Geschäftsbericht 2007

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GESCHÄFTSBERICHT

2007


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VORWORT

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ARBEITSMARKT

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ARBEITSRECHT

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TARIFPOLITIK

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SOZIALE SICHERUNG

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BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG

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EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK

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Volkswirtschaft und Finanzen

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GESELLSCHAFTSPOLITIK

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PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

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BDA-ORGANISATION

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IN MEMORIAM

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BDA-ORGANIGRAMM

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Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren, Deutschland hat im zweiten Jahr in Folge einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es mehr als 40 Mio. Erwerbstätige. Die Arbeitslosenzahl erreichte den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. Die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte nimmt ab, das Staatsdefizit geht zurück, die Wirtschaft befindet sich insgesamt in einer robusten Verfassung und wächst solide, wenn auch abgeschwächt. Zur Euphorie besteht gleichwohl kein Anlass. Die Realität ist viel differenzierter. Viele unserer Strukturprobleme sind nach wie vor ungelöst, werden zurzeit nur überdeckt und die gute wirtschaftliche Lage gilt keineswegs für die ganze deutsche Wirtschaft. Im europäischen Vergleich steht Deutschland mit seinem Wachstum nach wie vor nur im Mittelfeld und ist somit weit davon entfernt, den Zug als Wachstumslokomotive anzuführen. Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, die den Aufschwung begleiten: explodierende Energie- und Rohstoffpreise, ein massiver Dollarverfall, Auswirkungen der Finanzmarktkrise und eine sich abschwächende Welthandelskonjunktur. Wir dürfen uns bei den strukturellen Reformen in Deutschland deshalb keinen Stillstand erlauben und schon gar keine Reformrücknahmen, leichtsinnige Experimente wie beim Mindestlohn oder eine neue Verteilungsmentalität. Statt den Aufschwung zur Fortsetzung weiter gehender Strukturreformen zu nutzen, hat die große Koalition aber in diesem Jahr eine Kehrtwende vollzogen und sich zunehmend vom Reformkurs abgewandt, hat notwendige Reformen aufgeschoben, verwässert und sogar zurückgenommen und zusätzliche, unnötige Regulierung geschaffen. In der Arbeitsmarktpolitik ist dies mit der Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältere auf 24 Monate besonders spürbar. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Rendite arbeitsmarktpolitischer Reformen gerade für die Älteren und für die Langzeitarbeitslosen sichtbar wird, nimmt die Politik eines der erfolgreichsten Elemente der Agenda 2010 zurück. Zur erfreulichen konjunkturellen Entwicklung haben in erster Linie die Anstrengungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer beigetragen, zum Teil nach vorherigen Umstrukturierungen und Anpassungsmaßnahmen, die häufig nicht populär waren. Dazu beigetragen hat auch die Tarifpolitik mit einer äußerst variablen Lohnpolitik, mehr Differenzierung zwischen den Branchen und betrieblichen Abweichungsmöglichkeiten innerhalb eines Branchentarifvertrages. Auch wurden einige Weichen zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen gestellt: Allen voran steht die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 %, die die BDA lange Zeit allein gefordert und rechnerisch für möglich gehalten hatte. Damit wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag endlich unter 40 % gesenkt, wenngleich dieser Wert mit der von der Bundesregierung geplanten Reform der Pflegeversicherung und einem Beitragsanstieg Mitte nächsten Jahres bereits wieder überschritten wird. Richtig war auch die Anhebung der Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung auf 67 Jahre, die von der BDA teils gegen den heftigen Widerstand aus der Politik seit vielen Jahren beharrlich gefordert wurde. Auch bei der unbefristeten Fortführung der beitragsfreien Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersvorsorge hat sich die BDA mit einer langjährigen Forderung durchgesetzt. Beim Bürokratieabbau gibt es erste richtige Schritte, die die BDA mit vielen Vorschlägen begleitet. Beim Abbau der Bürokratie ist aber mehr erforderlich als die reine Messung – entscheidend ist die Verringerung der Lasten für die Unternehmen. Ebenfalls mit Sorge sehen wir die Gefahren, die der Tarifautonomie durch die Zersplitterung der Tarifeinheit und durch eine staatliche Lohnpolitik mit branchenbezogenen Mindestlöhnen drohen. Wenn kleine, spezialisierte Spartengewerkschaften aus der betrieblichen Tarifeinheit ausbrechen und ihr Erpressungspotenzial nutzen können, um auf dem Rücken der Gesamtbelegschaft oder gar der gesamten deutschen Wirtschaft ihre Partikularinteressen durchzusetzen, dann steht die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages auf dem Spiel. Der Tarifkonflikt bei der Bahn hat


Vorwort

dies sehr deutlich gemacht. Ebenso deutlich belegt der Fall Post, dass sich die Politik auf einem beschäftigungspolitischen Irrweg befindet und zur Vernichtung von Arbeitsplätzen beiträgt, wenn branchenbezogene Tariflöhne mit gesetzesgleicher Wirkung vorgeschrieben werden. Wenn die große Koalition mit weiteren Gesetzesänderungen, die für das Frühjahr kommenden Jahres geplant sind, ein System branchenbezogener gesetzlicher Mindestlöhne anstrebt, wird das zu erheblichem Schaden auf dem Arbeitsmarkt führen und die Tarifautonomie beschädigen. Wir werden uns dem entschieden entgegenstellen. Der vorliegende Geschäftsbericht informiert Sie über die wichtigsten politischen Schwerpunkte unserer Arbeit im Jahr 2007.

Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer Berlin, im Dezember 2007

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VORWORT ARBEITSMARKT ARBEITSRECHT TARIFPOLITIK SOZIALE SICHERUNG BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK Volkswirtschaft und Finanzen GESELLSCHAFTSPOLITIK PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT BDA-ORGANISATION IN MEMORIAM BDA-ORGANIGRAMM


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Arbeitsmarkt

Nachhaltige Erfolge brauchen konsequenten und konsistenten Reformkurs Der Arbeitsmarkt profitiert weiter vom kräftigen konjunk­turellen Aufschwung. Die Zahl der Arbeitslosen ist ge­genüber 2006 um rd. 700.000 zurückgegangen und lag im Jahresdurchschnitt 2007 nur noch bei rd. 3,8 Mio. Im November wurde sogar der niedrigste Stand seit 14 Jahren erreicht. Darüber hinaus darf aber nicht vergessen werden, dass die seit 2001 verloren gegangenen 1,7 Mio. sozialversicherungspflichtigen Arbeits­plätze gerade erst einmal gut zur Hälfte wieder wettgemacht sind. Auch der viel zu hohe Sockel der Lang­zeit­arbeitslosen schmilzt noch immer zu langsam. Von zuletzt über 5 Mio. Arbeitslosengeld-II-Beziehern sind gerade einmal ein Viertel überhaupt einer Beschäf­ ti­gung – meist sogar nur einem Minijob – nachgegangen. Drei Viertel gehen keiner offiziellen Erwerbsarbeit nach. Das alles ist ein klares Signal für die Politik, dass die gute Arbeitsmarktentwicklung nur nachhaltig werden kann, wenn die Reformpolitik in sich konsequent und konsistent bleibt. Die Regierungskoalition hat mit der von der BDA mit Nachdruck eingeforderten weiteren deutlichen Absen­ kung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 % ab 2008 ohne Zweifel einen wichtigen Schritt getan. Zusammen mit der Senkung des Beitragssatzes von 6,5 % auf 4,2 % Anfang 2007 wird damit der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung praktisch halbiert und erstmals wieder ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag von unter 40 % erreicht. Leider ist durch andere falsche und widersprüchliche Entscheidungen derselben Koalitionsregierung in der Arbeitsmarktpolitik ein schädlicher und vor allem auch langfristig beunruhigender Zickzackkurs eingeschlagen worden. Wichtige Reformen der Agenda 2010 wurden zurückgedreht. Das längere Arbeitslosengeld für Ältere ist nicht nur eine schwere Hypothek für die Arbeitslosenversicherung, sondern auch ar­beits­marktpolitisches Gift und ein Bärendienst für die ver­meintlich Begünstigten. Diese Rolle rückwärts gegen die einhelligen Warnungen aller unabhängigen Wirtschaftsexperten ist umso unverständlicher, als der von der BDA zu Beginn des Jahrzehnts angestoßene Kurswechsel zu mehr Beschäftigung Älterer mittlerweile eine Erfolgsstory geworden ist.

Im Widerspruch zur richtigen Reformpolitik stehen auch die neuen staatlichen Beschäftigungsmaßnahmen für hunderttausende Arbeitslose, mit denen Milliarden Euro verschwendet werden, weil sie nichts anderes sind als alte ABM in neuen Kleidern. Gerade jetzt, wo noch zögerlich, aber immerhin auch mehr langzeitarbeitslose Menschen in den ersten Arbeitsmarkt kommen, kann dies nur als arbeitsmarktpolitische Geisterfahrt bezeichnet werden. Eine komplette Rolle rückwärts findet auch bei der gerade erst mit Hartz IV völlig zu Recht eingeführten systematischen Trennung zwischen der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung und der steuerfinanzierten staatlichen Sozial- und Fürsorgepolitik statt. So werden die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung künftig jedes Jahr system- und wohl auch ver­fas­sungswidrig mit zunächst rd. 5 Mrd. € an der Hälfte der Verwaltungsund Maßnahmekosten im Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II belastet. Nachdem das notwendige „Fordern und Fördern“ im Arbeitslosengeld-II-Bereich vor allem aufgrund der vom Gesetzgeber zu verantwortenden unklaren Verantwortlichkeiten immer noch nicht annähernd ausreichend geleistet wird, ist es geradezu widersinnig, jetzt die Beitragszahler für diese Versäumnisse haften zu lassen, um den Bundeshaushalt zu entlasten. Geradezu grotesk wäre überdies, den Beitragszahlern die Kosten einer neuen Fürsorgeleistung aufzubürden, wie sie in der Koalition mit dem sog. Erwerbstätigenzuschuss angestrebt wird. Eine solche Fürsorgeleistung bedeutete letztlich nichts anderes, als in unserem Sozialstaat jetzt ein Schutzsystem vor einem anderen Schutzsystem zu errichten. Absurder geht es kaum. Statt nach der gerade erst erfolgten Zusammenfassung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe jetzt ein ganz neues, zusätzliches Leistungssystem mit gewaltigem eigenen Bürokratieaufwand zu etablieren, muss die vom Grundansatz her richtige Hartz-IV-Reform vernünftig zu Ende geführt werden. Erforderlich sind die Herstellung klarer Verantwortlichkeiten und die konsequente Etablierung der gleichen Transparenz und der gleichen Steuerungslogik nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit wie im Versicherungszweig der Bundesagentur für Arbeit (BA). Außerdem bedarf es der Beseitigung der Fehlanreize, sich mit einem geringen Hinzuverdienst als Taschengeld in Leistungsbezug und Arbeitslosigkeit einzurichten.


Arbeitsmarkt

seit 2001 waren mit rd. 3,8 Mio. Arbeitslosen im Jahresschnitt 2007 wieder weniger als 4 Mio. Menschen ohne Arbeitsplatz. Gegenüber dem Vorjahr ging damit die Zahl der registrierten Arbeitslosen um rd. 700.000 zurück. Besonders profitiert vom Aufschwung am Arbeitsmarkt haben die Älteren: Die Zahl der Arbeitslosen, die 55 Jahre und älter sind, lag Ende 2007 sogar um über 20 % unter dem Vorjahresniveau.

Zielgerichtete Reformen sind hier gerade auch im Interesse der betroffenen Menschen notwendig, um unsoziale Ausgrenzungen vom Arbeitsmarkt zu vermeiden. Der Erfolg bei der Beschäftigung Älterer hat bewiesen, dass gerade das, was anfangs unpopulär erscheint, letztlich doch für jedermann sichtbar positive Früchte trägt. Die Koalition ist jedoch dabei, sogar das Gegenteil zu tun und durch gesetzlich für verbindlich erklärte, viel zu hohe branchenspezifische Mindestlöhne Menschen mit geringer Produktivität regelrecht vom ersten Arbeitsmarkt auszusperren. Will die Koalition der positiven Arbeitsmarktentwicklung zu nachhaltigem Erfolg verhelfen, muss sie zu einem konsequenten und vor allem konsistenten Reformkurs zurückfinden.

Parallel zum Rückgang der Arbeitslosigkeit hat die Zahl der Beschäftigten im Jahr 2007 zugelegt: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gab es im September mehr als 40 Mio. Erwerbstätige, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kletterte im August erstmals seit 2003 wieder über die ­ 27-Mio.Marke und lag zuletzt bei fast 27,5 Mio. (letztverfügbarer Wert: September). Allerdings ist damit gegenüber dem letzten Aufschwung – im Jahr 2001 gab es über 28 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – erst gut die Hälfte der zwischenzeitlich verloren gegangenen 1,7 Mio. Arbeitsplätze wieder wettgemacht. Noch immer sind fundamentale Reformaufgaben für den Arbeitsmarkt nicht erledigt, teilweise wurden richtige Reformen sogar zurückgeschraubt. Trotz weiterhin hoher Arbeitslosigkeit haben viele Unternehmen Pro-

Aufschwung am Arbeitsmarkt stützen Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt infolge des konjunkturellen Aufschwungs hat sich auch im zweiten Halbjahr 2007 fortgesetzt. Die Arbeitslosenzahl ist weiter spürbar gesunken und erreichte Ende des Jahres (November) den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. Erstmals

Arbeitslose im Jahr 2007: Rückang vor allem bei Beziehern von Arbeitslosengeld 5

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SGB III

SGB II

Arbeitslose in Mio.

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Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2007

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Arbeitsmarkt

bleme, geeignete Arbeitskräfte zu finden, und ein Teil der im Jahresdurchschnitt 1,1 Mio. offenen Stellen am ersten Arbeitsmarkt konnte 2007 nicht besetzt werden. Dies alles belegt, dass zu übertriebener Euphorie überhaupt kein Anlass besteht. Besonders negativ muss bewertet werden, dass trotz erster Fortschritte beim Abbau der Arbeitslosigkeit auch im Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II die Zahl Langzeitarbeitsloser und gering Qualifizierter ohne Beschäftigung auf einem inakzeptabel hohen Niveau ver-

harrt: Während es Ende 2007 über ein Viertel weniger arbeitslose Arbeitslosengeldbezieher gab als im Vorjahr, sank die Zahl der Arbeitslosen, die die staatliche Fürsorgeleistung beziehen, um weniger als 10 %. So erfreulich es ist, dass sich die gute Konjunktur inzwischen auch hier positiv auswirkt – ohne eine breit angelegte, wirklich offensive Aktivierungs- und Vermittlungsstrategie der Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen und ohne Beseitigung fortbestehender gesetzlicher Fehlanreize beim Arbeitslosengeld II kann es kaum gelingen, die Zahl vor allem der langfristig Arbeitslosen nachhal-

Zunehmende Fachkräfteengpässe gefährden den Aufschwung Obgleich die Arbeitsmarktstatistik im Jahr 2007 noch immer durchschnittlich rd. 3,8 Mio. Arbeitslose gezählt hat, haben angesichts des konjunkturellen Aufschwungs viele Unternehmen in Deutschland zunehmend Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Dies gilt vor allem für Tätigkeiten, die qualifizierte Fachkräfte erfordern. Zwar ist bislang nach wie vor noch kein genereller Fachkräftemangel zu verzeichnen, in einigen Branchen und Regionen sind jedoch Fachkräfteengpässe bereits deutlich spürbar geworden. Besonders offensichtlich sind die bestehenden Fachkräfteengpässe bei Ingenieuren: Nach neuesten Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), die im Herbst 2007 vorgestellt wurden, konnten bereits im vergangenen Jahr etwa 48.000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden. Die Unternehmen suchen aber nicht nur Hochschulabsolventen, sondern auch Facharbeiter. Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden, haben dabei vor allem Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie. Hier gibt es in einigen Berufen im bundesweiten Durchschnitt bereits mehr offene Stellen als registrierte Arbeitslose – so z. B. bei Drehern, Schweißern, Elektrikern oder Werkzeugmachern. Daneben gibt es aber z. B. auch bei Werbe- und Dienstleistungskaufleuten einen Stellenüberhang. Hinzu kommen weitere Berufe, bei denen es bereits weniger als drei Arbeitslose pro offener Stelle gibt. Da nach Erfahrungen der Arbeitsvermittlung

ein erfolgreiches „Matching“ bei einer Stellen-Bewerber-Relation von weniger als eins zu drei schwierig ist, kann dies ebenfalls als Indikator für einen Fachkräfteengpass gewertet werden. Fachkräfteengpässe, die mit anziehender Konjunktur und angesichts der demografischen Entwicklung weiter zunehmen werden, bremsen das wirtschaftliche Wachstum und den Aufschwung. Der gesamtwirtschaftliche Wohlstandsverlust infolge der unfreiwilligen Vakanzen im Bereich hochqualifizierter Arbeit belief sich nach aktuellen Untersuchungen des IW Köln bereits im Jahr 2006 auf rd. 18,5 Mrd. € – das entspricht 0,8 % des Bruttoinlandsproduktes. Die umfangreichen Anstrengungen der Unternehmen in der Aus- und Weiterbildung allein werden nicht ausreichen, um die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen zu können. Notwendig ist vielmehr zügig eine ausgewogene und schlüssige Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung. Zu deren Eckpunkten muss neben Verbesserungen im Bildungsbereich und weiteren Reformen für den Arbeitsmarkt, die auch auf eine weitere Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmern abzielen müssen, eine stärker an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientierte Zuwanderung gehören. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Fachkräftesicherung“ veröffentlicht. Dieser ist über www.bdaonline.de abrufbar.


Arbeitsmarkt

tig zu senken; schließlich haben Ende 2007 gut 70 % aller Arbeitslosen Arbeitslosengeld II bezogen und waren damit zum Großteil mindestens ein Jahr oder noch länger arbeitslos.

sätzliche Beschäftigungschancen und erschwert es gleichzeitig, dass Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung für unsinnige ­ Arbeitsmarktprogramme verschwendet werden.

Dies dürfte neben der voraussichtlich leichten Konjunkturabkühlung im Jahr 2008 ebenfalls ein Grund dafür sein, dass Wirtschaftsforscher davon ausgehen, dass sich der Abbau der Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr verlangsamen wird. Für 2008 rechnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit durchschnittlich 3,4 Mio. Arbeitslosen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wird 2008 nach den Schätzungen der Forscher nur noch um etwa 270.000 zulegen – für 2007 geht das IAB von einem Plus im Vergleich zum Vorjahr von mehr als 530.000 aus.

Die Beitragssatzsenkung erfolgt mit Augenmaß auf der Grundlage der mittelfristigen Finanzplanung, basierend auf den ökonomischen Eckwerten der Bundesregierung über Wachstum und Beschäftigung. Der öffentlich erweckte Eindruck, die Beitragssatzsenkung treibe die BA im kommenden Jahr wieder in ein Defizit und damit in „alte Zeiten“, ist grob irreführend. Richtig ist zwar, dass Einnahmen und Ausgaben 2008 unterjährig nicht ausgeglichen sein werden. Zum einen ist aber der größte Teil des „Defizits“ die Zuführung von Mitteln in den neuen Versorgungsfonds. Die Arbeitslosenversicherung ist damit der einzige Zweig der Sozialversicherung, der zu Gunsten der künftigen Generation von Beitragszahlern vorausschauend Rücklagen für künftige Pensionsansprüche bildet. Zum anderen kann für die BA ein unge-

Damit wird ganz deutlich: Werden nicht substanzielle Reformen auf den Weg gebracht, um strukturelle Verkrustungen am Arbeitsmarkt aufzubrechen und auch gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose wieder stärker an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen, droht sich der Aufschwung am Arbeitsmarkt schnell abzukühlen.

Weitere kräftige Senkung des BABeitragssatzes auch Erfolg der BDA Die weitere kräftige Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung von 4,2 % auf 3,3 % ab 2008 ist ein großer arbeitsmarktpolitischer Erfolg. Ursprünglich war lediglich eine Senkung auf 3,9 % vorgesehen. Die BDA hatte sich vor dem Hintergrund der positiven Finanzentwicklung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits frühzeitig für 3,2 % als solide Senkungsperspektive eingesetzt. Zusammen mit der erst Anfang 2007 erfolgten – und auch von der BDA mit Nachdruck eingeforderten – Absenkung von 6,5 auf 4,2 % wird damit der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung binnen Jahresfrist praktisch halbiert. Bund und Länder haben versicherungsfremde Leistungen der BA zumindest in Teilen systemgerecht in ihre Finanzierungsverantwortung übernommen und dafür einen Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens zur Verfügung gestellt, was die Beitragssatzsenkung unterstützte. Erstmals wird wieder ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag von unter 40 % erreicht. Dies gibt den Beitragszahlern ihr über­zahltes Geld zurück, schafft zu-

Beschluss des Präsidiums der BDA vom 17. September 2007 – Auszug Das Präsidium der BDA hat in seinem Beschluss zu Arbeitsmarktreformen gefordert:  Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 3,2 % senken  Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung nicht mit neuen versicherungsfremden Ausgaben belasten  Keine neuen unsinnigen staatlichen Beschäftigungsprogramme auflegen  Mängel bei bestehenden öffentlichen Arbeitsgelegenheiten schnell beseitigen Abgesehen von der weitgehend umgesetzten Beitragssatzsenkung bleiben Politik und Gesetzgeber gefordert, Strukturreformen am Arbeitsmarkt voranzubringen, statt mit Beschäftigungsprogrammen und versicherungsfremden Lasten wie dem sog. Eingliederungsbeitrag neue Verwerfungen herbeizuführen.

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Arbeitsmarkt

Eingliederungsbeitrag abschaffen

Der ab 2008 eingeführte „Eingliederungsbeitrag“ ist entschieden abzulehnen. Die Finanzierung von Fördermaßnahmen für erwerbsfähige Fürsorgeempfänger ist eine staatliche Aufgabe, die aus Steuern finanziert werden muss und nicht aus Beiträgen. Zu Recht lehnen auch Bundesrat und Sachverständigenrat den Eingliederungsbeitrag nachdrücklich ab, denn damit wird der Fehler des im Gegenzug abgeschafften Aussteuerungsbetrags sogar noch vertieft. Die Verfassungswidrigkeit des Aussteuerungsbetrags war nach einem von BDA und DGB beauftragten Rechtsgutachten klar belegt. Offensichtlich spielt der Bund mit Einführung des Eingliederungsbeitrags auf Zeit, weil die Überprüfung des neuen Finanzierungstricks zu Lasten der Beitragszahler auch einen neuen Anlauf erfordert. Wenn Gelder der Arbeitslosenversicherung nicht für gesamtgesellschaftliche Zwecke entfremdet werden, kann der Beitragssatz erheblich stärker gesenkt werden. Das trägt bei zu neuen zusätzlichen Arbeitsplätzen und damit noch besseren Beschäftigungschancen für alle. Immerhin entspricht der Eingliederungsbeitrag allein jährlich einem weiteren Beitragssatzsenkungspotenzial von rd. 0,6 Prozentpunkten.

decktes Defizit 2008 schon deshalb gar nicht entstehen, weil sie mit einem Finanzpolster von rd. 18 Mrd. € in das Jahr 2008 einsteigt. Trotz Beitragssatzsenkung wird die BA nach der mittelfristigen Finanzplanung dauerhaft bis 2011 über eine Reserve von fast 14 Mrd. € verfügen – plus dem Versorgungsfonds mit dann über 3 Mrd. €. Die Arbeitgeber setzen sich dafür ein, von den Überschüssen 9 Mrd. € in eine gesonderte Liquiditätsreserve einzustellen, um BA und Beitragszahler auch über eine gewisse Phase konjunktureller Schwäche von Finanzrisiken weitgehend freizustellen. Diese Liquiditätsreserve muss gesetzgeberisch auf genau diesen Zweck hin ausgerichtet werden. Leider missbraucht der Bund die günstige Finanzsituation der Arbeitslosenversicherung in kurzsichtiger Weise

zu einem erneuten tiefen Griff in die Beitragskasse. Mit dem sog. Eingliederungsbeitrag werden ab 2008 jährlich fast 5 Mrd. € aus der Beitragskasse abgezweigt, um damit arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und entsprechende Verwaltungskosten im Fürsorgebereich Arbeitslosengeld II zu finanzieren. Weitere versicherungsfremde Leistungen in Höhe von fast 300 Mio. € jährlich bürdet der Bund der Arbeitslosenversicherung auf, indem er sich ohne Begründung aus der Finanzierung von Arbeitslosengeldansprüchen aus Erziehungszeiten zurückzieht. Eine Politik nach Kassenlage und ohne sachliche Begründung begibt sich in gefährliches Fahrwasser, weil die Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit finanzieller Belastungen und damit auch deren Akzeptanz schwindet. Mit der Erhöhung der versicherungsfremden Lasten in der Arbeitslosenversicherung wird auf Kosten von Beschäftigungschancen Spielraum für Beitragssenkungen verschenkt und auch die mit der Zuführung von einem Mehrwertsteuerpunkt sachgerechte Finanzierung von Fremdleistungen aus Steuermitteln konterkariert. Gerade bei Großsystemen wie der Arbeitslosenversicherung bedarf es der Systemkonformität, um Vertrauen wachsen lassen und Nachhaltigkeit sichern zu können. Gegen die einhellige Expertenmeinung hat die Regierungskoalition auch entschieden, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere wieder zu verlängern. CDU und SPD haben sich von dieser Entscheidung nach den schon schweren Fehlern der Parteitagsbeschlüsse nicht mehr abbringen lassen. Längeres Arbeitslo­sengeld ist eine schwere Hypothek für die Arbeitslosenversicherung und arbeitsmarktpolitisches Gift. Ältere erhalten künftig wieder bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld, nachdem richtigerweise erst Anfang 2006 die Höchstdauer von 32 auf 18 Monate begrenzt worden waren. Statt die günstige Konjunktur zu weiteren Reformen für mehr Beschäftigung zu nutzen, wird die Agenda 2010 damit in einem zentralen Punkt leider wieder zurückgedreht, nachdem sie gerade erst in Kraft getreten war. Die Verlängerung ist ein Rückschlag, den auch Bundesbank und Sachverständigenrat heftig kritisiert haben. Ziel muss die schnelle Beendigung bzw. Verhinderung von Arbeitslosigkeit sein, nicht ein politischer Wettlauf darum, wer noch längere Versorgung bei Arbeitslosigkeit verspricht. Alle Kräfte müssen darauf konzentriert werden, gerade auch Ältere schnell wieder in


Arbeitsmarkt

Rente vorrangig vor Fürsorgeleistung

Ende 2007 wurde intensiv darüber debattiert, wann Langzeitarbeitslose Rente beantragen müssen. Die staatliche Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II ist gegenüber jedem anderen Einkommen und Vermögen absolut nachrangig. Das ist schon deshalb sinnvoll und geboten, weil diese Leistung auch von Menschen über ihre Steuern mitfinanziert wird, die selbst nur ein geringes Einkommen erzielen. Wer durch die Inanspruchnahme einer Rente seine Bedürftigkeit vermeiden kann, muss dies deshalb ebenso tun wie jemand, der über anderes eigenes Einkommen, Vermögen oder die finanzielle Unterstützung eines Partners verfügt. Die Solidargemeinschaft springt nur dann und nur so weit ein, wenn der Einzelne sich nicht selbst helfen kann. Anderenfalls würde paradoxerweise sogar jemand mit hohem Rentenanspruch durch die Steuern von Arbeitnehmern unterstützt, die selbst nur eine geringere Rente erwarten können. Die vorrangige Nutzung der eigenen Renten-

ansprüche als „Zwangsverrentung“ zu bezeichnen, ist in doppelter Weise irreführend: So wird eine Schlechterstellung von Rentenberechtigten suggeriert, obwohl sie in Wirklichkeit mit Berechtigten anderer Einkunftsarten nur gleichgestellt werden. Außerdem wird mit der Anforderung, einen bestehenden Rentenanspruch auch geltend zu machen, niemand vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Im Gegenteil kann jeder Arbeitslose auch nach Rentenbeginn weiter arbeiten. Die BDA tritt dafür ein, dies durch eine Abschaffung der überflüssigen gesetzlichen Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten noch zu fördern. Massiv hat sich die BDA gegen im November 2007 aufgekommene Bestrebungen gewandt, die gesetzlich Ende 2007 auslaufende „58 erRegelung“ – nach der ältere Arbeitslose ab 58 Jahren nicht mehr für die Vermittlung zur Verfügung stehen müssen und trotzdem Leistungen erhalten – doch noch einmal zu verlängern. Dieser Einsatz war erfolgreich.

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Arbeitsmarkt

neue Arbeit zu bringen. Die Zeit dafür ist günstig. Ältere Arbeitslose profitieren vom aktuellen Aufschwung am Arbeitsmarkt mehr als andere. Im zweiten Quartal 2007 lag die Beschäftigungsquote 55- bis 64-Jähriger erstmals über dem von der EU-Kommission für das Jahr 2010 anvisierten Zielwert von 50 % („Lissabon-Ziel“). Auch die Arbeitslosigkeit Älterer ist 2007 kräftig zurückgegangen: Die Zahl der Arbeitslosen über 55 Jahre lag Ende des Jahres um ein Fünftel unter dem Vorjahresniveau – damit war der Rückgang hier sogar stärker als bei der Arbeitslosigkeit insgesamt. Ohne Not wird mit der Verlängerung des Arbeitslosengelds den Beitragszahlern ein Kostenrisiko in Milliardenumfang aufgebürdet. Die Koalition hat zwar beschlossen, dies für die Arbeitslosenversicherung aufkommensneutral umzusetzen. Zu befürchten ist jedoch, dass dies letztlich auf ein Verschleierungsmanöver hinausläuft. Und selbst eine vermeintliche Kostenneutralität würde nichts an der fundamental falschen Weichenstellung beim Arbeitslosengeld ändern, weil längst erwiesen ist, dass längere Arbeitslosengeldansprüche auch zu längerer Arbeitslosigkeit führen und

sich vor allem im Konjunkturabschwung zur teuren Brücke in die Rente entpuppen dürften. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosenversicherung“ sowie den kompakt „Ältere Arbeitnehmer“ veröffentlicht. Beide sind über www.bda-online.de abrufbar.

Fördern und Fordern von Langzeitarbeitslosen statt kontraproduktive Arbeitsmarktprogramme Die Aufwärtsentwicklung am Arbeitsmarkt hat im Lauf des Jahres 2007 erfreulicherweise – wenn auch zögerlich – den Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II erreicht. Es gilt jetzt verstärkt, das weiterhin positive konjunkturelle Umfeld zu nutzen und mehr Langzeitarbeitslosen und geringer Qualifizierten echte Beschäftigungsperspektiven am ersten Arbeitsmarkt zu geben. Auch

Beschäftigungsquote Älterer: Kurswechsel zeigt Erfolge (IN PRozent)

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Hier jeweils die Werte für das zweite Quartal. Quelle: Eurostat, 2007

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Arbeitsmarkt

knapp drei Jahre nach dem Start von Hartz IV ist aber die dazu notwendige Strategie für eine umfassende Aktivierung und gezielte Unterstützung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen noch nicht richtig und flächendeckend in Gang gekommen. Neben fortbestehenden Fehlanreizen im Arbeitslosengeld II bleibt größter Hemmschuh die falsch ausgestaltete Mischverwaltung aus Kommunen und Arbeitsagenturen, die zu mangelnder Transparenz und unklaren Verantwortlichkeiten führt. Weit reichende Initiativen der Bundesregierung, das Arbeitslosengeld II grundlegend zu überarbeiten und tatsächlich den Niedriglohnsektor neu zu ordnen, stehen Ende 2007 auch nach der Arbeit der Koalitionsarbeitsgruppe „AG Arbeitsmarkt“ immer noch aus. Reformbedarf besteht weiterhin beim grundsätzlich richtigen Kombi-Einkommen aus Erwerbseinkommen und aufstockendem Arbeitslosengeld II. Rund die Hälfte der etwa 1,25 Mio. Kombi-Einkommens-Bezieher im Jahr 2007 hat ein eigenes Erwerbseinkommen von weniger als 400 € monatlich angegeben. Es ist offenbar nach wie vor attraktiv, sich nur ein geringes Erwerbsein-

kommen zum Arbeitslosengeld II „hinzuzuverdienen“ und bei viel Freizeit im Leistungsbezug einzurichten. Um solche Fehlanreize zu vermeiden, ist es sinnvoll, bis zu 200 € eigenes Einkommen voll auf die Fürsorgeleistung anzurechnen, wie es der Sachverständigenrat schon 2006 vorgeschlagen hat. Darüber hinaus wäre eine durchgängige Anrechnungsfreistellung von 15 % denkbar. Die BDA setzt sich weiterhin dafür ein, dass für Jugendliche die Regelleistung generell auf 50 % abgesenkt und der volle Leistungssatz (bzw. plus KombiEinkommen) nur gewährt wird, wenn eine Arbeit, Ausbildung oder Fördermaßnahme angenommen wird. Für mehr Arbeitsanreize müssen zudem die Zuschläge zum Arbeitslosengeld II nach dem Bezug von Arbeitslosengeld gestrichen werden, weil diese letztlich höhere Leistungen für Nichtarbeit bedeuten. Völlig überflüssig und arbeitsmarktpolitisch fragwürdig wäre die Einführung einer neuen Parallelleistung zum Arbeitslosengeld II zur Unterstützung von Geringverdienern. Die Koalition hat im Herbst 2007 beschlossen, die Einführung eines sog. Erwerbstätigen-

Aktivierungs- und Vermittlungsstrategie flächendeckend angehen Die passgenaue Arbeitsvermittlung bleibt eine zentrale arbeitsmarktpolitische Herausforderung – sowohl in der Arbeitslosenversicherung als auch im Fürsorgesystem. Während aber im Zuge der BA-Reform bereits entsprechende Konzepte Form annehmen, ist beim Arbeitslosengeld II noch keine klare Strategie zu erkennen. Kernelemente der BA-Strategie sind neben dem Ausbau des Arbeitgeberservice die in diesem Jahr durchgängig etablierten „Handlungsprogramme“, mit denen verbindliche Qualitätsstandards auch für die Aktivierung und Förderung von Arbeitslosen festgelegt werden. Die BDA setzt sich zudem auch im BA-Verwaltungsrat dafür ein, dass die Bundesagentur so weit wie möglich mit privaten Arbeitsmarktdienstleistern zusammenarbeitet. 2007 konnte mit Nachdruck der Arbeitgeber in immerhin zehn Arbeitsagenturen ein Modellversuch zum umfassenden Einsatz von Privaten gestartet werden. Ebenso wird die BA künftig bei der Integration von denjenigen Arbeitslosen, die beson-

ders intensiv betreut werden müssen, verstärkt ganzheitlichen Service bei privaten Dritten einkaufen. Ganzheitliche Konzepte sind vor allem auch im Fürsorgesystem Arbeitslosengeld II notwendig, um Langzeitarbeitslosen und geringer Qualifizierten neue Jobperspektiven am ersten Arbeitsmarkt zu geben. Erfahrungen aus Großbritannien oder den Niederlanden zeigen, dass die erfolgreiche Arbeitsmarktintegration vor allem dort gelingt, wo die öffentliche Arbeitsverwaltung eng mit Privaten kooperiert. Auch in Deutschland gibt es in einigen Regionen durchaus schon ähnliche Ansätze, die jetzt zügig in die Fläche gebracht werden müssen. Im Rahmen von Aktivierung und Unterstützung kann ergänzend der Einsatz öffentlicher Arbeitsgelegenheiten hilfreich sein. Diese müssen aber stets wohldosiert, transparent und kontrolliert eingesetzt werden.

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zuschusses inkl. eines Ausbaus des bürokratischen Kinderzuschlags zu prüfen. Für einen Teil der erwerbstätigen Hilfebedürftigen würde so die Fürsorgeleistung durch andere Solidarleistungen ersetzt. Diskutiert wird, Erwerbstätigen, die mehr als 30 Stunden pro Woche arbeiten und mindestens 800 € (Alleinstehende) bzw. mindestens 1.300 € (Paare) brutto monatlich verdienen, einen Lohnzuschuss von 20 % zum Einkommen zu gewähren. Darüber hinaus soll der Zuschuss sukzessive abgeschmolzen werden. Zudem sollen die Bezugsmöglichkeiten für den bisherigen Kinderzuschlag ebenso wie für das Wohngeld erheblich ausgeweitet werden. In der Diskussion steht auch, im Vergleich zum Arbeitslosengeld II großzügigere Freibeträge bei der Anrechnung von Vermögen und Partnereinkommen einzuführen. Die Kosten für das neue Transfersystem, die offenbar zum größten Teil von den Beitrags-

zahlern zur Arbeitslosenversicherung getragen werden sollen, werden mit jährlich mindestens 1,2 Mrd. € veranschlagt. Es ist zwar richtig, mehr Anreize für Vollzeiterwerbstätigkeit zu schaffen, um ein Einrichten im Leistungsbezug zu verhindern. Einfacher und transparenter wäre hierzu jedoch eine Umgestaltung des Erwerbsfreibetrages beim heutigen Kombi-Einkommen. Auch ist es zwar erfreulich, dass nach bisheriger Planung die neue Transferleistung weiterhin grundsätzlich an die Bedürftigkeit anknüpfen soll. Es ist aber zu befürchten, dass die geplante Ausweitung der Fördergrenzen und Vermögensfreibeträge letztlich zu mehr Leistungsempfängern führt. Dies wäre nicht nur mit erheblichen Finanzierungsrisiken verbunden, sondern würde auch zu einer dauerhaften Subventionierung von Einkommen bis in den Bereich

Aufgaben, Kriterien und Grenzen öffentlich geförderter Beschäftigung Öffentliche Beschäftigung darf nur als Ausnahme unter eng definierten Bedingungen organisiert werden: zur Prüfung von Arbeitsbereitschaft, als streng subsidiäre Gelegenheit zu sinnvoller Betätigung im Interesse der Allgemeinheit und zur Stärkung des Bewusstseins, dass für die Unterstützung mit Arbeitslosengeld II stets auch eine Gegenleistung zu erbringen ist. Arbeitsgelegenheiten dürfen daher nur in absoluter Transparenz und bei einem Vetorecht von Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Beiräten vor Ort eingesetzt werden. Dies ist gesetzlich sicherzustellen. Für einen sinnvollen Einsatz öffentlicher Beschäftigung muss insgesamt gelten:  Einsatz immer nur im Einzelfall auf Basis eines konsequenten Profilings.  Grundsätzlich keine öffentliche Beschäftigung in privaten Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes, da dies zu unkontrollierbaren Verdrängungsprozessen führen würde.  „Gegenleistungsprinzip“, d. h., das „Entgelt“ in öf­fent­licher Beschäftigung, darf die individuelle Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II nicht überschreiten.

 Für Jugendliche unter 25 Jahren muss die Teilnahme an längerfristigen öffentlichen Beschäftigungsmaßnahmen grundsätzlich ausgeschlossen sein.  Keine Ausgestaltung als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, weil ansonsten Arbeitslosen suggeriert wird, einer regulären Beschäftigung nachzugehen.  Einsatz grundsätzlich immer so kurz wie möglich, als Ultima Ratio sollte im Einzelfall unter konsequenter Einhaltung der beschriebenen Grundsätze aber auch eine längere Beschäftigung möglich sein, wenn der Arbeitslose trotz intensiver Bemühungen noch keine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt gefunden hat. Die tatsächliche Arbeitsmarktlage darf nicht länger durch eine irreführende Herausnahme Arbeitsloser in künstlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik geschönt werden. Schon gar nicht dürfen Arbeitslose in solchen Maßnahmen als Beschäftigte gezählt werden. Völlig absurd wäre es auch, Menschen erst über produktivitätsferne Mindestlöhne vom Arbeitsmarkt auszusperren, um sie dann dauerhaft in „künstlicher Beschäftigung“ zu „fördern“.


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von Facharbeitergehältern und damit zu neuen Fehlanreizen führen. Die BDA hat dies in der Diskussion über den Niedriglohnsektor deutlich kritisiert. Völlig inakzeptabel ist außerdem, dass angesichts der positiven Finanzlage der BA auch die Erwerbstätigenzuschüsse systemwidrig aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt werden sollen. Der Bund würde damit zusätzlich zum verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Eingliederungsbeitrag ein weiteres Mal tief in die Kasse der Beitragszahler greifen, um arbeitsmarktpolitische Leistungen im Fürsorgesystem zu finanzieren. Das wirkliche Finanzierungsrisiko für die BA kann bei abflauender Konjunktur schnell auf ein Vielfaches des jetzigen „Schönwetterbetrages“ von 1,2 Mrd. € p. a. anwachsen. Neue Verschiebebahnhöfe in der Arbeitsmarktpolitik zu Lasten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern darf es nicht geben, vielmehr muss der Bund endlich seiner Verantwortung für die überfällige Revision des Fürsorgesystems gerecht werden. Auch dürfen die greifbaren Erfolge der BA-Reform der letzten Jahre, die neben der allgemein guten Konjunktur auch die Grundlage für die deutliche Beitragssatzsenkung in der Arbeitslosenversicherung waren, nicht gefährdet und die BA mit neuen Ausgabeprogrammen wieder dauerhaft in eine finanzielle Schieflage gebracht werden. In die falsche Richtung gehen auch die von der Bundesregierung in diesem Jahr angestoßenen beiden neuen Programme für mehr öffentliche Beschäftigung. Statt Langzeitarbeitslosen echte Beschäftigungsperspektiven zu geben, werden mit künstlicher Beschäftigung in der bereits im Oktober angelaufenen „JobPerspektive“ und im „Kommunal-Kombi“ zusätzlich zu den am Jahresende 2007 bereits bestehenden rd. 360.000 öffentlich geförderten „Jobs“ (vor allem „Ein-Euro-Jobs“ und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) weitere 200.000 vermeintlich „nicht mehr vermittelbare“ Arbeitslose letztlich auf ein beschäftigungspolitisches Abstellgleis geschoben. Interessant ist, dass die Zahl 200.000 „zufällig“ im Wahljahr 2009 erreicht sein soll. Der ganze Politikansatz ist nicht zuletzt deswegen völlig inakzeptabel, weil es wegen der noch immer nicht hinreichend funktionierenden Aktivierung und Vermittlung durch die Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen bislang überhaupt keine präzisen Zahlen darüber gibt, wie viele schwer Vermittelbare

sich tatsächlich unter den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen befinden. Zudem werden gerade mit den neuen Beschäftigungsprogrammen fatale Fehlanreize gesetzt: Die Teilnahme an einer Maßnahme, die vielfach sogar tariflich entlohnt werden soll, ist oft attraktiver als eine reguläre, ggf. auch geringer entlohnte Tätigkeit am ersten Arbeitsmarkt. Darüber hinaus nimmt die Gefahr einer Verdrängung von Arbeitsplätzen am ersten Arbeitsmarkt weiter zu. Dies gilt in besonderem Maße für den geplanten unmittelbaren Einsatz öffentlich geförderter Beschäftigter in privaten Unternehmen, der zu schwerwiegenden Verwerfungen am Arbeitsmarkt führt – potenzielle Stellen am ersten Arbeitsmarkt werden faktisch „verstopft“ und bestehende ungeförderte Arbeitsplätze verdrängt und damit letztlich sogar Beschäftigungschancen für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose vernichtet. BDA und ZDH haben im August 2007 in einem gemeinsamen öffentlichen Aufruf die Verantwortlichen in der Politik eindringlich vor einer Ausweitung der öffentlichen Beschäftigung gewarnt. Beide Verbände haben dabei noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen, dass „Job-Perspektive“ und „Kommunal-Kombi“ einen Flurschaden am Arbeitsmarkt hinterlassen werden. Auch der Sachverständigenrat hat im Jahresgutachten 2007 den „Kommunal-Kombi“ noch einmal als „äußerst kontraproduktiv“ gebrandmarkt und der Bundesregierung von einer Umsetzung der Pläne abgeraten. Statt sich darauf zu konzentrieren, vermeintlich nicht mehr Vermittelbare aus dem Erwerbsleben auszumustern, muss alles getan werden, um sie dort wieder zu integrieren. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosengeld II“, den kompakt „Kombi-Einkommen“ sowie den kompakt „Ein-Euro-Jobs“ veröffentlicht. Diese sind über www.bda-online.de abrufbar.

Gezielte Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Fachkräfte voranbringen Im Jahr 2007 ist in die Diskussion über eine arbeitsmarktorientierte, gesteuerte Zuwanderung erfreulicherweise wieder Bewegung gekommen. Mit dem 2005 in

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Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz wurden erstmalig Weichen für eine moderne Migrationspolitik gestellt. Nach wie vor besteht aber Verbesserungsbedarf. Positiv ist deshalb, dass auf der Grundlage der BDAForderungen u. a. durch die jüngste Novellierung des Zuwanderungsgesetzes weitere Schritte für eine stärker arbeitsmarktorientierte Zuwanderung erreicht wurden: Seit August 2007 können Selbstständige eine Aufenthaltserlaubnis schon bei einem Investitionsvolumen von 500.000 € (statt bisher 1 Mio. €) und der Schaffung von fünf Arbeitsplätzen (statt bisher zehn) erhalten. Auch für ausländische Studenten an deutschen Hochschulen und osteuropäische Maschinenbau- und Elektroingenieure gestaltet sich der Zugang zum Arbeitsmarkt seit Oktober 2007 einfacher, da in diesen Fällen jetzt auf die bürokratische und zeitintensive individuelle Vorrangprüfung verzichtet wird. Gerade im Hinblick auf die neuen EU-Mitglieder fordert die BDA als weiteren wichtigen Schritt für eine gezielte Öffnung des Arbeitsmarktes, dass die bestehenden Übergangsregelungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit von Arbeitnehmern aus den bereits im Mai 2004 beigetretenen Staaten Mittel- und Osteuropas nach 2009 nicht mehr generell und umfassend verlängert werden. Dies hat das Präsidium der BDA im September 2007 beschlossen. Es sollen nur dort Restriktionen bestehen bleiben, wo punktuelle, branchen- oder regionalspezifisch begründete Begrenzungen notwendig sind. Die Erfahrungen anderer EU-Länder wie beispielsweise Großbritannien und Schweden, die ihre Grenzen bereits zu einem früheren Zeitpunkt geöffnet haben, haben gezeigt, dass durch den zügigen Zugang zum Arbeitsmarkt zahlreiche Hochqualifizierte und qualifizierte Fachkräfte aus den osteuropäischen EU-Ländern angeworben werden konnten. Die Zahlen zur Zuwanderung von Hochqualifizierten belegen hingegen, dass Deutschland bei den ausländischen Fach- und Führungskräften nach wie vor leider noch nicht sehr hoch im Kurs steht. Auch wenn die Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, so nimmt das restriktive Zuwanderungsrecht dabei doch eine wichtige Rolle ein. Notwendig wäre daher, für ­ diese Zielgruppe ein klares positives Signal zu setzen. Bedauerlich ist, dass sich die Koalition immer noch nicht dazu durchgerungen hat, den Zuzug gut ausgebildeter

Migranten durch Absenkung der im Gesetz genannten Mindesteinkommensgrenze von fast 86.000 € pro Jahr zu erleichtern. Die hohe Einkommensanforderung für Hochqualifizierte entspricht dem rd. Dreifachen des deutschen Durchschnittseinkommens und kann selbst von höchstqualifizierten jungen Nachwuchskräften in Deutschland oft nicht erreicht werden. Die Niederlande mit vergleichbaren nationalen Einkommensstrukturen lassen für den Zugang zum Arbeitsmarkt bereits ein Jahreseinkommen von 45.000 € ausreichen. In diesem Zusammenhang ist auch das von der EUKommission unter der Überschrift „EU-Blue-Card“ aus dem Oktober 2007 verfolgte Ziel, eine einfachere, unbürokratischere und flexiblere Lösung im Bereich der Wirtschaftsmigration von Hochqualifizierten zu schaffen, grundsätzlich zu begrüßen. Insbesondere die von der Kommission angeregte Absenkung der Einkommensgrenze für Hochqualifizierte ist sinnvoll. Fallstricke finden sich aber in den juristischen Details des entsprechenden Richtlinienentwurfs. Bei der Einführung neuer Zuwanderungsregelungen auf europäischer Ebene ist es besonders wichtig, dass der Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten nicht so eingegrenzt wird, dass eine vernünftige, bedarfsorientierte und flexible Anpassung der nationalen Regelungen verhindert wird. Da der derzeitige Richtlinienentwurf Regelungen enthält, die es den Mitgliedstaaten verwehren könnten, den Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt flexibel und bedarfsorientiert nach einem Punktesystem zu steuern, kann er in seiner derzeitigen Fassung nicht akzeptiert werden. Die Einführung eines bedarfs- und qualifikationsorientierten Punktesystems, welches bereits in anderen Ländern erfolgreich funktioniert, ist vielmehr richtig und notwendig. Damit kann eine auf die erforderlichen Bedarfe der Wirtschaft abgestimmte Zuwanderung auf der Grundlage bestimmter Auswahlkriterien wie Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse zielgenau gesteuert werden. Im Rahmen von der Politik vorgegebener Kontingente können diejenigen schnell, unbürokratisch und flexibel ausgewählt werden, die dringend gebraucht werden und von denen eine schnelle Integration zu erwarten ist. Insbesondere vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe, der steigenden Zahl nicht besetzbarer Arbeitsplätze und des demografisch


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Unternehmen und Mitarbeiter profitieren von Diversity Management

Demografischer Wandel und Globalisierung sind die entscheidenden Treiber für die zunehmende Bedeutung von Diversity Management in den Unternehmen. Diversity Management ist ein Managementansatz zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Arbeitsumfeldes durch die aktive Wertschätzung von Vielfalt in Belegschaften zur Steigerung des Unternehmenserfolges. Unternehmen, bei denen der Diversity-Ansatz in die Personalpolitik integriert ist, interpretieren die Vielfalt ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als betriebswirtschaftlich relevante Chance für alle Bereiche des Unternehmens. Diversity Management konzentriert sich dabei auf sog. Vielfaltsmerkmale wie Geschlecht, Nationalität, ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Orientierung und Identität. Im Dezember 2006 startete, initiiert durch die Unternehmen Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Deutsche BP und Daimler, die „Charta der Vielfalt“ als „grundlegendes Bekenntnis zum wirtschaftlichen Nutzen von Vielfalt und zu Toleranz, Fairness und

bedingten Rückgangs der inländischen Erwerbsbevölkerung wird ein von der BDA schon lange gefordertes flexibles Punktesystem immer dringlicher. Das im Sommer 2007 von der Bundesregierung vereinbarte Ziel, ein Gesamtkonzept für eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung zu entwickeln, muss ein solches System unbedingt aufgreifen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zuwanderung und Integration“ veröffentlicht. Dieser ist über www.bda-online.de abrufbar.

Wertschätzung von Menschen in Unternehmen und öffentlichen Institutionen“. Im Zusammenhang mit dem nationalen Integrationsplan unterstützt die BDA u. a. die Implementierung der Charta und der ihr zu Grunde liegenden Idee in den Unternehmen, auch vor dem Hintergrund, die spezifischen Kompetenzen von Menschen mit Migrationshintergrund stärker in die betrieblichen Abläufe einzubeziehen. Letztgenannten Zweck verfolgt auch die Kampagne „Vielfalt als Chance“, die das Potenzial von Migrantinnen und Migranten in den Bereichen Ausbildung und Beschäftigung für Wirtschaft und Verwaltung stärker ausschöpfen will. BDA-Präsident Dr. Dieter Hundt ist Botschafter der Kampagne, die BDA engagiert sich darüber hinaus im dazugehörigen Sachverständigengremium. Dieses Forum gilt es insbesondere dafür zu nutzen, alle Beteiligten nachdrücklich an den ökonomischen und ganzheitlichen Charakter von Diversity Management zu erinnern. Vielfalt, auch kulturelle Vielfalt, generiert erst dann Wettbewerbsvorteile für die Unternehmen, wenn betriebswirtschaftlich relevante Fragestellungen ausreichend berücksichtigt werden können.

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VORWORT ARBEITSMARKT ARBEITSRECHT TARIFPOLITIK SOZIALE SICHERUNG BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK Volkswirtschaft und Finanzen GESELLSCHAFTSPOLITIK PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT BDA-ORGANISATION IN MEMORIAM BDA-ORGANIGRAMM

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Reformstillstand im ­Arbeits­ recht beenden – Beschäftigungs­ poten­ziale nutzen

schaft. Dies hat der jüngste Bericht des Weltwirtschafts­ forums eindrucksvoll bestätigt: Die Restriktionen des Arbeitsrechts sind noch vor dem Steuerrecht der größte Negativposten unserer Volkswirtschaft.

Bei der dringend notwendigen Flexibilisierung des Ar­ beitsrechts tritt die große Koalition auf der Stelle. Teil­ weise hat sie im letzten Jahr sogar den Rückwärtsgang eingelegt. Beispiele hierfür sind u. a. das Vorhaben, ei­ nen Pflegezeitanspruch einzuführen, oder die Neurege­ lung einiger Vorschriften im Betriebsverfassungsgesetz durch das sog. Risikobegrenzungsgesetz, das eigentlich der Kapitalmarktregulierung dienen soll.

Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung verstärkt die­ se Tendenz vielfach noch. Wechselnde Entscheidun­ gen führen nicht zu der möglicherweise gewollten Ein­zel­fallge­rechtigkeit, sondern zu immer neuer Rechts­ unsicherheit. Ob Kündigung unbefristeter Arbeitsverhält­ nisse oder die Regulierung befristeter, Teilzeitansprüche oder Mitbestimmungsrechte, die Unvorhersehbarkeit einer Entscheidung macht die Anwendung des ohne­ hin schon undurchschaubaren Rechts vielfach zum Vabanquespiel.

Statt Deregulierung und Flexibilität stehen so immer wieder Bürokratie und neue Einschränkungen auf der Agenda. Der Arbeitsmarkt und damit das Arbeitsrecht bleibt damit die Achillesferse der deutschen Volkswirt­

Zwei Beispiele aus diesem Jahr im Tarifrecht haben dies besonders deutlich gemacht: Der vom Bundesarbeits­


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gericht sanktionierte, gegen die unternehmerische Ent­ scheidungsfreiheit gerichtete Versuch, Tarifverträge mit Sozialplancharakter zu erstreiken, und das Recht, durch Sympathiestreiks auch nicht an den Tarifverhandlungen beteiligte Unternehmen in einen Arbeitskampf zu zie­ hen, führen zu einer weiteren gefährlichen Verschie­ bung der Arbeitskampfmächtigkeit zu Lasten der Arbeit­ geber. Durch diese Entscheidungen wird das deutsche Arbeitskampfrecht deutlich unberechenbarer als bisher. Flexibilität und Rechtssicherheit sind Voraussetzungen für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Mangelnde Flexibilität im Arbeitsrecht – vor allem im Kündigungsschutzrecht – und von der Rechtsprechung geförderte Rechtsunsicherheit schaf­ fen Einstellungshemmnisse. Notwendig sind daher mu­ tige Reformschritte, die sich keinesfalls auf ein „Weiter so“ und das Drehen allenfalls kleiner Stellschrauben beschränken dürfen. Notwendig ist vielmehr der durchgreifende Umbau unserer Arbeitsmarktordnung und damit unseres Arbeitsrechts mit dem Ziel, neue Ar­ beitsplätze zu schaffen.

Arbeitsvertragsrecht beschäftigungsfördernd gestalten Einen Beitrag zu einer solchen Reform kann die Ko­ difikation des Arbeitsvertragsrechts leisten. Dafür darf sich ein solches Vorhaben aber keinesfalls auf eine Kompilation bestehender Gesetze und vorgefundener Rechtsprechung beschränken. Schon gar nicht dür­ fen die ohnehin schon übermäßigen Restriktionen in Gesetz und Rechtsprechung noch weiter ausgebaut werden. Genau darin erschöpft sich aber in vielen Tei­ len der dritte Diskussionsentwurf für ein Arbeitsver­ tragsgesetz, den die Professoren Henssler und Preis im Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Herbst vorgestellt haben. Trotz einer mehr als einjährigen Überarbeitung auf Grundlage zahlreicher Änderungsvorschläge der BDA, aus Verbän­den, Wirtschaft, Wissenschaft und Praxis und vielfältiger Diskussionen sind substanzielle Verbesserungen nicht zu erkennen. Im Gegenteil: In einem so zentralen Punkt wie dem Kündigungsschutz fallen die Überlegungen noch hinter das geltende Recht zurück.

So wird im Entwurf der Schwellenwert für die Gel­ tung des Kündigungsschutzgesetzes nicht mehr an den Betrieb, sondern an das Unternehmen gekop­ pelt, was zu einer gravierenden Ausweitung des Kün­digungsschutzgesetzes führen würde. De facto soll beim Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit als Grundlage für die betriebsbedingte Kündigung auf das Unternehmen, nicht mehr auf den Betrieb abge­ stellt werden. Anknüpfungspunkt für die Betriebsbe­ dingtheit der Kündigung wäre dann grundsätzlich das Unternehmen und nicht mehr wie bisher der Betrieb. Die Suche nach einer Weiterbeschäftigungsmöglich­ keit wird für den Fall, dass eine konzernweite Ver­ setzungsklausel mit dem Arbeitnehmer vereinbart ist, sogar vom Betrieb auf den Konzern ausgedehnt. Unverständlich und unnötig ist die Verlängerung der Klagefrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzkla­ ge von drei Wochen auf einen Monat. Gleiches gilt für die Anhebung der Abfindungshöchstgrenze im Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht auf 18 Monatsverdienste. In seiner jetzigen Form ist der Entwurf daher – trotz sei­ nes bemerkenswerten wissenschaftlichen Ansat­zes – nicht akzeptabel. Eine Versteinerung des Arbeitsrechts auf der Basis des geltenden Rechts und der aktuellen Rechtsprechung mit weiteren gefährlichen Einschrän­ kungen in zentralen Rechtsbereichen gefährdet viel­ mehr Beschäftigung und demotiviert, neue Arbeitsplät­ ze zu schaffen.

Flexibilität verlangt praxisgerechte Befristungs­ möglichkeiten Befristete Arbeitsverträge sind ein Beschäftigungsmotor des deutschen Arbeitsmarktes. Sie bieten Arbeitssuchen­ den einen Erfolg versprechenden Weg für einen Erstoder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Die Neure­ gelung des Rechts der Älterenbefristung, die am 1. Mai 2007 in Kraft getreten ist, beweist, dass die Bundesregie­ rung die Chancen dieses Instruments zur Bekämpfung und Vermeidung von Arbeitslosigkeit noch immer ver­ kennt. Die Attraktivität befristeter Arbeitsverträge muss gesteigert werden. Dies macht umfassende Änderungen im Befristungsrecht notwendig:

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Die Gestaltungsmöglichkeiten der sachgrundlosen Befristung sollten ausgedehnt werden. Dies setzt vor allem eine Ausdehnung des Befristungshöchstzeitraums auf fünf Jahre voraus. Die Möglichkeit der sachgrund­ losen Befristung ist dabei besonders dort zu erweitern, wo Beschäftigungslosigkeit bekämpft werden kann. Der Ansatzpunkt hierfür muss der drohende Eintritt der Ar­ beitslosigkeit sein. Es ist kontraproduktiv, den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit für die Nutzung der Befristung verpflichtend zu machen. Genau dieser Fehler wurde bei der Neuregelung der Älterenbefristung gemacht. Da­ nach kann ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Ar­ beitnehmer, der das 52. Lebensjahr vollendet hat, ohne sachlichen Grund nur dann abgeschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar vorher mindestens vier Monate beschäftigungslos gewesen ist. Das Erforder­ nis einer bereits bestehenden Beschäftigungslosigkeit ist kon­tra­produktiv, weil es erst den Eintritt eines Zustands erfordert, der bekämpft werden soll. Das Ersteinstellungserfordernis bei sachgrundlosen Be­ fristungen muss abgeschafft werden. Seine Abschaffung würde gerade den Berufseinstieg junger, qualifizierter Arbeitskräfte erleichtern, die bereits während ihres Stu­ diums in einem Unternehmen gearbeitet haben, um Pra­ xiserfahrung zu sammeln. Ihnen wird ein erleichterter Berufseinstieg durch ein befristetes Arbeitsverhältnis in Un­ternehmen, in denen sie während des Studiums tätig waren, infolge des Ersteinstellungserfordernisses verwehrt. Der Zweck des Ersteinstellungserfordernisses, Kettenarbeitsverhältnisse zu verhindern, kann durch Einführung einer Wartefrist von sechs Monaten erreicht werden, die zwischen zwei Arbeitsverhältnissen liegen muss. Für eine sog. Prozessbeschäftigung, die bis zum Ab­ schluss von laufenden Kündigungsschutzprozessen er­ folgt, um Verzugslohnansprüche zu vermeiden, sollte das Schriftformerfordernis abgeschafft werden. Es ist praxisfern, dass ein Arbeitgeber mit seinem gekündig­ ten Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses schriftlich abschließt. Ebenso muss die Nichteinhaltung der Schriftform nach Arbeitsaufnahme geheilt werden können, wenn sich die Parteien über die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme einig waren.

Pflegezeitanspruch überflüssig Am 17. Oktober hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) beschlossen, der ein eigenständiges Pflegezeitgesetz enthält. Die erste Lesung im Bundestag hat am 14. De­ zember stattgefunden. Das Gesetz soll am 1. Juli 2008 in Kraft treten. Das Gesetz sieht einen Anspruch für Arbeitnehmer auf unbezahlte vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit mit Rückkehrmöglichkeit für die Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung vor (Pflege­zeit). Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder hatte sich im November letzten Jahres noch für eine Freistellung von bis zu drei Jahren ausgespro­ chen. Durch frühzeitiges Tätigwerden konnte die BDA erreichen, dass der Anspruch nunmehr auf maximal sechs Monate begrenzt ist. Nach dem Referentenent­ wurf des Bundesministeriums für Gesundheit sollte er gegenüber Arbeitgebern mit zehn oder weniger Arbeit­ nehmern gelten. Die BDA konnte erreichen, dass der Anspruch nicht gegen­über Arbeitgebern mit zehn oder weniger Arbeitnehmern besteht. Der Schwellenwert orientiert sich jetzt an den entsprechenden Grenzen im Teilzeit- und Befristungsgesetz und Bundeselterngeldund Elternzeitgesetz. Bisher sieht der Gesetzentwurf eine Ankündigungsfrist von nur zehn Tagen vor, die der Arbeitnehmer einzuhalten hat, wenn er seine Ar­ beitszeit reduzieren oder freigestellt werden will. Die Pflegebedürftigkeit hat er durch Vorlage einer Beschei­ nigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Diens­ tes der Krankenversicherung nachzuweisen. Neben dem Anspruch auf Pflegezeit sieht der Gesetz­ entwurf die Einführung eines Anspruchs auf Freistel­ lung von bis zu zehn Tagen für den Fall der kurzzei­ tigen Arbeitsverhinderung bei einer akut eingetretenen Pflegesituation vor. Die zunächst geplante Einführung eines sog. Pflegeunterstützungsgeldes während der kurzzeitigen Freistellung und eine damit verbundene weitere finanzielle Belastung der Pflegeversicherung konnte die BDA verhindern.


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Bereits die Einführung eines eigenen gesetzlichen Frei­ stellungs- und Teilzeitanspruchs für Fälle der Pflege ist dem Grunde nach überflüssig. Schon heute wird den Bedürfnissen der Arbeitnehmer durch flexible Arbeits­ zeitmodelle und die Möglichkeit von Teilzeitarbeit, Tele­arbeit und Heimarbeit entsprochen. Die Einfüh­ rung eines weiteren Anspruchs darf in keinem Fall zu einer übermäßigen Belastung der Unternehmen mit weiterer Bürokratie führen. Im Hinblick darauf ist eine Ankündigungsfrist von zehn Tagen bei weitem nicht ausreichend. Sie wird den Bedürfnissen einer ordent­ lichen Personalplanung in der Praxis nicht gerecht. Er­ forderlich ist eine Frist von mindestens sieben Wochen entsprechend § 16 Abs. 1 BEEG. Für Fälle akut auftre­ tender Pflegesituationen kann eine Abweichung vorge­ sehen werden. Einen Anspruch auf Pflegezeit dürfen außerdem nur solche Arbeitnehmer haben, die mehr als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. Anderenfalls würde die Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes unterlaufen, weil für den jeweiligen Arbeitnehmer be­ reits ab Ankündigung der Pflegezeit ein umfassendes Kündigungsverbot bestehen soll. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass der sechsmonatige Frei­ stellungsanspruch nicht auf mehrere Freistellungs­ zeiträume verteilt wird. Der Arbeitgeber muss auch die Möglichkeit haben, den Anspruch auf Pflegezeit oder die Verteilung der reduzierten Arbeitszeit abzulehnen, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Eine vor­ zeitige Beendigung der Pflegezeit sollte immer nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich sein. Statt einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung einzuführen, sollte vorrangig auf arbeitsvertraglichem Wege eine Lösung gefunden werden. Jedenfalls sollte zunächst übergesetzlicher Urlaub in Anspruch genom­ men werden müssen, bevor eine Freistellung gefordert werden kann. Darüber hinaus sollte für die Zeit der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung eine Entgeltfortzah­ lung durch den Arbeitgeber ausdrücklich ausgeschlos­ sen werden. Freistellungsansprüche belasten gerade kleine und mitt­ lere Unternehmen mit Bürokratie und Kosten. Grund­ sätzlich sollten daher alle gesetzlichen Ansprüche, die dem Arbeitnehmer einseitig ermöglichen, seine arbeits­ vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu reduzieren, auf Be­ triebe mit mindestens 20 Beschäftigten unter Ausschluss der Auszubildenden beschränkt werden. Jedenfalls aber

sollten abweichende Regelungen vom Pflegezeitgesetz durch die Arbeitsvertragsparteien, zumindest die Tarif­ vertragsparteien, in allen Bereichen möglich sein.

Attraktivität von Langzeitarbeitszeitkonten erhalten Im Juli hat das Bundesministerium für Arbeit und So­ ziales (BMAS) einen ersten Diskussionsentwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung von Rahmenbedingungen der sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeit­ regelungen“ vorgelegt. Der Diskussionsentwurf enthält erhebliche Verschärfungen der geltenden Rechtslage zur Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten. Mit dem Gesetz soll der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD umgesetzt werden. Darin ist die „Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Verwendung und beim Schutz von Langzeitar­ beitszeitkonten“ vereinbart. Dies bedeutet aber auch, dass der Auftrag im Koalitionsvertrag allein Regelungen zu Langzeitarbeitszeitkonten betrifft. Überlegungen des BMAS, die Arbeitszeitflexibilisierung zur Anpassung an Produktions- und Nachfrageschwankungen einzuschrän­ ken, sind davon nicht gedeckt. Es muss sichergestellt bleiben, dass die notwendige Arbeitszeitflexibilisierung zum Ausgleich betrieblicher Konjunkturschwankungen nicht beeinträchtigt wird. Eine solche Beeinträchtigung ist inakzeptabel. Arbeitszeitflexibilität stellt einen zen­ tralen Wettbewerbsvorteil der deutschen Wirtschaft dar. Gerade auf diese Arbeitszeitflexibilität sind die Unter­ nehmen angewiesen, weil sie ein wesentliches Element darstellen, die im internationalen Vergleich sehr kurzen Arbeitszeiten auszugleichen. Bei der Umsetzung der Überlegungen des Ministeriums würde die Bildung von Lebens- und Langzeitkonten in den Betrieben unattraktiv. Deshalb hat die BDA früh­ zeitig und kontinuierlich den zuständigen Ministerien die Problematik dargelegt und auf Änderungen hingear­ beitet. In die Bildung von Positionen zu diesem zentra­ len Thema wurden die Mitgliedsverbände in vielfältiger Weise einbezogen.

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Ein Zwischenziel hat die BDA bereits erreicht. Es wur­ de verhindert, dass die Möglichkeit vollständig abge­ schafft wird, Guthaben auf Arbeitszeitkonten unter bestimmten Umständen in Bausteine der betrieblichen Altersvorsorge umzuwandeln. Nichtsdestotrotz enthält der vorliegende Diskussions­ entwurf zahlreiche kritische Punkte, so z. B.:  Der für die Bildung von Lang- und Lebensarbeits­ zeitkonten zentrale Begriff des „Wertguthabens“ im SGB IV soll teilweise neu bestimmt werden. Hierin besteht das große Risiko, dass auch solche Arbeits­ zeitkonten einbezogen werden, die der Flexibilisie­ rung der betrieblichen Arbeitszeit dienen.  Es sind weitere Einschränkungen vorgesehen, die die Führung von Arbeitszeitkonten bürokratischer ma­ chen und die Anlage- und Sicherungsmöglichkeiten massiv beschränken würden. So soll beispielsweise die Vermögensanlage von Wertguthaben in Aktien, Aktienfonds und Wertpapieren auf 20 % begrenzt werden. Attraktive Wertentwicklungen sind unter die­ ser Vorgabe praktisch ausgeschlossen.  Zudem soll das Wertguthaben in Zukunft getrennt vom Betriebs- und Anlagevermögen des Arbeitgebers zu führen sein. Faktisch führt diese Regelung dazu, dass die Absicherung des Wertguthabens durch eine Bankbürgschaft nicht mehr möglich ist, obwohl dies ein sicheres Insolvenzsicherungsmittel ist.  Die geplante Einführung der Pflicht zur Kontenfüh­ rung in Geld stellt einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Betriebe dar. Die bisher alter­ nativ oder auch parallel mögliche Kontenführung in Geld und/oder Zeit hat sich in der betrieblichen Pra­ xis bewährt.  Außerdem soll ein bestehender Insolvenzschutz nur mit schriftlicher Zustimmung des Arbeitnehmers auf einen anderen Träger der Insolvenzsicherung übertra­ gen werden können. Diese Regelung ist bei großen Teilnehmerzahlen nicht praktikabel.  Schließlich soll auch die beitragsrechtliche Behand­ lung des Arbeitszeitkontos einer Neuregelung unter­ zogen werden. Nach den Plänen des BMAS sollen die neuen Rege­ lungen im Herbst 2008 in Kraft treten.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz belastet die Wirtschaft Bereits nach eineinhalbjährigem Bestehen zeigt sich, dass das AGG die Arbeitgeber mit neuer Bürokratie, er­ heblicher Rechtsunsicherheit und zusätzlichen Kosten belastet. Missbrauchsfälle nehmen deutlich zu. Bürokratie ist insbesondere durch neuen Begründungsund Dokumentationsaufwand z. B. für eingegangene Bewerbungen, geführte Bewerbungsgespräche und sonstige Personalentscheidungen entstanden. Der Rechtfertigungsdruck, der vor allem aus der im Gesetz vorgesehenen Beweislastverteilung zu Lasten des Ar­ beitgebers herrührt, geht zum Teil sogar so weit, dass sich Unternehmen genötigt sehen, AGG-Policen bei Versicherungen abzuschließen, um Schadensersatz­ forderungen entgegenzuwirken. Dadurch entstehen ebenso zusätzliche Kosten wie durch die im Gesetz vorgeschriebenen Schulungen. Diese Kosten und wei­ tere Ausgaben für die Gesetzesimplementierung haben dazu geführt, dass die Unternehmen im ersten Jahr nach Inkrafttreten des AGG mindestens 1,73 Mrd. € zusätzlich ausgegeben haben. Erhebliche Rechtsunsicherheit besteht vor allem bei der Auslegung der vielen unbestimmten Rechtsbegriffe, die im Gesetz verwendet werden. Unklar ist u. a., was „er­ forderliche Maßnahmen“ zum Schutz vor Benachteili­ gungen sind und wie der Arbeitgeber in „geeigneter Art und Weise“ Schulungen durchführen soll. Arbeitgeber werden damit unkalkulierbaren Prozessrisiken ausgesetzt und haben kaum Anhaltspunkte, wie sie sich gesetzes­ konform verhalten sollen. Daneben lässt sich nicht vor­ hersagen, wann eine Differenzierung wegen des Alters noch gerechtfertigt werden kann. Viele Vergünstigungen für ältere Mitarbeiter enthalten zugleich eine Benachteili­ gung Jüngerer, die am Katalog der Rechtfertigungsgründe des § 10 AGG gemessen wird. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung ist zum Teil abenteuerlich. So hat das Arbeitsgericht Osnabrück Kün­ digungen, die im Rahmen einer Massenentlassung unter Verwendung eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochen wurden, für altersdiskriminierend erklärt. Die vom Arbeitgeber zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur nach Altersgruppen durchgeführte Sozi­


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alauswahl hielt das Arbeitsgericht Osnabrück für nicht zu­ lässig, obwohl genau das Gegenteil im Kündigungsschutz­ gesetz steht. Das LAG Niedersachsen hat die Urteile zu Recht aufgehoben und eine Diskriminierung verneint. Das letzte Wort in diesem Rechtsstreit wird das Bundesarbeits­ gericht (BAG) haben. Die Befürchtungen über einen möglichen Rechtsmiss­ brauch durch obskure Vereinigungen und Einzelper­ sonen sind schneller als erwartet eingetreten. Sog. AGGHopper suchen gezielt nach Fehlern in Stellenanzeigen und bewerben sich allein mit dem Ziel, abgelehnt zu werden und den potenziellen Arbeitgeber auf eine Entschädigungszahlung in Anspruch zu nehmen. Die Rechtsprechung ist sich in Bezug auf (enttarnte) AGGHopper einig. Selbst wenn dem Arbeitgeber in einer Stellenausschreibung ein Fehler unterlaufen ist, hat der abgelehnte AGG-Hopper keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung, da es an der subjektiven Ernsthaf­ tigkeit seiner Bewerbung fehlt. Zuletzt hat dies das LAG Baden-Württemberg im August entschieden. Da für Arbeitgeber oft schwer festzustellen ist, ob ein Bewerber ein AGG-Hopper ist, der sich eventuell auch schon in anderen Bundesländern beworben hat, hat die BDA ein Archiv eingerichtet, bei dem AGG-Hop­ per – unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vor­ gaben – sowohl gemeldet als auch abgefragt werden können. Das Archiv steht ausschließlich BDA-Mitglie­ dern zur Verfügung.

In mehreren Fällen ist zumindest eine obskure Vereini­ gung aufgetreten, die angeblich die Interessen benach­ teiligter Personen oder Personengruppen nach dem AGG schützt. Es wurde damit gedroht, dem Bewerber zu raten, Arbeitgeber auf Schadensersatz und Unter­ lassung in Anspruch zu nehmen. Versehen wird das jeweilige Schreiben mit einer Kostennote, mit der der Verein sich für seine Tätigkeit – den Hinweis auf den Verstoß gegen das AGG – bezahlen lassen will. Ein solcher Kostenerstattungsanspruch ist juristisch nicht haltbar. Die BDA erleichtert mit zahlreichen Serviceleistungen ihren Mitgliedern den Umgang mit dem Gesetz. Neben der Veranstaltung von Fachtagungen und Schulungen unmittelbar vor und nach Inkrafttreten des Gesetzes hat die BDA die Broschüre „Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Pflichten – Risiken – Gestal­ tungsmöglichkeiten“ herausgegeben sowie zwei Merk­ blätter – jeweils eines für Mitarbeiter mit und ohne Führungsverantwortung – erstellt. Das AGG wird von der Rechtsprechung ausgelegt. Daher sollten Arbeitge­ ber die neuesten Entscheidungen im Blick haben. Die BDA hat deshalb eine Entscheidungssammlung ange­ legt, die ständig aktualisiert wird und bei Bedarf abge­ rufen werden kann. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Antidiskri­ minierung“ veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de abrufbar.

Verteilung der Gesamtkosten zum AGG nach Kostenblöcken

4 % 1 % 7 % 35 % 22 %

Strategie Schulung Screening, Standards Dokumentation Zusätzl. Aufwand Stammbelegschaft Sonstige

31 % Quelle: Universität Dortmund, Lehrstuhlprojekt im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH

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28

Arbeitsrecht

Mitbestimmung – Modernisierung statt neuer bürokratischer informationspflichten Das geplante Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbe­ dingungen für Kapitalbeteiligungen hat die richtige Ziel­ setzung, Wagniskapitalbeteiligungen zu fördern. Hierzu werden Wagniskapitalgesellschaften bei der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen insbesondere von steuer­ rechtlichen Bürden befreit. Das damit unmittelbar zu­ sammenhängende Gesetz zur Begrenzung der mit Finan­ zinvestitionen verbundenen Risiken soll aber auch neue bürokratische und überflüssige Informationspflichten im Betriebsverfassungsgesetz einführen. Zu den wirtschaft­ lichen Angelegenheiten, über die das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrich­ ten muss, soll auch die Übernahme des Unternehmens gezählt werden, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist.

Teilhabe ermöglichen, diese aber den Arbeitnehmern nicht aufzwingen. Daher sollte die Errichtung eines Be­ triebsrates vom Erreichen eines Wahlquorums abhängig gemacht werden. Ein Betriebsrat sollte nur errichtet wer­ den, wenn sich mindestens ein Drittel der wahlberech­ tigten Arbeitnehmer an der Wahl beteiligt. Die Dauer der Mitbestimmungsverfahren verzögert oft die Umsetzung geplanter Vorhaben und führt zu erhöh­ ten Kosten für die Unternehmen. Deswegen müssen die Mitbestimmungsverfahren beschleunigt werden. Eine allgemeine Beschleunigungsvorschrift sollte dem Arbeitgeber vorläufige Entscheidungen ermöglichen. Auch die Einigungsstellenverfahren müssen durch die

Betriebliche Mitbestimmung: Eigenregie erwünscht So viel Prozent der Befragten wünschen sich folgende Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz Geschäftsführung

Änderungen in der Gesellschafterstruktur, die unmittelbare Auswirkungen für die Betriebe und ihre Arbeitnehmer ha­ ben, werden bereits heute von den Informationspflichten des Betriebsverfassungsgesetzes umfasst, so dass keinerlei Neuregelung erforderlich ist. Vielmehr sind die geplanten Änderungen ein weiterer Schritt in Richtung einer Aufhe­ bung der Grenzen zwischen rein gesellschaftsrechtlichen Vorgängen und solchen, von denen Arbeitnehmer und Betrieb unmittelbar betroffen sind. Dies gilt vor allem dann, wenn – wie geplant – von der Informationspflicht auch Bieterverfahren umfasst werden, die einer Unterneh­ mensübernahme oder -beteiligung vorangehen. Auf diese Weise wird das Betriebsverfassungsgesetz mit vielen kleinen Schritten weiter bürokratisiert und mit Detailpflichten überfrachtet. Richtig und erforderlich wäre aber ein großer Schritt in Richtung Flexibilisierung und Verhandlungsoffenheit. Betriebliche Mitbestimmung muss schnell, flexibel und passgenau sein. Flexible Regelungen sollten schnelle Ent­ scheidungen im Interesse von Betrieben und Belegschaft fördern. Umfassender als bisher müssen Abweichungen von gesetzlichen Betriebsratsstrukturen ermöglicht wer­ den. Dabei müssen betriebliche Regelungen tariflichen vorgehen. Betriebliche Mitbestimmung soll gewünschte

Betriebsrat

Beschleunigungsvorschriften in mehr Bereichen erlauben

92

41

Abweichungen generell durch Betriebsvereinbarungen regeln

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Mindestwahlbeteiligung einführen

67

18

Gremien, die Konflikten in Betrie­ ben vorbeugen (z. B. runder Tisch)

59

50

Zwei statt vier Betriebsversamm­ lungen pro Jahr

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Verkürztes Betriebsratswahl­ verfahren abschaffen

48

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Brief- oder elektronische Betriebs­ ratswahl generell zulassen

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41

43/2007 Deutscher Instituts-Verlag Betriebsrat: Gremium; Beschleunigungsvorschriften: erlauben es dem ­Arbeitgeber bislang in wenigen Ausnahmefällen, eine Maßnahme auch gegen den Willen des Betriebsrats durchzuführen, bis ein Gericht endgültig entschieden hat; Befragung von 126 Unternehmen mit 766 Betriebsratsgremien und 719.957 Beschäftigten von Mitte April bis Ende Juli 2007 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)


Arbeitsrecht

Einführung von Fristen beschleunigt werden. Um die Kosten der Einigungsstelle in einem überschaubaren Rahmen zu halten, sollte eine moderate Gebührenord­ nung eingeführt werden. Dadurch kann die Berechen­ barkeit und Vorhersehbarkeit der entstehenden Kosten wesentlich verbessert werden. Die Betriebsverfassung muss umfassend für die technische Entwicklung ge­ öffnet werden. Elektronische Wahlverfahren müssen ebenso zugelassen werden wie die Nutzung moderner Kommunikations- und Konferenztechnik für die Ab­ stimmung im und mit dem Betriebsrat. Grundlegender Flexibilisierungs- und Modernisierungs­ bedarf besteht auch in der Unternehmensmitbestim­

Betriebsräte: meist in Grossunternehmen So viel Prozent der Betriebe mit ... Mitarbeitern hatten im Jahr 2007 einen Betriebsrat Beschäftigte in Betrieben mit Betriebsrat in Prozent aller Beschäftigten dieser Betriebsgröße

12

5 bis 50 7

45

51 bis 100 43

66

101 bis 200 65

mung. Sie muss vereinbarungsoffen nach dem Vorbild europäischer Mitbestimmungsregelungen ausgestaltet werden. Unternehmen und Arbeitnehmer müssen die Möglichkeit erhalten, ein passendes Mitbestimmungs­ system zu vereinbaren. Kommt es zu keiner Vereinba­ rung, kann als Auffangregelung nur eine im europä­ ischen Kontext akzeptable Form der Mitbestimmung Platz greifen. Das ist allenfalls eine Drittelbeteiligung. Durch Vereinbarungslösungen für die Zusammenset­ zung des Aufsichtsrates kann dem Wandel Rechnung getragen werden, in dem sich die deutsche Mitbestim­ mung aufgrund der Entwicklungen des europäischen Gesellschaftsrechts, der internationalen Corporate Go­ vernance und der Verschärfung des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechtssysteme befindet. Erste positive Er­ fahrungen bei der Gründung einer europäischen Gesell­ schaft (SE) zeigen deutlich, dass Vereinbarungsoptionen unternehmensindividuell – z. B. zur Verkleinerung des Aufsichtsrates – genutzt werden können und zu einer besseren Positionierung im Wettbewerb führen. Die von den wissenschaftlichen Mitgliedern der Bieden­ kopf-Kommission entwickelten Vorschläge würden da­ gegen die Isolation der deutschen Mitbestimmung noch verstärken. Dem treten wir entschieden entgegen. BDA und BDI haben daher eine Projektgruppe eingesetzt, die die weitere Entwicklung im Bereich der Mitbestimmung beobachtet und für den Fall gesetzgeberischer Initiati­ ven konkrete Vorstellungen ausarbeitet. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unter­ nehmensmitbestimmung“ und den kompakt „Betriebs­ verfassung“ veröffentlicht. Beide sind unter www.bdaonline.de abrufbar.

88

201 bis 500 79

92

501 und mehr

Europäisches Gesellschaftsrecht – Vielfalt der Gesellschaftsformen

89 Insgesamt

46 11

Betriebe: privatwirtschaftlich, mit mindestens fünf Beschäftigten Quelle: IAB-Betriebspanel

Kapitalgesellschaften gelangen durch die europarecht­ lichen Regelungen zum Gesellschaftsrecht in den Genuss einer größeren Wahlfreiheit. Die europäische Gesell­ schaft (SE) steht bereits im Wettbewerb zu den natio­ nalen Gesellschaftsformen. Im nächsten Jahr will die Eu­ ropäische Kommission darüber hinaus einen Vorschlag für das Statut einer europäischen Privatgesellschaft (EPG)

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30

Arbeitsrecht

vorlegen, die in den Wettbewerb z. B. zur deutschen GmbH oder zur britischen Limited treten soll. Für die Attraktivität dieser Gesellschaftsform wird es von besonderer Bedeutung sein, dass einer schnellen und unkomplizierten Gründung keine Bremsklötze durch Regelungen zur Arbeitnehmerbeteiligung in den Weg gelegt werden. Die Europäische Kommission favorisiert hinsichtlich der Regelungen zur Mitbestimmung das ­Sitzlandprinzip. Besser wäre ein an die SE angelehntes Verhandlungsmodell, allerdings mit einer einheitlichen Auffanglösung, die für die Unternehmensmitbestim­ mung maximal eine Fünftelbeteiligung vorsehen sollte. Außerdem muss ein einheitlicher Schwellenwert für die Verhandlungspflicht von mindestens 500 Arbeitneh­ mern eingezogen werden. Von der Vorlage eines Entwurfs einer Sitzverlegungs­ richtlinie ist die Europäische Kommission inzwischen wieder abgerückt. Begründet wird dies damit, dass bereits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit europaweite Transaktionen und Kooperationen erleichtert wurden.

Bürokratieabbau zügig vorantreiben! Die überbordende Bürokratie ist ein zentrales Hemm­ nis für Wachstum und Beschäftigung. Die BDA unter­ stützt das Projekt „Bürokratieabbau und bessere Recht­ setzung“ der Bundesregierung. Die Einführung des Standardkostenmodells, die Schaffung des Normen­ kontrollrats und die Festlegung eines festen Abbauziels gehen in die richtige Richtung. Dies macht der Zwi­ schenbericht der Bundesregierung vom 24. Oktober 2007 deutlich. Der Nationale Normenkontrollrat – der sehr nahe an den seit langem von der BDA geforderten BürokratieTÜV herankommt – hat seit seiner Arbeitsaufnahme im vergangenen Jahr dazu beigetragen, neue bürokra­ tische Belastungen zu vermeiden. Es hat eine heilsame Wirkung, dass die Ministerien die bürokratischen Be­ lastungen aus neuen Gesetzesvorlagen vorab quantifi­ zieren und dem Normenkontrollrat zur Stellungnahme vorlegen müssen.

In einer Datenbank beim Statistischen Bundesamt wurden rd. 11.000 Informations-, Berichts- und Doku­ mentationspflichten zusammengetragen. Seit Beginn des Jahres bis Ende September 2007 wurden auf dieser Grundlage mit dem Standardkostenmodell Bürokratie­ kosten in Höhe von 27 Mrd. € gemessen. Die BDA hat den Prozess durch die Vermittlung von Unternehmen und Experten unterstützt. Das Zwischenergebnis erfasst aber noch immer nicht die vollständige Belastung der Wirtschaft. Alle Infor­ mationspflichten müssen ausnahmslos erfasst werden. Einbezogen werden müssen auch sämtliche Informa­ tionspflichten aus dem Arbeitsrecht. Diese Informa­ tionspflichten, wie z. B. diejenigen aus dem Betriebs­ verfassungsrecht, fallen eindeutig unter die Definition einer Informationspflicht aus dem Gesetz zur Einset­ zung des Nationalen Normenkontrollrats. Darüber hin­ aus müssen auch sämtliche Informationspflichten auf den Prüfstand, die von den Sozialversicherungsträ­ gern vor allem durch das Gesetz auslegende Rund­ schreiben und Verlautbarungen geschaffen werden. Dafür hat sich die BDA nachdrücklich eingesetzt. Entscheidend ist im Weiteren, dass konkrete Konse­ quenzen gezogen und Informationspflichten abgeschafft oder vermindert werden. Der Zwischenbericht der Bun­ desregierung enthält keinen „Fahrplan“ bezüglich kon­ kreter weiterer Abbaumaßnahmen. Die Messung ist gut, die Abschaffung konkreter bürokratischer Belastungen ist aber der entscheidende Erfolgsmaßstab! Die BDA hat da­ für Vorschläge vorgelegt. Schließlich darf über den Abbau von Informations­ pflichten nicht das Ziel aus den Augen verloren werden, das materielle Recht zu vereinfachen. Gerade materielle Vorschriften verursachen vielfach Bürokratie. Auch inso­ weit bedarf es eines umfassenden Entbürokratisierungs­ ansatzes. Die Mittelstandsentlastungsgesetze (MEG I und MEG II) enthalten zwar richtige Ansätze, nämlich geringfügige Erleichterungen in den Bereichen Sozial­ versicherung und Statistik. Sie bleiben jedoch weit hin­ ter den Anforderungen an eine durchgreifende Entbüro­ kratisierung des Arbeits- und Sozialrechts zurück. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Bürokra­ tieabbau“ veröffentlicht. Er ist unter www.bda-online.de abrufbar.


Arbeitsrecht

Bürokratiekosten nach Ressort in Mio. Euro pro Jahr 18.000 16.000 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0

BMF

BMJ

BMG

BMI

BMAS

BMU

BMWi

BMELV

BMVBS

BMFSJ

17.905

4.469

1.500

912

772

633

505

152

55

44

Quelle: Zwischenbericht der Bundesregierung, Oktober 2007

Neues Rechtsdienstleistungsrecht schränkt Vertretungsbefugnis für Verbandsvertreter ein Der Bundestag hat am 11. Oktober das Gesetz zur Neure­ gelung des Rechtsberatungsrechts (Rechtsdienstleistungs­ gesetz) beschlossen. Der Bundesrat hat es am 9. November gebilligt. Damit wird nicht nur das Rechtsberatungsgesetz durch das Rechtsdienstleistungsgesetz ersetzt, es wurden auch Änderungen in einzelnen Verfahrensordnungen be­ schlossen. Die Änderungen treten sieben Monate nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Nach den Neuregelungen im Arbeitsgerichtsgesetz und im Sozialgerichtsgesetz dürfen ehrenamtliche Richter von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften in Zu­ kunft nicht mehr vor dem Spruchkörper des Gerichts, d. h. der Kammer oder des Senats, dem sie angehören, als Parteivertreter auftreten. Im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen hat die BDA zwei Verbesserungen erreicht. Die zunächst auch für Un­ ternehmensvertreter geplante Vertretungsbeschränkung wurde auf Drängen der BDA aus dem Gesetzentwurf ge­ strichen. Zudem sollte das Vertretungsverbot zunächst auf das gesamte Gericht erstreckt werden. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde dieses Vertretungs­

verbot auf den Spruchkörper des Gerichts beschränkt. An Gerichten, an denen ehrenamtliche Richter keinem festen Spruchkörper zugewiesen werden, kann aber ein solches Vertretungsverbot faktisch wie ein Vertretungs­ verbot für das gesamte Gericht wirken. Ehrenamtliche Richter aus dem Bereich der Arbeitgebervereinigungen werden für das Gericht bestellt, an dem auch ihr jewei­ liger Verband seinen Sitz hat. Folglich müsste die Tätig­ keit als ehrenamtlicher Richter in Zukunft – zumindest an den Gerichten ohne feste Kammerzuweisung – auf­ gegeben werden, um weiterhin als Bevollmächtigter vor Gericht auftreten zu können. Dies hat für die Arbeitsfähigkeit der Arbeits- und auch der Sozialgerichte ohne feste Kammerzuweisung gravie­ rende Auswirkungen. Gerichte beklagen bereits heute, dass sich zu wenige Personen für eine ehrenamtliche Tätigkeit vor Gericht finden lassen. Diese Bereitschaft wird durch die Einschränkung der Vertretungsbefugnis weiter abnehmen, wenn mit dem ehrenamtlichen En­ gagement die Konsequenz verbunden wäre, nicht mehr vor demselben Gericht auftreten zu dürfen. Eine Lösung des Problems kann die Umstellung der Zu­ weisungspraxis in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sein. Ehrenamtliche Richter sollten daher in allen Ge­ richtsbezirken einer festen Kammer zugewiesen werden. Die BDA wird sich hierfür nachdrücklich einsetzen.

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VORWORT ARBEITSMARKT ARBEITSRECHT TARIFPOLITIK SOZIALE SICHERUNG BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK Volkswirtschaft und Finanzen GESELLSCHAFTSPOLITIK PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT BDA-ORGANISATION IN MEMORIAM BDA-ORGANIGRAMM


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Tarifpolitik

Tarifjahr 2007 – Unter dem Einfluss der guten Konjunktur Die gute konjunkturelle Entwicklung hat sich 2007 fortgesetzt. Nachdem das reale Bruttoinlandsprodukt 2006 um 2,9 % gestiegen ist, liegt die Schätzung des Sachverständigenrates (SVR) für das diesjährige Wirtschaftswachstum bei 2,6 %. Vor diesem Hintergrund wurden die Tarifverhandlungen 2007 mit Forderungen nach zum Teil kräftigen Lohnsteigerungen belastet. Zwar liegen die erwarteten Tariflohnanhebungen für dieses Jahr nach Angaben des SVR mit durchschnittlich 1,8 % deutlich über dem voraussichtlichen Produktivitätszuwachs 2007 (0,8 %) und über den Anstiegsraten der Tarifverdienste der Vorjahre (2006: 1,1 %, 2005: 1,5 %). Dennoch sind die bisherigen Tarifabschlüsse insgesamt wirtschafts- und beschäftigungspolitisch vertretbar, weil die mit den zum Teil deutlichen Anhebungen der Tarifverdienste verbundenen Kostensteigerungen für die Unternehmen durch weitere Differenzierungen und Flexibilisierungen abgemildert werden konnten.

Die Lohnabschlüsse differieren sowohl nach Regionen als auch nach Branchen erheblich. So lagen die Tariflohnanhebungen in den einzelnen Branchen in einer Bandbreite zwischen 2,0 % (Ernährungsindustrie) und 4,1 % (Metall- und Elektroindustrie) bzw. 4,5 % bei der Deutsche Bahn AG. Den Abschlüssen im industriellen Bereich mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung standen Abschlüsse in konjunkturell weniger gut gestellten Wirtschaftszweigen gegenüber, deren Lohnerhöhungen entsprechend geringer ausfielen. Insofern konnte ein Geleitzug hoher Tarifabschlüsse vermieden werden. Außerdem wurde der betriebliche Gestaltungsspielraum der Unternehmen durch Flexibilisierungsinstrumente bei Entgelt und Arbeitszeit spürbar erweitert. Der SVR hat erneut bestätigt, dass die Tarifparteien mit moderaten und flexiblen Lohnvereinbarungen auch in diesem Jahr einen wichtigen Beitrag zur deutlichen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland geleistet haben.


Tarifpolitik

Moderate Lohnpolitik weiter unverzichtbar In einem wirtschaftlichen Umfeld, das durch einen zunehmenden Strukturwandel gekennzeichnet ist, benötigen die Unternehmen größtmögliche Handlungsspielräume. Ihre Wettbewerbsfähigkeit kann nur gehalten und weiter verbessert werden, wenn sie auf veränderte Rahmenbedingungen wie z. B. gestiegene Rohölpreise reagieren können. Variable Vergütungskomponenten, die die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen an die Wirtschafts-, Finanz- und Ertragslage erhöhen, bleiben daher unerlässlich. Das gilt vor allem auch deshalb, weil die Arbeitskosten unverändert hoch sind. Zwar hat die moderate Lohnentwicklung der letzten Jahre dazu beigetragen, dass die Arbeitskosten in Deutschland zuletzt weniger stark gestiegen sind als in anderen Industrienationen. Aufgrund des deutlich höheren Ausgangsniveaus bleiben jedoch die hohen Arbeitskosten im verarbeitenden Gewerbe mit 32,03 € je geleisteter Stunde (Stand: 2006) weiterhin ein gravierender Standortnachteil und eine große Belastung für die Unternehmen. Im internationalen Vergleich liegen die industriellen Arbeitskosten nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) lediglich in Norwegen (38,07 €) und Schweden (32,81 €) noch höher. Nicht nur in den osteuropäischen Ländern wie Polen (5,16 €) oder Tschechien (6,71 €), sondern auch in den USA (23,94 €) oder Großbritannien (26,32 €) ist Arbeit wesentlich kostengünstiger. Dies macht eine moderate Lohnpolitik nach wie vor unverzichtbar.

Mehr Betriebsnähe durch flexible und differenzierte Entgeltregelungen Erfreulich ist daher insbesondere die zunehmende Verbreitung flexibler Vergütungselemente. Aufgrund der guten Konjunktur wurden 2007 einige Branchen mit überdurchschnittlich hohen Tariflohnsteigerungen konfrontiert. Der damit verbundenen Kostenbelastung konnte dadurch Rechnung getragen werden, dass neben bzw. anstelle einer dauerhaften Anhebung der Tarifsätze nicht tabellenwirksame, laufzeitbezogene Einmalzahlungen

vereinbart wurden. Diese sind in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens durch Öffnungsklauseln überwiegend rein betrieblich abdingbar. Die damit verbundene höhere Flexibilität mit der Möglichkeit zur betrieblichen Kostendämpfung trägt in nicht unerheblichem Maße zur Beschäftigungssicherung bei. Diese Aufteilung der Entgeltsteigerungen in Tabellenanhebung und Einmalzahlung wurde im Frühjahr erneut in der chemischen Industrie vereinbart. Die Beschäftigten erhalten neben der regulären Lohnerhöhung für 13 Monate monatlich 0,7 % des Tarifentgeltes zusätzlich. Je nach wirtschaftlicher Lage der Unternehmen ermöglicht eine Öffnungsklausel abweichende Regelungen über die Höhe und den Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung. In der Schuhindustrie wurde eine Einmalzahlung von 0,5 % des tariflichen Monatsentgeltes für die Laufzeit von 16 Monaten vereinbart, die ebenso rein betrieblich abdingbar ist. Des Weiteren wurden solche Regelungen beispielsweise in die Tarifabschlüsse der Bauwirtschaft (0,4 % für zehn Monate und 0,5 % für weitere zwölf Monate) und des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus (0,4 % für 23 Monate) aufgenommen. In der Metall- und Elektroindustrie ist eine zusätzliche Einmalzahlung von monatlich 0,7 % für die zweite Steigerungsstufe ab Mitte 2008 vorgesehen, die durch freiwillige Betriebsvereinbarung zeitlich um bis zu vier Monate verschoben werden kann. In anderen Wirtschaftszweigen wie etwa der Holz- und Kunststoffverarbeitung oder der Kautschukindustrie wurden pauschale Einmalzahlungen vereinbart. Diese können je nach wirtschaftlicher Lage ebenfalls durch freiwillige Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Höhe und des Auszahlungszeitpunktes abweichend gestaltet werden. Zudem wurden vermehrt Sonderzahlungen wie z. B. das Weihnachtsgeld flexibilisiert. So ist der keramischen Industrie in dem mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag Mitte Februar der Einstieg in die ergebnisorientierte Gestaltung der Jahressonderzahlung gelungen. Im Rahmen eines Optionsmodells kann diese durch freiwillige Betriebsvereinbarung in einer Bandbreite zwischen 80 % und 125 % erfolgsabhängig ausgestaltet werden. Darüber hinaus ist im Bereich der Energieversorgung durch freiwillige Betriebsvereinbarung eine am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bemessene Abweichung vom 13. Monatsgehalt in einer Schwankungsbreite zwischen

35


36

Tarifpolitik

30 % und 100 % möglich. Die Süßwarenindustrie hat das Variabilisierungsvolumen der Jahressonderzahlung je nach wirtschaftlichem Erfolg von bislang +/- 20 % auf +/- 30 % erhöht. Die Tarifabschlüsse 2007 enthalten neben der vorgenannten stärkeren Flexibilisierung von Entgeltbestandteilen auch ein höheres Maß an differenzierter Ausgestaltung. So wurden in zahlreichen Branchen neben Nullmonaten ohne Tarifanhebung auch längere Laufzeiten vereinbart, um den Unternehmen mehr Planungssicherheit zu geben. In der Versicherungswirtschaft wurde eine stärkere Lohnspreizung des Tarifgitters durch neue, beschäftigungsfördernde Einstiegstarife erreicht.

Ausgewählte Tarifabschlüsse im Jahresverlauf Zu Beginn des Jahres erzielte die Deutsche Lufthansa AG mit ver.di ein Tarifergebnis für das Bodenpersonal. In den ersten vier von insgesamt 17 Monaten Laufzeit erhielten die Mitarbeiter eine Einmalzahlung von 525 €. Ab Mai wurden die Tarifentgelte um 3,4 % angehoben. Bereits vorhandene Tarifmaterien wie die Ergebnisbeteiligung, die Vereinbarungen zur Wettbewerbs- und Beschäftigungssicherung sowie die Regelungen zur Altersteilzeit wurden verlängert. Den ersten großen Abschluss der Tarifrunde 2007 vereinbarte die chemische Industrie Anfang März mit der IG BCE. Für den ersten Monat der insgesamt 14-monatigen Laufzeit sieht das Tarifergebnis einen Pauschalbetrag von 70 € vor. Anschließend folgt eine Lohnerhöhung, die sich aus einer tabellenwirksamen Entgeltanhebung von 3,6 % sowie aus einer weiteren, nicht tabellenwirksamen Anhebung von 0,7 % zusammensetzt. Letztere kann aus wirtschaftlichen Gründen rein betrieblich verschoben oder gekürzt werden, aber auch vollkommen entfallen. Begrüßenswert ist ebenfalls, dass 2007 und 2008 in den alten Bundesländern insgesamt 16.800 und in den neuen Bundesländern 1.400 neue Ausbildungsplätze angeboten werden sollen. Damit setzt die chemische Industrie ihr Ausbildungsengagement auf hohem Niveau fort. Vor dem Hintergrund der außerordentlich guten konjunkturellen Lage erklärt sich der Anfang Mai erzielte

Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie. Gegenüber der Tarifanhebung für 2007 von 4,1 %, die einer pauschalen Einmalzahlung von 400 € für die Monate April und Mai folgt, erweist sich die zweite Stufe mit einer Anhebung von 1,7 % ab Juni 2008 und einem nicht tabellenwirksamen Konjunkturbonus von 0,7 % als moderat. Positiv hervorzuheben sind darüber hinaus die lange Laufzeit von 19 Monaten, die den Betrieben Planungs- und Kalkulationssicherheit gibt, sowie die Tatsache, dass der bereits im vergangenen Jahr erfolgreich eingeschlagene Kurs hin zu mehr Entgeltflexibilität – wenn auch in geringerem Umfang – fortgesetzt wurde. So kann die zweite Stufe der Entgeltanhebung für 2008 rein betrieblich bis zu vier Monate verschoben werden. Darüber hinaus vereinbarten die Tarifpartner in der Sozialpartnererklärung „Demografiefeste Personalpolitik“, Gespräche auf Bundesebene über die Auswirkungen einer alternden Gesellschaft auf die Arbeitswelt der Metall- und Elektroindustrie zu führen. Das Schlichtungsergebnis in der westdeutschen Papierindustrie Mitte Mai sieht während der 19-monatigen Laufzeit nach zwei Nullmonaten eine Entgeltanhebung von 3,2 %, eine pauschale Einmalzahlung von 95 € und für die letzten fünf Monate eine weitere Tarifsteigerung von 2,0 % vor. Zur Beschäftigungssicherung und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit können im Einzelfall durch Betriebsvereinbarung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien oder durch einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag befristet abweichende Regelungen getroffen werden. Diese Öffnungsklausel soll 2009 überprüft werden. Darüber hinaus wird der Tarifvertrag über die Altersvorsorge in modifizierter Fassung fortgeschrieben. Zur Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge werden bei Neuverträgen die vermögenswirksamen Leistungen nur noch gezahlt, wenn diese verbindlich für die Altersvorsorge eingesetzt werden. Anfang Juni erzielte die Druckindustrie mit ver.di einen Tarifabschluss über eine Laufzeit von 24 Monaten. Nach drei Nullmonaten folgt eine zweistufige Tariflohnerhöhung von 3,0 % und weiteren 2,1 % ab 2008. Zudem wurde der geltende Altersteilzeittarifvertrag bis zum 31. Dezember 2009 ohne Nachwirkung verlängert. Im Groß- und Außenhandel wurde in Bayern als erster Tarifregion der Branche Ende Juni ein Verhandlungsergebnis erzielt. Nach drei Nullmonaten wurden die Entgelte


Tarifpolitik

Tarifbereich / Beschäftigte

Tariferhöhung in %

Laufzeiten (Gesamtlaufzeit)

Weitere Vereinbarungen / Bemerkungen

Keramische Industrie West (15.02.07) 25.000

3,5

Laufzeitbeginn regional unterschiedl.: 03/07 – 04/07 06/08 – 07/08 2 Nullmonate m. Einmalzahlung (18 Monate)

Zentrale Tarifvereinbarung Einmalzahlung von 100 € Ertragsabhängige Gestaltung der Jahressonderzahlung zwischen 80 und 125 % (durch Betriebsvereinbarung) Vereinbarung von 5 zusätzlichen Ausbildungsplätzen Umwidmung der vermögenswirksamen Leistungen mit zusätzl. AG-Beitrag für die Altersvorsorge Einführung von Langzeitkonten mit Insolvenzsicherung (durch Betriebsvereinbarung)

Chemische Industrie West + Ost (08.03.07) 550.000

3,6

Laufzeitbeginn regional unterschiedl.: 02/07 – 04/07 02/08 – 04/08 1 Nullmonat, zusätzliche Einmalzahlungen (14 Monate)

Einmalzahlung von 70 € für 1 Monat Zusätzliche laufzeitbezogene Einmalzahlung von 0,7 % des Tarifentgelts (13 Monate), Öffnungsklausel ermöglicht abweichende Vereinbarungen zur Höhe und zum Auszahlungszeitpunkt (durch Betriebsvereinbarung) Ausbildung: Fortschreibung des TV „Zukunft durch Ausbildung“ bis Ende 2010, Vereinbarung zur Einrichtung von insgesamt 16.800 (West)/1.400 (Ost) Ausbildungsplätzen für 2007 und 2008

Süßwarenindustrie West (04.05.07) 50.000

2,4 2,3

Laufzeitbeginn regional unterschiedl.: 04/07 – 07/07 03/08 – 06/08 04/08 – 07/08 03/09 – 06/09 (24 Monate)

Zentrale Tarifvereinbarung Erweiterung des Variabilisierungsvolumens der Jahressonderzahlung von 20 % auf 30 % im TV „Zukunftssicherung“, Befristung der Vereinbarungen auf maximal 5 Jahre entfällt MTV-Laufzeit bis Ende Januar 2010

Metall-/Elektroindustrie West + Ost (04.05.07) 3.400.000

4,1 1,7

06/07 – 05/08 06/08 – 10/08 2 Nullmonate, zusätzliche Einmalzahlungen (19 Monate)

Pilotabschluss in Baden-Württemberg Einmalzahlungen von je 200 € für 2 Monate Zusätzliche Einmalzahlungen von je 0,7 % für die Laufzeit der 2. Tarifanhebung (5 Monate), Öffnungsklausel ermöglicht abhängig von der wirtschaftl. Lage Verschie­ ben der 2. Anhebungsstufe und der Einmalzahlung bis zu 4 Monate (durch freiwillige Betriebsvereinbarung) Erklärung der Tarifvertragsparteien, Gespräche zur demografischen Personalentwicklung aufzunehmen

Holz- und Kunststoffe verarb. Industrie West + Ost (ab 14.05.07) 140.000

3,6 2,5

Laufzeitbeginn/Laufzeiten regional unterschiedl. 3 Nullmonate m. Einmal­ zahlungen (24/25 Monate)

Regional unterschiedliche Einmalzahlungen zwischen 200 € und 665 € Öffnungsklauseln ermöglichen abweichende Vereinbarungen zur Höhe und zum Auszahlungsmodus (durch Betriebsvereinbarung)

Papierindustrie West (15.05.07) 45.000

3,2 2,0

05/07 – 04/08 05/08 – 09/08 2 Nullmonate m. Einmalzahlung (19 Monate)

Schlichtungsergebnis Einmalzahlung von 95 € Öffnungsklausel ermöglicht abweichende Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsverbesserung (mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien) Altersvorsorge-TV mit umgewidmeten vermögenswirksamen Leistungen

Druckindustrie West + Ost (o. Bdbg.) (06.06.07) 180.000

3,0 2,1

07/07 – 06/08 07/08 – 03/09 3 Nullmonate (24 Monate)

Verlängerung des Altersteilzeit-TV bis Ende 2009 (ohne Nachwirkung)

Bauwirtschaft West + Ost (20.08.07) 700.000

3,1 1,5 1,6

06/07 – 03/08 04/08 – 08/08 09/08 – 03/09 2 Nullmonate, zusätzliche Einmalzahlungen (24 Monate)

Schlichtungsergebnis (mit ergänzenden Vereinbarungen für Niedersachsen, Schleswig-Holstein) Zusätzliche laufzeitbezogene Einmalzahlungen von je 0,4 % der Monatsentgelte (10 Monate) und 0,5 % für weitere 12 Monate, Öffnungsklausel ermöglicht abweichende Vereinbarungen zur Höhe und zum Auszahlungsmodus (durch Betriebsvereinbarung) Anhebungen der Mindestlöhne West auf 10,70/12,85 € ab September 2008 Keine Anhebung der Ausbildungsvergütungen Ost bei Einrichtung von 300 zusätzlichen Ausbildungsplätzen Anhebung des AG-Beitrags der Zusatzversorgung für 2008 und 2009 um jeweils 0,6 Prozentpunkte (Arbeiter) und 14 € (Angestellte) Absenkung des zusätzlichen Urlaubsgelds ab 2008 um 5 % auf 25 % (Arbeiter), 24 € (Angestellte) als Arbeitnehmerbeitrag zur Finanzierung der Zusatzversorgungskasse Öffnungsklausel ermöglicht beschäftigungssichernde Vereinbarungen mit Entgeltabsen­ kung um 8 % für West durch Haustarifvertrag bzw. firmenbezogenen Verbandstarifvertrag

Versicherungswirtschaft West + Ost (24.11.07) 220.000

3,0 1,6

01/08 – 12/08 01/09 – 09/09 4 Nullmonate m. Einmal­ zahlungen (25 Monate)

2 Einmalzahlungen von 300 € und 3,6 % eines Monatsgehalts Einstiegsentgelte für einfachste Tätigkeiten in den beiden unteren Gehaltsgruppen Ab 2008 Qualifizierungs-Tarifvertrag mit jährlichem Qualifizierungsgespräch Verlängerung der Vereinbarungen zur Altersteilzeit, Arbeitszeit-Flexibilisierung und Absenkung der Wochenarbeitszeit

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Tarifpolitik


Tarifpolitik

tabellenwirksam um 2,4 % zuzüglich monatlicher Pauschalzahlungen von 15,50 € erhöht, gefolgt von einer weiteren tabellarischen Entgeltanhebung von 2,0 % und einer monatlichen Pauschalzahlung von 7,50 € für die letzten zehn Monate der insgesamt 24-monatigen Laufzeit. In den übrigen Tarifgebieten des Groß- und Außenhandels wurden entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen.

Neueinstellungen im Bereich einfacher Bürotätigkeiten wurden zusätzliche, abgesenkte Tarifgruppen geschaffen, um hier positive Beschäftigungsanreize zu setzen. Des Weiteren umfasst der Tarifabschluss einen Tarifvertrag zur Qualifizierung, der insbesondere einen Anspruch auf ein jährliches Qualifizierungsgespräch vorsieht.

Der im Juli für die Deutsche Bahn AG vereinbarte Tarifabschluss mit einer Gesamtlaufzeit von 19 Monaten sieht nach sechs Nullmonaten eine Entgeltanhebung von 4,5 % vor. Weiterhin wurden eine pauschale Einmalzahlung von 600 € und ein Mindestzuwachs des Bruttolohns von 1.600 € für die Laufzeit des Entgeltabschlusses vereinbart. Nicht übernommen wurde dieser Tarifabschluss von der Gewerkschaft der Lokführer (GDL), die für das Fahrpersonal einen eigenständigen Tarifvertrag und Entgeltsteigerungen von über 30 % fordert. Da insbesondere die zentrale Forderung der GDL nach einem eigenständigen Tarifvertrag das gesamte Tarifgefüge der Bahn bedroht, kam es bislang zu keiner Einigung.

Anhaltende Diskussion über Mindestlöhne

Im August gelang in der Bauwirtschaft nach sehr schwierigen Verhandlungen und einem vierwöchigen Arbeitskampf in Niedersachsen und Schleswig-Holstein die nahezu unveränderte Übernahme des zunächst gescheiterten Schlichtungsergebnisses vom 19. Mai 2007. Der Tarifabschluss sieht eine 24-monatige Laufzeit vor, in der nach zwei Nullmonaten eine dreistufige Tabellenanhebung von 3,1 %, 1,5 % und 1,6 % folgt, die mit zusätzlichen, laufzeitbezogenen Einmalzahlungen gekoppelt wird. Die Änderungen gegenüber dem Schlichterspruch sind marginal: So wurde die im Mai vereinbarte Möglichkeit einer bis zu 8 %igen Tariflohnabsenkung nicht nur durch Haustarifvertrag, sondern auch durch firmenbezogenen Verbandstarifvertrag auf alle Westverbände erstreckt. Zur Entlastung der neuen Bundesländer erfolgt dort keine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen, wenn im Vergleich zum Vorjahr am 1. September 2008 zusätzlich 300 Ausbildungsplätze geschaffen werden. Im November haben sich die Versicherungswirtschaft und ver.di auf einen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 25 Monaten geeinigt. Dieser sieht nach vier Nullmonaten eine zweistufige Entgeltanhebung von 3,0 % und danach von 1,6 % vor. Zudem wurde eine Einmalzahlung von 300 € und eine pauschale, gehaltsabhängige Einmalzahlung von 3,6 % eines tariflichen Monatsentgelts vereinbart. Für

Die politische Diskussion war auch 2007 in hohem Maße von der Forderung nach Einführung gesetzlicher Mindestlöhne geprägt. Nachdem sich die Bundeskanzlerin ausdrücklich gegen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen hatte, konzentrierte sich die Forderung auf die Einführung branchenbezogener Mindestlöhne, insbesondere über eine Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf weitere Branchen. Zuletzt war zum 1. Juli 2007 das Gebäudereinigerhandwerk in dieses Gesetz aufgenommen worden. Neben dem Entsendegesetz sind auch das Instrument der Allgemeinverbindlichkeit und insbesondere die Rolle des Tarifausschusses in dem Verfahren zur Allgemeinverbindlich­ erklärung in den Fokus geraten. Das Präsidium der BDA hat deshalb mit Beschluss vom 20. April 2007 noch einmal ausdrücklich den Ausnahmecharakter der Allgemeinverbindlicherklärung hervorgehoben und gleichzeitig Bedingungen formuliert, unter denen aus Sicht der Arbeitgeber eine Allgemeinverbindlicherklärung von Mindestentgelten in Betracht kommen kann.

Fauler „Mindestlohn“-Kompromiss Einen vorläufigen Abschluss fand die Mindestlohndiskussion innerhalb der Koalition mit dem Kompromiss vom 18. Juni 2007. Danach soll weiteren Branchen die Möglichkeit gegeben werden, auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien in das Entsendegesetz aufgenommen zu werden. Außerdem ist vorgesehen, für Bereiche ohne Tarifvertrag oder mit nur geringer Tarifbindung (sog. weiße Flecken) das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen von 1952 zu aktivieren. Auch wenn auf den ersten Blick an beiden Gesetzen nur wenig geändert werden soll, ist dieser Kompromiss mit

39


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Tarifpolitik

erheblichen Gefahren für die Tarifautonomie verbunden: Dies nicht nur, weil das bisherige System der Lohnfindung durch drohende Eingriffe des Verordnungsgebers beeinträchtigt wird. Insbesondere würde mit einem geänderten Mindestarbeitsbedingungengesetz die Grundlage für massive Eingriffe in die positive und negative Koalitionsfreiheit durch staatliche Lohnfestsetzung geschaffen. Höchst problematisch ist zudem, dass in beiden Gesetzen eine Konkurrenzregelung eingefügt werden soll, mit deren Hilfe der Verordnungsgeber anhand von Kriterien den Vorrang eines Tarifvertrages bzw. einer staatlichen Lohnfestsetzung vor einem anderen Tarifvertrag erklären könnte. Mit einer solchen Regelung würde erstmals die Möglichkeit zur staatlichen Tarifzensur geschaffen. Entgegen den ursprünglichen Planungen lagen im Herbst noch keine konkreten Vorschläge für die Umsetzung des Koalitionskompromisses vor. Antworten auf die vielen Fragen, die dieser Kompromiss aufgeworfen hat, wurden damit noch nicht gegeben. Durch die Diskussion über die vorgezogene Aufnahme der Postdienstleistungen in das Entsendegesetz, auf die sich die Koalition verständigt hatte, war das Verfahren ins Stocken geraten. Eines wurde bei der Diskussion über den Post-„Mindestlohn“ aber bereits deutlich: Auch der Weg über Branchenmindestlöhne ist ein Irrweg, der zum Missbrauch der entsprechenden Instrumente einlädt.

Post-„Mindestlohn“ oder: Wie lässt sich Wettbewerb verhindern? Vor dem Hintergrund der Öffnung des Briefmarktes in Deutschland zum 1. Januar 2008 hat die Bundesregierung auf der Kabinettsklausur in Meseberg im August die kurzfristige Aufnahme der Postdienstleister in das Entsendegesetz beschlossen. Dabei war sie von einer Tarifbindung in der Postbranche von über 50 % ausgegangen. Kurz darauf wurde von dem Arbeitgeberverband Postdienste, in dem in erster Linie Unternehmen der Deutsche Post AG organisiert sind, und ver.di ein „Mindestlohn“-Tarifvertrag abgeschlossen und dessen Allgemeinverbindlicherklärung sowie die Aufnahme in das Entsendegesetz beantragt. Das Präsidium der BDA hat sich entsprechend einer Beschlussempfehlung des Lohn- und Tarifpolitischen Ausschusses am 17. September 2007 gegen eine Allge-

meinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages ausgesprochen. Zum einen handelt es sich bei einem Tarifvertrag mit zwei Lohngruppen und Entgelten, die deutlich über den Durchschnittslöhnen der Wettbewerber liegen, nicht um einen „Mindestlohn“, sondern um einen „Monopolsicherungslohn“. Hinzu kommt, dass der Tarifvertrag mit seinem sehr weiten Geltungsbereich in erheblichem Umfang Beschäftigte auch anderer Branchen erfasst hat, beispielsweise aus den Bereichen Spedition und Logistik, Paket- und Expressdienste, Kurierdienste, Einzelhandel sowie mit den Zeitungszustellern vor allem der Zeitungsverlage. Jeder Betrieb und jeder Arbeitnehmer, der mit der Beförderung nur eines Briefes befasst ist, sollte unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Damit war das für eine Allgemeinverbindlicherklärung notwendige 50 %-Quorum nicht erfüllt. Die Wettbewerber der Deutsche Post AG haben sich in dem Arbeitgeberverband „Neue Brief- und Zustelldienste“ zusammengeschlossen. In einer „Aktionsgemeinschaft für Wettbewerb im Postmarkt“ haben sie sich gemeinsam mit anderen betroffenen Branchen gegen den wettbewerbsfeindlichen „Monopolsicherungslohn“ ausgesprochen. Der BDA gelang es, insbesondere mit einer Gemeinsamen Erklärung betroffener Verbände, die Politik davon zu überzeugen, dass das 50 %-Quorum nicht erfüllt ist. Die Ausweitung des Entsendegesetzes auf „Tarifverträge für Briefdienstleistungen“, wie sie vom Bundeskabinett beschlossen und auch schon im Bundestag in erster Lesung behandelt worden war, konnte damit zunächst gestoppt werden. Leider wurde vom Arbeitgeberverband Postdienste und ver.di die damit eröffnete Chance nicht genutzt, unter Einbeziehung aller Beteiligten einen echten Mindestlohntarifvertrag abzuschließen. Ein gemeinsamer Mindestlohntarifvertrag, der nicht über den Durchschnittslöhnen der Wettbewerber liegt, hätte ohne gesetzliche Änderung nach geltendem Recht allgemeinverbindlich erklärt werden können. Stattdessen haben der Arbeitgeberverband Postdienste und ver.di einen lediglich im Geltungsbereich geänderten Tarifvertrag vorgelegt, der mit seinen unverändert hohen Löhnen als Vertrag zu Lasten Dritter den Wettbewerb in dem sich erst öffnenden Briefmarkt verhindern soll. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Mindestlohn“ und den kompakt „Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen“ veröffentlicht. Beide sind über www.bda-online.de abrufbar.


Tarifpolitik

Beschluss des Präsidiums der Bda vom 20. April 2007 Balance in der Tarifautonomie wahren Position der Arbeitgeber zur Mindestlohndebatte

1. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wen-

entgegenzutreten. Nur wenn solche Bedingungen nachgewiesen

det sich gegen jede Form gesetzlich verordneter Mindestlöhne.

sind und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, kann

Der Staat sollte sich aus der Lohngestaltung heraushalten. Die

ein Tarifvertrag ausnahmsweise allgemeinverbindlich sein.

BDA tritt für tariftvertraglich vereinbarte Mindestlöhne ein. Gesetzliche Mindestlöhne sind demgegenüber mit der Tarifautono-

Die Arbeitgebervertreter im paritätisch besetzten Tarifausschuss

mie nicht vereinbar. Die von Gewerkschaften vorgeschlagenen

werden einem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit von Mindest-

Mindestlöhne würden in erheblichem Umfange Arbeitsplätze ge-

lohntarifverträgen grundsätzlich zustimmen, wenn die geltenden

fährden, insbesondere auch in den neuen Bundesländern, weil be-

gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und

troffene Arbeitsplätze entweder ins Ausland verlagert oder in die Schwarzarbeit verdrängt würden. Bei jeder Art von gesetzlichem

 beide Tarifvertragsparteien die Allgemeinverbindlichkeit des Min-

Mindestlohn besteht überdies die Gefahr, dass ständige politische Debatten, insbesondere zu Wahlkampfzeiten, über weitere Erhö-

destlohntarifvertrages wollen,  eine beträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern der Branche erheb-

hungen des Mindestlohnes erfolgen.

lich unter den jeweils geltenden Tariflöhnen beschäftigt werden,  es sich bei dem tarifvertraglich vereinbarten Mindestlohn um die

unterste Lohngruppe der Branche handelt,

Anders als in anderen europäischen Ländern mit zum Teil gesetzlichen Mindestlöhnen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland

 dieser Mindestlohn auch im Verhältnis zu anderen Branchen nicht

eine funktionierende Tarifautonomie, faktisch ein gesetzlich garantiertes Mindesteinkommen und schon heute einen gesetzlichen

überdurchschnittlich hoch ist und  durch die Allgemeinverbindlichkeit keine in der Branche konkur-

Schutz vor sittenwidrigen Löhnen.

rierenden Tarifverträge verdrängt werden.

2. Als verantwortungsvolle Arbeitgeber lehnen wir sittenwidrige Löh-

5. Die Aufnahme weiterer Branchen in das Entsendegesetz kommt

ne strikt ab. Über 1,2 Mio. Betriebe mit 80 % aller Beschäftigten in

in Betracht, wenn unerwünschte soziale Verwerfungen durch Ent-

Deutschland wenden Tarifverträge an und zahlen Tariflöhne. Sie

sendearbeitnehmer nachgewiesen sind und Tarifverträge gelten,

sind von der gesamten Mindestlohndebatte selbst und unmittelbar

die zuvor nach den Regeln des Tarifvertragsgesetzes für allgemein-

gar nicht betroffen, weil für sie tarifliche Mindestlöhne gelten.

verbindlich erklärt wurden. Eine Ausweitung des Entsendegesetzes ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen lehnt die BDA ab. Wir

Einzelvertraglich vereinbarte Löhne in nicht tarifgebundenen Be-

unterstützen damit die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zum

trieben sind schon nach geltendem Recht und gefestigter Recht-

Entsendegesetz.

sprechung unzulässig, wenn der einschlägige Tariflohn oder der regional übliche Lohn um ein Drittel unterschritten wird. Es bedarf

6. Keine der in der aktuellen Diskussion über die Ausweitung des

keiner zusätzlichen, gesetzlichen Regelung zur Absicherung der

Entsendegesetzes genannten Branchen erfüllt derzeit die Bedin-

Rechtsprechung, weil hierzu mit § 138 BGB bereits eine gesetz-

gungen für die Aufnahme in dieses Gesetz.

liche Grundlage besteht.

In der Zeitarbeit werden bedingt durch den Equal-Pay/Treatment-

3. Allgemeinverbindliche Tarifverträge – gegenwärtig sind von über

Grundsatz und dessen Öffnung für Tarifverträge fast flächende-

60.000 Tarifverträgen ca. 500 Tarifverträge allgemeinverbindlich

ckend tarifliche Mindestlöhne gezahlt. Im Übrigen scheidet bei

erklärt – müssen im Rahmen der Tarifautonomie die Ausnahme

konkurrierenden Tarifverträgen, wie sie in der Zeitarbeit beste-

bleiben, denn allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten auch

hen, bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Regelung

gegenüber denjenigen, die nicht tarifgebunden sind. Zur Tarifau-

aus, die willkürlich den Lohn eines Tarifvertrages für allgemein-

tonomie gehört das Recht, nicht Mitglied einer Koalitionspartei zu

verbindlich erklärt und damit die Geltung der übrigen tariflichen

sein und keine Tarifverträge abzuschließen. Deshalb bedarf es für

Löhne außer Kraft setzt.

eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf sog. Außenseiter immer einer besonderen Rechtfertigung unter den bestehenden engen gesetzlichen Voraussetzungen.

Bei allen anderen Branchen fehlt es an bundesweiten Mindestlohntarifverträgen oder Mindestlohnstrukturen, so dass schon aus diesem Grund deren Aufnahme in das Entsendegesetz zurzeit nicht

4. Die BDA sieht die Funktion der Allgemeinverbindlichkeit von Lohn-

in Betracht kommt. Die Bemühungen einiger Arbeitgeberverbände,

und Gehaltstarifverträgen darin, nachgewiesenen unsozialen Lohn-

wettbewerbsfähige Mindestlohntarifverträge in ihren Branchen zu-

und Arbeitsbedingungen bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern

stande zu bringen, werden von der BDA unterstützt.

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Tarifpolitik

Tarifrecht modernisieren, Flächentarifvertrag erhalten Der Flächentarifvertrag sichert die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Er schafft den notwendigen Ausgleich und nimmt eine soziale Befriedungsfunktion wahr. Deutschland ist auf wirtschaftlich tragbare und sozial ausgewogene Tarifregelungen angewiesen. Den Tarifpartnern ist es durch Vereinbarungen zur betrieblichen Differenzierung gelungen, ihren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Flächentarifvertrages zu leisten. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Zulässigkeit von Sozialplan- und Unterstützungsstreiks sowie durch die mit Spartengewerkschaften verbundene Entwicklung festigt sich allerdings der Eindruck, dass bisher anerkannte Grundprinzipien des Tarifrechts ins Rutschen gekommen sind und der Flächentarifvertrag gefährdet ist. Es ist daher höchste Zeit, dass durch den Gesetzgeber eine neue Balance im Tarifrecht geschaffen wird.

Spartengewerkschaften – Gefahr für die Tarifeinheit Zunehmend versuchen spezialisierte Minderheiten von Arbeitnehmern ihre Schlüsselstellung auszunutzen und einen eigenen Tarifvertrag durchzusetzen. So fordert die

Gewerkschaft der Lokführer (GDL) den Abschluss eines Spartentarifvertrages für einen kleinen Teil der Belegschaft der Deutsche Bahn AG, obwohl kurz zuvor ein für alle Beschäftigten geltender Tarifvertrag mit ordentlichen Lohnzuwächsen abgeschlossen worden war. Durch Spartengewerkschaften wird auf diesem Weg immer häufiger der für die betriebliche Praxis wichtige Grundsatz der Tarifeinheit infrage gestellt, nach dem in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag gelten kann. Der Grundsatz der Tarifeinheit ist ein Garant für die tarifliche Friedenspflicht und damit für ein funktionsfähiges Tarifvertragssystem. Er ist wesentliche Voraussetzung zur Sicherung des Betriebsfriedens. Unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte zum Grundsatz der Tarifeinheit haben allerdings zu Rechtsunsicherheit geführt. Da eine schnelle höchstrichterliche Klärung nicht in Sicht ist, ist der Gesetzgeber gefordert, den Grundsatz der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz als zentrales Element des Tarifrechts klarzustellen. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass Streiks nicht von spezialisierten Minderheiten geführt oder angedroht werden dürfen, wenn mit ihnen ein Ziel durchgesetzt werden soll, das nur dieser Minderheit zugute­ kommen soll, die übrige Belegschaft aber durch den Arbeitskampf die Möglichkeit verliert, ihrer Beschäftigung nachzugehen. Solche Streiks sind unverhältnismäßig und durch das Grundgesetz nicht geschützt.


Tarifpolitik

Beschluss des Präsidiums der Bda vom 17. September 2007 Grundsatz der Tarifeinheit erhalten, Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern Das deutsche Tarifvertragssystem hat einen Beitrag dazu geleistet, dass in Deutschland im europäischen Durchschnitt bisher eine relativ geringe Zahl an Arbeitskämpfen zu verzeichnen gewesen ist. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Unterstützungsstreiks und Arbeitskämpfen um Sozialpläne stellt diese positive Grundbewertung erheblich infrage. Daneben beobachten wir mit Sorge die Gefahr einer möglichen Erosion des funktionierenden Systems der Flächentarifverträge durch das Tätigwerden von Gruppierungen, die sich ausschließlich einer Berufsgruppe verpflichtet fühlen (Spartengewerkschaften). Zunehmend versuchen spezialisierte Minderheiten trotz eines alle Beschäftigten umfassenden Tarifvertrages ihre Schlüsselstellung auszunutzen und einen zusätzlichen Spartentarifvertrag durchzusetzen. Mit dem Konkurrenzkampf von Gewerkschaften und einzelnen Mitarbeitergruppen ist die Zahl konkurrierender Tarifforderungen und Tarifverträge sprunghaft angestiegen. Durch diese Entwicklung ergeben sich neue tarif- und arbeitskampfrechtliche Probleme, die ein klarstellendes Eingreifen des Gesetzgebers notwendig machen.  Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern Die Friedensfunktion des Flächentarifvertrags ist für die Tarifautonomie konstitutiv. Der Arbeitgeber muss sich darauf verlassen können, während der Laufzeit eines für alle Beschäftigten geltenden Tarifvertrages keinen Arbeitskampfmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Ohne die Friedenspflicht besteht für die Unternehmen die Gefahr ständiger Tarifauseinandersetzungen oder gar Streiks. Kleine Spartengewerkschaften mit einem hohen Erpressungspotenzial könnten jederzeit Arbeitskämpfe um tarifliche Regelungen führen, die bereits in einem anderen Tarifwerk geregelt sind. Die Motivation nimmt ab, sich den Regelungen eines Tarifvertrags für die ganze Branche oder das gesamte Unternehmen zu unterwerfen. Denn trotz eines geltenden Tarifvertrags muss der Arbeitgeber jederzeit mit Arbeitskämpfen rechnen.  Grundsatz der Tarifeinheit erhalten Bisher war der vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Grundsatz der Tarifeinheit, nach dem in einem Betrieb grundsätzlich nur ein Tarifvertrag mit demselben Geltungsbereich zur Anwendung kommen kann, ein Garant für die Friedenspflicht und damit für ein funktionsfähiges Tarifvertragssystem. Der Grundsatz der Tarifeinheit schließt dabei nicht aus, dass die Tarifvertragsparteien einzelne Beschäftigungsgruppen aus dem Geltungsbereich eines Tarifvertrages herausnehmen und so einer weiteren tarifvertraglichen Regelung – ggf. auch mit einer anderen Gewerkschaft – zugänglich machen können. Der Arbeitskampf einer Spartengewerkschaft ist unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, wenn in einem Betrieb bereits ein alle Beschäftigten umfassender Tarifvertrag gilt. Durch den Grundsatz der Tarifeinheit kommt ein solcher Spartentarifvertrag nicht zur Anwendung. Die mit dem Streik verbundenen Belastungen für das Unternehmen und die Mehrheit der Belegschaft stehen daher außer Verhältnis zu den Vorteilen, die nur für eine Minderheit der Belegschaft Wirkung entfalten sollen.  Betriebliche Praxis braucht Tarifeinheit Auch für die betriebliche Praxis besteht ein großes Bedürfnis nach einer betriebseinheitlichen Anwendung nur eines Tarifvertrages. Eine Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit würde zu zahlreichen nur schwer lösbaren Problemen führen: Der Arbeitgeber müsste beispielsweise die Gewerkschaftszugehörigkeit seiner Arbeitnehmer erfragen, um den richtigen Tarifvertrag anzuwenden. Auch inhaltliche Unterschiede zwischen den einzelnen Tarifverträgen führen zu erheblichen Schwierigkeiten. Bei Arbeitsbedingungen wie beispielsweise der Arbeitszeit lassen sich unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen in einem Betrieb praktisch nicht umsetzen. Schließlich würden beim Umgang mit tarifvertraglichen Öffnungsklauseln und hinsichtlich des Verhältnisses der Tarifverträge zu Betriebsvereinbarungen Probleme entstehen.  Rechtsunsicherheit beseitigen Das Bundesarbeitsgericht hält zwar im Wesentlichen seit 1957 am Grundsatz der Tarifeinheit fest. Unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte zum Grundsatz der Tarifeinheit und zum Streikrecht von Spartengewerkschaften haben aber zu Rechtsunsicherheit geführt. Da eine schnelle höchstrichterliche Klärung nicht in Sicht ist, sollte der Gesetzgeber handeln und durch die Bekräftigung des Grundsatzes der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit fordert das Präsidium der BDA daher den Gesetzgeber auf, im Tarifvertragsgesetz klarzustellen, dass der Grundsatz der Tarifeinheit ein zentrales Element des bestehenden Tarifrechts ist.

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Tarifpolitik

Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern Die Zukunftsfähigkeit des Flächentarifvertrages darf nicht durch die Zulassung von Streiks gegen verbandsangehörige Arbeitgeber infrage gestellt werden. Die in Arbeitgeberverbänden organisierten Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass die Grundsätze des Tarifrechts verwirklicht werden, insbesondere während der Laufzeit eines Tarifvertrages keinen Arbeitskampfmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Ohne die Friedenspflicht nimmt die Motivation ab, sich den Regelungen eines Tarifvertrages zu unterwerfen. Diese negative Entwicklung wird durch die Rechtsprechung des BAG gefördert. So hat das BAG einen Streik um einen sog. Tarifsozialplan als zulässig erklärt. Trotz der gesetzlich geregelten Zuständigkeit der Betriebsparteien gem. §§ 111, 112 BetrVG sah es die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien als nicht beschränkt an. Darüber hinaus wurde vom Gericht erklärt, dass der Umfang einer auf ein tarifvertraglich regelbares Ziel gerichteten Streikforderung keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Auch mit dieser Entscheidung wird deutlich: Das deutsche Tarifrecht muss grundlegend überarbeitet und reformiert werden. Es ist eine gesetzliche Klarstellung notwendig, um die dem Tarifvertrag innewohnende Friedenspflicht zu bewahren und damit die Tarifautonomie zu schützen. Streiks um Tarifsozialpläne untergraben die Friedenspflicht und damit eines der Fundamente der Tarifautonomie in Deutschland. Solche Streiks gefährden zudem notwendige Umstrukturierungen, die zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit der Arbeitsplätze in Deutschland notwendig sind. Ferner muss gesetzlich abschließend klargestellt werden, ob im Fall struktureller Veränderungen im Unternehmen der Betriebsvereinbarung oder dem Tarifvertrag der Vorrang zukommt. Ein Nebeneinander muss gesetzlich ausgeschlossen werden.

Unterstützungsstreiks gefährden Tarifautonomie Mit seiner Entscheidung, dass Unterstützungsstreiks grundsätzlich zulässig sind, stellt das BAG ein weiteres wichtiges Fundament des deutschen Tarifrechts infrage:

Bisher war anerkannt, dass Arbeitskämpfe, die nicht auf den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet sind, grundsätzlich unzulässig sind. Unterstützungsstreiks über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu begrenzen, schafft keine Rechtssicherheit. Das Arbeitskampfrecht verliert damit wichtige Konturen. Arbeitskämpfe können allenfalls durch das Ziel legitimiert sein, Tarifforderungen durchzusetzen, und dürfen nicht auf dem Rücken unbeteiligter Betriebe und zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft ausgetragen werden. Solche Streiks gefährden – wie politische Streiks – den sozialen Frieden und untergraben die Tarifautonomie an entscheidender Stelle.

Beschäftigungsmotor Zeitarbeit Zeitarbeit hat sich zu einem maßgeblichen Beschäftigungsmotor in Deutschland entwickelt: Nach den Mitte Oktober veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren zum Stichtag 31. Dezember 2006 über 630.000 Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Insbesondere zur gegenwärtigen Belebung des Arbeitsmarktes hat die Zeitarbeit maßgebliche Impulse gesetzt. Insgesamt sind im letzten Jahr mehr als ein Viertel aller neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in der Zeitarbeit entstanden – so viele wie in keiner anderen Branche. Der europäische Vergleich zeigt, dass die Zeitarbeit in Deutschland weiteres Wachstumspotenzial hat. Mit 1,5 % liegt der Anteil der in Zeitarbeit Beschäftigten unter dem

Zeitarbeit als Beschäftigungsmotor Tätigkeit der Arbeitnehmer vor Zeitarbeit 8,5 %

15,1 % 32,0 %

44,4 %

vorher 1 Jahr und länger arbeitslos

vorher beschäftigt

vorher weniger als 1 Jahr arbeitslos

noch nie beschäftigt

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2007, Stichtag: 31. Dezember 2006


Tarifpolitik

Zeitarbeit als Wachstumsbranche Anzahl der überlassenen Zeitarbeitnehmer in Tsd.

631 600 464

500 389

400

337 286

300 200

177

200

302

308

2001

2002

327

232

100 0

1996

1997

1998

1999

2000

2003

2004

2005

2006

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2007, Stichtag: 31.Dezember des jeweiligen Jahres

europäischen Durchschnitt von 2,0 % und weit hinter Großbritannien (5,0 %) und den Niederlanden (2,5 %). In Zeiten der Globalisierung haben Unternehmen einen zunehmenden Bedarf an Flexibilität, dem die moderne Beschäftigungsform Zeitarbeit Rechnung trägt. Auf diese Weise sind sie in der Lage, den schwankenden und daher zeitlich begrenzten Bedarf an Personal flexibel zu decken. In diesem Zusammenhang spielt Zeitarbeit auch als Ventil für das ansonsten starre und unflexible deutsche Arbeitsrecht eine große Rolle.

der dazu führt, diesen Beschäftigungsmotor wieder abzuwürgen. Sie geht an den Bedürfnissen der Betriebe vorbei, gefährdet Arbeitsplätze sowohl in der Zeitarbeitsbranche als auch bei den Entleiherbetrieben und nimmt vielen Arbeitslosen die Chance zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt.

Für Arbeitnehmer leistet Zeitarbeit einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung und Überwindung von Arbeitslosigkeit. Sie eröffnet ihnen die Chance zur Qualifizierung durch Beschäftigung. Knapp 70 % der Zeitarbeitnehmer haben durch Zeitarbeit die Chance erhalten, die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Etwa ein Drittel der Arbeitnehmer wechselt aus der Zeitarbeit in das entleihende oder in ein anderes Unternehmen außerhalb der Zeitarbeit. Allerdings stehen die Zeitarbeitsunternehmen wegen des zunehmenden Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften immer mehr vor dem Problem, die notwendigen Fachkräfte zu rekrutieren. Die Themen Ausbildung und Qualifizierung gewinnen daher auch für Zeitarbeitsunternehmen weiter an Bedeutung.

Eine Aufnahme der Zeitarbeitsbranche in das Entsendegesetz ist weder erforderlich noch rechtlich zulässig. Auf nahezu 100 % der Zeitarbeitsverhältnisse finden Tarifverträge Anwendung, so dass keine sozialen Verwerfungen bestehen. Zudem stellt die Aufnahme in das Entsendegesetz und die Allgemeinverbindlicherklärung eines Mindestlohntarifvertrages wegen des Bestehens konkurrierender Tarifverträge einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit des Verbandes dar, dessen Tarifverträge keine Anwendung mehr finden. Die Forderung nach einem Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Tariföffnung steht im Widerspruch zu dem Prinzip, dass Zeitarbeitsunternehmen vollwertige Arbeitgeber sind und Zeitarbeitnehmer auch in überlassungsfreien Zeiten vergütet werden. Im Übrigen würden die Tarifverträge der Zeitarbeit ausgehebelt und so in die Tarifautonomie der Zeitarbeitsverbände eingegriffen. Auch einer Ausweitung der Beteiligungsrechte der Betriebsräte bedarf es nicht, da die Interessen der Zeitarbeitnehmer bereits umfassend geschützt sind.

Eine erneute Beschränkung der Zeitarbeit, wie sie in Teilen der Politik diskutiert wird, ist ein gefährlicher Ansatz,

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zeitarbeit“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

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VORWORT ARBEITSMARKT ARBEITSRECHT TARIFPOLITIK SOZIALE SICHERUNG BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK Volkswirtschaft und Finanzen GESELLSCHAFTSPOLITIK PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT BDA-ORGANISATION IN MEMORIAM BDA-ORGANIGRAMM

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Soziale Sicherung

Wirtschaftlichen Aufschwung für weiter gehende Strukturreformen nutzen

ausgabensenkende Strukturreformen in den Sozialversicherungen fortzusetzen bzw. noch ausstehende Reformen anzugehen.

Trotz der dämpfenden Effekte der zum 1. Januar 2007 wirksam gewordenen Mehrwertsteuererhöhung hat sich der wirtschaftliche Aufschwung in diesem Jahr weiter fortgesetzt. Das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts wird nach Ansicht des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit 2,6 % zwar etwas schwächer als 2006 (2,9 %) ausfallen, aber deutlich dynamischer bleiben als in den von Stagnation und wachsender Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Vorjahren. Diese Entwicklung ist erfreulich, und sie verbessert die Finanzlage aller Sozialversicherungszweige durch steigende Beitragseinnahmen.

Licht und Schatten

Der aktuelle Konjunkturaufschwung ist jedoch kein Selbstläufer. In der gerade begonnenen zweiten Hälfte der Legislaturperiode erwartet die deutsche Wirtschaft von der Bundesregierung eine wachstumsorientierte Politik und weitere intensive Reformanstrengungen. Stillstand oder Rücknahme von Erreichtem wären fatale Fehler, welche die gute wirtschaftliche Entwicklung leichtfertig aufs Spiel setzen würden. Die Bundesregierung muss den konjunkturellen Rückenwind nutzen, um

CDU/CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 vereinbart, die Beitragssätze zur Sozialversicherung dauerhaft unter die Marke von 40 % zu senken. Durch die jetzt beschlossene weitere Absenkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von 4,2 auf 3,3 % zum 1. Januar 2008 wird die große Koalition dieses wirtschafts- und sozialpolitisch unverzichtbare Ziel im ersten Halbjahr 2008 erstmals erreichen. Unter der Annahme, dass die Beitragsbelastung in der gesetzlichen Krankenversicherung von zuletzt 14,8 % (inkl. Sonderbeitrag der Versicherten) unverändert bleibt, wird der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz zum 1. Januar 2008 auf 39,8 % zurückgehen. Sollte das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, das eine Beitragssatzanhebung um 0,25 Prozentpunkte auf 1,95 % vorsieht, wie geplant zum 1. Juli 2008 in Kraft treten, wird die 40 %-Marke aber bereits im zweiten Halbjahr 2008 wieder überschritten. Deshalb müssen weitere, über die bislang ergriffenen Maßnahmen hinausgehende Schritte unternommen wer-


Soziale Sicherung

Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz sinkt kurzfristig unter 40 prozent (jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt; 2008: Schätzung der BDA) Pflegeversicherung (Durchschnitt)

Krankenversicherung (Durchschnitt)

Arbeitslosenversicherung

Rentenversicherung

45

in % 41,0 1,70

40 35,8 35 30 25

32,4 26,5 1,3

3,0

42,0

1,77

1,77

6,5

6,5

4,3 12,8

40,7

39,8

40,0

4,2

1,77 3,3

2,02

14,8

14,8

19,9

19,9

01.01.2008

01.07.2008

1,77

13,5

14,2

14,2

14,8

3,3

11,4

8,2

20 15

6,5

42,0

17,0

18,0

18,7

19,3 19,3

19,5

19,5

19,9

1980

1990

2000

2005

2006

2007

10 5 0

1970

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit; eigene Darstellung der BDA

den. Das ist zwingend zur Entlastung der Betriebe bei den – auch im internationalen Vergleich – nach wie vor viel zu hohen Personalzusatzkosten. Das „RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz“ bringt – anders als in der Gesetzesbegründung behauptet – langfristig keine Senkung der Lohnzusatzkosten. Vielmehr wird lediglich der langfristige Beitragssatzanstieg in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 21,9 % im Jahr 2030 vermindert. Der prognostizierte Beitragssatz liegt damit immer noch deutlich oberhalb des heutigen Niveaus von 19,9 %. Richtig war der Beschluss des Gesetzgebers, die Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung für betriebliche Altersvorsorge dauerhaft zu gewährleisten. Auf diese Weise wird eine doppelte Belastung der betrieblichen Altersvorsorge mit Sozialversicherungsbeiträgen in der Aufwands- und in der Leistungsphase verhindert und ihre Attraktivität auch für die Zukunft gesichert. Eine große Enttäuschung ist dagegen das am 2. Februar 2007 vom Bundestag verabschiedete „GKVWettbewerbsstärkungsgesetz“. Es verfehlt ­ alle wesent­ lichen Anforderungen an eine durchgreifende und

zukunftssichere Neuordnung des Gesundheitswesens. Insbesondere ist – entgegen der Zusage im Koalitions­ vertrag – der weitere Anstieg der Beitragssätze der Krankenkassen auf das neue Rekordniveau von 14,8 % nicht verhindert worden. Die Pflegeversicherung bedarf einer grundlegenden Reform auf der Leistungs- wie auf der Finanzierungsseite – insbesondere mit einer Abkopplung der Pflegefinanzierung von den Arbeitskosten. Der am 17. Oktober 2007 von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes, der einseitig Leistungsausweitungen und eine Beitragssatzanhebung vorsieht, ist die falsche Weichenstellung. In der Unfallversicherung droht die überfällige Beitragsentlastung der Unternehmen weiter auszubleiben. Das gilt jedenfalls, wenn die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Leistungsrechts erneut aufgeschoben wird und es beim aktuellen Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bleibt, der ausschließlich eine Reform des Organisationsrechts der Unfallversicherung vorsieht.

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Soziale Sicherung

Gesetzliche Rentenversicherung: Regelaltersgrenze ohne Ausnahmen anheben Am 9. März 2007 hat der Bundestag das „Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung“ (RV-Alters-

RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz 1. Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre zwischen 2012 und 2029 2. Verzicht auf die nach geltendem Recht ab 2010 vorgesehene Absenkung des Rentenzugangsalters für langjährig Versicherte von 63 auf 62 Jahre 3. Einführung einer neuen abschlagsfreien Altersgrenze ab 65 Jahren für besonders langjährig Versicherte ab 2012, Voraussetzung: mindestens 45 Jahre Pflichtbeiträge aus Beschäftigung, selbstständiger Tätigkeit und Pflege sowie Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes 4. Anhebung des Referenzalters für die Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente von 63 auf 65 Jahre zwischen 2012 und 2024, Ausnahme: erwerbsgeminderte Versicherte mit 35 bzw. 40 Jahren Wartezeit 5. Anhebung der abschlagsfreien Altersgrenze bei der Schwerbehindertenrente von 63 auf 65 Jahre zwischen 2012 und 2029 6. Anhebung der Altersgrenze für die große Witwen-/Witwerrente von 45 auf 47 Jahre zwischen 2012 und 2029 7. Einführung eines Anpassungsfaktors zur Nachholung unterlassener Rentendämpfungen ab 2011

grenzenanpassungsgesetz) beschlossen. Dieses Gesetz, das am 1. Januar 2008 in Kraft tritt, sieht im Wesentlichen vor, die abschlagsfreie Regelaltersgrenze über einen Zeitraum von 18 Jahren um 24 Monate auf das vollendete 67. Lebensjahr anzuheben und die Rentenanpassungsformel um einen Anpassungsfaktor (Nachholfaktor) zu ergänzen. Durch diese Maßnahmen sollen die gesetzlich verankerten Beitragssatz- und Niveau­ sicherungsziele – Beitragssatzobergrenze von 20 % bis 2020 bzw. 22 % bis 2030 und Rentenniveauuntergrenze von 46 % bis 2020 bzw. 43 % bis 2030 – dauerhaft eingehalten werden. Die Anhebung der Altersgrenzen ist erst nach einer mehrjährigen Vorlaufzeit und zudem stufenweise vorgesehen. Damit will der Gesetzgeber Versicherten und Arbeitgebern ausreichend Zeit geben, sich in ihren Dispositionen auf die neue Rechtslage einzustellen. Die neue Regelaltersgrenze von 67 Jahren wird erstmals im Jahr 2029 erreicht und gilt für alle 1964 und später Geborenen. Auch bezüglich der Altersrente für langjährig Versicherte sieht das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz eine schrittweise Anhebung vom vollendeten 65. auf das 67. Lebensjahr vor. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte wird – sofern nicht ein besonderer Vertrauensschutz wegen Altersteilzeit gegeben ist – wie heute frühestens mit 63 Jahren möglich sein. Die nach geltendem Recht vorgesehene Absenkung des frühestmöglichen Renteneintrittsalters auf 62 Jahre unterbleibt. Hauptkritikpunkt der BDA am RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz ist, dass die Rente mit 67 nicht konsequent umgesetzt wird. Insbesondere die Ausnahmeregelung für besonders langjährig Versicherte, die eine Wartezeit von mindestens 45 Jahren zurückgelegt haben, reduziert die Einsparwirkung der Rentenreform 2007 um etwa 0,2 Beitragssatzpunkte bezogen auf das Jahr 2030. Sie wird dazu führen, dass ausgerechnet diejenigen, die bis 67 Jahre arbeiten könnten, dennoch vorher in Rente gehen. Damit wird ein neuer Fehlanreiz geschaffen, der dem Ziel der Bundesregierung, den Beschäftigungsgrad Älterer weiter zu erhöhen, widerspricht. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche Rentenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.


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Weichen für betriebliche Altersvorsorge weiter auf Zuwachs gestellt Am 8. November 2007 hat der Bundestag die unbefristete Fortführung der beitragsfreien Entgeltumwandlung über 2008 hinaus beschlossen und damit eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. Auch der Bundesrat votierte am 30. November 2007 für dieses Gesetz, so dass eine Grundlage für das weitere Wachstum der betrieblichen Altersvorsorge künftig gesichert ist. Der Gesetzgeber hat mit diesem Beschluss einem langjährigen Anliegen der BDA Rechnung getragen. Damit werden für die Tarifpartner verlässliche Rahmenbedingungen zur Weiterentwicklung der tariflichen Entgeltumwandlungsvereinbarungen geschaffen. Im Juni 2007 hatten Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt und der DGB-Vorsitzende Michael Sommer in einem gemeinsamen Schreiben an den Bundesarbeitsminister eine dauerhafte Beibehaltung der beitragsfreien Entgeltumwandlung eingefordert.

Mit der Fortführung der Beitragsfreiheit wird verhindert, dass die Entgeltumwandlung ab 2009 sowohl in der Anspar- als auch in der Leistungsphase mit Abgaben zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und damit doppelt belastet wird. Dadurch wäre die Entgeltumwandlung für die meisten Arbeitnehmer – insbesondere für jene mit kleinem oder mittlerem Einkommen – nicht mehr attraktiv gewesen. Dass der Gesetzgeber mit der Fortführung der Beitragsfreiheit die richtige Entscheidung getroffen hat, belegt auch eine aktuelle Studie zur Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge von TNS Infratest. Hiernach hat die Entgeltumwandlung maßgeblich zum erfreulichen Wachstum der betrieblichen Altersvorsorge beigetragen. Seit der Ausweitung der Förderung der Entgeltumwandlung hat die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Zeitraum vom 31. Dezember 2001 bis zum 31. Dezember 2006 von 52 auf 65 % zugenommen. Somit haben derzeit über 17 Mio. Beschäftigte eine Anwartschaft auf betriebliche Altersvorsorge.

Immer mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit betrieblicher Altersvorsorge Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit betrieblicher Altersvorsorge (in %, jeweils zum 31. Dezember eines Jahres)

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Quelle: TNS Infratest Sozialforschung; eigene Darstellung der BDA

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Das Gesetz sieht neben der Fortführung der Beitragsfreiheit auch vor, dass unverfallbare Betriebsrentenanwartschaften künftig bereits ab 25 Jahren statt bislang 30 Jahren erworben werden können. Damit folgt der Gesetzgeber den entsprechenden Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat im Rahmen der Diskussion über die EU-Portabilitätsrichtlinie vom April 2006. Die Absenkung des Mindestalters ist jedoch nicht unproblematisch, da die Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises zu einer zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung der Unternehmen führen kann, die diese durch Gegenmaßnahmen – beispielsweise durch Reduzierung der Leistungspläne – auffangen müssen. Diese Belastung wird noch verstärkt durch die unzureichende steuerrechtliche Begleitung dieser Maßnahme. Die vorgesehene Absenkung des steuerlichen Mindestalters von 28 auf 27 Jahre wird dem Zuwachs des tatsächlichen Verpflichtungsumfangs des Arbeitgebers nicht gerecht. Angemessen ist hier sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus versicherungsmathematischer Sicht, das steuerliche Mindestalter um fünf Jahre auf 23 Jahre zu senken.

EU-Richtlinienvorschlag für Mindeststandards der betrieblichen Altersvorsorge wäre schädlich Am 9. Oktober 2007 hat die EU-Kommission einen neuen Richtlinienvorschlag zur Verbesserung der Mindeststandards von Betriebsrenten (vormals: „Portabilitätsrichtlinie“) vorgelegt. Auch dieser Vorschlag kann die Bedenken der BDA nicht ausräumen. Der neue Vorschlag würde ebenfalls zu mehr Bürokratie und zu einer Verteuerung der betrieblichen Altersvorsorge führen. Durch den Richtlinienvorschlag, der viele verschärfende Regelungen enthält, würde das Interesse der Arbeitgeber an der betrieblichen Altersvorsorge, die eine freiwillige Leistung ist, sinken und die Bereitschaft, neue Zusagen für betriebliche Altersvorsorge für die Beschäftigten zu geben, zurückgehen. Dem notwendigen Ziel, die betriebliche Altersvorsorge weiter zu verbreiten, liefen die geplanten Vorschriften damit diametral zuwider.

Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge 1. Aufhebung der gesetzlichen Befristung (bis 31. Dezember 2008) der Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung. Diese bleibt auch nach diesem Datum bei allen Durchführungswegen in Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung (West) beitragsfrei. 2. Das Mindestalter für den Erwerb unverfallbarer Anwartschaften bei arbeitgeberfinanzierten Betriebsrentenzusagen wird von derzeit 30 auf 25 Jahre abgesenkt. 3. Die Absenkung gilt für Neuzusagen, die ab dem 1. Januar 2009 erteilt werden. Für Zusagen, die nach dem 1. Januar 2000, aber vor dem 1. Januar 2009 erteilt wurden, gilt eine Übergangsregelung, wonach ein Arbeitnehmer zwischen 25 und 30 Jahren eine unverfallbare Anwartschaft erwirbt, wenn diese ab dem 1. Januar 2009 für fünf Jahre bestanden hat. 4. Steuerlich wird das Alter, ab dem Rückstellungen gebildet bzw. Zuwendungen an eine Unterstützungskasse erbracht werden können, von derzeit 28 auf 27 Jahre abgesenkt. 5. Bei der geförderten zusätzlichen Altersvorsorge (Riesterrente) wird für Kinder, die nach dem 1. Januar 2008 geboren werden, die Kinderzulage von derzeit 185 € auf 300 € erhöht.


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Besonders gravierend ist, dass sich der Anwendungsbereich der Richtlinie auch beim neuen Vorschlag der Kommission auf alle Betriebsrentenzusagen, die in der Vergangenheit erteilt wurden, erstrecken soll. Der weite Anwendungsbereich kann insbesondere in Verbindung mit den vorgesehenen Vorgaben zur fairen Behandlung der Betriebsrentenanwartschaften von ausgeschiedenen Arbeitnehmern zu Verteuerungen von bestehenden Betriebsrentensystemen führen. Eine nachträgliche Verteuerung von Betriebsrentenzusagen, mit der die Unternehmen bei Zusageerteilung nicht rechnen konnten, würde aber notwendiges Vertrauen untergraben und dazu führen, dass sich Unternehmen bei ihrem künftigen freiwilligen Engagement zurückhalten. Eine weitere unannehmbare Regelung des neuen Vorschlags sieht vor, die Unverfallbarkeitsfrist für die Erlangung von Betriebsrentenanwartschaften auf ein Jahr festzulegen, wenn der Arbeitnehmer über 25 Jahre alt ist (fünf Jahre bei Arbeitnehmern bis zum 25. Lebensjahr). Diese Frist ist sogar noch kürzer als im ursprünglichen Kommissionsvorschlag, in dem eine zweijährige Unverfallbarkeitsfrist vorgesehen war. Diese Verkürzung würde die betriebliche Altersvorsorge nicht nur erheblich verteuern (nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V. um bis zu 20 %), sondern sie auch als personalpolitisches Instrument zur Mitarbeiterbindung nahezu völlig entwerten. Der Vorschlag enthält zudem Belastungen durch die Festlegung eines Mindestalters von 21 Jahren und neue bürokratische Informationspflichten, die im deutschen Recht bislang nicht bestehen. Zu begrüßen ist lediglich, dass der neue Vorschlag keine Regelungen zur Übertragbarkeit von Betriebsrentenansprüchen mehr enthält, die insbesondere bei den internen Durchführungswegen zu erheblichen Problemen geführt hätten. Der jetzige Kommissionsvorschlag bedeutet einen deutlichen Rückschritt gegenüber dem am 30. Mai 2007 von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft formulierten Kompromissvorschlag, der zumindest wesentlichen Bedenken der BDA Rechnung getragen und damit größeren Schaden von der betrieblichen Altersvorsorge abgewendet hätte. Dieser Einigungsversuch scheiterte am Widerstand der Niederlande, die grundsätzliche Bedenken angeführt hatten. Bedauerlicherweise hat das Europäische Parlament in seiner Beschlussfassung vom 20. Juni 2007 den Vorschlag der deutschen Rats-

präsidentschaft nur teilweise aufgegriffen und im Hinblick auf die Unverfallbarkeitsfrist sogar ihre Abschaffung gefordert. Im EU-Rat konnte seit der Vorlage des überarbeiteten Vorschlags der Kommission bislang keine Einigung erzielt werden. Die deutsche Bundesregierung hat angekündigt, keinem Vorschlag zuzustimmen, der eine kürzere Unverfallbarkeitsfrist als fünf Jahre vorsieht und der sich nicht auf Neuzusagen beschränkt. Dennoch kann aus Sicht der BDA keine Entwarnung gegeben werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Richtlinienvorschlag zur betrieblichen Altersvorsorge“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

Regelungen zur Rente mit 67 für betriebliche Altersvorsorge vereinfachen Im Rahmen des am 9. März 2007 beschlossenen Gesetzes zur schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 67 Jahre wurden für die betriebliche Altersvorsorge Folgeänderungen beschlossen. Angepasst wurde die Regelung zur Berechnung der Höhe anteiliger Betriebsrentenanwartschaften bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers. Nachvollziehbar ist, dass die Regelungen zur Anwartschaftsberechnung sich künftig am jeweiligen Rentenalter der gesetzlichen Rentenversicherung orientieren. Abzulehnen ist jedoch, dass die – ohnehin verfehlte – Ausnahmeregelung für besonders langjährig Versicherte mit 45 Beitragsjahren auch im Betriebsrentenrecht Anwendung finden soll. Dies führt für die Betriebe zu gravierenden Schwierigkeiten bei der Betriebsrentenberechnung und bei den Auskunftsverpflichtungen. Die BDA fordert einfache und klare Regelungen: Die Altersgrenze im Betriebsrentengesetz sollte daher für Neuzusagen nach einem festzulegenden Stichtag ausnahmslos auf 67 Jahre angehoben werden. Wenig praxisgerecht ist auch die als Folge der Altersgrenzenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehene Anhebung der Altersuntergrenze für betriebliche Altersvorsorge von 60 auf 62 Jahre durch eine Änderung des entsprechenden BMF-Schreibens

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vom 17. November 2004. Gerade aufgrund der – notwendigen – Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung ist es erforderlich, den Unternehmen und Arbeitnehmern weiterhin flexible Lösungen für den Übergang von der Erwerbs- in die Ruhestandsphase zu eröffnen. Der betrieblichen Altersvorsorge wird in dieser Frage zukünftig eine noch wichtigere Rolle zukommen. Falls die Spielräume der betrieblichen Altersvorsorge verkleinert werden, ist zu erwarten, dass sie gegenüber anderen Instrumentarien wie Arbeitszeitkonten an Bedeutung verliert.

Reform des Versorgungsausgleichs darf Unternehmen nicht zusätzlich belasten Das Bundesministerium der Justiz hat am 29. August 2007 einen Diskussionsentwurf zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vorgelegt. Zwar ist eine Reform des Versorgungsausgleichs unverzichtbar, um verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen. Allerdings müssen dabei die mit dem Versorgungsausgleich verbundenen Belastungen für die betriebliche Altersvorsorge auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Deshalb ist zu begrüßen, dass der Diskussionsentwurf wichtige Anliegen der BDA zur Entlastung aufgreift, wie z. B. den Verzicht auf einen Versorgungsausgleich bei einer Ehedauer bis drei Jahren und bei geringen Ausgleichswerten. Im Hinblick auf die vorgesehene obligatorische Realteilung sieht der Vorschlag jedoch Belastungen vor, die vermieden werden könnten. Insbesondere die geplante zwangsweise Aufnahme betriebsfremder Personen in betriebliche Versorgungssysteme infolge von Scheidungen würde die Versorgungssysteme zusätzlich aufblähen und zu mehr Bürokratie führen. Daher sollten ausgleichsberechtigte Personen regelmäßig und damit auch außerhalb der jetzt vorgesehenen Grenzen abgefunden werden können. Eine weitere Vereinfachung kann vor allem durch den Verzicht auf die Einbeziehung verfallbarer Anwartschaften in den Versorgungsausgleich erreicht werden. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Betriebliche Altersvorsorge“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

Gesetzliche Krankenversicherung: Gesundheitsreform enttäuscht Die Gesundheitsreform des Jahres 2007 ist eine große Enttäuschung. Das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKVWettbewerbsstärkungsgesetz) verfehlt alle wesentlichen Anforderungen an eine durchgreifende und zukunftssichere Neuordnung des Gesundheitswesens. Der Wettbewerb als eines der wirksamsten Mittel zur Kostenbegrenzung bleibt weiter auf wenige Bereiche beschränkt. Die Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung wird auch künftig vor allem durch kollektiv vereinbarte, für alle Krankenkassen geltende einheitliche Bedingungen geregelt und weniger durch Wettbewerb zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern bestimmt. Die notwendige Begrenzung des Leistungskatalogs auf eine Basissicherung mit Kernleistungen und verstärkter Eigenbeteiligung bleibt aus, teilweise kommt es sogar zu Leistungsausweitungen. Das nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene, ohnehin deutlich zu niedrige Entlastungsvolumen (Minderausgaben minus Mehrausgaben) in Höhe von 1,2 % der heutigen GKV-Leistungsausgaben wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens um 40 % auf nunmehr lediglich 0,7 % reduziert. Die von der BDA vorgeschlagene Abkopplung der Krankheitskostenfinanzierung vom ­ Arbeitsverhältnis durch Auszahlung des Arbeitgeberbeitrages in den Bruttolohn bleibt ebenfalls aus. Die ab 2009 steigenden Bundeszuschüsse an die Krankenkassen bewirken eine teilweise Lockerung der Abhängigkeit vom Faktor Arbeit. Ohne ausgabensenkende Reformen ist jedoch davon auszugehen, dass die Beitragssätze in den nächsten Jahren dennoch weiter steigen werden. Das aber bedeutet, dass die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu Lasten von Löhnen und Gehältern sogar noch ausgeweitet wird. Das Gesundheitswesen wird schließlich auch nicht – wie von der BDA gefordert – durch den Aufbau kapital­ gedeckter Risikovorsorge demografiefest gemacht. Im Gegenteil wird die private Krankenversicherung, die mit


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Die Änderungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes im zeitlichen Überblick Inkrafttreten

Neuregelungen durch die Gesundheitsreform 2007

2. Februar 2007

 3-Jahres-Regel: Stichtag für die Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze

1. April 2007

 Versicherungspflicht in der GKV für Personen ohne andere Absicherung im Krankheitsfall  Leistungsausweitungen: Palliativversorgung, geriatrische Reha, Impfungen, Eltern-Kind-Kuren  Mehr Eigenverantwortung bei selbstverschuldeter Behandlungsbedürftigkeit  Arzneimittelversorgung: Kosten-Nutzen-Bewertung, Zweitmeinung, Apothekenrabatt  Kassenfusionen über Kassenarten hinweg zulässig  Neue Wahltarife für die Versicherten: Versorgungsformen, Selbstbehalte, Kostenerstattung

1. Juli 2007

 Zugangsrecht zum Standardtarif der PKV für Personen ohne andere Absicherung im Krankheitsfall

1. Januar 2008

 Mehr Eigenverantwortung: reduzierte Belastungsobergrenze für Chroniker abhängig von Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen

1. Juli 2008

 Arbeitsaufnahme Spitzenverband Bund der Krankenkassen  Neubesetzung Gemeinsamer Bundesausschuss

1. November 2008

 Festlegung des einheitlichen allgemeinen Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung

1. Januar 2009

 Versicherung von bisher nicht Versicherten im Basistarif der PKV  Neue vertragsärztliche Gebührenordnung  Start des Gesundheitsfonds und des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs  Geltung des einheitlichen allgemeinen Beitragssatzes  Bundeszuschuss: Erhöhung um 1,5 Mrd. € pro Jahr  Einführung eines Basistarifs, Überführung des Standardtarifs in den Basistarif  Möglichkeit des Wechsels in den Basistarif für bisher Vollversicherte (bis 30. Juni 2009)

1. Januar 2010

 Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen: Bildung eines Kapitalstocks für Versorgungszusagen

1. Januar 2011

 Bündelung des Beitragseinzugs durch Weiterleitungsstellen

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit; eigene Zusammenstellung der BDA

Kapitaldeckung auf die demografische Entwicklung vorbereitet ist, durch die beschlossenen Maßnahmen insgesamt geschwächt.

Präventionsgesetz: Inhalt ist völlig verfehlt

Während des Gesetzgebungsverfahrens hat die BDA in mehreren Stellungnahmen und in zahlreichen Gesprächen mit der Politik immer wieder auf die ungelösten Probleme aufmerksam gemacht und die dringend notwendige Neuausrichtung des Gesundheitswesens angemahnt. Die zahlreichen unerledigten Reformaufgaben müssen unverzüglich in Angriff genommen werden.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat Ende November 2007 den Referentenentwurf eines Präventionsgesetzes vorgelegt. Damit wird ein Gesetzesvorhaben erneut aufgegriffen, das bereits in der letzten Legislaturperiode Gegenstand parlamentarischer Beratungen war, Widerstand des Bundesrates erfahren hatte und schließlich dem vorzeitigen Ende der Legislaturperiode zum Opfer gefallen war.

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche Krankenversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

Ziel des Gesetzes ist es, Gesundheitsförderung und gesundheitliche Prävention zu einer eigenständigen

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Säule im Gesundheitswesen auszubauen. Ein Nationaler Präventionsrat soll vorrangige Ziele festlegen und Vorschläge für Leistungen entwickeln. Maßnahmen sollen auf Landesebene durchgeführt werden, deren Finanzierung aus Mitteln der Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung vorgesehen ist. Das Finanzvolumen wird auf insgesamt knapp 300 Mio. € veranschlagt. Die Kritik, die die BDA zu dem damaligen Gesetzentwurf äußerte, bleibt uneingeschränkt bestehen. Es ist völlig verfehlt, dass die Sozialversicherung als nahezu alleiniger Finanzier für eine Stärkung der Prävention herangezogen werden soll. Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die somit aus Steuermitteln finanziert werden muss. Präventionsmaßnahmen, die der Allgemeinheit zugutekommen, dürfen nicht einseitig zu Lasten von Arbeitgebern und Versicherten gehen.

Pflegeversicherung: Weiterentwicklungsgesetz verschärft ungelöste Finanzierungsprobleme Das Bundeskabinett hat am 17. Oktober 2007 den Entwurf eines „Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) beschlossen. Dieser sieht vielfältige Leistungsausweitungen vor. Insbesondere sollen die ambulanten Sachleistungsbeträge in allen drei Pflegestufen, die stationären Sachleistungsbeträge in der Pflegestufe III und in Härtefällen sowie das Pflegegeld in allen drei Pflegestufen in den Jahren 2008, 2010 und 2012 schrittweise angehoben werden. Ferner ist beabsichtigt, die ergänzenden Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf (z. B. Demenzund Alzheimer-Kranke) zu erhöhen und den Anspruch auf Tagespflege auszubauen. Darüber hinaus soll erstmals im Jahr 2015 – und anschließend im dreijährigen Rhythmus – eine Dynamisierung der Pflegeversicherungsleistungen erfolgen. Des Weiteren ist geplant, die ambulante Versorgung besser auf den persönlichen Bedarf des Pflegebedürftigen abzustimmen. Dazu sind „Pflegestützpunkte“ vor-

gesehen mit dem Ziel, die im unmittelbaren Wohnumfeld vorhandenen Angebote für Pflegebedürftige besser zu koordinieren und zu vernetzen. Diesem Ziel sollen auch „Pflegebegleiter“ dienen. Zur Finanzierung des Maßnahmenbündels soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung zum 1. Juli 2008 von 1,7 auf 1,95 % (für Kinderlose auf 2,2 %) angehoben werden. Auf Jahresbasis entspricht das einer Zusatzbelastung der Versicherten und Betriebe von rd. 2,4 Mrd. €. Der Entwurf des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes ist nicht geeignet, die soziale Pflegeversicherung auf den absehbaren demografischen Wandel vorzubereiten, vor allem, da eine Ergänzung des heutigen Umlageverfahrens durch den Auf- und Ausbau einer Kapitalrücklage fehlt. Der vorgelegte Gesetzentwurf nimmt im Gegenteil sogar den weiteren Abbau vorhandener Finanzreserven billigend in Kauf (2006: 2,3 Monatsausgaben). Trotz der geplanten Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes können die Leistungen der Pflegeversicherung – laut Gesetzesbegründung – nur dadurch bis „Ende 2014/Anfang 2015“ finanziert werden, dass die Mindestreserve auf eine Monatsausgabe abgeschmolzen wird. Leistungsverbesserungen für einzelne Personengruppen (z. B. Demenz- und Alzheimer-Kranke) sind nur dann vertretbar, wenn sie durch mindestens gleichwertige Einsparungen an anderer Stelle voll kompensiert werden. Statt die ambulanten Sachleistungen durch Anhebung den stationären Sätzen anzunähern, sollten die Sachleistungen in der ambulanten und stationären Pflege – entsprechend einem Vorschlag der RürupKommission – auf einem insgesamt niedrigeren Niveau angeglichen werden (einheitlich 400, 1.000 und 1.500 € in den Pflegestufen I, II und III). Das verhindert zum einen falsche Anreize zur Verlagerung der Pflege in teurere stationäre Einrichtungen, nimmt zum anderen in sachgerechter Weise den Pflegebedürftigkeitsgrad zum alleinigen Maßstab für die jeweilige Leistungshöhe und schafft darüber hinaus eine finanzielle Entlastung in Höhe von rd. 2 Mrd. € pro Jahr bzw. von 0,2 Beitragssatzpunkten. Bereits dadurch könnte das chronische Finanzierungsdefizit der Pflegeversicherung beseitigt, eine Anhebung des Pflegebeitragssatzes zur Jahresmitte 2008 verhindert und sogar darüber hinaus noch eine verbesserte Versorgung von besonders schweren Pflegefällen finanziert werden.

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Die Überlegung, die häuslichen Versorgungsstrukturen nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ durch „Pflegestützpunkte“ und „Pflegebegleiter“ zu fördern, ist zwar grundsätzlich richtig. Bevor jedoch bundesweit mit dem Aufbau flächendeckender Pflegestützpunkte begonnen wird, sollte zuvor in mehreren Modellregionen eine Erprobungsphase durchgeführt werden. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Beitragssatzanhebung um immerhin fast 15 % widerspricht dem Ziel, durch eine Absenkung der Lohnzusatzkosten Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Zwar gibt es nachvollziehbare Gründe, Demenzkranke, Schwerstpflegebedürftige und pflegende Angehörige künftig stärker zu unterstützen, dies darf jedoch nicht zu einer weiteren Verteuerung der Arbeitskosten führen. Elementarer Bestandteil einer zukunftweisenden Reform der Pflegeversicherung muss vor allem die Abkopplung der Pflegekosten vom Arbeitsverhältnis sein. Insgesamt würde die finanzielle Schieflage der sozialen Pflegeversicherung durch die Umsetzung des PflegeWeiterentwicklungsgesetzes langfristig weiter verschärft. Denn bei einer rückläufigen Zahl potenzieller Beitragszahler würden die zu schulternden Finanzierungslasten dann nicht nur durch die steigende Zahl der Pflegefälle wachsen, sondern zusätzlich auch noch durch höhere Kosten je Pflegefall. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Soziale Pflegeversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar.

Künstlersozialabgabe verursacht Kosten und Bürokratie Am 15. Juni 2007 ist das „Dritte Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze“ in Kraft getreten. Zweck der Gesetzesnovelle ist vor allem die vollständige Erfassung aller abgabepflichtigen Verwerter. Die Prüfung der Abgabepflicht wurde deshalb von der Künstlersozialkasse auf die Deutsche Rentenversicherung übertragen. Außerdem soll die Prüfung der Versicherten – im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur Künstlersozialversicherung – intensiviert werden.

Die BDA hat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens deutlich gemacht, dass die Abgabepflicht zur Künstlersozialkasse bei den Unternehmen erhebliche Kosten und vor allem Verwaltungsaufwand verursacht. Hier sind insbesondere die zahlreichen unscharfen Regelungen im Künstlersozialversicherungsgesetz, die ausufernde Rechtsprechung der Sozialgerichte und die umfangreichen Aufzeichnungs- und Meldepflichten zu nennen. Die BDA hat daher konkrete Vorschläge zur Entbürokratisierung der Erhebung der Künstlersozialabgabe unterbreitet. Sie hat aber auch deutlich gemacht, dass die Künstlersozialversicherung, die ein unberechtigtes Privileg einer Gruppe von Selbstständigen darstellt, am besten abgeschafft und durch eine Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungspflicht von Künstlern und Publizisten ersetzt werden sollte. Eine Möglichkeit, den bürokratischen Aufwand im Zusammenhang mit der Künstlersozialabgabe zu verringern, ist die Gründung einer sog. Ausgleichsvereinigung. Eine Ausgleichsvereinigung besteht in der Regel aus mehreren Unternehmen und übernimmt für diese die gegenüber der Künstlersozialkasse bestehenden Pflichten, insbesondere die Entrichtung der Künstlersozialabgabe. Bei den einzelnen Abgabepflichtigen entfallen zudem die Aufzeichnungspflichten. Die BDA hat daher am 8. Oktober 2007 zusammen mit der Künstlersozialkasse ein Werkstattgespräch „Ausgleichsvereinigungen“ veranstaltet. Dabei wurden Unternehmen und Verbände umfassend darüber informiert, wie eine Ausgleichsvereinigung funktioniert, welchen Aufwand die Organisation und die Mitgliedschaft in einer Ausgleichsvereinigung erfordert und ob bzw. wann sich letztlich der Aufwand einer Ausgleichsvereinigung im Vergleich zum ersparten Bürokratieaufwand lohnt. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Künstlersozialversicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar.

Pauschalversteuerte Sachzuwendungen beitragsfrei stellen Mit dem Jahressteuergesetz 2007 wurde mit § 37b EStG eine Vereinfachungsregelung zur Pauschalbesteuerung von Sachzuwendungen eingeführt. Das Ver-


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einfachungsziel wird jedoch bisher nicht erreicht, da eine beitragsrechtliche Flankierung der Pauschalbesteuerungsnorm fehlt. Die Sozialversicherungsentgeltverordnung sieht für § 37b EStG eine Beitragsfreiheit nicht vor. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die steuerrechtliche Behandlung von Sachzuwendungen zwar einfach handhabbar ist, die sozialversicherungsrechtliche Erfassung aber einen erheblichen bürokratischen Aufwand für jeden Einzelfall verursacht. Dies gilt umso mehr, wenn die Zuwendungen nicht die „eigenen“ Arbeitnehmer betreffen. Pauschalierungsmöglichkeiten in der Lohnsteuer gehen regelmäßig mit Vereinfachungen auch im Beitragsrecht einher. Nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung sind pauschal versteuerte Entgeltbestandteile regelmäßig nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen. Dieser Grundsatz muss auch für § 37b EStG gelten. Die BDA hat die zuständigen Ministerien aufgefordert, im Rahmen des Dritten Mittelstandsentlastungsgesetzes (MEG III) die Sozialversicherungsentgeltverordnung entsprechend zu ändern.

Multifunktionale Verdienstbescheinigung konsequent umsetzen Am 30. November 2007 hat das „Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (SVÄndG) den Bundesrat passiert. Mit dem SVÄndG soll § 108 GewO dahingehend geändert werden, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) durch Rechtsverordnung Näheres zum Inhalt und Verfahren von Entgeltbescheinigungen regeln darf. Das BMAS hat bereits einen ersten Entwurf einer Entgeltbescheinigungsverordnung vorgelegt. Die BDA hat in ihren Stellungnahmen zum SVÄndG deutlich gemacht, dass der Schritt, eine einheitliche Verdienstbescheinigung auf den Weg zu bringen, grundsätzlich richtig ist. Parallel dazu muss aber auch klargestellt werden, welche der zahlreichen Bescheinigungen des Arbeitgebers stattdessen wegfallen können. Außerdem müssen alle leistungsgewährenden Behörden und Institutionen konsequent auf die Vorlage der bisherigen „Sonderbescheinigungen“ verzichten. Schließlich

müssen sich die Angaben in der monatlichen Entgeltbescheinigung auf das Notwendigste beschränken.

Gesetzliche Unfallversicherung: Koalition verpasst selbst gestecktes Reformziel deutlich Nachdem Ende Juni 2006 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Eckpunkte zur Reform der Unfallversicherung beschlossen hatte, legte das BMAS im ersten Halbjahr 2007 schrittweise Arbeitsentwürfe zur Reform der gesetzlichen Unfallversicherung vor. Die Reformmaßnahmen betrafen die Bereiche des Leistungsrechts, der Organisation und der solidarischen Lastenverteilung. Nach Vorlage der Arbeitsentwürfe setzte in den Koalitionsfraktionen eine Diskussion über den weiteren Fortgang der Reform ein. Sie mündete in eine Beschränkung des Vorhabens auf eine Organisationsreform und in eine Abkopplung der notwendigen Leistungsrechtsreform. Ende November 2007 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dementsprechend einen Referentenentwurf vorgelegt, der insbesondere Regelungen zur Organisation und zur Lastenverteilung enthält. Das Leistungsrecht ist gänzlich ausgespart. Mit dieser Aufspaltung des Reformvorhabens, die das BDA-Präsidium ausdrücklich abgelehnt hat, besteht die große Gefahr, dass die Reform des Leistungsrechts gänzlich scheitert. Dies wäre sehr enttäuschend, denn nur durch eine Reform des Leistungsrechts kann das bestehende Beitragsentlastungspotenzial gehoben werden. Mit dem jetzt verfolgten Reform-Stückwerk wird vielmehr für einen großen Teil der Wirtschaft das Gegenteil einer Entlastung erreicht. Durch die vorgesehenen Regelungen zu einer geänderten Verteilung von Altlasten zwischen den Berufsgenossenschaften führt die Reform für viele Unternehmen zu höheren statt zu niedrigeren Beiträgen. Das darf nicht das Ergebnis der Reform der Unfallversicherung sein. Die Koalition verfehlt damit das selbst gesteckte Ziel des Koalitionsvertrags, die Unfallversicherung umfassend zu reformieren und ein zielgenaueres Leistungsrecht einzuführen. Die BDA begrüßt im Hinblick auf die Reform der Organisation der Unfallversicherung, dass weitgehend die Vorschläge der Selbstverwaltung der gewerblichen Berufsgenossenschaften aufgegriffen werden. Das gilt vor allem für den notwendigen Fusionsprozess und das Konzept für

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einen Überaltlastausgleich. Anders als jetzt vorgesehen, sollte die Überaltlast allerdings hälftig nach Neurenten und Entgelten verteilt werden, denn die Abwägung der unterschiedlichen Argumente rechtfertigt keine Übergewichtung eines der beiden Verteilkriterien. Außerdem gilt es, im Zusammenhang mit der Einführung des Überaltlastausgleichs große Beitragssprünge der höher belasteten Branchen zu vermeiden. Der hierzu vorgesehene Übergangszeitraum von drei Jahren ist in jedem Fall zu kurz. Im Übrigen ist durch entsprechende gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass Fusionen von Berufsgenossenschaften nicht durch die Ausgestaltung des Überaltlastausgleichs behindert werden.

der Bundesregierung zu Recht zum Ziel erklärte Bürokratieabbau torpediert.

Die BDA begrüßt ferner, dass die von der Selbstverwaltung der gesetzlichen Unfallversicherung zum 1. Juni 2007 gegründete neue Spitzenorganisation, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), bestehend aus den früheren Organisationen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und des Bundesverbandes der Unfallkassen (BUK), in ihrer privatrechtlichen Ausgestaltung weiter bestehen soll. Kritisch ist jedoch, dass der staatliche Einfluss auf die DGUV durch Regelungen zum Haushaltsrecht, zur Durchführung des Lastenausgleichs und zu Fach- und Aufsichtsrechten ausgeweitet werden soll.

Arbeitgeber in nationale Arbeitsschutzkonferenz einbeziehen

Entgegen den ursprünglichen Regelungen im Arbeitsentwurf und entgegen der Vereinbarung von Bund und Ländern in den Eckpunkten aus dem Jahr 2006 enthält der Referentenentwurf keine Regelung mehr zum Einsparziel von 20 % bei den Verwaltungs- und Verfahrenskosten. Unabhängig davon muss das Ziel bleiben, durch Effizienzsteigerung eine Entlastung der beitragzahlenden Unternehmen zu erreichen. Äußerst kritisch sind des Weiteren die im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen zur Betriebsprüfung. Mit dem Mittelstandsentlastungsgesetz II erfolgte die Übertragung der Betriebsprüfung von der Unfallversicherung auf die Rentenversicherung. Ziel war, dass sowohl der Gesamtsozialversicherungsbeitrag als auch der Beitrag zur Berufsgenossenschaft in einer einheitlichen Betriebs­ prüfung erfolgt und die Betriebe damit von Doppelprüfungen entlastet werden. Mit dem Referentenentwurf wird das Ziel des Bürokratieabbaus konterkariert, weil zahlreiche neue Meldepflichten für die Arbeitgeber eingeführt werden. Damit wird ein weiteres Mal der von

Die BDA wird sich weiterhin für eine umfassende Reform der gesetzlichen Unfallversicherung einsetzen. Eine Strukturreform muss zu einer Konzentration der Leistungen auf betriebsspezifische Risiken führen, bestehende Überversorgung abbauen, die Wirtschaftlichkeit verbessern sowie die Organisationsstruktur straffen. Sollte es tatsächlich jetzt nur zu einer Reform des Organisationsrechts kommen, muss die Reform des Leistungsrechts noch in dieser Legislaturperiode nachgeholt werden.

Nachdem die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) im November 2006 ein zwischen dem Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI), der Bundesregierung und den Unfallversicherungsträgern abgestimmtes Konzept für eine Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie beschlossen hat, wurden gemeinsame Arbeitsschutzziele und Handlungsfelder zur Ausfüllung der Strategie entwickelt. Die 84. ASMK hat Mitte November 2007 den Vorschlägen für gemeinsame Arbeitsschutzziele und prioritäre Handlungsfelder zugestimmt. Als Ziele der Arbeitsschutzstrategie wurden die Verringerung von Häufigkeit und Schwere von Arbeitsunfällen, die Verringerung von Muskel-SkelettErkrankungen sowie die Verringerung der Häufigkeit und Schwere von Hauterkrankungen beschlossen. Als zentrales Gremium für die Planung, Koordinierung, Entscheidung und Evaluierung ist die Nationale Arbeitsschutzkonferenz vorgesehen. Die BDA hat sich gemeinsam mit dem DGB nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die Sozialpartner unmittelbar in der Arbeitsschutzkonferenz vertreten sind, was Bund und Länder zunächst nicht geplant hatten. Nach dem Beschluss der ASMK ist jetzt auch vorgesehen, dass die Arbeitgeber mit bis zu drei Vertretern beratendes Mitglied der Arbeitsschutzkonferenz werden. Der Ende November vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegte Referentenentwurf für ein Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz hat diesen Beschluss nun auch bereits umgesetzt. Die BDA wird sich aller-


Soziale Sicherung

dings weiter dafür einsetzen, dass den Arbeitgebern, als maßgeblichen Akteuren des Arbeitsschutzes, auch ein Stimmrecht eingeräumt wird.

schutz in falscher Sicherheit gewogen, er könne ohne weitere Voraussetzungen – vor allem ohne Mitwirkung des Betriebsrates – ein Rauchverbot erlassen. Das aber ist nicht der Fall.

Praxisgerechte Arbeitsstättenregeln notwendig

Auch auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, weitere Regelungen zum betrieblichen Nichtraucherschutz zu erlassen. Die Kommission hat hierzu Anfang 2007 ein Grünbuch „Für ein rauchfreies Europa: Strategieoptionen auf EU-Ebene“ vorgelegt. Im Oktober 2007 hat das Europäische Parlament eine Entschließung verabschiedet, die sehr umfangreiche Rauchverbote an Arbeitsplätzen fordert. Die BDA spricht sich gegen weitere gesetzliche Regelungen zum Nichtraucherschutz auf europäischer Ebene aus, da die bestehenden Arbeitsschutzregelungen – insbesondere in der Arbeitsstättenrichtlinie – ausreichen, um die Beschäftigten vor den Gesundheitsgefahren des Passivrauchens zu schützen.

Im Juni 2007 ist die Arbeitsstättenregel (ASR) „Fluchtwege, Notausgänge“ vom Arbeitsstättenausschuss – gegen die Stimmen der privaten Arbeitgeber – verabschiedet worden. Nach wie vor waren der Detaillierungsgrad, der Sprachduktus (rechtstechnische Formulierung als Muss-Vorschriften) und einzelne Regelungsbereiche der ASR nicht akzeptabel. Die BDA wird sich dennoch bei den noch zu erarbeitenden Arbeitsstättenregeln weiter dafür einsetzen, dass diese so knapp wie möglich gehalten werden, sich auf notwendige, die allgemeinen Schutzziele der Verordnung konkretisierende Aussagen beschränken und aufgrund ihrer Formulierung deutlich wird, dass es sich bei ihnen um Lösungsmöglichkeiten zur Erfüllung der in der Arbeitsstättenverordnung gestellten Anforderungen handelt.

Betrieblichen Nichtraucherschutz praktikabel gestalten Zum 1. September 2007 ist das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in Kraft getreten. Es trifft größtenteils Regelungen über die Einführung eines Rauchverbotes in öffentlichen Einrichtungen des Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln. Daneben ist die Arbeitsstättenverordnung wie folgt ergänzt worden: „Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.“ Die BDA hält die Ergänzung für überflüssig, da sie keinen über die geltende Rechtslage hinausgehenden Regelungsgehalt hat. Bereits bislang konnte unter bestimmten Voraussetzungen ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot erlassen werden. Der Arbeitgeber wird jetzt jedoch durch die Vorgabe eines partiellen oder vollständigen Rauchverbots als Regelmaßnahme zum Nichtraucher-

Rechtsvereinfachung bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge sicherstellen Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Juli 2007 einen Arbeitsentwurf für eine „Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge“ vorgelegt. Damit soll ein kohärentes Vorschriften- und Regelwerk zur arbeitsmedizinischen Vorsorge geschaffen werden. Wie im geltenden Recht soll eine Differenzierung nach Pflicht- und Angebotsuntersuchungen, je nach Gefährdungspotenzial des Untersuchungsanlasses, erfolgen. Zur Konkretisierung der Verordnung und zur Erarbeitung von Regeln und Erkenntnissen ist die Einrichtung eines Ausschusses für Arbeitsmedizin vorgesehen. Die BDA begrüßt, dass mit der Verordnung eine Zusammenführung der in unterschiedlichen Gesetzen, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften enthaltenen Regelungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge erfolgen soll. Kritisch beurteilt die BDA jedoch die Einrichtung eines weiteren staatlichen Ausschusses. Da zu den Aufgaben des Ausschusses die Erarbeitung technischer Regeln und Erkenntnisse gehören soll, besteht die Gefahr, dass eine Vielzahl von Dokumenten erarbeitet und so das Ziel der Rechtsvereinfachung konterkariert wird.

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Soziale Sicherung

Muskel-Skelett-Erkrankungen präventiv angehen

Psychische Belastung: Nur praxisnahe Konzepte helfen

Muskel-Skelett-Erkrankungen sind das häufigste Gesundheitsproblem in Europa. Zielgerichtete Prävention auf diesem Gebiet entlastet die Sozialsysteme und mindert wirtschaftlichen Schaden für die Unternehmen. Die Frage ist deshalb, wie bei der Prävention von Erkrankungen des Bewegungsapparates möglichst effektiv vorgegangen werden kann. Die BDA hat das Ansinnen der Europäischen Kommission, eine Richtlinie zur Bekämpfung arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Erkrankungen zu erlassen, strikt abgelehnt. Ein Konzept hierfür hatte die Kommission im Konsultationsprozess mit den Sozialpartnern bereits vorgestellt. Die darin geplante Zusammenführung der Bildschirmrichtlinie mit der Richtlinie zur Lastenhandhabung führt durch die Einbeziehung weiterer Einflussfaktoren zu einer völlig unpraktikablen, in der Aussage beliebigen Gefährdungsbewertung einzelner Arbeitsinhalte. Die Verbindung der Risiken aus schwerer körperlicher Arbeit, wie derjenigen der Bergleute, mit Gesundheitsproblemen von Beschäftigten in Büroberufen, die die eventuelle Bewegungsarmut ihrer Tätigkeit nicht in ausreichendem Maße kompensieren, in einer Regelung macht die Schwächen dieses Richtlinienansatzes deutlich. Zudem würde eine eigenständige Richtlinie zu arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen dem bislang verfolgten Ansatz, gefährdungsbezogen auf der Grundlage nachvollziehbarer Ursache-Dosis-Wirkungs-Beziehungen vorzugehen, zuwiderlaufen. Das Krankheitsbild einer Volkskrankheit lässt sich nicht in den betrieblichen Alltag übertragen. Eine Trennung von arbeitsbedingten und privat bedingten Einflüssen ist schwierig. Rückenschmerzen werden zumeist durch ein vielschichtiges Ursachenspektrum ausgelöst, das zu großen Teilen nicht auf die Belastungen aus der Arbeitswelt zurückzuführen ist. Deshalb ist es zur Reduzierung von Muskel-Skelett-Erkrankungen erforderlich, die individuellen Fähigkeiten der Menschen zu stärken und ihre Eigenverantwortung zu fordern. Die BDA befürwortet daher, branchen- und/oder tätigkeitsbezogene Handlungshilfen für die Unternehmen zu erarbeiten. Dies kann eine Aufgabenstellung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie sein.

Mit der Rahmenvereinbarung zu arbeitsbedingtem Stress haben sich die europäischen Sozialpartner zu ihrer Verantwortung bekannt. Bedingt durch Diskussionen, in denen der Anstieg psychischer Erkrankungen einseitig in Zusammenhang mit psychischer Belastung in der Arbeitswelt gebracht wird, wächst der Beratungsbedarf der Betriebe. Die BDA hat seit Abschluss der Vereinbarung mit verschiedenen Aktivitäten (z. B. Fachtagungen, Vorträgen bei Fachverbänden) zu einer realistischen Betrachtung und zu praxisnahen Erfassungs- und Präventionskonzepten beigetragen. In dem 2007 weitergeleiteten Umsetzungsbericht der Sozialpartner wurde dies dokumentiert. Im Dialog mit Krankenkassen und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung nimmt die BDA eine aktive, koordinierende Funktion ein. Ziel dieser Bemühungen ist es, Betriebe zu befähigen, ihre Situation realistisch einzuschätzen und, falls erforderlich, wirksame Präventionsmaßnahmen mit der Unterstützung dieser Dialogpartner zu ergreifen. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unfallversicherung und Arbeitsschutz“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.


Soziale Sicherung

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VORWORT ARBEITSMARKT ARBEITSRECHT TARIFPOLITIK SOZIALE SICHERUNG BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK Volkswirtschaft und Finanzen GESELLSCHAFTSPOLITIK PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT BDA-ORGANISATION IN MEMORIAM BDA-ORGANIGRAMM

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Bildung/Berufliche Bildung

Bildungspolitik: die eigentliche Sozialpolitik Deutschland ist rohstoffarm. Bei uns sind die Kompe­ tenzen und Qualifikationen der Menschen die zentrale Ressource, von der Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und soziale Sicherheit abhängen. Nur mit umfassend und gut ausgebildeten Menschen können wir neue und krea­ tive Ideen entwickeln und hochwertige, oft einzigartige Produkte und Dienstleistungen anbieten, die uns im har­ ten globalen Wettbewerb Marktchancen sichern. Bildungspolitik ist daher das Schicksalsthema für den Standort Deutschland. Bildungspolitik wird in diesem Verständnis aber auch zur eigentlichen Sozialpolitik. Nur wer ausreichend auf die Anforderungen auf unseren Arbeitsmärkten in Wirtschaft und Gesellschaft vorberei­ tet ist, kann selbstständig sein Leben gestalten und ohne dauerhafte Transferleistungen auskommen. Das ist unser Ziel einer humanen und sozialen Gesellschaft. Wir begrüßen daher die Reformen im Bildungssystem in den letzten Jahren. Weitere Schritte müssen unternom­ men werden. Richtig und wichtig ist die angekündigte Nationale Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung zusammen mit den Ländern. Anstrengungen in allen Bildungsbereichen – von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung – müssen gebündelt und intensiviert werden, damit die Potenziale der Menschen in Deutsch­ land ausgeschöpft werden – zu ihrem eigenen Wohl, zum Wohl unseres ganzen Landes.

Fachkräftemangel rechtzeitig gegensteuern! Angesichts des mit der anziehenden Konjunktur im Jahr 2007 teils bereits akuten, teils perspektivisch zu erwartenden Fachkräftemangels gilt es, an den vielen strukturellen und inhaltlichen Reformbaustellen in Schule, Hochschule und beruflicher Bildung die Ziel­ setzung der Beschäftigungsfähigkeit, im europäischen Kontext Employability, in den Fokus zu rücken. Per­ sönlichkeitsbildung, fachliche Qualifizierung und die Vermittlung von Schlüssel- und Sozialkompetenzen dürfen von der Bildungspolitik nicht als Entweder-

Ohne ausreichend Ingenieurnachwuchs droht der Tanker Deutschland auf Grund zu laufen

Quelle: www.wiedenroth-karikatur.de

oder gegeneinander ausgespielt werden. Sie gehö­ ren zusammen; Gesamtkonzepte müssen realisiert werden, die alle Bildungsaspekte integrieren und die junge Generation befähigen, in der Gesellschaft und im Arbeitsleben Verantwortung zu übernehmen. Es gibt Fortschritte, auf die wir in den vergangenen Jah­ ren intensiv hingewirkt haben. Immer mehr Schulen gehen im Rahmen von SCHULEWIRTSCHAFT Part­ nerschaften mit Unternehmen zur Verbesserung der Ausbildungsreife und zur Erleichterung des Übergangs ihrer Schüler in den Beruf ein. Immer mehr Studien­ gänge werden auf die Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt, die das Ziel der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Absolventen zumindest im Schilde tragen und zunehmend auch einlösen. Aber es bleibt noch viel zu tun – z. B. bei der Realisierung der selbstständigen Schule, bei der konsequenten Umsetzung der bun­ desweiten Leistungsstandards und bei der Einführung eines Hochschulfinanzierungssystems, das Anreize zum Ausbau statt wie bisher zum Abbau von Studien­ kapazitäten setzt. BDA und BDI beraten und gestalten ihre bildungs­ politischen Initiativen und Positionen nun aus einem Guss – in einem gemeinsamen BDA/BDI-Fachaus­ schuss „Bildung, Berufliche Bildung“ und im ge­


Bildung/Berufliche Bildung

meinsamen Präsidium. Die Federführung für die gemeinsame Bildungspolitik aller Arbeitgeber- und Wirt­schafts­verbände hat die BDA übernommen, zu­ gleich nimmt der BDI entsprechend übergreifend die Verantwortung für die gemeinsame Forschungs-, In­ novations- und Technologiepolitik wahr. Gemeinsam werden sich BDA und BDI mit hohem Nachdruck für eine Trendumkehr des rückläufigen Interesses an MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissen­ schaften, Technik) in Schule und Hochschule stark­ machen. Die gemeinsame Initiative „MI(N)T Zukunft“ wird hier Zeichen setzen.  Mehr als die Hälfte der Gymnasiasten haben in Physik und Chemie in den letzten beiden Schuljahren keinen Unterricht mehr.  Die Mehrheit der Hochschulen meldet freie, nicht nach­gefragte Studienplätze in MINT-Fächern.  Zugleich konnten in Deutschland 2006 knapp 50.000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden – Ten­ denz steigend, mit hohem Gefährdungspotenzial für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.  Im Jahr 2020 werden auf zehn Personen in der Alters­ gruppe der 55- bis 64-Jährigen mit MINT-Qualifikati­ onen nur sieben entsprechend Qualifizierte 25- bis 34Jährige kommen.

Die „Bugwellen“-Jahre der auf Sicht letzten starken Schul­ entlassjahrgänge 2008 bis 2013 müssen genutzt werden, um die Qualität und die Quantität von Unterricht und Lehre in MINT-Fächern in Schule und Hochschule ent­ scheidend voranzubringen. Der Anteil der Absolventen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Tech­ nik an den Hochschulabsolventen muss von rd. 30 % auf 40 % erhöht werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Fachkräfte­ sicherung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

Frühkindliche Bildung: Investition in die Zukunft BDA und DGB haben mit der Veröffentlichung einer gemeinsamen Stellungnahme „Für ein beitragsfreies letztes Kita-Jahr – eine Investition in die Zukunft“ im Au­ gust 2007 die hohe Bedeutung einer verbesserten früh­ kindlichen Bildung unterstrichen. Jedem Kind in Deutschland soll zu guten Startbedingun­ gen für sein Leben verholfen werden. Mit einem bei­trags­ freien letzten Kindergartenjahr sollen die notwendigen

Kinder mit Migrationshintergrund besuchen seltener die Kita Besuchsquoten in Kitas für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, in %

Kinder mit Migrationshintergrund Kinder ohne Migrationshintergrund 92 85

92

90

85

84

76 68

Alter Quelle: DJI-Betreuungsstudie 2007

3 Jahre

4 Jahre

5 Jahre

6 Jahre

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Bildung/Berufliche Bildung

Voraussetzungen dafür deutlich verbessert werden, dass jedes Kind zumindest ein Jahr vor seinem Schuleintritt bestmöglich auf diesen Übergang vorbereitet und in seiner Entwicklung – insbesondere der Sprachentwick­ lung – unterstützt wird. Noch immer weisen bis zu 30 % aller Schulanfänger Sprachentwicklungsstörungen auf. Sie brauchen eine frühestmögliche und intensive Sprachförderung. Die große Mehrzahl von ihnen be­ sucht zwar heute schon den Kindergarten – aber gerade Kinder mit schlechten Startchancen deutlich seltener. Mit der Beitragsfreiheit sollen insbesondere diese Fami­ lien motiviert werden, ihre Kinder in den Kindergarten zu geben. Durch eine intensive Förderung können ihre Begabungen entfaltet und ihre Startbedingungen insge­ samt deutlich verbessert werden.

Mit der gemeinsamen Positionierung unterstützen BDA und DGB den von einigen Bundesländern und Kommunen bereits eingeschlagenen Weg, das letzte Kindergartenjahr kostenfrei zu halten, und ermutigen die übrigen Länder und Kommunen dazu, ebenfalls in die Zukunft der Kinder zu investieren. Zur Umset­ zung haben BDA und DGB Qualitätskriterien entwi­ ckelt. Viele Bundesländer haben die Stellungnahme aufgegriffen und sind mit den Sozialpartnern dazu in einen Dialog getreten. BDA und DGB erwarten davon, dass die Länder konkrete Schritte unternehmen, um die frühkindliche Bildung in den Kindergärten fest zu verankern und die Beitragsfreiheit für das letzte Kin­ dergartenjahr zügig umzusetzen. BDA und DGB wer­ den 2008 im Rahmen einer Veranstaltung die Umset­

Gemeinsame Qualitätskriterien Frühkindliche Bildung von BDA und DGB 1. Der Ausbau von Ganztagsplätzen für Kindergartenkinder sowie von Plätzen für unter Dreijährige muss schnells­ tens von Bund, Ländern und Kommunen umgesetzt werden. 2. Kindertageseinrichtungen sollen grundsätzlich für die Eltern beitragsfrei sein, mindestens aber zunächst das letz­ te Kindergartenjahr. 3. Das Fachpersonal, das hoch engagiert und willens ist, in frühe Bildungsprozesse mit den Kindern einzusteigen, braucht dazu gezielte Hilfe: in der Ausbildung und durch Fort- und Weiterbildung. 4. Die Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals muss qualitativ verbessert werden. Um den Ausbau des Kin­ dergartens als erste Stufe des Bildungssystems bewältigen zu können, brauchen wir eine Hochschulausbildung mindestens für die Einrichtungs- und Gruppenleitung. 5. Die Bewertung und Bezahlung der Arbeit des Fachpersonals muss der anspruchsvolleren Qualifikation entspre­ chend verbessert werden. Es müssen deutlich mehr Männer als Kindergartenmitarbeiter gewonnen werden. 6. In Deutschland müssen gezielt Mittel bereitgestellt werden, um an den Universitäten substanzielle, insbesondere auch längsschnittlich angelegte Forschungsvorhaben zur Entwicklung von Kindern in Tageseinrichtungen zu ermöglichen und zu fördern. 7. Zur vergleichenden Analyse der Bildungs- und Lerneffekte unterschiedlicher frühpädagogischer Angebote ist die regelmäßige Durchführung repräsentativer Untersuchungen erforderlich. 8. Eine enge Kooperation zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen sowie ein regelmäßiger Erfahrungsaus­ tausch und gemeinsame Fortbildungsangebote für Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen müssen etabliert werden.


Bildung/Berufliche Bildung

In Deutschland liegt der Private Finanzierungsanteil an den Kindergärten deutlich über OECD-Durchschnitt Privater Finanzierungsanteil an den Kindergärten im Jahr 2002, in %

25,4

Deutschland 23,8

Österreich 22,4

USA 17,9

OECD-Mittel

17,2

Polen Vereinigtes Königreich

4,2

Frankreich

4,1

Niederlande

3,3

Schweden

0

Quelle: Bildung auf einen Blick, OECD-Indikatoren 2005

zung der gemeinsam formulierten Qualitätskriterien überprüfen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Früh­ kindliche Bildung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar.

Nachwuchssicherung in Deutschland: Schule und Wirtschaft gemeinsam in der Verantwortung Im September 2007 haben rd. 400 SCHULEWIRT­ SCHAFT-Akteure aus ganz Deutschland am SCHULE­ WIRTSCHAFT-Kongress „Verantwortung in und für Schule“ teilgenommen. Das SCHULEWIRTSCHAFTNetz­werk macht sich stark für die Sicherung und Ver­ besserung der Qualität der schulischen Bildung und Erziehung und übernimmt Verantwortung „in und für Schule“: Es berät und begleitet die Schulen bei ihren Veränderungsprozessen. Dr. Dieter Hundt betonte bei der Eröffnung des Kon­ gresses, dass die deutsche Wirtschaft im internationalen

Wettbewerb nur erfolgreich sein kann, wenn sie innova­ tive Produkte und neue Technologien entwickelt. Dafür brauchen die Unternehmen qualifizierte Fach- und Füh­ rungskräfte. Die Basis dafür muss schon in der Schule und in der Früherziehung gelegt werden. Das gemeinsame Engagement von Schul- und Unter­ nehmensvertretern im SCHULEWIRTSCHAFT-Netz­ werk ist ein wichtiger Katalysator für qualitative, dauerhafte Nachwuchsförderung. Es bringt jährlich mehr als 190.000 Schul- und Unternehmensvertreter zusammen, denen es ein gemeinsames Anliegen ist, die Perspektiven der jungen Menschen zu verbessern. Das Netzwerk garantiert jeder interessierten und ko­ operationsbereiten Schule die Vermittlung betrieb­ licher Partner. In einer Fülle von Workshops wurde dargestellt, wo die SCHULEWIRTSCHAFT-Arbeit erfolgreich „in und für Schule“ ansetzt. Sie dienten dem Austausch von erfolg­reichen und übertragbaren Maßnahmen, Instru­ menten und Methoden zu wichtigen Arbeitsfeldern von SCHULE­WIRTSCHAFT, wie z. B. der Personalent­ wicklung in Schulen, der ökonomischen Grundbildung und der Förde­rung der MINT-Bildung (Mathematik, Infor­matik, Naturwissenschaften, Technik).

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Bildung/Berufliche Bildung

Schulsystem neu managen – die wichtigsten Forderungen von BDA und BDI:

 Das Management des Schulsystems ist so auszu­ richten, dass es die selbstständige Qualitätsverbes­ serung der Schule fördert und ihr die Entscheidung über Organisation, Finanzen und Personal sowie über das pädagogische Profil und Programm über­ lässt. Dafür ist eine starke Position des Schulleiters Voraussetzung.  Zielvereinbarungen zwischen ­ Kultusministerium und Schulaufsicht, Schulaufsicht und Schule, Schul­ leitung und Lehrkräften sind wichtige Steuerungs­ instrumente in einem neuen Systemmanagement durch Zielorientierung.  Die Bildungsverwaltung muss zum Dienstleister für die Schule werden. Für ihre neue Selbstständigkeit brauchen die Schulen Hilfe durch effektive Bera­ tungs- und Unterstützungssysteme bis hin zum indi­ viduellen Coaching.

PISA: Trendwende in der Schule erkennbar – Reformweg konsequent ausbauen Die von PISA 2006 erfassten deutschen Schülerleistun­ gen mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften sind besser geworden. Erstmals liegen sie in diesem Themen­ feld im vorderen Drittel und erkennbar über dem OECDDurchschnitt. Damit ist ein erster, wichtiger Schritt auf dem Weg in die Spitzengruppe gelungen. Nun muss alles darangesetzt werden, auf dieser Trendwende auf­ zubauen und auch bei allen anderen Schülerleistungen zu echten Verbesserungen zu kommen. Dies gilt vor allem für Mathematik und Lesen. Hier gibt es laut PISA zu wenig Fortschritte: Noch immer versteht jeder fünfte Jugendliche nicht, was er liest. Die Reformen, die nicht zuletzt infolge der Schockwel­ le der ersten PISA-Studie angestoßen wurden, müssen deshalb konsequent fortgesetzt werden. Die selbststän­

 Die Schulaufsicht muss zum ersten Ansprechpart­ ner der Schule werden. Die Mitarbeiter der Schul­ aufsicht brauchen zur Weiterentwicklung ihrer Professionalität ein Leitbild mit klaren Aufgabenbe­ schreibungen und eine Vermittlung der geforderten Kompetenzen.  Schule, Schulaufsicht und Evaluationseinrichtungen brauchen als Referenzrahmen ein einheitliches und transparentes Verständnis mit eindeutigen Indika­ toren, was Schulqualität ausmacht.  Die Bildungsverwaltung – vom Schulamt bis zum Kultusministerium – muss für sich ein funktionie­ rendes Qualitätsmanagement entwickeln, das auch extern überprüft wird.  Die Qualitätssicherung des Gesamtsystems ist eine entscheidende Aufgabe der Kultusministerien.

dige Schule, die über die Umsetzung bundesweiter Leis­ tungsstandards Transparenz herstellt, muss überall zur gelebten Realität werden. Die Schulaufsicht muss vom Weisungsgeber zum Ratgeber für Schulen werden und sich zum wirklichen Dienstleister entwickeln. Mit dem gemeinsamen Positionspapier „Schulsystem neu managen – Paradigmenwechsel in der Schulaufsicht“ ha­ ben BDA und BDI ein neues Management für das Schul­ system gefordert. Eine „Checkliste“ im Positionspapier ermöglicht eine Überprüfung, wie weit und wie effektiv das Systemmanagement für die Schule gelingt. Das Pa­ pier wurde im Rahmen einer Veranstaltung mit dem Titel „Schule unter Aufsicht?“ im Juni 2007 vorgestellt. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Schul­ politik“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.


Bildung/Berufliche Bildung

Ausbildungsmarkt – Positive Entwicklung dank Unternehmensengagement und guter Konjunktur Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt 2007 belegt: Die wirkungsvollste Ausbildungsförderung ist eine wachsende Wirtschaft. Dank der guten konjunkturellen Lage kann bereits jetzt für das Jahr 2007 eine sehr po­ sitive Bilanz zum Übergang von Schule in Ausbildung gezogen und eine gewisse Entspannung auf dem Ausbil­ dungsmarkt insgesamt festgestellt werden. Erfreulich ist insbesondere der deutliche Anstieg bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen: Insgesamt wurden 2007 625.914 Ausbildungsverträge abgeschlos­ sen; das sind 8,6 % mehr als im Vorjahr. Damit wurde 2007 das zweitbeste Ergebnis seit der Wiedervereinigung erreicht. Auch die Daten der BA-Ausbildungsvermittlung belegen diesen positiven Trend: Zum 30. September waren bei den Arbeitsagenturen noch 29.100 unversorgte Bewer­ ber registriert – ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um gut 20.000 und der niedrigste Stand seit 2002. Ihnen stan­ den noch 18.400 unbesetzte Ausbildungsplätze sowie ein Großteil der im Ausbildungspakt zugesagten 40.000 EQJPlätze zur Verfügung. Bis Ende November konnte die Zahl der unvermittelten Bewerber weiter deutlich redu­ ziert werden auf 16.600 (November 2006: 27.800) – bei rd. 30.000 offenen Ausbildungsstellen und unbesetzten EQJ-Plätzen. Damit können jedem Bewerber im statisti­ schen Durchschnitt knapp zwei Angebote unterbreitet und bis Jahresende die Zahl der unvermittelten Bewerber nochmals deutlich reduziert werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Aus­ bildungsmarkt“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar.

Ausbildungspakt bis 2010 verlängert Der „Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenach­ wuchs“ hat unter besonders schwierigen Rahmenbedin­ gungen in den Jahren 2004 bis 2006 zu einer Verbesse­ rung der Situation auf dem Ausbildungsmarkt beigetragen.

Diese positive Zusammenarbeit wird – mit dem neuen Partner Bundesverband der Freien Berufe – durch die Ver­ längerung des Paktes im März 2007 bis 2010 fortgesetzt. Ziel der Paktpartner bleibt es, in enger Kooperation mit den Ländern allen ausbildungswilligen und -fähigen jun­ gen Menschen ein Ausbildungsangebot zu unterbreiten. Die Wirtschaft hat zugesagt, jährlich 60.000 neue Aus­ bildungsplätze einzuwerben, 30.000 neue Ausbildungs­ betriebe zu gewinnen und 40.000 Plätze für betriebliche Einstiegsqualifizierungen (EQJ) bereitzustellen. Mit die­ sen ehrgeizigen Zielen dokumentiert die Wirtschaft ihr stetiges Engagement für die Ausbildung ihres Fachkräfte­ nachwuchses. Ganz wesentlich hängt die erfolgreiche Umsetzung dieser Ziele von den wirtschaftlichen Rah­ menbedingungen ab – Reformen dürfen daher nicht zu­ rückgedreht, sondern müssen fortgesetzt werden. Erste Zwischenergebnisse zur Umsetzung der neuen Paktziele 2007 zeigen, dass auch in diesem Jahr eine positive Bilanz gezogen werden kann. So wurden bis Ende September bereits 68.500 neue Ausbildungsplätze (Zusage: 60.000) und 43.400 neue Ausbildungsbetriebe (Zusage: 40.000) gewonnen. Zudem wurden bis Ende September bereits 31.500 EQJ-Plätze von den Betrieben bereitgestellt. Da die Einwerbung und der Einsatz dieser Plätze schwerpunktmäßig in der Nachvermittlung erfol­ gen, wird auch hier die Zusage von 40.000 Plätzen mit Sicherheit erreicht. Wichtiges Anliegen des Ausbildungspaktes bleibt die Verbesserung der Ausbildungsreife der Bewerber. Die Paktpartner bieten den Ländern eine intensive Kooperati­ on an, um die noch immer hohe Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss und ohne Ausbildungsreife nachhaltig und deutlich zu verringern. Das muss zentrales Ziel der Bildungspolitik der Länder sein. Dazu gehört auch, dass allgemein bildende Schulen ihre Kooperation mit Betrie­ ben weiter intensivieren und die Berufsorientierung der Schüler verbessern. Gemeinsam mit der Kultusminister­ konferenz (KMK) streben die Paktpartner ein Gesamtkon­ zept zur Berufswegeplanung an, das unter Federführung der BDA entwickelt wird und im Frühjahr 2008 vorge­ stellt werden soll. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbil­ dungspakt“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

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Bildung/Berufliche Bildung

SGB-III-Förderung – Konzentration auf Praxisnähe Noch immer gelingt vielen leistungsschwächeren Ju­ gendlichen nicht der Übergang von der Schule in Aus­ bildung. Deshalb werden mehr wirkungsvolle Brücken in Ausbildung gebraucht. Erfolgreich sind hier vor allem betriebliche Angebote, wie beispielsweise die Einstiegsqualifizierungen mit Übergängen in Ausbil­ dung von knapp 70 %. Solche betriebsnahen Angebote gilt es auszuweiten. BDA und DGB haben im Herbst 2006 in der Bundes­ agentur für Arbeit einen Verwaltungsratsbeschluss initiiert, der genau darauf abzielt: durch mehr flankie­ rende Unterstützungsangebote die Chancen leistungs­ schwacher Jugendlicher auf betriebliche Qualifizierung zu verbessern. Die jüngsten SGB-III-Änderungen haben einige wesentliche Forderungen bereits aufgegriffen:  Förderung sozialpädagogischer Begleitung bei be­ trieblicher Berufsvorbereitung  Förderung organisatorischer Unterstützung von KMU bei Ausbildung und Berufsvorbereitung  Verankerung der Einstiegsqualifizierungen im SGB III (wenn auch falsch, nämlich über Beiträge statt Steu­ ern, finanziert)  Breitere Fördermöglichkeiten bei der vertieften Berufsorientierung Positiv ist ebenfalls, dass bei der außerbetrieblichen Ausbildung benachteiligter Jugendlicher nicht mehr zwingend eine Berufsvorbereitungsmaßnahme vor­ geschaltet werden muss – es gilt nun durchzusetzen, dass diese befristete Öffnung auch über das Jahr 2007 hinaus Bestand hat. Darüber hinaus muss die Inte­ gration leistungsschwacher Jugendlicher künftig mit einer finanziellen Eingliederungshilfe in betriebliche Ausbildung unterstützt werden. Im SGB III muss daher – analog zur Eingliederungshilfe in Beschäfti­ gung – eine Eingliederungshilfe in betriebliche Ausbil­ dung verankert werden. BDA und DGB fordern auch dies gemeinsam. Die Bundesregierung prüft, der Erklärung der Kabi­ nettsklausur in Meseberg im August 2007 zufolge, fol­ gende Punkte:

 die Einführung eines Ausbildungsbonus für über­ durchschnittlich ausbildende Betriebe  einen Ausbildungskostenzuschuss für die Ausbil­ dung bestimmter Gruppen von benachteiligten Altbewerbern  den Einsatz von Ausbildungspaten  die Verstärkung der personellen Ressourcen der Berufsberatung Den Übergang von der Schule in Ausbildung durch Ausbildungspaten sowie eine verstärkte Berufsberatung zu unterstützen, ist ebenso zu begrüßen wie ein Ausbil­ dungskostenzuschuss, Letzterer aber nur, wenn er eng auf leistungsschwache Altbewerber konzentriert ist und ihnen gezielt neue Chancen eröffnet. Ein allgemeiner Ausbildungsbonus führt hingegen zu Fehlanreizen und Verwerfungen auf dem Ausbildungsmarkt. Er brüskiert jene Unternehmen, die in den letzten Jahren trotz großer wirtschaftlicher Probleme und ohne Bonus über den eige­ nen Bedarf hinaus ausgebildet haben und gerade deshalb jetzt nicht noch einmal zulegen können, und „belohnt“ einseitig diejenigen, die sich in der Krise zurückgehalten haben und jetzt – wo sie ohnehin Bedarf haben – mehr als im Durchschnitt der schwierigen Jahre ausbilden.

AEVO – Ausbilderqualifizierung bedarfsgerecht gestalten Im Jahr 2003 hat die Bundesregierung die Ausbilder­ eignungsverordnung (AEVO) ausgesetzt. Diese Ver­ ordnung regelte, dass der Erwerb der berufs- und ar­ beitspädagogischen Fertigkeiten und Fähigkeiten von Ausbildern nachzuweisen ist – in der Regel durch eine entsprechende Prüfung. Die Aussetzung gilt bis zum 31. Juli 2008. Aktuell werden von Seiten des BMBF Überlegungen angestellt, ob die Aussetzung verlängert und ob ggf. eine Überarbeitung der Regelung vorge­ nommen werden soll. Nicht nur weil es das Berufsbildungsgesetz, dessen Anforderungen an Ausbilder richtigerweise nie ausge­ setzt waren, zu Recht erfordert, sondern weil wir uns aus Eigeninteresse klar für eine anspruchsvolle Ausbil­ dungspraxis entschieden haben, brauchen wir überall qualifizierte und geeignete Ausbilder. Bei den anste­ henden Überlegungen zur Zukunft der AEVO geht es


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daher nicht um die Frage, ob wir optimale Qualität in der Ausbildung wollen oder nicht – das versteht sich von selbst. Es geht ausschließlich um die Frage des geeigneten Instrumentariums. Aus Sicht der ganz überwiegenden Mehrheit der Arbeitgeber stellt die alte AEVO kein heute noch Qualität sicherndes, Ausbil­ dungsbereitschaft wirksam förderndes Instrument dar. Denn sie wirkt aufgrund des teilweise unnötigen und beträchtlichen Aufwandes gerade für KMU als Ausbil­ dungshemmnis. Zudem wird sie als pauschale Rege­ lung den sehr unterschiedlichen Rollen und Aufgaben von Ausbildern nicht gerecht. Ziel der aktuellen Überlegungen muss deshalb sein, ein attraktives Angebot zu schaffen, das von vielen Betrieben und Ausbildungsverantwortlichen in unterschiedlichen Funktionen im Sinne qualitativ hochwertiger Ausbildung genutzt wird. Ein zukunftsfähiges und praxisgerechtes Konzept sollte die folgenden Kriterien erfüllen: Optimie­ rung von Aufwand und Ertrag, Differenzierungsmöglich­ keiten sowie enger Praxisbezug. In die aktuelle Diskus­ sion werden die Arbeitgeber daher folgende Eckpunkte einbringen: Verlängerung der Aussetzung der AEVO, die die Voraussetzung schafft für eine zügige und fundierte Neukonzeptionierung der Ausbildungsqualifizierung und die begrenzt ist auf maximal zwei Jahre; Neukon­ zeptionierung basierend auf Modulen, so dass ein pass­ genaues und attraktives Angebot entsteht; Reduzierung des Aufwandes ohne Verzicht auf Qualität.

Ausbildungsstrukturen – auf dem Weg zu mehr Flexibilität und Durchlässigkeit Ausbildung hat sich in den letzten Jahren weiterentwi­ ckelt. In verschiedenen Ausbildungsberufen sind in punc­ to Flexibilität mit innovativen Strukturkonzepten bereits erhebliche Fortschritte erzielt und passgenaue Lösungen gefunden worden. Zur Stärkung der betrieblichen Aus­ bildung braucht das duale System aber ein „Mehr“ an Differenzierungsmöglichkeiten in einer Ausbildung, die immer auf ganzheitliche Berufe ausgerichtet bleibt. Wo gewollt und sinnvoll, wollen BDA und BDI als Ge­ staltungsoptionen den Einsatz von Ausbildungsbau­steinen, die Schaffung von Berufsgruppen bei sich über­lappenden

Kompetenzen sowie eine stärkere Differenzierung des Ausbildungsniveaus und eine stärkere Dokumentation von Teilleistungen ermöglichen. Die Arbeitgeber haben daher die vom Innovationskreis Berufliche Bildung des BMBF vorgelegten Empfehlungen für die Erprobung von Ausbildungsbausteinen, die Bildung von Berufsgruppen sowie die stärkere Nutzung betrieblichen Know-hows bei den Prüfungen begrüßt und werden sich intensiv für die Umsetzung dieser Vereinbarungen engagieren. Denn durch mehr Flexibilität im Rahmen von Berufsbildern wird die betriebliche Ausbildung gestärkt. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Moderne Strukturen in der dualen Ausbildung“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

Auswahlverfahren der Hochschulen für beruflich Qualifizierte öffnen Die Arbeitgeber begrüßen, dass sich der Innovationskreis Berufliche Bildung ausdrücklich für eine „transparentere und offenere Gestaltung der Regelungen für den Hoch­ schulzugang beruflich Qualifi­zierter“ ausgesprochen und an die Hochschulen appel­liert hat, „gemeinsam mit der Wirtschaft Eingangs-, Aner­kennungs- und Anrechnungs­ verfahren für beruflich Qualifizierte zu entwickeln“. Noch immer wird beruflich Qualifizierten der Hoch­ schulzugang durch intransparente Regelungen und spe­ zielle Zulassungserfordernisse erschwert. In der Folge nehmen deutschlandweit nur wenige beruflich Qualifi­ zierte ohne formale Hochschulzugangsberechtigung ein Studium auf – sie stellen nur 1 % der Studienanfänger. Deshalb muss die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung erhöht werden. Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gilt es, das Potenzial hervorragender Absolventen der beruf­ lichen Erstausbildung für die hochschulische Bildung zu erschließen. Wer studierfähig ist, muss studieren können, auch wenn er nicht über die formale Hochschulzugangs­ berechtigung verfügt. BDA und BDI schlagen deshalb vor, im Rahmen von Auswahl­verfahren den Hochschulzugang für alle Studienbewerber nach bundesweit einheitlichen Kriterien zu regeln. Ziel muss es sein, beruflich Quali­


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fizierten ohne schulische Hochschulzugangsberechti­ gung glei­chermaßen wie schulisch qualifizierten Hoch­ schulbewerbern die Teilnahme an Auswahlverfahren zu ermöglichen und dabei eine Gleichbehandlung sicher­ zustellen. Die Hochschulen sollten die Auswahl der Studierenden eigenverantwortlich – insbesondere auch zur Senkung der hohen Studienab­brecherquoten und im Sinne einer Profilbildung – ge­stalten. BDA und BDI werden in der ersten Jahreshälfte 2008 gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Hochschulzu­ gangskriterien für die allgemeine Studierfähigkeit sowie die spezielle Studien­gang­eignung entwickeln.

Lebenslanges Lernen durch moderne und praxisgerechte Ausbildungsberufe und Fortbildungen fördern Die bedarfsgerechte Neuentwicklung von Ausbil­ dungsberufen sowie die Überarbeitung bestehender Ausbildungsberufe sind das zentrale Anliegen von BDA

und BDI im Rahmen der Ordnungsarbeit. Moderne Aus­ bildungsberufe steigern nicht nur die Attraktivität der Be­ rufsbildung, sie ermöglichen zugleich den Unternehmen, sich ihren Bedürfnissen entsprechend in der Ausbildung zu engagieren und damit auch den weiteren Erfolg des Ausbildungspakts zu gewährleisten. Diese Auswirkung der Ordnungsarbeit belegt eine Befragung des Kuratori­ ums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (KWB) über die 55 zwischen 1996 und 2006 neu geordneten Berufe: Obwohl es in der Regel mehrere Jahre dauert, bis ein neuer Beruf sein gesamtes Ausbildungspotenzi­ al ausschöpfen kann, machen diese mittlerweile bereits knapp 10 % aller Ausbildungsverhältnisse im dualen Sys­ tem aus. Ende 2006 wurden fast 150.000 Jugendliche in den neuen Berufen ausgebildet. Fast die Hälfte der neuen Berufe hat mehr als 1.000 Ausbildungsverhältnisse, acht neue Berufe sogar mehr als 5.000. Bei nur fünf der neuen Berufe lagen die Ausbildungszahlen unter 100; diese be­ finden sich teilweise aber noch in der Einführungsphase und haben ihr volles Potenzial noch nicht entfaltet. Seit dem 1. August 2007 kann die Ausbildung in vier neuen Berufen angeboten werden, sechs Berufe wurden

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überarbeitet. Ziel der Ordnungsarbeit ist es dabei auch, Branchen bzw. Beschäftigungsbereiche für die Ausbil­ dung zu gewinnen, deren Potenzial bis­lang nicht ausge­ schöpft wurde, weil es an geeigneten Ausbildungsprofi­ len fehlte. Der neue Beruf des/der Sport­fachmanns/-frau bietet ein derartiges innovatives Ausbildungsprofil, das im Gegensatz zum Sport- und Fitnesskaufmann die Sport­ praxis stärker betont und damit den Bedürfnissen einer Branche entspricht, die bislang ihr Ausbildungspoten­ zial durch das schwerpunktmäßig kaufmännische Profil des bestehenden Berufs nicht ausschöpfen konnte. Vor diesem Hintergrund setzt sich die BDA auch erfolgreich für einen neuen Beruf im Bereich der Personaldienst­ leistungsunternehmen ein. Das entsprechende Neuord­ nungsverfahren steht unmittelbar vor dem Abschluss und ermöglicht in naher Zukunft sowohl Unternehmen,

die in der Personalvermittlung tätig sind, als auch Per­ sonalabteilungen in Unternehmen, erstmalig bzw. ver­ stärkt ihren Bedürfnissen entsprechend auszubilden. Zur Förderung des lebenslangen Lernens müssen aber auch moderne Fortbildungsprofile angeboten werden, die zugleich dem gesteigerten Qualifikationsbedarf der Unternehmen Rechnung tragen. Der Übergang von der Aus- in die Fortbildung muss dabei so fließend wie möglich gestaltet werden, die Anschlussfähigkeit muss gewährleistet sein. Dabei nehmen neue Fortbildungs­ profile ebenso wie einige neue Ausbildungsberufe ver­ stärkt die Kompetenz- und Prozessorientierung in den Blick. Sie berücksichtigen damit die betriebliche Wirk­ lichkeit gerade im Bereich der gewerblich-technischen Unternehmen.

Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret Neue Berufe 2007: Fachkraft für Holz- und Bautenschutzarbeiten (zweijähriger Beruf), Holz- und Bautenschützer/-in, Mathematischtechnische/-r Softwareentwickler/-in, Sportfachmann/-frau Neu geordnet wurden die Berufe: Bestattungsfachkraft, Brauer/-in und Mälzer/-in, Mechatroniker/-in für Kältetechnik, Mediengestalter/-in Digital und Print, Produktprüfer/-in Textil, Sport- und Fitnesskaufmann/-frau Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2008 befinden sich die Berufe: Automatenfachmann/-frau (neuer Beruf), Fachangestellte/-r für Tanzschulen (neuer Beruf), Fachkraft für Automa­ tenservice (neuer zweijähriger Beruf), Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Keramiker/-in, Seiler/-in, Servicekraft für Schutz und Sicherheit (neuer zweijähriger Beruf), Speiseeishersteller/-in (neuer zweijähriger Beruf), Friseur/-in, Fo­ tomedienfachmann/-frau (vorheriger Arbeitstitel: Medienberater/-in für visuelle Kommunikation), Personaldienst­ leistungskaufmann/-frau (neuer Beruf), Produktionstechnologe/-technologin (neuer Beruf) In der beruflichen Fortbildung wurden die folgenden Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG): Geprüfte/-r Bilanzbuchhalter/-in, Geprüfte/-r Pharmareferent/-in, Geprüfte/-r Wasserbaumeister/-in, Prozessmanager/in für Mikrotechnologie Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen: Betriebswirt/-in nach Handwerksordnung, Fortbildung in der Produktionstechnologie, Geprüfte/-r Veranstaltungs­ fachwirt/-in, Immobilienfachwirt/-in, Geprüfte/-r Industriemeister/-in Fachrichtung Papier und Kunststoff, Meister/in für Lagerwirtschaft, Geprüfte/-r Meister/-in für Veranstaltungstechnik, Geprüfte/-r Polier/-in, Tierpflegemeister/-in, Geprüfte/-r Versicherungsfachwirt/-in


Bildung/Berufliche Bildung

Weiterbildung – Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit sichern

Hochschulen als Weiterbildungsträger: Attraktive Angebote erforderlich

Für die deutschen Arbeitgeber ist Weiterbildung kein Lippenbekenntnis, sondern vielfach gelebte Realität. Sie investieren pro Jahr rd. 27 Mrd. € in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Wie Weiterbildung weiter gestärkt werden kann, hat die BDA in ihrem im Frühjahr ver­ öffentlichten Positionspapier „Berufliche Weiterbildung: Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungs­ fähigkeit“ dargestellt.

Der Bedarf an wissenschaftlicher Weiterbildung als Be­ standteil lebenslangen Lernens wächst. Der Gesetzgeber hat im Hochschulrahmengesetz die wissenschaftliche Weiterbildung als eine Kernaufgabe der Hochschulen definiert. In den jeweiligen Landeshochschulgesetzen ist dies – wenn auch mit deutlichen Unterschieden – eben­

Für Unternehmen bedeutet Verantwortung für Wei­ terbildung, die Bedeutung der Qualifikationen ihrer Mitarbeiter als Wert für das Unternehmen zu erkennen und ihr Engagement für berufliche Weiterbildung als Investition in die Zukunft zu verstehen. Für den Einzel­ nen sollte Eigenverantwortung und -initiative in der be­ ruflichen Weiterbildung selbstverständlich sein und er sollte Chancen und Nutzen beruflicher Weiterbildung als lebensbegleitende Aufgabe erkennen. Gerade die Einbringung von Freizeit stellt eine gute Möglichkeit zur Beteiligung des Einzelnen am Weiterbildungsauf­ wand dar. Aktuell finden noch drei Viertel der betrieb­ lichen Weiterbildung in der Arbeitszeit statt. Hier ist ein stärkeres Engagement des Einzelnen erforderlich. So wären knapp 60 % der Unternehmen bereit, noch stärker in Weiterbildung zu investieren, wenn die Mitarbeiter mehr Freizeit einbrächten. Die Weiterbil­ dungsanbieter stehen ihrerseits vor der Aufgabe, sich zu Dienstleistern mit individuellen Angeboten, insbe­ sondere in Form von Weiterbildungsberatung und -be­ gleitung, weiterzuentwickeln. Das Handeln der Politik sollte sich auf die Sicherung lernförderlicher Rahmen­ bedingungen beschränken und von regulierenden Ein­ griffen in den Weiterbildungsmarkt absehen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Lebens­ langes Lernen“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar.

7-Punkte-Plan von Wirtschaft und Hochschulen 1. Die Hochschulen entwickeln im Dialog mit der Wirtschaft Angebote wissenschaftlicher Weiterbil­ dung auf Grundlage ihres eigenen Profils. 2. Die Hochschulen gewährleisten eine anwendungs­ orientierte und kostendeckende Konzeption und Durchführung wissenschaftlicher Weiterbildung. 3. Die Hochschulen legen für die wissenschaftlichen Weiterbildungsangebote die Lernziele fest und gestalten die Qualitätskontrollen transparent. Ein modularer Aufbau ist sinnvoll. 4. Die Hochschulen richten kundenorientierte „Ser­ vice-Center Weiterbildung“ für nachfragende Un­ ternehmen und Einzelpersonen ein. 5. Die Hochschulen und die Politik gestalten faire und qualitätsbewusste Alternativen zum Hoch­ schulzugang über Schulabschlüsse. 6. Die Politik schafft Anreize für Hochschulen, wis­ senschaftliche Weiterbildung kontinuierlich anzu­ bieten, und beseitigt bestehende Restriktionen. 7. Hochschulen und Wirtschaft bauen regional or­ ganisierte „Netzwerke Weiterbildung“ auf und ko­ operieren bei der Ermittlung von Bedarf und Ange­ bot wissenschaftlicher Weiterbildung.

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falls verankert. Aufgrund gesetzlicher Einschränkungen vor allem im öffentlichen Dienst- und Haushaltsrecht ist es für die Hochschulen jedoch wenig attraktiv, Ange­ bote wissenschaftlicher Weiterbildung zu entwickeln. Ausgehend von einem fachlich breit angelegten Bache­ lor-Studium und einem frühen Berufseinstieg werden im Laufe des Berufslebens mit wachsender Spezialisierung und sich verändernden Anforderungen im Beschäfti­ gungssystem jedoch entsprechende wissenschaftliche Weiterbildungen künftig noch dringender als bisher be­ nötigt. Dies können sowohl einzelne Module als auch komplette (ggf. berufsbegleitende) Master-Studiengänge sein. Den Hochschulen eröffnet sich damit ein breites und attraktives Betätigungsfeld. Vor diesem Hintergrund haben BDA, BDI und Hoch­ schulrektorenkonferenz gemeinsam die gegenseitigen Erwartungen von Hochschulen und Beschäftigungssys­ tem in ihrem Positionspapier „Wissenschaftliche Wei­ terbildung im System der gestuften Studienstruktur“ formuliert und einen 7-Punkte-Plan erarbeitet. Mit der Umsetzung des 7-Punkte-Plans kann das Engagement der Hochschulen gesteigert und somit der Bedarf an wissenschaftlicher Weiterbildung im Beschäftigungssys­ tem besser gedeckt werden.

Deutscher Qualifikationsrahmen muss sich an den Anforderungen des Beschäftigungssystems orientieren Der Startschuss für die Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) ist gefallen: Das Europä­ ische Parlament hat im Oktober 2007 dem Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung über die Einrichtung eines EQR zugestimmt. Die Empfehlung sieht jetzt vor, dass die Mitgliedstaaten ihre jeweiligen nationalen Qua­ lifikationssysteme nicht bis 2009, sondern erst bis 2010 an den EQR koppeln. Auch sollen individuelle Zeugnisse und Diplome ab 2012 und nicht bereits ab 2011 einen EQR-Verweis erhalten. Damit dürfte sich auch der zeitliche Rahmen für die Ent­ wicklung des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) verschieben. Dieser soll die Umsetzung und Anwen­

dung des EQR erleichtern, indem er die im deutschen Bildungssystem erworbenen Qualifikationen transpa­ rent und vergleichbar macht, bei der Einstufung aber nationale Besonderheiten berücksichtigt. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit eines solchen Rahmens wird seine Praxistauglichkeit sein. Die BDA hat daher von Anfang an gefordert, bei der Gestaltung des Rahmens die Anforderungen der Unternehmen zu beachten. BMBF und KMK haben bereits im Januar 2007 mit der Entwicklung des DQR begonnen. Seit Juni 2007 sind auch die zentralen Stakeholder – Arbeitgeber, Gewerk­ schaften, HRK sowie Vertreter der Wissenschaft – im Rahmen eines Arbeitskreises in den Entwicklungs­ prozess eingebunden. Zunächst sollen die Eckpunkte für die Gestaltung des DQR festgelegt werden, insbe­ sondere die Anzahl der Niveaustufen und die Art der Deskriptoren, anhand derer die Qualifikationen später eingeordnet werden sollen. Die BDA ist in der Steue­ rungsgruppe dieses Arbeitskreises vertreten und betei­ ligt sich auch darüber hinaus aktiv am Erarbeitungspro­ zess z. B. in der Arbeitsgruppe des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung. Der DQR bietet die Chance, über alle Bildungsbereiche hinweg Qua­ lifikationen anhand einheitlicher und gemeinsam ent­ wickelter Beschreibungen zu kategorisieren und damit transparent und vergleichbar zu machen. Für die beruf­ liche Bildung bietet der DQR damit erstmalig die Mög­ lichkeit, die Gleichwertigkeit von in der Berufsbildung und an Hochschulen erworbenen Qualifikationen auf­ zuzeigen, ggf. auch eine Höherwertigkeit beruflicher Qualifikationen abzubilden. Voraussetzung hierfür ist die strikte Outcome-Orientierung des Rahmens. Die Kompetenzorientierung ist deshalb Hauptaugenmerk der BDA bei der Entwicklung des DQR. Über den Erfolg des Rahmens werden seine Anwender entscheiden – zu einem Großteil spätere Arbeitgeber, insbesondere die Personalabteilungen der Unternehmen. Diese wenden heute schon vielfach Verfahren zur Kom­ petenzmessung an und verfügen dadurch bereits über praktische Erfahrung in der Beschreibung von Kompe­ tenzen. Die BDA setzt sich deshalb weiterhin dafür ein, bei der Entwicklung der Deskriptoren des DQR Vertreter von Unternehmen als spätere Hauptanwender auch di­ rekt mit einzubeziehen. Neben dem EQR plant die Europäische Kommission die Einführung eines Europäischen Leistungspunkte­systems


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für die Berufsbildung (ECVET). Nach Abschluss des Konsultationsverfahrens, an dem sich die Spitzenorga­ nisationen der deutschen Wirtschaft mit einer konstruk­ tiv-kritischen Stellungnahme beteiligt haben, wird die Kommission voraussichtlich im März 2008 einen Vor­ schlag für die Ausgestaltung dieses neuen Instruments vorlegen. Erst dann wird ersichtlich werden, inwieweit die zentralen Forderungen der Spitzenorganisationen aufgegriffen werden. Diese beziehen sich vor allem auf das Verhältnis des geplanten Leistungspunktesys­ tems zu den bereits bestehenden europäischen Instru­ menten, dem EQR und dem ­Leistungspunktesystem im Hochschulbereich (ECTS). Nach Ansicht der BDA soll­ ten sich die verschiedenen Instrumente – die gemein­ same Ziele verfolgen – ergänzen und nicht gegenseitig behindern. ECVET wird nur dann einen Mehrwert ha­ ben, wenn es kompatibel zu ECTS gestaltet wird – da­ mit die Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und Hochschule erleichtert – und als zusätzliches quantita­ tives Element eng in den EQR integriert wird.

MINT-Strategie der Arbeitgeber zur Nachwuchssicherung Der Mangel an Fachkräften entwickelt sich immer mehr zu einer Wachstumsbremse in Deutschland. Ins­ besondere Ingenieure, aber auch IT-Fachkräfte und Naturwissenschaftler fehlen. Dieser MINT-Fachkräfte­ engpass ist nicht konjunkturell bedingt, sondern stellt ein strukturelles Problem dar. Der im September von der OECD veröffentlichte Be­ richt „Bildung auf einen Blick 2007“ hat Deutschland vor Augen geführt, dass die Absolventenquoten in den Ingenieur- und Naturwissenschaften nicht mehr zur Bestandssicherung ausreichen und – schlimmer noch – die Tendenz nach unten weist. Das Problem des Fachkräftemangels insbesondere im MINT-Bereich wird klar als Hemmnis für Deutschlands Wirtschafts­ wachstum und Innovationsfähigkeit bewertet.

Das Interesse von Frauen an MINT-Studiengängen darf nicht weiter absinken Rückläufige Zahl von Studienanfängerinnen im MINT-Bereich Informatik

Bauingenieurwesen

Maschinenbau/ Verfahrenstechnik

Elektrotechnik

8.000

7.000

6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

0 1995 Quelle: VDI, 2007

1996

1997

1998

1999

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Unternehmensnahe Dienstleistungen und die Metall- und Elektroindustrie trifft der Ingenieurmangel besonders hart Ingenieure gesucht 14.957

Unternehmensnahe Dienstleistungen 12.488

Metall- und Elektroindustrie, Fahrzeugbau 7.926

Maschinenbau 4.124

Datenverarbeitung und Datenbanken, Forschung und Entwicklung

3.217

Bauwirtschaft sonstige Industrie Logistik Chemie und Kunststoffherstellung

2.378 2.052 856

Quelle: Ergebnisse einer Unternehmensbefragung im Jahr 2006 durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) (veröffentl. 2007)

Eine der wesentlichen Herausforderungen in der Hoch­ schulpolitik liegt deshalb darin, den Anteil von Studie­ renden im MINT-Bereich in den nächsten Jahren zu erhöhen und dauerhaft auf einem hohen Niveau zu halten. Die Forderung der Wirtschaft, insbesondere auch die Ausbildung im MINT-Bereich an den Schulen stärker zu verankern, leitet sich aber nicht nur aus dem Fachkräftebedarf der Unternehmen und den damit ein­ hergehenden Beschäftigungschancen für Absolventen der hochschulischen und beruflichen Bildung ab. Ge­ nerell sollten Technik und Naturwissenschaften wieder stärker als bisher zum Bildungskanon der jungen Men­ schen zählen. Es geht nicht an, dass mehr als die Hälfte der Gymnasiasten in den letzten beiden Schuljahren keinen Physik- und Chemieunterricht mehr haben. BDA und BDI haben in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 eine gemeinsame MINT-Strategie der Verbände und Unternehmen erarbeitet, die in den Jahren 2008 bis 2013 mit zahlreichen Initiativen und Aktionen mit Leben gefüllt werden soll. Dabei sollen die vielfältigen und seit Jahren sehr erfolgreich arbeitenden regio­ nalen und branchenbezogenen MINT-Initiativen stär­ ker vernetzt und sichtbar gemacht werden. Damit wird eine kritische Masse erreicht, die den Forderungen der Wirtschaft an die Bildungspolitik großen Nachdruck verleiht.

Insbesondere der Anteil der Frauen an den MINT-Ab­ solventen ist mit 27 % in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr niedrig. In Frankreich, den USA, Großbritannien bzw. Schweden liegt die Quote dage­ gen bei rd. 35 %. In den vergangenen Jahren ist die An­ zahl der Studienanfängerinnen in den Ingenieurwissen­ schaften sogar wieder gesunken. In den Ingenieurberufen liegt der Frauenanteil in Deutschland bei nur 10 % und damit noch weitaus niedriger als bei den Absolventen der ingenieurwissen­ schaftlichen Studiengänge (22 % im Jahr 2006). Dieser geringe Anteil von Frauen bedeutet einen Verlust an Kompetenzen, Fähigkeiten und Innovationspotenzial, der aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht akzeptabel ist.

Exzellenzinitiative auch für die Lehre starten Mit der Exzellenzinitiative fördern Bund und Länder mit insgesamt 1,9 Mrd. € solche Universitäten, die in der Nachwuchsförderung, in der Forschung oder in der stra­ tegischen Gesamtentwicklung besonders herausragende Leistungen zeigen. Die Hochschulen brauchen aber auch dringend eine Exzellenzinitiative für die Lehre.


Bildung/Berufliche Bildung

Die Exzellenzinitiative hat erstmals einen Hauch von Wettbewerb und frischen Wind in die Hochschulen gebracht. Eine Spitzenhochschule zu sein, bedeutet jedoch, in der Lehre ebenso wie in der Forschung hervorragende Resultate zu erzielen. Folglich müssen Qualität und Zukunftsorientierung der Lehre eine her­ ausragende Rolle an den Hochschulen spielen. Des­ halb begrüßen BDA und BDI die gemeinsamen Über­ legungen der KMK und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft zu einer Exzellenzinitiative für die Lehre an den Hochschulen. Es ist der richtige Ansatz, Hochschulen zu prämieren, die hochschul­ didaktische Zentren aufbauen, besonders in die Lehre investieren, flächendeckend Tutorien einrichten und den Betreuungsschlüssel verbessern. Aber auch für die Fachhochschulen muss es einen Exzellenzwettbewerb geben; in der Exzellenzinitiative sind sie nicht berück­ sichtigt worden.

Qualitätssicherung in Lehre und Studium – von der Programm- zur Systemakkreditierung Die Bewertung der Exzellenz in der Lehre kann nur an­ hand eines umfassenden Qualitätsmanagements von Lehre und Studium vorgenommen werden. Aus diesem Grund unterstützt die Wirtschaft ausdrücklich den von der KMK beschlossenen Übergang von der Programm­ akkreditierung einzelner Studiengänge zur Systemakkre­ ditierung des gesamten hochschulinternen Qualitätsma­ nagementsystems. Dabei sind zwei Punkte aus Sicht der Wirtschaft von großer Bedeutung: Zum einen müssen die Qualitätsmerkmale der Systemakkreditierung vom Akkre­ ditierungsrat und nicht von den Akkre­ditierungsagentu­ ren definiert werden, um Beliebigkeit und unzureichen­ der Operationalisierbarkeit vorzubeugen. Zum anderen

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sollten auch während der Dauer der erteilten Akkreditie­ rung kontinuierliche Stichproben erfolgen, die eine Bera­ tungsfunktion gegenüber der Hochschule erfüllen.

Hintergrund der Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit der Hochschulabsolventen aktiv am Diskussionsprozess.

Durch die Akkreditierung wird die Qualität von Studien­ programmen – insbesondere auch ihre Relevanz für die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen – und die Quali­ tät hochschulinterner Prozesse im Bereich Lehre und Stu­ dium sichergestellt und transparent gemacht. Dabei steht die Überprüfung der Prozesse, die die Sicherung und Steigerung von Qualität in Lehre und Studium umfassen, im Vordergrund. Mit großem Druck hat die Kultusminis­ terkonferenz im Berichtszeitraum die Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems vorangetrieben.

Bologna-Prozess – Beschäftigungsfähigkeit betonen

Ziel der Weiterentwicklung des Akkreditierungs­systems muss es aus Sicht der Wirtschaft sein, seine Stärken bei­ zubehalten und diese gleichzeitig so zu ergänzen, dass neben der Qualität der Programme auch die Qualität der hochschulinternen Prozesse im Bereich Lehre und Studi­ um evaluiert wird und Anreize für die Hochschulen ge­ setzt werden, ein umfassendes Qualitätsmanagementsys­ tem aufzubauen. Die BDA beteiligt sich vor allem vor dem

Als federführendes Mitglied von BUSINESSEUROPE im Bologna-Prozess hat sich die BDA in den letzten Jahren stark engagiert. Bestimmend für den inzwischen 46 Staa­ ten umfassenden Bologna-Prozess im Jahr 2007 war die Bologna-Nachfolgekonferenz im Mai in London. Das besondere Anliegen der europäischen Arbeitgeber, das Thema Employability stärker als bisher auf die Agenda des Bologna-Follow-up-Prozesses zu setzen, konnte durchgesetzt werden. Neben anderen konkreten Schritten wie der Verbesse­ rung der Mobilität von Studierenden und Lehrenden oder der Einführung eines europäischen Qualitätsregis­ ters haben die europäischen Bildungsminister in Lon­ don die stärkere Sicherung von Beschäftigungsfähigkeit

Die Umstellung auf die gestufte Studienstruktur muss zügiger Voranschreiten Entwicklung der Bachelor- und Master-Studienangebote Bachelor Anzahl

Master

in % 70

4.500 4.000

60

3.500 50 3.000 2.500

40

2.000

30

1.500 20 1.000 10

500 0

SoSe 2004

Quelle: HRK, 2007

WiSe 2004/2005

SoSe 2005

WiSe 2005/2006

SoSe 2006

WiSe 2006/2007

SoSe 2007

WiSe 2007/2008

0


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Forderungen von BMBF, BDA und BDI in ihrem gemeinsamen Memorandum:

 Hochschulbildung und Arbeitsmarkt müssen durch die Integration berufsrelevanter Qualifika­ tionen in das Studium enger miteinander verbun­ den werden.

 Die Hochschulen sollen bei der Entwicklung und beim Ausbau der wissenschaftlichen Weiterbildung gestärkt werden und dabei enger mit Unternehmen kooperieren.

 Berufsberatungsstellen sollen als Bindeglied zwi­ schen Hochschule und Beschäftigungssystem an den Hochschulen eingerichtet werden.

 Die Hochschulen müssen finanzielle Anreize für ein stärkeres Engagement in Lehre und Weiterbil­ dung erhalten.

 Die Hochschulen sollen bei der Qualitätsent­ wicklung der neuen Studiengänge und ihrer Aus­ richtung auf die Beschäftigungsfähigkeit unter­ stützt werden.

 Der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Stu­ dierenden muss beim Bologna-Prozess eine noch höhere Bedeutung eingeräumt werden.

in der Neu- bzw. Weiterentwicklung von Studiengän­ gen im Kommuniqué verankert. In der entsprechenden Employability-Arbeitsgruppe, die den Ministern bis zur Nachfolgekonferenz im April 2009 Bericht erstattet, wird die BDA engagiert mitarbeiten. In Deutschland schreitet die Umstellung auf die gestufte Studienstruktur weiter voran, jedoch nicht so zügig, wie dies zu wünschen wäre. Mit Beginn des Wintersemesters 2007/2008 waren 61 % der Studiengänge auf die Bache­ lor-/Master-Struktur umgestellt. Dabei ist hervorzuheben, dass die Umstellung an den Fachhochschulen wesentlich schneller erfolgt als an den Universitäten (86 % bzw. 55 % im Wintersemester 2007/2008). Die BDA hat zum Thema Hochschule den kompakt „Hochschulpolitik“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar.

Arbeitsmarktkompetenzen der Studierenden stärken BMBF, BDA und BDI haben mit der gemeinsamen Ta­ gung „Fit für den Job?! – Arbeitsmarktkompetenzen der Studierenden stärken“ im Juli 2007 das Thema „Be­

schäftigungsfähigkeit der Studierenden“ auf die natio­ nale Agenda gesetzt. Die Veranstalter unterstrichen, dass Beschäftigungsfähig­ keit als Bildungsziel neben einer praxisnahen, fachlichen Ausbildung auch den Erwerb überfachlicher Kompe­ tenzen, wie Kommunikations- und Kooperationsbereit­ schaft, das Arbeiten im Team und die Beherrschung von Präsentationstechniken, impliziert. Neben einer guten Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ist aber auch die be­ reits an der Hochschule zu vermittelnde Fähigkeit und Motivation zur kontinuierlichen und selbst verantwor­ teten beruflichen Weiterbildung Voraussetzung dafür, dass die sich rasch wandelnden Anforderungen der Ar­ beitswelt kompetent bewältigt werden. Lebenslanges Ler­ nen erfordert von jedem Einzelnen, das eigene Kompe­ tenzprofil permanent weiterzuentwickeln. Mit einem gemeinsamen Memorandum richteten die Veranstalter insbesondere klare Forderungen an die Hochschulen, um in der Hochschulausbildung die Förderung der Arbeitsmarktkompetenzen der Studie­ renden zügig umzusetzen. Mit der Veranstaltung wur­ de ein Zeichen gesetzt für die unabdingbare intensive Kooperation von Hochschulen und Wirtschaft sowie von Bund und Ländern. Denn nur in gemeinsamer An­ strengung wird es gelingen, die akademische Aus- und

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Bildung/Berufliche Bildung

Fortbildung so weiterzuentwickeln, dass sie tatsäch­ lich „fit für den Job“ machen. Die Ergebnisse wurden in einer Tagungsdokumentation zusammengefasst und stehen unter www.bda-online.de allen Interessierten zur Verfügung.

Perspektiven von Geisteswissenschaftlern am Arbeitsmarkt Mit der Veranstaltung „Geistreich im Beruf: Perspek­ tiven von Geisteswissenschaftlern am Arbeitsmarkt“ haben BDA, HRK und der Stifterverband für die Deut­ sche Wissenschaft ihre Veranstaltungsreihe „Bildungs­ markt und Arbeitsmarkt im Dialog“ im sechsten Jahr fortgesetzt und an die Ziele des Jahres der Geisteswis­ senschaften, nämlich die Stärkung der Geisteswissen­ schaften, angeknüpft.

Foto: Thomas Köhler, www.photothek.net

Im Rahmen der Tagung wurde deutlich, dass viele Geis­ teswissenschaftler mit erstaunlicher Anpassungsfähig­ keit eine Vielfalt von Jobs in der Wirtschaft erfolgreich anstreben und viele Personalverantwortliche passgenau Geisteswissenschaftler in die unterschiedlichen Arbeits­ zusammenhänge der Unternehmen ein­bin­den. Wichtig ist, dass die Hochschulen ihre geisteswissenschaftlichen Studiengänge so gestalten, dass den Geisteswissen­ schaftlern – neben einer fundierten wissenschaftlichen Ausbildung – durch eine bessere Arbeitsmarktorientie­ rung der Berufseinstieg erleichtert wird. Das große In­ teresse insbesondere der Hochschulen an der Veranstal­ tung hat bestätigt, dass die Bedeutung einer verbesserten Beschäftigungsfähigkeit dieser Absolventengruppen im Bewusstsein vieler Hochschullehrer angekommen ist. Zugleich wurde der Handlungsdruck auf die Hochschu­ len erhöht, die notwendigen Schritte für eine an den Er­ fordernissen des Arbeitsmarktes orientierte Ausbildung von Geisteswissenschaftlern zügig umzusetzen.


Bildung/Berufliche Bildung

Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung 2007

„Entrepreneurship“ als Bildungsaufgabe: unternehmerisches Denken und Handeln stärken

Unternehmerisches Denken und Handeln ist unverzichtbar für den wirtschaftlichen Erfolg im globalen Wettbewerb. Die deutsche Wirtschaft braucht Fach- und Führungskräfte, die ihre Stärken in den Arbeitsprozess einbringen und den Wettbewerb durch die Umsetzung neuer Ideen beleben. Unternehmerisches Potenzial muss deshalb so früh wie möglich gefördert werden. Junge Menschen sollen lernen, wie aus Ideen neue Angebote und aus Initiativen neue Un­ ternehmen werden. Sie brauchen unternehmerische Kompetenzen, die in allen Bildungsstufen zu entwickeln sind. Ausgezeichnet wurden in den Kategorien Schule, Hochschule, Berufsschule und Betrieb solche Bildungskonzepte, die die nachhaltige Entwicklung ökonomischer Kenntnisse und unternehmerischer Persönlichkeitsmerkmale der Schüler, Studierenden bzw. Auszubildenden zum Ziel haben. In diesem Jahr wurde erneut ein Sonderpreis für vorschulische Einrichtungen vergeben. Die Preisträger zeichnet aus, dass ihre Konzepte auf andere Einrichtungen übertragen werden können. Mit Unterstützung der Deutsche Bahn AG erhielt jede ausgezeichnete Initiative ein Preisgeld von 10.000 €. Die Preisverleihung fand im Rahmen des Deutschen Arbeitgebertages am 11. Dezember 2007 statt. Preisträger sind in der Kategorie Schule das Käthe-Kollwitz-Gymnasium, Halberstadt www.kaeko-halberstadt.de in der Kategorie Hochschule die Technische Universität München http://portal.mytum.de/welcome in der Kategorie Berufsschule das Joseph-DuMont-Berufskolleg Köln www.jdbk.de in der Kategorie Betrieb die PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG, Blomberg www.phoenixcontact.de beim Sonderpreis für vorschulische Einrichtungen das Kindertagesheim St. Johannes Arsten, Bremen Weitere Informationen zum Arbeitgeberpreis für Bildung unter www.bda-online.de.

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VORWORT ARBEITSMARKT ARBEITSRECHT TARIFPOLITIK SOZIALE SICHERUNG BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK Volkswirtschaft und Finanzen GESELLSCHAFTSPOLITIK PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT BDA-ORGANISATION IN MEMORIAM BDA-ORGANIGRAMM

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Europäische und internationale Sozialpolitik

Europa findet den Weg aus der Vertrauenskrise Rückblick auf EU-Ratspräsidentschaft überwiegend positiv … Das Jahr 2007 war für Europa ein wichtiges Jahr. Nach dem am Ratifizierungsprozess gescheiterten Verfassungsvertrag gelang es der deutschen Präsidentschaft, die Weichenstellungen für die vertragliche Neuordnung der EU vorzunehmen. Auf der Grundlage der Beschlüsse des EU-Gipfels im Juni 2007 wurde am 19. Oktober die politische Einigung aller Mitgliedstaaten über den EU-Reformvertrag erzielt und der Weg für die Unterzeichnung des „Vertrags von Lissabon“ im Dezember 2007 bereitet. Dieser Reformvertrag war überfällig, denn die auf 27 Mitgliedstaaten erweiterte Union ist nur dann handlungsfähig, wenn sie eine klare Kompetenz­ ordnung gemäß dem Subsidiaritätsprinzip erhält und wenn ihre Institutionen und Entscheidungsregeln reformiert werden. Nur eine entscheidungsfähige EU kann die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbs sichern und verbessern. Wichtige Elemente dieses Reformvertrages sind:  die Einführung der doppelten Mehrheit (Beschluss gilt als angenommen, wenn 55 % der Mitgliedstaaten zu-

stimmen und diese mindestens 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren)  die Reform der Institutionen mit den drei neuen Spitzenämtern Kommissionspräsident, Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Präsident des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs und einem stärkeren Europäischen Parlament  das „Kompetenzkapitel“, in dem zwischen ausschließlichen und geteilten Kompetenzen differenziert wird, sowie Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungsmaßnahmen festgelegt werden  die Subsidiaritätskontrolle, mit der geregelt wird, dass nationale Parlamente ein Klagerecht gegen Vorschläge der Kommission haben, wenn sie das Subsidiaritätsprinzip verletzt sehen Der EU-Reformvertrag übernimmt damit wesentliche Inhalte des EU-Verfassungsvertrages von 2004. Doch wie seinerzeit beim EU-Verfassungsvertrag ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Nach seiner Unterzeichnung am 13. Dezember 2007 muss der Reformvertrag in allen 27 Mitgliedstaaten – je nach nationaler Regelung – per Parlamentsbeschluss oder Referendum ratifiziert werden, damit er am 1. Januar 2009 rechtzeitig vor der Erneuerung von Kommission und Europäischem Parlament in Kraft treten kann. Die Vorbereitungen für die politische Einigung hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halb-


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Hohe Anzahl der jährlich verabschiedeten Richtlinien und Verordnungen belastet die Wirtschaft übermässig Verordnungen

Richtlinien

3.500

180 160

3.000

140 2.500 120 100

2.000

80

1.500

60

1.000

40 500

20 0

0 1968

1978

1998

2003

1968

1978

1998

2003

Quelle: Tim Ambler, Keith Boyfield, Route Map to Reform, Adam Smith Institute, 2005

jahr 2007 getroffen. Unter der zielstrebigen Führung von Bundeskanzlerin Merkel ist es gelungen, bei den entscheidenden Fragen Kompromisse zu erzielen und 27 EU-­Mitgliedstaaten auf einen einheitlichen Kurs des politisch Machbaren zu bringen. Ebenfalls wurde unter deutscher Präsidentschaft der Beschluss gefasst, die Verwaltungsbelastung durch EU-Gesetzgebung um 25 % bis zum Jahr 2012 zu reduzieren. BUSINESSEUROPE und die BDA übten beharrlichen Druck aus, um „Better Regulation“ stärker voranzutreiben. Entscheidend dabei waren die quantitativen Messlatten, an denen sich nicht so leicht mit Worten herummogeln lässt. Besonders positiv ist die Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das eine Pilotevaluierung der Bildschirmrichtlinie unternommen hat. Am Beispiel der Bildschirmrichtlinie wurden Erkenntnisse für das systematische Vorgehen bei der Evaluierung von Arbeitsschutzrichtlinien durch die Befragung von Unternehmen und Arbeitnehmern in verschiedenen EUMitgliedstaaten gewonnen. Die Ergebnisse sollte die Kommission jetzt nutzen, um erstens die Bildschirm-

richtlinie zügig zu revidieren und zweitens die Ergebnisse dieses guten Pilotprojektes auch für die Revision weiterer Arbeitsschutzrichtlinien zu nutzen. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Bessere Rechtsetzung“ und den kompakt „EU-Reformvertrag – neue Grundlage für die erweiterte Union“ veröffentlicht. Sie sind über www.bda-online.de abrufbar. Die BDA hat sich gemeinsam mit dem BDI durch zahlreiche Aktivitäten an der deutschen Ratspräsidentschaft beteiligt. BDA und BDI haben in Form von zwei gemeinsamen Memoranden sowie in höchstrangig besetzten Veranstaltungen in Brüssel und Berlin konkrete Handlungsprioritäten und Wege aufgezeigt, wie aus Sicht der deutschen Wirtschaft das Vertrauen der Bürger zu Europa zurückgewonnen und die Lissabon-Ziele in Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungspolitik verwirklicht werden können. In einer abschließenden gemeinsamen Bilanz der EU-Ratspräsidentschaft mit der bewussten Orientierung „Europas Stärken ausbauen“ haben BDA und BDI ihre Bewertungen zum Sachstand der einzelnen Themen und Dossiers sowie ihre Forderungen für die Zukunft präsentiert.

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BDA/BDI-Aktivitäten während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

28. November 2006

4. Dezember 2006

22. Januar 2007 30. Januar 2007 25. März 2007 14. – 15. Juni 2007 25. – 26. Juni 2007

Pressekonferenz mit Arbeitgeberpräsident Hundt und BDI-Präsident Thumann zur Präsentation des Gemeinsamen Memorandums von BDA und BDI zur deutschen Ratspräsidentschaft in Berlin Treffen des UNICE- (seit 23. Januar 2007 BUSINESSEUROPE) Präsidenten Seillière gemeinsam mit Arbeitgeberpräsident Hundt und BDI-Präsident Thumann mit Bundeskanzlerin Merkel in Berlin, um Anliegen der europäischen Wirtschaft vorzutragen Gemeinsame festliche Veranstaltung von BDA und BDI in Brüssel unter dem Motto „Europa zukunftsfähig machen“ Europatag der deutschen Wirtschaft in Berlin unter dem Motto „Europa 2007 – neue Anstöße, neue Perspektiven“ Mitwirkung am Bürgerfest der Bundesregierung zum 50. Jubiläum der Römischen Verträge in Berlin Ausrichtung des BUSINESSEUROPE-Rates der Präsidenten in Berlin durch BDA und BDI BDI/BDA/vbw/Confindustria-Konferenz „Der Wirtschaftsraum Zentraleuropa: Motor für Wachstum und Beschäftigung im erweiterten Europa“ in München

Den Abschluss der besonderen Veranstaltungen, die BDA und BDI während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft durchgeführt haben, bildete der Rat der Präsidenten des europäischen Arbeitgeber- und Industrieverbands BUSINESSEUROPE (früher: UNICE) am 14. und 15. Juni 2007 in Berlin mit Bundespräsident Köhler, Bundestagspräsident Lammert und Bundeskanzlerin Merkel als Gesprächspartnern. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: sozialpolitische Bilanz“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

… aber in der Sozialpolitik ernüchternd Das Engagement der deutschen Präsidentschaft für die „Better-Regulation“-Initiative hat leider keinen Eingang in ihre Aktivitäten zur europäischen Sozialpolitik gefunden. Die sozialpolitische Agenda der Bundesregierung während der EU-Präsidentschaft zeigt im Gegenteil deutlich, wie die europäische Bühne immer wieder instrumentalisiert wird, um nationale Themen, die politisch auf der nationalen Ebene besonders umstritten und nicht einfach durchzusetzen sind, voranzutreiben. „Gute Arbeit“ – so lautete die positive Semantik zum

Heisser Herbst: Vielzahl sozialpolitischer EU-Initiativen  Richtlinie über Europäische Betriebsräte: Maßgeschneiderte Lösungen der Unternehmen würden zerschlagen  Vorschläge zur Wirtschaftsmigration: gute Absicht, aber mit Fallstricken im Einzelnen  Antidiskriminierung: Nationale ­Übererfüllung schafft „Perpetuum mobile“ immer neuer Regulierungen

 Betriebliche Altersvorsorge: Mehrkosten und zusätzliche Bürokratie  Richtlinie zum Betriebsübergang: Bestehende ­Regelungen reichen aus  Transnationale Kollektivvereinbarungen: Mehrwertversprechen nicht zu Ende gedacht


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EU-Ratspräsidentschaftsprogramm des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Was sich aber hinter dieser leuchtenden Fassade verbirgt, sind höchst problematische Inhalte: Neue Einschränkungen bei der Zeitarbeit und Mindestlöhne in immer mehr Branchen sind z. B. Vorhaben mit negativen Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung. In Wirklichkeit entfernt sich die Politik von den von ihr selbst gesteckten Zielen im Rahmen der Lissabon-Strategie. Auch europäisch werden zahlreiche Einzelinitiativen unternommen – hier wird an vielen einzelnen Stellschrauben gedreht, so dass der Eindruck entsteht, die gesamte europäische Sozialpolitik solle nach und nach neu justiert werden, immer weiter weg von den richtigen Lissabon-Zielen, hin zu neuer und mehr Regulierung.

Flexicurity: Leitprinzip für eine zukunftsfähige europäische Sozialpolitik Die Wirtschaft setzt in der europäischen Sozialpolitik auf das Konzept der Flexicurity. Flexicurity bringt das Ziel der Sicherheit für Arbeitnehmerschaft und Unternehmen ins richtige Verhältnis zur Flexibilität, d. h. der schnellen und effektiven Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Markterfordernisse. Zu Recht hatte Vizekanzler Müntefering beim Sozialpartnergipfel in Lahti erklärt, dass unter den Bedingungen der Globalisierung Sicherheit niemals ohne Wandel und Anpassung erreicht werden kann. Flexicurity basiert konzeptionell auf vier Pfeilern:  einem transparenten und flexiblen Arbeitsrecht  einer effizienten und effektiven Arbeitsmarktpolitik  nachhaltig finanzierbaren sozialen Sicherungssystemen  modernen Weiterbildungsformen und lebenslangem Lernen Bereits vor der Veröffentlichung der entsprechenden Kommissionsmitteilung hat die BDA im Frühjahr 2007, zusammen mit den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden aus den beiden auf Deutschland folgenden EU-Präsidentschaftsländern Portugal und Slowenien sowie aus Dänemark, dem „Mutterland“ von ­ Flexicurity, die Idee von Flexicurity konzeptio-

Europas Bürger haben Zusammenhang zwischen rigidem Arbeitsrecht und Beschäftigungswachstum erkannt Arbeitsverträge sollten flexibler werden, um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erleichtern

Keine Meinung Stimme nicht zu Stimme zu

7% 21 % 72 % 0%

20 %

40 %

60 %

80 %

Quelle: Eurobarometer 2006

nell ausgefüllt. Das Ergebnis „Europas Arbeitsmärkte modernisieren: ­ Flexicurity – mehr Sicherheit durch größere Beschäftigungschancen“ ist eine Arbeitgebervision, wie ­ Flexicurity ein zukunftsfähiger Politikansatz werden kann. Der Kerngedanke ist, dass mehr Sicherheit nur auf der Grundlage umfassender Flexibilität entstehen kann. Es geht bei Flexicurity darum, die Chancen der Menschen zu verbessern, bei Wegfall ihres Arbeitsplatzes möglichst nahtlos wieder in neue Beschäftigung zu kommen. Diese Beschäftigung kann in einem anderen Unternehmen sein (Außenflexibilität) oder auch durch Beweglichkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis im bisherigen Unternehmen (Binnenflexibilität). Der Bericht der EUKommission „Beschäftigung in Europa 2006“ zitiert Umfragen, die zeigen, dass Länder mit den rigidesten Kündigungsschutzbestimmungen eine überproportional hohe Langzeitarbeitslosigkeit verzeichnen und die Arbeitnehmer dort auch die größte Angst vor Arbeitslosigkeit haben. Diese Angst ist durchaus berechtigt, denn die Schwelle für Neueinstellungen liegt in diesen Ländern viel höher als in anderen Ländern, wo Unternehmen sich bei Neueinstellungen stärker nach ihrem aktuellen Bedarf richten können, weil sie Beschäftigungsverhältnisse auch problemloser beenden können.

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Flexicurity Mainstreaming

kunftsfähigkeit, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern.

Welche Rolle kann die Europäische Union bei der Förderung von Flexicurity spielen? Vor allem darf die Kommission das von ihr selbst aktiv betriebene ­Flexicurity-Konzept nicht durch andere Einzelinitiativen konterkarieren. Sie muss dafür sorgen, dass ­ Flexicurity als Grundprinzip Eingang in alle Politikbereiche findet. Dieses „Mainstreaming“ ist auf europäischer Ebene durchaus erfolgreich: Ist der politische Wille da, wird ein Querschnittsprinzip breit verankert. Beim sog. Gender Mainstreaming wurde dies erfolgreich unter Beweis gestellt – unabhängig von dort fragwürdigen Folgewirkungen. Inzwischen findet sich Gender Mainstreaming in praktisch jeder Kommissionsinitiative.

„The increasing pressure on workers and employers from globalisation and other economic and social changes requires that labour law responds to these new challenges. The priority is to review, and if necessary, adjust the role that job protection measures play in promoting productive and rewarding transitions into new or existing jobs.” [Übersetzt: Der steigende Druck auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die Globalisierung und andere wirtschaftliche und soziale Veränderungen verlangt, dass das Arbeitsrecht auf diese neuen Herausforderungen antwortet. Vorrang muss es haben zu prüfen, welche Rolle Bestimmungen zum Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses bei erfolgreichen und sich lohnenden Übergängen in neue und bestehende Arbeitsplätze spielen, und diese ggf. anzupassen.]

Das wäre auch für Flexicurity zu wünschen: Die BDA fordert von der europäischen Kommission ein „­Flexicurity Mainstreaming“ – damit dieses wesentliche Element für eine umfassende Reformstrategie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Eingang in alle sozialpolitischen Initiativen findet.

Flexicurity im Europäischen Sozialen Dialog Es ist gelungen, das Flexicurity-Konzept im europäischen Sozialen Dialog zu verankern und damit auf die Arbeit der BDA und ihrer Schwesterverbände aus Dänemark, Portugal und Slowenien aufzubauen. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hat gemeinsam mit ­BUSINESSEUROPE, UEAPME und CEEP den „Joint Analysis Report on the Key Challenges Facing Europe’s Labour Markets” vorgelegt. Die BDA war an den Verhandlungen intensiv beteiligt. In dieser Analyse über die Herausforderungen der Arbeitsmärkte in Europa ist über zukunftweisende Kernaussagen mit den Gewerkschaften Einigkeit erzielt worden, sowohl in Hinblick auf die Analyse der wichtigsten Herausforderungen der Arbeitsmärkte in Europa als auch bei den Empfehlungen an die Adresse der Mitgliedstaaten und europäischen Institutionen. Im Ergebnis bescheinigen Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam dem Flexicurity-Konzept besondere Zu-

Damit erklären die europäischen Sozialpartner ihr gemeinsames Verständnis darüber, dass angesichts der globalen Herausforderungen das Arbeitsrecht unter die Lupe genommen und ggf. angepasst werden muss. Die Anerkennung durch den EGB, dass gut gemeinte Regeln zum Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses sich kontraproduktiv auswirken können, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Vielfach weisen ja gerade Gewerkschaften einen Zusammenhang zwischen Arbeitsrecht und Beschäftigungswachstum brüsk zurück. Im Mobilitätskapitel stellen beide Sozialpartner fest: „Geographical and occupational mobility has also a significant impact on the growth and employment levels. In recent years, Member States with the highest overall levels of mobility have also registered strong economic growth and low – or significantly reduced – unemployment ­rates. This points to a relationship between mobility levels and strong economic and labour market performance.” [Übersetzt: Die geografische und berufliche Mobilität hat großen Einfluss auf Wachstum und Beschäftigung. In den letzten Jahren verzeichneten die Mitgliedstaaten mit den höchsten allgemeinen Mobilitätsniveaus auch ein starkes Wirtschaftswachstum und geringe Arbeitslosenquoten bzw. konnten diese erheblich reduzieren. Dies weist auf einen Zusammenhang zwischen Mobilität und einem starken Wirtschaftswachstum sowie einer positiven Arbeitsmarktentwicklung hin.]


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Jetzt gilt es, diesen richtigen gemeinsamen Einsichten im Hinblick auf die verschiedenen Dimensionen von Mobilität auch Taten in der konkreten Politik folgen zu lassen. Jedenfalls sind die gemeinsamen Positionen Ausgangspunkt, um mehr Flexibilität einzufordern, und Anker gegen neue kontraproduktive, weil mobilitätsfeindliche Regulierungen. Auch die Bedeutung der richtigen Rahmenbedingungen („a favourable business environment“), damit ein Flexicurity-Ansatz überhaupt fruchten kann, wird in der gemeinsamen Analyse explizit angesprochen: „Important preconditions for flexicurity to work are sound macroeconomic policies and a favourable business environment realising and supporting the full growth potential and ensuring the necessary financial basis for public services and labour market policies.” [Übersetzt: Wichtige Voraussetzungen für das Funktionieren von Flexicurity sind eine solide makroökonomische Politik und ein wirtschaftsfreundliches Umfeld, welche die volle Ausschöpfung des gesamten Wachstumspotenzials unterstützen und die notwendige Finanzbasis für die Leistungen der öffentlichen Hand und für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sichern.] Auf der formalen Ebene war es das Ziel dieser Analyse, die Prioritäten für einen „Framework of Actions“ zu Be-

schäftigung zu definieren und damit den Sozialpartnern in den Mitgliedstaaten eine Grundlage für gemeinsame Aktivitäten im Sinne einer zukunftsfähigen Beschäftigungspolitik zu geben. Nun ist für die BDA hier aber auch ein wichtiges politisches Instrument entstanden, das auf einem breiten europäischen Sozialpartnerkonsens fußt. Da auch der DGB der gemeinsamen Analyse zugestimmt hat, gilt es nun, die richtigen Erkenntnisse auch in der nationalen Politik zu nutzen.

Kommissionsmitteilung zu Flexicurity: Die Richtung stimmt … Die Kommission setzt gleichfalls auf Flexicurity und zielt damit in die richtige Richtung: „Gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: mehr und bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit“ lautet der Titel der Mitteilung vom Juni 2007. In der Flexicurity-Mitteilung der Europäischen Kommission wurden acht Grundprinzipien entwickelt, die mit Bedacht weit gefasst sind und genügend Spielräume für die Ausgestaltung auf nationaler Ebene lassen, nach dem Motto „No one-size-fits-all“. Richtigerweise

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unterstreicht die Kommission die interne und externe Dimension von Flexicurity: die Beweglichkeit soll innerhalb eines Unternehmens und auch zwischen den Unternehmen gefördert werden. Der Vorschlag, die Flexicurity-Prinzipien in die Lissabon-Strategie zu integrieren, ist hilfreich, denn damit werden jetzt auch die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen, ihre nationale Politik entsprechend auszurichten und dieses wesentliche Reformelement in ihre Reformstrategien zu integrieren.

… dies darf nicht ohne Konsequenzen für die restliche europäische Sozialpolitik bleiben

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Flexicurity“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

Europäische Betriebsräte (EBR) – Neue Rechtsregeln würden massgeschneiderte Lösungen zerschlagen

… auf Folgemassnahmen aus Grünbuch wird verzichtet … Das Verhalten der Kommission ist allerdings noch lange nicht in sich stimmig und wirkt bisweilen konfus. Von Flexicurity Mainstreaming jedenfalls ist Europa noch weit entfernt. Immer wieder gibt es Beispiele widersprüchlicher Politik, wofür beispielhaft das Grünbuch Arbeitsrecht steht, das die Kommission Ende November 2006 vorgelegt hat: Hier wurden z. B. befristete, Teilzeit- und Zeitarbeitsverhältnisse pauschal als „Nichtstandard-Arbeitsverhältnisse“ verurteilt, eine europäische Arbeitnehmerdefinition gefordert und eine allgemeine Generalunternehmerhaftung für arbeitsrechtliche Verstöße der Subunternehmer angeregt. Mit anderen Worten: Das Grünbuch legte an vielen Stellen neue, flexibilitätsfeindliche Regulierung nahe. Nachdem die mit der Vorlage des Grünbuchs initiierte Konsultation abgeschlossen ist, hat die Kommission nun überraschend erklärt, sie wolle von weiteren Regulierungsinitiativen in Zusammenhang mit dem Grünbuch Arbeitsrecht vorerst Abstand nehmen. Das lässt hoffen und wäre ohne den beharrlichen Einsatz der Arbeitgeber auf europäischer Ebene nicht denkbar gewesen. Angesichts eines Regulierungsgeflechts von 27 sehr unterschiedlichen Arbeitsrechtsordnungen innerhalb der EU und über 100 weiteren verbindlichen arbeitsrechtlichen Regulierungen auf europäischer Ebene ist dies eine richtige und konsequente Entscheidung.

Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass die Europäische Kommission mit etlichen weiteren Einzelinitiativen – vor allem im zweiten Halbjahr 2007 – das von ihr selbst stark unterstützte FlexicurityKonzept konterkariert:

Entgegen ihren bisherigen Bekundungen hat die EU-Kommission bekannt gegeben, erneut die zweite Phase der Sozialpartnerkonsultation hinsichtlich einer Revision der EBR-Richtlinie einzuleiten. Damit würde die Kommission völlig ohne Not an die Änderung einer Richtlinie gehen, die sich in der Praxis nachgewiesenermaßen bewährt hat. Weit über 800 Unternehmen haben auf der Grundlage der Richtlinie maßgeschneiderte Vereinbarungen zur grenzüberschreitenden Information und Konsultation abgeschlossen und setzen sie erfolgreich um. Bereits im April 2004 hatte die Europäische Kommission eine erste Sozialpartnerkonsultation zu diesem Thema eingeleitet. BUSINESSEUROPE hatte daraufhin gemeinsam mit dem EGB einen Bericht erarbeitet („Lessons Learned on European Works Councils“). Aus dem Bericht wurden keinerlei Probleme ersichtlich, die eine Revision der vorhandenen EBR-Richtlinie rechtfertigen könnten. Vielmehr wurde gemeinsam von den Sozialpartnern festgestellt, dass ein gutes Funktionieren eines EBR ein interkultureller Lernprozess über Jahre ist, der durch die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten noch komplexer geworden ist. Auch bei der zweiten Konsultation im Jahr 2005 hat BUSINESSEUROPE einen Bericht mit Good-Practice-Beispielen präsentiert. Des Weiteren vereinbarten die Sozialpartner in ihrem Arbeitsprogramm des Sozialen Dialogs 2006–2008, das Thema „Europäische Betriebsräte“ explizit zu behandeln. Eine Richtlinienrevision würde diesen Prozess, der mit den betrieblichen Vereinbarungen in Gang gesetzt wurde, empfindlich stören. Dies gilt umso mehr, als die europäischen Gewerkschaften fordern, dass Unternehmen sogar bestehende Vereinbarungen neu aushandeln


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Anzahl der EBR-Vereinbarungen in Deutschland besonders hoch (in prozent) 25 20 15 10 5 0

Deutschland

Großbritannien

Frankreich

Niederlande

Belgien

Quelle: BUSINESSEUROPE, 2007

müssten. Dies würde alle bestrafen, die mit Engagement konstruktiv und positiv an das Thema herangegangen sind und mit ihren Europäischen Betriebsräten maßgeschneiderte Lösungen entwickelt haben. Ein solches Vorgehen würde einem Flexicurity Mainstreaming entgegenstehen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäische Betriebsräte“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar. Richtlinieneingriffe bei der freiwilligen betrieblichen Altersvorsorge – Mehrkosten und zusätzliche Bürokratie Am 9. Oktober 2007 hat die Europäische Kommission den überarbeiteten Richtlinienvorschlag für die EU-Portabilitätsrichtlinie vorgelegt. Diese Überarbeitung wurde vorgenommen, nachdem über den gerade noch akzeptablen Kompromissvorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aufgrund eines Vetos der Niederlande im Rat keine Einigung erzielt werden konnte. Doch auch der geänderte Richtlinienvorschlag ist kein Weg nach vorne, seine Umsetzung würde die betriebliche Altersvorsorge verteuern und bürokratisieren und damit ihre Attraktivität erheblich mindern. Der geänderte Vorschlag orientiert sich im Wesentlichen am Beschluss des Europäischen Parlaments vom 20. Juni 2007. Bedauerlicherweise hat die Kommission die Kompromissvorschläge der deutschen Ratspräsidentschaft vom 30. Mai 2007, die die Risiken

für die betriebliche Altersvorsorge zumindest begrenzt hätten, in ihrem geänderten Richtlinienvorschlag kaum berücksichtigt. Besonders schwerwiegend ist die Verkürzung der Unverfallbarkeitsfristen auf höchstens ein Jahr bei Arbeitnehmern, die älter sind als 25 Jahre. Diese Regelung würde die betriebliche Altersvorsorge erheblich verteuern und zudem als personalpolitisches Instrument zur Mitarbeiterbindung nahezu entwerten. Völlig unzureichend ist zudem die Regelung zum Anwendungsbereich der Richtlinie. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs auch auf Zusagen, die in der Vergangenheit erteilt wurden, untergräbt das Vertrauen der Unternehmen in die rechtlichen Rahmenbedingungen. Insbesondere in Verbindung mit den vorgesehenen Regelungen zur Anwartschaftsdynamisierung kann diese Regelung zu erheblichen Mehrkosten führen. Besonders betroffen wären hiervon Unternehmen, die sich in der Vergangenheit im hohen Maße in der betrieblichen Altersvorsorge engagiert haben. Zudem sieht der geänderte Richtlinienvorschlag weiterhin Erschwerungen bei den Informationsverpflichtungen vor. Auch hier wäre der eigentlich konsequente Schritt, wenn die EU-Kommission von dieser Richtlinie gänzlich Abstand nähme, zumal das einstige Hauptargument der Kommission für diese Richtlinie, nämlich Mobilitätshindernisse abzubauen, die sich aus Regelungen der betrieblichen Altersvorsorge ergeben, in dem überarbeiteten Entwurf gar nicht mehr im Mittelpunkt steht.

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Richtlinie zum Betriebsübergang: Bestehende Regelungen erfüllen ihren Zweck Die EU-Kommission hat Ende Juni 2007 die erste Phase der Sozialpartnerkonsultation zur Revision der Betriebsübergangsrichtlinie eingeleitet. Kern dieser Konsultation ist die Frage, ob eine Überarbeitung der Betriebsübergangsrichtlinie erforderlich ist, um ihre Anwendbarkeit auf grenzüberschreitende Übergänge von Betrieben zu klären. Auch nachdem sie Unternehmen befragt hat, sind der BDA keine Fälle bekannt, in denen das heute anwendbare Recht bei grenzüberschreitenden Betriebsübergängen zu Problemen geführt hätte, die durch Regelungen auf europäischer Ebene besser hätten gelöst werden können. Die heute angewendeten Regelungen sind ausreichend, um grenz­ überschreitende Betriebsübergänge zu bewältigen, eine Revision der Richtlinie ist nicht erforderlich. Das gilt umso mehr, als die Kommission in dem Konsultationsdokument nicht schlüssig erklären kann, weshalb sie einen Bedarf an neuen europäischen Regelungen für grenzüberschreitende Betriebsübergänge sieht. Zwar führt sie eine erhöhte Zahl von Auslagerungen/ Standortwechseln an. Dabei stellt sie jedoch selbst fest, dass damit nichts über die Anzahl der grenzüberschreitenden Betriebsübergänge ausgesagt wird. Es fehlt also schon allein eine aussagekräftige quantitative Grundlage für diese Initiative. Dies ist wahrlich kein Musterbeispiel für eine fundierte Gesetzesfolgenabschätzung („Impact Assessment“). Wirtschaftsmigration: Gute Absichten, aber mit Fallstricken im Einzelnen

enthalt beschäftigen, Vorschläge zur „zirkulären Migration“, sowie ein Strategiepapier zur Migration in den östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der EU. Diesen Vorschlägen folgten am 23. Oktober zwei Richtlinienvorschläge zur Wirtschaftsmigration, einmal die „EU-Blue-Card“ für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige und der Vorschlag über ein einheitliches Antragsverfahren für eine einheitliche Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Aus Arbeitgeberperspektive sind aus diesen Maßnahmenpaketen die Sanktionsrichtlinie und die „EU-Blue-Card“ besonders relevant. Sanktionsrichtlinie Bei der Bekämpfung illegaler Beschäftigung setzt die EU-Kommission auf sehr weit reichende Sanktionen für Arbeitgeber, die illegal Drittstaatsangehörige beschäftigen. Dies ist umso problematischer, als die Vorschläge so gestaltet sind, dass die Unternehmen selbst das Vorhandensein gültiger Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse überprüfen müssen und somit eine originär staatliche Aufgabe (die Kontrolle über die Einhaltung von Gesetzen) auf Private abgewälzt wird. Neben Geldbußen und der Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für die Rückführung des Drittstaatsangehörigen in sein Herkunftsland können demnach Unternehmen in besonders schweren Fällen für eine gewisse Zeit ganz geschlossen werden. Zudem tritt die EU-Kommission für eine Generalunternehmerhaftung ein: Für den Fall, dass eine Geldbuße nicht von einem Unterauftragnehmer eingezogen werden kann, soll sie von anderen an der Subunternehmerkette beteiligten Auftragnehmern bis hin zum Hauptunternehmer eingezogen werden können. EU-Blue-Card

Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind von internationalen Migrationsströmen betroffen und es ist eine wichtige Aufgabe, eine Einwanderungspolitik auf EU-Ebene zu entwickeln. Die Europäische Kommission hat im Jahr 2007 zahlreiche konkrete Vorschläge für die Entwicklung einer solchen Politik vorgelegt. Als übergeordnetes Ziel hat die Kommission „die bessere Steuerung der Migrationsströme durch ein abgestimmtes Vorgehen unter Berücksichtigung der Wirtschafts- und Bevölkerungssituation der EU“ erklärt. Im Mai 2007 legte sie ein erstes Vorschlagspaket vor. Dieses beinhaltete die sog. Sanktionsrichtlinie gegen Personen, die Drittstaatsangehörige ohne legalen Auf-

Auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine „EUBlue-Card“ stellt eine gute Absicht dar, enthält aber bei näherer Betrachtung viele juristische Fallstricke. Die hierin gesetzten EU-Mindeststandards engen die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten ein. Diese brauchen aber freie Hand und damit die Möglichkeit, die Anzahl der zum Arbeitsmarkt zuzulassenden Drittstaatsangehörigen entsprechend ihrer Arbeitsmarktsituation selbst zu bestimmen.


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Transnationale Kollektivvereinbarungen: Mehrwertversprechen nicht zu Ende gedacht Die Kommission hat sehr gezielt die Diskussion über einen optionalen gesetzlichen Rahmen für transnationale Kollektivverhandlungen angestoßen. Im Anschluss an eine von ihr in Auftrag gegebene Studie von Prof. Ales zum Thema „Transnationale Kollektivverhandlungen“, in der erwartungsgemäß eine Richtlinie in diesem Bereich vorgeschlagen wird, und infolge von zwei Kommissionsseminaren hat die EU-Kommission eine Mitteilung angekündigt.

Antidiskriminierung: Nationale Übererfüllung schafft gegenseitiges Aufschaukeln zu einem „Perpetuum Mobile“ von Regulierung

Ein solcher gesetzlicher Rahmen kann allerdings nicht nur nicht halten, was er verspricht, er birgt auch erhebliche Gefahren für international tätige Unternehmen: Rechtsunsicherheit und widersprüchliche Regelungen wären die Folge eines unübersichtlichen Geflechts europäischer und nationaler Regelungen. Denn die in Aussicht gestellte Vereinfachung wird nicht eintreten, da ein solcher EURechtsrahmen für die Unternehmen nur eine zusätzliche Ebene von Verpflichtungen hinzufügen würde, ohne die jeweils bestehenden nationalen Verpflichtungen und Regelungen zu ersetzen, denn die bleiben selbstverständlich weiter bestehen, da es sich hier in der Regel um zwingendes Recht handelt. Die EU hat keine Kompetenz, diese nationale Gesetzgebung aufzuheben oder zu ersetzen, das wäre zudem auch politisch nicht durchsetzbar.

Die Kommission hat für das Jahr 2008 neue bürokratische Rechtsregeln zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung auf anderen Gebieten als dem Arbeitsmarkt angekündigt. Hier nennt sie besonders die Bereiche Bildung, Sozialschutz, Gesundheitsfürsorge, Kauf von Gütern, Bezahlung für Dienstleistungen und Wohnungswesen. Um diese Initiativen vorzubereiten, hat die Kommission im Juli 2007 drei parallel laufende Befragungen der Unternehmen, der Sozialpartner und der Öffentlichkeit mit Fragebögen eingeleitet. Damit will sie ein „ausgewogenes und realistisches Bild“ darüber erlangen, ob zusätzlich zu den vielen bereits bestehenden Vorschriften weitere Gesetzgebung auf dem Gebiet der Antidiskriminierung erforderlich ist. Zentrale Fragen an die Allgemeinheit sind allerdings bereits derart suggestiv gestellt, dass bei einer positiven Beantwortung ein Blankoscheck für fragwürdige Regulierung erteilt wird und bei einer negativen Antwort der Beantwortende automatisch in die Diskriminierungsecke geschoben wird. Für die Wirtschaft geht es bei dieser Debatte vor allem darum, dass sachlich begründete Differenzierungen nicht als angebliche Diskriminierung rechtlich angegriffen werden.

Als argumentative Untermauerung ihrer Pläne führt die Kommission internationale „Framework Agreements“ an, die sie als bereits bestehende transnationale Kollektivvereinbarungen interpretiert und daraus einen Rechtfertigungsgrund für ihren EU-Rechtsrahmen konstruiert. In Wirklichkeit sind diese „Framework Agreements“ Ausdruck gemeinsamer Prinzipien und Unternehmenskultur zwischen einzelnen Unternehmen und ihren internationalen Branchengewerkschaftsbünden. Sie werden progressiv im Rahmen der jeweiligen sozialen und ökonomischen Umstände umgesetzt. Derartige Texte in einen gesetzlichen Rahmen zu zwängen würde bedeuten, ihren Charakter zu verkennen und die Entwicklung solcher unternehmensbezogenen Aktivitäten empfindlich zu stören. Die BDA setzt sich im intensiven Austausch mit der EU-Kommission dafür ein, dass die Überlegungen über transnationale Kollektivverhandlungen nicht weiter vorangetrieben werden.

Bei der Antidiskriminierung zeigt sich exemplarisch, wie schädlich es ist, wenn europäische Gesetzgebung bei der nationalen Umsetzung übererfüllt wird: Die Bundesregierung hat mit dem AGG weit mehr getan, als die Europäische Union in ihren Richtlinien gegen Diskriminierung verlangt hatte. Auch hier wurde die europäische Ebene instrumentalisiert, um nationale Vorhaben, die sich politisch nicht ohne weiteres hätten durchsetzen lassen, unter dem Vorwand der Umsetzung europäischen Rechts in Gesetzesform zu gießen. Nun bedient sich die Kommission solcher zusätzlichen nationalen Standards, wie im AGG, um diese zum europäischen Mindeststandard zu erheben. Damit ist ein Perpetuum mobile kreiert – einmal in Gang gesetzt bleibt es ewig in Bewegung. Dem europäischen Standard folgt nationale Übererfüllung, was den Ansatzpunkt für neue europäische Standards bietet und so fort. So schaukelt sich die Regelungswut und Bürokratie immer weiter hoch.


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Arbeitszeitrichtlinie: Neuregelung des Bereitschaftsdienstes weiterhin erforderlich Die erheblichen finanziellen Auswirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Fällen „Simap“ und „Jaeger“, nach der Bereitschaftsdienst vollständig als Arbeitszeit anzusehen ist, müssen durch eine Überarbeitung der bestehenden Arbeitszeitrichtlinie rückgängig gemacht werden. Darüber besteht im Sozialministerrat und in der Kommission sogar Einvernehmen. Es ist deshalb besonders bedauerlich, dass die deutsche Ratspräsidentschaft und die EUKommission nicht der Aufforderung von BDA und BUSINESSEUROPE gefolgt sind und dieses wichtige Dossier aufgegriffen haben, um es nach den Fehlversuchen der vorangegangenen Präsidentschaften endlich einer für die Unternehmen – insbesondere die KMU – akzeptablen Lösung zuzuführen. Anstatt sich auf das einvernehmlich Mögliche – nämlich, die problematische Rechtsprechung des EuGH zum Bereitschaftsdienst durch eine geänderte Arbeitszeitdefinition rückgängig zu machen – zu konzentrieren, besteht die EU-Kommission darauf, die Revision

der Richtlinie zum Draufsatteln zu nutzen. Die weiter gehenden Veränderungsabsichten haben jedoch dazu geführt, dass die Revision der Arbeitszeitrichtlinie im Rat blockiert ist. Die EU-Mitgliedstaaten können insbesondere keine Einigung im Hinblick auf die sog. Optout-Regelung erzielen, mit der von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit abgewichen werden kann. Einigkeit besteht hingegen bezüglich der Neuregelung des Bereitschaftsdienstes. Die ins Auge gefasste Lösung bringt Gewissheit, dass jene Zeiten als Ruhezeiten gewertet werden können, in denen der Arbeitnehmer während seines Bereitschaftsdienstes nicht beansprucht wird. Die BDA setzt sich deshalb dafür ein, dass die EU-Kommission ihren jetzigen Richtlinienvorschlag zurückzieht und in einem neuen Vorschlag nur die Neuregelung des Bereitschaftsdienstes anzielt, die im Rat konsensfähig wäre. Weitere Bereiche wie die Opt-out-Regelung sollten ausgeklammert werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Arbeitszeitrichtlinie“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar.

Service Europa und International: Newsletter: Euro-Info

Dubliner Stiftung: BDA/EMCC-Seminar „How to Succeed as SMEs in the Internal Market: Innovation Strategies in Cross-Border Business“ Laboratory Meeting zum Thema „Corporate Volunteering“

Broschüren: Europas Arbeitsmärkte modernisieren – Flexicurity – mehr Sicherheit durch größere Beschäftigungschancen, Europas Stärken ausbauen – Bilanz der deutschen EURatspräsidentschaft – Empfehlungen für die kommenden Monate EU-Reformvertrag (in Arbeit) Antidiskriminierung – Praxiserfahrungen in Großbritannien und Irland (in Arbeit)

Intranet: Datenbank zu sozialpolitischen EU-Initiativen Plattform zum Sektoralen Sozialen Dialog

Veranstaltungen: Antidiskriminierung – Praxiserfahrungen in Großbritannien und Irland

Koordinierung Netzwerke: IOE Global Industrial Relations Network (GIRN) Europäische Allianz für CSR

Internet: www.csrgermany.de

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Internationale Sozialpolitik – CSR und soziale Dimension der Globalisierung stehen im Mittelpunkt Deutsche G8-Präsidentschaft unterstreicht Prinzip der Freiwilligkeit für CSR 2007 war für die Bundesregierung nicht nur das Jahr des EU-Ratsvorsitzes, sondern auch der G8-Präsidentschaft. Neben der Klimapolitik stand auch die soziale Dimension der Globalisierung auf der Tagesordnung der G8Staaten. Dem Treffen der G8-Arbeitsminister in Dresden im Mai 2007 ging eine Konsultation mit den Sozialpartnern voraus, bei der die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen (CSR) eines der Hauptthemen war. Bei dieser Gelegenheit konnte die BDA das umfassende freiwillige Engagement der deutschen Unternehmen in vielen Teilen der Welt darstellen, die damit einen wichtigen Beitrag zur sozialen Gestaltung der Globalisierung leisten. Dieses Engagement findet seinen Ausdruck in einer breiten Palette von ökologischen, sozialen, kulturellen und vielen anderen gesellschaftlichen Initiativen. Tragende Prinzipien für alle Maßnahmen zu Corporate Social Responsibility (CSR) sind unternehmensindividuelle Vielfalt und Freiwilligkeit. In der internationalen politischen Debatte über CSR geht es darum, dass der Ruf nach unternehmerischer Verantwortung nicht dazu missbraucht wird, die Rollenverteilung zwischen Staaten und Unternehmen aufzuweichen und die Unternehmen zu Lückenbüßern für staatliches Versagen zu machen. Diese Kernbotschaften flossen nicht nur in die Schlussfolgerungen der G8-Arbeitsminister ein, selbst in die Dokumente des G8-Gipfels von Heiligendamm wurden diese Botschaften aufgenommen und das Prinzip der Freiwilligkeit für CSR unterstrichen. Wörtlich heißt es in der Heiligendamm-Erklärung zu „Wachstum und Verantwortung in der Weltwirtschaft“ unter dem Punkt „Stärkung der Grundsätze der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen“: „Hierbei verpflichten wir uns, international vereinbarte Standards im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen und im Arbeitsrecht (wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Dreigliedrige Grundsatzerklärung der ILO), hohe Umweltstandards und bessere Unternehmensführung durch die in den OECD-Leitsät-

zen genannten nationalen Kontaktstellen aktiv zu fördern. Zur Stärkung des freiwilligen Konzepts der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen setzen wir uns für eine erhöhte Transparenz der jeweiligen konkreten Maßnahmen privater Unternehmen im Bereich gesellschaftlicher Verantwortung sowie für eine klare Definition der zahlreichen Standards und Prinzipien ein, die von vielen unterschiedlichen staatlichen und privaten Akteuren in diesem Bereich festgelegt wurden.“ Die zwei wesentlichen Punkte hier sind zum einen die Selbstverpflichtung der Regierungen, international vereinbarte Standards zu fördern, und zum anderen die Unterstreichung der Freiwilligkeit bei CSR. Vertieft werden sollen diese Punkte durch das Follow-up des G8Gipfels, den sog. Heiligendamm-Prozess. Hier lautet einer von vier Tätigkeitsschwerpunkten „Festigung der Grundsätze der sozialen Verantwortung der Unternehmen“. Die Ausgestaltung dieser Folgemaßnahmen wird von der OECD koordiniert, die BDA wirkt direkt und über BIAC an diesen Folgemaßnahmen mit. Europäische CSR-Allianz: Unternehmen organisieren „Laboratory Meetings“ Vielfältige Aktivitäten finden im Rahmen der Europäischen Allianz für CSR statt, die die Wirtschaft zusammen mit der EU-Kommission im Frühjahr 2006 ins Leben gerufen hat. Ziel der CSR-Allianz ist es, Netzwerke und Kooperationen der Akteure zu bilden und den Erfahrungsaustausch mit sog. Laboratory Meetings zu stärken. Die ersten Laboratory Meetings haben bereits stattgefunden. Die BDA hat ein Laboratory Meeting auf europäischer Ebene mitinitiiert, das von ­ BUSINESSEUROPE koordiniert wird und sich mit dem Thema „Förderung des Unternehmertums“ beschäftigt. In Deutschland haben die Deutsche Bank und die Ford Werke GmbH ein Laboratory Meeting zum Thema „Corporate Volunteering“ angestoßen und durchgeführt, welches bei den Unternehmen den Wunsch nach weiteren Aktivitäten dieser Art geweckt hat. Das CSR-Internetportal „CSR Germany“ (www.csrgermany.de) ist als zentrales Kommunikationsinstrument für die Aktivitäten im Rahmen der CSR-Allianz auf deutscher Ebene etabliert. Durch einen neu eingerichteten geschützten internen Bereich ist es Unterstützern der CSR-Allianz möglich, sich gegenseitig über Aktivitäten zu informieren, auch wenn sich Projekte noch in der Konzeption befinden.


Europäische und internationale Sozialpolitik

ISO Social Responsibility: Praxisbezug fehlt Seit 2004 ist die ISO (International Organization for Standardization) dabei, einen ISO-Leitfaden zu „Social Responsibility“ zu erarbeiten. Dabei ist die Vorgabe für die dafür zuständige internationale, 450-köpfige, aus sechs verschiedenen Stakeholderkategorien bestehende Arbeitsgruppe (WG), dass dieser Leitfaden nicht zertifizierbar sein und sich darüber hinaus nicht nur an Unternehmen, sondern an alle Organisationen richten soll. Der zweite Arbeitsentwurf des Leitfadens, der im Herbst 2006 vorlag, war aus Sicht der Wirtschaft völlig inakzeptabel, da er keine dieser Vorgaben erfüllte, sich also einseitig an Unternehmen und nicht an alle Organisationen richtete und in weiten Teilen der Logik eines Managementstandards folgte, wodurch die Gefahr bestand, dass er früher oder später doch zertifizierbar würde. Zudem war der Entwurf an vielen Stellen in sich widersprüchlich, enthielt zahlreiche Doppelungen und war sprachlich nicht überarbeitet. Im Januar 2007 konnte beim WG-Treffen in Sydney erreicht werden, dass der Entwurf bis zum nächsten WG-Treffen im November 2007 in Wien erneut grundsätzlich überarbeitet wird. Dieser dritte Arbeitsentwurf hat sich zwar an einzelnen Stellen etwas verbessert, ist aber in seiner Substanz weiterhin keine Grundlage für einen praxistauglichen Leitfaden. Einer der größten Streitpunkte zwischen Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen (NRO) ist die Zulieferkette. Die NRO möchten, dass sich CSR-Maßnahmen eines Unternehmens grundsätzlich auf seine gesamte Zulieferkette erstrecken. Dies ist eine realitätsferne Forderung ohne jeden Praxisbezug. In einzelnen Branchen umfassen die Zulieferketten bis zu 20.000 Zulieferer, teilweise in der zweiten und dritten Ebene nach den Hauptlieferanten. Auch die primäre staatliche Verantwortung für die Durchsetzung von Menschenrechten wird immer wieder infrage gestellt. Deshalb wurde in Wien ein vierter Arbeitsentwurf beschlossen. Neu ist nun, dass eine Redaktionsgruppe eingesetzt wurde, die für die Leserlichkeit, Stimmigkeit und Widerspruchslosigkeit des gesamten Dokuments zuständig ist und dafür auch Textkürzungen vornehmen darf, was bisher nicht möglich war. Bis zum nächsten Treffen im September 2008 soll der neue Text vorliegen. Von der ISO wird angestrebt, diesen CSR-Leitfaden bis Ende 2009 fertig zu stellen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Corporate Social Responsibility“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

International Organisation of Employers (IOE): Globale Interessenvertretung für die Wirtschaft wird immer wichtiger Die IOE ist die globale Stimme der Arbeitgeber. In dieser Eigenschaft wird sie immer wichtiger, denn die internationalen Branchengewerkschaftsbünde organisieren sich auf globaler Ebene immer umfassender und strategischer. Dies zeigt sich beispielsweise durch den Zusammenschluss der internationalen Branchengewerkschaften zur Global Union Federation, die es sich zum Ziel erklärt hat, die industriellen Beziehungen global auszubauen. Hierbei geht es vor allem darum, eine stärkere Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen auf Weltebene zu erreichen. Mit den „International Framework Agreements“, also Rahmenvereinbarungen, die zwischen einzelnen Unternehmen und den internationalen Branchengewerkschaften abgeschlossen werden, verschaffen sich die Gewerkschaften Zugang zu den Belegschaften der Unternehmen und versuchen diese national zu organisieren. Vor diesem Hintergrund kommt der IOE, neben ihrer Rolle als Arbeitgeberstimme in der ILO, eine strategische Bedeutung zu, um hier Arbeitgeberinteressen – gleichfalls global – entgegensetzen zu können. Zu diesem Zweck hat die IOE, u. a. auf Anregung der BDA, das „Global Industrial Relations Network“ (GIRN) gegründet, in dem multinationale Unternehmen Mitglieder werden können. Sie finden hier nicht nur eine Plattform für den spezifischen Erfahrungsaustausch zu internationaler Sozialpolitik und industriellen Beziehungen, sondern können bei konkreten Problemen, beispielsweise mit Framework Agreements, auch Beratung erhalten.

Internationale Arbeitsorganisation (ILO): Wirtschaftsrelevanz erforderlich Die konkrete Ausgestaltung der sozialen Dimension der Globalisierung wird auch in der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) mit hoher Priorität vorangetrieben. Die ILO hat sich dieses Thema auf die Fahnen

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Europäische und internationale Sozialpolitik

geschrieben und ist inzwischen das wichtigste Dialogforum zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern in Bezug auf die soziale Entwicklung. Sie ist als einzige der UN-Organisationen dreigliedrig organisiert, so dass Arbeitgeber und Gewerkschaften jeweils ein Viertel der Stimmen im Verwaltungsrat und bei der Internationalen Arbeitskonferenz haben. Somit ist für die Arbeitgeber hier eine direkte Einflussnahme und Mitgestaltung möglich. Im Verwaltungsrat der ILO ist es gelungen, den Ausschuss „Multinationale Unternehmen“ in Richtung einer Arbeitsweise zu lenken, die für die Unternehmen einen wesentlich stärkeren Praxisbezug herstellt. In Kürze wird es einen „Helpdesk“ in der Abteilung für multinationale Unternehmen (MULTI) der ILO geben. Er soll als Anlaufstelle für Unternehmen dienen und ihnen bei konkreten Fragen/Problemen in Zusammenhang mit der Umsetzung internationaler Arbeitsnormen direkte und praxis­ orientierte Hilfe durch ILO-Experten unter Beteiligung der Sozialpartner vermitteln. Die BDA hatte sich dafür eingesetzt, dass auch die Internationale Arbeitskonferenz sich stärker mit unternehmensbezogenen Themen beschäftigt. Bei ihrer Sitzung im Juni 2007 stand die Förderung nachhaltiger Unternehmen auf der Tagesordnung. Das Ergebnis sind gemeinsame Schlussfolgerungen von Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgebern, die – erstmals in der ILO – die Rahmenbedingungen für nachhaltige Unternehmen und Unternehmensgründungen definieren. Demnach bilden 17 Pfeiler die notwendige Basis für nachhaltige Unternehmen, dazu gehören z. B. gut geregelte Eigentumsrechte, die Schaffung einer unternehmensfreundlichen Kultur und der Aufbau eines funktionierenden Rechtsrahmens.

OECD – wachsende Tendenz zu sozialpolitischen Themen Innerhalb der OECD lässt sich seit einiger Zeit eine Entwicklung beobachten, die für die BDA besondere Relevanz entfalten kann: Insbesondere der Internationale Währungsfonds und die Weltbank werden für ihre klassischen Aufgaben (Kredite an Entwicklungsländer) immer weniger benötigt, so dass sie zunehmend in Felder der allgemeinen globalen Wirtschaftspolitik vorstoßen und damit der OECD bei ihren Kernaufgaben Konkurrenz machen. Diese Institutionenkonkurrenz hat u. a. den Effekt, dass die OECD sich nun stärker in soziale Themen und Betrachtungen ohne Berücksichtigung des wirtschaftlichen Kontextes begibt. Besonders negativ aufgefallen ist dieser Trend im Entwurf des jüngsten „Employment Outlook“, der bei weitem nicht der sonst hohen Qualität entsprach und in dem sich eine einseitig negative Bewertung der Globalisierung findet. Über BIAC, den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband bei der OECD, setzt sich die BDA für die Korrektur dieser Unausgewogenheiten ein. Damit die Interessen der deutschen Unternehmen innerhalb von BIAC zukünftig besser koordiniert und wahrgenommen werden können, bereitet die BDA gemeinsam mit dem BDI ein deutsches Netzwerktreffen für Anfang 2008 vor. Bei dieser Gelegenheit wird auch der neue Vorsitzende des BIAC-Ausschusses für Wirtschaftspolitik (BIAC Economic Policy Committee), Prof. Norbert ­Walter, anwesend sein und den Unternehmen für ihre Anliegen innerhalb von BIAC zur Verfügung stehen.


Europ채ische und internationale Sozialpolitik

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VORWORT ARBEITSMARKT ARBEITSRECHT TARIFPOLITIK SOZIALE SICHERUNG BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK Volkswirtschaft und Finanzen GESELLSCHAFTSPOLITIK PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT BDA-ORGANISATION IN MEMORIAM BDA-ORGANIGRAMM

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Volkswirtschaft und Finanzen

Kräftige Dynamik des Aufschwungs

von der Erholung der kommunalen Finanzen profitieren können.

Mit rd. 2,5 % hat das Bruttoinlandsprodukt 2007 gegenüber dem vergangenen Jahr erneut recht kräftig zugenommen. Damit konnten die ursprünglichen Prognosen erneut übertroffen werden. Die starke wirtschaftliche Dynamik speiste sich weiterhin vom Export, der trotz der anhaltenden Aufwertungstendenz des Euro nur leicht nachgab, allerdings mit einem Plus von 8,2 % die zweistellige Zuwachsrate nicht zu halten vermochte. Etwas mehr schwächte sich der Import ab, so dass per Saldo der Außenbeitrag sogar noch leicht auf 1,2 Prozentpunkte kletterte.

Die Finanzmarktkrise, die am US-amerikanischen Immobilienmarkt ihren Ausgang nahm, zeigte 2007 zwar noch keine erkennbaren Auswirkungen auf die deutsche Konjunktur. Allerdings hat sie am Aktien- und Geldmarkt und bei den Frühindikatoren schon deutliche Spuren hinterlassen. Auch wenn die deutschen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors dank weit reichender Bilanzkonsolidierung der vergangenen Jahre nun finanziell relativ immun scheinen, bleibt doch ebenfalls in Rechnung zu stellen, dass die Auswirkungen der Krise sie auch über den realwirtschaftlichen Weg, etwa in Form einer schwächeren Exportentwicklung, erreichen könnte.

Die Spuren der Mehrwertsteuererhöhung zum Jahresanfang zeigen sich in der inländischen Verwendung sehr deutlich. Nach einer mäßigen Belebung von 1 % im vergangenen Jahr fiel der private Konsum wieder in eine Stagnation mit Tendenz ins Minus zurück, obwohl nicht zuletzt wegen steigender Beschäftigung die Nettoarbeitnehmerentgelte in der Summe um 4,7 % zugenommen haben. Neben dem finanzpolitisch gesetzten Teuerungsimpuls machte sich auch der weitere Anstieg der Energiepreise dämpfend beim privaten Konsum bemerkbar. In die gleiche Richtung hat eine leichte Zunahme der Sparquote gewirkt; hierin dürfte sich vor allem eine wachsende zusätzliche Altersvorsorge widerspiegeln, die aufgrund vielfältiger staatlicher Anreize nun einen erheblichen Verbreitungsgrad aufweist. Dynamisches Element in der Inlandsnachfrage waren erneut die Ausrüstungsinvestitionen. Die Unternehmen steigerten ihre Investitionen in Maschinen und Anlagen nochmals auf knapp 11 % über das Vorjahresniveau. Dabei haben Vorzieheffekte wegen des Auslaufens der degressiven Abschreibung zum 31. Dezember 2007 eine spürbare Rolle gespielt. Dieser Boom bei den Ausrüstungsinvestitionen hat die Bauinvestitionen mitgezogen und hier im Wesentlichen für ein Plus von 2,6 % gesorgt, denn der Wirtschaftsbau ist der substanzielle Wachstumsträger im Baubereich 2007 gewesen. Der Wohnungsbau litt dagegen unter einem Nachfrageeinbruch nach dem Auslaufen der Eigenheimzulage, und der Tiefbau hat noch nicht

Erfreuliche Beschäftigungsintensität Das Ausmaß des Wirtschaftswachstums im aktuellen Aufschwung entspricht etwa dem der Jahre 1999/2000. Das gegenwärtige Verlaufsmuster am Arbeitsmarkt unterscheidet sich jedoch deutlich vom vorangegangenen Aufschwung. Eine tiefere Analyse der Struktur der Arbeitsmarktzahlen lässt eine derzeit höhere Beschäftigungsintensität erkennen: Zwar nahm die Zahl der Erwerbstätigen mit einem Plus von 3,3 % in den Jahren 1999/2000 stärker zu als diesmal; die Zahl der Erwerbstätigen wuchs 2006/2007 um 2,3 %. Diese personenbezogene Betrachtung greift allerdings zu kurz. In den Jahren 1999 und 2000 wurden fast ausschließlich zusätzliche Teilzeitjobs geschaffen, hauptsächlich in Form geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (+628.000 bzw. +15,5 %). Zusätzliche Vollzeitbeschäftigungsstellen kamen damals nur etwa 22.000 hinzu. Ganz anders im aktuellen Aufschwung: Hier zeigt sich eine erfreuliche Verschiebung zu Gunsten der VollzeitErwerbstätigkeit. So nahm die Teilzeitbeschäftigung (+586.000) nur halb so stark zu wie vor sieben Jahren. Doch betrafen die zusätzlichen Teilzeitstellen diesmal im Wesentlichen die sozialversicherungspflichtige Teilzeit (+447.000). Vor allem aber legte die Zahl der Vollzeitbeschäftigten diesmal kräftig zu; sie stieg um 0,9 % oder gut 200.000 und damit neun Mal stärker als 1999/2000.


Volkswirtschaft und Finanzen

Konjunkturaufschwung 1999/2000 und 2006/2007 im Vergleich

Veränderung 1999/2000 in %

2006/2007 in Tsd.

in %

in Tsd.

Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt

+5,3

+5,5

Arbeitsvolumen

+1,2

+2,0

Erwerbstätige

+3,3

+1.233

+2,3

+875

Beschäftigte

+3,5

+1.183

+2,3

+786

- Vollzeit

+0,1

+22

+0,9

+200

- Teilzeit

+13,8

+1.161

+5,2

+586

Sozialversicherungspflichtige Teilzeit

+12,2

+533

+8,2

+447

Geringfügig Beschäftigte

+15,5

+628

+2,4

+139

Zeitarbeitnehmer

+33,3

+82

+66,2

+294

Arbeitskosten (Arbeitnehmerentgelt)

+6,5

+5,1*

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Schätzungen des IAB (2007),* SVR Jg. 2007/08

Das deutliche Plus bei den Vollzeitstellen schlägt auch beim gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumen durch. Es hat diesmal um 2,0 % zugenommen gegenüber 1,2 % damals. Die höhere Beschäftigungsintensität geht mit einem langsameren Anstieg der Arbeitskosten einher. Im gegen­wärtigen Zweijahreszeitraum nahmen sie in der Abgren­zung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung um 5,1 % zu; beim letzten Aufschwung zogen sie noch um 6,5 % an. Hinter diesen beiden Zahlen verbirgt sich dieses Mal eine über 20 % geringere Zunahme der Arbeitskosten und dies belegt einmal mehr, dass beim Lohn der Kostenaspekt stärker auf die Beschäftigung durchschlägt als die Kaufkraft. Die höhere Beschäftigungsintensität legt dadurch eine solide Basis für eine Fortdauer des Aufschwungs.

Die moderate und innovative Tarifpolitik, die mit unterschiedlichen Öffnungsklauseln den Unternehmen weitere Möglichkeiten für konsequentes Management ihres Personalkostenbudgets an die Hand gegeben hat, trägt die beabsichtigten Früchte. Zugleich wird die beschäftigungshemmende Wirkung des Arbeitsrechts, insbesondere des überzogenen Kündigungsschutzes, erkennbar. Die kräftige Expansion der Zeitarbeit ist ein deutliches Indiz: Seit der Flexibilisierung der gesetzlichen Regelungen zur Zeitarbeit zu Beginn des Jahres 2003 hat sich die Zahl der Zeitarbeitnehmer bis Ende 2006 verdoppelt. Der Anteil der Leiharbeitnehmer an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war auf knapp 2,5 % gestiegen. Zeitarbeit und befristete Beschäftigung haben den Unternehmen dabei geholfen, die betriebswirtschaft-

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Volkswirtschaft und Finanzen

lichen Kosten des Kündigungsschutzes zu senken. Während die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen diese Kosten ausschließt, wandelt die Zeitarbeit sie in Entgelt für das verleihende Unternehmen um. Die Unternehmen erkaufen sich die erforderliche Flexibilität, um im möglichen Abschwung die Belegschaft zügig anpassen zu können.

Bislang ist ein Konzept für eine wachstumsorientierte Reformpolitik nicht erkennbar. Mit dem „Goldenen Schnitt 2012“ hat der Bundeswirtschaftsminister im Juni 2007 den Kern einer wirtschafts- und finanzpolitischen Mittelfriststrategie vorgelegt. Es muss jedoch mit Sorge erfüllen, dass dieser richtige und praktikable Ansatz nicht aufgegriffen und ausgefüllt worden ist, ja nicht einmal zu einer Debatte über die wirtschaftspolitische Orientierung geführt hat.

Wachstum des Produktionspotenzials leicht beschleunigt

Die BDA hat zu den wichtigsten Gutachten und Prognosen Stellungnahmen veröffentlicht. Sie sind über www.bda-online.de abrufbar.

Die kräftige Investitionstätigkeit und die beschäftigungsfördernden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt haben sowohl nach Einschätzung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung als auch der Bundesbank das Wachstum des Produktionspotenzials beschleunigt. Die Bundesbank schätzt eine Zunahme von 1,25 auf 1,75 %. So erfreulich diese Tatsache der Beschleunigung auch ist, so wenig reicht das nunmehr erreichte Niveau aus, um dauerhaft für einen hohen Beschäftigungsstand und eine befriedigende Einkommensentwicklung zu sorgen. Die gegenwärtigen sozial- und verteilungspolitischen Vorschläge sind – vielen wortreichen Erklärungen zum Trotz – keine Investitionen in die gesellschaftliche Wachstumsvorsorge.

Mitarbeiterkapitalbeteiligung – Betriebliche Bündnisse oder Deutschlandfonds? Die vom Bundespräsidenten Köhler 2005 angestoßene Diskussion, Arbeitnehmer stärker als bisher am Kapital und damit an der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen zu beteiligen, hat in diesem Jahr konkrete Formen angenommen. Sowohl SPD als auch CDU und CSU haben im Juni Konzepte für eine Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland vorgelegt. Im SPD-Papier mit dem Titel „Deutschlandfonds für Arbeitnehmerinnen und Ar-


Volkswirtschaft und Finanzen

beitnehmer. Eckpunkte für mehr Mitarbeiterbeteiligung“ wird der Schwerpunkt auf die indirekte Beteiligung der Arbeitnehmer über einen deutschlandweiten Fonds gelegt. Dieser Fonds soll als Kapitalsammelstelle zwischen Mitarbeiter und Unternehmen geschaltet werden, um die

Arbeitnehmer vor Verlustrisiken zu schützen. Darüber hinaus sieht das Papier eine begrenzte staatliche Förderung im Umfang einer Erhöhung des Höchstfördersatzes der Arbeitnehmersparzulage von 18 auf 20 % der angelegten vermögenswirksamen Leistungen und eine Erhö-

Beschluss des gemeinsamen Präsidiums von BDA und BDI vom 11. Juni 2007: „Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern ja – Regulieren nein“

Mitarbeiterkapitalbeteiligung bietet Chancen Die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenskapital bietet Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Arbeitnehmer können an wachsenden Unternehmenseinkünften teilhaben; Arbeitgeber profitieren von einer Erhöhung des haftungsbereiten Kapitals und damit ihrer Investitionsfähigkeit. Zugleich kommt ihnen eine verstärkte Identifikation ihrer Beschäftigten mit dem Unternehmen zugute. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist damit ein sinnvoller Weg für viele, aber bei weitem nicht für alle Unternehmen. Insbesondere ist sie nicht für alle Unternehmensrechtsformen und -größen gleichermaßen geeignet: Eine einfache, unbürokratische Umsetzung einer Beteiligung am Eigenkapital eines Unternehmens ist ausschließlich bei Aktiengesellschaften (0,2 % aller Unternehmen) möglich. Von der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu unterscheiden ist die Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg bzw. -gewinn. Diese – deutlich einfacher umzusetzende – Beteiligungsform hat insbesondere aufgrund der erreichten tariflichen Öffnungen erheblich an Bedeutung gewonnen. Mitarbeiterkapital- und Mitarbeitererfolgsbeteiligungen können alternativ, aber auch in Kombination angewendet werden.

Grundsätze zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung 1. Beidseitige Freiwilligkeit erhalten Kein Arbeitnehmer darf gezwungen werden, einen Teil seines Lohns als Risikokapital bei seinem Unternehmen zu investieren. Ebenso darf kein Arbeitgeber gezwungen werden, fremde Kapitaleigner aufzunehmen. Eine Verpflichtung zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung darf es daher nicht geben, weder durch Gesetz noch durch Tarifvertrag. 2. Auf Pflicht zur Absicherung von Verlustrisiken verzichten Eine Pflicht zur Risikoabsicherung ist nicht sinnvoll. Bei der klassischen Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens steht einer Absicherung gegen Verlustrisiken bereits entgegen, dass damit der Eigenkapitalcharakter der Beteiligung verloren ginge. Die Entscheidung für eine Risikoabsicherung bei Mischund Fremdkapitalbeteiligungen muss Arbeitgebern und Arbeitnehmern überlassen bleiben. 3. Nachgelagerte Besteuerung einführen Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sollten nachgelagert besteuert werden, da dies die wachstumsfreundlichere Form der Besteuerung von Investitionskapital ist. Bei der Förderung der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung müssen jedoch klare Prioritäten gelten. Bevor neue Vorhaben in Angriff genommen werden, sollten zunächst die alten fortgeführt werden. Dazu gehört insbesondere, die Sozialversicherungsbeitragsfreiheit der Entgeltumwandlung für betriebliche Altersvorsorge über 2008 hinaus zu gewährleisten.

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Volkswirtschaft und Finanzen

Branchen- und Regionalfonds als Instrument zur Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung ungeeignet

1. Keine Erhöhung der Mitarbeitermotivation und -identifikation Überbetriebliche Fonds – seien sie regional (z. B. Deutschlandfonds oder der auf Rheinland-Pfalz beschränkte Fonds „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“) oder auf eine Branche bezogen – sorgen für eine indirekte, nur mittelbare Beteiligung der Arbeitnehmer an ihrem arbeitgebenden Unternehmen. Durch Zwischenschaltung eines Fonds wird die Verbindung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber durchtrennt. Eine stärkere Bindung des Mitarbeiters an sein Unternehmen und die damit verbundene höhere Motivation und Identifikation werden nicht erreicht. Unternehmerisches Denken und Handeln werden nicht stimuliert. Insofern führt das überbetriebliche Fondskonstrukt auch nicht zu einer Stärkung oder Förderung einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur. 2. Eigenkapitalstärkung geht am Mittelstand vorbei Fonds zielen auf rentable Anlagen ab. Daher werden etwaige Fonds vor allem in wirtschaftlich starke Unternehmen investieren und schwache Unternehmen meiden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen, bei denen Formen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung vergleichsweise gering verbreitet sind, werden daher kaum von Fondsmitteln profitieren können. Dabei sind sie sehr viel eher auf eine Stärkung der Eigenkapitalbasis von außen angewiesen. 3. Neues Konfliktpotenzial in Tarifverhandlungen Die Finanzierung von Branchen- bzw. Regionalfonds wirft Probleme auf: Werden Fondsanteile „on top“ zu den bisherigen Löhnen und Gehältern gewährt, werden die Arbeitskosten erhöht – mit negativen Folgen für die Beschäftigung. Richtigerweise sind Mitarbeiterkapitalbeteiligungen daher nur als Bestandteil der vereinbarten Löhne und Gehälter möglich. Um eine solche Finanzierung von Kapital- bzw. Fondsbeteiligungen zu erreichen, bedarf es allerdings – soweit tarifvertragliche Ansprüche betroffen sind – der Vereinbarung von Öffnungsklauseln. Diese können jedoch für zusätzliches Konfliktpozential in Tarif-

verhandlungen sorgen, weil die Gewerkschaften die Mitarbeiterbeteiligung nur als zusätzliche Entgeltkomponente befürworten. Damit droht die Frage der Finanzierung fondsbasierter Mitarbeiterkapitalbeteiligungen zu einer Belastung für Tarifverhandlungen zu werden. 4. Zusätzliche Bürokratie, zusätzliche Kosten Wie auch immer eine Fondslösung aussehen mag, ist diese gegenüber der klassischen Mitarbeiterkapitalbeteiligung am eigenen Unternehmen mit zusätzlichen, überbetrieblichen Kosten verbunden. Diese entstehen u. a. durch die notwendige Fondsverwaltung und -leitung. Bürokratischer Aufwand entsteht zudem durch die zu schaffenden Mechanismen der Risikoabsicherung des Fonds (z. B. Bonitätsprüfung, Staatsgarantie etc.). Sofern die Kosten nicht von den Arbeitnehmern selbst getragen werden, gehen sie – wie beim Regionalfonds „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“ in Rheinland-Pfalz – zu Lasten der Arbeitgeber bzw. zu Lasten der Steuerzahler. 5. Wettbewerbsverzerrungen und Verdrän­gungs­effekte Da die Mitarbeiterkapitalbeteiligung über einen Branchen- oder Regionalfonds durch die Risikostreuung des Fonds und möglicherweise durch weitere Instrumente abgesichert ist, verlieren die klassischen Kapitalbeteiligungsmodelle für die Beschäftigten an Attraktivität. Diese werden seltener bereit sein, im Wege klassischer Kapitalbeteiligungsmodelle in das eigene Unternehmen zu investieren, wenn ihnen ein besser abgesichertes Beteiligungsmodell zur Verfügung steht. Zudem tritt ein Branchen- oder Regionalfonds in Konkurrenz zu herkömmlichen Investmentfonds, die ihrerseits nicht von der steuer- und beitragsrechtlichen Privilegierung gem. § 19a EStG profitieren. Neben dieser staatlich verursachten Wettbewerbsverzerrung ist auch fraglich, ob der Anwendungsgrad der Mitarbeiterkapitalbeteiligung insgesamt erhöht werden könnte, wenn es zu einer Verdrängung klassischer Kapitalbeteiligungen käme.


Volkswirtschaft und Finanzen

hung der Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit gem. § 19a EStG von 135 auf 240 € p. a. vor. Die Union hat sich mit ihrem Vorschlag „Betriebliche Bündnisse für soziale Kapitalpartnerschaften“ für eine direkte Mitarbeiterkapitalbeteiligung ausgesprochen. Danach soll auf eine Pflicht zur Risikoabsicherung, wie sie der SPD-Vorschlag vorsieht, verzichtet werden. Allerdings wird eine Fondslösung auch nicht ausgeschlossen. Zudem sprechen sich CDU und CSU für einen deutlichen Ausbau der staatlichen Förderung aus. So soll die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit gem. § 19a EStG von 135 auf 500 € p. a erhöht werden und ein weiterer Betrag von 500 € für Zwecke der Bruttolohnumwandlung zur Verfügung stehen, der zwar sozialversicherungsbeitragspflichtig, aber erst nachgelagert steuerpflichtig sein soll. Seit Oktober berät sich die aus beiden Regierungsparteien paritätisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe, um aus den jeweiligen Vorschlägen letztlich ein gemeinsames, kompromissfähiges Konzept zur Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung auszuarbeiten. Ein Gesetzentwurf ist nach bisheriger Planung im Frühjahr 2008 zu erwarten. Die BDA hat den politischen Diskussionsprozess seit Beginn begleitet und sich bereits mehrfach, insbesondere durch die Stellungnahme „Mitarbeiterbeteiligung: Fakten und Positionen“ vom 4. April 2007 und durch die gemeinsam mit dem BDI erstellte Grundsatzbroschüre „Mitarbeiterbeteiligung: Strategie für eine partnerschaftliche Unternehmenskultur“ im Sommer dieses Jahres, eingebracht. Der Beschluss des BDA-Präsidiums „Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern ja – Regulieren nein“ wurde am 11. Juni 2007 vom gemeinsamen BDA/BDIPräsidium übernommen. Unverändert steht die BDA der Idee, Arbeitnehmer am Kapital ihres Unternehmens zu beteiligen, aufgeschlossen gegenüber. Von entscheidender Bedeutung ist allerdings, dass die Arbeitsgruppe der Regierungsparteien ein nicht nur kompromissfähiges, sondern vor allem sinnvolles und zielführendes Konzept erarbeitet. Dazu gehört in erster Linie, dass die mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung verbundenen Ziele einer höheren Identifikation und Motivation, einer stärkeren Bindung der Beschäftigten an ihr arbeitgebendes Unternehmen sowie einer part-

nerschaftlichen Unternehmenskultur im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Insofern plädiert die BDA für eine direkte Beteiligung der Beschäftigten am Kapital ihres Unternehmens. In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund einer nicht auszuschließenden Verständigung beider Seiten auf eine Fondslösung hat die BDA im Sommer 2007 eine Mitgliederbefragung durchgeführt. Ergebnis dieser Befragung ist eine ganz überwiegende Ablehnung von Branchen- und Regionalfonds als Instrument zur Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Die nebenstehenden zentralen Argumente, die gegen eine Fondslösung sprechen, wird die BDA auch weiterhin in die Diskussion einbringen, um die mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Verbindung gebrachten Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Um die Mitarbeiterkapitalbeteiligung wirksam – ohne Schaffung neuer Subventionstatbestände – zu fördern, sollte das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung auch auf diese Form der Vermögensbildung ausgeweitet werden. Schon heute greift die nachgelagerte Besteuerung bei der betrieblichen Altersvorsorge und bei der Besteuerung von Guthaben auf Zeitwertkonten. Mit der Einführung der nachgelagerten Besteuerung für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen würde die bestehende Diskriminierung aufgehoben und ein weiterer Schritt in Richtung eines investitions- und wachstumsfreundlicheren Steuersystems gegangen. Sollte es der Politik jedoch vielmehr darum gehen, die Vermögensbildung der Arbeitnehmer möglichst ohne Übernahme von Verlustrisiken zu stärken, bieten die betriebliche Altersvorsorge oder die Gewinn- bzw. Erfolgsbeteiligung wesentlich geeignetere Ansatzpunkte. Denn im Gegensatz zu diesen beiden Instrumenten handelt es sich bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung grundsätzlich um eine Beteiligung des Arbeitnehmers am Risikokapital seines Unternehmens, d. h. auch eine Beteiligung an möglichen Verlusten. Im Extremfall riskiert der Arbeitnehmer beides, seinen Arbeitsplatz und sein eingebrachtes Vermögen. Als Altersvorsorge ist die Mitarbeiterkapitalbeteiligung daher nur bedingt geeignet. Priorität sollte in diesem Zusammenhang der Ausbau der Altersvorsorge haben. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Mitarbeiterkapitalbeteiligung“ veröffentlicht. Er ist über www.bdaonline.de abrufbar.

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Volkswirtschaft und Finanzen

Unternehmensteuerreform 2008: Fehlentwicklungen korrigieren

Die beschlossene Unternehmensteuerreform 2008 verschiebt tendenziell die Struktur der Unternehmensteuerbelastung von der Körperschaftsteuer auf die Gewerbesteuer. Grund hierfür sind die Senkung der Körperschaftsteuersätze und die Ausweitung der ertragsunabhängigen Besteuerung: Anstatt die Gewerbesteuer durch eine ertragsorientierte Kommunalsteuer zu ersetzen, wird sie durch die pauschale Hinzurechung von Finanzierungsanteilen u. a. bei Mieten, Pachten und Zinsen massiv ausgebaut. Die unverhältnismäßig hohe Substanzbesteuerung bei der Gewerbesteuer trifft insbesondere ertragsschwache Unternehmen, die im Extremfall auch bei Verlusten Steuern zahlen müssten. Mit dem Jahressteuergesetz 2008 konnte seitens der deutschen Wirtschaft zumindest eine leichte Entschärfung bei der Hinzurechnung von Immobilienmieten erreicht werden.

Die große Koalition hat 2007 mit der parlamentarischen Verabschiedung der Unternehmen­steuerreform 2008 eine wichtige Weichenstellung für eine attraktivere Unternehmensbesteuerung erreicht. Die Tarifbelastung bei Kapitalgesellschaften wird von derzeit 38,8 auf knapp unter 30 % gesenkt. Deutschland rückt damit bei der nominalen Unternehmensteuerbelastung ins europäische Mittelfeld auf. Für inländische und ausländische Investoren ist dies für sich genommen ein positives Signal – zumal die deutsche Wirtschaft mit einer Nettoentlastung von fünf Mrd. € rechnen kann. Kritisch an der Unternehmensteuerreform 2008 sind vor allem die Gegenfinanzierungsmaßnahmen: Sie verschärfen die Substanzbesteuerung und erhöhen zugleich die Komplexität des ohnehin schon sehr komplizierten Unternehmensteuerrechts, so dass sich im Ergebnis auch die Investitionsbedingungen verschlechtern können.

Mit Einführung der Zinsschranke zum 1. Januar 2008 wird der bisherige § 8a KStG zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung durch die generelle Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen ersetzt. Konkret sieht § 4h EStG vor, dass die steuerliche Abzugs-

Ertragsteuerbelastung: Deutschland rückt ins europäische Mittelfeld vor (Tarifbelastung von Kapitalgesellschaften)

Irland Lettland Ungarn Polen EU Österreich OECD Schweden Deutschland 2008 Großbritannien Frankreich Italien Deutschland 2007 0% Quelle: KPMG, 2007

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fähigkeit von Zinsaufwendungen für jeden Betrieb auf 30 % des EBITDA (d. h. des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) beschränkt ist. Hierbei findet eine Freigrenze in Höhe von 1 Mio. € Anwendung. Die deutsche Zinsschranke ist im internationalen Vergleich viel zu restriktiv und zu bürokratisch angelegt. International üblich ist die Beschränkung auf den Zinsaufwand von Gesellschafterdarlehen bzw. auf Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen, aber nicht die Erstreckung auf die gesamten Zinsaufwendungen. Ebenfalls unzulänglich ist das von der Bundesregierung beabsichtigte Maßnahmenbündel zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen: Die Erstreckung auf Funktionsverdopplungen bedeutet im Ergebnis eine international nicht bekannte und damit investitionsschädliche Doppelbesteuerung von Funktionsverlagerungen. Unveränderter Handlungsbedarf besteht nach dieser Unternehmensteuerreform zudem bei größeren Personenunternehmen: Die vorgesehene begünstigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne schafft keine Rechtsformneutralität bei der Unternehmensbesteuerung. Zwar verringert sich mit der Einführung der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) auf dem Papier für Personenunternehmen die Belastung auf Unternehmens­ebene auf 29,77 %. Allerdings unterliegen entnommene Gewinne, die u. a. der Begleichung von Steuerschulden dienen, der Nachversteuerung. In der Praxis kann sich daher die Steuerbelastung auf bis zu 38 % belaufen. Auch bei Personenunternehmen muss daher zügig eine den Kapitalgesellschaften vergleichbare steuerliche Belastung von 30 % durchgesetzt werden. Unzureichend ist auch die Abstimmung der neuen Unternehmensbesteuerung mit der ab Januar 2009 greifenden Abgeltungsteuer. Diese Abgeltungsteuer sieht eine abgeltende Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem Steuersatz von 25 % vor. Die beschlossene Abgeltungsteuer führt jedoch zu einer Diskriminierung eigenkapitalfinanzierter Investitionen in Unternehmen: Diese Investitionen werden mit rd. 48 % besteuert, während Fremdfinanzierungen lediglich der niedrigeren Abgeltungsteuer von 25 % unterliegen. Mit dieser Benachteiligung der Eigenkapitalfinanzierung verfehlt die Bundesregierung ihr selbst erklärtes Ziel, die Eigenkapitalbasis der Unternehmen

zu stärken. Um die Finanzierungsneutralität sicherzustellen, sollte daher die Tarifbelastung bei Kapitalgesellschaften (von ca. 30 %) auf das Niveau der Abgeltungsteuer von 25 % abgesenkt werden. Um zusätzlich für die Beteiligungsfinanzierung eine annähernd hohe Belastung zu erzielen, müssten Ausschüttungen sowie Gewinne aus Anteilsverkäufen zumindest teilweise von der Abgeltungsteuer befreit werden. Zum steuerpolitischen Pflichtprogramm der Bundesregierung gehört deshalb weiterhin eine umfassende Unternehmensteuerreform: Damit der Wirtschaftsstandort Deutschland insbesondere weiter gegenüber den europäischen Nachbarn aufholt, sind spätestens in der nächsten Legislaturperiode weitere Verbesserungen am unverändert komplizierten Unternehmensteuerrecht und bei der Abgeltungsteuer dringend erforderlich. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Unternehmensteuerreform 2008“ veröffentlicht. Er ist über www.bda-online.de abrufbar.

Erbschaftsteuerreform: Steuerliche Entlastung konsequent umsetzen Am 11. Dezember 2007 ist mit dem Kabinettsbeschluss das parlamentarische Verfahren zur Erbschaftsteuerreform eröffnet worden. Grundlage ist hierbei das Anfang November 2007 beschlossene Eckpunktepapier der von Ministerpräsident Koch und Bundesfinanzminister Steinbrück geleiteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Voraussichtlich bis Ende April 2008 soll das parlamentarische Verfahren im Bundestag abgeschlossen sein. Die sich hieran anschließende Beratung im Bundesrat kann dann sicherstellen, dass die Erbschaftsteuerreform voraussichtlich zum 1. Juli 2008 in Kraft tritt. Durch den Kabinettsbeschluss wird die Zusage des Koalitionsvertrages vom 11. November 2005, der den kompletten Wegfall der Erbschaftsteuer nach zehnjähriger Unternehmensfortführung vorsieht, nur unvollständig umgesetzt: Der Kabinettsbeschluss sieht eine Abschmelzung der Bemessungsgrundlage bei der Erbschaftsteuer um maximal 85 % vor. Die Gewährung dieses Abschlags setzt allerdings eine zehnjährige Unternehmensfortführung voraus, bei der die

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Zentrale Elemente der Erbschaftsteuerreform Steuersätze und Freibeträge  Anhebung der persönlichen Freibeträge für Ehegatten auf 500.000 €, für Kinder auf 400.000 €, für Enkel auf 200.000 € – zudem gleitende Freigrenze in Höhe von 150.000 € zur Sicherstellung der Bewertungsfreiheit bei einem Betriebsvermögen von 150.000 €  Beibehaltung der Steuersätze in der Steuerklasse I (mit Sätzen von 7 bis 30 %), Anhebung der Steuer­ sätze in den Steuerklassen II und III (auf 30 % bei einem Vermögen bis 6 Mio. € und auf 50 % über darüberliegendes Vermögen) Neue Verschonungsregelung beim Betriebsvermögen  Bewertung des Betriebsvermögens und des Grundvermögens mit dem Verkehrswert auf Basis des Beschlusses der Finanzministerkonferenz vom 21. Juni 2007 – Umsetzung durch Rechtsverordnung

Lohnsumme in keinem Jahr geringer sein darf als 70 % der Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor der Unternehmensübertragung. In jedem Jahr, in dem diese Lohnsumme unterschritten wird, entfällt ein Zehntel des gewährten Abschlags. Das vorhandene Betriebsvermögen muss zudem über 15 Jahre im Betrieb gehalten werden, sonst unterliegt das entnommene Vermögen einer Nachversteuerung. Mit dieser Regelung soll offensichtlich dem Steuermissbrauch durch Umwidmung von privatem in betriebliches Vermögen ein Riegel vorgeschoben werden. Zugleich ist vorgesehen, dass pauschal 15 % des Unternehmenswertes als privat genutztes Vermögen anzusehen sind und damit der Erbschaftsbesteuerung unterliegen. Insgesamt wird das deutsche Erbschaftsteuerrecht mit der zehnjährigen Fortführungsklausel und der 15-jährigen Vermögensbindungsfrist komplizierter. Erfreulich ist, dass – entgegen zwischenzeitlichen Erwägungen – das betriebliche Auslandsvermögen unter die steuerliche Begünstigung fallen soll. Problematisch ist allerdings, dass vermögensverwaltende Unternehmen nur dann der steuerlichen Begünstigung unterliegen, wenn das sog. Verwaltungsvermögen (z. B. fremdvermietete

 85 %iger Bewertungsabschlag von der Bemes­ sungs­­grundlage beim Betriebsvermögen – 15 % des Be­triebs­vermögens unterliegen der Erb­­schafts­­ be­steue­rung  Fortführungsklausel: Lohnsumme darf in den zehn Jahren der Unternehmensfortführung in keinem Jahr geringer sein als 70 % der Lohnsumme vor der Vermögensübertragung – sonst entfällt pro Jahr der Unterschreitung ein Zehntel des Abschlags  15-jährige Bindungsfrist für das Betriebsvermögen – mit Nachversteuerungspflicht bei Veräußerung oder Entnahme, die aber bei Reinvestition entfällt  Kein Bewertungsabschlag bei vermögensverwaltenden Unternehmen mit einem Verwaltungsver­mö­gen (z. B. fremdvermietete Grundstücke, Kunst­gegen­ stände), das mehr als 50 % des Betriebsvermögens ausmacht

Grundstücke, Kunstgegenstände) nicht mehr als 50 % des Betriebsvermögens ausmacht. Im weiteren parlamentarischen Verfahren kommt es zudem darauf an, die erhebliche Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer, die bei der Übertragung stiller Reserven bei den derzeit geplanten Regelungen entsteht, zu beseitigen. Als Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 müssen die Bewertungsvorschriften neu gefasst werden und sich an den Verkehrswerten orientieren. Diese Neufassung nur für sich genommen würde zu einem erheblichen Anstieg der Steuerlast führen – im Durchschnitt zu einer Verdopplung, in einigen Fällen so gar mehr als das. Zur derzeitigen Verunsicherung über die tatsächliche Belastung trägt sicher auch bei, dass bislang geplant ist, das neue Bewertungsrecht nicht im Gesetz selbst, sondern in einer Rechtsverordnung zu regeln. Bei der geplanten Reform der Erbschaftsteuer sollte letztlich die steuerliche Entlastung zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge gelingen. Ein falsches Signal des Gesetzgebers wäre es dagegen, wenn als Folge


Volkswirtschaft und Finanzen

der Erbschaftsteuerreform die steuerliche Belastung der Unternehmenserben ansteigt. Dies ist angesichts des angestrebten Erbschaft­steuervolumens von gut 4 Mrd. € jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Die beste Lösung wäre die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Mittlerweile machen sich Österreich und Tschechien auf den Weg, diese Steuer abzuschaffen – nachdem bereits in Schweden und Portugal hierauf verzichtet wird. Frankreich wird zumindest ab 2008 die Ehegatten freistellen – und damit dem Vorbild von Luxemburg und Schweizer Kantonen folgen. Dies zeigt, dass die Erbschaftsteuer in Euro­ pa auf dem Rückzug ist.

Föderalismusreform II: Nettokreditaufnahme wirksam begrenzen Deutschland hat bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen beachtliche Fortschritte gemacht. Erstmals seit Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht erreichen die öffentlichen Haushalte 2007 einen ausgeglichenen Gesamthaushalt: Während die Gesamtheit der Bundesländer sogar einen Überschuss erzielt, steckt der Bund immer noch in den roten Zahlen. Hier sind auf der Ausgabenseite noch weitere Konsolidierungsanstrengungen erforderlich, um den Bundeshaushalt nachhaltig zu sanieren.

Damit die insgesamt gute Entwicklung bei den öffentlichen Finanzen nicht ein Strohfeuer bleibt, sollte die von Bund und Ländern eingesetzte Föderalismuskommission II ebenso wirksame wie sanktionsbewährte Regeln zur Schuldenbegrenzung vorlegen. Mit ersten konkreten Ergebnissen zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wird zum ersten Quartal 2008 gerechnet. Zusammen mit dem BDI hat die BDA eigene Reformvorschläge vorgelegt. Die Vorgabe von Art. 115 Grundgesetz, nach der die Kreditaufnahme die Investitionsausgaben nicht überschreiten darf, hat sich in der politischen Praxis als ein wenig wirksames Instrument erwiesen. Eine wirksame Beschränkung des immer schneller anwachsenden Schuldenbergs der öffentlichen Hand gehört deshalb zum Pflichtprogramm der großen Koalition. Dies schließt insbesondere die verbindliche Verankerung eines mittelfristigen Haushaltsausgleichs in die Verfassung ein. Neben dem Haushaltsausgleich und dem Abbau der hohen Staatsverschuldung von derzeit über 67 % des Bruttoinlandsprodukts sind zudem automatische Sanktionsmaßnahmen erforderlich, die bei verfassungswidrigen Haushalten auf Bundes- und Länderebene greifen. Dies erfordert u. a. ein beschleunigtes Klageverfahren vor dem Verfassungsgericht mit einer Entscheidung innerhalb von 60 Tagen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Föderalismusreform II“ veröffentlicht. Er ist unter www.bdaonline.de abrufbar.

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VORWORT ARBEITSMARKT ARBEITSRECHT TARIFPOLITIK SOZIALE SICHERUNG BILDUNG/BERUFLICHE BILDUNG EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE SOZIALPOLITIK Volkswirtschaft und Finanzen GESELLSCHAFTSPOLITIK PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT BDA-ORGANISATION IN MEMORIAM BDA-ORGANIGRAMM

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Gesellschaftspolitik

Nachhaltige Gesellschaftspolitik stützen Die Familienpolitik dominierte die gesellschaftspolitische Diskussion des Jahres 2007. Nach der Einführung des Elterngeldes zum 1. Januar 2007 richtete sich der Blick der Politik vor allem auf den Ausbau der Kinderbetreuung. Die BDA brachte sich mit Vorschlägen in die Diskussion ein und unterstrich dabei abermals das intensive familienpolitische Engagement der Unternehmen. Wie in den vergangenen Jahren suchte die BDA den Dialog mit gesellschaftlich relevanten Akteuren. Insbesondere zu den Kirchen wurde der konstruktive Kontakt gehalten. Die BDA war in der Projektleitung zur Vorbereitung des Evangelischen Kirchentages in Köln vertreten und organisierte einen Gesprächsabend zum Thema „Migration und Integration“. Darüber hinaus gab es einen regen Gedankenaustausch mit den christlichen Unternehmerverbänden – dem Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer (AEU) und dem Bund katholischer Unternehmer (BKU). Auf dem Sommerempfang des Bundes katholischer Unternehmer (BKU) am 19. September 2007 nutzte Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt in seinem Festvortrag „Mit Werten führen“ die Gelegenheit, insbesondere die Verantwortung von Führungskräften hervorzuheben. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Kirche und Wirtschaft“ sowie den kompakt „Wirtschaftsethik“ veröffentlicht. Sie sind über www.bda-online.de zu­gänglich. Die vielfach populistisch geführte Diskussion über die Themen Managergehälter und Abfindungen haben dem Bild des Unternehmers und der Glaubwürdigkeit der Wirtschaft insgesamt geschadet. Die BDA hat sich hier klar positioniert, vor gesetzlichen Regelungen gewarnt und zur Übernahme von Verantwortung, aber auch zu einer differenzierten Betrachtung des Unternehmerbildes aufgerufen. Darüber hinaus war die BDA gefragter Gesprächspartner der Parteien. Mit CDU und SPD gab es einen intensiven Austausch zu den Entwürfen der Grundsatzprogramme. Mit Stellungnahmen, aber auch durch

das direkte Gespräch mit den Spitzen der Parteien brachte sich die BDA in die Diskussion ein. Zudem war die BDA auf den Parteitagen von SPD, CDU und ­Bündnis 90/Die Grünen präsent. Nicht zuletzt bot der gemeinsame Parlamentarische Abend mit BDI und DIHK am 18. September einen Rahmen für Politik und Wirtschaft, sich auszutauschen und die unterschiedlichen Positionen zu beleuchten.

45. Kolloquium der WalterRaymond-Stiftung Am 25. und 26. März 2007 fand in Berlin das 45. Kolloquium zum Thema „Wirkungen der Globalisierung auf Politik und Gesellschaft“ der Walter-Raymond-Stiftung statt. „Man kann für sie sein oder gegen sie – der Globalisierung ist das egal.“ So brachte es der saarländische Ministerpräsident Peter Müller MdL (CDU) auf dem Kolloquium zugespitzt auf den Punkt. Der Austausch von Gütern, Dienstleistungen, Wissen und Kapital über Landesgrenzen hinweg ist längst Wirklichkeit und wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter zunehmen. Den Menschen in Deutschland aber ist es nicht egal. Sie nehmen die Globalisierung mehr und mehr negativ wahr. Die Mehrheit der Deutschen verbindet mit dem Begriff die Verlagerung und den Verlust von Arbeitsplätzen und eine Gefährdung des Sozialsystems. Die Chancen der Globalisierung finden inzwischen weit weniger Zustimmung als noch in den 1990er Jahren. Dabei hat die Globalisierung den Ländern, die sich an ihr beteiligt haben, massive Wohlstandsgewinne gebracht. Offensichtlich reicht aber eine rein ökonomische Analyse längst nicht mehr aus, um die Globalisierung zu verstehen. Zunehmend rücken gesellschaftliche und kulturelle Fragestellungen ins Zentrum der Debatte. Aus diesem Grunde setzte sich das 45. Kolloquium der ­Walter-­Raymond-Stiftung unter dem Titel „Wirkungen der Globalisierung auf Politik und Gesellschaft“ zum Ziel, die Globalisierung als politisches und gesellschaftliches Phänomen zu diskutieren. Auf die Frage nach ihrer Gestaltbarkeit suchten die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in Diskussionen mit hochkarätigen Referenten aus verschiedenen Disziplinen nach Antworten.


Gesellschaftspolitik

Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt zur Diskussion Über Managergehälter Auszug aus der Rede auf dem Deutschen Arbeitgebertag 2007 am 11. Dezember: „Meine Damen und Herren, die aktuelle Debatte über Managergehälter und Abfindungen nehme ich sehr ernst, weil es leider vereinzelt Beispiele gibt, die unserer Glaubwürdigkeit schaden. Uns muss alarmieren, dass der sichtbare und messbare Erfolg der sozialen Marktwirtschaft sich nicht mehr im Vertrauen der Bürger spiegelt. Im Gegenteil scheint das Unbehagen zu wachsen, auf dem globalen Spielfeld nicht mehr Akteur zu sein, sondern Spielball anderer. Alte Gewissheiten geraten ins Wanken. Engagement, Qualifikation, Mobilität sind nur noch Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg, aber nicht mehr ihre Garantie. Einerseits ist das der Preis, den wir für eine offene Volkswirtschaft entrichten müssen. Aber es wäre zu wenig, nur achselzuckend auf die Zwänge der Globalisierung zu verweisen. Ohne Legitimation nach innen bleibt die Marktwirtschaft gefährdet, auch wenn sie keinen äußeren Feind mehr hat. Marktwirtschaft braucht nicht nur Wettbewerbsregeln, sondern auch eine Ethik der Verantwortung als Sperre gegen Kontrollverlust und Maßlosigkeit. Ich bin weit davon entfernt, wirtschaftskritische Schlagzeilen der letzten Wochen mit der Wirklichkeit in unseren Unternehmen zu verwechseln. Gewiss war vieles verzerrt und übertrieben. Aber leider doch nicht immer völlig falsch. Uns Unternehmern kann es nicht gleichgültig sein, wenn der falsche Eindruck entsteht, die Wirtschaft sei mehr durch Korruption und Selbstbedienung bestimmt als durch Innovationskraft und Leistungsbereitschaft. Es muss nachdenklich machen, wenn vereinzelt der Eindruck entsteht, dass Mitarbeiter mehr am Wohl des Unternehmens interessiert scheinen als mancher Vorstand oder auch mancher Betriebsratsvorsitzender. Dass die ganz überwiegende Zahl der Manager und Betriebsräte für das Wohl des Unternehmens alles tun, unterstreiche ich. Aber es gibt – hier wie da – schlechte Beispiele. Uns kann nicht egal sein, wenn Mitarbeiter ihre Leistung und ihr Engagement missachtet sehen, weil unternehmensbedrohende Fehlentscheidungen angestellter Manager mit Millionenabfindungen vergoldet werden oder Betriebsräte als vermeintliche Co-Manager auf Unternehmenskosten Luxus genießen. Wer auf solche Fehlentwicklungen hinweist, schürt nicht Neid oder Missgunst, sondern macht ernst mit dem Leistungsprinzip. Wir Unternehmer setzen die Legitimation der sozialen Marktwirtschaft auf unsere Agenda – insbesondere durch Verteidigung ihrer Grundprinzipien auch nach innen. Wenn wir hier versagen würden, dürften wir uns nicht wundern, wenn Misstrauen entsteht. Allerdings sage ich auch: Wenn Missmanagement festgestellt wird, muss sich ein Aufsichtsrat von einem Vorstand auch dann trennen können, wenn eine Abfindung anstelle der Vertragserfüllung unvermeidbar ist. Und wer glaubt, das per Gesetz regeln zu können, ist auf dem Holzweg! Es mag vereinzelt Ausnahmen von Maßlosigkeit geben, aber insgesamt gehen wir in der Wirtschaft damit sehr viel verantwortungsvoller um als in anderen Bereichen der Gesellschaft, z. B. bei Spitzensportlern oder Medienstars. Wenn Manager erfolgreich sind und erfolgsabhängig hohe Gehälter bekommen, ist das in Ordnung. Wir wollen schließlich die besten Manager und die sind weltweit gefragt. Und wir alle wissen: Die Managergehälter in Deutschland sind im internationalen Vergleich keineswegs überhöht. Wir müssen auch in dieser Debatte wachsam nach innen, aber auch standhaft nach außen sein.“

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Gesellschaftspolitik

Zu Beginn des Kolloquiums warb der Münchner Sozialpsychologe Dieter Frey angesichts zunehmender Erosion des Vertrauens in Wirtschaft und Politik für eine Verstärkung der Kommunikationsanstrengungen der Eliten in Wirtschaft und Politik und für mehr prozedurale Fairness. Die Frage nach der Gerechtigkeit angesichts der Globalisierung griff Detlef Horster (Hannover) aus sozialpsychologischer Sicht auf. Er stellte den Begriff der Menschenwürde in den Mittelpunkt seiner Ausführungen und warnte vor einer synonymen Verwendung der Begriffe Gerechtigkeit und Gleichheit (der Verteilung). Warum der Nationalstaat auch in Zeiten der Globalisierung kein Auslaufmodell ist, begründete Stephan Leibfried (Bremen) in seinem Beitrag. Denn auch ein freier Markt wird erst durch das Recht konstituiert und bedarf der Rechtsdurchsetzung und der Wohlfahrtspufferung durch den Nationalstaat. Der Bochumer Soziologe Ludger Pries analysierte die Entwicklungslinien der Gewerkschaften zwischen steigender Wettbewerbsintensität auf offenen Arbeitsmärkten und grenzüberschreitenden Produktionsketten. Spiegelbildlich veranschaulichte der Unternehmer Randolf Rodenstock die Zwänge und Gestaltungsmöglichkeiten, unter denen Unternehmen angesichts des zunehmenden Globalisierungsdrucks stehen, sehr nachdrücklich.

Ausbau der Kinderbetreuung wichtiger Baustein für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Zu den Aufgaben und Grenzen der Politik im sozialen Rechtsstaat äußerten sich schließlich die beiden Politiker Olaf Scholz MdB und Saarlands Ministerpräsident Peter Müller MdL. Scholz bekräftigte, dass Deutschland insgesamt von der Globalisierung profitiert habe, zugleich jedoch die sozialen Sicherungssysteme unter einem gravierenden Anpassungsdruck stünden. Müller stellte die Stärkung der Eigenverantwortung und die notwendige Rückbesinnung des Staates auf seine Kernaufgaben in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. „Wenn der Staat sich zurücknehmen kann, können wir die Globalisierung meistern“, resümierte Müller.

Die BDA hat aber immer wieder darauf hingewiesen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf insgesamt nur dann gelingen kann, wenn die Kinderbetreuung, besonders für Kinder unter drei Jahren, deutlich ausgebaut wird. Gerade auch vor dem Hintergrund des perspektivisch noch zunehmenden Fachkräftebedarfs ist es zudem nicht hinnehmbar, dass junge Mütter und Väter aufgrund einer unzureichenden Kinderbetreuungsinfrastruktur häufig gezwungen werden, länger aus dem Beruf auszusteigen, als sie es sich wünschen, nur weil die Betreuung ihrer Kinder nicht gewährleistet ist. Vor diesem Hintergrund begrüßt die BDA den Beschluss der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die sich Ende August 2007 nach einer siebenmonatigen Verhandlungszeit über die zukünftige Finanzierung der Kinderbetreuung geeinigt hat. Der Beschluss sieht vor, dass bis 2013 für 35 % der unter Dreijährigen ein Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter oder in einem Kindergarten vorhanden sein soll. Insgesamt würden dann ca. 750.000 Angebote für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung stehen. Die Arbeitsgruppe hat sich darüber hinaus darauf

Alle Vorträge sind im Sommer 2007 in einem Tagungsband erschienen, der mit einer bilanzierenden Zusammenfassung der Vorträge und der Diskussionsbeiträge endet. Er liegt als Band 47 der Großen Reihe vor und kann im Internet unter www.arbeitgeberbibliothek.de bestellt werden.

Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt ein wichtiges Anliegen der Arbeitgeber. Der zweite „Monitor Familienfreundlichkeit“ vom Dezember 2006, der vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln erarbeitet worden ist, hat klar dokumentiert, dass das Bewusstsein für das Thema „Familienfreundlichkeit“ in den letzten Jahren stark gestiegen ist: Fast drei Viertel aller Befragten schätzen Familienfreundlichkeit für das eigene Unternehmen als sehr wichtig oder wichtig ein, mehr als 90 % der Unternehmen bieten inzwischen familienfreundliche Maßnahmen, vor allem auch flexible Arbeitszeitmodelle, an. Eine familienbewusste Personalpolitik ist ein Gewinn für Arbeitergeber und Arbeitnehmer: Sie unterstützt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Familienverantwortung dabei, eine gute Balance zwischen Beruf und Familie zu finden, und die Unternehmen profitieren durch geringere Fehlzeiten, eine geringere Fluktuation und steigern durch familienfreundliche Maßnahmen zugleich die Attraktivität des Unternehmens in der Öffentlichkeit.


Gesellschaftspolitik

verständigt, dass ab dem Jahr 2013 erstmals auch für Kinder unter drei Jahren ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz besteht. Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung, die insgesamt mindestens 12 Mrd. € betragen wird, in der Aufbauphase mit vorerst insgesamt 4 Mrd. €. Diese verteilen sich wie folgt: Von 2008 an wird der Bund für Investitionen in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen 2,15 Mrd. € zur Verfügung stellen. Der Restbetrag wird über die Umsatzsteuerverteilung an die Länder weitergeleitet und soll diese bei den Betriebsausgaben der Betreuungseinrichtungen unterstützen. Hiermit wird berücksichtigt, dass die neuen Länder bereits über eine recht gute Infrastruktur verfügen. Aber auch nach der Aufbauphase wird sich der Bund zukünftig weiter an der Finanzierung der Kinderbetreuung beteiligen. Ab 2014 wird der Bund durch einen jährlichen Zuschuss von 770 Mio. € einen Teil der weiter anfallenden Betriebskosten übernehmen. Der Beschluss des Ausbaus der Kinderbetreuung ist ein längst überfälliger wichtiger und notwendiger Bau­ stein, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter zu verbessern. Nur wenn in Deutschland ein ausreichendes Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren vorhanden ist, haben Mütter und Väter die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren. Die BDA wird sich auch weiterhin, u. a. in der Allianz für die Familie, dafür einsetzen, dass Familienfreundlichkeit zu einem Markenzeichen der deutschen Wirtschaft wird. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Familienpolitik“ sowie den kompakt „Chancengleichheit von Frauen und Männern im Berufsleben“ veröffentlicht. ­Diese sind über www.bda-online.de abrufbar.

Unternehmenswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2008“ gestartet Im Oktober 2007 hat BDA-Präsident Dr. Dieter Hundt zusammen mit Bundesfamilienministerin Dr. Ursula von der Leyen den Unternehmenswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie“ gestartet. Der Wettbewerb, der unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin steht, zeichnet Arbeitgeber für eine vorbildliche familienbewusste Personalpolitik aus. Der Wettbewerb bietet Unternehmen die Möglichkeit, öffentlichkeitswirksam auf ihr familienpolitisches Engagement aufmerksam zu machen und ihre familienbewusste Personalpolitik gezielt als Personalmarketing-Instrument einzusetzen. Die familienbewusste Personalpolitik gewinnt immer stärker an Bedeutung, gerade auch, weil die Unternehmen im zunehmenden Wettbewerb um Fachund Führungskräfte stehen. Mehr als 90 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen 25 und 39 Jahren haben laut einer Umfrage angegeben, dass bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine wichtigere oder zumindest ebenso wichtige Rolle wie das Gehalt spielt. Ziel des Unternehmenswettbewerbs ist es, neue Ideen und gute betriebliche Praxis in die Breite zu tragen und zu zeigen, dass sowohl die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als auch die Unternehmen mit relativ geringem Aufwand von familienfreundlichen Maßnahmen profitieren können. Die Sieger des Wettbewerbes werden im Mai 2008 in Berlin von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ausgezeichnet.

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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Sachlich und konsequent Sachlichkeit und Konsequenz sind die bestimmenden Leitsätze für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA. Sachlichkeit beweisen die Arbeitgeber vor allem im medialen Stil: Die BDA setzt in ihrer Pressearbeit seit langem auf inhaltlich fundierte Kritik mit konkre­ ten Änderungs- und Verbesserungsvorschlägen. Wol­ ki­ge Worte oder unseriöse Schlagzeilen gehören da­ gegen nicht zum Repertoire. Dieser Linie ist die BDA auch im Jahr 2007 treu geblieben. Sie trägt damit ihren Teil zu der insgesamt unaufgeregteren Medienberichterstattung bei, die sich in den letzten beiden Jahren etabliert hat. Wo es die Sache erfordert, geht die BDA zugleich mit höchster Konsequenz an die Öffentlichkeit. Beispielsweise wurde die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Laufe des Jahres intensiviert, als vor allem in der Arbeitsmarktpolitik wichtige Entscheidungen anstanden. In dieser Situation scheute die BDA auch vor unangenehmen Wahrheiten und klaren Worten nicht zurück.

Unter dem Strich war diese Form der medialen Auseinandersetzung in den vergangenen zwölf Monaten sehr erfolgreich.

Hundt für niedrigeren Arbeitslosenbeitrag Arbeitgeberpräsident: Nürnberger Überschüsse sind nicht für unerledigte Reformaufgaben Frankfurter Allgemeine Zeitung, April 2007

Das übergeordnete Ziel der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA ist die Modernisierung des Standorts Deutschland und die Förderung der entsprechenden Reformbereitschaft. Im letzten Jahr wurden die Schlagzeilen wesentlich von der Kontroverse um einen Mindestlohn und den Reformen auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Darüber hinaus standen Themen wie die Pflegeversicherung, die Unfallversicherung und die Zuwanderung auf der Agenda. Zu diesen Projekten wurden die Positionen, Interessen und Forderungen der Arbeitgeber gezielt in die Öffentlichkeit getragen. Die Intensität war hoch: Insgesamt hat die BDA im vergangenen Jahr weit über 100 Presseerklärungen herausgegeben und sich in zahlreichen Inter-


Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

views, Stellungnahmen und Pressekonferenzen gegenüber den Medien geäußert. In der internen Kommunikation setzt die BDA auf einen intensiven Kontakt mit den Pressestellen der Mit­gliedsverbände. Neben dem regelmäßigen informellen Austausch spielt dabei auch der „Arbeitskreis der Pressesprecher“ eine zentrale Rolle. Er bietet den Pressesprechern von BDA und Mitgliedsverbänden die Möglichkeit zum direkten Dialog und zur internen Vernetzung. Auch werden die Treffen zum Gedankenaustausch mit renommierten Journalisten genutzt. Im Jahr 2007 waren Thorsten Alsleben vom Hauptstadtstudio des ZDF und Christoph Schultheiß von BILDblog zu Gast.

Pressekonferenzen, Interviews, Gastkommentare Thematisch standen vor allem die Arbeitsmarktpolitik, die Auseinandersetzungen über einen Mindestlohn sowie die Pflege- und Unfallversicherungsreform im Mittelpunkt. Die BDA kommunizierte die Positionen der Arbeitgeber durch eine Reihe von Pressekonferenzen und trat wiederholt vor die Bundespressekonferenz. Selbstverständlich wurden diese Medienaktivitäten jeweils mit einer Vielzahl von Interviews und Stellungnahmen flankiert. Da die rechtlichen und politischen Implikationen in vielen Fällen äußerst komplex sind, wurden die Themen zusätzlich in Hintergrundgesprächen immer wieder detailliert erläutert. Wo es die Situation erforderte, setzte die BDA außerdem auf längere Gastkommentare in renommierten Tageszeitungen.

Wirtschaft rügt Arbeitsmarktpolitik Handelsblatt, Juni 2007

Medienereignis Deutscher Arbeitgebertag

präsident Dr. Dieter Hundt rief die Politik in seiner Rede dazu auf, die Chance zu ergreifen und den konjunkturellen Rückenwind für weitere Reformen zu nutzen. Dieser Aufruf kam nicht nur bei den rd. 1.500 hochrangigen Gästen gut an, sondern wurde auch von zahlreichen Journalisten aus dem In- und Ausland aufgegriffen, wodurch eine breite Medienberichterstattung erreicht wurde. Die Präsenz des Deutschen Arbeitgebertages und der BDA reichte von den großen TV-Nachrichten bis zu den Titelseiten der Zeitungen. Insgesamt gab die Veranstaltung den politischen Botschaften der Arbeitgeber weit über den Tag hinaus Stimme und Gewicht.

Medienereignis 2007 Deutscher Arbeitgebertag Der Deutsche Arbeitgebertag am 11. Dezember 2007 mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, SPD-Chef Kurt Beck, dem Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, und FDP-Chef Dr. Guido Westerwelle war ein großes Medienereignis:  Berichterstattung in nahezu allen Medien  Live-Übertragung auf Phoenix, n-tv, N24  Beiträge u. a. in Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Tagesschau, heute, RTL Aktuell  Über 150 Journalisten  25 Kamerateams und Fotografen

Einen besonderen Fokus legt der Deutsche Arbeitgebertag traditionell auf die Bildungspolitik. Der Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung ist ein fester Bestandteil im Programm und genießt von Jahr zu Jahr mehr mediale Aufmerksamkeit. Diesmal stand das Thema Entrepreneurship und damit das unternehmerische Denken bzw. Handeln im Mittelpunkt. Über die Preisverleihung und die Preisträger berichteten u. a. die Financial Times Deutschland, Phoenix und zahlreiche Regionalzeitungen. Wirtschaft warnt Union und SPD

Zu den medialen Highlights des Jahres gehört traditionell der Deutsche Arbeitgebertag in Berlin. Arbeitgeber-

„Macht den Aufschwung nicht kaputt!“ BILD, Oktober 2007

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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

TV-Berichterstattung 2007

ARD Tagesschau

ZDF heute

Phoenix

n-tv

Eigene Publikationen und Medien Die Kommunikation der BDA setzt vor allem auf die Berichterstattung in Presse, Hörfunk und Fernsehen. Dennoch werden nach wie vor auch eigene Publikationen und Medien genutzt, um die Positionen der Arbeitgeber einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Insbesondere die Internetseite www.bda-online.de hat sich inzwischen als beliebtes Informationsangebot etabliert. Die Seite bietet aktuelle Nachrichten und Positionen der Arbeitgeber sowie eine große Fülle vertiefender Hintergrundinformationen zu den einzelnen BDA-Themen. Besonders gefragt ist die Reihe kompakt, die jeweils auf zwei Seiten einen schnellen und zuverlässigen Einstieg in die verschiedenen Sachthemen bietet. Insgesamt wurden im Jahr 2007 weit über 24 Mio. Zugriffe auf die BDA-Homepage registriert, was rd. 65.000 Zugriffen pro Tag entspricht. Über die Internetseite haben Nutzer auch die Möglichkeit, sich direkt mit ihren Anliegen, Fragen und Kommentaren an die BDA zu wenden. Dieser Service wird gerade von jungen Menschen gerne in Anspruch genommen. Die BDA nimmt Zuschriften sehr ernst und legt großen Wert darauf, jede seriöse Anfrage so schnell wie möglich zu beantworten. Abgerundet wird das Angebot durch die Informationsdienste „BDA Newsletter“, „Euro-Info“ und „Arbeitgeber“. Die beiden erstgenannten Angebote werden per Mail verschickt und können von Interessenten kostenfrei über die Internetseite abonniert werden. Sie informieren regelmäßig über aktuelle Entwicklungen auf den Themengebieten der BDA, wobei sich der „Euro-Info“ ganz speziell um das Geschehen auf der europäischen Ebene kümmert. Seit dem Jahr 2006 ist die BDA außerdem mit der vierseitigen Beilage „Arbeitgeber – Das BDA-Spezial zur unternehmerischen Sozialpolitik“ in der Zeitschrift PERSONAL vertreten. Sie versorgt die Leser regelmäßig mit tiefer gehenden Hintergrundinformationen und aktuellen politischen Analysen. Die monatlich erscheinende Zeitschrift PERSONAL ist dabei ein guter Partner und kann von Interessenten abonniert werden. Weitere Informationen finden sich im Internet unter www. personal-im-web.de.


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BDA-Organisation

BDA-Mitgliedsverbände

BdKEP Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e. V.

Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e. V.

Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie

Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e. V.

Arbeitgeberverband der Deutschen Glasindustrie e. V.

Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V.

Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V.

Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ)

Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e. V.

Bundesverband des Deutschen Großund Außen­handels e. V. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V.

Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe)

Bundesverband Druck und Medien e. V.

Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland

Bundesverband Garten-, Landschaftsund Sportplatzbau e. V.

Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V.

Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA)

Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrsbetriebe – Arbeitgeberverband Mittelständischer Personal­ dienstleister e. V. (AMP) Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e. V. Arbeitgeberverband Postdienste e. V.

Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungs­ unternehmen e. V. Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V. Deutscher Bühnenverein Bundesverband der Theater und Orchester Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA)

Arbeitgeberverband Stahl e. V. Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V. Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß e. V. (ANG)

DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitnessund Gesundheits-Anlagen

Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V. Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder

GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeber­ verbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V.

BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs­ wirtschaft e. V.

Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V.


BDA-Organisation

Gesamtverband der Deutschen Textil- und Mode­industrie e. V. – Arbeitgeberverbund –

Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ)

Gesamtverband Steinkohle (GVSt)

Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD)

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.

Verein der Zuckerindustrie

Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe ­verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.

Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V.

Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V. Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V. – Sozialpolitischer Hauptausschuss –

Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU) Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.

Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeit­ geberverbände e. V.

Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände e. V.

Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände NordrheinWestfalen e. V.

Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW)

Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU)

Vereinigung der Unternehmensverbände für ­Mecklenburg-Vorpommern e. V.

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden

Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V.

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft ­Telekommunikation (ArgeTel)

Vereinigung Rohstoffe und Bergbau

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV)

VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V.

Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH)

WEG Wirtschaftsverband Erdölund Erdgasgewinnung e. V.

Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen + Bildung e. V. Unternehmerverbände Niedersachsen e. V. UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V. Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V. Verband der Wirtschaft Thüringens e. V. (VWT) Verband Deutscher Reeder e. V.

Zentralverband des Deutschen Baugewerbes ZGV – Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e. V.

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BDA-Organisation

BDA-Präsidium Präsident Dr. Dieter Hundt Ehrenpräsident Prof. Dr. Klaus Murmann Vizepräsidenten Dr. h. c. Josef Beutelmann Dr. Gerhard F. Braun Günther Fleig Martin Kannegiesser Otto Kentzler Dr. Walter Koch (Schatzmeister) Randolf Rodenstock Dr. h. c. Eggert Voscherau Weitere Mitglieder des Präsidiums Peter Barz Prof. Thomas Bauer Ernst Baumann Anton F. Börner Walter Botschatzki Gerd von Brandenstein Wolfgang Brinkmann Dr. Eckhard Cordes Dr. Jürgen Deilmann Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann Goetz von Engelbrechten Bodo Finger Ulrich Grillo Helmut Heinen Ingrid Hofmann Dr. Eckart John von Freyend Arndt G. Kirchhhoff Helmut F. Koch Ingo Kramer

Heinz Laber Manfred Lantermann Stefan H. Lauer Horst-Werner Maier-Hunke Hartmut Mehdorn Prof. Dr. Helmut Merkel René Obermann Dr. Arend Oetker Dr. Wolfgang Pütz Dr. Jan Stefan Roell Dr. Siegfried Russwurm Josef Sanktjohanser Ulrich Schumacher Gerd Sonnleitner Dr. Theo Spettmann Bernd Tönjes Prof. Dieter Weidemann Dr. Klaus Zumwinkel Dr. Reinhard Göhner Dr. Fritz-Heinz Himmelreich


BDA-Organisation

BDA-Vorstand Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören folgende Damen und Herren dem Vorstand an: Roland Brohm Ulrich Alfred Büchner Prof. Dr. Hubert Burda Dr. Rainer V. Dulger Frank Dupré Volker Enkerts Ernst Fischer Dr. Hans Otto Gardeik Hartmut Geldmacher Peter Gerber Florian Gerster Wolfgang Goebel Rainer Göhner Klemens Gutmann Jörg Hagmaier Siegfried Hanke Dr. Michael Hann Matthias Hartung Klaus Hering Peter Hoffmeyer Dr. Gernot Kalkoffen Dr. Uwe Kasimier Thomas Kretschmann Lothar Lampe Frank Leonhardt Rainer J. Marschaus Dr. Uwe Mehrtens Rudolf Pfeiffer Eberhard Potempa Hanns-Jürgen Redeker Ralph Rieker Prof. Dr. Markus Rückert Manfred Rycken

Dr. Hans-Peter Schiff Jürgen Schitthelm Dirk Schlüter Birgit Schwarze Norbert Steiner Ralf Stemmer Hans-Günter Sturm Margret Suckale Dr. Sven Vogt Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia

Gemeinsames Präsidium von BDA und BDI Vorsitzender Dr. Dieter Hundt Weitere Mitglieder des Präsidiums Jürgen R. Thumann Dr. h. c. Josef Beutelmann Dr. Gerhard F. Braun Dr. Dieter Brucklacher Günther Fleig Martin Kannegiesser Dr. Hans-Peter Keitel Otto Kentzler Dr. Walter Koch Prof. Dr. Ulrich Lehner Friedhelm Loh Dr. Arend Oetker Randolf Rodenstock Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer Prof. Dr. Ekkehard Schulz Dr. h. c. Eggert Voscherau Matthias Wissmann

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BDA-Organisation

Kooperation von BDA und BDI mit Erfolg intensiviert Seit der Kooperationsvereinbarung vom November 2006 arbeiten BDA und BDI in vielen Themenund Handlungsfeldern noch enger zusammen. Das gemeinsame Präsidium von BDA und BDI hat sich in seiner konstituierenden Sitzung am 23. Januar 2007 unter dem Vorsitz von Arbeitgeberpräsident ­Dr. Dieter Hundt auf erste Details für eine engere Kooperation der beiden Verbände verständigt und den Vorständen von BDA und BDI empfohlen, vier gemeinsame Fachausschüsse einzurichten, die künftig die Organe der beiden Spitzenverbände beraten, den Präsidien von BDA und BDI berichten und Stellungnahmen für die jeweiligen Aufgabenbereiche vorbereiten. Der gemeinsame BDA/BDI-Ausschuss „Bildung, Berufliche Bildung“ konstituierte sich am 29. November 2007 und wählte, wie vom gemeinsamen Präsidium vorgeschlagen, den Vizepräsidenten der BDA Dr. Gerhard F. Braun, geschäftsführender Gesellschafter der Karl Otto Braun GmbH & Co. KG, zum Vorsitzenden sowie Herrn Dr. Arend Oetker, geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Arend Oetker Holding GmbH & Co. KG und Vizepräsident des BDI, zum stellvertretenden Vorsitzenden. Auch die weiteren drei gemeinsamen Fachausschüsse wurden, wie vom gemeinsamen Präsidium vorgeschlagen, einberufen und wählten die vorgeschlagenen Vorsitzenden: So konstituierten sich der BDI/BDA-Ausschuss für Statistik (Vorsitz: Dr. Thomas Geer, ThyssenKrupp AG) sowie der BDI/BDA-Ausschuss für Forschungs-, Innovations- und Technologiepolitik (Vorsitz: Dr. Dr. Andreas Barner, stellvertretender Sprecher der Unternehmensleitung Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG) ebenfalls am 29. November. Der BDI/BDAMittelstands­ausschuss kam am 4. Dezember zu seiner ers­ten Sitzung zusammen und wählte Arndt Kirchhoff, Vor­sit­zender der Geschäftsführung Kirchhoff Automotive GmbH & Co. KG, zu seinem Vorsitzenden. Neben den Fachausschüssen haben BDA und BDI gemeinsame Projektgruppen zu den Themen EU-Rats-

präsidentschaft, Bürokratieabbau, Mitbestimmung, „Föderalismusreform II/Finanzverfassungsreform“ und „Organisation und Personal“ eingerichtet, die ebenfalls ihre Arbeit aufgenommen, gemeinsame Positionen erarbeitet bzw. gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt haben. Im Rahmen der deutschen EURatspräsidentschaft gab es zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen und Initiativen von BDA und BDI und im Juli wurde der Beschluss des gemeinsamen Präsidiums „Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern ja – Regulieren nein“ veröffentlicht. Weitere gemeinsame Arbeitsgruppen von BDA und BDI, z. B. zur „Hochschulfinanzierung“ und zum „MINT-Nachwuchs“, wurden ins Leben gerufen. Auch wurde der bestehende Arbeitskreis von BDA und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) „Hochschule/Wirtschaft“ um Mitglieder des BDI und somit zu einem gemeinsamen Arbeitskreis von BDA, BDI und HRK erweitert. In europapolitischen Angelegenheiten sprechen BDA und BDI seit Jahresbeginn mit einer Stimme und haben am 1. Februar ihre Arbeit im gemeinsamen Brüsseler Büro „BDI/BDA The German Business Representation“ aufgenommen. Regelmäßige gemeinsame Sitzungen der Hauptgeschäftsführungen, der Abteilungsleiter sowie der Geschäftsführer der Mitgliedsverbände beider Organisationen führen zu einer verbesserten Kommunikation und einem informativen und konstruktiven Austausch zwischen den Verbänden. Zudem wurde im Personalbereich und in der Verwaltung die Zusammenarbeit von BDA und BDI weiter intensiviert.


BDA-Organisation

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In Memoriam

In memoriam Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in langjähriger Mitarbeit verbunden und hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer Sozialpolitik. Wir gedenken ihrer. In memoriam Dr. Hans-Joachim Gottschol Ehem. Vizepräsident und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 2. Februar 2007 Dieter Fertsch-Röver Ehem. Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 2. März 2007 Jakob Marquardt Ehem. Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 27. Juli 2007



Impressum

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im Haus der Deutschen Wirtschaft Breite StraĂ&#x;e 29 10178 Berlin Tel. +49 30 2033-1020 Fax +49 30 2033-1025 www.bda-online.de info@bda-online.de Stand: 14. Dezember 2007 Fotografie Sascha Nolte www.noltepicture.de Konzeption und Gestaltung ariadne & wolf GmbH www.ariadneundwolf.de



www.BDA-online.de


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