbeitsrechts entsprechen, ist der Ansatz der Stiftung wie auch der sie begleitenden Wissenschaftler, der Professoren Henssler und Preis aus Köln, zu begrüßen und hat den Anstoß zu zahlreichen konstruktiven Diskussionen gegeben.

Zielsetzung des Arbeitsvertragsgesetzes Rechtssicherheit und Transparenz durch ein ausgewogenes Arbeitsvertragsgesetz Vereinheitlichung Vereinfachung Kalkulierbarkeit Europakonformität Mittelstandsförderung Beschäftigungsförderung Zukunftsfähiges Arbeitsrecht

Arbeitsrecht Inhalt

Ergänzungen vorgenommen werden müssen, anstatt ein weiteres Einzelgesetz zu schaffen, das auf bereits bestehende Gesetze, wie das Kündigungsschutzgesetz, Bezug nehmen muss und sich nicht sauber in das bestehende Arbeitsrecht eingliedert. Anstatt diese Systematik herzustellen, unternimmt der Gesetzgeber demgegenüber Versuche, die noch bestehende Systematik im allgemeinen Zivilrecht zu untergraben.

27 3


Arbeitsrecht

Beschäftigungshindernisse für Ältere beseitigen

28

Besonders betroffen von Beschäftigungslosigkeit und damit abhängig von einem Beschäftigung fördernden Arbeitsvertragsrecht sind ältere Arbeitnehmer. Ein flexibles Befristungsrecht, mit dessen Hilfe Arbeitslosigkeit beendet werden kann, ist gerade für diese Beschäftigtengruppe von überragender Bedeutung. Im Koalitionsvertrag ist angekündigt, die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu Unrecht für diskriminierend erklärte Regelung der erleichterten Befristung mit älteren Arbeitnehmern neu zu fassen. In verfassungsrechtlich hochbedenklicher Weise ist das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem EuGH hier unmittelbar gefolgt. Der Gesetzgeber ist daher zum Handeln im Sinne älterer Arbeitnehmer aufgerufen. Mit der vorgesehenen Neuregelung der Älterenbefristung im Regierungsentwurf der „Initiative 50plus“ wird jedoch der falsche Weg beschritten. So sollen ältere Arbeitnehmer nach dem Entwurf künftig bis zu fünf Jahre ohne sachlichen Grund befristet eingestellt werden dürfen, wenn sie zuvor mindestens vier Monate beschäftigungslos gewesen sind, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme teilgenommen haben. Eine solche enge Neuregelung wäre unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten wirkungslos und europarechtlich nicht gefordert. Ein von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitnehmer müsste – obwohl er die Chance auf eine unmittelbar anschließende befristete Beschäftigung und damit die Vermeidung von Arbeitslosigkeit hat – zunächst für vier Monate arbeitslos werden und damit Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen. Gerade der Eintritt von Arbeitslosigkeit soll aber nach dem Dritten Sozialgesetzbuch verhindert werden. Er ist auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht notwendig. Das Ziel muss daher sein, ihn bereits zu verhindern. Es ist nicht ausreichend, allein auf das Alter des Arbeitnehmers abzustellen. Der deutsche Gesetzgeber kann aber Tatbestände definieren, die dem Eintritt von Arbeitslosigkeit gleichstehen. Dies hat er bereits im SGB III unternommen. Es ist danach ausreichend, dass der Eintritt der Arbeitslosigkeit droht. Die Rechtsprechung des EuGH sieht auch keine Begrenzungen für die Maximaldauer einer solchen Befristung

vor. Hält man dennoch eine Grenze für geboten, muss sie mit Rücksicht auf die schwierige Lage für ältere Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt über die schon heute geltende Befristungsmöglichkeit für Existenzgründer von vier Jahren hinausweisen. Nimmt man diese Befristungsmöglichkeit als Anhaltspunkt, sind acht Jahre ein absolutes Minimum. Die BDA fordert daher, dass die Befristung eines Arbeitsverhältnisses möglich sein muss, wenn  der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat,  arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht ist und  kein enger sachlicher Zusammenhang zu einem vorherigen Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber bestanden hat. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist allenfalls anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 26. April 2006 in verfassungsrechtlich hochproblematischer Weise die Anwendung des § 14 Abs. ­ 3 Satz 4 TzBfG verweigert und sogar den Vertrauensschutz für bestehende Verträge versagt. Daher muss der Gesetzgeber eine Übergangsvorschrift schaffen, die auf der Grundlage des geltenden Rechts geschlossene Befristungsabreden heilt. Von einer solchen Regelung zum Vertrauensschutz müssen zumindest solche Abreden erfasst werden, die bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts getroffen worden sind. Alles andere würde den Grundsätzen transparenter Gewaltenteilung widersprechen. Die Rechtsprechung des EuGH erweist sich – nicht nur im Recht der Älterenbefristung – immer häufiger als Problem des deutschen Arbeitsrechts. Wie in keinem anderen Fall zuvor hat der EuGH mit seiner Entscheidung in dieser Sache aber eine Grenze überschritten, die – wenn auch nur in einem Regelungsausschnitt – die Entscheidungs- und Kontrollzuständigkeit des Deutschen Bundestags sinnentleert. Die Bundesregierung muss auf europäischer Ebene dafür sorgen, dass ein Durchgriff auf klar formulierte Gesetzesbeschlüsse in solcher Weise unterbleibt, zumindest aber muss sie für Vertrauensschutz sorgen. Dies ist ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit.


Der rigide Arbeitsplatzschutz in Deutschland ist generell eine wesentliche Barriere für die Entstehung neuer Arbeitsplätze. Auftragsschwankungen kann nicht mit der betriebswirtschaftlich erforderlichen Flexibilität begegnet werden. Neueinstellungen werden häufig so weit wie möglich hinausgeschoben oder unterbleiben ganz.

Bestandsschutzes zu setzen, sollten ferner die bestehenden Beschränkungen vermindert werden, das Arbeitsverhältnis durch Gerichtsbeschluss gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden.  Die so genannte Wartezeit, also die Dauer der Betriebszugehörigkeit, ab der das Kündigungsschutzgesetz gilt, sollte von heute sechs auf 36 Monate ausgedehnt werden.  Das Kündigungsschutzgesetz sollte nur für Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten gelten. Dadurch würden kleinere Unternehmen spürbar entlastet.

Notwendig ist über eine Reform des Rechts der Älterenbefristung hinaus daher eine Gesamtreform von Kündigungsschutz und Befristungsrecht. Die ausdrücklich im Koalitionsvertrag versprochene „Befreiung der Arbeitgeber vom Kündigungsschutz“ kann nur erreicht werden, wenn Arbeitgebern und Arbeitnehmern wahlweise Befristungen und vertragliche Optionen im Kündigungsschutzrecht angeboten werden:

Auch im Befristungsrecht gilt, was für den Kündigungsschutz gilt. Es muss von verfehlten Überregulierungen befreit werden. Befristete Arbeitsverhältnisse sind ein Beschäftigungsmotor des deutschen Arbeitsmarktes, der Arbeitssuchenden einen Erfolg versprechenden Weg für einen Erst- oder Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt bietet. Zur Flexibilisierung des Befristungsrechts sind folgende Schritte notwendig:

 Das Verzugslohnrisiko für den Arbeitgeber muss vermindert werden. Hierzu eignet sich die gesetzliche Festschreibung einer vertraglichen Abfindungsoption. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten die Möglichkeit erhalten, auch zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses einen Vertrag mit dem Inhalt zu schließen, dass der Arbeitnehmer gegen die Zusage einer Abfindung auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet.  Neben der Möglichkeit, Abfindungen vertraglich zu vereinbaren und an die Stelle des bestehenden

 Derzeit kann ein Arbeitnehmer nur dann ohne sachlichen Grund befristet eingestellt werden, wenn er vorher noch nie im selben Unternehmen tätig war. Dies führt faktisch zu einem Beschäftigungsverbot. Dieses verfehlte Ersteinstellungsgebot bei sachgrundlosen Befristungen muss abgeschafft werden. Stattdessen sollte eine Frist von maximal sechs Monaten eingeführt werden, nach deren Ablauf ein Arbeitnehmer erneut befristet in einem Betrieb eingestellt werden kann, in dem er zuvor schon einmal beschäftigt war. Eine solche Frist zwischen zwei sachgrund-

Mehr Regulierung – Mehr Langzeitarbeitslosigkeit Arbeitsmarktregulierung: 0 = geringe Regulierung, 100 = hohe Regulierung Langzeitarbeitslose in % aller Arbeitslosen

34,3

33,5 12,7

11 USA

9,5

16 CDN

21,4

11,7

22,6

33,7 23,4

20,7

25

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29

33

40

NZ

CH

UK

DK

AUS

32,5

9,2 47

47

50

IRL

J

H

54,7

49,7

49,6

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55

58

58

N

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FIN

41,6 27,6

18,9

62

64

65

66

NL

S

I

A

Stand: Regulierungsindex 2005, Langzeitarbeitslose 2004; Langzeitarbeitslose: länger als ein Jahr ohne Job Ursprungsdaten: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, OECD

51,8 43,2

37,7

73

74

76

76

81

F

GR

P

E

D

Arbeitsrecht Inhalt

Kündigungsschutz lockern, Befristungen erleichtern

29 3


los befristeten Arbeitsverhältnissen ist ausreichend, um so genannte „Kettenbefristungen“ zu verhindern, und ist damit mit europäischen Gesetzen vereinbar.  Die maximale Dauer einer sachgrundlosen Befristung ist auf fünf Jahre auszudehnen. Gleichzeitig muss die Anzahl der möglichen Verlängerungen erhöht werden.

Arbeitsrecht

Zu dem Thema hat die BDA den kompakt „Kündigungsschutz“ veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de abrufbar.

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Unternehmensmitbestimmung modernisieren! Der in der letzten Legislaturperiode eingesetzten Kommission unter Leitung von Herrn Professor Biedenkopf ist es nicht gelungen, einen ihrem Auftrag entsprechenden Vorschlag zur grundlegenden Modernisierung der Unternehmensmitbestimmung vorzulegen. Die Vertreter der Wissenschaft in der Kommission werden am 20. Dezember einen Bericht vorlegen, der in weiten Teilen entgegen dem Auftrag der Kommission noch Ausweitungen gesetzlicher Unternehmensmitbestimmung fordert. Die Vertreter der Wirtschaft in der Kommission haben dem Bericht

Fünf Kernaussagen des Berichts, die dem Auftrag der Kommission widersprechen, und die Vorschläge der deutschen Arbeitgeber Bericht der Wissenschaftler

Forderung der Wirtschaft

1. Grundsätzlicher Reformbedarf der Mitbestimmung wird verneint.

Die Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts und der internationalen Corporate Governance erfordert eine umfassende Modernisierung, um Mitbestimmung zukunftsfähig zu machen.

2. Mitbestimmung soll nur unter strengen Kautelen für Vereinbarungen geöffnet werden, als Auffangregelung soll das geltende Recht greifen.

Grundsätzliche Öffnung der Mitbestimmung für Vereinbarungen und Schaffung einer ausgewogenen Verhandlungsbalance durch Festschreibung der Drittelbeteiligung als Auffangregelung

3. Ausweitung der Mitbestimmung hinsichtlich Einbeziehung des faktischen Konzerns und der GmbH & Co. KG in das Drittelbeteiligungsgesetz und Ausweitung der GmbH-Berichtspflichten

Jegliche Ausweitung von Mitbestimmung widerspricht dem Auftrag der Kommission, führt noch weiter weg von den europäischen Vorgaben und macht Mitbestimmung zum Wettbewerbsnachteil.

4. Bestimmung der Mitglieder eines besonderen Verhandlungsgremiums zur Aushandlung von Mitbestimmungsvereinbarungen durch vorhandene Betriebsratsgremien

Optionale Bestellung des besonderen Verhandlungsgremiums durch Urwahl, um weitere nachteilige Vermischung der betriebsverfassungsrechtlichen mit der Ebene der Unternehmensmitbestimmung zu vermeiden

5. Bestimmung des Katalogs von Geschäften, die der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen, als Gegenstand von Mitbestimmungsvereinbarungen

Fragen des gesellschaftsrechtlichen Statuts und der Kompetenzen des Aufsichtsrates können nicht durch die Verhandlungspartner einer Mitbestimmungsvereinbarung geregelt werden.


Ergebnisse der Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln und des Instituts für Recht und Finanzen, Frankfurt

Anlagebereitschaft von Eigenkapitalanlegern wie etwa Aktionären Übernahme von bzw. Zusammengehen mit ausländischen Unternehmen Grenzüberschreitende Fusion mit ausländischer Kapitalgesellschaft Übernahme von bzw. Zusammengehen mit deutschen Unternehmen Einrichtung einer europäischen Aktiengesellschaft Beschaffung von Fremdkapital Beurteilung durch Ratingagenturen

43,4 45,6 52,2 42,1 36,9 21,7 22,5

Außerdem klagen rund fünf von zehn belegschaftsstarken Kapitalgesellschaften, dass die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten Entscheidungen verzögern.

ein eigenes umfangreiches Sondervotum beigefügt, in dem sie den dringenden Handlungsbedarf für die Unternehmensmitbestimmung, der sich aus der europäischen Entwicklung und internationalen Vorstellung zu guter Unternehmensführung ergibt, herausgearbeitet und eigene Vorschläge unterbreitet haben, wie die deutsche Mitbestimmung modernisiert werden kann. Der Bericht der Wissenschaftler weist in die vollständig falsche Richtung; statt Modernisierung wird die Mitbestimmung noch ausgeweitet, statt sie der europäischen Entwicklung zu öffnen, wird der Versuch der Abgrenzung unternommen. Zwar weisen die Vorschläge der Wissenschaftler auch positive Elemente auf. So werden Vereinbarungslösungen auch über die Intensität der Mitbestimmung vorgeschlagen. Diese sind jedoch mit so vielen Kautelen versehen, dass faktisch keine Flexibilität und keine Modernisierung der Mitbestimmung festzustellen ist. Der Bericht der Wissenschaftler liefert damit keine durchgreifenden Empfehlungen, die verhindern, dass die Unternehmensmitbestimmung zum Nachteil für den deutschen Holding- und Investitionsstandort wird. Der Gesetzgeber sollte den Wandel, in dem sich die deutsche Mitbestimmung aufgrund der Entwicklungen des europäischen Gesellschaftsrechts, der internationalen

Corporate Governance und der Verschärfung des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechtssysteme bereits befindet, aktiv mitgestalten, statt ihm tatenlos zuzusehen. Die Unternehmensmitbestimmung muss in das europäische System eingepasst werden.

Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts Das Gesetz über die Mitbestimmung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften tritt zum 1. Januar 2007 in Kraft. Es lehnt sich eng an die Mitbestimmungsregelungen bei der Gründung einer europäischen Gesellschaft an. Der Gesetzgeber betreibt wiederum eine überobligatorische Umsetzung („Gold-Plating“), die dem europäischen Anliegen besserer Rechtsetzung widerspricht. Er schafft Regelungen, die über das von der Richtlinie Vorgegebene hinausgehen, und nutzt vorhandene Flexibilitätsspielräume in der Richtlinie nicht aus. So wird zum Beispiel dadurch über die Richtlinie hinausgegangen, dass ein Zwang zur Beteiligung externer Gewerkschafter im besonderen Verhandlungsgremium zur Aushandlung der Mitbestimmung vorgesehen wird. Trotz der vorhandenen Mängel besteht künftig neben der europäischen

Arbeitsrecht Inhalt

Prozentsatz der Kapitalgesellschaften, die Unternehmensmitbestimmung im Einzelfall für eher hinderlich oder sehr hinderlich halten:

31 3


Arbeitsrecht

Aktiengesellschaft ein zweites Rechtsinstrument, das die Aushandlung einer Mitbestimmungsvereinbarung ermöglicht. Dies ist zwar grundsätzlich positiv zu bewerten, als negativer Faktor für das deutsche Gesellschaftsrecht fällt aber die deutsche Mitbestimmung ins Gewicht, nach der sich beim Scheitern der Verhandlungen die Mitbestimmung in der fusionierten Gesellschaft richtet, wenn vor der Fusion mindestens ein Drittel aller Arbeitnehmer der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften einem Mitbestimmungssystem unterlagen.

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Auf der Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft steht die Vorstellung einer europäischen Sitzverlegungsrichtlinie. Hiermit soll eine einheitliche europäische Regelung zur Verlegung des Sitzes von Kapitalgesellschaften innerhalb Europas geschaffen werden. Wegen der grundsätzlichen Unterschiede zur europäischen Aktiengesellschaft und zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen muss dabei sichergestellt werden, dass kein zwangsweiser Export von Mitbestimmungsregeln über die Grenzen stattfindet. Der vom Europäischen Gerichtshof aufgrund der Niederlassungsfreiheit aufgestellte Grundsatz, dass eine Gesellschaft, die in einem Mitgliedstaat wirksam gegründet wurde, ihren Sitz ohne Beschränkungen in einen anderen Mitgliedstaat verlegen kann, muss zum Tragen gebracht werden. Ebenfalls auf der europäischen Agenda steht die europäische Privatgesellschaft, das Europäische Parlament hat hierzu einen Initiativbericht vorgelegt. Hiermit soll eine europäische Unternehmensform insbesondere für kleine und mittlere Gesellschaften geschaffen werden. Zu begrüßen ist die Empfehlung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments, wonach grundsätzlich das Mitbestimmungsrecht des Landes zur Anwendung gelangen soll, in dem die europäische Privatgesellschaft ihren Sitz hat. Diese Empfehlung muss in den von der Kommission vorzulegenden Verordnungsentwurf über das Statut der europäischen Privatgesellschaft einfließen. Die BDA hat zu dem Thema den kompakt „Unternehmensmitbestimmung“ veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de abrufbar.

Bürokratieabbau auf das Arbeitsrecht ausdehnen Die ersten Gesetze zum Bürokratieabbau sind mittlerweile in Kraft getreten. Das Gesetz regelt die Einsetzung des Normenkontrollrats sowie die Durchführung des Standardkostenmodells. Die deutsche Wirtschaft wird jährlich mit Bürokratiekosten in Höhe von 80 Mrd. € belastet. Das Erste Mittelstandsentlastungsgesetz soll den durch bürokratische Regelungen besonders strapazierten Mittelstand entlasten. Damit hat die Regierung zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Ziele zum Bürokratieabbau umsetzt. Die BDA unterstützt dieses Vorhaben. Mit dem Normenkontrollrat wird die Forderung der BDA nach der Schaffung eines Bürokratie-TÜVs aufgegriffen. Bürokratieabbau darf sich nicht auf bestehende Gesetze beschränken. Vor allem bei neuen Gesetzentwürfen müssen bürokratische Lasten von Anfang an vermieden werden. Das AGG war das absolute Gegenbeispiel zu solcher bürokratievermeidender Gesetzgebung. Der Normenkontrollrat hat die Aufgabe, die Gesetzesentwürfe des Kabinetts auf bürokratische Belastung hin zu untersuchen. Dieses Vorhaben ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sollte die Kompetenz des Normenkontrollrats ausgeweitet werden. Der Normenkontrollrat muss für sämtliche Gesetzentwürfe Empfehlungen abgeben können. Mit dem Standardkostenmodell (SKM) hat die Bundesregierung ein interessantes Instrument zur Senkung von bürokratischen Kosten eingeführt. Das SKM wird bereits in anderen europäischen Ländern durchgeführt. Mit dem Beginn der Kostenmessung von Informationspflichten, die per Gesetz der Wirtschaft auferlegt werden, wird 2007 begonnen. Die Ankündigung der Bundeskanzlerin, eine Abbauquote von 25 % festlegen zu wollen, ist ein erster konsequenter und ehrgeiziger Schritt. Bei einem Abbau von bürokratischen Lasten in Höhe von 25 % würden Kosten in Höhe von bis zu 20 Mrd. € eingespart werden. Je schneller und effektiver das SKM durchgesetzt wird, desto eher wird die Wirtschaft sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Zu begrüßen ist der Ansatz der Bundesregierung, im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft das SKM auf europäischer Ebene einführen zu wollen. Europäische Rege-


Das Erste Mittelstandsentlastungsgesetz ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, jedoch bleibt es ebenfalls weit hinter den Anforderungen an eine gesetzliche Entbürokratisierung zurück. Der Mittelstand wird durch Überregulierungen im Bereich des Arbeitsmarktes und Arbeitsrechts belastet. Dieser Bereich wurde jedoch vom Ersten Mittelstandsentlastungsgesetz weitgehend ausgespart. Nur der Schwellenwert für die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten wurde auf zehn Mitarbeiter heraufgesetzt. Dies allein kann keine wesentliche Erleichterung bringen. Der Entwurf eines Zweiten Mittelstandsentlastungsgesetzes ist hierzu ebenfalls kein Beitrag. Er muss umfassend für einen Abbau bürokratischer Verfahren im Arbeitsrecht geöffnet werden. Ohne Deregulierung des materiellen Arbeits- und Sozialrechts wird es keine spürbare Erleichterung für den Mittelstand geben. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Bürokratie­ abbau“ veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de abrufbar.

Finanzverfassung durch Föderalismusreform II stärken Die Föderalismusreform erster Stufe geht in die richtige Richtung. Die bislang ausgesparte notwendige grundlegende Reform der Finanzverfassung muss jetzt in der geplanten Föderalismusreform II angegangen werden. Die BDA begrüßt den Abbau der Zustimmungsrechte des Bundesrats bei Gesetzgebungsvorhaben des Bundes. Im Hinblick auf die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen ist die Abschaffung der Intransparenz begünstigenden Rahmengesetzgebung zu begrüßen. Die damit einhergehende Stärkung der Verantwortung der Länder in der Bildungskompetenz war überfällig. Diese müssen sich der Herausforderung stellen, gesamtstaatliche Verantwortung wahrzunehmen sowie Leistungssteigerung und Qualitätsverbesserung zu erzielen. Im Hinblick auf die notwendige Entflechtung der Mischfinanzierung ist leider kein vollständiger Durchbruch erzielt worden. Richtigerweise wurde zwar die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau abgeschafft; die Mischverantwortung und Mischfinanzierung im Bereich der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung besteht jedoch fort, hier ist eine deutlichere Konzentrierung der Grundlagenforschung beim Bund wünschenswert.

Föderalismus – Was bringt die reform? Die Länder bekommen in diesen Bereichen weniger Rechte:

mehr Rechte:

auf EU-Ebene (Ausnahmen: schulische Bildung, Kultur, Rundfunk)

Beamtenrecht künftig von Land zu Land unterschiedliche Besoldung möglich

Gesetzentscheidungen bisher: ca. 60 % aller Gesetzentwürfe bedürfen der Zustimmung der Länder

Bildung weitgehend eigenständige Regelung des Schul- und Hochschulbereichs

Bund übernimmt Zuständigkeiten bei der ­Terrorismusbekämpfung, Kompetenzen bei Naturschutz und Landschaftspflege, sämtliche Zuständigkeiten beim Melde- und Ausweiswesen, Schutz deutschen Kulturgutes, Waffen- und Sprengstoffrecht, Kriegsfolgenrecht, Kernenergie

neue Kompetenzen beim Demonstrationsrecht Strafvollzug Notarrecht Heimrecht Ladenschlussrecht Gaststättenrecht

Arbeitsrecht Inhalt

lungen verursachen eine Vielzahl bürokratischer Belastungen. Da bereits zahlreiche europäische Länder den Weg des SKM eingeschlagen haben, ist es sinnvoll, ein europäisches SKM einzuführen. Dadurch könnte sichergestellt werden, dass sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene überflüssige bürokratische Regelungen abgesenkt werden.

33 3


Bedenken begegnet die Ausnahme des Arbeitsrechts und zahlreicher anderer Materien des Katalogs konkurrierender Zuständigkeiten von der Anwendung der Erforderlichkeitsklausel.

Arbeitsrecht

Dadurch erfährt der Bund einen fragwürdigen Zuwachs an Kompetenz. Den Ländern sollte die notwendige Flexibilität eingeräumt werden, gerade in wirtschaftsrelevanten Bereichen, wie dem Arbeitsrecht, aufgrund von Länderöffnungsklauseln regional neue Wege erproben zu können.

34

Die BDA tritt dafür ein, dass der Bund auf europäischer Ebene gestärkt wird. Deutschland muss nach außen mit einer Stimme sprechen. Nach den Änderungen des Grundgesetzes verliert dagegen die Bundesregierung in den Bereichen schulische Bildung, Kultur und Rundfunk ihre Verhandlungsführerschaft in Brüssel an einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder. Die Änderungen werden die Europatauglichkeit des Grundgesetzes mindern. Ohne eine Reform der Finanzverfassung, nach der die Länder finanziellen Handlungsspielraum zurückgewinnen müssen, wird die jetzige Föderalismusreform schließlich ein Torso bleiben. Daher müssen Bund und Länder die angekündigte Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen baldmöglichst in Angriff nehmen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Föderalismusreform“ veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de abrufbar.

Rechtsberatungsrecht praxistauglich reformieren In der zweiten Jahreshälfte ist das Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts weiter vorangeschritten. Die Bundesregierung hat im August einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der Bundesrat hat den Regierungsentwurf im Oktober beraten. Gegenüber dem vorhergehenden Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz hat die BDA einige Verbesserungen erreicht. Diese gehen jedoch noch nicht weit genug. Die aus Arbeitgebersicht verfehlte Vertretungs-

beschränkung für ehrenamtliche Richter wurde entschärft. Ehrenamtliche Richter, die zugleich die Prozessvertretung für ihren Arbeitgeber übernehmen (beispielsweise der Syndikus eines Unternehmens), sollen ganz vom Vertretungsverbot ausgenommen werden. Damit ist die Forderung der BDA in diesem Punkt vollständig umgesetzt worden. Alle anderen ehrenamtlichen Richter – also zum Beispiel die Verbandsvertreter – sollen nach dem Regierungsentwurf nicht mehr vor dem Spruchkörper, das heißt der Kammer oder dem Senat, auftreten dürfen, dem sie angehören. Damit wird zwar im Vergleich zu früheren Entwürfen, die das Vertretungsverbot noch auf das gesamte Gericht erstreckten, eine Verbesserung erreicht. Diese greift in der Praxis in vielen Fällen jedoch nicht, weil an einer großen Zahl an Arbeits- und Sozialgerichten der ehrenamtliche Richter keinem festen Spruchkörper zugewiesen wird. An diesen Gerichten würde auch ein Vertretungsverbot, das gesetzlich nur auf einen Spruchkörper begrenzt ist, faktisch wie ein Vertretungsverbot für das gesamte Gericht wirken. Wird diese Regelung nicht nachgebessert, sind erhebliche Auswirkungen auf die Bereitschaft zu erwarten, ehrenamtlich in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit tätig zu werden. Dies hätte für die Arbeitsfähigkeit der Arbeits- und insbesondere der Sozialgerichte ohne feste Kammerzuweisung gravierende Auswirkungen. Zudem sind ausreichend gesetzliche Instrumente vorhanden, um in Einzelfällen mit tatsächlichen oder vermeintlichen Interessenkonflikten umzugehen. Die BDA hat sich deshalb beim federführenden Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags für eine Streichung des Vertretungsverbots für ehrenamtliche Richter eingesetzt.




37 3

Tarifpolitik Tarifpolitik Inhalt


Tarifpolitik

Tarifjahr 2006 – Aufbruch zu neuen Strukturen?

38

Das Tarifjahr 2006 war insbesondere durch qualitative Weiterentwicklungen der Tarifpolitik geprägt. Einmalzahlungen sind verstärkt an die Stelle von Tarifanhebungen getreten. Mit neuen Öffnungsklauseln, insbesondere für betrieblich abdingbare Einmalzahlungen, haben die Tarifparteien in vielen Branchen zusätzliche neue Gestaltungsspielräume für die Unternehmen geschaffen. Damit haben die Tarifpartner auch in diesem Jahr die neue ­Balance zwischen Flächentarifvertrag und betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten weiter ausgebaut. Beim Entgelt konnten die Tarifabschlüsse zumindest zu Beginn des Jahres an die moderate Lohnentwicklung der letzten Jahre anknüpfen. Diese wertet die Deutsche Bundesbank inzwischen als eine Voraussetzung für die verbesserte Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Auch das Jahresgutachten des Sachverständigenrates bestätigt, dass die moderate Lohnentwicklung der vergangenen Jahre zur Verbesserung der Arbeitsmarktlage beigetragen hat. Leider konnte dieser Kurs im weiteren Verlauf des Jahres nicht uneingeschränkt fortgeführt werden. Die zum Teil höheren Entgeltsteigerungen waren allerdings nicht nur der oftmals guten wirtschaftlichen Lage der Branchen geschuldet, sondern auch Ausdruck der gesamtwirtschaftlichen Erholung in diesem Jahr. Insgesamt bewegt sich die diesjährige Tarifabschlussrate mit durchschnittlich 2,1 % noch in der Bandbreite des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachses. Zudem konnten lange Laufzeiten da Tarifverträge von bis zu 36 Monaten, Monate ohne Tabellenanhebung bis hin zu echten Nullrunden sowie mehr Flexibilität bei der Entgeltstruktur zu einem Stück Entlastung der Betriebe beitragen. Die tarifrechtliche Diskussion wurde im Berichtsjahr beherrscht von der anhaltenden Debatte über gesetzliche Mindestlöhne und dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Wachstumsprozess erfordert Fortsetzung der moderaten Lohnpolitik Nach einer längeren konjunkturellen Schwächephase ist der Wachstumsmotor im Jahre 2006 endlich wieder angesprungen. Die positive konjunkturelle Entwicklung der vergangenen Monate steht jedoch auf dünnem Eis. Für 2007 sind die Aussichten aufgrund des starken Euros und der anstehenden Mehrwertsteuer­ erhöhung schon wieder gedämpft. Umso entscheidender ist für die Betriebe in dieser Situation eine verlässliche und moderate Lohnpolitik, die ihnen auch im Falle eines wieder sinkenden Konjunkturbarometers ausreichend Raum für beschäftigungsfördernde Inves­ titionen bietet.

Arbeitskosten: weiterhin kein Grund für Entwarnung Die moderate Lohnentwicklung der letzten Jahre hat dazu beigetragen, dass die Arbeitskosten in Deutschland zuletzt weniger stark gestiegen sind als in vielen anderen wichtigen Industrienationen. Trotz dieser Fortschritte bleiben die hohen Arbeitskosten aber weiterhin ein gravierender Nachteil für die Unternehmen am Standort Deutschland. Lediglich in Norwegen und Dänemark liegen nach letzten Erhebungen die industriellen Arbeitskosten noch höher als in Westdeutschland. Gegenüber dem Durchschnitt der wichtigsten ­Industrienationen ist die Arbeitsstunde in Westdeutschland um ein Drittel teurer. Gerade die im internationalen Vergleich enorm hohen Personalzusatzkosten schränken den Spielraum für Entgelterhöhungen stark ein.


Tariferhöhung in %

Laufzeiten (Gesamtlaufzeit)

Weitere Vereinbarungen  /  Bemerkungen

Versicherungswirtschaft West + Ost (22.12.05) 240.000

2,0 1,0

04/06 – 03/07 04/07 – 08/07 6 Nullmonate m. Einmalzahlung (23 Monate)

Einmalzahlung von 250 € Erweiterung der Möglichkeit zur Arbeitszeitverlängerung auf 42 Std. durch Aufhebung der 10 %-Quote und durch Berücksichtigung bestehender Teilzeitverhältnisse bei der Gegenrechnung

Einzelhandel West + Ost (ab 05.01.06) 2.700.000

1,0

09 – 12/06 03 – 06/07 (regional unterschiedl. jew. 7 Monate) 17 Nullmonate m. Einmalzahlungen (24 Monate)

Einmalzahlungen von insgesamt 275 €, bei ertragsabhängiger Gestaltung bis Ende 2008 insgesamt weitere 225 € vorgesehen, Verschiebung/Absenkung/Entfallen der Beträge durch freiwillige Betriebsvereinbarung möglich, Beschäftigungssicherungs-TV ermöglicht abweichende Tarifstan­d­ ards durch Firmen-TV, keine Entgeltsteigerung für Auszubildende

Papierverarbeitung West (01.03.06) 95.000

1,5 2,0

04/06 – 03/07 04/07 – 03/08 12 Nullmonate m. Einmalzahlung (36 Monate)

Einmalzahlung von 150 € Arbeitszeitvereinbarungen zur  Verlängerung der WAZ um 3 Stunden ohne Lohnausgleich durch freiwillige Betriebsvereinbarung mit Zustimmung von ver.di  Absenkung auf 30 Stunden zur Beschäftigungssicherung durch freiwillige Betriebsvereinbarung  Einrichtung von Konten, Verteilung der WAZ auf 5 Tage  Erweiterung des Ausgleichszeitraums auf 18 Monate bei flexibler Gestaltung Absenkung der Samstags-/Mehrarbeitszuschläge einheitlich auf jeweils 25 %, Verschiebung/Absenkung/Entfallen von Jahressonderzahlung und zusätzl. Urlaubsgeld durch freiwillige Betriebsvereinbarung

Metall-/Elektroindustrie West + Ost (ab 22.04.06) 3.400.000

3,0

06/06 – 03/07 3 Nullmonate m. Einmalzahlung (13 Monate)

Pilotabschluss in NRW Einmalzahlung von 310 €, Öffnungsklausel ermöglicht abhängig von der wirtschaftlichen Lage Zahlungen zwischen 0 und 620 € durch freiwillige Betriebsvereinbarung Umwidmung der vermögenswirksamen Leistungen für Altersvorsorge ab Oktober 2006 Qualifizierungs-TV mit Arbeitnehmer-Eigenleistung Verhandlungen über wettbewerbsfähige Standards für produktionsferne Tätigkeitsbereiche und Anreize zur Beschäftigungsförderung Modifizierte Erholzeiten-Regelung in Nordwürttemberg/Nordbaden

Textil- und Bekleidungsindustrie West (12.05.06) 130.000

2,5 2,0

11/06 – 04/07 05/07 – 02/08 6 Nullmonate m. Einmalzahlungen (22 Monate)

Einmalzahlungen von insgesamt 340 €, Öffnungsklausel ermöglicht abhängig von der wirtschaftlichen Lage durch freiwillige Betriebsvereinbarung Abweichen/Entfallen/Verdoppelung, Appell zur Erhöhung der Ausbildungsbereitschaft und zur Übernahme Ausgebildeter

Holz und Kunststoffe verarb. Industrie West (ab 17.05.06) 140.000

2,5

Laufzeitbeginn/Nullmonate/ Einmalzahlungen: regional unterschiedl. (12 Monate)

Einmalzahlungen regional unterschiedlich zwischen 80 und 350 € teilweise mit Öffnungsklauseln zur variablen Gestaltung durch freiwillige Betriebsvereinbarung 18 Monate Gesamtlaufzeit in Schleswig-Holstein Absenkung der Jahressonderzahlungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, variable Gestaltung durch freiwillige Betriebsvereinbarung

Privates Bankgewerbe West + Ost (22.06.06) 240.000

3,0 1,5

09/06 – 11/07 12/07 – 06/08 3 Nullmonate m. Einmalzahlung (25 Monate)

Einmalzahlung von 100 € Erweitertes Variabilisierungsvolumen für Entgelte und Sonderzahlung Einstellmöglichkeit von 195 Stunden/Jahr in ein Langzeitkonto Steigerung des Ausbildungsplatzangebots um 4 %

08/06 – 07/07 40 Nullmonate (12 Monate)

Vereinbarung nach 40 Monaten ohne Tarifanhebung Arbeitszeitkonto auf Jahresbasis mit verstetigtem Monatsentgelt Ost: stufenweise Absenkung der Wochenarbeitszeit von 41 auf 39 Stunden

01/07 – 01/08 4 Nullmonate m. Einmalzahlungen (17 Monate)

2 Einmalzahlungen von insgesamt 1.250 € „Tarifvertrag zur Gestaltung des demografischen Wandels“ zur Behebung branchenspezifischer Altersstrukturprobleme Übernahme der Lernmittelkosten durch den Arbeitgeber

Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau West + Ost (05.07.06) 80.000 Stahlindustrie West + Ost (21.09.06) 95.000

2,7

3,8

Tarifpolitik Inhalt

Tarifbereich / Beschäftigte

39 3


Internationaler Vergleich: Arbeitskosten je Arbeiterstunde im verarbeitenden gewerbe 2005 in € (direktentgelt + personalzusatzkosten) Direktentgelt Personalzusatzkosten

Polen Portugal Griechenland Spanien Ostdeutschland

Tarifpolitik

Italien

40

Japan USA Vereinigtes Königreich

2,42

1,38

4,21

3,80 € 3,16

4,49

7,92

10,53 9,07

17,37 €

8,65

10,53

17,71 €

7,37

13,31

11,99

17,90 € 5,96

14,01

Österreich

Westdeutschland

17,25 €

6,83

11,07

Schweiz

11,11 €

9,33

Frankreich

Niederlande

7,37 €

6,62

19,27 €

6,46

20,47 €

10,31

21,38 €

10,17

13,93

22,16 € 11,52

16,83

25,45 € 8,73

15,67

Dänemark

21,20

Norwegen

25,64 €

12,20

19,88  5  10 0

27,87 € 7,12 9,56

15

20

25

28,33€ 29,45 €  30

35

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2006)

Tarifabschlüsse: mehr Betriebsnähe bei noch zu hohen Kosten Der Beginn der Tarifrunde 2006 war zunächst von Abschlüssen in den ver.di-Branchen geprägt. Dabei ist auffällig, dass die Gewerkschaft erst eine gewisse Beweglichkeit zuließ, als die Existenz des Flächentarifvertrags auf dem Spiel stand. Noch im Dezember des vergangenen Jahres konnte die Versicherungswirtschaft einen Tarifabschluss mit einer Gesamtlaufzeit von 23 Monaten vereinbaren. Dieser sieht für die ersten sechs Monate Einmalzahlungen von 250 € sowie eine anschließende zweistufige Entgelt­ anhebung von 2 % für zwölf Monate und 1 % für die letzten fünf Monate vor. Des Weiteren wurde die Anwendung des bereits bestehenden Arbeitszeitkorridors erleichtert.

Nach über acht Monate dauernden Verhandlungen erzielte der Einzelhandel Anfang Januar einen Pilotabschluss in Berlin. Bei einer zweijährigen Laufzeit werden für 17 Monate Einmalzahlungen von insgesamt 200 € gezahlt. Erst für die letzten sieben Monate erfolgt eine tabellarische Entgeltanhebung von 1 %, kombiniert mit einer weiteren Einmalzahlung von 75 €. Erstmals in dieser Branche können die Einmalzahlungen rein betrieblich abbedungen werden. Zusätzlich kann aufgrund einer neuen Öffnungsklausel zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Notlage zeitlich befristet mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien von allen tariflichen Regelungen abgewichen werden. Der Tarifabschluss in der Papierverarbeitung von Anfang März hat eine Laufzeit von 24 Monaten. Nach zwölf faktischen Nullmonaten erfolgt eine zweistufige Tabellenanhebung von 1,5 und 2 % mit einer zusätzlichen Einmalzahlung von 150 €. Nach überaus zähen


Im April vereinbarte die Metall- und Elektroindustrie bei einer Laufzeit von 13 Monaten für die ersten drei Monate einen Einmalbetrag von 310 €, der je nach Ertragslage im Unternehmen ohne Zustimmung der Tarifparteien ganz oder teilweise gestrichen oder auch verdoppelt werden kann. Mit der Vereinbarung einer rein betrieblich abdingbaren Einmalzahlung hat die IG Metall für diese Branche ebenso tarifpolitisches Neuland betreten wie ver.di Anfang des Jahres im Einzelhandel. Die sich anschließende Tabellenanhebung von 3 % ist allerdings sehr branchenspezifisch. Sie ist vor allem der im Durchschnitt durchaus robusten Branchenkonjunktur und dem geplanten Einstieg in einen insgesamt betriebsnäheren Zuschnitt der Lohnpolitik geschuldet. Dennoch ist für viele Betriebe damit eine erhebliche Dauerbelastung verbunden, die im Wesentlichen über das hinausgeht, was beschäftigungspolitisch erforderlich ist. Demgegenüber bemerkenswert ist der in der Branche neu vereinbarte Rentenbaustein. Danach können die Arbeitnehmer den als vermögenswirksame Leistung gezahlten Betrag künftig nur noch für die kapitalgedeckte Altersvorsorge einsetzen. Neben der Entgeltumwandlung ist als gleichberechtigte Verwendungsmöglichkeit nun auch die Riester-Rente vorgesehen. Mit der Integration der privaten Riester-Förderung ist eine weitere bedeutende Option in der tariflichen Alters­ sicherung eröffnet worden. Darüber hinaus wurde ein Qualifizierungstarifvertrag vereinbart, der Ansprüche auf konkrete Qualifizierungsmaßnahmen ausschließt und bei bestimmten Qualifizierungen einen Eigenbeitrag in Form von Freizeit der Mitarbeiter vorsieht. Die Textil- und Bekleidungsindustrie vereinbarte Anfang Mai einen „dreigeteilten“ Abschluss: Für die ersten sechs Monate der 22-monatigen Laufzeit gibt es zwei Einmalbeträge von insgesamt 340 €, die erneut rein betrieblich im Volumen von 0 bis 200 % variabilisierbar sind. Sodann folgt für weitere sechs Monate eine Tabellenanhebung von 2,5 % und für die restliche Laufzeit von 2 %. Mitte Mai haben sich die Länder im öffentlichen Dienst mit ver.di im Grundsatz auf die Übernahme der für Bund

und Kommunen vereinbarten Tarifreform mit länderspezifischen Abweichungen beim Entgelt und der Arbeitszeit geeinigt. Die tarifliche Wochenarbeitszeit wird nun regio­ nal unterschiedlich von 38,5 auf bis zu 39,7 Stunden angehoben. Mit dem Tarifabschluss der Länder konnte der mehr als drei Monate dauernde und damit längste Arbeitskampf in der Nachkriegsgeschichte des öffentlichen Dienstes beendet werden. Ein ökonomisch und tarifpolitisch falsches Signal geht auch von dem Mitte Juni vereinbarten Tarifabschluss für die Ärzte an Universitätskliniken mit einer Steigerung der Grundvergütungen von bis zu 20 % aus. Ohne Rücksicht auf die schlechte wirtschaftliche Gesamtlage der Kliniken sind hier mit über 13-wöchigem Streikdruck berufsständische Partikularinteressen durchgesetzt worden. Solche Abschlüsse konterkarieren die Bemühungen um eine maßvolle und beschäftigungsorientierte Lohn- und Tarifpolitik. Gleiches gilt für die nachfolgenden Abschlüsse mit ver.di, der dbb Tarifunion und dem Marburger Bund für Ärzte an den kommunalen Krankenhäusern. Die Tarifvertragsparteien im privaten und öffentlichen Bankgewerbe einigten sich im Juni auf einen Tarifvertrag mit 25-monatiger Laufzeit, der nach drei Monaten ohne Tabellenanhebung und einer Einmalzahlung von 100 € eine zweistufige Entgeltanhebung von 3,0 % für 15 ­Monate und 1,5 % für weitere sieben Monate vorsieht. Darüber hinaus wurde die vor zwei Jahren beschlossene Ausbildungsinitiative ausgeweitet. In den Jahren 2006 und 2007 wird nun das Angebot an neuen Ausbildungsplätzen in den privaten und öffentlichen Banken gege­n­ über 2005 um 4 % erhöht. Im Juli gab es nach 40 Leermonaten eine Tarifeinigung im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Bei einer Laufzeit von zwölf Monaten erfolgte ab dem 1. August 2006 eine Entgeltanhebung um 2,7 %. Zum 1. April 2007 können Betriebe Arbeitszeitkonten mit einjährigem Ausgleichszeitraum einführen. Voraussetzung für die Nutzung der Jahresarbeitszeit ist die Einführung einer Insolvenzsicherung für Arbeitszeitkonten. Die Ausgestaltung des Arbeitszeitkontos ist der Branche angepasst und betrieblich flexibel. In Ostdeutschland wird die Wochenarbeitszeit in vier Schritten à 0,5 Stunden bis zum 1. April 2010 von derzeit 41 Stunden auf das Arbeitszeitniveau in Westdeutschland von 39 Stunden reduziert – mit entsprechender Absenkung des Monatseinkommens.

Tarifpolitik Inhalt

Verhandlungen konnten auch Öffnungsklauseln zur Arbeitszeitverlängerung von 35 auf 38 Wochenstunden sowie zur Absenkung der Jahressonderzahlungen vereinbart werden, zum Teil sogar mit neuen Verfahrens­ erleichterungen bei der erforderlichen Zustimmung der Tarifvertragsparteien.

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Tarifpolitik

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Für die Zeitschriftenredakteure wurde im August mit ver.di und dem Deutschen Journalistenverband ein Abschluss mit einer Laufzeit von 26 Monaten (ab 1. Juni 2006) vereinbart, der für die ersten sieben Monate keine Tabellenanhebung, sondern eine Einmalzahlung von 220 € zum 1. Oktober 2006 vorsieht. Für die übrigen 19 Monate erfolgt eine Tabellenanhebung um 2,2 % und eine weitere Einmalzahlung von 220 €. Zudem ist eine Strukturreform der Berufsjahresstaffel vorgesehen. Die Zeitungsredakteure einigten sich im September mit ver.di und dem Deutschen Journalistenverband auf einen Tarifabschluss mit einer Laufzeit von 36 Monaten, rückwirkend zum 1. August 2005. Für die ersten zwölf Monate wurde eine Einmalzahlung von 350 € vereinbart, für die zweiten zwölf Monate eine Tabellenanhebung um 1 % und für die dritten zwölf Monate eine Tabellenanhebung um 1,5 %. Auch hier wird die Berufsjahresstaffel neu strukturiert. Für die 95.000 Beschäftigten der Stahlindustrie einigten sich die Arbeitgeber mit der IG Metall im September auf einen Tarifabschluss mit einer Laufzeit von 17 Monaten. Danach erhalten die Arbeitnehmer für die ersten vier Monate eine Einmalzahlung von 500 € und eine Sonderzahlung von 750 €. Ab Januar 2007 erfolgt eine Tabellenanhebung um 3,8 %. Diese außergewöhnlich hohe Belas­ tung ist der soliden Branchenkonjunktur geschuldet und kann keinesfalls als Vorbild für die anstehende Tarifrunde 2007 dienen. Zusätzlich wurde eine Vereinbarung zum Abschluss eines Tarifvertrags zur Gestaltung des demografischen Wandels getroffen. Danach ist neben einer betrieblichen Altersstrukturanalyse unter anderem die einvernehmliche Einrichtung eines betrieblichen Fonds vorgesehen, aus dem verschiedene Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer finanziert werden sollen.

Mehr Betriebsnähe durch Entgeltdifferenzierung Im Jahre 2006 konnten beim Ausbau der betrieblichen Gestaltungsspielräume vor allem im Bereich der Entgeltdifferenzierung Fortschritte erzielt werden. Damit einher geht eine zunehmende Aufteilung von Tarifanhebungen in Tabellenerhöhungen und Einmalzahlungen. Vorreiter dafür war vor allem die chemische Industrie, die bereits in der Vergangenheit Tariferhöhungen wiederholt in eine dauerhaft wirkende Anhebung von Tarifentgelten und

variable Einmalbeträge aufgeteilt hat. Zur Sicherung der Zukunft des Branchentarifvertrags gibt es zu einer stärkeren Differenzierung auch beim Entgelt keine Alternative. Neue ertragsabhängige Einmalzahlungen vereinbarten der Einzelhandel, die Metall- und Elektroindustrie sowie einige Regionen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Erstmals konnte in diesen Branchen auch ein Einstieg in die betriebliche Ausgestaltung tariflicher Entgeltbestandteile ohne Beteilung der Gewerkschaft erzielt werden. Entsprechend der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens können durch freiwillige Betriebsvereinbarung die Einmalzahlungen zeitlich verschoben, bis auf null reduziert oder verdoppelt werden. Bislang gab es solche Öffnungsklauseln vorwiegend nur in IGBCE-Branchen wie der chemischen Industrie und der Papiererzeugung. Auch die Kautschukindustrie (Ost) konnte diese Form der Entgeltflexibilität dieses Jahr wiederholt vereinbaren. Die IG Metall hatte rein betrieblich abdingbare Einmalzahlungen bislang nur in der Textilund Bekleidungsindustrie zugelassen, die in diesem Jahr diese Öffnungsklausel erneut vereinbaren konnte. Dabei ist neu, dass die Einmalzahlungen erfolgsabhängig auch verdoppelt werden können. Ebenfalls mehr Entgeltflexibilität erzielte das Bankgewerbe, indem es seine betriebliche Option, leistungsorientierte Vergütung zu zahlen, von bisher 7,5 auf 8 % des tariflichen Jahresentgelts erweitert hat. Auch im Bereich der Sonderzahlungen erzielten einige Branchen in diesem Jahr mehr betriebliche Flexibilität. So können das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung in der Papierverarbeitung und den Zeitschriften­ verlagen bei Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien abgesenkt werden oder entfallen; eine Verschiebung kann in der Papierverarbeitung rein betrieblich vorgenommen werden. Eine Betriebsvereinbarung genügt im Metallhandwerk Niedersachsen und in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz und Baden-Würt­ temberg, um diese Zahlungen ertragsabhängig in einer Spanne von 50 bis 150 % bzw. 80 bis 120 % variieren zu können. Im Bankgewerbe wurde die Spanne, innerhalb deren durch Betriebsvereinbarung die tarifliche Sonderzahlung bislang zwischen 91 und 118 % erfolgsabhängig variiert werden kann, auf eine Bandbreite von 90 bis 120 % erweitert.


Die dringend benötigte Erweiterung der betrieblichen Gestaltungsspielräume vor allem beim Arbeitszeitvolumen konnte in den letzten Jahren verstärkt in die Tarifverträge aufgenommen werden. Auch in dieser Tarifrunde wurden auf diesem wichtigen Feld weitere Fortschritte erzielt. In der Papierverarbeitung kann die Wochenarbeitszeit mit Zustimmung der Gewerkschaft ohne Lohnausgleich von 35 auf 38 Stunden verlängert werden. Gleichzeitig wurde das Zustimmungsverfahren deutlich vereinfacht. ver.di erteilt die Zustimmung, wenn im Gegenzug Regelungen zur Beschäftigungssicherung getroffen ­ werden. Darüber hinaus können nunmehr durch freiwillige Betriebsvereinbarung Arbeitszeitkonten mit einem Korridor von bis zu 220 Plus- und 70 Minusstunden ohne Begrenzung des Ausgleichszeitraums eingeführt werden. Der Verteilzeitraum bei ungleich­mäßig verteilter

Arbeitszeit wurde von 12 auf 18 Monate verlängert. In der Versicherungswirtschaft wurde die Nutzung des bereits bestehenden Arbeitszeitkorridors erleichtert und Wochenarbeitszeiten zwischen 20 und 42 Stunden ­ ermöglicht. Beim erforderlichen Ausgleich von ­Arbeitszeitverlängerung und Arbeitszeitverkürzung können bei bestimmten Beschäftigten künftig auch die bestehenden Teilzeitverhältnisse ­berücksichtigt ­­werden. Im Bankgewerbe ist die Höchstgrenze für das ­ Ansparen von Arbeitsstunden für Langzeitkonten von bisher 175 auf 195 Stunden pro Jahr ausgedehnt worden. In einigen Bereichen der ­Ernährungsindustrie konnten durch stufenweise Streichung bzw. ­ Absenkung freier Tage sowie Altersfreizeiten auch generelle ­ Verlängerungen der Jahresarbeitszeit erzielt werden. Auch in regionalen Tarifabschlüssen sowohl der Ernährungsindustrie als auch der Steine- und Erden-Industrie wurden weitgehende Öffnungsklauseln vereinbart. Diese ermöglichen – ­unter Einbeziehung der Gewerkschaften – den Betrieben Abweichungen von tarifvertraglichen Standards zur Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsverbesserung.

Tarifpolitik Inhalt

Weiterer Ausbau der Arbeitszeitflexibilität

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Mindestlohn verhindern Entsprechend den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag läuft seit Mitte des Jahres ein Gesetzgebungsverfahren zur Aufnahme des Gebäudereinigerhandwerks in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmer-Entsende­gesetzes. Da die

Gebäudereiniger bereits über einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag verfügen und soziale Verwerfungen durch Entsendearbeitnehmer in der Branche vorgetragen wurden, hat sich die BDA in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf im Grundsatz nicht gegen die Aufnahme dieser Branche in den Anwendungsbereich des Entsendegesetzes geäußert. Allerdings wurden massive Einwän-

Tarifpolitik

Gesetzliche Mindestlöhne – Irrweg mit fatalen Folgen

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Die BDA lehnt gesetzliche Mindestlöhne ab. Dies gilt für einen einheitlichen Mindestlohn ebenso wie für branchenspezifische Mindestlöhne auf Tarifbasis. „Arbeitslosengeld II“ berücksichtigen Das „Arbeitslosengeld II“ sichert die Existenz für jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Die Transferleistung garantiert umgerechnet auf eine Vollzeitstelle bereits einen „faktischen Mindestlohn“ für Alleinstehende in Höhe von 4,88 € und für Verheiratete mit zwei Kindern von 9,30 € pro Stunde – selbst wenn der ­Hilfebedürftige überhaupt keiner Tätigkeit nachgeht. Jeder selbst ­ver­diente Euro erhöht diesen Betrag. Arbeitsplätze nicht gefährden In Deutschland verdienen etwa 1,3 Mio. Vollzeitbeschäftigte weniger als 1.000 € im Monat bzw. 6,00 € pro Stunde. Höhere gesetzliche Mindestlöhne würden mindestens einen Teil dieser Arbeitsplätze vernichten, in Schwarzarbeit oder ins Ausland verdrängen. Löhne stärker differenzieren Arbeitsplätze entstehen bzw. bleiben nur dann er­ halten, wenn die Arbeitskosten nicht höher sind als die erwirtschaftete Produktivität. Voraussetzung für die Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem im Bereich einfacher Tätigkeiten ist daher eine stärker produktivitäts­ orientierte Lohndifferenzierung. Unnötige Arbeitskosten vermeiden Branchenspezifische Mindestlöhne würden insbesondere in Ostdeutschland die Arbeitskosten in die Höhe treiben und damit den Wegfall von Arbeitsplätzen bewirken. Obwohl die Tariflöhne dort fast 95 % des

Westniveaus erreicht haben, liegen die tatsächlich gezahlten Löhne im Durchschnitt ein Fünftel darunter. Kontrollbürokratie verhindern Mindestlöhne auf Tarifbasis würden bei der Festsetzung und Kontrolle weitere Bürokratie nach sich ziehen. In Deutschland existieren über 3.000 Lohn- und Gehaltstarifverträge. Nicht tarifgebundene Betriebe müssten plötzlich ermitteln, unter welchen Tarifvertrag sie fallen. Tarifautonomie wahren Nach dem Grundgesetz müssen Unternehmen die Möglichkeit haben, ihre Arbeitsbeziehungen auch ohne Tarifbindung gestalten zu können. Diese negative Koalitionsfreiheit wird außer Kraft gesetzt, wenn tarifliche Mindestlöhne per Zwangsverordnung für alle gelten. Rahmenbedingungen beachten Viele beschäftigungspolitisch erfolgreiche Länder wie Österreich, Dänemark und Schweden haben keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. In Ländern mit einem Mindestlohn sind die gesamtwirtschaft­ lichen Rahmenbedingungen zudem nicht mit denen in Deutschland vergleichbar. Diese europäischen Nachbarländer haben wie auch die USA ein flexibleres Arbeitsrecht. Zudem sind die Arbeitskosten niedriger. Außerdem sind die Mindestlohnregelungen in diesen Ländern oft an Beitrags- und Steuerentlastungen gekoppelt.


Gesetzliche Mindestlöhne lösen keines der bestehenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt, sondern schaffen nur zusätzliche. Mindestlöhne verhindern die Schaffung bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen gerade für gering Qualifizierte mit niedriger Produktivität. Arbeitsplätze, für die gesetzlich eine Entlohnung oberhalb der jeweiligen Wertschöpfung festgelegt wird, können von den Unternehmen nicht erhalten werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzlicher Mindestlohn“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de zugänglich.

Tarifvertragliche Regelungen und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) findet auch auf Tarifverträge Anwendung. Damit ist aber nicht jede tarifvertragliche Differenzierung aufgrund eines der im AGG genannten Merkmale unzulässig. Vielmehr enthält das Gesetz zahlreiche Rechtfertigungsgründe. Zudem scheidet bei einer mittelbaren Differenzierung bereits der Tatbestand einer unzulässigen Benachteiligung aus, wenn ein sachlicher Grund dafür besteht und die Mittel zur Erreichung des Zieles verhältnismäßig sind. Bei Tarifverträgen gilt darüber hinaus die sogenannte „Richtigkeitsgewähr“, wodurch sie nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Nach ständiger Rechtsprechung ist es vor dem Hintergrund der Tarifautonomie nicht Aufgabe der Gerichte zu überprüfen, ob Tarifvertragsparteien die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden

Altersdifferenzierungen in Tarifverträgen Die größte Bedeutung kommt in Tarifverträgen dem Merkmal Alter zu. Hierzu sieht das Gesetz spezielle Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen vor.  Die beim Kündigungsschutz zugunsten älterer Arbeitnehmer bestehenden Regelungen sind wegen des Vorrangs des Kündigungsschutzgesetzes vor dem AGG weiterhin zulässig.  Längere Kündigungsfristen zugunsten Älterer sind aus gleichem Grund zulässig. Sie sind darüber hinaus sachlich gerechtfertigt, soweit damit die Betriebstreue honoriert werden soll.  Entgeltstaffelungen und Sonderzahlungen in Abhängigkeit von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit können als Honorierung der Betriebstreue und ggf. der Berufserfahrung gerechtfertigt werden.  Zulässig sind Regelungen, die das Arbeitsverhältnis automatisch und ohne Kündigung mit Erreichen des Rentenalters enden lassen.  Die Nichtberücksichtigung von Zeiten vor Voll­endung eines bestimmten Lebensalters oder Abschläge, soweit ein bestimmtes Alter nicht überschritten ist, kann gerechtfertigt sein, wenn durch diese Regelungen die Eingliederung junger Menschen in ein Beschäftigungsverhältnis erleichtert werden soll. Der Gesetzgeber geht mit § 622 Abs. 2 BGB bei den Kündigungsfristen selbst von der Zulässigkeit der entsprechenden Regelung aus.  Verdienstsicherungsklauseln, welche vom Bundesarbeitsgericht anerkannt sind, können auch weiterhin zum Schutz älterer Arbeitnehmer gerechtfertigt werden. Gleiches gilt für eine Arbeitszeitreduzierung oder andere Erleichterungen ab einem bestimmten Lebensalter.  Zu rechtfertigen sind letztlich auch Regelungen in der Hinterbliebenenversorgung wie Altersabstandsoder Spätehenklauseln. Schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers sei, die aus der Hinterbliebenenversorgung folgenden Risiken zu begrenzen und kalkulierbar zu machen. Im Übrigen muss der Arbeitgeber, der die Hinterbliebenenversorgung freiwillig gewährt, auch deren Voraussetzungen und Ausschlusstatbestände festlegen können.

Tarifpolitik Inhalt

de gegen eine staatliche Mindestlohnfestsetzung durch Rechtsverordnung geltend gemacht, wonach der Bundesminister für Arbeit und Soziales Mindestentgelte ohne Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf die gesamte Branche erstrecken kann. Der Gesetzentwurf hat im ersten Durchgang den Bundesrat ohne Einwendungen passiert, obwohl sich auch der mitberatende Wirtschaftsausschuss in seiner Beschlussempfehlung gegen die Verordnungsermächtigung gewandt hatte. Der Bundestag hat am 9. November 2006 in erster Lesung den Gesetzesentwurf den Ausschüssen überwiesen.

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Tarifpolitik

haben. Soweit die Zulässigkeit bzw. Rechtfertigung von Differenzierungen insbesondere von Interessenabwägungen abhängig ist, haben die Tarifvertragsparteien einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt überprüft werden kann. Der Gesetzgeber selbst hat die Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen mit der Beschränkung der Haftung bei der Anwendung eines Tarifvertrags anerkannt.

46

Sollte dennoch in einer tarifvertraglichen Regelung eine unzulässige Benachteiligung enthalten sein, ist diese unwirksam. Die Reichweite der Unwirksamkeit und die Folgen für die Ansprüche der unzulässig benachteiligten Arbeitnehmer aus dem Tarifvertrag sind noch weitgehend ungeklärt. Aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts kann insbesondere nicht grundsätzlich von einem Anspruch der unzulässig Benachteiligten auf Gleichbehandlung auch für die Zukunft ausgegangen werden. An dieser Stelle setzt die verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie deutliche Grenzen. Hinsichtlich möglicher Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche besteht für den einzelnen Arbeitgeber ein gesetzliches Haftungsprivileg, wonach bei der Anwendung von Tarifverträgen

nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet wird. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Anwendung unzulässig benachteiligender tarifvertraglicher Regelungen kommt jedoch nur bei eindeutigen Verstößen gegen Diskriminierungsverbote oder bei einer bereits höchstrichterlich festgestellten Unzulässigkeit in Betracht. Im Übrigen ist der Arbeitgeber aufgrund der normativen Wirkung des Tarifvertrags zu dessen Anwendung berechtigt und verpflichtet.

Unzulässigkeit von Arbeitskämpfen für Tarifsozialpläne klarstellen Der Flächentarifvertrag sichert die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Er nimmt eine soziale Befriedungsfunktion wahr und soll notwendige Flexibilitätsspielräume stärken und ausbauen. Deutschland ist auf wirtschaftlich tragbare und sozial ausgewogene Tarifregelungen angewiesen. Die in Arbeitgeberverbänden organisierten Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass die


Vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtsunsicherheit ist eine gesetzliche Klarstellung notwendig, um die dem Tarifvertrag innewohnende Friedenspflicht zu bewahren und damit die Tarifautonomie zu schützen. Es muss im Tarifvertragsgesetz klargestellt werden, dass der Streik gegen tarifgebundene verbandsangehörige Arbeitgeber ausgeschlossen ist. Ebenso muss ausgeschlossen werden, dass es zu Arbeitskämpfen um Verbandstarife kommt, die sich ausschließlich auf das konkrete Unternehmen beziehen. Haus- oder unternehmensbezogene Verbandstarifverträge bleiben freiwillig möglich, dürfen jedoch nicht erstreikbar sein. Ferner muss im Betriebsverfassungsgesetz der bereits bestehende Vorrang der betrieblichen Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in Fällen der Betriebsänderung vor Tarifverträgen festgeschrieben werden. Der Gesetzgeber hat mit Interessenausgleich und Sozialplan Instrumente zur Beilegung von Streitigkeiten um Betriebsänderungen bereitgestellt, die durch Arbeitskämpfe um Sozialpläne konterkariert werden. Die betriebliche Einigung ist aufgrund der größeren Sachnähe und umfassenderen Information des Betriebsrats und seiner Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs vorrangig.

CDU deutlich gemacht, dass sie sich für eine verstärkte Mitarbeiterbeteiligung einsetzen will. Auch die SPD hat mittlerweile eigene Vorschläge zum Ausbau der Mitarbeiterkapitalbeteiligung angekündigt. Mit einem Investivlohn werden ökonomische und nichtökonomische Vorstellungen verbunden. Genannt werden:  Vermögensbildung in allen Schichten  Mehr Kapital für die Unternehmen  Wachsende Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Arbeitnehmerhaushalte  Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmenserträgen  Bessere Motivation der Mitarbeite. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen gravierend geändert. Angesichts eines durchschnittlichen Nettogeldvermögens je Haushalt von 68.500 € ist eine allgemeine Vermögensbildung keine prioritäre Aufgabe mehr. Die Diskussionen über die Freibeträge im Rahmen des „Arbeitslosengelds II“ haben vielmehr gezeigt, dass heute selbst solche Haushalte über nennenswertes Vermögen verfügen. Auf der anderen Seite existiert keine Kapitalknappheit mehr. Für die Kapitalbeschaffung stehen den Unternehmen heute die Kapitalmärkte rund um den Globus zur Verfügung.

Mitarbeiterbeteiligung

Zur Motivation und zur Beteiligung der Mitarbeiter an den Unternehmenserträgen ist eine ertragsabhängige Tarif- und Vergütungspolitik sehr viel besser geeignet. Mitarbeiterbeteiligung als Erfolgsbeteiligung, also als Beteiligung am jeweiligen Unternehmensergebnis, ist im Vergleich zur Kapitalbeteiligung leichter und insbesondere auch in Personenunternehmen umsetzbar. Immer mehr Tarifverträge enthalten inzwischen Regelungen, die Spielräume für erfolgsabhängige Entlohnung schaffen. Diesen Weg, bei der Entlohnung stärker nach der Unternehmensentwicklung zu differenzieren, wird die Tarifpolitik in den nächsten Jahren auch noch häufiger gehen müssen.

Mit seinen Überlegungen für eine verstärkte Mitarbeiter­ kapitalbeteiligung hat der Bundespräsident Ende letzten Jahres eine lebhafte Diskussion eröffnet. Mit ihrem Parteitagsbeschluss vom 28. November 2006 hat die

Insbesondere Sonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld werden immer häufiger erfolgsabhängig ausgestaltet. Das ist auch gut so, denn dadurch kann das Unternehmen atmen, weil sich die Personalaufwendungen ein Stück weit an die Ertragslage anpassen. In

Tarifpolitik Inhalt

Grundsätze des Tarifrechts auch verwirklicht werden. Gewerkschaften nutzen jedoch immer häufiger die Tarif­ fähigkeit einzelner Arbeitgeber aus, um diese auch dann zum Abschluss von Haustarifverträgen zu zwingen, wenn der Arbeitgeber Mitglied im Arbeitgeberverband ist und für ihn Verbandstarifverträge gelten. Dieses Verhalten der Gewerkschaften ist rechtswidrig. Der einzelne Arbeitgeber wird aus der Solidarität seines Verbandes herausgebrochen. Die Friedenspflicht und damit das Gesamtsystem des deutschen Tarifrechts werden untergraben. Die Tarifautonomie und die positive Koalitionsfreiheit drohen Schaden zu nehmen.

47 3


Tarifpolitik

guten Zeiten muss der Arbeitgeber dann mehr zahlen, wenn es einmal schlecht läuft, dagegen weniger. Im Ergebnis wird dadurch Beschäftigung sicherer, weil sich Unternehmen bei schlechter Ertragslage weniger veranlasst sehen, ihre Personalkosten zu reduzieren. Die BDA weist in aller Klarheit darauf hin, dass die Einführung eines Investivlohns den Verteilungsspielraum nicht vergrößert.

48

Eine Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenskapital kann sinnvoll und sowohl für die ­Betriebe als auch für die Beschäftigten vorteilhaft sein. ­ Allerdings sind nicht alle Unternehmensgrößen und Rechtsformen gleichermaßen für Mitarbeiterkapital­beteiligung geeignet. Eine echte Kapitalbeteiligung ist nur bei Kapitalgesellschaften möglich, die jedoch in Deutschland nur eine Minderheit aller Unternehmen ausmachen. Dagegen kommt bei Einzel-Personenunternehmen, die mehr als zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland darstellen und die sich typischerweise bei Umsatz und Beschäftigung in unteren Größenklassen bewegen, eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung kaum in Betracht. Mitarbeiterkapitalbeteiligung bedeutet immer auch, in schlechten Zeiten an Verlusten beteiligt zu werden. Es gibt nun mal keine Chancen ohne Risiko. Im Extremfall riskiert der Arbeitnehmer sogar beides, nämlich seinen Arbeitsplatz und sein eingebrachtes Vermögen, zu verlieren. Als Altersvorsorge ist Mitarbeiterkapital­ beteiligung daher nur bedingt geeignet. Die Risiken der Kapitalanlage werden nicht gestreut, sondern auf eine Anlage konzentriert. Eine Insolvenzsicherung von Wertverlusten wider­spräche dem Grundgedanken der Mitarbeiterbeteiligung. Denn damit würden weder die Unternehmen zusätzliches Risikokapital erhalten noch würden die Mitarbeiter zu echten Anteilseignern, die sowohl an den Gewinnchancen als auch an den Verlustrisiken beteiligt sind. Eine Insolvenzsicherung verringert zudem die Rendite und begrenzt die mit der Mitarbeiterkapitalbildung eigentlich ja beabsichtigte verstärkte Identifikation der Arbeitnehmer mit dem Unternehmen. Diese Entscheidung kann jedoch nur von den Beteiligten getroffen werden. Weder der Gesetzgeber noch die Tarifvertragsparteien sind befugt, dem Arbeitnehmer die Verwendung seines erarbeiteten Einkommens vorzuschreiben. Auf der anderen Seite darf kein Unterneh-

mer gezwungen werden, einen bestimmten Kapitalgeber aufzunehmen. Die CDU hat in ihrem jüngsten Parteitagsbeschluss dieses Prinzip der doppelten Freiheit zu Recht betont. Eine Vermengung von Mitarbeiterkapitalbeteiligung und betrieblicher Altersvorsorge lehnt die BDA grundsätzlich ab. Priorität sollte aus Sicht der BDA der Ausbau der Altersvorsorge haben. Der demografische Wandel und das damit unweigerlich sinkende Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung verlangen deutlich mehr kapitalgedeckte Altersvorsorge. Die betriebliche Altersvorsorge bietet ebenso wie die Mitarbeiter­ kapitalbeteiligung die Chance, an der Entwicklung der Unternehmens- und Kapitaleinkünfte teilzuhaben, nur ist hier die Anlage deutlich risikoärmer und vor allem insolvenzgesichert. Bevor eine nachgelagerte Besteuerung im Bereich der Mitarbeiterbeteiligung eingeführt wird, muss daher zunächst einmal der Erhalt der ­steuer- und beitragsfreien Entgeltumwandlung über 2008 hinaus gewährleistet sein. Da die Mitarbeiterkapitalbeteiligungen klar abgrenzbar sind, sind sie ein guter Einstieg in eine sukzessiv auszubauende nachgelagerte Besteuerung investierter Einkünfte. Auch in diesem Punkt hat sich erfreulicherweise die Auffassung der BDA nicht nur in der CDU durchgesetzt. Hier bietet sich die Chance für einen Schritt in ein investitionsfreundliches Steuersystem. Die Besteuerung soll erst dann erfolgen, wenn die Geldanlage endgültig aufgelöst wird.




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Soziale Sicherung Soziale Sicherung Inhalt


Soziale Sicherung

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Reformdruck bleibt hoch

mittel, der Mehrwertsteuererhöhung und des notwendigen Schul­denabbaus massive Beitragssteigerungen.

Leistungsfähige soziale Sicherungssysteme sind ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft. Sie können aber nur dauerhaft finanziert werden, wenn ihr Leistungsniveau ein angemessenes Verhältnis zur Wirtschaftskraft wahrt. Dies ist jedoch zunehmend nicht mehr der Fall. Insbesondere sind die Beitrags- und Steuerlasten zur Finanzierung der Sozialversicherung kontinuierlich stärker gestiegen als die gesamtwirtschaftliche Leistung. Durch die zusätzliche Abgabenlast wurden nicht nur die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer geschmälert, sondern vor allem die von den Betrieben zu tragenden gesetzlichen Personalzusatzkosten erhöht. Gleichzeitig sind Möglichkeiten zum Konsum, zum Sparen und zur Eigenvorsorge bzw. zum Investieren genommen worden.

Für die Erfüllung des im Koalitionsvertrag formulierten Zieles, die Beitragssätze zur Sozialversicherung dauerhaft unter 40 % zu senken, müssen weitere, deutlich über die bislang konkret vereinbarten Maßnahmen hinaus­gehende Schritte unternommen werden. Dies ist zwingend zur Entlastung der Betriebe bei den auch im internationalen Vergleich viel zu hohen Personalzusatzkosten und damit Voraussetzung für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland in einem weiter zu­ nehmenden Standortwettbewerb.

Die Belastung des Produktionsfaktors Arbeit durch Sozial­ versicherungsbeiträge ist eine der wesentlichen Ursachen der anhaltenden Wachstumsschwäche und hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland. Weniger Wachstum und weniger Beschäftigung schlagen wiederum unmittelbar auf das Beitrags- und Steueraufkommen durch und lösen so weitere Beitragssatzerhöhungen aus. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden.

Die Hypothese, eine große Koalition könne grundlegende und zum Teil auch schmerzhafte Reformen beschließen, die bei knappen Mehrheitsverhältnissen nicht zustande gekommen wären, hat sich bisher nicht bestätigt. In der Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung besteht unverändert hoher Reformbedarf, dem insgesamt bislang nur unzureichend bzw. gar nicht Rechnung getragen worden ist. Zudem hat die große Koalition Gesetze auf den Weg gebracht, die nicht nur eine Entlastung des Faktors Arbeit von Sozialversicherungsbeiträgen verhindern, sondern Arbeit sogar verteuern.

Die Fehlentwicklungen in der Vergangenheit und die Herausforderungen in der Zukunft, insbesondere durch die demografischen Veränderungen, machen eine grundlegende Neuausrichtung der Sozialversicherung dringend erforderlich. Die Arbeitgeber orientieren sich bei ihren Konzepten und Reformvorschlägen an klaren und begründeten Grundprinzipien, die als „Kompass für Verlässlichkeit“ im Februar 2006 vom Präsidium der BDA verabschiedet wurden Entgegen der Ankündigung der Bundesregierung, die Summe der Sozialversicherungsabgaben unter die 40 %Schwelle zu senken, verharren die Beitragssätze zur Sozial­ versicherung Ende 2006 unverändert bei rund 42 %. Aller Voraussicht nach wird es auch im nächsten Jahr nicht gelingen, die Sozialabgabenquote auf unter 40 % zu ­drücken, denn parallel zur Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,2 % wird der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung von 19,5 auf 19,9 % angehoben. Und auch in der Krankenver­siche­ rung drohen vor dem Hintergrund der reduzierten Steuer­­

Ernüchternde Zwischenbilanz

So hat sie zum 1. Juli 2006 die Pauschalabgaben für Mini­ jobs um fünf Prozentpunkte auf 30 % erhöht, wohl wissend und ausdrücklich in Kauf nehmend, dass dadurch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse verloren gehen. Die Anhebung der Pauschalabgaben für Minijobs um 20 % wird nicht nur legale Beschäftigung vernichten, sondern auch zu einem Wiederanstieg der Schwarzarbeit führen. In der Rentenversicherung ist die Festlegung des Koalitionsvertrags, in der laufenden Legislaturperiode keine Rentenkürzungen vorzunehmen, gesetzlich untermauert worden. Damit wurde eine fundamentale Grundregel der Rentenversicherung, nämlich das seit nahezu 50 Jahren geltende Prinzip der Teilhabeäquivalenz, außer Kraft gesetzt. Der Verzicht auf Minusrunden in der Rentenversicherung wird bei geringen Lohnzuwachsraten tendenziell zu einer Anhebung des Rentenbeitragssatzes und damit zu steigenden Personalzusatzkosten führen.


Die Habenseite der großen Koalition ist dagegen dürftig. Hier ist vor allem der Ende November von der ­Bundesregierung beschlossene Entwurf des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes zu nennen, der die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zwischen 2012 und 2029 von 65 auf 67 Jahre und die Nachholung von in der Vergangenheit unterbliebenen Rentenkürzungen bei künftigen Rentenanpassungen vorsieht.

Die Behauptung, dass ein Prozentpunkt der zum 1. ­Januar 2007 beschlossenen Mehrwertsteueranhebung von 16 auf 19 % zur Senkung der Personalzusatzkosten verwendet wird, erweist sich bei näherer Betrachtung als falsch. Tatsächlich gehen die Mittel aus der Mehr-

Die annähernd auf Rekordniveau verharrende Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die ­Personalzusatzkosten im produzierenden Gewerbe Westdeutschlands im

Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz bleibt über 40 % (Jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt; 2007: Schätzung der BDA) Pflegeversicherung (inkl. Zuschlag für Kinderlose)

Krankenversicherung (Durchschnitt)

Arbeitslosenversicherung

Rentenversicherung

45

41,0

40

35,8

35 30 25

26,5 1,3

40,8

41,3

42,1

42,0

42,0

42,0

1,7

1,77

1,77

1,7

1,7

1,7

1,7

6,5

6,5

6,5

6,5

6,5

6,5

6,5

40,9 1,77 4,2

32,4

4,3

3,0

12,8

13,5

13,5

14,0

14,4

14,3

14,2

14,2

18,7

19,3

19,1

19,1

19,5

19,5

19,5

19,5

19,9

1990

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

15,0

11,4

8,2 20 15

18,0 17,0

10 5 0 1970

1980

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit; eigene Darstellung der BDA

Soziale Sicherung Inhalt

wertsteuererhöhung im Ergebnis vollständig in die Haushaltssanierung: Die zusätzlichen Steuermittel, die der Arbeitslosenversicherung aus der Mehrwertsteueranhebung zufließen, werden in gleicher Höhe bei der Renten- und Krankenversicherung gekürzt. Die Sozialversicherung erhält damit nicht mehr Steuermittel, die bisherigen Steuermittel werden nur anders an die einzelnen Zweige verteilt.

Der von den Koalitionsparteien beschlossene Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-WSG) steht dem Ziel, durch die Absenkung der Personalzusatzkosten Wachstum und Beschäftigung zu fördern, diametral entgegen. Die Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenver­ sicherung werden nicht – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – „stabil gehalten und möglichst gesenkt“, sondern im Gegenteil auf ein neues Rekordniveau von voraussichtlich 14,7 % im kommenden Jahr angehoben (plus 0,5 Beitragssatzpunkte). Viele Krankenkassen haben bereits spürbare Beitragssatzsteigerungen angekündigt, so dass auch ein durchschnittlicher Beitragssatz von 15 % nicht ausgeschlossen werden kann. Es ist nicht zu erkennen, mit welchen Maßnahmen die Koalition in den Folgejahren die notwendige Absenkung des Beitragssatz­ niveaus erreichen will.

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Soziale Sicherung

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J­ahre 2005 mit durchschnittlich 21.960 € je Vollzeitbeschäftigten einen neuen Höchststand erreicht haben. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhten sie sich um 180 € bzw. 0,8 %, während das Entgelt für geleistete Arbeit bzw. Direktentgelt um 580 € bzw. 1,9 % auf 30.770 € ­anstieg. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln verminderte sich die ­Personalzusatzkostenquote um 0,8 Prozentpunkte auf jetzt 71,4 %. Da der rückläufige Anteil des „Zweitlohns“ am Direkt­ entgelt nicht das Ergebnis gesunkener Personalzusatzkosten, sondern überproportional gestiegener Direkt­ entgelte gewesen ist, besteht für eine Entwarnung an der Personal­zusatzkostenfront jedoch überhaupt kein Anlass. Unter den Personalzusatzkosten sind die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber weiterhin die mit Abstand gewichtigste Position: Für ein Direktentgelt von 100 € mussten im vergangenen Jahr insgesamt 26,80 € an die Träger der Renten-, Kranken, Arbeits­losen-, Pflege- und Unfallversicherung überwiesen werden. Den zweitgrößten Kostenblock machte mit 21,70 € die Vergütung arbeitsfreier Tage aus, gefolgt von den Sonder­zahlungen (9,90 €) und den Aufwendungen für die ­ betriebliche Altersvorsorge (7,40 €). Die sonstigen Personal­zusatzkosten, zu denen unter anderem die Kos­ ten der Aus- und Weiterbildung, die Insolvenzgeldumlage und Abfindungszahlungen gerechnet werden, beliefen sich auf 5,60 € je 100 € Entgelt für geleistete Arbeit.

Gesetzliche Rentenversicherung: Anhebung der Regelaltersgrenze nicht verwässern Im Jahre 2005 verzeichnete die gesetzliche Rentenversicherung ein Defizit von 4,0 Mrd. €. Die Nachhaltigkeitsrücklage ging dadurch auf 0,11 Monatsausgaben zurück. Sie sank damit unter das gesetzliche Mindestsoll von 0,20 Monatsausgaben. Ohne die Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zum 1. Januar 2006, die für die Rentenversicherung zu zusätzlichen Einnahmen von über 10 Mrd. € geführt hat, würden die Alterskassen auch das laufende Jahr mit einem Defizit abschließen. Nur durch den vorgezogenen Zahlungs­ termin der Sozialbeiträge konnte der Rentenbeitragssatz in 2006 bei 19,5 % konstant gehalten werden.

Der am 11. November 2005 geschlossene Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD schließt Renten­ kürzungen in der laufenden Legislaturperiode kategorisch aus. Nach der zuletzt durch das „Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung“ (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) modifizierten Rentenanpassungsformel muss es jedoch zu einer Verminderung des aktuellen Rentenwertes kommen, wenn die Veränderung der beitragspflichtigen Brutto­lohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer negativ ist. Die mit dem RVNachhaltigkeitsgesetz ebenfalls eingeführten Sicherungsklauseln ändern an diesem Sachverhalt nichts. Da die neue Bundesregierung zu Jahresbeginn nicht ausschließen konnte, dass aus der letztjährigen Lohnentwicklung zum Anpassungstermin 1. Juli 2006 eine Rentenkürzung resultieren könnte, hat sie das „Gesetz über die Weiter­geltung der aktuellen Rentenwerte“ beschlossen. Danach wurden die Rentenwerte – derzeit 26,13 € im Westen und 22,97 € im Osten – in diesem Jahr nicht verändert. Inzwischen ist klar, dass es auch ohne das Gesetz nicht zu der befürchteten Rentenkürzung gekommen wäre. Die BDA hat die Festlegung des Koalitionsvertrags, in der laufenden Legislaturperiode auf Rentenkürzungen zu verzichten, selbst wenn diese unmittelbar aus der Lohnentwicklung resultieren, abgelehnt. In der Gesetzes­begründung zum „Gesetz über die Weitergeltung der aktuellen Rentenwerte“ wird zu Recht darauf verwiesen, dass sich die Anpassung der Renten seit fast einem halben Jahrhundert an der allgemeinen Lohnentwicklung orientiert. In dieser Zeit haben die Rentner an den Lohnzuwächsen partizipiert. Es ist nicht zu begründen, warum die Rentner zwar von steigenden Löhnen ­ profitieren, aber von sinkenden Löhnen nicht berührt sein sollen. Das stellt einen Verstoß gegen das Prinzip der Teilhabe­äquivalenz dar, setzt fundamentale Grundregeln der Renten­versicherung außer Kraft und bedeutet außerdem auch eine Lastenverschiebung auf zukünftige Generationen. Das Bundeskabinett hat am 29. November 2006 das „Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung“ (RV­­Altersgrenzenanpassungsgesetz) beschlossen. Die da­rin


 Die versicherungsmathematisch kalkulierten ­Abschläge bei vorzeitigem Rentenbezug sind keine Strafe für Frührentner, sondern lediglich Ausgleich für den ent­ sprechend verlängerten Rentenbezug. Die Abschläge führen dazu, dass Rentner unabhängig vom jeweiligen Alter bei Renteneintritt eine wertgleiche Rente, das heißt den gleichen Rentenbarwert, erhalten. Bei einem abschlagsfreien Renten­zugang nach 45 Beitragsjahren könnten – je nach individuellem Rentenzugangsalter – gleich hohe Beiträge zu unterschiedlich hohen Rentenansprüchen führen. Damit würde der Zusammenhang zwischen Beitragsleistung und Rentenhöhe geschwächt und der Besteuerungscharakter der Rentenbeiträge verstärkt.  Die mit der vorgeschlagenen Regelung verbundene Umverteilung zugunsten langjähriger Beitragszahler begünstigt Versicherte mit besonders vielen Beitrags- und Versicherungsjahren sowie überdurchschnittlich vielen Entgeltpunkten je Versicherungsjahr und damit deutlich überdurchschnittlichen Rentenansprüchen. Versicherte mit unterbrochenen Versicherungsverläufen werden dagegen benachteiligt.

Damit die entlastende Wirkung der Altersgrenzenanhebung in vollem Umfang greift, muss auf die vorgesehenen Ausnahmeregelungen verzichtet werden. Insbesonde­re muss auf die geplante neue Altersrente für besonders langjährig Versicherte verzichtet werden, die einen abschlagsfreien Rentenzugang mit 65 Jahren bei mindestens 45 Jahren mit Pflichtbeiträgen aus Beschäftigung, Kindererziehung und Pflege sowie mit Kinderberücksichtigungszeiten ermöglicht. Diese Ausnahmeregelung wird die Beitragszahler teuer zu stehen kommen und im Jahre 2030 mit rund 2 Mrd. € belasten. Daneben sprechen auch systematische

Altenquotient wird kräftig zunehmen Relation der 67-Jährigen und Älteren zu den 20- bis 66-Jährigen

„relativ junge” Bevölkerung „mittlere” Bevölkerung, Obergrenze „mittlere” Bevölkerung, Untergrenze

65 %

„relativ alte” Bevölkerung

60 %

62,3

55 %

56,2

50 % 50,7 45%

52,5

45,1

40 %

41,7

41,8

43,3

35 % 30 % 25 %

29,5 25,8

25,8

25,8

29,5

29,5

29,6

25,8

20 % 2005

2010

Quelle: Statistisches Bundesamt, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung

2030

2050

Soziale Sicherung Inhalt

Gründe gegen einen neuen vorzeitigen abschlagsfreien Rentenzugang:

vorgesehene schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre ist ein richtiger und notwendiger Schritt zur langfristigen Begrenzung der Rentenausgaben und zur Anpassung der Rentenversicherung an die steigende Lebenserwartung. Die Anhebung der Altersgrenze darf allerdings nicht von der künftigen Entwicklung der Arbeitsmarktlage für ältere Arbeitnehmer abhängig gemacht werden, wie es nach dem Gesetzentwurf vorgesehen ist. Schließlich ist die Altersgrenzenanhebung in der Rentenversicherung in Anbetracht der Verlängerung der Lebenserwartung in jedem Fall erforderlich. Das hat die jüngst vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte „11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung“ eindrucksvoll bestätigt.

55 3


Soziale Sicherung

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Beitragssatzanhebung auf 19,9 % war vermeidbar

Neben der Anhebung der Regelaltersgrenze soll auch die Rentenanpassungsformel nachgebessert werden. Gegenwärtig werden die Rentenanpassungen gemindert, wenn der Beitragssatz zur Rentenversicherung angehoben wurde, der Altersvorsorgeanteil gestiegen ist oder der Rentner-Beitragszahler-Quotient zugenommen hat. Eine Sicherungsklausel verhindert jedoch, dass es durch diese Dämpfungsfaktoren zu einer Rentenkürzung kommen kann. Ohne diese Schutzklausel hätte der aktuelle Rentenwert bereits in diesem und im vergangenen Jahr reduziert werden müssen. Die nun im Entwurf des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vorgesehene Ergänzung der Rentenanpassungsformel um einen Anpassungsfaktor, mit dem die unterbliebenen Dämpfungen bei künftigen Rentenerhöhungen nachgeholt werden, gewährleistet, dass es dennoch zur langfristig notwendigen Rentenniveausenkung kommt. Allerdings sollte der neue Anpassungsfaktor bereits bei der nächsten Rentenerhöhung seine Wirkung entfalten und nicht erst ab 2011. Zudem müssen unterbliebene Rentendämpfungen bei künftigen Rentenerhöhungen von Anfang an vollständig und nicht nur anteilig nachgeholt werden.

Mit dem „Gesetz über die Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge und Beitragszuschüsse in der Alterssicherung der Landwirte für das Jahr 2007“ wird der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung zum 1. Januar 2007 von 19,5 auf 19,9 % angehoben, obwohl nach den Vorausberechnungen des Schätzerkreises der gesetzlichen Rentenversicherung im kommenden Jahr ein Beitragssatz von 19,7 % ausreichend gewesen wäre. Durch die Entscheidung, den Rentenversicherungs­beitragssatz über das erforderliche Maß anzuheben, wird das richtige Ziel der Regierungskoalition, die Sozialversicherungs­ beitragssätze auf unter 40 % zu senken, im kommenden Jahr noch deutlicher verfehlt. Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass eine Begrenzung der Beitragssatzanhebung auf 19,7 % zum 1. Januar 2007 in den Jahren 2008, 2009 und 2010 eine weitere Anhebung des Beitragssatzes auf dann 20,1 % erforderlich mache, während der Rentenversicherungsbeitragssatz von 19,9 % bis einschließlich 2010 bei

„Nachhaltigkeitsrücklage“ dramatisch zurückgegangen 100

2,60

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund 2,75

2,60 in Mrd. €

2,50

in Monatsausgaben

2,25 75

1,90

2,00 1,75 1,50

1,50

50 1,25 1,00

0,90

1,00

0,93

0,70 0,60

25

1,00 0,63

0,60

0,48

25,1 21,9

19,8

1991

1992

1993

17,1

1994

0,50 0,31

13,6

11,2 0

0,75

1995

7,3

7,3

9,2

1996

1997

1998

14,2

13,8 9,7

1999

2000

2001

2002

0,11 7,5

4,9

2003

2004

1,8 2005

0,25 0,00


Zum anderen darf der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht stärker als notwendig angehoben werden, wenn gleichzeitig die nach wie vor dringend erforderlichen Reformen im Rentensystem nur unzureichend angegangen und teilweise auf Jahre hinaus aufgeschoben werden. Statt den Beitragssatz im kommenden Jahr „vorbeugend“ auf 19,9 % zu erhöhen, hätte vielmehr alles unternommen werden müssen, um den Beitragssatz auch ohne dieses Manöver langfristig unter 20 % zu halten. Die BDA hat dazu Vorschläge vorgelegt. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche Rentenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Betriebliche Altersvorsorge: Beitragsfreie Entgeltumwandlung erhalten Die Bundesregierung hebt in ihrem Alterssicherungs­ bericht 2005, den sie im März 2006 dem Bundestag vorgelegt hat, die zunehmende Bedeutung der betrieblichen Altervorsorge hervor. Positiv bewertet wird vor allem die wachsende Ausbreitung der betrieblichen Altersvorsorge seit 2001. Der Bericht basiert auf Daten der Erhebung zur „Situation und Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung von 2001 bis 2004“ durch TNS infratest Sozial­forschung, über die im BDA-Ge-

schäftsbericht 2005 berichtet wurde. Hervorgehoben wird insbesondere die „ungebrochene Dynamik der tariflichen Alters­vorsorgepolitik“ der Sozialpartner, die optimistisch stimme. Mittlerweile ist für über 20 Mio. Beschäftigte die Möglichkeit zur Entgeltumwandlung in den Tarif­verträgen geschaffen worden. Zu begrüßen ist vor allem, dass im Alterssicherungsbericht nochmals der Stellenwert der zusätzlichen Altersvorsorge betont wird, um den im Berufsleben erreichten Lebensstandard auch im Alter aufrechterhalten zu können. Allerdings wird die Forderung der BDA, die beitragsfreie Entgeltumwandlung über 2008 hinaus beizubehalten, mit dem Hinweis auf die damit verbundenen Einnahmeausfälle der Sozialversicherung nicht unterstützt. Die bei einem Ende der Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung zu erwartenden negativen Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der betrieblichen Altersvorsorge werden hingegen nicht erwähnt. Hier wäre ein klares Bekenntnis zur Beibehaltung der Beitragsfreiheit notwendig und wünschenswert gewesen. Darauf hat auch der Sozialbeirat hingewiesen, der sich in seinem Gutachten zum Rentenversicherungs- und Alterssicherungsbericht 2005 ausdrücklich dafür ausgesprochen hat, die Möglichkeit der sozialabgabenfreien Entgeltumwandlung über den 31. Dezember 2008 hinaus zu verlängern. Allerdings wird die Entscheidung über die Frage der beitragsrechtlichen Behandlung der Entgeltumwandlung erst im Jahre 2007 getroffen, wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einer Erklärung nochmals klarstellte. Positiv ist festzuhalten, dass von der Einführung eines Obligatoriums, auch in Form der automatischen Entgeltumwandlung, „derzeit” abgesehen wird. Denn sowohl beim Obligatorium als auch bei der automatischen Entgeltumwandlung mit Opt-out-Möglichkeiten für Arbeitnehmer handelt es sich um Zwangslösungen, die wieder neue Bürokratie schaffen. Völlig unvertretbar wäre die Einführung der automatischen Entgeltumwandlung, wenn es beim Ende der Beitragsfreiheit von Entgeltumwandlung nach 2008 bliebe. In diesem Fall liefen Arbeitnehmer Gefahr, dass ihre Mittel in eine meist nur wenig rentable Anlage gelenkt würden, da ab diesem Zeitpunkt sowohl die Beiträge während der Anwartschaftsphase als auch die Leistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge mit Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung belastet werden. Dies könnte nicht zuletzt das Arbeitsverhältnis belasten, denn der Arbeit-

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19,9 % stabilisiert werden könne, überzeugt nicht. Zum einen kann niemand heute verlässlich sagen, dass bei Anhebung des Beitragssatzes in der allgemeinen Renten­ versicherung zum 1. Januar 2007 auf 19,9 % tatsächlich ohne weitere Reformmaßnahmen eine langfristige Verstetigung auf diesen Wert möglich ist. Auch der im November 2006 vorgelegte Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung geht in vier von neun Lohn- und Beschäftigungsvarianten davon aus, dass der Beitragssatz in der Rentenversicherung ohne weitere Reformen 2008 nicht bei 19,9 % gehalten werden kann. Zudem haben sich bislang alle Beitragssatzprognosen der jeweiligen Bundesregierung als viel zu optimistisch herausgestellt. Die Hoffnung, mit einer sofortigen Beitragssatzanhebung auf 19,9 % langfristige Beitragssatzstabilität erreichen zu können, ist deshalb äußerst vage.

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geber würde zunächst für die „Fehllenkung der Beiträge“ verantwortlich gemacht werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Betriebliche Altersvorsorge“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Soziale Sicherung

Neues Finanzierungsverfahren für Pensions-Sicherungs-Verein

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Der Bundestag hat am 19. Oktober 2006 die Umstellung des Finanzierungsverfahrens des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSVaG) beschlossen. Das Gesetz ist am 12. Dezember 2006 in Kraft getreten. Dieses Gesetz fin­det die breite Unterstützung der deutschen Wirtschaft. Handlungsbedarf ergibt sich vor allem aufgrund der sich abzeichnenden Gewichtsverschiebung von den voll in­solvenzsicherungspflichtigen hin zu den insolvenz­sicherungsfreien bzw. nur bedingt insolvenzsicherungspflichtigen Durchführungswegen. Die vollständige Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren ist ein sinnvoller Lösungsansatz, um das künftige Finan­ zierungsverfahren des PSVaG unabhängig von dieser Entwicklung zu sichern. Erfreulicherweise enthält das Gesetz zwei wichtige Änderungsvorschläge der BDA, die vor allem das Berechnungsverfahren der noch nicht ausfinanzierten Betriebsrentenanwartschaften aus vergangenen Insolvenzen

(Altlasten) betreffen: So wird für die Kalkulation der Altlasten ein höherer Rechnungszinssatz von 3,67 % zugrunde gelegt (ursprünglicher Vorschlag: 2,75 %), wodurch sich der Betrag der Altlasten von ursprünglich 2,5 auf 2,2 Mrd. € reduziert. Darüber hinaus wird der Zeitraum für die Nachfinanzierung auf 15 Jahre (statt zehn Jahre, wie ursprünglich vorgesehen) gestreckt. Durch diese beiden Änderungsvorschläge kann die jährliche Nachfinanzierungsbelastung der Unternehmen von rund 1 ‰ auf rund 0,6 ‰, bezogen auf die Beitragsbemessungsgrundlage, gesenkt werden. Mit dieser Reform, die für die Unternehmen zwar eine vorübergehende Mehrbelastung mit sich bringt, wird die Finanzierungsbasis des PSVaG dauerhaft gesichert. Das Gesetz bildet auch die Grundlage, um die Beitragsstruktur des PSVaG weiterzuentwickeln, da hierfür die Ausfinanzierung der Altlast eine unabdingbare Voraussetzung ist. Zur Frage der Beitragsgestaltung des PSVaG hat die BDA am 10. Oktober 2006 in Berlin eine Fachtagung durchgeführt, in der sowohl die Frage des Handlungsbedarfs als auch der Weiterentwicklungsmöglichkeiten der künftigen Beitragsstruktur des PSVaG erörtert wurden. In der Fachtagung wurde deutlich, dass die Frage der Notwendigkeit und Ausgestaltung einer Reform der PSV-Beitragsgestaltung unterschiedlich beurteilt wird und vor einem umsetzungsfähigen Vorschlag noch viele offene Fragen geklärt werden müssen. Die weiteren Überlegungen werden sich darauf konzentrieren müssen, konkrete Lösungen zu erarbeiten und auf ihre Umsetzungs-


EU-PortabilitätsRichtlinie würde betrieblicher Altersvorsorge schaden Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zur Verbesserung der Portabilität von Betriebsrenten würde zu mehr Bürokratie und einer erheblichen Ver­ teuerung der betrieblichen Altersvorsorge führen. Die BDA lehnt den Richtlinienvorschlag deshalb ab. Entgegen seiner Bezeichnung sieht der Richtlinienvorschlag auch nicht nur einen Anspruch auf Mitnahme unverfallbarer Betriebsrentenanwartschaften bei einem Arbeitsplatz­wechsel vor, sondern will darüber hinaus europawei­te Mindeststandards für die betriebliche Altersvorsorge setzen. Insbesondere brächte die vorgesehene Pflicht zur Dynamisierung der Anwartschaften von ausgeschiedenen Mitarbeitern erhebliche Mehrkosten für die Betriebe. Das Gleiche gilt für die Verkürzung der Unverfallbarkeitsfristen, mit der zudem die betriebliche Altersvorsorge als personalpolitisches Instrument zur Mitarbeiter­bindung entwertet würde. Nicht zuletzt enthält der Entwurf neue bürokratische Arbeitgeberpflichten, die im deutschen Recht bislang nicht bestehen. Das Ziel des Richtlinienvorhabens, die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern, entspricht zwar grundsätzlich auch den Interessen der deutschen Unternehmen. Diesem Ziel wird aber im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge schon dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass Arbeitnehmer ihre unverfallbaren Ansprüche bei Ausscheiden aus dem Unternehmen behalten und bei Eintritt des Versorgungsfalls ihre Leistungen vom früheren Arbeitgeber erhalten. Insoweit besteht hier kein Mobilitätshemmnis und deshalb fehlt auch der Handlungsbedarf. Durch den Richtlinienvorschlag, der viele verschärfende Regelungen enthält, würde das Interesse der Arbeitgeber an der betrieblichen Altersvorsorge, die eine freiwillige Leistung ist, sinken und die Bereitschaft, neue Zusagen für betriebliche Altersvorsorge für die Beschäftigten zu geben, zurückgehen. Dem notwendigen Ziel, die betriebliche Altersvorsorge weiterzuverbreiten

und die ergänzende Altersvorsorge zu stärken, liefen die geplanten Vorschriften damit diametral zuwider. Die Bedenken der BDA werden auch von der Bundesregierung geteilt. Bundestag und Bundesrat haben in ihren Beschlüssen im Frühjahr 2006 ebenfalls verdeutlicht, dass der Kommissionsvorschlag nicht zustimmungsfähig ist. Aber auch in anderen EU-Ländern wächst die Sorge, dass mit diesem Richtlinienvorschlag in unterschiedlich gewachsene Vorsorgesysteme der Unternehmen in schädlicher Weise eingegriffen wird. Aus diesem Grund hat das niederländische Parlament im September 2006 den Richtlinienentwurf ebenfalls abgelehnt. Die gegensätzlichen Auffassungen spiegeln sich ebenso in den Beratungen des Europäischen Parlamentes wider. Der zuständige EP-Beschäftigungsausschuss hat deshalb seine Abstimmung über den Berichtsentwurf von Oktober 2006 auf Januar 2007 verschoben. Gleichzeitig haben EP-Abgeordnete aus diesem Ausschuss eine Initiative gestartet, die Richtlinie in eine nicht bindende Empfehlung umzuwandeln. Eine nicht bindende Empfehlung hat zwar den Vorteil, dass hierdurch nicht mit rechtsverbindlichen Mindeststandards schädigend in die betrieblichen Altersversorgungssysteme eingegriffen wird. Konsequent wäre aber allein, wenn die EU vollständig von ihren Plänen Abstand nähme.

Gesetzliche Krankenversicherung: Gesundheitsreform verfehlt alle wesentlichen Ziele Noch ist das Gesetzgebungsverfahren zur Gesundheits­ reform nicht abgeschlossen. Dennoch muss aber schon jetzt das Fazit gezogen werden, dass alle wesentlichen Anforderungen an eine durchgreifende und zukunfts­ sichere Neuordnung des Gesundheitswesens verfehlt werden. Insbesondere gelingt weder eine Abkopplung der Finanzierung vom Arbeitsverhältnis noch wird zumindest eine Stabilisierung der Beitragssätze erreicht. Schon die am 3. Juli 2006 von den Spitzen der Koalition vereinbarten „Eckpunkte zur Gesundheitsreform“ bildeten keine hinreichende Grundlage zur Lösung der zentralen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung und gingen teilweise sogar in die falsche Richtung. Die BDA hat diese Kritik an den Plänen zur Gesundheits­

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fähigkeit zu prüfen. Die BDA wird das Thema weiter auf ihrer Agenda halten.

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reform in mehreren Stellungnahmen, in zahlreichen Gesprächen mit der Politik und in den Anhörungen des Bundestags deutlich gemacht. Sie hat unter anderem auch in einer gemeinsamen Erklärung mit dem DGB im August bestehenden Änderungsbedarf aufgezeigt und hierzu Vorschläge formuliert. Zudem hat das Präsidium der BDA am 18. September 2006 unter dem Titel „Wie die Gesundheitsreform gerettet werden kann“ ein „10-Punkte-Korrekturprogramm“ beschlossen und in die Diskussion über die Gesundheits­ reform eingebracht. Hier die wesentlichen Kritikpunkte am Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV“ (GKV-WSG), den die Bundesregierung am 24. Oktober 2006 auf der Grundlage der Eckpunkte vom 3. Juli 2006 beschlossen hat:  Die beschäftigungspolitisch unverzichtbare Abkopplung der Krankheitskostenfinanzierung von den Arbeitskosten wird nicht erreicht. Vielmehr soll die Finanzierung der gesetzlichen Kranken­ versicherung auch künftig ganz überwiegend durch lohnbezogene Beiträge erfolgen. Daran ändert der neue Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen ­erheben müssen, wenn sie mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen, kaum etwas. Damit zumindest ein Einstieg in die Abkopplung der Krankheitskostenfinanzierung vom Arbeits­verhältnis erfolgt, sollte der Zusatzbeitrag ausschließlich als einkommensunabhängige Prämie und nicht auch lohnbezogen erhoben werden und der über den Zusatzbeitrag finanzierte Ausgabenanteil auf mindestens 10 % ausgeweitet werden. Die BDA konnte ­zumindest erreichen, dass der Zusatzbeitrag nach dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht vom Arbeitgeber zu entrichten ist, sondern unmittelbar vom Mitglied der Krankenkasse zu zahlen ist. So wird hoher bürokratischer Aufwand für die Arbeitgeber vermieden.  Die Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung werden nicht – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – „stabil gehalten und möglichst gesenkt“, sondern im Gegenteil trotz Gesundheitsreform weiter steigen. So droht – wenn es bei den jetzigen Plänen bleibt – bereits 2007, spätestens 2008, ein neuer Rekordbeitragssatz von 15 %.

 Beim Leistungskatalog bleiben die notwendige Konzentration auf Kernleistungen sowie der Ausbau der Eigenbeteiligung aus. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Minderausgaben beschränken sich auf lediglich 1 % der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit wird das vorhandene Einspar- und Beitragssatzsenkungspotenzial bei weitem nicht ausgeschöpft. Bei den Zuzahlungen sind kaum Änderungen vorgesehen. Erforderlich ist jedoch ein deutlich stärkerer Ausbau der Eigenverantwortung. Zudem wird der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung sogar noch erweitert.  Die vorgesehenen Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs unter den Krankenkassen und zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern sind im ­Wesentlichen positiv zu bewerten. Schließlich sind Vertrags- und Versorgungswettbewerb die wirksamsten Instrumente zur Ausgabenbegrenzung im ­Gesundheitswesen. Eine umfassende wettbewerbliche Ausrichtung der gesetzlichen Krankenversicherung ist allerdings im Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Im Interesse eines intensiveren Wettbewerbs ist positiv zu bewerten, dass infolge der einheitlichen Bestimmung des Beitragssatzes künftig der Versicherte allein – so wie seit langem von der BDA gefordert – die finanziellen Konsequenzen seiner Krankenkassenwahl trägt. Der Versicherte profitiert damit im vollen Umfang bei Wahl einer günstigen Krankenkasse bzw. muss allein für die finanziellen Konsequenzen aufkommen, wenn er sich für eine teure Krankenkasse entscheidet. Dadurch werden deutlich größere Anreize zum Wechsel in kostengünstige Krankenkassen gesetzt. Sinnvoll ist zudem die Hinweispflicht der Krankenkassen, die einen Zusatzbeitrag erheben, auf die Möglichkeit eines Kassenwechsels, weil hierdurch die Inanspruchnahme des Wechselrechts positiv beeinflusst und damit der Wettbewerb gefördert wird. Zu begrüßen ist außerdem, dass die Versicherten künftig die Wahl ­zwischen mehreren Tarifen und Angeboten haben sollen. Hierzu gehört die Möglichkeit, Kosten­erstattung, Selbstbehalte, Beitragsrückgewähr oder besondere Versorgungsformen wählen zu können. Sinnvoll wäre jedoch, den Wettbewerb um die beste Versorgung noch sehr viel weiter auszubauen. Die Krankenkassen müssen in allen Bereichen eigenstän-


 Eine Verschlankung der Organisationsstrukturen im Gesundheitswesen ist grundsätzlich sinnvoll, darf aber nicht zu mehr Staatseinfluss führen und den erforderlichen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen beschränken. Insbesondere dürfen dem neuen Spitzenverband Bund der Krankenkassen keine Aufgaben übertragen werden, die es den einzelnen Krankenkassen erschweren, sich von ihren Wettbewerbern abzugrenzen. Außerdem darf der Spitzenverband Bund nicht zur Durchsetzung staatlicher Vorhaben und Maßnahmen zweckentfremdet werden. Kritisch zu sehen ist das Vorhaben, die Mit-

glieder des Gemeinsamen Bundesausschusses durch den Gemeinsamen Bundesausschusses und nicht mehr durch die entsendenden Institutionen zu vergüten. Von einer echten Selbstverwaltung kann hier jedenfalls nicht mehr die Rede sein.  Die private Krankenversicherung soll zwar als Vollversicherung erhalten bleiben. Sie wird jedoch grundlegend umkonstruiert und im Ergebnis geschwächt. Dies muss vor allem deshalb verhindert werden, weil die private Krankenversicherung (PKV) durch den Aufbau von Alterungsrückstellungen sehr viel besser als die gesetzliche Krankenversicherung auf den demografischen Wandel vorbereitet ist. Insbesondere wird die private Krankenversicherung unnötig dadurch beeinträchtigt, dass Arbeit­nehmer erst dann in die private Krankenversicherung wechseln dürfen, wenn ihr Arbeitsentgelt zuvor drei Jahre nacheinander die Versicherungspflichtgrenze überschritten hat. Der geplante Basistarif ist in der vorgesehenen Form strikt abzulehnen. Er ermöglicht allen, die einmal privat krankenversichert waren, die jederzeitige Rückkehr in die private Krankenversicherung ohne Risikoprüfung und setzt damit Anreize, ganz auf Versicherungsschutz zu verzichten, weil bei Eintritt einer Erkrankung immer noch ein Versicherungsschutz zu finanzierbaren Bedingungen möglich ist. Mit den im Basistarif weitgehend frei wählbaren Selbstbehalten werden weitere ­unsolidarische Beitragsoptimierungsstrategien gefördert. Hinzu kommt, dass ein solcher Basistarif von den Bestandskunden der privaten Krankenver­sicherung – und den zuschussverpflichteten Arbeitgebern – subventioniert werden müsste, denn bei Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder XII soll die im Basistarif zu zahlende Prämie zunächst zu ­Lasten aller PKVVersicherten halbiert und erst bei fortbestehender Bedürftigkeit vom zuständigen Träger nach dem SGB II oder SGB XII bezuschusst werden. Die daraus resultierenden Quer­subventionierungen aus anderen Tarifen würden nicht nur zu Beitragserhöhungen führen, sondern auch einen verfassungsrechtlich problematischen Eingriff in alle bestehenden privaten Krankenversicherungs­verträge darstellen.

Soziale Sicherung Inhalt

dig über Preise, Mengen und Qualitäten mit den Leis­ t­ungserbringern verhandeln können. Sie sollten generell frei bestimmen, wie sie die im Leistungs­katalog der gesetzlichen Kranken­versicherung vorgesehenen Leistungen für ihre Versicherten ­ erbringen lassen. Insofern passt nicht die jetzt vorgesehene Verpflichtung der Kassen, eine bestimmte Versorgungs­form (zum Beispiel Hausarzttarif) anzubieten. Welche Versorgungsformen sinnvoll sind, sollte der Wettbewerb und nicht der Gesetzgeber entscheiden. Erfreulich ist, dass neben den Kollektivvertrag vermehrt Einzelverträge und Ausschreibungen zur Verbes­serung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit treten sollen. Die Maßnahmen zur Stärkung des Wett­bewerbs zwischen den Krankenkassen und zwischen den Leistungserbringern lassen mittel- und langfristig Effizienzgewinne erwarten. Statt allerdings bei der Neuordnung des ärztlichen Vergütungs­ systems konsequent auf einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen Ärzten und Krankenkassen zu setzen, ist ein einheitliches Vergütungssystem vorgesehen, bei dem nicht hinreichend gewährleistet ist, dass Mengen­ausweitungen und damit höhere Kosten vermieden werden können. Hier müssen den gesetzlichen Krankenkassen weit reichende Möglichkeiten in der Vertragsgestaltung eingeräumt werden, um solchen Kostensteigerungen wirksam entgegen­ wirken zu können. Auch die für Arzneimittel vorgesehene Kosten-Nutzen-Bewertung ist grundsätzlich sinnvoll. Allerdings muss gewährleistet sein, dass hierdurch nicht der Forschungsstandort Deutschland in Mitleiden­schaft gezogen wird. Die Pharmaunternehmen müssen deshalb an dem Bewertungsprozess aktiv beteiligt werden, um einseitige Beurteilungen und Ergebnisse zu vermeiden.

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Soziale Sicherung

Pflegeversicherung: Durchgreifende Reformen dringend

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Zum siebten Mal in Folge hat die soziale Pflegeversicherung 2005 mit einem Defizit abgeschlossen. Bei Ausgaben von knapp 17,9 Mrd. € und Einnahmen von rund 17,5 Mrd. € belief sich der Jahresfehlbetrag auf gut 360 Mio. €. Damit ist die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen zwar um 460 Mio. € gegenüber 2004 kleiner geworden, ein weiterer Abbau der Rücklagen konnte aber nicht verhindert werden. Der Anstieg der Einnahmen um 3,7 % – die Ausgaben nahmen um 1,0 % zu – erklärt sich insbesondere durch den zum Jahresbeginn 2005 eingeführten Beitragssatzzuschlag für Kinderlose in Höhe von 0,25 % des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts. Seit 1999 – dem ersten Defizitjahr – haben sich die Rücklagen der gesetzlichen Pflegekassen von 4,95 Mrd. € auf nur noch 3,05 Mrd. € im letzten Jahr verringert. Ge­messen in Monatsausgaben entspricht dies einem Rückgang von 3,6 auf 2,0. Dabei ist zu beachten, dass

BDA-Forderungen zur Reform der sozialen Pflegeversicherung  Abkopplung der Finanzierung vom Arbeitsverhältnis durch Auszahlung des Arbeitgeberanteils in den Bruttolohn und Einführung von „Pflegeprä­ mien“ mit steuerfinanziertem sozialem Ausgleich für einkommensschwache Haushalte  Gleichstellung der Leistungen in der ambulante und stationäre Pflege auf einem insgesamt abgesenkten Niveau  Verzicht auf Leistungsausweitungen ohne gleichwertige Einsparungen an anderer Stelle  Keine Anhebung oder Dynamisierung der Leistungssätze ohne vorherige Ausschöpfung aller vorhandenen Wirtschaftlichkeits- und Qualitätssicherungsreserven  Auf- und Ausbau einer kapitalgedeckten Risiko­vorsorge zur langfristigen Sicherung der Finanzier­barkeit

das Gesetz eine Mindestrücklage von 1,5 Monatsausgaben vorschreibt. Ein Beitragssatzanstieg droht dementsprechend, sobald die freie Rücklage von 0,5 Monatsausgaben bzw. 820 Mio. €, die am Jahresende 2005 noch vorhanden war, aufgezehrt ist. Nach Einschätzung der BDA wird dies ohne Einsparungen auf der Leistungsseite spätestens 2008 der Fall sein. Eine Beitragssatzanhebung wäre nicht nur wachstums- und beschäftigungsfeindlich, sondern stünde auch in diametralem Gegensatz zu der Zielsetzung der Bundes­ regierung, die Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung unter 40 % zu senken. Vor diesem Hintergrund muss eine durchgreifende Reform der Pflegeversicherung möglichst umgehend in Angriff genommen werden. Wie in der gesetzlichen Krankenversicherung, so muss auch in der sozialen Pflegeversicherung ein einkommensunabhängiges Prämienmodell das Hauptreformziel sein. Das bedeutet: Abkopplung der Pflegekostenfinanzierung vom Arbeitsverhältnis mit Auszahlung des bisherigen Arbeitgeberanteils in den Bruttolohn und steuerfinanziertem Sozialausgleich für Einkommensschwache. Auf der Leistungsseite müssen insbesondere – wie bereits von der Rürup-Kommission gefordert – die ambulanten und stationären Sachleistungen auf einem abgesenkten Niveau angeglichen werden. Damit werden Fehlanreize genommen, die teurere stationäre Pflege in Anspruch zu nehmen. Das spart außerdem rund 2 Mrd. € pro Jahr und damit mehr als 10 % der heutigen Gesamtausgaben. Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Leistungsausweitungen – Dynamisierung der Pflege­leistungen, verbesserte Versorgung demenziell Erkrankter, Ausweitung des Pflegeurlaubs – können überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn die Mehrkosten durch mindestens gleichwertige Einsparungen an anderer Stelle kompensiert werden. Auf keinen Fall darf ihre Finanzierung zu steigenden Arbeitskosten führen. Die Zielsetzung der großen Koalition, das heutige Umlageverfahren durch kapitalgedeckte Vorsorge zu ergänzen, ist angesichts der demografischen Verän­ derungen richtig und ohne Alternative. Der Aufbau einer solchen Kapitalrücklage darf allerdings auf keinen Fall über die Pflegekassen selbst und damit mittelbar in staatlicher Verantwortung organisiert werden. Denn


Zugespitzte Finanzlage der pflegeversicherung (Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag in Mrd. €) 3,5

3,43

2,5

1,18

0,80

0,5

0,13 - 0,03

-0,5

- 0,13

- 0,06

- 0,36

- 0,38 - 0,69

-1,5

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

- 0,82 2004

2005

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Quelle: Bundesministerium für Gesundheit

dann droht die erhebliche Gefahr, dass der Gesetz­ geber einmal gebildetes Kapital zweckentfremdet oder Einfluss auf die Anlagepolitik nimmt. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Soziale Pflegeversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Beitrags- und Melderecht: Bürokratie abbauen! Im Jahre 2006 wurden die Arbeitgeber im Bereich der Entgeltabrechnung mit hohem bürokratischem Aufwand belastet. Zur Stabilisierung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung im Jahre 2006 müssen die Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge seit dem 1. Januar 2006 knapp drei Wochen früher als zuvor überweisen. Durch das „Gesetz zur Änderung des Vierten und Sechsten Buches Sozialgesetzbuch“ wurde die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge vom 15. des Folgemonats auf den drittletzten Bankarbeitstag des Abrechnungsmonats vorverlegt. Im Jahre 2006 mussten die Unternehmen so 13 Beitragszahlungen leisten. Die BDA hat diesen „Buchungstrick“ während des Gesetzgebungsverfahrens nachdrücklich kritisiert

Soziale Sicherung Inhalt

1,5

und wegen der finanziellen und bürokratischen Belastung der Arbeitgeber abgelehnt. Die BDA konnte zumindest Verbesserungen bei der praktischen Umsetzung erreichen. Der Bundestag hat im Juni 2006 mit dem „Ersten Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse“ eine gesetzliche Änderung zur Nachbesserung der Regelung beschlossen, die einen Vorschlag der BDA aufgreift. So ist es seit Anfang ­September möglich, dass der Arbeitgeber bei der Ermittlung der für den laufenden Monat zu zahlenden Beiträge die Höhe der Vormonatsbeiträge zugrunde legt, ohne zwischenzeitlich eingetretene Änderungen zu berücksichtigen, und diesen Betrag dann als Abschlag für den laufenden Monat zahlt. Zwar bleibt auch hier Mehraufwand bestehen, weil am Ende des laufenden Monats eine Abschlagszahlung erfolgt, die im Folgemonat korrigiert und mit der nächsten Beitragsschuld verrechnet werden muss. Dennoch wird eine gewisse Erleichterung erreicht, da die Ermittlung der „voraussichtlichen Beitragsschuld“ durch eine pauschale Zahlung ersetzt wird. Die Nachbesserung ist erfreulich. Letztendlich können die bürokratischen Lasten der Neuregelung jedoch nur dadurch beseitigt werden, dass die Beitragsfälligkeit wieder an die Gehaltszahlung anknüpft, das heißt die Beiträge zur Sozialversicherung erst nach Feststehen der Gehalts­zahlung fällig werden.


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Weiterer Aufwand ist dadurch entstanden, dass die Beitragsfreiheit von Sonn-, Feiertags- oder Nachtzuschlägen zum 1. Juli 2006 beschränkt wurde. Die BDA hat erreicht, dass die Umsetzung mit möglichst wenig Aufwand erfolgen kann. Die Ermittlung der Beitragspflicht lehnt sich an die Steuerpflicht der Zuschläge nach § 3b EStG an. Die zum 1. Juli 2006 eingeführte 25-€-Grenze wird entsprechend als „Freibetrag” und nicht als „Freigrenze” ausgelegt.

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Weiterer Aufwand droht durch die „3-Jahres-Regel“ aus dem „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV“ (GKV-WSG), nach der Arbeitnehmer erst dann versicherungsfrei werden sollen, wenn das regelmäßige Arbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat. Die BDA hat darauf hingewiesen, dass diese Regel vollkommen praxisuntauglich ist und vor allem eine Rückwirkung vom Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes auf den Tag der ersten Lesung unverhältnismäßigen Aufwand verursacht. Die BDA hat daher gefordert, dass diese Regel entfällt, zumindest aber modifiziert wird und keinesfalls rückwirkend in Kraft tritt.

Beitragseinzug früher optimieren Im „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV“ (GKV-WSG) ist die Einrichtung von so genan­ nten Weiterleitungsstellen im Jahre 2011 vorgesehen, die optional zentral die Sozialversicherungsbeiträge, Beitragsnachweise und Meldungen entgegennehmen und weiterleiten. Damit wird ein langjähriger Vorschlag der BDA zum Bürokratieabbau aufgegriffen. Die BDA hat allerdings darauf hingewiesen, dass der Aufgabenbereich der Weiterleitungsstelle nicht nur die Annahme und Weiterleitung von Beiträgen, Beitrags­nachweisen und Meldungen umfassen darf. Vielmehr müssen die Weiterleitungsstellen alle Auf­ gaben übernehmen, die heute die Einzugsstellen gegenüber den Arbeitgebern erfüllen. Insbesondere sol­ lten sie rechtsverbindliche Entscheidungen gegenüber den übrigen Einzugsstellen und den für die Betriebsprüfung zuständigen Rentenversicherungsträgern treffen können. Die BDA hat darüber hinaus gefordert, dass die Einrichtung von Weiterleitungsstellen zeitnah

erfolgen soll. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die geplanten Erleichterungen beim Beitragseinzug erst für 2011 vorgesehen sind.

Umlageverfahren U1 und U2 reformieren Zum 1. Januar 2006 ist das „Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen“ (Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG) in Kraft getreten, in dem die Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – U1 – und Mutter­ schaftsleistungen – U2) neu geregelt wurden. Dabei wurden die Angestellten in das bislang auf Arbeiter ­beschränkte Umlageverfahren U1 einbezogen und die bislang ausgeklammerten Betriebs- und Ersatzkassen in das Verfahren aufgenommen. Gleichzeitig wurde – gegen den Widerstand der BDA – die für die Ein­ beziehung in das U1-Verfahren maßgebliche Betriebsgröße von 20 auf 30 Arbeitnehmer angehoben. Mit Nachdruck hat sich die BDA im Vorfeld des Gesetzes gegen die Einbeziehung aller Unternehmen in das Ausgleichsverfahren U2 für Mutterschafts­leistungen eingesetzt. Die BDA hatte unter anderem bereits im Frühjahr 2004 im Positionspapier „Neugestaltung der Mutterschaftsgeld­finanzierung“ deutlich gemacht, dass Mutterschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe (Art. 6 Abs. 4 GG) ist, die folgerichtig von der Allgemeinheit und damit aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden muss. Das Präsidium der BDA hat daher am 18. September 2006 einen Vorschlag beschlossen, der auf die Abschaffung dieses Gesetzes bzw. auf eine freiwillige Teilnahme im U1-Verfahren und eine Steuerfinanzierung des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld zielt. Im Rahmen der Beratungen zum „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV“ (GKV-WSG) sollen die Vorschläge der BDA zur Ausgestaltung des U1-Verfahrens als freiwilliges Verfahren aufgegriffen werden.


Minijobs als wichtiges Flexibilisierungsinstrument

Zum 1. Juli 2006 wurde auf Initiative der BDA ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. November 2005 (B 12 RA 1/04) korrigiert, in dem im Hinblick auf die Rentenversicherungspflicht eine überraschend weite Auslegung des Begriffs „arbeitnehmerähnlicher Selbst­ständiger“ getroffen worden war. Das BSG hatte entschieden, dass ein Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer einer GmbH, der ausschließlich für die GmbH tätig war und keine Arbeitnehmer beschäftigte, arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger ist. Entscheidend war allein, dass der GmbH-Geschäftsführer selbst die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllte. Eine solche Auslegung hätte für viele GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer den Eintritt der Rentenversicherungspflicht bedeutet. Die BDA konnte den Gesetzgeber davon überzeugen, dass dies nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht. Durch eine gesetzliche Änderung des § 2 SGB VI wurde der Status quo vor dem Urteil sichergestellt: Bei einer GmbH sind nach der gesetzlichen Änderung nach wie vor ausschließlich die Außenbeziehungen der GmbH entscheidend. Außerdem werden die Arbeitnehmer der GmbH dem Gesellschafter-Geschäftsführer zugerechnet. So hat das BSG-Urteil über den entschiedenen Fall hinaus keinerlei Auswirkungen.

Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 wurden die Pauschalabgaben für Minijobs zum 1. Juli 2006 von 12 auf 15 % in der Rentenversicherung bzw. 11 auf 13 % in der Krankenversicherung und damit insgesamt von 25 auf 30 % erhöht. Gleichzeitig wurden der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenver­ sicherung sowie die Beiträge des Bundes zur gesetzlichen Kranken­versicherung für Bezieher von „Arbeitslosengeld II“ um die aus der Abgabenerhöhung für Minijobs für die Renten- und Krankenversicherung errechneten Mehreinnahmen gesenkt. Die BDA hat sich im Gesetz­gebungsverfahren nachdrücklich gegen diese ­Änderung ausgesprochen. Mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entsteht nicht dadurch, dass Minijobs verteuert werden, sondern dass sozial­ versicherungspflichtige Arbeit billiger und insbesondere von Sozialabgaben entlastet wird. Die Anhebung der Pauschalabgaben auf Minijobs konterkariert das erklärte Ziel der Bundesregierung, den Faktor Arbeit zu entlasten und gerade auch die Beschäftigungs­potenziale im Niedriglohnbereich besser auszu­schöpfen. Die BDA hat kritisiert, dass die mit der Anhebung der Pauschalabgaben auf Minijobs verbundene Verteuerung von Arbeit der denkbar schlechteste Weg zur Sanie-

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BSG-Rechtsprechung zu GmbHGeschäftsführern korrigiert

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Soziale Sicherung

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rung der öffentlichen Finanzen ist. Haushaltssanierung zu Lasten der Arbeitskosten führt zu einer Vernichtung von Beschäftigung und damit zu weniger Wachstum. Diese Prognose bestätigt sich im dritten Quartalsbericht der Minijob-Zentrale. Die Zahl der bei der ­MinijobZentrale gemeldeten geringfügig entlohnt Beschäftigten hat sich danach bereits in den ersten drei Monaten nach Inkrafttreten um rund 130.000 bzw. 2,1 % reduziert. Dies dürfte im Wesentlichen auf die erfolgte Anhebung der Pauschalabgaben zurückzuführen sein. Fakt ist, dass Minijobs ein unverzichtbares Flexibilisierungselement und notwendiges Ventil im überregulierten deutschen Arbeitsmarkt sind, Schwarzarbeit verhindern, einen Beitrag zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt leisten und sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer attraktiv sind. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Minijobs“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Künstlerprivilegien abschaffen Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Oktober 2006 den Referentenentwurf für ein „Drittes Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes“ (KSVG) vorgelegt. Wesentliche Ziele des Entwurfs sind die vollständige Erfassung aller abgabepflichtigen Verwerter durch eine Prüfung der Abgabepflicht durch die Deutsche Rentenversicherung Bund im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsprüfung und eine verstärkte Prüfung der Versicherten im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur Künstlersozialversicherung. Für die Unternehmen verursacht die Pflicht zur Künstler­ sozialabgabe nicht nur Kosten, sondern vor allem einen hohen bürokratischen Aufwand. Dazu tragen zahlreiche Unschärfen der rechtlichen Regelungen, Unklarheiten in der betrieblichen Praxis, eine ausufernde Rechtsprechung der Sozialgerichte und umfangreiche Aufzeichnungs- und Meldepflichten bei. Die BDA hat sich im Rahmen des Gesetzgebungs­ verfahrens für eine Abschaffung der Künstlerprivilegien in der Sozialversicherung ausgesprochen. Während alle anderen Selbstständigen in vollem Umfang selbst für die Kosten ihrer sozialen Absicherung aufkommen müs-

sen, tragen selbstständige Künstler und Publizisten nur die Hälfte der Beiträge, für den Rest kommen die Verwerter und der Bund auf. Für eine solche Ungleichbehandlung Selbstständiger gibt es keinen überzeugenden Grund. Längst wird darüber hinaus eine Vielzahl von Berufen unter dem Künstlerbegriff des Künstlersozialver­ sicherungsgesetzes subsumiert, die nicht Zielgruppe der ursprünglichen Intention der Künstlersozialversicherung sind. Für den Fall, dass die Privilegierung bestehen bleibt, hat die BDA zumindest Korrekturen gefordert, die die Unternehmen von Bürokratie und Kosten entlasten (eindeutige Kriterien für die Abgabepflicht, Einschränkung des Künstlerbegriffs, Einführung einer ­angemessenen „Bagatellgrenze“, regelmäßige Überprüfung der Versicherten, Reduzierung der Künstlersozialabgabe – wie bis 1999 – auf 25 % der Mittel der Künstler­ sozialversicherung).

Unfallversicherung: Reform schöpft Entlastungspotenzial nicht aus Ende Juni 2006 hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Eckpunkte zur Reform der Unfallversicherung beschlossen, mit der das Unfallversicherungssystem auf Dauer zukunftssicher gemacht werden soll. Ziel ist es, das Leistungsrecht der Unfallversicherung zielgenauer auszugestalten, leistungsfähigere Unfallversicherungsträger zu schaffen und die Organisation zu straffen. In Bezug auf das Leistungsrecht sehen die Eckpunkte insbesondere Änderungen des Unfallversicherungs­ rentenrechts vor. Die Unfallrenten sollen in eine e­inkommensabhängige Erwerbsminderungsrente und einen ­ einkommensunabhängigen ­Gesundheits­schadensausgleich getrennt werden. Der Vorrang der Unfallrenten vor den Altersrenten soll wegfallen. Wegeunfälle sollen grundsätzlich im Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung verbleiben. In organisatorischer Hinsicht sieht das Eckpunktepapier wie der im Dezember vorgelegte erste Teil eines Arbeitsentwurfs, der sich im wesentlichen mit organisatorischen Fragen befasst, die Einrichtung einer Spitzenkörperschaft durch Zusammenlegung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und des Bundesverbandes der Unfallkassen vor, die zum 1. ­Januar 2008 – in Anlehnung an die Deutsche Renten­versicherung Bund –


Die BDA hat nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Eckpunkte der notwendigen Generalüberholung der Unfallversicherung nicht gerecht werden und die vorgesehenen Reformmaßnahmen insgesamt ent­ täuschend sind. Zwar sind einige Vorschläge der Arbeitgeber zur Reform der Unfallversicherung berücksichtigt worden. Dies gilt insbesondere für die Regelung, Unfallrenten nur noch bis zum Bezug der Altersrenten der gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten und grundsätzlich auf den Ausgleich des Erwerbsschadens zu konzentrieren. Wesentliche notwendige Reformmaßnahmen fehlen jedoch, wie vor allem die Ausgliederung der Wegeunfälle aus dem Leistungskatalog der Unfallversicherung. Insbesondere kann mit den vorgesehenen Maß­nahmen die längst überfällige deutliche Beitragsentlastung der Unternehmen jedenfalls in den nächsten Jahren nicht erreicht werden. Bestehende Beitragssenkungs­potenziale bleiben unausgeschöpft. Nicht auszuschließen ist sogar, dass die Vorschläge kurzfristig im Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche zu Mehrbelastungen führen. Aufgrund der vorgeschlagenen Beitragsnivellierung würde es insbesondere in den Bereichen Dienstleis­ tung, Handel und Verkehr teurer werden. Das angestrebte Ziel, die Organisationsstruktur der gewerblichen Berufsgenossenschaften weiter zu optimieren und die Verwaltungskosten zu senken, ist ausdrücklich zu begrüßen. Dieser Prozess muss jedoch weiter vorrangig durch die Selbstverwaltung und nicht durch den Gesetzgeber gesteuert werden. Insbeson­ dere ist die vorgesehene gesetzliche Installierung einer

gemeinsamen Spitzenkörperschaft von gewerblichen Berufsgenossenschaften und öffentlichen Unfallkassen abzulehnen. Eine grundlegende Reform des Unfallversicherungs­ rechts einschließlich der Organisation der Versicherungs­ träger ist dringend erforderlich, um diesen Sozialver­ sicherungszweig nachhaltig ­leistungsfähig und finanzierbar zu halten. Eine Strukturreform muss zu einer Konzentration der Leistungen auf betriebs­spezifische Risiken führen, bestehende Überversorgung abbauen, die Wirtschaftlichkeit verbessern sowie die Organisations­struktur straffen. Die Chance einer baldigen deutlichen Beitragsentlastung muss genutzt werden. Die Mitgliederversammlung des HVBG hat am 1. Dezember 2006 einige weit reichende Beschlüsse zu den Themen „Lastenverteilung“ und „Organisationsreform“ ­ gefasst. Mit dem einstimmig – bei einigen Enthaltungen – beschlossenen Konzept zur Lastenverteilung soll den durch den wirtschaftlichen Struktur­ wandel verursachten Verschiebungen zwischen den Branchen besser Rechnung getragen werden. Jede Berufsgenossenschaft trägt danach zunächst Rentenlasten in dem Umfang, den sie zu tragen hätte, wenn die aktuellen Strukturen (Lohn- und Rentenniveau, Rentenzugang, Entgeltsumme) schon immer so gewesen wären wie heute (Rentenwert). Die darüber hinaus­gehenden Renten­lasten (Überaltlasten) sollen solidarisch getragen werden. Als Verteilungsmaßstab für die Überaltlasten kommen zum einen die Entgelte, zum anderen die Neurenten oder auch eine Verteilung teils nach Entgelten, teils nach Neurenten in Betracht. Über den Verteilungsmaßstab hat die Mitgliederversammlung keinen Beschluss gefasst, es wurde lediglich die Grund­ konzeption verabschiedet. Weiterhin hat die Mitgliederversammlung den Stand der Neuordnung der Trägerstruktur begrüßt. Spätestens bis zum Jahr 2012 soll es nach dem derzeitigen Stand der Beratungen nur noch neun Berufsgenossenschaften geben. Ferner hat sowohl die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Unfallkassen (BUK) als auch des HVBG eine Grundsatzerklärung über eine Fusion der beiden Spitzenverbände zum 1. Juli 2007 beschlossen.

Soziale Sicherung Inhalt

Grundsatz- und Querschnittsaufgaben übernehmen soll. Außerdem wird eine Reduktion der Zahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften auf sechs Träger gefordert. Das Konzept hierzu soll vom HVBG bis 30. Juni 2008 vorgelegt und bis zum 31. Dezember 2009 umgesetzt werden. Die Beitragssatzspreizung zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften soll von derzeit fünf Prozentpunkten (ohne Bergbau-BG) auf höchstens zwei Prozentpunkte reduziert werden. Kann dies nicht allein durch Fusionen erreicht werden, wird ergänzend die Einführung eines solidarischen Altlastenfonds angekündigt. Bei den Verwaltungs- und Verfahrenskosten sollen 20 % – das entspricht einem Einsparziel von rund 250 Mio. € – eingespart werden.

67 3


STand der Fusionspläne bei den gewerblichen berufsgenossenschaften

Stand: Dezember 2006

Soziale Sicherung

Rohstoffe

68

Bergbau-BG BG Chemie Steinbruchs-BG Papiermacher-BG Lederindustrie-BG Zucker-BG

Nahrungsmittel und Gaststätten

Bauwirtschaft

BGN Fleischerei-BG *

BG Bau

Metall

Handel

BGMS Masch-BG NMBG HüWa-BG

Verarbeitendes Gewerbe BGFE BGDP Textil-BG Holz-BG

Verwaltungen und Dienstleistungen

Einzelhandels-BG GroLa-BG

Transport, Verkehr, Logistik BG Fahrzeughaltungen BG Bahnen * See-BG *

Verwaltungs-BG BG Glas und Keramik BGFW *

Gesundheit und Wohlfahrtspflege BGW

* Es liegen noch keine endgültigen Beschlüsse der Selbstverwaltungsorgane vor. Bei den fett geschriebenen Titeln handelt es sich um Arbeitstitel.

Dabei streben beide eine Fusion auf privatrechtlicher Grundlage an und lehnen die in den Eckpunkten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgesehene Verkörperschaftung ab. Die BDA unterstützt die von der Mitgliederversammlung getroffenen Beschlüsse. Sie zeigen, dass die Selbstverwaltung die Herausforderungen im Bereich des Strukturwandels und dessen Auswirkungen auf das Gefüge der Unfallversicherung aktiv angeht und der Politik konkrete Reformvorschläge unterbreitet. Die Mitgliederversammlung hat die Beschlüsse im Vertrauen auf die Unterstützung der Politik und deren Bereitschaft getroffen, Änderungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gegen die Selbstverwaltung durchzusetzen.

Nationale Arbeitsschutzstrategie: Ausrichtung am betrieblichen Bedarf erforderlich Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) hat im November 2006 ein zwischen dem Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, der Bundesregierung und den Unfallversicherungsträgern

abgestimmtes Konzept für eine gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie beschlossen. Kernelemente der Arbeitsschutzstrategie sollen sein die Entwicklung gemeinsamer Arbeitsschutzziele, die Ableitung von Handlungsfeldern und Arbeitsprogrammen und deren Ausführung nach einheitlichen Grundsätzen, die Evaluierung der durchgeführten Maßnahmen, die Festlegung eines abgestimmten, arbeitsteiligen Vorgehens von staatlichen Arbeitsschutzbehörden und Unfall­versicherungsträgern sowie die Herstellung eines transparenten, überschaubaren und von Doppelregelungen freien Vorschriften- und Regel­werks. Auf der Grund­lage des Konzeptes sollen bis zum Herbst 2007 konkrete gemeinsame Arbeitsschutzziele und prioritäre Handlungsfelder festgelegt werden. Die BDA hat deutlich gemacht, dass sich die Arbeitsschutzstrategie auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz beschränken muss und nicht eine Ausdehnung auf das weite Feld der Beschäftigungsfähigkeit erfolgen darf. Die Strategie muss sich am betrieblichen Bedarf orientieren und Bürokratie abbauen. Ferner hat die BDA sich nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die Arbeitgeber unmittelbar in Beratung und Beschlussfassung über Ziele, prioritäre Handlungsfelder und Aktionsprogramme eingebunden werden. Denn es sind vor allem die Betriebe, die im Arbeitsschutz agieren und Aktionsprogramme umsetzen.


Praxisgerechte Arbeitsstättenregeln

sagen beschränken. Hauptkritikpunkte an dem Entwurf zur ASR „Fluchtwege, Notausgänge“ sind, neben verschärften Anforderungen an die Fluchtweglänge, dass er viel zu detailliert ist, im Sprachduktus eher einem Rechtstext entspricht und zudem Widersprüche zu bauordnungsrechtlichen Vorgaben aufweist.

Der Arbeitsstättenausschuss (ASTA) hat Anfang 2006 ­einen Leitfaden zur einheitlichen Erstellung von Arbeits­ stättenregeln (ASR) verabschiedet. Der Leitfaden, der sich in erster Linie an Mitglieder der Arbeitsgruppen des ASTA richtet, beschreibt grundlegende Anforderungen an die Erstellung von Arbeitsstättenregeln. Aufgrund der negativen Erfahrungen mit dem Pilotprojekt für eine ASR „Fluchtwege, Notausgänge“ ist deutlich geworden, dass in Ergänzung zu dem Leitfaden ­weiter gehende Hinweise zur Erstellung von Arbeitsstätten­ regeln notwendig sind.

Seit Anfang 2006 wird beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) an einer Neuregelung der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Regelbetreuung für Unternehmen ab zehn Arbeitnehmern gearbeitet. Die dazu beim HVBG eingesetzte Arbeitsgruppe hat im Oktober 2006 ein entsprechendes Konzept verabschiedet, das nun in den Selbstverwaltungsgremien beraten wird. Das Konzept sieht – wie bei der Regelbetreuung von Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten – eine Aufteilung der Betreuung in eine Grundbetreuung und eine bedarfsorientierte betriebsspezifische Betreuung vor. Die

Aus Sicht der BDA ist es erforderlich, nähere Ausführungen zum Detaillierungsgrad und zum Sprachduktus von ASR zu geben. ASR müssen für den Anwender die Schutzziele der Verordnung konkretisieren und beispielhafte Lösungen für betriebliche Schutzmaßnahmen aufzeigen. ASR sind so knapp wie möglich zu halten und müssen sich auf notwendige, die allgemeinen Schutzziele der Verordnung konkretisierende Aus-

REKORDTIEF BEI MELDEPFLICHTIGEN ARBEITS- UND WEGEUNFÄLLEN (Angaben in Mio.; bis 1990 Westdeutschland, ab 1991 Gesamtdeutschland) Wegeunfälle Arbeitsunfälle 2,5 0,25 0,22

2,0

1,5

0,20

0,16 2,26

0,21 0,20

0,16 2,01

1,59

1,54

1,0

1,33

1,42

1,27

0,18

0,18

0,19

0,18

0,18

1,22

1,20

1,19

1,14

1,06

0,17 0,98

0,16 0,87

0,15 0,85

0,5

0,15 0,80

0 1960

1970

1980

1990

1991

1995

1996

1997

1998

1999

2000

Quelle: Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften; eigene Darstellung der BDA (Stand: Juni 2006)

2001

2002

2003

2004

2005

Soziale Sicherung Inhalt

Passgenauere Regelbetreuung erforderlich

69 3


Soziale Sicherung

Einsatzzeit für die Grundbetreuung erhöht sich, wenn im einzelnen Betrieb zusätzliche betriebsspezifische Gefährdungen vorliegen.

70

Die BDA begrüßt, dass mit dem Konzept die allgemeinen Grundbetreuungszeiten vereinheitlicht werden, eine Umrechnung von Teilzeitbeschäftigten auf Vollzeitbeschäftigte erfolgt und eine Degression der Einsatzzeiten bei größeren Betrieben vorgesehen ist. Negativ ist jedoch, dass spezifische Vorsorgeunter­ suchungen nicht mehr in der Einsatzzeit berücksichtigt werden und das Konzept keinerlei Anreizelemente – insbesondere im Hinblick auf Arbeitsschutzmanagementsysteme – enthält. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Unfallversicherung und Arbeitsschutz“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Barrierefreiheit anforderungsgerecht gestalten Die Arbeitsstättenverordnung verpflichtet die Arbeitgeber, bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen deren Belange im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen, zugehöriger Verkehrsflächen sowie von Sozialräumen. Der Begriff der Barrierefreiheit ist im „Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen“ lediglich ergebnisorientiert definiert, wobei offengehalten wird, wie die vorgegebenen Ziele durch technische und bauliche Maßnahmen erreicht werden können. Ein DIN-Entwurf aus dem Bereich Bauwesen versucht mit der Vorgabe konkreter Planungsgrund­ lagen Maßnahmen zur Erreichung von Barrierefreiheit festzuschreiben. Die BDA konnte durch ihren nachdrücklichen Einspruch erreichen, dass Arbeitsstätten aus dem Anwendungsbereich dieses Normentwurfs herausgenommen werden. Wenn der Entwurf in der vorgelegten Form zur Norm erhoben worden wäre, hätte ein allumfassendes anspruchsvolles Anforderungsprofil immer dann technisch umgesetzt werden müssen, wenn Menschen mit Behinderungen beschäftigt werden – und zwar unabhängig davon, was der einzelne Mitarbeiter davon wirklich benötigt, um sei-

ner Arbeit nachzugehen. Das heißt, dass auch technische Anpassungen für einen Gehbehinderten umzusetzen wären, die speziell für die Integration von sehbehinderten Mitarbeitern Verwendung finden. Um die Chancen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen so weit wie möglich zu erhalten und zu fördern, ist eine strenge Orientierung an den jeweiligen individuellen Anforderungsprofilen unabdingbar. Bei den soeben begonnenen Arbeiten des Arbeitskreises „Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten“ des Arbeitsstättenausschusses wird darauf zu achten sein, dass dieser Grundsatz konsequent in den Arbeitsstättenregeln Berücksichtigung findet.

Psychische Belastung: Unterstützung der Betriebe Die europäischen Sozialpartner haben sich mit dem Abschluss der Rahmenvereinbarung über arbeitsbedingten Stress zu ihrer Verantwortung bekannt. Der erste zwischen den deutschen Sozialpartnern abgestimmte Zwischenbericht führt verschiedenste Umsetzungsaktivitäten auf. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Symposien der BDA, auf denen der Dialog über die unterschiedlichen Instrumente und Konzepte mit den an der Prävention beteiligten Akteuren aktiv betrieben wird. Nachdem in einer ersten Veranstaltung 2005 die Grenzen der Erfassung und Bewertung mit Wissenschaftlern diskutiert wurden, hatte sich die zweite Veranstaltung im November 2006 zum Ziel gesetzt, die Eignung eingesetzter Instrumente und Konzepte gemeinsam zu erörtern. Einen Schwerpunkt bildete die Diskussion mit Experten der Berufsgenossenschaften. Neben der Überprüfung und Neuausrichtung der gewählten Konzepte dienen die Ergebnisse der BDA-Symposien zur arbeitsbedingten psychischen Belastung dazu, das Beratungsangebot der BDA bei der Behandlung dieses Themas im betrieblichen Alltag zu komplettieren. Die in einer Vielzahl von Methoden derzeit angebotenen Konzepte sind unübersichtlich und entsprechen häufig nicht den Ansprüchen der betrieblichen Praxis. Die ersten viel versprechenden Ansätze für eine praxisgerechte Orientierung des betrieblichen Handelns werden konsequent fortgeführt.




73 3

BildunG / Berufliche Bildung Bildung/Berufliche Bildung bildung / Berufliche Bildung Inhalt


bildung / Berufliche Bildung

74

Entscheidende Weichenstellungen durch die Föderalismusreform

KMK: Gewachsene gesamtstaatliche Verantwortung

Im Bildungsbereich haben Bund und Länder mit der Föderalismusreform einige entscheidende Weichenstellungen zur Entflechtung der Zuständigkeiten und zur Stärkung der Länderkompetenz vorgenommen, die grundsätzlich zu begrüßen sind. Der Bund behält die Kompetenz in der beruflichen Bildung. Die Bildungshoheit der Länder wird in der Schulpolitik neu herausgestellt und im Bereich Hochschule eindeutig gestärkt. Internationale Vergleichsstudien wie PISA und die Bildungsberichterstattung werden gemeinsam von Bund und Ländern verantwortet. Die beschränkten Kompetenzen des Bundes im Bereich Hochschule sind an die Zustimmung der Länder gebunden oder sehen Abweichungsmöglichkeiten der Länder vor. Das Hochschulrahmengesetz ist praktisch überflüssig geworden.

Die Kultus- und Wissenschaftsminister der Länder sind nun am Zug, ihrer gewachsenen gesamtstaat­ lichen Verantwortung für die Sicherung der Qualität von Schule und Hochschule, der Vergleichbarkeit von Leistungen und damit von Mobilität gerecht zu werden. Kein Land darf sich bildungspolitisch einigeln und unbeachtet lassen, was sich jenseits der Landesgrenzen abspielt. Die nationalen Bildungsstandards für die Schulen müssen bundesweit konsequent umgesetzt, überprüft und weiter verbessert werden. Durch den Ausbau des Kindergartens zur ersten Stufe des ­Bildungssystems muss schon früh die Basis für eine ­optimale Entfaltung aller Potenziale der Kinder und die Sicherung der Ausbildungsreife möglichst aller Schulabgänger gelegt werden. Besonderer ­ Anstrengungen

Bessere Bildungschancen durch frühe Förderung – die wichtigsten Forderungen der Arbeitgeber  Der Kindergarten ist als erste Stufe des Bildungssystems zu etablieren mit einem verbindlichen Bildungs- und Erziehungsplan, der die Grundkompetenzen der Kinder systematisch fördert, sowie verbindlichen Standards, die evaluiert werden müssen.  Soweit der Kindergarten zur ersten Stufe des Bildungssystems wird, muss er auch verbindlich und in seinem Bildungsteil kostenfrei sein. Langfristig ist ein verpflichtender Besuch des Kindergartens schon ab drei Jahren sinnvoll.  Der Kindergarten soll die Kinder ganzheitlich und individuell fördern und die Eltern in die frühkindliche Bildung als Erziehungspartner einbeziehen und unterstützen.  Die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache muss ins Zentrum der frühkindlichen Bildung im Kindergarten rücken. Sprachfeststellungen sollen frühzeitig Sprachlücken identifizieren.

 Die umfassende obligatorische Kinderuntersuchung soll mit einer ausführlichen Sprachstandsfeststellung verknüpft werden. Ihr müssen gezielte Fördermaßnahmen und Hilfestellungen für die weitere Sprach­ entwicklung im Kindergarten folgen, die auf ihre Wirksamkeit hin evaluiert werden.  Die Neuausrichtung des Kindergartens erfordert eine bessere Ausstattung sowie eine Neuausrichtung der Aus- und Fortbildung von der Erzieherin zur Frühpädagogin. Für die Leitung ist ein wissenschaftliches, praxisnahes Hochschulstudium notwendig; die weiteren Mitarbeiterinnen brauchen eine qualitativ hochwertige Aus- und Weiterbildung an der Fachschule.  Die zusätzlichen Kosten müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam schultern. Sie müssen durch Umschichtungen innerhalb des Bildungssystems und der familienpolitischen Transferleistungen erbracht werden.


Kindergärten zu Bildungseinrichtungen ausbauen Die aktuell geführte „Unterschichten”-Debatte hat die Notwendigkeit einer neuen Prioritätensetzung in der frühkindlichen Bildung noch einmal verdeutlicht. Eine gezielte Förderung aller Kinder kann nur gelingen, wenn der Kindergarten zu einer Bildungseinrichtung ausgebaut wird. Nur so erhalten alle Kinder von Beginn an die gleichen guten Startbedingungen. Die frühkindliche Bildung qualitativ deutlich zu verbessern ist deshalb ein zentrales Anliegen von allgemeiner Bedeutung für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland, das die Arbeitgeber ausdrücklich unterstützen. Inzwischen sind in vielen Bundesländern erste, ermutigende Reformschritte erkennbar, den Kindergarten zur ersten Stufe des Bildungssystems umzugestalten. Dazu gehören unter anderem die Entwicklung und Anwendung von Bildungs- und Erziehungsplänen für die Kindergärten sowie die gezielte Sprachförderung von Kindern mit Sprachschwierigkeiten. Mit der Publikation „Bessere Bildungschancen durch frühe Förderung“ hat die BDA den politisch Handelnden ein vom BDA-Ausschuss „Bildung/Berufliche Bildung“ verabschiedetes umfassendes, schlüssiges Gesamtkonzept sowie einen Umsetzungsplan für eine zügige und zielgerichtete Reform an die Hand gegeben. Zugleich zeigen die Arbeitgeber damit, dass sie sich auf diesem Gebiet bereits auf vielfältige Weise engagieren und dieses Engagement weiter fortsetzen. Das Positionspapier ist bei den politischen Akteuren auf ein großes Echo gestoßen; mit

einigen Landesministerien ist die BDA dazu bereits in einen Dialog getreten.

Kindergipfel „Kinder bilden! Deutschlands Zukunft“ Kinder bilden Deutschlands Zukunft. Das deutsche Bildungssystem muss deshalb dafür sorgen, dass alle Kinder ihre individuellen Fähigkeiten entfalten und früh gefördert werden. In diesem Sinne braucht Deutschland einen Mentalitäts- und Paradigmenwechsel zugunsten von mehr

BETEILIGUNGSQUOTE VON KINDERN IN KINDERKRIPPEN UND KINDERGÄRTEN NOCH ZU GERING Unter 3

3 – 4 Jahre 4 – 5 Jahre 5 – 6 Jahre 6 – 8 Jahre

5,9

54,7

83,2

89,6

89,2

Ausländische Kinder 5,6

50,7

84,3

84,3

83,8

Alle Kinder

Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2003; in: Sechster Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Juni 2005 (früheres Bundesgebiet)

Der private Finanzierungsanteil liegt an deutschen Kindergärten deutlich über dem OECD-Durchschnitt Privater Finanzierungsanteil von Kindergärten im Jahre 2002 Deutschland

25,4%

Österreich

23,8%

USA

22,4%

OECD-Mittel

17,9%

Polen

17,2%

Vereinigtes Königreich

4,2%

Frankreich

4,1%

Niederlande Schweden

3,3% 0%

Quelle: Bildung auf einen Blick, OECD-Indikatoren 2005

bildung / Berufliche Bildung Inhalt

bedarf es zur Förderung der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Die Schaffung von mehr Flexibilität, Transparenz und Durchlässigkeit in Schule, Hochschule und Berufsbildung wird immer wichtiger. Hier ist das gemeinsame Engagement von Bund, Ländern und Wirtschaft zur Schaffung eines Nationalen Qualifikationsrahmens (NQF) ebenso notwendig wie eine gemeinsame Initiative der Länder zur weiteren Öffnung und bundeseinheitlichen Regelung des Hochschulzugangs – auch für qualifizierte Bewerber aus der beruflichen Praxis. Die Umstellung auf die Studienabschlüsse Bachelor und Master muss zügig vorangetrieben werden.

75 3


Robert Bosch Stiftung wollen die politischen Reformen durch weitere Aktivitäten begleiten.

Bildung/Berufliche Bildung

Chancen für alle Kinder durch eine verbesserte frühkindliche Bildung und Erziehung. Um diesen Mentalitätswechsel zu unterstützen, haben BDA, Konrad-AdenauerStiftung und Robert Bosch Stiftung am Weltkindertag im September gemeinsam den Kindergipfel „Kinder bilden! Deutschlands Zukunft“ veranstaltet. Er stand unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Früh-­ kindliche Bildung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-­ online.de zugänglich.

Neue BDA-Publikation „Integration durch Bildung: Potenzial von Migrantenkindern entfalten“

Mit einem gemeinsamen Memorandum richteten die Veranstalter klare Forderungen an die Politik, damit der Paradigmenwechsel in der Frühförderung gelingen kann. BDA, Konrad-Adenauer-Stiftung und Robert Bosch Stiftung setzen dabei auf eine umfassende Verbesserung der frühkindlichen Förderung, die Aufwertung des Kindergartens als erste Stufe des Bildungssystems, die Förderung der Kinder mit Migrationshintergrund, die Stärkung von Bildungs- und Erziehungspartnerschaften von Eltern und Erzieherinnen, die Professionalisierung der Fachkräfte sowie auf die Intensivierung der frühkindlichen Bildungsforschung.

In der Schulpolitik sind die Migrantenkinder endlich in den Vordergrund gerückt. Seit den PISA-Studien spricht man von Kindern und Jugendlichen „mit Migrationshintergrund“: Damit sind nicht mehr nur Jugendliche ausländischer Staatsangehörigkeit gemeint, sondern alle, bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Sie machen in westdeutschen Großstädten inzwischen mehr als ein Drittel der Schüler aus. Prognosen sprechen für das Jahr 2020 von 30 % „Migrantenkindern“ bundesweit und 50 % in Großstädten. Migrantenkinder sind daher kein „Ausnahmephänomen“, sondern eine gewichtige Gruppe mit wachsender Bedeutung.

Das große Interesse von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kindertagesstätten, Grundschulen, Eltern und der Medien am Kindergipfel hat die wachsende Bedeutung der frühkindlichen Bildung im öffentlichen und politischen Bewusstsein bestätigt und zugleich den Handlungsdruck auf die Politik erhöht, die notwendigen Schritte für eine verbesserte frühkindliche Bildung zügig umzusetzen. BDA, Konrad-Adenauer-Stiftung und

Das Bildungssystem ist für die Integration elementar: In der Schule werden die deutsche Sprache und Kul-

Zu Viele Jugendliche verlassen die schule ohne einen abschluss Allgemein bildende Schulen, Absolventen / Abgänger und Absolventinnen / Abgängerinnen des Schuljahres 2003 / 04 nach Abschlussarten Abschlussart

Absolventen / Abgänger

Einheit

Insgesamt

Ausländer

Deutsche

Abschlussstruktur insgesamt (insgesamt = 100) Ohne Hauptschulabschluss Mit Hauptschulabschluss Mit Realschulabschluss Mit Fachhochschulreife Mit allgemeiner Fachhochschulreife

% % % % %

8,3 25,0 42,6 1,2 23,0

7,4 23,5 43,7 1,2 24,3

18,1 40,9 30,8 1,3 8,9

Insgesamt *

%

100

100

100

Aktualisiert am 26. Oktober 2005. Statistisches Bundesamt 2005 * Abweichungen durch Rundungen möglich.


Der Kindergartenbesuch wirkt sich positiv auf die Schulleistungen aus Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU): Lesekompetenz nach Dauer des Besuchs von Vorschule oder Kindergarten in der Vergleichsgruppe 1 – Gesamtskala Lesen bis ein Jahr 600

mehr als ein Jahr

Bildung/Berufliche Bildung Inhalt

Mittlere Leseleistung

580 560 540 520 500 480 460 440

Deutschland

England

Frankreich

Griechenland

Italien

Niederlande

Schottland

Schweden

Quelle: IEA: Progress in International Reading Literacy Study, IGLU Germany

tur vermittelt; durch die Ausbildung erfolgt der Zugang zum Arbeitsmarkt. Wer auf dieser Basis eine qualifizierte Tätigkeit ausübt, findet seinen Platz in der Gesellschaft. Umso gravierender ist es, dass diese Integration bisher nicht gelungen ist: 50 % der 15-jährigen Migrantenkinder erreichen nicht das Mindestniveau für eine Ausbildung, obwohl zwei Drittel von ihnen die gesamte Schullaufbahn in Deutschland durchlaufen haben. Sie sind an der Hauptschule mit 50 % überund am Gymnasium mit 9 % unterrepräsentiert. Nur 25 % der ausländischen Jugendlichen waren 2004/05 in einer Berufsausbildung gegenüber 60 % der deutschen Jugendlichen. Der in diesem Jahr erstmals erschienene gemeinsame Bildungsbericht von Bund und Ländern hat sich dem Thema „Migrantenkinder“ intensiv gewidmet. Auch der Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt und die Islamkonferenz im Bundesinnenministerium sowie die Begleitung durch die breite öffentliche Aufmerksamkeit haben das Thema auf der politischen Tagesordnung weit nach oben geschoben. Im Anschluss an den Integrationsgipfel arbeitet die BDA in mehreren Arbeitsgruppen an den Elementen für einen „Nationalen Integrationsplan“ unter Federführung des Bundeskanzleramtes mit.

Es liegt im Interesse der Arbeitgeber, in einer Zeit des globalen Wettbewerbs alle Potenziale zur Entfaltung zu bringen, auch das der Migrantenkinder. Wirtschaft und Gesellschaft sind auf Know-how, Kreativität und Innovation angewiesen, während der demografische Wandel zugleich dazu führt, dass die Basis dafür immer schmaler wird. Die Bedeutung der beachtlichen Gruppe von Migrantenkindern wird umso stärker wachsen. Die BDA hat daher im November ihr aktuelles, vom BDA-Ausschuss „Bildung/Berufliche Bildung“ verabschiedetes Positionspapier „Integration durch Bildung: Potenzial von Migrantenkindern entfalten“ veröffent­ licht, das durch den nordrhein-westfälischen Minister für Generationen, Familien, Frauen und Integration, Armin Laschet, das Vorstandsmitglied der Deutsche Bahn AG, Dr. Norbert Bensel, sowie den Hauptgeschäftsführer der BDA, Dr. Reinhard Göhner, vorgestellt wurde. Die wichtigsten Forderungen der Arbeitgeber lauten:  Sprachförderung muss so früh wie möglich beginnen. Denn eine umfassende und intensive Sprachförderung kann auch die Bildungsbeteiligung von Migrantenkindern deutlich verbessern. Für den Kindergarten muss ein Vorschulprogramm entwickelt werden, das die systematische Sprachentwicklung fördert. Verbindliche Standards, die Evaluation der

77 3


Bildung/Berufliche Bildung

78

Ergebnisse und eine bessere pädagogisch-psychologische Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen werden Qualität und Zielgenauigkeit der Förderung sichern. Als erste Stufe des Bildungssystems muss der Kindergarten schrittweise obligatorisch und gebührenfrei werden.  In der Schule muss die Sprachförderung kontinuierlich fortgesetzt und vertieft werden, und dies in allen Fächern ebenso wie in außerunterrichtlichen Fördermaßnahmen. Lehrkräfte müssen in ihrer Aus- und Fortbildung auf eine mehrsprachige Schülerschaft mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen vorbereitet werden. Je nach Schulprofil kann auch die Herkunftssprache vertieft oder als weitere Fremdsprache angeboten werden.  Interkulturelle Kompetenzen sind in einer globalen Wirtschaft Schlüsselkompetenzen. Sie werden durch das Anknüpfen an die unterschiedlichen Herkunftswelten der Migrantenkinder und eine internationale Ausrichtung der Schulfächer sowie durch interkulturelle Bezüge im Schulleben gestärkt.  Werteerziehung gehört zum Bildungsauftrag der Schule. Kommunikations- und Teamfähigkeit, Verantwortung und Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und Toleranz sind zentrale persönliche und soziale Kompetenzen, die junge Menschen erwerben sollen. Ein islamischer Religionsunterricht soll in deutscher Sprache und mit in Deutschland wissenschaftlich ausgebildeten Lehrern angeboten werden.  In der beruflichen Bildung eröffnen bessere Sprachkompetenzen Jugendlichen mit Migrationshintergrund neue Chancen auf eine Ausbildung. Sie müssen über die Bedeutung der dualen Ausbildung und das Berufswahlspektrum informiert und auf die Berufswelt durch Schule, Arbeitsagentur und Betriebe besser vorbereitet werden. Ausbildungsabbrüche können durch flankierende Unterstützung vermieden werden.  Die oft vorhandene Mehrsprachigkeit der Migranten soll auch in der Ausbildung als Stärke vertieft und erweitert und für alle Auszubildenden nutzbar gemacht werden. Auch Unternehmer mit Migrationshintergrund müssen verstärkt für die Ausbildung gewonnen werden. Die Berufsschule soll ihr Angebot im Blick auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen ihrer Schüler zielgenauer differenzieren.  Bei allen Bildungsstationen – vom Kindergarten über die Schule bis hin zum Übergang in die berufliche Bildung – ist das Einbeziehen der Eltern und Familie

unverzichtbar und die Wahrnehmung ihrer Eigenverantwortung ein entscheidender Faktor. Die Pflege des Deutschen auch zuhause ist für die Sprachkompetenz der Kinder elementar. Eltern müssen dabei von Kindergärten, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen unterstützt werden. Sie brauchen Beratungsangebote in Erziehungsfragen und Informationen über die Chancen der Schul- und Berufsbildung in Deutschland. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Integration durch Bildung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de zugänglich.

Hauptschule: Preis „Werteerziehung“ verliehen Beim Wettbewerb „Werteerziehung an Hauptschulen“ der Alfred-Toepfer-Stiftung F. V. S. und der BDA bewarben sich fast 80 Schulen. Die Jury wählte daraus die Hauptschulen mit dem überzeugendsten Konzept der Werteerziehung aus. Am 4. Dezember wurden die Preise feierlich an die Gebhardschule Konstanz, die Hauptschule Innenstadt Tübingen, die Werner-StephanOberschule Berlin und die Ketteler-Schule Rheda-Wiedenbrück verliehen. Gemeinsam war den Preisträgerschulen, dass sie die Verbindlichkeit von Regeln, Normen und Werten sehr hochhielten, aber auch den Schülern deutlich machten, warum diese Normen und Werte wichtig sind. Bei mehreren Schulen hatten die Schüler sogar selbst einen Katalog von Werten erarbeitet, die an der Schule gelten und auch eingehalten werden sollen. Dabei wurden vor allem immer wieder die Werte Respekt, Selbstvertrauen, Höflichkeit, Verantwortung, Hilfsbereitschaft, Teamarbeit, Toleranz und Demokratie genannt. Aus der Wertedebatte entwickelten die Schulen jeweils Ideen und Programme, mit denen die Werte zur konkreten Erfahrung für alle werden können. Sonderpreise für eine „gute Idee“ erhielten die Volksschule Bad Königshofen, St.-Georg-Volksschule Augsburg, Schule ErnstHennig-Straße Hamburg, Hermann-Claudius-Schule Marl, Mittelhofschule Ellwangen und Rosensteinschule Stuttgart. Alle Teilnehmer können im kommenden Jahr an einem Mentorenprogramm partizipieren.


Verantwortung in und für Schule – Grundsätze der Wirtschaft zur Zusammenarbeit mit Schulen Die BDA begleitet gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Rahmen der bundesweiten Initiative SCHULEWIRTSCHAFT Schulen und Unternehmen auf ihrem Weg zur Verbesserung von Berufsorientierung und Ausbildungsreife sowie bei der Einführung von professionellen Managementsystemen im Schulbetrieb. Mit den aktualisierten Grundsätzen der Wirtschaft zur Zusammenarbeit mit Schulen, die Ende Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, bekräftigt die deutsche Wirtschaft ihr Engagement und ruft weitere Akteure in den Unternehmen zur Mitgestaltung der Kooperationen mit Schulen auf. Für die Arbeitgeber sind dabei folgende Aspekte von zentraler Bedeutung:  Schüler von heute sind die Mitarbeiter und Führungskräfte von morgen. Die unternehmerische Wirtschaft versteht die Zusammenarbeit mit Schulen als eine vorrangige gesellschaftliche Aufgabe, die über die Gewinnung von Nachwuchskräften für die berufliche Erstausbildung und deren künftige Weiterqualifikation hinausgeht. Vor diesem Hintergrund bietet die Wirtschaft den Schulen eine intensive Zusammenarbeit an. Diese beinhaltet betriebliches Know-how sowie praktische partnerschaftliche Unterstützung.  Deutschlands Unternehmen brauchen qualifizierte Fach- und Führungskräfte, die eigenverantwortlich denken und handeln. Die Ausbildungs- bzw. Studienreife von Schulabgängern ist ein zentraler Schlüsselfaktor für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Bereits im Schulunterricht müssen junge Menschen erfahren, dass Bildung auch Leistung und Anstrengung umfasst. Wer sich Berufschancen erschließen will, muss dafür etwas tun. Eigenverantwortliche Lebensführung beginnt in der Schule.

 Ökonomische Bildung ist unverzichtbar. Wer „Wirtschaft“ nicht versteht, dem verschließt sich ein wesentlicher Teil der Lebenswelt und das Verständnis für wirtschaftliches Handeln. Neben einem eigenständigen Fach „Wirtschaft“ vermitteln die Fächer Mathematik, Technik und Naturwissenschaften die Grundlage für die zukünftige Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Dies relativiert aber nicht die Bedeutung geistes- und kulturwissenschaftlicher sowie musisch-ästhetischer Fächer für die Werteerziehung und die Persönlichkeitsbildung. Sie stärken die Kreativität und fächerübergreifende Qualifikationen. Diese Fächer müssen daher elementarer Bestandteil der Allgemeinbildung bleiben.

SCHULEWIRTSCHAFT vermittelt Wissen praxisorientiert SCHULEWIRTSCHAFT hat sich zum Ziel gesetzt, den persönlichen und direkten Austausch zwischen Schulen und Unternehmen zu fördern und dauerhafte Kooperationen aufzubauen. In zahlreichen Projekten werden

Zu den Aktivitäten von SCHULEWIRTSCHAFT gehören:  Initiierung und Begleitung von Partnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen  Realisierung von Projekten und Planspielen  Durchführung von Betriebserkundungen und Praktika für Schüler und Lehrkräfte  Qualifizierte Fortbildung von Lehrkräften und Schulleitungen  Unterstützung von Managementprozessen an Schulen  Organisation von Veranstaltungen und Seminaren  Entwicklung von Unterrichtsmaterialien  Bildung und Begleitung aktueller Arbeitsgruppen  Umsetzung von Forschungsvorhaben  Kontakte zu Ministerien, Behörden, Verbänden, Institutionen  Koordination der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Bildung/Berufliche Bildung Inhalt

Im Herbst startete zudem die Ausschreibung des Hauptschulpreises 2007 „Deutschlands beste Schule mit Hauptschulabschluss“ von Hertie-Stiftung, Robert Bosch Stiftung und BDA im Rahmen der Initiative Hauptschule. Bundespräsident Köhler hatte in seiner Berliner Rede „Bildung für alle“ im September 2006 den Hauptschulpreis ausdrücklich lobend hervorgehoben.

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Bildung/Berufliche Bildung

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die theoretischen Grundlagen wirksam umgesetzt. Die Teilnehmer werden dabei vor Ort von Fachleuten beraten und begleitet. So erleben die Schüler wichtige ökonomische Abläufe konkret und realitätsnah. Dies erleichtert Jugendlichen den Übergang von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt. Die einzelnen Angebote wenden sich an Lehrkräfte aller Schulformen und Jahrgangsstufen, Referendare und Lehramtstudierende, an die Schulaufsicht sowie an Schüler und deren Eltern.

Partnerschaft von Schule und Wirtschaft Ein Prinzip von SCHULEWIRTSCHAFT ist Teamwork: Gemeinsam arbeiten und lernen die Teilnehmer in Arbeitskreisen und Projekten. Zum Konzept gehört genauso der „Dialog auf Augen­höhe“ mit einer

rücksichtsvollen, glaubwürdigen und gleichberechtigten Zusammenarbeit zweier Partner. Grundlage von SCHULEWIRTSCHAFT ist seit der Gründung die enge Kooperation der Ansprechpartner aus Schulen und Betrieben. Getragen von diesem partnerschaftlichen Grundgedanken nehmen Schulen und Betriebe aus der Nachbarschaft Kontakt miteinander auf und bilden regionale Netzwerke. Die regionalen Arbeitskreise SCHULEWIRTSCHAFT fördern den Austausch von Informationen und Erfahrungen. Die Internetseite von SCHULEWIRTSCHAFT wurde überarbeitet. Die Schwerpunktthemen und Aktivitäten von Bundes- und Landesebene können unter www.schule-wirtschaft.de abgerufen werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Schulpolitik“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Bilanz ein Jahr Grosse Koalition – Frühkindliche Bildung und Schule Koalitionsvereinbarung

Umsetzungsschritte

Frühförderung von Kleinkindern

Fortführung des Gesetzes zum Ausbau der Tagesbetreuung (TAG) von 2005

Sprachförderung vor der Grundschule

Keine erkennbaren Aktivitäten

Weitere Gelder für das Ganztagsschulprogramm

Bund stellt – wie bereits 2003 vereinbart – den Ländern bis 2008 insgesamt 4 Mrd. € zur Verfügung

Fortführung internationaler Vergleichsstudien

Deutschland beteiligt sich unter anderem an PISA 2006, IGLU 2006 und TIMSS 2007

Bildungsberichterstattung

KMK und BMBF haben den ersten gemeinsamen Bericht „Bildung in Deutschland“ im Juni 2006 vorgelegt

Intensivere Förderung der Bildungsforschung

Rahmenkonzept des BMBF zur Stärkung der empirischen Bildungsforschung im Herbst 2006 vorgelegt; zudem Einsatz für ein „Nationales Bildungspanel“

Fazit: Die Länder sind in ihrer Verantwortung für die Schulen gefordert, die begonnenen Reformen konsequent umzusetzen und die Qualität der Schulen nachhaltig zu verbessern.


Um Schülern den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung zu erleichtern, setzen Bundesregierung und Wirtschaft als Partner am Ausbildungspakt auf eine Stärkung der Berufsorientierung und der Ausbildungsreife an den Schulen. Unter Beteiligung der Kultusministerkonferenz (KMK) wurden in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe „Schule und Wirtschaft“ anhand erfolgreicher Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen Transferstrategien für die Schwerpunkte Berufsorientierung, Ausbildungsreife sowie Übergangsmanagement Schule-Ausbildung erarbeitet. Unter Federführung der BDA und mit Unterstützung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln wurden Inhalte, Verfahren, Methoden, Organisationsformen sowie Qualitätsmanagement erfolgreicher Kooperationsprojekte zwischen Schulen und Unternehmen

Bildung/Berufliche Bildung Inhalt

Ausbildungspakt: Alle weiterbildenden 16.000 Schulen erhalten Handlungsleitfaden zur Berufsorientierung und Ausbildungsreife

81 3


Bildung/Berufliche Bildung

82

systematisiert und verallgemeinert. Der nun vorliegende Handlungsleitfaden umfasst Informationen und Anleitungen zur Netzwerkbildung, zur Ausgestaltung der Kooperations- und Kommunikationsstrukturen, zu konkreten Inhalten und Methoden der Konzeptgestaltung und zur Etablierung eines Qualitätsmanagementsystems – unterstützt durch Checklisten, Formulare und konkrete Beispiele. Er wird allen weiterführenden allgemein bildenden Schulen und ihren Kooperationspartnern zur Verfügung gestellt und ist im Internet unter www.ausbildungspaktberufsorientierung.de abrufbar. Mit dem Handlungspaket werden Schulen in die Lage versetzt, einen nachhaltigen Schulentwicklungsprozess zu befördern. Aber auch die Unternehmen erhalten Anregungen für ihre Personal- und Organisationsentwicklung. Damit soll es den Akteuren in Schulen und Unternehmen besser gelingen, allen Absolventen der allgemein bildenden Schule eine Perspektive beim Übergang von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt zu eröffnen.

Mit besserer Förderung gelingt der Übergang in Ausbildung Nach wie vor gelingt einem Teil der Jugendlichen der Übergang von der Schule in die Ausbildung nicht oder nur sehr schwer. Diese Jugendlichen müssen deshalb durch eine individuelle Begleitung besser auf den Übergang vorbereitet werden. Statt später viele Milliarden in teure Reparaturmaßnahmen zu stecken, können weniger Mittel in frühzeitigen Fördermaßnahmen und betriebsnahen Qualifizierungsangeboten bessere Ergebnisse liefern. Die BDA setzt sich deshalb für ein flächendeckendes Angebot von Praxisklassen ein. Sie verbinden zur gezielten Förderung leistungsschwacher Schüler in den letzten Hauptschuljahren das Lernen in der Schule mit Praxisphasen im Betrieb. Die Praxis wirkt auf oft schulmüde Jugendliche motivierend, so dass die Chancen auf einen Schulabschluss und eine Lehrstelle steigen. Hierfür soll unter Federführung der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeinsam mit BDA, BMBF, KMK und DGB das Projekt „Praxisklassen plus“

Beschluss des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit zur Neuausrichtung der Förderpraxis für benachteiligte Jugendliche  Organisatorische Unterstützung der betrieblichen Ausbildung benachteiligter Jugendlicher: Betriebe, die sich dieser Aufgabe annehmen, sollen bei einem Träger ihrer Wahl auf BA-finanzierte ausbildungsbegleitende Hilfen zurückgreifen können, zu denen neben Maßnahmen zum Abbau von Sprach- und Bildungsdefiziten, zur Förderung der Fachpraxis und Fachtheorie, zur sozialpädagogischen Begleitung insbesondere auch Maßnahmen zur organisatorischen Entlastung des Betriebes von administrativen Aufgaben der Ausbildung (Ausbildungsmanagement) gehören.  Organisatorische Unterstützung betrieblicher Ausbildungsvorbereitung: Auch betriebliche Berufsvorbereitungsmaßnahmen für leistungsschwache Jugendliche sollen breiter und unbürokratischer gefördert werden. Betriebe, die sich dieser Aufgabe annehmen, sollen in gleicher Weise auf die oben genannten BA-finanzierten Unterstützungsleistungen zurückgreifen können.  Finanzielle Eingliederungshilfe für benachteiligte Jugendliche in betriebliche Ausbildung: Zur Entlastung von Betrieben, die sich zur Ausbildung benachteiligter Jugendlicher entschließen, von den zusätzlich entstehenden Kos­ ten sollen die bestehenden Regelungen für Eingliederungshilfen in Arbeit auf Eingliederungshilfen in Ausbildung für Problemgruppen erweitert werden. Nach erfolgreich abgelegter Abschlussprüfung soll eine zusätzliche Prämie vorgesehen werden. Voraussetzung für die Förderung muss sein, dass die Ausbildung über den bisherigen Bedarf des Betriebes hinaus erfolgt. Zielgruppe der finanziellen Unterstützung der Eingliederung in Ausbildung sollen ausschließlich Altbewerber und hier ausschließlich benachteiligte Jugendliche im engeren Sinne mit personenund eignungsbezogenen Vermittlungshemmnissen sein, die sich bereits in früheren Jahren erfolglos um einen Ausbildungsplatz bemüht haben und ohne zusätzliche Hilfe keine Chance auf eine betriebliche Ausbildung haben.


Zugleich setzt sich die BDA für eine Umorientierung der BA-Förderung für benachteiligte Jugendliche ein. Es gilt, mehr effektive, betriebliche Qualifizierungsangebote durch eine flankierende Förderung zu generieren und weniger auf teure, oft ineffektive außerbetriebliche Maßnahmen zu setzen. Mit gut 14.000 € kostet eine außerbetriebliche Berufsvorbereitung der BA im Vergleich zu einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung (EQJ) rund viermal mehr. Zugleich weist sie im Durchschnitt ­deutlich geringere Übergangsquoten in Ausbildung auf. Die BDA hat sich daher mit dem DGB über eine Neuausrichtung der Förderpraxis der BA für leistungsschwache Jugendliche verständigt. Ziel dieser Neuausrichtung ist es, mehr flankierende Unterstützung für Betriebe zu fördern, die sich dieser Zielgruppe in Ausbildung oder Berufsvorbereitung annehmen. Der Verwaltungsrat hat am 26. Oktober 2006 diese Vorschläge formell beschlossen. Nun steht die Umsetzung durch entsprechende Gesetzesänderungen im SGB III an.

Situation auf dem Ausbildungsmarkt spiegelt zusätzliche Ausbildungsleistung wider Das Engagement der Wirtschaft und ihrer Partner im Ausbildungspakt hat auch in diesem Jahr Wirkung gezeigt. Was mit dem Ausbildungspakt erreicht wurde, macht eine Zahl deutlich: Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2006 ist gegenüber dem Vorjahr um knapp 5 % gestiegen; gegenüber 2003, das heißt dem letzten Jahr vor dem Ausbildungspakt, beträgt die Steigerung 3,4 %. Zwar gab es Ende September 2006 rund 9.000 unvermittelte Bewerber mehr als im Vorjahr, insgesamt lag die Zahl der Bewerber jedoch um gut 22.000 über dem Vorjahresniveau. Das zeigt, dass bereits ein großer Teil dieses Zuwachses versorgt und damit zusätzliche Chancen geschaffen wurden. Die Paktzusage, jedem Jugendlichen ein An-

gebot zu unterbreiten, wird auch im dritten Paktjahr erfüllt, da jedem zum 30. September 2006 noch unvermittelten Bewerber mindestens ein Qualifizierungsangebot gegenüberstand. Die Perspektiven für die Nachvermittlung sind damit sehr gut. Bis November konnte die Zahl der am 30. September noch unvermittelten Bewerber bereits um 44 % bzw. 21.700 auf 27.800 reduziert werden. Diesen knapp 28.000 Bewerbern stehen noch rund 11.500 unbesetzte Ausbildungsplätze und 20.000 Einstiegsqualifizierungen gegenüber.

Ausbildungspakt setzt Arbeit erfolgreich fort Die Zwischenbilanz des Ausbildungspaktes 2006 kann sich sehen lassen: So wurden bis Ende November in Industrie, Handel und Handwerk insgesamt rund 65.000 neue Ausbildungsplätze eingeworben – mehr als doppelt so viele wie zugesagt. Dabei konnten rund 39.000 Betriebe neu für Ausbildung gewonnen werden. Auch bei den Einstiegsqualifizierungen übertrafen die Angebote (rund 40.000) die Zusage von 25.000 Plätzen deutlich. 2006 konnten bisher bereits mehr Einstiegsqualifizierungen besetzt werden als im Vorjahr. Angesichts der guten Übergangschancen in Ausbildung von rund 60 % der Teilnehmer sollten sie von Jugendlichen, die bisher noch keine Ausbildungsstelle gefunden haben, stärker genutzt werden. Erfreulich ist zudem, dass infolge der begleitenden Evaluation die Ausbildungsleistungen der Betriebe durch EQJ keineswegs beeinträchtigt sind, sondern sogar neue Betriebe für Ausbildung gewonnen wurden und bereits ausbildende Betriebe ihre Ausbildungsleistung steigerten. Deshalb begrüßen die Arbeitgeber die Ausweitung des EQJ-Programms durch die Bundesregierung auf 40.000 Plätze 2006 und die Verlängerung für 2007.

Mehr Spielräume und Optionen für flexible Wege in der Ausbildung Neben dem Engagement im Rahmen des Ausbildungspaktes setzt sich die BDA für die Stärkung der Bedarfsund Praxisnähe der beruflichen Bildung durch mehr Flexibilität, Durchlässigkeit und Transparenz ein. In verschie-

Bildung/Berufliche Bildung Inhalt

umgesetzt werden, in dem Schulunterricht mit Praxisphasen im Betrieb und mit einer flankierenden Begleitung der Jugendlichen kombiniert wird. Die Länder sollen durch ein Engagement der BA jedoch nicht aus ihrer originären Verantwortung zur Sicherstellung der Ausbildungsreife ihrer Schüler entlassen werden. Vielmehr soll das gezielte Engage­ment der BA als Katalysator für die überfällige Wahrnehmung der Verantwortung der Länder wirken.

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Bildung/Berufliche Bildung

84

denen Branchen sind in den letzten Jahren mit flexiblen Strukturkonzepten wie zum Beispiel der Einführung von Schwerpunkten oder Wahlqualifikationen in puncto Flexibilität der Ausbildung bereits signifikante Fortschritte erzielt und passgenaue Lösungen gefunden worden. Wir brauchen aber ein weiteres „Mehr“ an Spielräumen und Optionen für weitere hieran interessierte Branchen und geeignete Berufe, damit sich die duale Ausbildung im Wettbewerb vielfältiger Übergangswege zwischen Schule und Beruf nicht nur behaupten, sondern auch künftig als zentrale Orientierungsgröße systemprägend wirken kann. Zur Diskussion steht in vielen Bereichen, wie mehr Flexibilität, Durchlässigkeit und Transparenz in der Berufsausbildung erreicht werden kann, um die Chancen auf gut qualifizierten Nachwuchs für die Betriebe ebenso zu verbessern wie die Ausbildungs- und Beschäftigungschancen der Jugendlichen. Hier kommen verschiedene Flexibilisierungselemente in Frage, die auch miteinander kombiniert werden können. Diskutiert wird (immer nur als Option für Branchen, die entsprechende Veränderungen wünschen, da es kein Ziel der BDA ist, diese Flexibilisierungswege Branchen nahezulegen, die mit ihrem Status quo zufrieden sind):  die konsequente Gliederung von Ausbildung in Ausbildungsbausteine  die Ausbildung innerhalb einer mehrere Einzelberufe umfassenden Berufsgruppe, deren Bausteine weitgehend übereinstimmen und damit kombinierbar sind  die Einführung einer regulären zweijährigen Erstausbildung, in der Kern- und grundlegende Fachqualifikationen vermittelt werden, in Kombination mit einer anschließenden Spezialisierungsphase entweder als drittes Ausbildungsjahr oder als reguläre Fortbildung oder als in den Beruf integrierte Weiterbildung ­­­(„2 plus x“)

Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung im Fokus der Bundesregierung An der strukturellen Weiterentwicklung der beruflichen Bildung arbeitet auch der Innovationskreis „Berufliche Bildung“, der von Bundesbildungsministerin Schavan eingerichtet wurde. Bis zum Sommer 2007 sollen Vorschläge vorliegen und in der laufenden Legislaturperiode verwirklicht werden. Im Zentrum

stehen die Themenschwerpunkte „Modernisierung und Durchlässigkeit in der beruflichen Bildung“, das Übergangsmanagement sowie Wege der europäischen Öffnung. Die Einführung von Ausbildungsbausteinen in der dualen Ausbildung zur verbesserten Verknüpfung unterschiedlicher beruflicher Bildungsabschnitte sowie zur Schaffung differenzierter Ausbildungsmöglichkeiten für Betriebe soll für einige Berufe erprobt werden. Die BDA beteiligt sich intensiv an der Arbeit des Innovationskreises.

Bedarfsorientierung und Attraktivitätssteigerung bleiben Ziele der Ordnungsarbeit Die Ziele der Bedarfsorientierung und der Attraktivitäts­ steigerung der Berufsbildung verfolgt die BDA weiterhin aktiv im Rahmen der Ordnungsarbeit. Am 1. August 2006 wurde die Ausbildung in vier neuen Berufen aufgenommen und es traten 17 modernisierte ­Ausbildungsordnungen in Kraft. Mit den neuen Berufen Fachangestellte/-r für Markt- und Sozialforschung sowie der Servicefachkraft und dem Kaufmann/Kauffrau für Dialogmarketing wurden zwei neue Branchen für die Ausbildung erschlossen: die stark expandierenden Bereiche Markt- und Sozialforschung sowie Call-CenterManagement. Gerade innovative Branchen bieten für Ausbildung noch ein erhebliches Potenzial, das künftig besser genutzt werden muss. So haben die Arbeitgeber beispielsweise im Bereich der Automatenwirtschaft Vorschläge für drei neue Ausbildungsberufe entwickelt, die zügig umgesetzt werden müssen. Ebenso muss an der Entwicklung von Ausbildungsberufen in den neuen Technologiefeldern wie zum Beispiel der Nano- und der Biotechnologie gearbeitet werden. Auch im Bereich der Prüfungen muss weitergedacht werden, bzw. wo dies schon geschehen ist, muss eine adäquate Umsetzung erfolgen. Innovative Prüfungen zeichnen sich dadurch aus, dass Kompetenzen – und hier insbesondere Prozesskompetenzen – geprüft werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die im Dezember 2006 vom Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung verabschiedete Empfehlung zu Prüfungsanforderungen. Diese setzt einen Rahmen, innerhalb dessen sich innovative Prüfungsformen entwickeln


Neu geordnet wurden 2006 die Berufe:  Fachkraft für Hafenlogistik, Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk, Flechtwerkgestalter/-in, Hafenschiffer/­ -in, Holzmechaniker/-in, Immobilienkaufmann/-frau, Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen, Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel, Kaufmann/-frau für Marketingkommunikation, Mediengestalter/-in Bild und Ton, Medienkaufmann/-frau Digital und Print, Medizinische/-r Fachangestellte/-r, Müller/-in (Verfahrenstechnologe/-technologin für Mühlen- und Futtermittelwirtschaft), Ofen- und Luftheizungsbauer/-in, Tiermedizinische/-r Fachangestellte/-r, Tischler/-in, Verfahrensmechaniker/-in für Kunststoff- und Kautschuktechnik (neue Schwerpunkte) Im Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2007 befinden sich die Berufe:  Automatenfachmann/-frau (Arbeitstitel; neuer Beruf), Bestattungsfachkraft, Brauer/-in und Mälzer/-in, Fachkraft für Automatenservice (neuer Beruf), Holz- und Bautenschützer/-in (neuer Beruf), Mathematisch-technische/-r Softwareentwickler/-in, Mechatroniker/-in für Kältetechnik, Medienberater/-in für visuelle Kommunikation, Mediengestalter/-in Digital und Print, Objektschutzfachkraft (neuer Beruf), Produktprüfer/-in Textil, Speiseeishersteller/-in (neuer Beruf), Sport- und Fitnesskaufmann/-frau, Sportfachmann/-frau (neuer Beruf) In der beruflichen Fortbildung wurden im Berichtshalbjahr die folgenden Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG):  Betriebswirt/-in nach Berufsbildungsgesetz, Bilanzbuchhalter/-in, Controller/-in, Fachkaufmann/-frau für ­Marketing, Gestaltungsberater/-in im Raumausstatterhandwerk, Handelsassistent/-in, Handelsfachwirt/-in, Industriemeister/in Fachrichtung Textilwirtschaft, Pharmareferent/-in, Schließ- und Sicherungstechniker/-in, Technische/-r Fachwirt/-in Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen:  Betriebswirt/-in nach Handwerksordnung, Fachwirt/-in für Messe-, Tagungs- und Kongresswirtschaft, Geprüfte/-r Wasserbaumeister/-in, Immobilienfachwirt/-in, Industriemeister/-in Fachrichtung Papier und Kunststoff, Meister/ -in für Veranstaltungstechnik, Tierpflegemeister/-in, Wirtschaftsfachwirt/-in

können, und definiert erstmals klar und übersichtlich die Zielrichtung der einzelnen Prüfungsinstrumente. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Abschlüsse mit Anschlüssen schaffen Ein weiteres wichtiges Ziel der Arbeitgeber ist es, die Anschlussmöglichkeiten nach einer dualen Ausbildung zu verbessern. Die Zeiten, in denen Absolventen einer

dualen Ausbildung „ausgelernt“ haben, sind definitiv vorbei. Vielmehr erfordert die ständige Erneuerung von Wissen einen kontinuierlichen, strategischen Lernprozess. Deshalb müssen sich den beruflich Qualifizierten neben den unterschiedlichen Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung auch die Hochschulen für eine Weiterqualifizierung öffnen. Die Hochschulen sollten dazu bundesweit einheitliche Kriterien zur Feststellung der allgemeinen Studierfähigkeit für den Hochschulzugang entwickeln und anwenden, die beispielsweise auch Berufserfahrung, Transferkompetenz, Teamfähigkeit – und somit Stärken von beruflich Qualifizierten – berücksichtigen. Die Wirtschaft ist bereit, die Hochschulen im Prozess der Kriterienentwicklung aktiv zu unterstützen.

Bildung/Berufliche Bildung Inhalt

Zu den neuen Berufen 2006 gehören:  Fachangestellte/-r für Markt- und Sozialforschung, Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice, Kaufmann/-frau für Dialogmarketing, Servicefachkraft für Dialogmarketing (zweijähriger Beruf)

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Bildung/Berufliche Bildung

Bilanz ein Jahr Grosse Koalition – Berufsbildung Koalitionsvereinbarung

Umsetzungsschritte

Verlängerung des Ausbildungspaktes

Für das Frühjahr 2007 vorgesehen, erste Gespräche zwischen Bundesregierung und Wirtschaft haben stattgefunden

Branchenbezogene Umlagefinanzierung / Steigerung von Ausbildungsplatzangeboten auf Basis tariflicher Vereinbarungen

Ist Sache der Tarifpartner

Überprüfung des Berufsbildungsgesetzes

Keine offizielle Evaluation, aber Diskussion von Handlungsansätzen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für ausbildende Betriebe, unter anderem durch BBiG-Änderungen, im „Innovations­kreis Beruf­ liche Bildung“ von BM Schavan, bisher ohne kon­ krete Umsetzungsschritte

Modernisierung von Ausbildungsberufen inkl. mehr gestufter Ausbildungsordnungen

Findet statt, geht allerdings weitestgehend auf Initiative der Wirtschaft zurück, die beteiligten Ministerien (BMWi bzw. BMBF) blockieren dabei einige Berufsvorschläge der Wirtschaft (zum Beispiel Objektschutzfachkraft)

Fortführung der Einstiegsqualifizierungen

Aufstockung auf 40.000 Plätze (bisher: 25.000) und Verlängerung um ein Jahr ist erfolgt

Aufwertung der Weiterbildung zur vierten Säule des Bildungssystems

Keine erkennbaren Aktivitäten

Bildungszeitkonten

Ist Sache der Tarifpartner

Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen (insbesondere Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte)

Bis auf ein Forschungsprojekt des BMBF zum Thema „Hochschulzugang” keine zielführenden Aktivitäten des Bundes im Rahmen seiner ihm in diesem Bereich verbleibenden Kompetenzen erkennbar

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Fazit: Positive Impulse für Aus- und Weiterbildung kommen ­ vor allem von wachstums- und beschäftigungsfördernden Rahmenbedingungen. Allerdings verpasste die Bundesregierung dort, wo sie konkret die Rahmen­ bedingungen für Aus- und Weiterbildung verbessern kann, bisher Gelegenheiten, etwa beim Abbau gesetzlicher Ausbildungshemmnisse. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung den Dialog mit den Ländern, Sozialpartnern und der Hochschulrektorenkonferenz suchen, um bei Hochschulzugang und Durchlässigkeit im deutschen Bil­­dungssystem voranzukommen.



Bildung/Berufliche Bildung

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Die Öffnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte ist der erste Schritt. Die logische und notwendige Konsequenz daraus ist, beruflich Qualifizierten die Kompetenzen, die sie bereits erworben haben und die vergleichbar sind, anzurechnen. Ebenso muss sichergestellt werden, dass Studienabbrecher, die eine berufliche Ausbildung beginnen, ihre Kompetenzen aus dem Studium geltend machen können. Unterstützung für eine solche zukunftsgerichtete Anrechnungspraxis, die uneffiziente Doppelqualifizierungen vermeidet, soll der Nationale Qualifikationsrahmen (NQF) bieten. Dieser muss dazu beitragen, dass die Qualifikationen und Abschlüsse in Deutschland durch ihre Zuordnung zu den einzelnen Niveaustufen systematisiert und dadurch Gleichwertigkeiten von Qualifikationen transparent werden.

Beteiligung aller relevanten Akteure der beruflichen – und hier explizit der Unternehmen – sowie der hochschulischen Bildung die Entwicklung eines konkreten Vorschlags für einen NQF zügig voranzutreiben. Nur wenn berufliche Bildung und Hochschulbildung mit einem gemeinsamen Qualifikationsrahmen operieren, wird Transparenz zwischen den Qualifikationen hergestellt und die Anrechnung bereits erworbener Kompetenzen im jeweils anderen System verbessert werden.

Qualität von Studium und Lehre hat oberste Priorität Die Qualität von Studium und Lehre war im Jahre 2006 eines der dominierenden Themen im Hochschulbereich – und das in mehrfacher Hinsicht. Die Akkreditierung von Studiengängen hat sich zwar als wichtiges

Der politische Entwicklungsprozess für den NQF steckt jedoch noch immer in den Anfängen. Notwendig ist deshalb, die Diskussion zu bündeln und unter

Prognostizierter Anstieg der Studienberechtigten bzw. Studienanfänger bis 2019 Zentrale Aussagen der KMK-Prognose: Studienberechtigte, Studienanfänger und Absolventen im Hochschulbereich für ausgewählte Jahre Studienberechtigte

Studienanfänger Hochschulbereich 75 %

Jahr

Anzahl

2000

346.514

Quote²

37,0

Absolventen Hochschulbereich

85 %

Anzahl

Quote³

314.956

33,8

Anzahl

75 %

Quote³

85 %

Anzahl

Quote⁴

189.047

16,8

196.100

20,5

vgl. links

Anzahl

Quote⁴

vgl. links

2004¹

377.360

40,5

357.743

36,8

2010

408.400

42,8

380.800

37,7

421.700

41,7

264.400

25,6

272.600

26,4

2015

375.820

43,9

357500

39,9

395.300

44,1

270.600

25,3

299.800

28,0

2020

355.960

43,5

343500

39,3

379.400

43,4

268.600

26,0

297.600

28,8

Spitzenwert (Jahr)

445.610 (2011)

394.300 (2011)

436.900 (2011)

273.200 (2019)

302.800 (2019)

¹ Vorläufiges Ist ² Anteil an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung ³ Anteil am Durchschnitt der 19- bis unter 25-jährigen (bis 1996 der 18- bis unter 22-jährigen) deutschen und ausländischen Wohnbevölkerung am 31. Dezember des jeweiligen Jahres ⁴ Anteil am Durchschnitt der 25- bis unter 32-jährigen deutschen und ausländischen Wohnbevölkerung am 31. Dezember des jeweiligen Vorjahres Quelle: KMK-Prognose der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen bis 2020; Nr. 176 – Oktober 2005; eigene Berchnungen nach Anhangtabellen I.3.1, I.3.4, II.5, V.1 und V.5.


Aus einem völlig anderen Zusammenhang heraus rückte das Thema „Qualität“ gleichfalls in das Zentrum der hochschulpolitischen Diskussion. Angesichts des prognostizierten rasanten Anstiegs der Studierendenzahlen in Deutschland in den kommenden Jahren hat die BDA gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz die Forderung an Bund und Länder formuliert, einen substanziellen Hochschulpakt zu schließen, der die Hochschulen mit ausreichenden Finanzmitteln ausstattet. Schon heute sind viele Studiengänge überfüllt oder durch einen örtlichen Numerus clausus in der Zulassung beschränkt. Da die Wirtschaft tendenziell mehr Studienabsolventen und insbesondere mehr gut ausgebildeten natur- und ingenieurwissenschaftlichen Nachwuchs benötigt, darf die Chance, die sich aus den zusätzlichen Studierenden ergibt, nicht vertan werden. Oberstes Ziel

KMK-Prognose: Studienberechtigte, Studienanfänger, Studierende und Hochschulabsolventen von 1992 bis 2020 unter Zugrundelegung der 75 %-Übergangsquote; Messzahlen Studienanfänger Studierende Absolventen Studienberechtigte 150 % 140 % 130 % 120% 110 % 100 % 90 % 80 %

Quelle: KMK-Prognose der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen bis 2020; Nr. 176 – Oktober 2005; eigene Berechnungen nach Anhangtabellen I.3.1, II.1, III.1 und V.1

2020

2019

2018

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

70 %

Bildung/Berufliche Bildung Inhalt

Hochschulpakt zukunftsweisend gestalten

Instrument für mehr Transparenz und Sicherung von Qualität etabliert, doch bleiben bei der Programmakkreditierung wesentliche hochschulinterne Prozesse außer Acht. Daher sind die Ergebnisse des Pilotprojektes Prozessakkreditierung im Herbst dieses Jahres mit hoher Aufmerksamkeit von allen Beobachtern aufgenommen worden. Die Anforderungen, die an das Qualitätsmanagementsystem einer Hochschule gestellt werden, sind bei der Prozessakkreditierung ungleich höher als bei der Programmakkreditierung, doch sind die Ergebnisse auch wesentlich umfassender und die Impulse für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Qualität von Studium und Lehre erheblich wirkungsvoller. Jetzt kommt es darauf an, dass die erste sehr positive Reaktion der Kultusministerkonferenz auch zeitnah in entsprechende Aktivitäten einfließt. Denn ohne die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen wird es derzeit für viele Hochschulen wenig attraktiv sein, sich auf die Anforderungen des neuen Ansatzes einzulassen.

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Bildung/Berufliche Bildung

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muss dabei sein, bei steigenden Studierendenzahlen die Studienbedingungen an den Hochschulen deutlich zu verbessern. Dafür ist eine ausreichende Finanzierung qualitativ hochwertiger Lehre das Gebot der Stunde. Die erforderlichen Mittel sollten insbesondere auf die ­naturund ingenieurwissenschaftlichen Studienfächer konzentriert werden, die für den Innovations- und Beschäftigungsstandort Deutschland besonders wichtig sind. Die Qualität der Lehre sichert die Qualität der Absolventen. Daher sind Politik und Hochschulen gefordert, ein umfassendes Qualitätsmanagement zu gewährleisten. Die Betreuungskapazitäten müssen deshalb deutlich verbessert werden; ebenso sind die Beratungsangebote für Studienbewerber auszubauen. Die Einigung, die Bund und Länder für den Hochschulpakt gefunden haben, greift allerdings zu kurz: Die bereitgestellten Mittel reichen bei weitem nicht aus, um die Qualität zu verbessern; es ist ein starres und kompliziertes Verfahren für die Aufteilung der zusätzlichen Finanzmittel gewählt worden, das keine kurzfristige Reaktion auf sich ändernde regionale Wahlentscheidungen der Studienbewerber erlaubt. Zudem ist eine inhaltliche Steuerung in Richtung der besonders wichtigen naturund ingenieurwissenschaftlichen Fächer völlig unterblieben. So richtig das Signal ist, dass Bund und Länder einen gemeinsamen Weg für den Hochschulpakt gefunden haben, so sehr fehlt es an einer zukunftsweisenden und dauerhaften Ausgestaltung. Der Hochschulpakt war gleichzeitig der erste Prüfstein für die Bildungspolitik der Länder nach der Föderalismusreform. Die Länder haben damit bewiesen, dass sie ihre gewachsene gesamtstaatliche Verantwortung ins Auge fassen. Insofern ist die Einigung ein wichtiges und gutes Signal. Doch ohne eine zügige Erweiterung der bisherigen Einigung auf die Jahre nach 2010, wenn noch größere Schulentlass-Jahrgänge an die Hochschulen drängen, wird der Hochschulpakt nicht mehr sein können als ein Tropfen auf den heißen Stein. Hier sind auch weiterhin Bund und Länder gefordert, den Hochschulen ausreichende Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden sicherstellen Ein wesentliches Kriterium für die Qualität von Studienangeboten stellt die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen dar. Dies hat die BDA immer betont und den Hochschulen zur Erreichung des Ziels zahlreiche Handreichungen und Hinweise gegeben. Wie unterschiedlich dieses Ziel von den Hochschulen berücksichtigt wird, ist durch ein Bachelor-Rating (www.dapm.org) belegt worden, das der Arbeitskreis für Personalmarketing – ein Kompetenznetzwerk für innovatives Personalmarketing von Unternehmen – gemeinsam mit dem Centrum für Hochschulentwicklung durchgeführt hat. Die zum Teil überraschenden Ergebnisse haben auch in den Unternehmen zu Konsequenzen geführt: Manche Hochschule, die bislang von Personalentscheidern nicht besonders beachtet wurde, kann sich über konkrete Kooperationsangebote ­freuen. Andere Hochschulen müssen mit unangenehmen Nachfragen umgehen, warum die Beschäftigungsfähigkeit eine so geringe Rolle in ihren Studienprogrammen spielt. Deutlich wird dabei zweierlei: Transparenz über die Leistungen der Hochschulen ist dringend erforderlich und die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen sollten von allen Akteuren ein zentrales Anliegen einer zukunftsweisenden Hochschulausbildung sein.

BDA/HRK: Hochschulen stärker für wissenschaftliche Weiterbildung öffnen Bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses durch die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master geht es nicht mehr um das „Ob“, sondern nur noch um das „Wie“ und das „Wie weiter“. Dies ist angesichts der anfänglichen Zurückhaltung und Skepsis bei vielen Akteuren ein bedeutender Fortschritt. Wenn auch viele Hochschulen aus Sicht der Wirtschaft schneller und konsequenter hätten ­umstellen können, so gibt es doch inzwischen zahlreiche hervorragende Beispiele für die gelungene Umsetzung der gestuften Studienstruktur. ­Daher rücken für die Unternehmen allmählich andere Themen in den Vordergrund, vor allem die Frage nach der zielführenden wissenschaftlichen Weiterbildung.


Koalitionsvereinbarung

Umsetzungsschritte

Bekenntnis zu Leistung, Wettbewerb, Autonomie und Exzellenz

Keine neuen Initiativen der Regierung; Exzellenzinitiative wird fortgeführt

Umsetzung des Bologna-Prozesses bis 2010

Keine neuen Aktivitäten der Regierung

Unveränderte Fortführung des BAföG

Anpassung der Ausgaben für BAföG an die steigende Zahl der Leistungsempfänger

Ziel, 40 % eines Jahrganges zur Hochschule zu führen

Hochschulpakt mit den Ländern bis 2010 auf den Weg gebracht; er dient zur Finanzierung zusätzlicher Studienplätze angesichts steigender Studienanfängerzahlen in den kommenden Jahren

Ausbau der Begabtenförderung

Finanzieller Aufwuchs ist in den Bundeshaushalt eingestellt

Verlässlichere Gestaltung der Karrierewege für Nachwuchswissenschaftler

Keine konkreten Initiativen, lediglich Gespräche

Fazit: Die Bundesregierung muss gemeinsam mit den Ländern ihre Anstrengungen für eine Qualitätsoffensive an den deutschen Hochschulen intensivieren. Zwar haben sich Bund und Länder auf einen Hochschulpakt geeinigt; der derzeitige Beschluss greift allerdings quantitativ und zeitlich gesehen deutlich zu kurz, da die Vereinbarungen lediglich bis zum Jahr 2010 gelten. Damit ist völlig offen, wie mit den steigenden Studierendenzahlen bis zum Jahr 2020 umgegangen werden soll.

Zentrale Aussagen des Positionspapiers von Hrk und Bda „Wissenschaftliche Weiterbildung im System der gestuften Studienstruktur“  Hochschulen entwickeln im Dialog mit der Wirtschaft Angebote wissenschaftlicher Weiterbildung auf Grundlage ihres eigenen Profils.  Die Hochschulen legen für die wissenschaftlichen Weiterbildungsangebote die Lernziele fest und gestalten die Qualitätskontrollen transparent.  Die Hochschulen richten kundenorientierte „ServiceCenter Weiterbildung“ für nachfragende Unternehmen und Einzelpersonen ein.

 Die Politik schafft Anreize für Hochschulen, wissenschaftliche Weiterbildung kontinuierlich anzubieten, und beseitigt bestehende Restriktionen.  Hochschulen und Wirtschaft bauen regional organisierte „Netzwerke Weiterbildung“ auf und kooperieren bei der Ermittlung von Bedarf und Angebot wissenschaftlicher Weiterbildung.

Bildung/Berufliche Bildung Inhalt

Bilanz ein Jahr Grosse Koalition – Hochschule

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Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Hochschulpolitik“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Qualitätssicherung im Hochschulbereich auf europäischer Ebene Eine weitere Diskussion über Qualität und Qualitätssicherung im Hochschulbereich hat sich auf europäischer Ebene entwickelt. Auf dem Weg zur Schaffung des gemeinsamen europäischen Hochschulraumes (Bologna-Prozess) rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie die Qualität der Akkreditierung gesichert und gleichzeitig europaweit transparent gestaltet werden kann. Dazu soll ein Register aller den ­ europäischen „Standards and Guidelines for Quality Assurance“ verpflichteten Agenturen etabliert werden. Bei der Frage nach dem „Wie“ der Umsetzung gehen die Meinungen der Akteure noch weit auseinander. Neben der Frage nach der Finanzierung ist vor allem völlig offen, wer entscheiden soll, welche Agentur aufzunehmen wäre und welche Sanktionsmöglichkeiten bestünden. So wünschenswert eine europaweite Transparenz über verlässlich arbeitende Agenturen ist, ohne eingehende Beratungen über die Ausgestaltung des Registers und die normativen Folgen wird es zu keiner Einigung kommen können.

Deutsche Ratspräsidentschaft nutzen: Bologna- und Kopenhagen-Prozess zusammenführen 1999 ist der Bologna-Prozess mit dem Ziel der Schaffung eines europäischen Hochschulraumes gestartet, 2002 der Kopenhagen-Prozess, durch den ein europäischer Raum der Berufsbildung entstehen soll. Es reicht jedoch nicht aus, diese beiden Prozesse bzw. entstehenden Bildungsräume je für sich voranzubringen. Um die Lissabon-Ziele zu verwirklichen und den europäischen Arbeitsmarkt nachhaltig zu stärken, bedarf es eines europäischen Bildungsraumes, der grenzüberschreitende Mobilität und zugleich Durchlässigkeit zwischen Hochschulen und beruflichem Bildungssystem gewährleistet. Das heißt, Bologna- und Kopenhagen-Prozess müssen zusammengeführt werden. Nur so kann Transparenz zwischen den Qualifikationen hergestellt und die Anrechnung bereits erworbener Kompetenzen im jeweils anderen System verbessert werden. Der deutschen Ratspräsidentschaft bietet sich mit den erstmals zeitlich und in gewissem Maße auch thematisch verbundenen Konferenzen der beiden Prozesse im ersten Halbjahr 2007 eine einmalige Chance zu ihrer Verknüpfung. Diese darf nicht ungenutzt bleiben.

Schaffung eines bildungsübergreifenden Europäischen Qualifikationsrahmens Zentrales Element für die Schaffung eines europäischen Bildungsraumes ist der Europäische Qualifikationsrahmen (EQF), der bildungsübergreifend angelegt ist. Nach dem Konsultationsprozess im vergangenen Jahr, in den sich die BDA aktiv eingebracht hat, liegt dem Europäischen Parlament und dem Rat der Entwurf für eine Empfehlung zum EQF zur Verabschiedung vor. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft konnten mit ihren Beiträgen erreichen, dass der EQF in einem zentralen Punkt geändert wurde: Jede Stufe, auch die höchste, ist über verschiedene Bildungswege, auch über die berufliche Bildung, erreichbar. Der vorliegende Entwurf ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Aus Sicht der BDA muss jedoch die output orientierte Einstufung von Qualifikationen auf Basis der ih-

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Dies kann sicherlich nur im Zusammenspiel zwischen Unternehmen und Hochschulen gelingen. Allerdings sind die Hochschulen bislang auf die kontinuierlich auf die Erweiterung der beruflichen Handlungskompetenzen ausgerichtete Weiterentwicklung ihrer ins Berufsleben eingemündeten Bachelor-Absolventen noch nicht eingestellt. Ein im Dezember veröffentlichtes gemeinsames Positionspapier von HRK und BDA soll beiden Seiten wichtige Impulse liefern und zu neuen Kooperationen anregen.

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nen jeweils zugrunde liegenden Kompetenzen konsequent durchgeführt werden. Es soll keine automatische Zuordnung von Qualifikationsgruppen mit gleichem Titel zu ein und demselben Niveau des Europäischen bzw. Nationalen Qualifikationsrahmens erfolgen. Des Weiteren müssen in den EQF auch solche Qualifikationen eingestuft werden, die unter die Anerkennungsrichtlinie für reglementierte Berufe fallen. Mehr noch: Die Anerkennungsrichtlinie sollte nach der Verabschiedung der EQF-Empfehlung an diese angepasst werden, damit nicht zwei gänzlich unterschiedliche Transparenz- und Mobilitätsinstrumente die Nutzer verwirren. Die BDA ­ unterstützt die deutsche Präsidentschaft dabei, noch bestehende Probleme zu lösen, um die entsprechenden Empfehlungen von Rat und Europäischem Parlament zum EQF zu erzielen und unter deutscher Ratspräsidentschaft mit der Umsetzung beginnen zu können.

Konsultation vorgelegt. Dieser Vorschlag ­widerspricht jedoch dem Ziel der Entwicklung bildungsbereichsübergreifender Instrumente und wird von der BDA deshalb kritisch gesehen. Nach dem derzeitigen Konzept ist das ECVET-System nicht mit dem ­ECTS-­System des Hochschulbereichs kompatibel. Ebenso ist zum heutigen Zeitpunkt der Zusatznutzen, der durch ein separates Leistungspunktesystem für die berufliche Bildung zusätzlich zum Europäischen wie zum Nationalen Qualifikationsrahmen entsteht, nicht erkennbar. Deshalb sollte intensiv geprüft werden, ob durch eine Ausweitung des ECTS-Systems auf die berufliche Bildung ein Zusatznutzen hinsichtlich der Ziele Transparenz und Durchlässigkeit erreicht werden könnte. Die BDA wird dies sowie weitere Vorschläge aktiv in das Konsultationsverfahren zum ECVET-System einbringen.

Noch immer halten jedoch zahlreiche Bologna-Teilnehmerstaaten daran fest, einen eigenen, auf den Hochschulbereich beschränkten Qualifikationsrahmen durchzusetzen und diesen lediglich eng an den von der EU-Kommission vorgeschlagenen übergreifenden, ganzheitlichen Qualifikationsrahmen anzulehnen. Trotz intensiver ­Bemühungen unterschiedlicher Akteure, zu denen auch die BDA gehört, ist im Rahmen der ­­Bologna-Unterzeichnerstaaten bislang keine eindeutige Mehrheit zugunsten eines alle Bereiche abdeckenden Qualifikationsrahmens erreicht worden. Hier wird sich die BDA, gemeinsam mit anderen europäischen Arbeitgeberorganisationen sowie mit dem europäischen Dachverband UNICE, auch künftig intensiv dafür einsetzen, den bisherigen Qualifikationsrahmen für den Hochschulbereich im übergreifenden ­Europäischen Qualifikationsrahmen aufgehen zu lassen.

Mobilität in der beruflichen Bildung stärker fördern

Entwicklung eines bildungsübergreifenden Leistungspunktesystems notwendig Ein Leistungspunktesystem muss so gestaltet sein, dass es einen direkten Nutzen, insbesondere hinsichtlich von Transparenz und Durchlässigkeit, für Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bietet und keine neuen bürokratischen Strukturen schafft. Im November 2006 hat die EU-Kommission den Vorschlag für das europäische Leis­ tungspunktesystem für die berufliche Bildung (ECVET) zur

Mit dem reformierten BBiG wurde 2005 die ­Möglichkeit geschaffen, maximal ein Viertel der Ausbildung im Ausland zu absolvieren. Hiervon wurde bislang kaum ­Gebrauch gemacht. Die Gründe dafür sind vielfältig: Mangelnde Information und Beratung hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten und der individuellen Vorteile eines Auslandsaufenthalts, Ängste bezüglich des ­Organisations- und Kostenaufwands und der Arbeitsausfall bei in der Regel fortlaufender Ausbildungsvergütung wirken sich auf die niedrige Mobilitätsrate aus. Gemeinsames Ziel von Wirtschaft und Politik ist es, zur Verbesserung der interkulturellen Kompetenzen und der Sprachfähigkeiten des betrieblichen Nachwuchses bis 2015 den Anteil der Auszubildenden, die einen Teil ­ihrer Lehre im Ausland absolvieren, auf 10 % zu steigern. In Zusammenarbeit mit anderen Spitzenverbänden der Wirtschaft, den Gewerkschaften und den ­zuständigen ­Ministerien sind Betriebe und Auszubildende besser über die Vorteile von Mobilität und über bestehende Förderprogramme zu informieren. Schulungen der jeweiligen Ansprechpartner insbesondere bei Kammern und ­Berufsschulen sind durchzuführen und die ­Bereitstellung von aussagekräftigem und leicht verständlichem Informationsmaterial zu gewährleisten. Die BDA hat eine ­Handreichung „Internationale Kompetenzen stärken – Auslandsaufenthalte für ­Auszubildende!“ erarbeitet, die insbesondere kleinen und ­mittelständischen


dende, Studierende und junge Arbeitnehmer erfolgreich ­mitgewirkt. Erstmalig werden die Mobilitätsprogramme ERASMUS (Studenten), LEONARDO DA VINCI (Auszubildende, junge Arbeitnehmer), COMENIUS (Schüler, Lehrer) und ­GRUNDTVIG (Erwachsenenbildung) unter einem Dach vereinigt und gemeinsamen ­Zielvorgaben, wie zum Beispiel dem Vorantreiben von Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungsfähigkeit und der Entwicklung von Unternehmergeist, ­ unterstellt. Auch der diesjährige Deutsche Arbeitgeberpreis für ­Bildung hatte die Vermittlung von interkulturellen ­Kompetenzen in Schule, ­Berufsschule, Hochschule und Betrieb zum Schwerpunkt.

Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung 2006 „Internationalisierung als Chance – Lernen und Ausbilden für neue Anforderungen in der Arbeitswelt“ Fremdsprachenkenntnisse, Auslandserfahrung, Wissen über andere Länder und Märkte sowie der richtige Umgang mit anderen Kulturen gewinnen in der Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung. Sie sind wesentliche Erfolgsfaktoren in Bildung und Wirtschaft. Schule, Hochschule, Berufsschule und Betrieb stehen vor der Aufgabe, ihre Absolventen umfassend auf diese Anforderungen vorzubereiten. Der diesjährige Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung stellte deshalb die nachhaltige interkulturelle Kompetenzentwicklung von Schülern, Auszubildenden und Studierenden in den Mittelpunkt.

Die Preisverleihung fand im Rahmen des Deutschen Arbeitgebertages statt.

Ausgezeichnet wurden in den Kategorien Schule, Hochschule, Berufsschule und Betrieb solche Bildungskonzepte, die Verständnis, Toleranz, Weltoffenheit, Bereitschaft und Fähigkeit für den internationalen Arbeitsmarkt vermitteln, Internationalität als Chance begreifen sowie Bereitschaft zur Mobilität der Schüler, Auszubildenden und Studierenden entwickeln und fördern. Zusätzlich wurde in diesem Jahr ein Sonderpreis für eine vorschulische Einrichtung vergeben. Damit soll die Bedeutung der frühkindlichen Bildung innerhalb des Bildungssystems besonders hervorgehoben werden. Die Preisträger zeichnet aus, dass ihre Konzepte auf andere Einrichtungen übertragen werden können.

in der Kategorie Berufsschule die Staatliche Berufsschule Altötting www.bsaoe.de

Mit Unterstützung der Deutsche Bahn AG erhielt jede ausgezeichnete Initiative ein Preisgeld von 10.000 €.

Preisträger sind in der Kategorie Schule die Frieden-Volksschule, Schweinfurt www.friedenschule-sw.de in der Kategorie Hochschule die Friedrich-Schiller-Universität Jena www.uni-jena.de

in der Kategorie Betrieb die SICK AG, Waldkirch www.sick.com des Sonderpreises Vorschulische Einrichtungen das Kindertageszentrum Villa Wunderland des Paritätischen Wohlfahrtverbands, München Weitere Informationen zum Deutschen Arbeitgeberpreis für Bildung unter www.bda-online.de.

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Unternehmen mit Informationen zu den zentralen Fragen bei der Organisation von ­ Auslandsaufenthalten Informationen und ­Hilfestellung bietet. Die Betroffenen sind bei der Teilnahme an Programmen zu unterstützen, vor allem damit die vorhandenen Gelder für Mobilitätsmaßnahmen auch abgerufen werden. Das EU-­Aktionsprogramm ­LEBENSLANGES LERNEN 2007 – 2013, das unter deutscher Ratspräsidentschaft gestartet wird, sieht erfreulicherweise bereits eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der ­ Antragsverfahren vor. Die BDA hat bei seiner Erarbeitung insbesondere hinsichtlich der schwerpunktmäßigen Gewährung von Mobilitätsstipendien für Auszubil-

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Europ채ische und Internationale Sozialpolitik Europ채ische und internationale Sozialpolitik Inhalt


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Europa zukunftsfähig machen – deutsche Präsidentschaft vor wichtigen Weichenstellungen Europa befindet sich weiterhin in einer schwierigen Phase. Mit der Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrags bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden 2005 ist fast 50 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge der Integrationsprozess ins Stocken geraten. Die Krise ist noch nicht überwunden – die Staats- und Regierungschefs hatten sich nach den gescheiterten Referenden selbst eine Reflextionsphase verordnet, die zunächst nur ein Jahr dauern sollte und dann beim Gipfeltreffen im Juni 2006 verlängert wurde, nämlich bis 2008. Eine wichtige Orientierung hierfür war das grundsätzliche Bekenntnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer europäischen Verfassung, bei dem sie aber auch eine klare Absage an jedwede Art von Schnellschuss erteilte, um Europa aus der Sackgasse zu führen. Der Verfassungsprozess kann nur dann wieder in positive Bahnen gelenkt werden, wenn die Europapolitik insgesamt mehr Substanz erhält und die richtige Balance zwischen gemeinschaftlichem Handeln und einer Aufgabenteilung nach dem Subsidiaritätsprinzip gefunden wird. Gleichwohl ist es auch im vergangenen Jahr gelungen, wichtige Weichenstellungen für die Zukunft der EU vorzunehmen. So konnte der EU-Finanzrahmen verabschiedet werden und es wurde – nach langem politischen Tauziehen – endlich eine Einigung über die umstrittene Dienstleistungsrichtlinie erzielt. Dagegen scheiterte im November 2006 erneut die dringend notwendige Revision der Arbeitszeitrichtlinie bei einem eigens zu diesem Thema einberufenen Sozialministerrat. Für die Wirtschaft gab es auch 2006 einige konkrete europapolitische Erfolge zu verbuchen, die durch kontinuierliche Interessenvertretung in Brüssel erreicht wurden:  So wurde eine europäische Regulierung zu „Corporate Social Responsibility“ (CSR) endgültig abgewendet. Die EU-Kommission ist mit ihrer „Europäischen Allianz zu CSR” (vgl. den Abschnitt zu CSR) dem

von der BDA propagierten Ansatz der Freiwilligkeit und Vielfältigkeit von CSR gefolgt.  Beim Richtlinienentwurf zur Portabilität von Betriebsrenten hat die BDA durch intensive Überzeugungsarbeit schon in einer sehr frühen Phase wesentliche Entschärfungen erreicht.  Gemeinsam mit UNICE ist es gelungen, das Arbeitsprogramm der Sozialpartner im Europäischen Sozialen Dialog 2006 –2008 auf das Lissabon-Ziel „Verbesserung von Wachstum und Beschäftigung“ auszurichten.  Beim Grünbuch zum Arbeitsrecht ist es unter anderem der Intervention der BDA zu verdanken, dass die Verabschiedung des Textes verschoben wurde, um die darin enthaltenen Fragestellungen offener zu gestalten. Gleichwohl bleibt die neueste Fassung höchst problematisch. Die große Herausforderung ist weiterhin, Europa langfristig zukunftsfähig zu machen. Eine inhaltliche ­Neuausrichtung der EU kann nur durch eine konsequente Weichenstellung hin zu mehr Wettbewerbsfähig keit gelingen. Erst die Stärkung der Wettbewerbsfähig­ keit der Unternehmen in Europa wird dauerhaft zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen.

Eurozone hinkt beim Wachstum hinterher Wachstumsrate des realen BIP 2005

in % 4

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Eurozone

Quelle: Eurostat

EU-25

USA

Japan


Wichtige Termine im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 BDA und BDI setzen mit Blick auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam Zeichen durch verschiedene herausragende Termine und Veranstaltungen: 28. November 2006: Pressekonferenz mit Herrn Dr. Hundt und Herrn Thumann zur Präsentation des gemeinsamen Memorandums von BDA und BDI „Europa voranbringen“ 4. Dezember 2006: Treffen von UNICE-Präsident Seillière gemeinsam mit Herrn Dr. Hundt und Herrn Thumann mit Bundeskanzlerin Merkel 22. Januar 2007: Gemeinsame Veranstaltung von BDA und BDI in Brüssel anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 30. Januar 2007: Europatag der Deutschen Wirtschaft: „Europa 2007 – neue Anstöße, neue Perspektiven“ 14./15. Juni 2007: UNICE Council of Presidents mit den Vizepräsidenten von BDA und BDI im Vorfeld des Europäischen Rats

Die Strategie von Lissabon muss durch ambitionierte nationale Reformprogramme konsequent umgesetzt, die Aktivitäten zu besserer Rechtsetzung mit Entbürokratisierungseffekt intensiviert, die europäische Sozialpolitik beschäftigungsfreundlicher gestaltet und Wettbewerbsverfälschungen im Binnenmarkt beseitigt werden. Europaweit richten sich jetzt große Erwartungen an die am 1. Januar 2007 beginnende deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Sie steht unter dem Motto „Europa gelingt gemeinsam“. Die Bundesregierung strebt dabei eine inhaltliche Neuausrichtung der Europäischen Union an, mit dem Ziel, „die Akzeptanz des Integrationsprozesses zu erhöhen“. Zur Wiederaufnahme des Verfassungsprozesses will die deutsche Bundesregierung ausführliche Konsultationen mit allen Partnern und Organen in der EU führen und im Juni 2007 nach der Präsidentenwahl in Frankreich eine „Roadmap“ präsentieren. Auch in dem gemeinsam von BDA und BDI verfassten Memorandum „Europa voranbringen“, welches die Präsidenten Dr. Dieter Hundt und Jürgen Thumann am 28. November 2006 vor der Bundespressekonferenz vorstellten, wird die deutsche EU-Ratspräsidentschaft aufgefordert, die Chance für eine Neuausrichtung der Politik auf Wachstum und Beschäftigung zu nutzen. Diese Botschaft haben sie auch gemeinsam mit UNICE-Präsident Ernest Antoine Seillière in einem persönlichen Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel erörtert.

EU-Erweiterung – Erweiterungsfähigkeit berücksichtigen, Nachbarschaftspolitik ausbauen Mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union zum 1. Januar 2007 vollendet sich die fünfte Erweiterungsrunde seit Bestehen der Europäischen Gemeinschaft. Spätestens mit dieser Erweiterungsrunde, die die EU vor weitere neue Herausforderungen stellen wird, muss die Debatte über die Voraussetzungen zukünftiger Erweiterungen der EU intensiviert werden. Aus Sicht der BDA muss da-

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Ihre Vorstellungen über Wege zu mehr Wachstum und Beschäftigung hat die BDA konkretisiert: Der Präsidiumsbeschluss „Europa zukunftsfähig machen“ vom 18. September 2006 enthält 13 Handlungsempfehlungen für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, die in einem Memorandum näher erläutert werden. Die BDA fordert darin eine glaubwürdige Neuausrichtung der Europapolitik, um die Akzeptanz der EU bei den Bürgern zurückzugewinnen und weitere Fortschritte im Zusammenhang mit dem Verfassungsprozess zu erzielen.

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bei genau geprüft werden, ob die EU die Aufnahme weiterer Länder verkraften kann, ohne selbst Schaden zu nehmen. Die drei Kopenhagener Beitrittskriterien (politisches System, wirtschaftliche Anforderungen, EU-Rechtsbestand) sollten um ein viertes ergänzt werden: Die EU sollte unter Beweis stellen müssen, dass sie auch tatsächlich aufnahmefähig ist. Gleichzeitig ist die EU gefragt, eine vorausschauende Nachbarschaftspolitik zu entwickeln, die die Anrainerstaaten nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch eng an die EU bindet, indem sie ihnen gegebenenfalls attraktive Alternativen zur Vollmitgliedschaft bietet. Vor diesem Hintergrund ist es eine positive Entwicklung, dass das EU-Parlament mit einer großen Mehrheit im März 2006 eine Entschließung zum Strategiebericht 2005 der Kommission zur Erweiterung angenommen hat. Darin fordert das Europäische Parlament, den Charakter der Europäischen Union einschließlich ihrer geo-grafischen Grenzen festzulegen. Allen europäischen Ländern, die derzeit keine Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft haben, soll die Gemeinschaft eine „enge multilaterale Beziehung”, das heißt einen neuen Europäischen Wirtschaftsraum – auch „EWR plus” genannt –, vorschlagen können. Im Vergleich zu den Diskussionen im Europäischen Parlament blieb die im November 2006 folgende Mitteilung der Kommission zur Erweiterungsstrategie mit einem Sonderbericht über die Aufnahmefähigkeit der EU weit hinter den Erwartungen – auch des EU-Parlaments – zurück: Zwar hat sie angekündigt, höhere Hürden („Benchmarks“) in Verbindung mit der Erfüllung des Verhandlungsrahmens bei künftigen Erweiterungen aufzustellen. Insgesamt bleibt das jüngst vorgelegte Papier aber in Bezug auf die Kriterien für die Aufnahmefähigkeit der EU, die Grenzen der EU und auch die Finanzierung künftiger Erweiterungen viel zu vage. Die Staats- und Regierungschefs haben daher die Kommission bei ihrem Gipfeltreffen im Dezember aufgefordert, künftig vor und während weiterer Beitrittsverhandlungen eine detaillierte Folgenabschätzung durchzuführen und das Erfordernis funktionsfähiger Institutionen zu berücksichtigen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat bereits angekündigt, dass sie den Erweiterungsprozess unter besonderer Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der EU fortführen und die EU-Nachbarschaftspolitik als Alternative zur Vollmitgliedschaft in der EU ausbauen will.

Arbeitnehmerfreizügigkeit – Umdenken in mehreren Mitgliedstaaten erkennbar Derzeit sind die Regierungen der Mitgliedstaaten aufgerufen, der Kommission mitzuteilen, ob sie beabsichtigen, Übergangsregelungen für Bulgarien und Rumänien ab dem 1. Januar 2007 einzuführen. Jeder Mitgliedstaat trifft diese Entscheidung anhand der individuellen Einschätzung der jeweiligen Lage auf dem nationalen Arbeitsmarkt. Deutschland hat bereits angekündigt – wie bei der vierten Erweiterungsrunde 2004 –, Übergangsregelungen mit den bekannten Ausnahmen in den Branchen Bau, Innendekoration und Gebäudereinigung in Anspruch zu nehmen. In Großbritannien und Irland sind neue Entwicklungen zu beobachten: Beide Länder hatten bei der letzten Erweiterungsrunde der EU im Jahre 2004 ihre Arbeitsmärkte für Arbeitnehmer aus den zehn neuen Mitgliedstaaten vollständig geöffnet und Länder wie Deutschland und Österreich kritisiert, die Übergangsfristen in Anspruch genommen hatten. Wegen der unerwartet hohen Anzahl (das Zehnfache der prognostizierten Anzahl von 40.000, also weit über 400.000) von Arbeitnehmern, die seit 2004 aus den neuen Mitgliedstaaten in diese beiden Länder gekommen sind, haben die Regierungen in Großbritannien und Irland nun entschieden, ab 1. Januar 2007 entgegen den ursprünglichen Ankündigungen nun doch Übergangsbestimmungen für Rumänien und Bulgarien anzuwenden und damit die Arbeitsmärkte für Arbeit­ nehmer aus diesen beiden Ländern nicht zu öffnen. Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, dass auch weiterhin die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Übergangsregelungen nur individuell von den einzelnen Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund der aktuellen Lage auf dem jeweiligen Arbeitsmarkt getroffen wird. Für die zehn neuen Mitgliedstaaten hat am 1. Mai 2006 die zweite Phase der Übergangsfristen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit begonnen. Waren es 2004 nur Schweden, Irland und Großbritannien, haben sich nun Finnland, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien für die vollständige Öffnung ihrer Arbeitsmärkte (Mai 2006 bis April 2009) ausgesprochen.


Trotz der Neuausrichtung der Lissabonner Reformstrategie auf Wachstum und Beschäftigung im Frühjahr 2005 werden dringend notwendige Reformprojekte in den Mitgliedstaaten noch immer viel zu zögerlich umgesetzt. Bei wichtigen Strukturindikatoren, wie zum Beispiel dem Produktivitätswachstum, fällt Europa hinter wichtigen globalen Wettbewerbern, wie den USA und Japan, noch weiter zurück. Eine unlängst von der UNICE durchgeführte Umfrage, an der sich auch die BDA beteiligt hat, zeigt, dass

Dass sich die Politik dabei nicht mehr hinter vorgeblicher Reformunwilligkeit der Bevölkerung verstecken kann, zeigt eine aktuelle EU-Umfrage: Sieben von zehn Europäern bejahen die Aussage, dass „Arbeitsverträge flexibler werden sollten, um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erleichtern”. Deutschland muss seine Politik entschlossener auf Wachstum und Beschäftigung ausrichten, um sich als EU-Ratspräsidentschaft noch glaubwürdiger für eine wettbewerbsfähigere EU einsetzen zu können.

Europäische und internationale Sozialpolitik Inhalt

Lissabon-Strategie – Reformanstrengungen intensivieren

das Reformtempo in den Mitgliedstaaten noch immer viel zu langsam ist, um die beschäftigungspolitischen Ziele, wie zum Beispiel eine Beschäftigungsrate von 70 %, bis 2010 zu erreichen. Völlig zu Recht hat daher EU-Kommissar Spidla im November 2006 bei der Vorstellung des Berichts „Beschäftigung in Europa 2006” die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert, sich noch mehr anzustrengen und die notwendigen Reformen konsequenter durchzuführen. Diesen Appell sollte Deutschland besonders ernst nehmen. Die Arbeitslosenquote hierzulande liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt und zusammen mit Polen, der Slowakei, Griechenland und Frankreich bildet Deutschland das Schlusslicht in Bezug auf die Beschäftigungssituation im europäischen Vergleich.

Die Bundesregierung hat – wie auch Belgien und Österreich – den Beschluss gefasst, die Übergangsregelungen für weitere drei Jahre in Anspruch zu nehmen. Die BDA legt großen Wert darauf, dass keine Verlängerung über 2009 hinaus erfolgt. Für gezielte Anwerbung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsstaaten, die über hier dringend benötigte Qualifikationen verfügen, sollte der Arbeitsmarkt schon vorher durch die Einführung eines entsprechenden Punktesystems geöffnet werden.

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Von der europäischen Ebene müssen die Reformbemühungen der Mitgliedstaaten konsequenter als bisher unterstützt werden. Dazu gehört auch, dass Kommission und Rat die in jedem Herbst von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Lissabon-Strategie vorzulegenden Nationalen Reformprogramme ehrlicher und offener bewerten. In ihrem im Januar 2006 vorgelegten Ersten Fortschrittsbericht hatte sich die EU-Kommission mit ihrer Bewertung sehr zurückgehalten und keine länderspezifischen Empfehlungen gegeben. Die BDA erwartet und hat sich dafür eingesetzt, dass die EU-Kommission und der Europäische Rat nun im Frühjahr 2007 die Reformdefizite der einzelnen Mitgliedstaaten ungeschminkt aufzeigen und ausreichend ambitionierte Reformprogramme einfordern.

Neues Arbeitsprogramm im Sozialen Dialog – Praxisnahe Ansätze im Mittelpunkt Der Europäische Soziale Dialog ist heute ein anerkanntes Instrument, das mit seinen zielgerichteten, an der unternehmerischen Praxis orientierten flexiblen Lösungen den Herausforderungen der Globalisierung besser Rechnung trägt als regulative Eingriffe, die kontraproduktive Wirkungen entfalten. Der Soziale Dialog leistet damit zugleich einen Beitrag zur Verwirklichung der Lissabon-Ziele. Dieser auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtete Ansatz spiegelt sich auch in dem zweiten gemeinsamen Aktionsprogramm des Sozialen Dialogs 2006 –2008 wider, das die europäischen Sozialpartnerorganisationen UNICE, CEEP und EGB auf dem dreigliedrigen Sozialgipfel am 23. März 2006, an dem BDA-Präsident Dr. Dieter Hundt teilnahm, vorlegten. Als erster Schritt zur Umsetzung dieses zweiten Arbeitsprogramms arbeiten die europäischen Sozialpartner zurzeit an einer „gemeinsamen Analyse der Herausforderung der Arbeitsmärkte in Europa“. Diese Analyse soll die Ausgangsbasis für alle weiteren Umsetzungsmaßnahmen des Arbeitsprogramms sein. Ziel der UNICE ist eine Analyse, die die Schwächen der Arbeitsmärkte und als Konsequenz die Notwendigkeit von Strukturreformen aufzeigt. Die BDA ist in diese wichtige Grundlagenarbeit unmittelbar eingebunden. Die Verhandlungen über ein freiwilliges Rahmenabkommen zur Verhinderung und Bekämpfung von

Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz – ein unerledigtes Thema aus dem ersten Arbeitsprogramm – laufen seit Februar 2006. Zuvor hatte die Kommission durch die Einleitung der ersten Konsultation der Sozialpartner ihre Absicht unterstrichen, hierzu eine Richtlinie vorlegen zu wollen. Am 12. Oktober 2006 hat die Kommission eine erste Konsultation der europäischen Sozialpartner zur Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben auf der Basis von Art. 138 EGV eingeleitet. Die Kommission hält sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene weitere Anstrengungen im Bereich der Vereinbarkeit für notwendig, um die demografischen Herausforderungen zu bewältigen, die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen quantitativ und qualitativ zu erhöhen sowie Männer und Frauen für eine ausgewogene Aufteilung von Betreuungsaufgaben zu gewinnen. In ihrer Antwort unterstreichen UNICE und BDA, dass der aktuelle EU-Rechtsrahmen zu diesem Themenkomplex völlig ausreicht. Allerdings gibt es noch konkreten Aktionsbedarf auf nationaler, sektoraler, regionaler und/oder Unternehmensebene. UNICE und BDA erkennen in diesem Zusammenhang an, dass die Sozialpartner hier eine wichtige Rolle spielen. Wesentlich ist aber gleichzeitig eine enge Kooperation der Sozialpartner mit den öffentlichen Verwaltungen. Ihre aktive Rolle unterstreichen UNICE und BDA mit dem Hinweis, dass die Sozialpartner in allen Mitgliedstaaten ihren 2005 verabschiedeten freiwilligen Aktionsrahmen zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen umsetzen. Kernpunkt bildet hierbei die Suche nach innovativen Lösungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihren ersten Umsetzungsbericht haben die Sozialpartner dazu im November 2006 verabschiedet. Die europäischen Sozialpartner legten 2006 außerdem ihren gemeinsamen Evaluierungsbericht zum freiwilligen Aktionsrahmen „Lebenslanges Lernen“ vor sowie die gemeinsamen Umsetzungsberichte über ihre beiden Rahmenvereinbarungen „Telearbeit“ und „Stress am Arbeitsplatz“. In allen vier Berichten wird durch Praxisbeispiele anschaulich illustriert, wie es auf betrieblicher Ebene gelingt, die Anforderungen aus den europäischen Rahmenvereinbarungen vor Ort auszugestalten. Die BDA hat einen kompakt „Sozialer Dialog“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.


Die europäische Wirtschaft kann in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftsdynamik gegenüber den Konkurrenten auf dem Weltmarkt nur aufholen, wenn sie nicht durch immer neue Gesetze und Auflagen belastet wird. Die BDA begrüßt sehr, dass die EU-Kommission das Thema „Bessere Rechtsetzung“ zu einer Priorität gemacht hat. Das wird nicht zuletzt durch die Mitte November 2006 vorgelegten Dokumente der EU-Kommission deutlich, in denen sie weitere Maßnahmen zum Beispiel bei der Reduzierung von Verwaltungsbelastungen und der Vereinfachung bestehender Gesetzgebung ankündigt. In der praktischen Politik auf Gemeinschafts­ebene setzen die EU-Institutionen diese Priorität jedoch noch nicht in der erforderlichen Reich­weite um. So führt die EUKommission selbst aus, dass von den für das Jahr 2006 vorgesehenen 54 Vereinfachungsinitiativen bislang lediglich 15 angenommen wurden. Hier besteht für alle EU-Institutionen ein dringender Hand­lungsbedarf, die Aktivitäten weiter zu intensivieren. Auch die Mit-

gliedstaaten der Europäischen Union müssen ihren Beitrag für eine bessere Rechtsetzung leisten, so die Kommission, indem sie bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht keine „Übererfüllung“ betreiben. Im Text der Kommission heißt es: „In den einzelstaatlichen Durchführungsbestimmungen für die Umsetzung von Richtlinien in der Gemeinschaft finden sich zahlreiche Beispiele für technische Anforderungen, Kennzeichnungsvorschriften, Fristen, Genehmigungsverfahren und sonstige Verwaltungsanforderungen, die von den nationalen Gesetzgebern zusätzlich zu den Gemeinschaftsvorschriften eingeführt werden (‚Gold-Plating‘).“ Diese Position der Kommission entspricht der Forderung der BDA nach einer 1:1-Umsetzung europäischer Richtlinien. Zudem muss erreicht werden, dass zusätzliche Bürokratie bereits im Vorfeld eines Gesetzgebungsvorschlags effektiver vermieden wird. Die BDA setzt sich dafür ein, dass die Aktivitäten beim Abbau bestehender Überregulierung weiter intensiviert werden. Dabei muss der Bereich der sozialpolitischen Überregulierung stärker ins Blickfeld rücken. Die BDA hat einen kompakt „Bessere Rechtsetzung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Bessere Rechtsetzung: Abbau von Überregulierung muss intensiviert werden Anzahl der jährlich verabschiedeten Richtlinien und Verordnungen Richtlinien

Verordnungen

3500

180 160

3000

140 2500 120 2000

100 80

1500

60

1000

40 500

20 0

Quelle: Tim Ambler, Keith Boyfield: Route Map to Reform, 2005

2003

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1978

1968

2003

1998

1978

1968

0

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Bessere Rechtsetzung – Aktivitäten weiter intensivieren

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Europäische und internationale Sozialpolitik

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Dienstleistungsrichtlinie – Transparenz und Rechtssicherheit herstellen Das Ringen um den im Dezember 2006 verabschiedeten Richtlinienvorschlag über Dienstleistungen im Binnenmarkt hat die sozialpolitische Diskussion der EU im ersten Halbjahr 2006 dominiert. Während sich in vielen Bereichen der europäische Binnenmarkt erfolgreich entwickelt hat, bestehen für Dienstleistungen im Binnenmarkt noch weitgehende Hindernisse, die verhindern, dass das Potenzial voll ausgeschöpft wird. Deshalb ist die Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt, die darauf abzielt, die grenzüberschreitende Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zu erleichtern, besonders wichtig. Viele Änderungsanträge, die das Europäische Parlament in erster Lesung zum Richtlinienvorschlag in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat, haben den ursprünglichen Richtlinienvorschlag, den die Europäische Kommission im Jahre 2004 vorgelegt hat, unnötig eingeschränkt. So ist zum Beispiel das Herkunftslandprinzip fallen gelassen worden, durch das die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung erleichtert werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest ein Teilerfolg, dass der Rat in letzter Minute unter anderem auf Betreiben der BDA gemeinsam mit dem BDI und der UNICE der Einrichtung eines zentralen Melderegisters bei der EU-Kommission zugestimmt hat. Durch die Meldungen der Mitgliedstaaten aller Regelungen, die sie als Zielland gegenüber grenzüberschreitenden Dienstleistern anwenden, gibt es eine jedermann zugängliche zentrale Informationsquelle, die das komplizierte Aufspüren einer Vielzahl nationaler Regeln entbehrlich macht. Durch die fast unveränderte Zustimmung des Europäischen Parlaments zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates konnte eine zusätzliche Verwässerung vermieden und die weitere Verlängerung des Verfahrens mit unklarem Ausgang verhindert werden. Im Rahmen der demnächst anstehenden Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ist zum einen eine koordinierte Vorgehensweise der Mitgliedstaaten wichtig, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Zum anderen sollte klargestellt werden, dass die Unternehmen sich bei einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung rechtskonform verhalten, wenn sie diejenigen Regelungen

einhalten, die im zentralen Brüsseler Melderegister stehen. Hiermit könnte den Unternehmen ein Stück Rechtssicherheit zurückgegeben werden. Gleichzeitig würden Informationskosten reduziert, was insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen wichtig ist. Auch die Mitteilung der EU-Kommission vom September 2006 zur „Konsultation zu Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen” steht im Zusammenhang mit dem Thema „Dienstleistungserbringung in der EU“. Diese Mitteilung wurde verabschiedet, nachdem die Gesundheitsdienstleistungen vom Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags über Dienstleistungen im Binnenmarkt im April 2006 herausgenommen wurden. Der Zweck der Mitteilung und des damit verbundenen Konsultationsprozesses – so die EU-Kommission – besteht darin, Themen zu ermitteln, die Gegenstand von Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen sein sollen, sowie Instrumente aufzuzeigen, die für die jeweiligen Themen geeignet sind. Die Konsultationsphase, geht bis Ende Januar 2007. Danach plant die EU-Kommission konkrete Vorschläge vorzulegen. Trotz der Herausnahme der Gesundheitsdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie besteht auch weiterhin die Forderung der BDA, dass die Gesundheitsdienstleistungen so weit wie möglich marktwirtschaftlich ausgerichtet bzw. organisiert werden, damit mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen ermöglicht wird. Die BDA hat einen kompakt „Dienstleistungen im Binnenmarkt“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Arbeitszeitrichtlinie – Revision zügig vorantreiben Die von der EU-Kommission angestoßene Revision der Arbeitszeitrichtlinie war notwendig geworden, nachdem der EuGH in den Fällen »Simap« und »Jaeger« geurteilt hatte, dass Bereitschaftsdienst vollständig als Arbeitszeit anzusehen ist. Die erheblichen Auswirkungen dieser Rechtsprechung müssen dringend durch eine Überarbeitung der bestehenden Arbeitszeitrichtlinie


Auswirkungen der Einführung flexibler Arbeitszeiten nach Art des Interviews, in % 73

Manager Arbeitnehmer

67 61 54

31 27

geringere Fehlzeiten

bessere Anpassung an Arbeitsanfall

höhere Arbeitszufriedenheit

Europäische und internationale Sozialpolitik Inhalt

Flexible Regelungen in der Arbeitszeitrichtlinie erforderlich

105 3 Quelle: Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, 2006

rückgängig gemacht werden, ohne gleichzeitig vorhandene Flexibilitätsspielräume einzuschränken. Nachdem der vernünftige ursprüngliche Richtlinienvorschlag der EU-Kommission durch das Europäische Parlament verschärft worden ist, muss nun der Ministerrat endlich die gegenwärtige Blockade überwinden und eine tragfähige Lösung finden. Nachdem auf Arbeitsebene der Ministerrat bereits Konsens darüber erzielt hat, dass die inaktive Zeit während des Bereitschaftsdienstes keine Arbeitszeit ist und diese Zeit durch nationales Gesetz oder Tarifvertrag bzw. Sozialpartnervereinbarung auf die Ruhezeit angerechnet werden kann, muss sich im Zweifel eine Richtlinienänderung auf diese Korrektur beschränken. Die österreichische und finnische Ratspräsidentschaft hat sich intensiv dafür eingesetzt, die bestehende Blockade zur kontrovers diskutierten Optout-Regelung zur Abweichung von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit aufzulösen, was jedoch scheiterte. Die BDA wird sich dafür einsetzen, dass möglichst noch unter der Federführung der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2007 im Ministerrat eine politische Einigung für eine vernünftige Revision der Arbeitszeitrichtlinie zustande kommt. Die BDA hat einen kompakt „Arbeitszeitrichtlinie“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Portabilität betrieblicher Altersversorgung – Richtlinie kontraproduktiv Der von der Europäischen Kommission im Oktober 2005 vorgelegte Richtlinienvorschlag zur Portabilität von Zusatzrentenansprüchen zielt darauf ab, die Arbeitnehmermobilität zu erhöhen. Die EU-Kommission verfolgt dieses Ziel jedoch mit Mitteln, die das freiwillige System der betrieblichen Altersvorsorge schwächen und nicht stärken. Zwar ist es nicht zuletzt auf Betreiben der BDA gelungen, besonders problematische Regulierungen noch vor der Beschlussfassung der Kommission zu entschärfen und die internen Durchführungswege (Direktzusagen, Unterstützungskassen) vom Mitnahmeanspruch für zunächst zehn Jahre auszuklammern. Gleichwohl droht der Richtlinienvorschlag auch weiterhin die betriebliche Altersvorsorge mit Mehrkosten und zusätzlicher Bürokratie zu überziehen (vgl. im Einzelnen Kapitel „Soziale Sicherung – EU-Portabilitätsrichtlinie würde betrieblicher Altersvorsorge schaden“). Besonders schwerwiegend ist, dass nach dem jetzigen Text auch bestehende Betriebsrentenanwartschaften umfasst und die Unternehmen damit rückwirkend belastet werden. Bei


Europäische und internationale Sozialpolitik

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einem freiwilligen System, wie der betrieblichen Altersvorsorge, das in bedeutendem Umfang durch Beteiligung der Arbeitgeber finanziert wird, würden diese Regelungen das Ende des Arbeitgeberengagements bedeuten. Das ist in einer Zeit, in der eine Ergänzung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine zusätzliche Altersvorsorge unerlässlich ist, absolut schädlich. Die jetzt von EP-Abgeordneten vorgeschlagene Umwandlung des Richtlinienvorschlags in eine nicht bindende Empfehlung hat den Vorteil, dass hierdurch nicht mit rechtsverbindlichen Mindeststandards schädigend in die betrieblichen Altersversorgungssysteme eingegriffen wird. Dieser Vorschlag ist gegenüber einer nur teilweisen Umwandlung des Richtlinienvorschlags in eine Empfehlung vorzugswürdig. Der Sozialministerrat hatte Anfang Dezember 2006 Überlegungen angestellt, das Kapitel zur Übertragbarkeit der betrieblichen Altersversorgung aus dem Richtlinienvorschlag herauszulösen und in einer gesonderten Empfehlung zu behandeln. Selbstverständlich kann, was in einer rechtlich bindenden Richtlinie falsch und schädlich wäre, nicht dadurch inhaltlich besser oder richtig werden, dass es in die Form einer rechtlich nicht bindenden Empfehlung gebracht wird. Richtig und konsequent wäre es deshalb, wenn die EU vollständig von ihren Plänen Abstand nehmen würde. Die BDA hat einen kompakt „EU-Portabilitätsrichtlinie“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Grünbuch Arbeitsrecht – Fragestellung muss Flexibilität in den Mittelpunkt stellen Die EU-Kommission hat Ende November 2006 ein Grünbuch zum Arbeitsrecht vorgelegt, um damit eine Diskussion über die zukünftige Entwicklung des Arbeitsrechts anzustoßen. Die ersten, informellen Entwürfe dieses Grünbuchs sahen einseitig die Verstärkung der Sicherheit für Arbeitnehmer vor, ohne die dafür notwendige Flexibilität für die Unternehmen hervorzuheben. Denn die Sicherheit der Arbeitnehmer ist ohne Flexibilität der Unternehmen wertlos. Nicht zuletzt auf Betreiben der BDA sind diese ersten Entwürfe überarbeitet worden. Nun wird in der Analyse zumindest auch auf die Notwendigkeit einer gesteigerten Flexibilität vor dem Hintergrund der Globalisierung eingegangen. Dennoch suggeriert der jetzt vorliegende Text im Grundsatz die Schaffung zusätzlicher Regulierung im Arbeitsrecht und steht damit im Gegensatz zu der von Rat und Kommission beschlossenen Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Zum Beispiel wird die Frage nach einer europaweiten Definition des Arbeitnehmerbegriffs gestellt. Sollte eine solche einheitliche Definition angestrebt werden, wäre zu befürchten, dass der Arbeitnehmerbegriff durch systemfremde Aspekte auch auf Personen ausgewei-


Transnationale Kollektivverhandlungen – Rechtsrahmen weder erforderlich noch wünschenswert In der EU-Kommission werden Überlegungen angestellt, ob auf EU-Ebene ein optionaler gesetzlicher Rahmen für transnationale Kollektivverhandlungen vorgeschlagen werden sollte. Grundlage für die Diskussion ist eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie zu diesem Thema. Die BDA bewertet die durchgeführte Studie sowohl im Hinblick auf die analytische Qualität als auch bezüglich ihrer Schlussfolgerungen äußerst kritisch. Ein optionaler gesetzlicher Rahmen für transnationale Kollektivver­ träge ist auf europäischer Ebene weder wün­schenswert noch realisierbar. In den Mitgliedstaaten der EU haben sich über einen langen Zeitraum hinweg eigenständige Traditionen der in­dustriellen Beziehungen entwickelt, die in sehr heterogenen nationale­n Regelungen ihren Niederschlag gefunden haben. Ein europäischer gesetzlicher Rahmen wäre zwangsläufig ein bürokratisches Monstrum, ohne Mehrwert für die Unternehmen. Er würde sie nur mit unvertretbaren und unnötigen Belastungen überziehen. Der von der Studie herangezogene Vergleich mit im Rahmen

des Sozialen Dialogs verabschiedeten Texten hinkt, da sie einen völlig anderen, allgemeinen und politischen Charakter haben. Gleiches gilt für die auf Unternehmensebene abgeschlossenen transnationalen Texte, wie beispielsweise internationale Rahmenvereinbarungen mit einzelnen internationalen Branchengewerkschaften. Eine transnationale Dimension bei nationalen Kollektivverhandlungen ist durch die Berücksichtigung internationaler Rahmendaten bereits jetzt vorhanden. Ein optionaler europäischer Rechtsrahmen ist somit auch für eine transnationale Koordinierung nationaler Kollektivverhandlungen überflüssig. Die BDA setzt sich dafür ein, dass die Überlegungen über transnationale Kollektivverhandlungen nicht weiter vorangetrieben werden.

Demografischer Wandel – Herausforderungen annehmen Um die Herausforderungen des demografischen Wandels, insbesondere der alternden Gesellschaften, in Europa bewältigen zu können, hat die EU-Kommission mit einer im Oktober 2006 vorgelegten Mitteilung einen Vorschlag für einen Bezugsrahmen auf Gemeinschaftsebene vorgelegt, den die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung entsprechender politischer Maßnahmen nutzen können. Die Kommission sieht ein Zeitfenster von etwa zehn Jahren, innerhalb dessen die notwendigen Reformen in diesen Bereichen auf den Weg gebracht werden sollten. Sie ruft mit der Mitteilung nicht zu einer neuen Strategie zum Umgang mit den Folgen des demografischen Wandels auf, sondern betont, dass die Mitgliedstaaten sich stärker bemühen und die Lissabon-Strategie umsetzen müssen. Aus Sicht der BDA enthält die Mitteilung zur demografischen Zukunft Europas keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse – weder mit Blick auf die konkreten Auswirkungen der demografischen Entwicklung noch in Bezug auf die erforderlichen Reaktionen auf die demografiebedingten Veränderungen. Ihr Vorteil liegt darin, eine Orientierungs- und/oder Vergleichsbasis für die Mitgliedstaaten zu sein bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen. Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass die bislang eingeleiteten Reformen unzureichend sind, um die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen. Erfreulich ist, dass die Kommission anerkennt, dass grundsätzlich die mei-

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tet wird, die nach deutschem Recht selbstständig sind. Dies widerspricht den gesetzlichen Regelungen in Deutschland, die Selbstständigkeit fördern wollen. Gleichermaßen muss verhindert werden, dass Unternehmen die Haftung für Arbeitnehmer anderer Unternehmen aufgebürdet wird, mit denen sie in vertraglichen Beziehungen stehen. Eine solche Subunternehmerhaftung führt zu mehr Bürokratie und lähmt dadurch die Entfesselung von Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung. Zudem wird die Diskussion über die Frage eröffnet, ob grundlegende Arbeitnehmerrechte auf andere Vertragstypen auszudehnen sind. Nicht gefragt wird jedoch, ob ein eventuell zu hohes Schutzniveau heutiger Standardarbeitsverhältnisse negative Auswirkungen auf die Beschäftigungsentwicklung hat. Auch gehen aus dem Text die verschiedenen Verantwortlichkeiten der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner nicht klar hervor. Nur am Rande wird zudem die Frage angesprochen, welche Rolle das Arbeitsrecht bei der Verfestigung der Arbeitslosigkeit spielt. Die BDA wird regulativen Bestrebungen, wie sie im Grünbuch zum Arbeitsrecht zum Ausdruck kommen, mit Vehemenz entgegentreten.

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sten der relevanten Fragestellungen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Die Mitteilung der Kommission beinhaltet wohl auch aus diesem Grund weniger neue konkrete Vorgaben, sondern konzentriert sich auf die Beschreibung der grundsätzlichen Handlungsfelder.

Corporate Social Responsibility – Eigenverantwortung der Wirtschaft stärken Die EU-Kommission hat im Frühjahr einen Richtungswechsel ihrer jahrelang verfolgten CSR-Politik eingeleitet. Bestrebungen, einen europäischen Referenzrahmen für CSR zu entwickeln, wurden zugunsten eines unternehmensbezogenen und praxisnahen CSR-Ansatzes fallen gelassen. Zusammen mit der europäischen Wirtschaft hat die EU-Kommission im März 2006 eine „Allianz zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen“ ins Leben gerufen. Die CSR-Allianz ist ein Bündnis europäischer Unternehmen und Organisationen der Wirtschaft mit dem Ziel, Partnerschaften für CSR zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu unterstützen. Die CSR-Allianz ist eine Bottom-up-Initiative. Sie richtet sich an Unternehmen einschließlich deren Netzwerke und Verbände. Interessierte Unternehmen der Allianz arbeiten in Form von „offenen Kooperationsgemeinschaften“ miteinander und veranstalten thematische „Werkstatttreffen“. Koordiniert wird die CSR-Allianz in Deutschland von BDA und BDI. Zentrales Kommunikationsmittel der Allianz in Deutschland ist das CSR-Internetportal „CSR Germany“ (www. csrgermany.de), wo Informationen zur CSR-Allianz sowie die Unternehmen, die die CSR-Allianz unterstützen, eingestellt sind. Von der BDA wird die CSR-Allianz begrüßt, denn die Komplexität und Vielfältigkeit von CSR schließen Standardisierung und Zertifizierung aus. Nun wird auf Partnerschaft, Erfahrungsaustausch, Dialog und Wissensvermittlung gesetzt. UNICE hat mit intensiver Unterstützung durch die BDA bei der Ausarbeitung dieser neuen Strategie eine wichtige und konstruktive Rolle gespielt. Neben der CSR-Allianz haben die Bemühungen der In ISO-Norm zu Social Responsibility zu schaffen, viel Aufmerksamkeit erregt. Die ISO arbeitet weiter intensiv an der Entwicklung eines ISO-Instruments zu Social Respon-

sibility (SR). Dabei soll laut Beschluss der ISO nicht ein Managementsystem zu SR oder ein zertifizierbarer Standard entwickelt werden, sondern ein „Guidance Document“, also ein Leitfaden, welcher nicht nur Unternehmen, sondern allen Organisationen nützlich sein soll. Für die Wirtschaft ist wichtig, dass die ISO-Norm zu SR wirklich ein „Guidance Document“ und somit nicht zertifizierbar wird. Weiterhin ist wichtig – und so lautet auch das Mandat –, dass sie tatsächlich für alle Organisationen anwendbar ist und sich nicht ausschließlich auf Unternehmen beschränkt. Hierin liegt der eigentliche Mehrwert der ISO-Norm. Es geht nicht mehr darum, gesellschaftliche Verantwortung einseitig von Unternehmen einzufordern, sondern darum, dass die Maßstäbe, die an die Wirtschaft gerichtet werden, allgemein umgesetzt werden. Der im Oktober 2006 vorgelegte zweite Entwurf der ISONorm zu SR entspricht genau diesen vereinbarten Basis-anforderungen nicht und ist aus Sicht der Wirtschaft völlig inakzeptabel: Entgegen den Vereinbarungen adressiert der Entwurf nun doch einseitig Unternehmen. Die Rolle und Verantwortung der Regie­rungen bleibt weitgehend unberücksichtigt. Unternehmen werden als Lücken­büßer für staatliches Versagen bei originär staatlichen Aufgaben in die Pflicht genommen. Darüber hinaus folgt der vorgelegte Entwurf der Logik eines so genannten Managementsystems, womit die ISO-Norm zu SR doch zertifizierbar würde. Die BDA setzt sich im deutschen Spiegelgremium zu SR, über die International Organization of Employers (IOE) sowie direkt als Teil der deutschen Delegation in der ISO-Arbeitsgruppe zu SR entschlossen dafür ein, dass die weiteren Arbeiten der ISO-Arbeitsgruppe zu SR grundlegend neu ausgerichtet werden. In Deutschland hat der Rat für nachhaltige Entwicklung Empfehlungen zu CSR an die Politik wie auch an die Wirtschaft gerichtet. Aus Sicht der BDA sind die Empfehlungen abzulehnen, da sie das CSR-Engagement der Unternehmen behindern statt fördern würden. So fordert der Rat, den Ordnungsrahmen für CSR neu zu bestimmen. Dazu soll nach dem Willen des Rates unter anderem ein verbindlicher Rahmen für den sachgerechten Vergleich von Nachhaltigkeits- und CSR-Berichten von Unternehmen geschaffen werden, sollen Nachhaltigkeitskriterien in die Vergabe von Hermesbürgschaften und in die Bestimmungen zur Kreditvergabe aufgenommen werden sowie Nachhaltigkeitskriterien in die Vergabeentscheidungen im


übertragen. John Ruggie ist erfreulicherweise der Argumentation der Wirtschaft gefolgt und hat in seinem Zwischenbericht die „UN Draft Norms“ entschieden zurückgewiesen, da sie nicht nur Menschenrechte, die an Staaten adressiert sind, ohne Grundlage rechtsverbindlich auf Unternehmen übertragen wollen, sondern damit auch unter Umständen Bemühungen, die Menschenrechtsverantwortung von Staaten zu stärken, unterminiert würden. Dies ist ein großer Erfolg, an dem die BDA zusammen mit dem Internationalen Arbeitgeberverband IOE beteiligt war.

Menschenrechte – Verantwortung der Staaten nicht auf Unternehmen abwälzen

In Zusammenhang mit seiner Arbeit hat John Ruggie eine Studie über Managementverfahren in Bezug auf Menschenrechte bei den Fortune Global 500 Firms veröffentlicht. Aus Arbeitgebersicht sind die Ergebnisse dieser Studie positiv zu bewerten. Sie zeigen das bereits umfangreich existierende Engagement der Unternehmen und machen deutlich, dass es für die Verantwortung der Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte keiner zusätzlichen internationalen Vereinbarungen bedarf. Die Umfrage wird in den Schlussbericht einfließen, den John Ruggie noch vor der nächsten Sitzung der Menschenrechtskommission im Frühjahr 2007 vorlegen wird.

Dass die Verantwortung der Unternehmen klar zu der Politik abgegrenzt werden muss, hat im Frühjahr 2006 der UN-Sonderbeauftragte zum Thema „Menschenrechte und multinationale Unternehmen“, der Harvard-Professor John Ruggie, deutlich bekräftigt. John Ruggie ist beauftragt, das Thema „Multinationale Unternehmen und Menschenrechte“ zu untersuchen. Im Frühjahr hat er dazu einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem er vor allem auf die Debatte über die umstrittenen „UN Draft Norms” eingeht. In den im August 2003 von einer Unterarbeitsgruppe der UN-Menschenrechtskommission vorgelegten „UN Draft Norms“ war der Ansatz verfolgt worden, die originär staatliche Verantwortung verbindlich auf Unternehmen zu

Eine stärkere Bedeutung hat das Thema „CSR“ auch bei der OECD bekommen. Im ersten Halbjahr 2006 wurden zwei größere Initiativen verabschiedet, die wesentliche internationale Aspekte von CSR berühren: Mit dem „OECD Risk Management Tool for Investors in Weak Governance

Europäische und internationale Sozialpolitik Inhalt

öffentlichen Beschaffungswesen und in die staatlich geförderte private und betriebliche Altersversorgung integriert werden. Die BDA hatte sich sowohl im Dialogprozess im Vorfeld der Empfehlungen wie auch nach Veröffentlichung der Empfehlungen zusammen mit dem BDI nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen nicht durch einen regulativen Ansatz eingeschränkt, sondern die Eigenverantwortung in der deutschen Wirtschaft durch mehr Freiheit gestärkt wird.

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Zones (WGZ)“ hat die OECD einen Leitfaden geschaffen, der sich an Investoren richtet, die in Regionen mit schwachen Regierungen und mangelnden öffentlichen Verwaltungen bzw. problematischen politischen Konstellationen geschäftstätig werden wollen. Mit dem so genannten „Policy Framework for Investment“ (PFI) wendet sich die OECD an Staaten, um praktische Hinweise zu geben, wie ein investitionsgünstiges Klima geschaffen werden kann. Erstmals wurden bei der diesjährigen Überarbeitung auch Politikempfehlungen zum Thema „CSR“ gegeben. Die BDA hat beide Prozesse gemeinsam mit dem Sekretariat von BIAC, der Stimme der Wirtschaft bei der OECD, aktiv begleitet. Es ging darum, bei beiden Initia­ tiven deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass Unternehmen die Defizite von Regierungen nicht ersetzen können. Es ist in erster Linie die Politik, die die Menschenrechte und die grundlegenden Sozial- und Umweltstandards um- und durchsetzen muss.

Internationale Sozialpolitik – ILO auf neuen Wegen Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist inzwischen das wichtigste Diskussionsgremium zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern in Bezug auf die Auseinandersetzung über die soziale Dimension der Globalisierung. Sie ist die qualifizierte Organisation in der Familie der Vereinten Nationen, die aufgrund ihrer dreigliedrigen Struktur die Möglichkeit hat, praxisnahe Politik zu entwickeln, die zur Schaffung menschenwürdiger Arbeit vor Ort beiträgt. Im Rahmen ihrer Mitarbeit im Verwaltungsrat der ILO setzt sich die BDA für eine politische Prioritätensetzung ein, bei der die ILO weiterhin Konzepte entwickelt, mit denen vor allem die schwächsten Glieder in der globalisierten Welt angesprochen werden, nämlich die Millionen von Menschen, die sich in informeller bzw. in gar keiner Beschäftigung befinden und somit überhaupt nicht in der Lage sind, an der Globalisierung teilhaben zu können. Dafür müssen die Regierungen unter anderem aufgefordert werden, ein Umfeld zu schaffen, in dem Unternehmertum und Unternehmensgründungen in nachhaltiger Weise mit stabilen Rahmenbedingungen möglich sind und auch gefördert werden. Nur so kann mehr formale Beschäftigung entstehen, die den Menschen eine ­ gesicherte Lebensgrundlage bietet. Die BDA begrüßt, dass das

Thema „Nachhaltige Unternehmensentwicklung“ bei der Internationalen Arbeitskonferenz 2007 behandelt wird. Damit nimmt die ILO eine große Herausforderung an: Sie sucht nach Wegen, ihr Profil weg von ­einer rein normensetzenden Organisation zu entwickeln, deren Übereinkommen von immer weniger Ländern ratifiziert werden. Zur Neuorientierung gehört es demzufolge auch, dass bestehende Arbeitsnormen dort, wo es sinnvoll und möglich ist, konzentriert, modernisiert und zusammengefasst werden. Dieses Konzept, der so genannte „Integrated Approach“, wird inzwischen auch von immer mehr Regierungen und innerhalb der ILO selbst als zukunftsweisend erkannt und tatsächlich umgesetzt. 2006 ist es gleich zweimal gelungen, den „Integrated Approach“ in die Tat umzusetzen: Im Februar 2006 wurde das Seearbeitsübereinkommen verabschiedet, welches 30 seit der Gründung der ILO verabschiedete Übereinkommen und weitere 35 Empfehlungen, die bislang für die Seeschifffahrt galten, zusammenfasst und aktualisiert. Bei der Internationalen Arbeitskonferenz im Juni 2006 wurde ein neues Rahmenübereinkommen über Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz verabschiedet, welches gleichfalls auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Staaten selbst setzt. So sind beispielsweise die Durchführung nationaler Arbeitsschutzprogramme und verstärkte Präventionsmaßnahmen vorgesehen, um eine durchgängige Kultur der Arbeitssicherheit zu schaffen. Beide Übereinkommen haben die volle Unterstützung der Arbeitgeber erhalten und die BDA war an beiden Verhandlungen und Ausarbeitungen intensiv beteiligt.

Zu Gast in der BDA 2006 besuchten 40 Delegationen mit jeweils bis zu 50 Personen aus West- und Osteuropa, den nahen Osten, Amerika und Asien die BDA. Vertreter internationaler Organisationen, von Botschaften, Arbeitgeberverbänden, Unternehmen, Gewerkschaften und Universitäten informierten sich über die Arbeitsweise und die Positionen der BDA. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Themen „Tarifrunde 2006“, „Agenda 2010“, „Reformen auf dem Arbeitsmarkt“, „Europäischer Verfassungsvertrag“, „Erweiterung der Europäischen Union“, „Corporate Social Responsibility (CSR)“ und „Bildungspolitik“.




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Gesellschaftspolitik Gesellschaftspolitik Inhalt


Gesellschaftspolitik

Moderne Gesellschaftspolitik mitgestalten

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Die Gesellschaftspolitik wurde in diesem Jahr von drei Themen dominiert: der Familienpolitik, der Integration ausländischer Mitbürger in unsere Gesellschaft sowie der sozialen Verantwortung der Unternehmen in Deutschland. Bei allen drei Themen war die BDA gefragter Ansprechpartner, der sich aktiv mit Konzepten, Initiativen und hochrangig besetzten Veranstaltungen in die Diskussion einbrachte. Der Kontakt zur Zivilgesellschaft war auch in diesem Jahr ein selbstverständlicher Teil der gesellschafts­ politischen Arbeit der BDA. Insbesondere stand der Austausch mit den christlichen Kirchen im Mittelpunkt. Die BDA war präsent auf dem Deutschen Katholikentag in Saarbrücken und beteiligte sich aktiv an der Vorbereitung des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2007. Darüber hinaus gab es wie in der Vergangenheit einen regen Gedankenaustausch mit den christlichen Unternehmerverbänden – dem Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer (AEU) und dem Bund Katholischer Unternehmer (BKU). Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Kirche und Wirtschaft“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Familien stärken – Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern Die BDA setzt sich seit langem auf allen Ebenen dafür ein, dass sich die Situation für Familien in Deutschland verbessert und die dazu notwendige Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich erleichtert wird. Nicht nur für die gesamte Gesellschaft, auch für Wirtschaft und Arbeitsmarkt ist es vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung von großer Bedeutung, dass sich mehr Menschen für eine Familie entscheiden. Denn in einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft sinkt nicht nur das Arbeitskräftepotenzial, es kann vor allem zu einem empfindlichen Verlust an Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit kommen.

Mit dem Positionspapier „Familie schafft Zukunft“, das im zweiten Halbjahr 2006 veröffentlicht wurde, hat die BDA ein Gesamtkonzept mit gebündelten familienpolitischen Vorschlägen vorgestellt. Es enthält Hinweise auf die Vorteile einer familienbewussten Personalpolitik und macht zugleich deutlich, welche arbeitsrechtlichen und tarifpolitischen Stellschrauben für mehr innerbetriebliche Flexibilität, die Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen entgegenkommt, gelockert werden müssen. Überdies wird mit den Vorschlägen noch einmal deutlich gemacht, dass zentraler Ansatzpunkt dafür, Familie und Beruf wirklich besser zu vereinbaren, der qualitative und quantitative Ausbau der Infrastruktur im Bereich der Kinderbetreuung ist. Hier besteht in Deutschland nach wie vor enormer Handlungsbedarf, gerade bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Eine reine Ausweitung familienpolitisch motivierter Transferleistungen ist hingegen wenig Erfolg versprechend.

Elterngeld sinnvoll ausgestalten Ziel des neuen Elterngeldes ist es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen und eine zügige Rückkehr an den Arbeitsplatz zu fördern. Es richtet sich an alle Eltern, deren Kinder nach dem 1. Januar 2007 geboren werden. Das Elterngeld ist im Gegensatz zum bisherigen Erziehungsgeld keine reine familien­ politische Transferleistung, sondern wurde vom Gesetzgeber als eine Art Lohnersatzleistung ähnlich wie das Arbeitslosengeld ausgestaltet. Das Elterngeld, das 67 % des vorherigen Nettoeinkommens beträgt ­(maximal 1.800 €), wird mindestens zwölf Monate gezahlt. Zwei weitere Bonusmonate werden gewährt, wenn der andere Elternteil, in der Regel. der Vater, seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder seine Arbeitszeit auf bis zu 30 Wochenstunden reduziert. Eltern, die vor der Geburt ihres Kindes nicht erwerbstätig waren, erhalten ein „Mindestelterngeld“ von 300 €. Dieser Mindest­betrag wird im Gegensatz zum Kindergeld nicht auf die Fürsorgeleistungen „Arbeitslosengeld II“ oder Sozialhilfe angerechnet, sondern zusätzlich gezahlt. Eltern, die ihre Kinder in kurzer Folge bekommen, erhalten zusätzlich einen Geschwisterbonus. In diesem Fall wird das Elterngeld – in Abhängigkeit vom Alter der Geschwisterkinder – um 10 %, mindestens aber um 75 € im Monat erhöht.


Monitor Familienfreundlichkeit 2006 Die deutsche Wirtschaft wird immer familienfreundlicher – das ist das erfreuliche Ergebnis des zweiten Monitors Familienfreundlichkeit, der vom Institut der deut-

schen Wirtschaft Köln im Auftrag der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erstellt worden ist. Der Ergebnisbericht dokumentiert eindrucksvoll das wachsende Engagement der Unternehmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Fast drei Viertel aller Unternehmen in Deutschland schätzen die Bedeutung von Familienfreundlichkeit für das eigene Unternehmen als sehr wichtig oder wichtig ein. Bei der ersten Monitorbefragung im Jahre 2003 teilten nur knapp die Hälfte der Unternehmen diese Einschätzung. Aber nicht nur das Bewusstsein für Familienfreundlichkeit hat sich in den Unternehmen positiv verändert, immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine breite Palette von familienfreundlicher Maßnahmen an. In über der Hälfte der deutschen Unternehmen können die Mitarbeiter auf sechs und mehr Angebote zurückgreifen, vor drei Jahren boten nur ca. 20 % aller Unternehmen die gleiche Anzahl von Maßnahmen an. Flexible Arbeitszeitmodelle, Elternförderung, Hilfen beim Wiedereinstieg nach einer Familienphase und Unterstützung bei der Kinder- und Angehörigenbetreuung sind dabei die am häufigsten angebotenen Instrumente. Auf die Frage „Warum führen Unternehmen familienfreundliche Maßnahmen ein?“ antworten fast 85 % der Unternehmen: „Um qualifizierte Mitarbeiter zu halten und zu gewinnen und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter zu erhöhen.“ Knapp 80 % gaben als Motiv an, dass familienfreundliche Maßnahmen zu einer Kostenersparnis führen, die sich

Gesellschaftspolitik Inhalt

Die BDA hat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens immer wieder auf falsche Weichenstellungen beim Elterngeld aufmerksam gemacht. Beispielsweise setzt die Möglichkeit, die Elternzeit bei halbem Elterngeldbudget auf bis zu 28 Monate strecken zu können, falsche Anreize und verhindert sogar einen schnellen Wiedereinstieg in den Beruf. Dies ist genauso kontraproduktiv wie die Tatsache, dass Eltern, die zeitnah wieder vollerwerbstätig an den Arbeitsplatz zurückkehren, vom Elterngeld gänzlich ausgeschlossen werden. Im Gesetzgebungsprozess konnte die BDA erreichen, dass die Ankündigungsfrist zur Anmeldung der Elternzeit nicht auf sechs, sondern zumindest auf sieben Wochen verkürzt wird, da kurze Ankündigungsfristen es den Unternehmen zusätzlich erschweren, einen adäquaten Ersatz für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zu finden, die in Elternzeit geht. Es bleibt in den kommenden Jahren abzuwarten, inwieweit die Einführung des Elterngeldes die schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz tatsächlich fördert und junge Menschen motiviert, sich zur Gründung einer Familie zu entschließen.

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Gesellschaftspolitik

in einer geringen Fluktuation der Mitarbeiter und einem niedrigeren Krankenstand widerspiegelt. Die Anzahl der Unternehmen, die keinerlei familienfreundliche Maßnahmen anbieten, ist in den letzten drei Jahren von fast 20 auf unter 5 % gesunken und dokumentiert, dass Elemente einer familienfreundlichen Personalpolitik in deutschen Unternehmen fast flächendeckend vorhanden sind.

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„Deutschland braucht eine familienbewusste Arbeitswelt“ Am 16. Oktober 2006 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und den Mitgliedern der Impulsgruppe „Allianz für die Familie“, in der Herr Dr. Hundt vertreten ist, die Erklärung „Deutschland braucht eine familienbewusste Arbeitswelt“ unterzeichnet. Die Unterzeichner betonen darin vor allem das Erfordernis des Ausbaus und der Qualitätsentwicklung von Ganztagsangeboten (­Kindertagesstätten, Tagespflege, Schulen) und setzen sich für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Zusammen mit der Bundeskanzlerin haben sich die Unterzeichner der Vereinbarung darauf verständigt, Familienbewusstsein als Markenzeichen der deutschen Wirtschaft zu etablieren. Die BDA wird dazu auch künftig ihren Beitrag leisten, indem sie für die Vorteile einer familienbewussten Personalpolitik wirbt und

ihre Mitglieder dabei unterstützt, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor Ort umzusetzen.

Unternehmensethik: „Wirtschaft mit Werten – Für alle ein Gewinn“ Wie 2005 wurde auch in diesem Jahr die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen kontrovers diskutiert. Eine oft undifferenzierte Berichterstattung über Produktionsverlagerungen ins Ausland und die Höhe der Managergehälter einzelner Kapitalgesellschaften trieben die Debatte an. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage und der hohen Arbeitslosigkeit wurde von vielen Bürgen der vermeintlich fehlende gute Wille der Arbeitgeber als Wurzel allen Übels gesehen. Mit dem Papier „Wirtschaft mit Werten – Für alle ein Gewinn“ mischte sich die BDA offensiv in diese Diskussion ein. Das Papier greift die Sorgen der Menschen auf und stellt sich kritischen Fragen. Es wird jedoch auch deutlich aufgezeigt, wie und in welchem Maße sich die deutsche Wirtschaft gesellschaftlich engagiert, was die Voraussetzungen dieses Engagements sind und wie es gefördert werden kann. Die Stellungnahme macht sehr deutlich, dass die deutschen Arbeitgeber sich ihrer ethischen Verantwortung


Unter Federführung der BDA veranstaltete die Initiative „Freiheit und Verantwortung“ am 27. Juni 2006 ihr sechstes Sommersymposium. Unter der Überschrift „Integration und Unternehmen – Engagement, Verantwortung, Interesse“ diskutierten die Referenten und Gäste darüber, wie ausländische Mitbürger besser in unsere Gesellschaft integriert werden können. Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt betonte in seiner Rede die Bedeutung erfolgreicher Integration für die deutsche Wirtschaft. Es liege im vorrangigen Interesse der Unternehmen, keine Potenziale zu vergeuden, sondern im Gegenteil alle verfügbaren Fähigkeiten zur Entfaltung zu bringen. Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) unterstrich in seiner Rede, Integration beginne mit der Einsicht, dass sie keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung sei. Bei der feierlichen Preisverleihung der Initiative am 11. Dezember 2006 bekam das vielfältige gesellschaftliche Engagement der deutschen Wirtschaft ein

bewusst sind und sie aktiv wahrnehmen. Dabei tut dies jeder Betrieb auf seine Weise, mit seinen Schwerpunkten und Formen des Engagements. Die Kernaussage heißt: Ethik und Wirtschaft sind keine Gegensätze. Zweck der Wirtschaft ist es, die Menschen mit Gütern und Dienstleistungen zu versorgen – damit dient sie dem Menschen und hat damit bereits ihre ethische Legitimation. Die primäre Aufgabe eines Unternehmens ist es, Menschen mit Gütern und Dienstleistungen zu versorgen. Damit es diese Aufgabe erfüllen kann, muss es wettbewerbs- und zukunftsfähig sein und bleiben: Nur dann bietet es Arbeitsplätze, Lebens- und Entfaltungschancen und kann zu Wohlstand und Fortschritt beitragen. Gewinn ist nicht alles, aber ohne Gewinn ist alles nichts. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass betriebswirtschaftlich unverantwortliche Entscheidungen keine moralische Pflicht sein können.

Gesicht: Mit den drei Gewinnern des Wettbewerbes wurden erneut Unternehmen für ihre gelebte soziale Verantwortung ausgezeichnet. Überdurchschnittlich viele Projekte widmeten sich in diesem Jahr dem Thema „Bildung“ – ein Zeichen, dass die Unternehmen über den Tellerrand des Betriebes hinausschauen und sich aktiv an der Bewältigung gesellschaftlicher Probleme beteiligen. Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt machte in seiner Rede deutlich, dass für mehr und mehr Unternehmen Ethik und Ökonomie keine Gegensätze seien. Die Initiative „Freiheit und Verantwortung“ (www. freiheit-und-verantwortung.de) wird getragen von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der WirtschaftsWoche. Schirmherr der Initiative ist Bundespräsident Horst Köhler.

Der eigentliche Streitpunkt in der öffentlichen Debatte ist jedoch die Globalisierung: Sie wird von vielen als Bedrohung wahrgenommen – mit Arbeitsplatzabbau im Inland und Billigarbeit im Ausland. Die BDA stellt demgegenüber klar: Wenn die Chancen der Globalisierung offensiv genutzt werden, entsteht sogar zusätzliche Beschäftigung. Und wenn Unternehmen in ärmeren Ländern Arbeitsplätze schaffen, wird die Entwicklung dort wirksam gefördert – das kann nicht als moralisch schlecht disqualifiziert werden. Richtig ist, dass Führungskräfte Vorbilder sein müssen. Nur Glaubwürdigkeit schafft Vertrauen in die Wirtschaft. Ohne Vertrauen herrschen Kontrolle, Regulierung und Bürokratisierung. Auch deshalb liegt ein Bekenntnis zur Ethik im ureigenen Interesse der Arbeitgeber. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Wirtschaftsethik“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de zugänglich.

Gesellschaftspolitik Inhalt

Gelebte gesellschaftliche Verantwortung – Initiative „Freiheit und Verantwortung“

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Presse- und Ă–ffentlichkeitsarbeit Presse- und Ă–ffentlichkeitsarbeit Inhalt


Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Im Dienst der Öffentlichkeit

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Die Diskussion über die Reformagenda und die ersten konkreten Reformprojekte der neuen Bundesregierung standen im gesamten Jahr 2006 im Zentrum der Presseund Öffentlichkeitsarbeit der BDA. Die Mehrwertsteuer­ erhöhung, die zunehmend positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die anstehende Gesundheitsreform sowie die Kontroverse um einen Mindestlohn haben die Schlagzeilen wesentlich geprägt. Die BDA hat dabei regelmäßig die Positionen, Interessen und Forderungen der deutschen Wirtschaft in die Öffentlichkeit getragen. Besondere Aufmerksamkeit hat der Deutsche Arbeitgebertag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf sich gezogen. Die Veranstaltung hat die mediale Agenda geprägt. Zentrale Botschaften der Arbeitgeber fanden in Presse, Funk und Fernsehen ihren Widerhall. Ein langfristiger Schwerpunkt der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA ist nach wie vor die Förderung der Modernisierungsbereitschaft in Deutschland. Sowohl die Notwendigkeit von Reformen als auch die damit verbundenen Chancen für mehr Wachstum und Beschäftigung müssen fest in der öffentlichen Debatte verankert werden. Die mediale Auseinandersetzung hat dabei mit der Bundestagswahl im vergangenen Jahr

und der neuen Bundesregierung eine wichtige Zäsur erfahren: Statt großer Worte und dicker Schlagzeilen prägen Ernsthaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein die Politik und das öffentliche Bild. Damit einher geht eine sehr viel ruhigere und unaufgeregte Medien­ berichtberichterstattung. Auch die Presse- und Öffent-

Medienereignis 2006 Deutscher Arbeitgebertag Der Deutsche Arbeitgebertag am 7. November 2006 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Kurt Beck, FDP-Chef Guido Westerwelle und dem finnischen Ministerpräsidenten Matti Vanhanen war erneut ein großes Medienereignis:  Berichterstattung in nahezu allen Medien  Live-Übertragung auf Phoenix, n-tv  Beiträge unter anderem in Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Tagesschau, heute, RTL Aktuell  Über 150 Journalisten  25 Kamerateams und Fotografen


Wie immer hat die BDA auch in diesem Jahr den Grundsatz verfolgt, dass Schlagzeilen an sich keinen Wert haben. Unsere Pressearbeit orientiert sich an einer sachlich fundierten Kritik mit konkreten Änderungs- und Verbesserungsvorschlägen. Gleichzeitig gelten die Prinzipien einer verantwortungsvollen, fairen und offenen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Damit wird der politischen Durchsetzbarkeit der Positionen der deutschen Arbeitgeber letztlich am ­besten gedient. Die BDA war erneut ein geschätzter Gesprächspartner für die Medien.

„Frührente ein Irrweg“ Neue Osnabrücker Zeitung, April 2006

Pressestimmen 2006

„Hundt hat Recht. Die Deutschen werden mehr arbeiten müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Die Welt, Januar 2006

„In die Debatte um die Gesundheitsreform kommt Bewegung. Die Arbeitgeber haben ein Konzept vorgelegt, das Beachtung verdient.“ Stuttgarter Nachrichten, Januar 2006

„Der Hundt ist ein Fuchs. Dann jedenfalls, wenn es darum geht, gut Wetter für die Wirtschaft zu machen.“ Neue Osnabrücker Zeitung, April 2006

BDA prägt Wirtschaftsberichterstattung Trotz der insgesamt ruhigeren Medienberichterstattung hat die BDA auch im Jahre 2006 ihre hohe Medienpräsenz aufrechterhalten. Interviews, Stellungnahmen und Presseerklärungen werden bundesweit aufgegriffen und von Presse, Hörfunk sowie Fernsehen weiterverbreitet. In den letzten zwölf Monaten hat die BDA beispielsweise rund 90 Presseerklärungen veröffent­ licht. Große Resonanz bringen auch die regelmäßigen Pressekonferenzen und -gespräche der BDA. Unter den zahlreichen Pressekonferenzen waren in diesem Jahr unter anderem folgende Themen:  „Konzept für eine nachhaltige Reform der gesetzlichen Krankenversicherung“ (Januar)  „Tarifrunde 2006: Wertschöpfung in Deutschland halten“ (Februar)  „Gesetzliche Mindestlöhne: Irrweg mit fataler Wirkung“ (Februar)  „Konsequenter Politikwechsel für mehr Beschäftigung älterer Arbeitnehmer“ (März)  „Flexibilisierung des Kündigungsschutzes“ (April)  „Schule 2015 – Ein Blick in die Schule der Zukunft“ (Mai)

„Man muss mit dem BDA-Leitbild für die Schule der Zukunft nicht Punkt für Punkt einverstanden sein. Wichtig und richtig ist jedoch der Ansatz, dass ein verbindliches Leitbild für die Schulentwicklung längst überfällig ist.“ Kieler Nachrichten, Mai 2006

„Dieter Hundt ist für seine bissige Kommentierung des Regierungshandelns bekannt. Nicht immer liegt er richtig. Aber diesmal hat der Arbeitgeberpräsident ins Schwarze getroffen: Das Gleichbehandlungsgesetz sollte in seiner jetzigen Form tatsächlich vom Tisch.“ Offenbach-Post, Juni 2006

„Langfristig wird sich das Lehrstellenproblem nur lösen lassen, wenn der Ausbildungspakt schon in der Schule ansetzt und die Zusammenarbeit zwischen Schule und Betrieben enger wird. Schwachen Schülern muss besser und gezielter geholfen werden. Was Lehrer – und auch Eltern – versäumt haben, kann kein Betrieb nachholen.“ Die Welt, Oktober 2006

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Inhalt

lichkeitsarbeit der BDA hat sich auf diesen neuen Stil eingestellt und konnte von der Versachlichung insgesamt profitieren.

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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Fernsehberichterstattung 2006

Tagesschau (ARD), 21. Februar 2006

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Berlin Mitte (ZDF), 1. Juni 2006

 „Leitlinien zur Gesundheitsreform“ (Mai)  „More Bachelors und Masters Welcome!“ (Mai)  „Reform der gesetzlichen Unfallversicherung überfällig!” (Juni)  „Der Unfug des AGG-Entwurfes darf nicht Gesetz werden!“ (Juni)  „Bessere Bildungschancen durch frühe Bildung“ (August)  „Aufwendungsausgleichsgesetz abschaffen: Bürokratie abbauen, Lohnzusatzkosten senken“ (September)  „Europa voranbringen – Empfehlungen der deutschen Wirtschaft für die deutsche Ratspräsidentschaft 2007“ (November) Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA zielt nicht ausschließlich auf eine direkte Medienpräsenz ab. Wir sind für Journalisten ständiger Ansprechpartner in allen Fragen der Sozial-, Tarif- und Wirtschafts­ politik und erläutern dabei laufend die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Es gilt, den Journalisten eine realistische Vorstellung von der deutschen Wirtschaft sowie den Unternehmen und Betrieben zu vermitteln. Diese Arbeit manifestiert sich zwar zumeist nicht in konkreten Schlagzeilen, ist aber für die langfristige Akzeptanz des Reformkurses und der Positionen der deutschen Wirtschaft in den Medien absolut unverzichtbar und ist letztlich auch der Weg, der am meisten Erfolg verspricht.

„Gleichbehandlungsgesetz ist Unfug“ Die Welt, Juni 2006

n-tv, 7. November 2006

Phoenix, 7. November 2006

Die BDA-Pressestelle setzt auf einen intensiven Kontakt und Austausch mit den Pressestellen der Mitgliedsverbände, um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auch intern auf eine möglichst breite Basis zu stellen und die Interessen der Arbeitgeber noch besser zu vernetzen. Neben dem regelmäßigen informellen Austausch treffen sich die Pressesprecher von BDA und Mitgliedsverbänden mehrmals im Jahr zum „Arbeitskreis der Pressesprecher“. Diese Treffen werden auch zum Gedankenaustausch mit renommierten Journalisten genutzt. Im Geschäftsjahr 2006 waren Ruppert Mayr, Teamleiter Wirtschaft von dpa, Margaret Heckel, Ressortleiterin Politik der Welt am Sonntag, und Nico Fickinger, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, zu Gast.


Konstruktive Kritik

Heftige Kritik an Gesundheitsreform

Medienschwerpunkte im gesamten Geschäftsjahr 2006 waren unter anderem die Themen „Arbeitsmarkt“, „Gesundheitsreform“ und „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz“. In der Debatte über Kombi-Einkommen, Mindestlöhne und „Arbeitslosengeld II“ wurde immer wieder gezielt das Wort ergriffen und die Forderungen der Arbeitgeber in die Öffentlichkeit getragen. In Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Tagesspiegel, Freie Presse Chemnitz und vielen anderen Zeitungen erschienen längere Interviews zu dem Themenbereich. Hinzu kamen drei Pressekonferenzen, bei denen unter anderem der Reformbedarf bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und im Arbeitsrecht verdeutlicht wurde. Auf dem Deutschen Arbeitgebertag stand schließlich die Absage von Bundeskanzlerin Angela Merkel an einen gesetzlichen Mindestlohn im Vordergrund, die es auf breiter Basis in die Schlagzeilen schaffte. Auch die Gesundheitsreform war im gesamten Jahr ein Dauerthema für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben drei viel beachteten Pressekonferenzen setzte die BDA unter anderem auf mehrere dpa-Gespräche, die vor allem von den regionalen Medien aufgegriffen wurden. Zentrales Anliegen der BDA war und ist es, die Vorzüge des Prämienmodells zu vermitteln und in der Öffentlichkeit zu etablieren. Gleichzeitig mussten aber auch die Pläne der Politik im Detail bewertet und entsprechende Verbesserungsvorschläge angemahnt werden. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte beispielsweise mit Nachdruck größere Sparanstrengungen im Gesundheitssystem – etwa unter der Überschrift „Nur noch das medizinisch Notwendige“ in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Darüber hinaus setzten sich BDA und DGB in einer gemeinsamen Erklärung dafür ein, die geplante Kürzung des Steuerzuschusses für die Krankenkassen rückgängig zu machen. Trotz aller Kritik ist die BDA in der gesamten Debatte konstruktiv geblieben und hat sich nicht von der teilweise sehr hitzigen Atmosphäre anstecken lassen. Beispielhaft ist hier das 10-Punkte-Korrekturprogramm zu nennen, über das die Frankfurter Allgemeine Zeitung im September unter der Überschrift „Wirtschaft will Gesundheitsreform retten“ berichtete. Insgesamt hat die BDA in der öffentlichen Debatte über die Gesundheitsreform damit eine ganz wesentliche Rolle gespielt.

Bis zuletzt hat sich die BDA gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gewandt. Deutliche Worte gebrauchte Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt unter anderem bei einem Auftritt vor der Bundespressekonferenz im Juni: Er kritisierte das Gesetz als „Unfug“ und fand damit in den Medien ein breites Echo. Die Positionen der Arbeitgeber schlugen sich im Übrigen auch in nahezu allen Kommentaren und Leitartikeln nieder, die die Debatte über das Gleichbehandlungsgesetz begleiteten. Dies ist ein guter Beleg dafür, dass unsere Überzeugungsarbeit in Pressekonferenzen, Interviews und Hintergrund­gesprächen sehr erfolgreich war. Inzwischen werden die von den Arbeitgebern geäußerten Befürchtungen durch die Realität bestätigt, wie eine Vielzahl von Medienberichten belegen: „Wer damals vermutete, das Paragrafenwerk werde vor allem Prozesshansel auf den Plan rufen, die Bürokratie aufblähen und das bis dahin leidlich funktionierende Miteinander an den meisten Arbeitsplätzen durch ein Klima des Misstrauens ersetzen, darf sich mehr als bestätigt fühlen. Es ist noch schlimmer gekommen.“ (Der Spiegel, 13. November 2006)

Bildungspolitik – die soziale Herausforderung des 21. Jahrhunderts Ein weiterer Schwerpunkt der Kommunikation war im Jahre 2006 die Bildungspolitik. Da sich im Rahmen der Föderalismusreform besondere Reformchancen ergeben, hat die BDA frühzeitig damit begonnen, die Forderungen der Arbeitgeber auch über die Medien in die Bildungs­ politik zu tragen. Zusätzlich angeheizt wurde die öffentliche Debatte durch die Geschehnisse an einigen deutschen Hauptschulen. Bei der Frage zur Zukunft der Hauptschulen waren die Arbeitgeber immer wieder gefragt. In diesem Zusammenhang wurde im Übrigen auch deutlich, dass sich die BDA als bildungspolitischer Ansprechpartner inzwischen fest in der Öffentlichkeit etabliert hat. Zu den BDA-Aktivitäten 2006 zählten insbesondere die vier Pressekonferenzen „Schule 2015 – Ein Blick in die Schule der Zukunft“, „More Bachelors and Masters Wel-

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Inhalt

Die Welt, Juli 2006

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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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come!“, „Bessere Bildungschancen durch frühe Bildung“ und „Integration durch Bildung“. Sie zogen nicht nur das Medieninteresse auf sich, sondern wurden in den Kommentaren auch positiv gewürdigt (siehe „Pressestimmen 2006“). Hinzu kamen eine ganze Reihe von Presseerklärungen, Statements und Interviews. Ein Höhepunkt der bildungspolitischen Aktivitäten war schließlich der Deutsche Arbeitgebertag. Zum einen wurde dort wieder öffentlichkeitswirksam der Deutsche Arbeit­geberpreis für Bildung verliehen. Die Preisverleihung war unter anderem live auf dem Fernsehsender Phoenix zu sehen. Zum anderen betonte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt in seiner Rede nachdrücklich den Stellenwert, den die Bildung für die Zukunft Deutschlands hat. Vor rund 1.400 hochrangigen Gästen und weit über 150 Journalisten aus dem In- und Ausland nannte er die bestehenden Bildungsprobleme „die eigentliche soziale Frage unserer Zeit“ und sicherte der Bildungspolitik damit eine hohe Präsenz in der Berichterstattung über den Deutschen Arbeitgebertag.

Engere Zusammenarbeit von BDA und BDI Am 2. November 2006 informierten BDA und BDI auf einer Pressekonferenz die Medien über die Bildung eines gemeinsamen Präsidiums und die Intensivierung der or-

ganisatorischen Zusammenarbeit. BDI und BDA werden künftig durch gemeinsame Gremien und die Zusammenlegung wichtiger Teile ihrer Organisationen die Zusammenarbeit intensivieren, die Organisation straffen und die Effizienz ihrer Arbeit verbessern. Ziel ist, die Schlagkraft der sozialpolitischen und industriellen Interessenvertretung der Mitglieder durch ein verstärktes Zusammenwirken zu erhöhen. Obwohl dieser Schritt von den Medien schon länger erwartet worden war, fiel das Echo in Zeitungen, Radiosendungen und TV-Nachrichten ausgesprochen groß aus.

Arbeitgeber und Industrie vereinbaren Kooperation Frankfurter Allgemeine Zeitung, November 2006

Im Vorfeld dieser Vereinbarung gab es eine Reihe von gezielt gestreuten Gerüchten, Irritationen und öffentlichen Störfeuern, mit denen die Gespräche offenbar frühzeitig in Misskredit gebracht werden sollten. In einzelnen Medien wurde beispielsweise schon früh über eine angebliche Fusion von BDA und BDI berichtet, obwohl es für diese Meldung keine reale Grundlage gab. Vor diesem Hintergrund muss auch der Versuch im Sommer 2006 gesehen werden, der BDA eine Personaldebatte aufzuzwingen. Die BDA antwortete darauf mit klaren Positionen, großer Geschlossenheit sowie einer offensiven Pressestrategie. Dementsprechend schnell ging dem Versuch die Luft aus. Für die engere Zusammenarbeit von BDA und BDI blieb es eine folgenlose Episode.


Internet, BDA Newsletter, Arbeitgeber, kompakt

kompakt

Mit Informationsdiensten wie dem wöchentlichen „BDA Newsletter“, dem „Euro-Info“ und dem Newsletter „Kirche-Wirtschaft“ beliefern wir interessierte Bürger regelmäßig auch direkt mit den wichtigsten Informationen zu den Themen der BDA. Die Dienste können leicht und kostenfrei über die Internetseite abonniert werden. Seit Anfang 2006 ist die BDA außerdem mit einer vierseitigen Beilage in der Zeitschrift PERSONAL vertreten. Die Beilage mit dem Titel „Arbeitgeber – Das BDA-Spezial zur unternehmerischen Sozialpolitik“ versorgt die Leser in kompakter Form mit wichtigen Hintergrundinformationen und aktuellen politischen Analysen. Die Zeitschrift PERSONAL ist dabei ein guter Partner. Mit ihr bekommt der Leser praxisnahe und fundierte Beiträge an die Hand – unter anderem zu den Themen „Innovationen im Personalwesen“, „Arbeitsrecht“, „Personalbeschaffung“ und „Personalmanagement“. Die Zeitschrift PERSONAL mit „Arbeitgeber“ erscheint monatlich und kann abonniert werden. Weitere Informationen im Internet unter www.personal-im-web.de.

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Inhalt

Die BDA trägt die Positionen der Arbeitgeber auch über eine Vielzahl eigener Publikationen und Medien in die Öffentlichkeit. Zu den zentralen Informationsangeboten zählt nach wie vor die Internetseite www. bda-online.de: Im Jahre 2006 wurden weit über 30 Mio. Zugriffe registriert, das entspricht rund 90.000 Zugriffen pro Tag. Die Seite hält Medien, Politik und Unternehmen täglich mit den neuesten Informationen auf dem Laufenden und gewährleistet außerdem einen ständigen Zugriff auf Hintergrundinformationen, Broschüren und Positionspapiere aus dem gesamten Themenspektrum der BDA. Auf weiteren Internetseiten wie www.bda-pro-job.de, www.bildung-schafftzukunft.de und www.csrgermany.de werden jeweils spezielle Themen der BDA vertieft behandelt. Darüber hinaus können Nutzer über das Internet auch direkt mit der BDA in Kontakt treten und Anregungen, Kommentare oder Fragen übermitteln. Dieser Service wird intensiv genutzt: In diesem Jahr sind durchschnittlich bis zu 1.000 Zuschriften pro Woche eingegangen. Da die BDA großen Wert auf die direkte Kommunikation legt, wird jede seriöse Zuschrift so schnell wie möglich beantwortet.

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Die BDA hat ihr Publikationsangebot erweitert: Der kompakt bietet seinen Lesern einen schnellen und zuverlässigen Einstieg in ein Sachthema, bündelt die Argumente der Arbeitgeberverbände und informiert über Dienstleistungen, Veranstaltungen und Veröffentlichungen der BDA – alles auf einem Blatt. Zudem werden die Kontaktdaten der direkten Ansprechpartner bei der BDA genannt, an die sich unsere Mitglieder bei Fragen wenden können. Im Arbeitgeberlexikon kompakt, das auf der Homepage der BDA zur Verfügung steht, können sämtliche Exemplare in ihrer jeweils aktuellsten Version abgerufen werden. Von der „Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen“ über die „Gesetzliche Rentenversicherung“ bis zum Thema „Zuwanderung und Integration“ informiert der kompakt zu allen Kompetenzfeldern der BDA.



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BDA-Mitgliedsverbände Präsidium und Vorstand BDA-Mitgliedsverbände, BDA-Mitgliedsverbände, Präsidium Präsidium und und Vorstand Vorstand Inhalt


BDA-Mitgliedsverbände *

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie Arbeitgeberverband der Deutschen Glasindustrie e. V.

BDA-Mitgliedsverbände

Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschuk­industrie (ADK) e. V.

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Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ) Bundesverband des Deutschen Groß- und Außen­handels e. V. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungs­unternehmen Bundesverband Druck und Medien e. V.

Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe)

Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V.

Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland

Bundesverband Zeitarbeit PersonalDienstleistungen e. V. (BZA)

Arbeitgeberverband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V.

Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V.

Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V.

Deutscher Bühnenverein Bundesverband Deutscher Theater

Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrs­betriebe

Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. ­(DEHOGA)

Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienst­ leister e. V. (AMP)

DSSV e. V. Arbeitgeber­verband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen

Arbeitgeberverband Stahl e. V. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e.V. Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß (ANG) e. V. Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V.

Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V.

GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. Gesamtverband der Deutschen Textil- und Mode­ industrie e. V. – Arbeitgeberverbund

Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder

Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V.

BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs­ wirtschaft e. V.

Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus (GVSt)

Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.

Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Groß­betriebe des Einzelhandels e. V.

Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.

* Stand: 1. Januar 2007


Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V. – Sozialpolitischer Hauptausschuss

Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD) Verein der Zuckerindustrie

Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e. V.

Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V.

Landesvereinigung der Arbeitgeber- und Wirtschafts­ verbände Sachsen-Anhalt i.  L.

Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU)

Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen e. V.

Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.

Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz

Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. Vereinigung der Saarländischen Unternehmens­ verbände e. V.

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft KEP- und Postdienste e. V.

Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW)

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden

Vereinigung der Unternehmensverbände für ­Mecklenburg-Vorpommern e. V.

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Tele­ kommunikation (ArgeTel) Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH) Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen + Bildung e. V.

Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V. Vereinigung Rohstoffe und Bergbau VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V. WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgas­­gewinnung e. V.

Unternehmensverband Steinkohlenbergbau (UVSt)

Zentralverband des Deutschen Baugewerbes

Unternehmerverbände Niedersachsen e. V.

ZGV – Zentralverband Gewerblicher Verbund gruppen e. V.

UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V. Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V. Verband der Wirtschaft Thüringens e. V. (VWT) Verband Deutscher Reeder e. V. Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ)

BDA-Mitgliedsverbände Inhalt

Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V.

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BDA-Präsidium * Präsident Dr. Dieter Hundt

Präsidium und Vorstand

Ehrenpräsident Dr. Klaus Murmann

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Vizepräsidenten Walter Botschatzki Günther Fleig Dr. Tessen von Heydebreck Martin Kannegiesser Otto Kentzler Dr. Walter Koch (Schatzmeister) Dr. Hans-Joachim Körber Eggert Voscherau Weitere Mitglieder des Präsidiums Peter Barz Prof. Thomas Bauer Ernst Baumann Josef Beutelmann Anton F. Börner Gerd von Brandenstein Dr. Gerhard F. Braun Wolfgang Brinkmann Dr. Jürgen Deilmann Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann Goetz von Engelbrechten Ulrich Grillo Helmut Heinen Wolfgang Heinze Klaus Hering Ingrid Hofmann Dr. Eckart John von Freyend

* Stand: Januar 2007

Helmut F. Koch Ingo Kramer Manfred Lantermann Stefan H. Lauer Horst-Werner Maier-Hunke Dr. Hartmut Mehdorn Prof. Dr. Helmut Merkel Dr. Hans Georg Michelbach Dr. Arend Oetker Dr. Wolfgang Pütz Dr. Jürgen Radomski Randolf Rodenstock Harry Roels Gerd Sonnleitner Dr. Theo Spettmann Bernd Tönjes Prof. Dieter Weidemann Dr. Hans-Dietrich Winkhaus Dr. Klaus Zumwinkel Dr. Reinhard Göhner Dr. Fritz-Heinz Himmelreich

Ständige Gäste des BDA-Präsidiums * Klaus Bräunig Prof. Dr. Michael Hüther Jürgen R. Thumann


Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören folgende Damen und Herren dem Vorstand an: Dr. Ralf Bethke Roland Brohm Ulrich Alfred Büchner Prof. Dr. Hubert Burda Dr. Rainer V. Dulger Frank Dupré Volker Enkerts Ernst Fischer Dr. Hans Otto Gardeik Hartmut Geldmacher Peter Gerber Rainer Göhner Klemens Gutmann Jörg Hagmaier Siegfried Hanke Dr. Michael Hann Matthias Hartung Peter Hoffmeyer Dr. Gernot Kalkoffen Dr. Uwe Kasimier Jürgen Krebaum Lothar Lampe Frank Leonhardt Rainer J. Marschaus Dr. Uwe Mehrtens Eberhard Potempa Hanns-Jürgen Redeker Dr. Josef Rettenmeier Prof. Dr. Markus Rückert Manfred Rycken Dr. Hans-Peter Schiff Jürgen Schitthelm Dirk Schlüter Birgit Schwarze Ralf Stemmer Margret Suckale Philipp F. Urban Peter Weinmann Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia

* Stand: Januar 2007

Gemeinsames Präsidium von BDA und BDI * Vorsitzender Dr. Dieter Hundt Weitere Mitglieder des Präsidiums Jürgen R. Thumann Willi Berchtold Walter Botschatzki Dr. Dieter Brucklacher Günther Fleig Prof. Dr. Bernd Gottschalk Dr. Tessen von Heydebreck Martin Kannegiesser Dr. Dr. Hans-Peter Keitel Otto Kentzler Dr. Walter Koch Dr. Hans-Joachim Körber Friedhelm Loh Dr. Arend Oetker Prof. Dr. Ekkehard Schulz Eggert Voscherau Werner Wenning

Präsidium und Vorstand Inhalt

BDA-Vorstand

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Die Präsidenten von BDA und BDI haben sich am 1. November 2006 auf eine engere Kooperation zwischen BDA und BDI verständigt.

Präsidium und Vorstand

Die gemeinsame Erklärung von BDA und BDI lautet im Wortlaut:

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BDA und BDI bilden ein gemeinsames Präsidium und vereinbaren engere organisatorische Zusammenarbeit. 1. BDI und BDA werden künftig durch gemeinsame Gremien und die Zusammenlegung wichtiger Teile ihrer Organisationen die Zusammenarbeit intensivieren, die Organisation straffen und die Effizienz ihrer Arbeit verbessern. Ziel ist, die Schlagkraft der sozialpolitischen und industriellen Interessenvertretung der Mitglieder durch ein verstärktes Zusammenwirken zu erhöhen. Beide Verbände werden darüber hinaus die jeweiligen spezifischen Stärken ihrer Organisationen auch zukünftig zum gemeinsamen Nutzen einsetzen. BDI und BDA erwarten, dass auch auf Ebene der Mitgliedsverbände sowie der Landesvereinigungen und Landesvertretungen, soweit noch nicht geschehen, eine stärkere Verschränkung der Arbeit erfolgt. 2. BDI und BDA stimmen in den grundlegenden politischen Aussagen überein. Sie gehen von einer gemeinsamen ordnungspolitischen Vorstellung für die Wirtschaftspolitik aus. Die strukturell wichtigsten Unterschiede beider Spitzenverbände bestehen darin, dass der BDI ausschließlich industrielle Interessen auf einer großen Zahl wirtschaftspolitischer Fachgebiete vertritt, während die BDA über die Industrie hinaus auch Handel, Banken, Versicherungen, Handwerk und alle Dienstleistungsbranchen auf dem Gebiet der Sozial- und Tarifpolitik sowie der Bildungspolitik vertritt. Die Aufgabenstellung beider Verbände ist insoweit arbeitsteilig und komplementär. Soweit es thematische Überschneidungen zum Beispiel bei den Themen „Europapolitik“, „Hochschule“, „Forschung“, „Gesellschaftsrecht“ und „Mitbestimmung“, „Arbeitsschutz“ und „CSR“ gibt, hat sich die Zusammenarbeit bewährt und soll ausgebaut werden, um Doppelarbeit auszuschließen.

Die verstärkte Zusammenarbeit dient der gemeinsamen Vertretung politischer Inhalte und Strategien, der abgestimmten Kommunikation gegenüber der Politik und Öffentlichkeit, einer organisatorischen Bündelung von Ressourcen und einem gemeinsamen, einheitlichen Auftritt in Brüssel. 3. Es besteht Übereinstimmung, dass im Interesse der Mitgliedsverbände die Marken BDI und BDA erhalten bleiben. Das industriespezifische Profil der Mitgliedsverbände des BDI wird weiterhin vom BDI, die sozial- und tarifpolitischen Interessen werden von der BDA vertreten. 4. Um die engere Zusammenarbeit organisato­­risch ­umzusetzen, werden folgende Maßnahmen ge­troffen: a) Es wird ein gemeinsames Präsidium aus BDI und BDA gebildet, dem die Präsidenten sowie die Vizepräsidenten beider Organisationen angehören. Der Vorsitz wechselt zwischen den Präsidenten. Das Präsidium gibt sich eine Geschäftsordnung. b) Es finden jährlich gemeinsame Geschäftsführersitzungen der Mitgliedsverbände und Landesvertretungen bzw. Landesvereinigungen von BDI und BDA statt. c) Die arbeitsteilige Ausschussstruktur von BDA und BDI wird regelmäßig auf ihre Komplementarität überprüft. Bei thematischen Überschneidungen behandeln die Ausschüsse von BDA und BDI die Sachverhalte gemeinsam. Die Geschäftsführungen von BDA und BDI erhalten gegenseitig für alle Ausschüsse eine Gastmitgliedschaft. d) Für gemeinsam wahrzunehmende politische Themen werden Projekte festgelegt, die von beiden Verbänden gemeinsam wahrgenommen werden (zum Beispiel EU-Ratspräsidentschaft, Entbürokratisierung, Mitbestimmung, CSR). e) Die Hauptgeschäftsführungen von BDA und BDI werden Abteilungen zusammenfassen, soweit Überschneidungen bestehen bzw. gemeinsam Aufgaben wahrgenommen werden können. Das betrifft zum Beispiel Bereiche aus Organisation und Personal, ­Schule und Hochschule, Europa und Brüssel. f) BDI und BDA gründen eine juristische Einheit, die in Brüssel die Interessen beider Verbände ge-


5. Das gemeinsame Präsidium und die Schaffung gemeinsamer Einrichtungen sind ein erster Schritt einer weiter gehenden Zusammenarbeit. Es wird damit eine Entwicklung eingeleitet, die strukturiert und systematisch weiter gehende Schritte anstrebt. BDI und BDA sind dabei für jede Form einer weiter gehenden Zusammenarbeit bis hin zu einer Fusion von BDA und BDI offen. 6. BDI und BDA werden die Kooperationen mit dem DIHK verstärken und im Haus der Deutschen Wirtschaft die Möglichkeiten zur organisatorischen Zusammenarbeit weiterhin intensiv wahrnehmen und weitere Synergien verwirklichen.

Diese Vereinbarung tritt am 1. Januar 2007 in Kraft.

Dr. Dieter Hundt Jürgen R. Thumann Präsident der Bundesvereinigung Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände der Deutschen Industrie

Präsidium und Vorstand Inhalt

genüber der Kommission, UNICE und der Öffentlichkeit wahrnimmt. Die Steuerung dieser Repräsentanz erfolgt durch die Hauptgeschäftsführer von BDA und BDI. Ziel ist, den Sitz dieser gemeinsamen Vertretung als Mittelpunkt deutscher Wirtschaftsverbände in Brüssel weiter auszubauen. Die Fachabteilungen von BDI und BDA entsenden ergänzend themenbezogen Mitarbeiter in die gemeinsame Vertretung in Brüssel. Die Vertretung von BDI und BDA bei der UNICE (im Rat der Präsidenten und im Exekutivbüro) erfolgt alternierend durch BDI und BDA (zeitgleich BDI-Präsident und BDA-Hauptgeschäftsführer bzw. BDA-Präsident und BDI-Hauptgeschäftsführer).

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In memoriam

Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in langjähriger Mitarbeit verbunden und hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer Sozialpolitik.

In memoriam

Wir gedenken ihrer.

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Dr. Jürgen Heinrichsbauer ehem. Chefredakteur der Zeitschrift „arbeitgeber” der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 2. Januar 2006 Dr. jur. Wolfgang Mack ehem. Hauptgeschäftsführer der Sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden 11. März 2006 Dr. Günther Herzog ehem. Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) 19. März 2006 Dr. Günter Böhme ehem. Rechnungsprüfer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 28. Juli 2006 Dr. h. c. Friedrich G. Conzen ehem. Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels 2. August 2006 Helmut Lübke Mitglied des Präsidiums und des Vorstandes der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 3. Oktober 2006 Hans van den Berg Mitglied des Vorstandes der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 27. November 2006



ORGANIGRAMM Präsident

Tel. +49 30 2033-0 Fax +49 30 2033-1055

Dr. Dieter Hundt

Sekretariat: Ulrike Kümpel-Moderau T F

www.bda-online.de

Hauptgeschäftsführer

Mitglied der Hauptgeschäftsführung

Dr. Reinhard Göhner

Alexander Gunkel ** Sekretariat: Anne-Katrin Biereigel Telefon -1008 Fax -1015 HGF.mail@bda-online.de

Sekretariat: Ulrike Kümpel-Moderau T Janet Valdeig-Ermes T F HGF

Verwaltung und Verbandsorganisation

Soziale Sicherung

Volkswirtschaft, Finanzen, Steuern

Arbeitsrecht

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Ulrich Hüttenbach ** Martin Pulm Katrin Altmann *

Eugen Müller Dr. Volker Hansen Gert Nachtigal Klaudia Buddemeier Dr. Martin Kröger Saskia Osing * Florian Swyter

Ottheinrich Freiherr von Weitershausen * Alexander Haase Dr. Hans-Jürgen Völz

Roland Wolf Dr. Sven-Frederik Balders * Thomas Prinz Dr. Nisha Biswas Kerstin Bordt Kristina Schütt

Dr. Uwe Mazura * Jörg Swane Andreas Groß

Adressverwaltung Thomas Bieche Manuel Schiller Finanzwesen Martin Pulm Gudrun Häntsch Sirpa Ohm Viola Rieche Finanzen.mail@bda-online.de

Sekretariat Cornelia Hentschel Telefon -1950 Fax -1955 Abt_11@bda-online.de

Informations- und Kommunikationstechnik Martin Brüning Thomas Hyrbaczek Christian Seipp Hans-Jürgen Tunze Iuk.mail@bda-online.de

Walter-Raymond-Stiftung (WRSt) Institut für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung (ISWA) Ottheinrich Freiherr von Weitershausen

Personal Astrid Zippel Diana Klich Personal.mail@bda-online.de

Arbeitswissenschaft Norbert Breutmann

Organisation Kornelia Wendt

Redaktion SAE Barbara Braun

Sekretariat Ingrid Schramm, Heike Bozan Carola Wünsche Telefon -1600 Fax -1605 Abt_06@bda-online.de

Sekretariat Ellen Dumschat Telefon -1954 Fax -1955

Sekretariat Simone Scharf, Monika George Manuela Hahn Telefon -1200 Fax -1205 Abt_02@bda-online.de

Verwaltung Sven Kochanowski Verwaltung.mail@bda-online.de Bibliothek Anke Beyer-Stamm Service Frank Halup Astrid Leu Christiane Vannier Sekretariat Janet Wiecker Telefon -1100 Fax -1105 Abt_01@bda-online.de ** Qualitätsmanagementkoordinator * Qualitätsmanagementbeauftragte

info@ISWA-online.de

Sekretariat Claudia Jungkowski Claudia Kurschat Telefon -1800 Fax -1805 Abt_08@bda-online.de


Planung, Koordination, Grundsatzfragen

Telefon -1004 Fax -1005

Büro des Präsidenten und Hauptgeschäftsführers Christina Uhl Sekretariat: Kati Hildebrandt Kristian Schalter ** Telefon -1020 Natalia Stolz Fax -1025 Abt_10@bda-online.de

Mitglied der Hauptgeschäftsführung Peter Clever

Telefon -1007 Telefon -1006 Fax -1005 HGF.mail@bda-online.de

Sekretariat: Beate Murtezani Telefon -1009 Fax -1015 HGF.mail@bda-online.de

Lohn- und Tarifpolitik

Arbeitsmarkt

Bildung / Berufliche Bildung

Europäische Union und Internationale Sozialpolitik

Robert Reichling Dr. Daniela Dunker Rainer Huke * Alexander Wilhelm

Dr. Jürgen Wuttke Ilka Houben Erwin Blasum Dr. Stefan Hoehl Susanne Wittkämper *

Dr. Barbara Dorn Dr. Donate Kluxen-Pyta Julia Gocke Yvonne Kohlmann Susanne Müller Tanja Nackmayr Gerrit Witschaß *

Renate Hornung-Draus Antje Gerstein * Alexandra-F. Prinzessin zu Schoenaich-Carolath Eva Barlage-Melber Angela Schneider-Bodien Stefan Sträßer Matthias Thorns

Sekretariat Susan Peronne Marion Blumauer Telefon -1400 Fax -1405 Abt_04@bda-online.de

Tarifarchiv Freimut Wolny Astrid Bohn

Betriebliche Personalpolitik Carlotta Köster-Brons

Sekretariat Marina Fahrentholtz Telefon -1300 Fax -1305

Sekretariat Doreen Mertens Telefon -1410 Fax -1405

Abt_03@bda-online.de

Abt_04@bda-online.de

Sekretariat Bianca Voyé * Marion Hirte Janine Spolaczyk Friederike von Stein Telefon -1900 Fax -1905 Abt_09@bda-online.de

Büro Brüssel Alexandra-F. Prinzessin zu Schoenaich-Carolath (Leitung) Brigitte De Vita

Sekretariat Katja Finke Allmuth Rudolf Telefon -1500 Fax -1505 Abt_05@bda-online.de

Sekretariat Astrid Schwarz Telefon 0032-2 - 290 03 01 Fax 0032-2 - 290 03 19 Buero_bruessel@bda-online.de Stand: 1. Januar 2007


Impressum

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im Haus der Deutschen Wirtschaft Breite StraĂ&#x;e 29 10178 Berlin Tel. +49 30 2033-1020 Fax +49 30 2033-1025 www.bda-online.de info@bda-online.de Stand 15. Dezember 2006

Gestaltung ariadne & wolf GbR www.ariadneundwolf.de



www.BDA-online.de


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