BDA | Gesch채ftsbericht 2008 | Inhalt
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Vorwort
Beschäftigung
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Soziale Sicherung
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Tarifpolitik
Bildung
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Europa und Internationales
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Arbeitsrecht
Gesellschaftspolitik
Volkswirtschaft
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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BDA-Organisation
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Inhalt
Sehr geehrte Damen und Herren, nach drei Jahren des Aufschwungs und einem noch erfreulichen Jahresauftakt 2008 befindet sich Deutschland nun auf dem Weg in die Rezession. Die globale Finanzmarktkrise hat in wachsender Intensität und Geschwindigkeit auch die deutsche Wirtschaft erfasst. In einigen Branchen ist die Auftragslage dramatisch eingebrochen und die Auswirkungen der Finanzmarktkrise schlagen sich nachhaltig auf die gesamte Wirtschaft nieder. Die Geschäftserwartungen haben sich verschlechtert und die Prognosen für die künftige wirtschaftliche Entwicklung sind von großer Ungewissheit geprägt. Die äußerst positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird sich nicht fortsetzen können. Deutschland ist international vergleichsweise gut aufgestellt. Der konsequente Innovationskurs und strukturelle Anpassungen in den Betrieben, eine weitgehend verantwortungsvolle Lohnpolitik und der wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Reformkurs der Agenda 2010 haben zur Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit beigetragen. Die Tarifparteien haben auch im vergangenen Jahr insbesondere mit einer differenzierten Lohnpolitik ihren Teil geleistet, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhöhen und so die negativen Folgen der Finanzmarktkrise und der weltwirtschaftlichen Abschwächung zu begrenzen. Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz und dem Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Konjunktur hat die Bundesregierung richtige Signale gesetzt. In der aktuellen ernsten Situation wird dies jedoch kaum ausreichen, um nachhaltige Wachstumsimpulse auszulösen. Die Bundes-
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Vorwort
regierung darf sich nicht zu Aktionismus verleiten lassen. Sie muss überlegt, dosiert und gezielt handeln. Sinnvoll sind Maßnahmen, die kurzfristig wirken, uns aber auch langfristig helfen, das Wachstumspotenzial unserer Wirtschaft zu stärken: 1.
Öffentliche Investitionen zum Ausbau und zur Modernisierung unserer Infrastruktur sollten – wo immer möglich – vorgezogen werden.
2.
Die Bundesregierung sollte Signale setzen für mehr Netto vom Brutto für alle. Das geht am besten durch die Senkung der Sozialabgaben. In der Rentenversicherung kann der Beitragssatz ohne Abschmelzung der Rücklagen auf 19,6 % abgesenkt werden, in der Arbeitslosenversicherung ist eine Absenkung auf 2,5 % möglich, wenn endlich der verfassungswidrige Eingliederungsbeitrag abgeschafft wird.
3.
Die Bundesregierung sollte die heimlichen Steuererhöhungen der kalten Progression begrenzen und mittelfristig abschaffen. Das entlastet die Leistungsträger. Gerade für sie wäre dies ein wichtiges Zeichen für mehr Netto vom Brutto.
Die große Koalition hat zwar den Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung deutlich gesenkt, was auch und vor allem ein Erfolg der BDA ist. Sie hat aber insgesamt in den letzten Monaten zu wenig getan, um ihr eigenes Ziel der Senkung des Sozialversicherungsbeitrags konsequent zu verfolgen. In weniger als zwölf Monaten hat sie in allen vier Zweigen der Sozialversicherung Leistungsauswei-
tungen beschlossen und die Ausgaben um mehr als 10 Mrd. € erhöht. Sie hat nach der richtigen Entscheidung für die „Rente mit 67“ die Chance verpasst, in den Sozialversicherungszweigen die dringend notwendigen Strukturreformen anzupacken. Die von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwürfe zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zum Mindestarbeitsbedingungengesetz werden nicht, wie ursprünglich geplant, noch in diesem Jahr im Bundestag verabschiedet. Grund für die zeitliche Verzögerung der Verabschiedung ist die innerhalb der Koalition umstrittene Frage, welche der acht Branchen, die Interesse am Entsendegesetz angemeldet haben, aufgenommen werden sollen. Gegenüber den ursprünglichen Entwürfen des Bundesarbeitsministers sind zwar zwischenzeitlich einige wichtige Änderungen vorgenommen worden. Aber immer noch enthalten die Gesetze eine Ermächtigung, unter bestimmten Bedingungen Tarifverträge außer Kraft zu setzen. Diese möglichen Eingriffe in die Tarifautonomie sind gefährlich. Gesetzliche Mindestlöhne beinhalten immer die Gefahr, dass der Einstieg in Arbeit für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose unmöglich gemacht wird.
unserer freiheitlichen und sozialen Ordnung darzustellen und zu vermitteln. Wir stehen am Beginn einer neuen Debatte über unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Die BDA tritt für eine Kultur der unternehmerischen Nachhaltigkeit ein, wie sie von den meisten Unternehmen in Deutschland mit hoher Verantwortung gelebt wird. Und wir drängen darauf, dass auch die Politik sich wieder auf langfristige und zukunftsorientierte Strategien besinnt. Die BDA hat nachhaltige Konzepte in allen Bereichen der Sozialpolitik vorgelegt. Wir werden uns den grundlegenden Orientierungsfragen stellen und für unsere Konzepte offensiv werben.
Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer der BDA Berlin, Dezember 2008
Das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft ist in den letzten Monaten rapide gesunken. Unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist jedoch zwingend auf Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit angewiesen, weil sie überzeugend sein muss für die Menschen, die sie tragen und prägen. Alle Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind deshalb aufgerufen, die Attraktivität
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Vorwort
Agenda 2010 wirkt – Reformen fortsetzen Der Aufschwung am Arbeitsmarkt hat als Folge der konjunkturellen Eintrübung 2008 nachgelassen. Die Signale verdichten sich, dass er im nächsten Jahr auslaufen wird. Wenn der Arbeitsmarkt von globaler Wirtschaftsentwicklung und Finanzmarktkrise auch nicht abgekoppelt werden kann, so hat doch gerade der letzte Wirtschaftsaufschwung bewiesen, dass Strukturreformen zu mehr Beschäftigung führen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, durch eine konsequente Fortsetzung der Strukturreformen Impulse gegen einen stärkeren Abschwung zu setzen und die Startrampe für den nächsten Aufschwung auszubauen. Die Reformen der Agenda 2010 waren nicht nur notwendig, sie haben auch gewirkt: mit mehr Arbeitsplätzen, weniger Arbeitslosen und mehr Chancen für alle. Eine derartig positive Wirkung hatte am Arbeitsmarkt noch kein Aufschwung seit den 1970er Jahren. Die Zahl der Erwerbstätigen überschritt 2008 zum ersten Mal nach der Wiedervereinigung im Jahresdurchschnitt die 40-Millionen-Marke. Die Arbeitslosigkeit sank insgesamt auf den niedrigsten Stand seit 16 Jahren. Erstmals ist es in diesem Konjunkturaufschwung gelungen, auch die vor allem aus Langzeitarbeitslosen bestehende Sockelarbeitslosigkeit zu reduzieren. Diese Erfolge am Arbeitsmarkt sind nicht nur wichtig, weil Arbeit der beste Schlüssel gegen Armut und für mehr Wohlstand ist. Sie beweisen vor allem: Die Strategie des Förderns und Forderns mit mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt ist ohne Alternative und muss von der Politik dringend fortgesetzt werden. Nur so kann die immer noch viel zu hohe Arbeitslosigkeit weiter abgebaut, die im internationalen Vergleich weiter enorm hohe Langzeitarbeitslosigkeit spürbar reduziert und mittelfristig auch das in der Politik zu Recht wieder anerkannte und verfolgte Ziel der Vollbeschäftigung erreicht werden.
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Beschäftigung
Ein zentraler Hebel für mehr Wachstum und Beschäftigung ist und bleibt die Senkung der in Deutschland viel zu hohen gesetzlichen Lohnzusatzkosten. Umso bemerkenswerter und wichtiger ist die Erfolgsstory in der Arbeitslosenversicherung. Hier wird der Beitrag von noch 6,5 % im Jahr 2006 und 3,3 % in diesem Jahr nächstes Jahr zunächst auf 2,8 % gesenkt. Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung liegt damit 2009 wieder unter dem Niveau von 1976. Derartige Entlastungen bei den gesetzlichen Lohnzusatzkosten sind das beste Konjunkturprogramm überhaupt. Die Entlastung der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung wird so von 2007 bis 2010 rund 84 Mrd. € betragen. Es war stets die BDA, die immer als Erste mit ihrem Präsidenten an der Spitze die nächste möglich gewordene Beitragssenkung eingefordert und ihre seriöse Umsetzbarkeit dargelegt hat. Leider ist die Entlastung in der Arbeitslosenversicherung aber durch Beitragssteigerungen in allen anderen Sozialversicherungszweigen zum größten Teil wieder zunichtegemacht worden. Umso wichtiger bleibt es, in der Arbeitslosenversicherung das gesamte Beitragssenkungspotenzial auszuschöpfen. Eine Senkung des Beitrags auf unter 2,5 % wäre hier sofort möglich, wenn die Politik die verfassungswidrige Belastung der Beitragszahler mit dem sog. Eingliederungsbeitrag beendet. Hiermit werden allein in diesem Jahr 5 Mrd. € der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für eine Mitfinanzierung der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II missbraucht. Da die Politik sich bisher nicht durchringen konnte, diesen inakzeptablen Zustand zu beenden, muss jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Hier wurden mehrere Verfassungsbeschwerden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit Unterstützung der BDA eingelegt. Vereitelt werden konnten Bestrebungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), sich selbst als „Obersteuermann“ der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu etablieren, um so die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Arbeitslosenversicherung auszuhebeln. Entsprechende Pläne des BMAS waren im Zuge des „Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ offenbar geworden. Der entschiedene Einsatz der BDA hat bewirkt, dass
eine kontraproduktive Ausweitung des Einflusses des BMAS auf die Arbeitslosenversicherung, die inzwischen erfolgreich im Sinne von Arbeitslosen, Gesamtwirtschaft und Beitragszahlern operiert, verhindert werden konnte. Die Bestrebungen des BMAS, seinen Einflussbereich auszubauen, erscheinen umso widersinniger, als die größten Probleme am deutschen Arbeitsmarkt im Bereich der staatlichen Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II fortbestehen. Auch hier will sich das BMAS bei der Neuorganisation der Arbeitslosengeld-II-Verwaltung eine eigene Dominanz sichern und hat hierzu „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ aus Arbeitsagenturen und Kommunen vorgeschlagen. Letztlich würde damit aber die kontraproduktive Mischverwaltung der jetzigen verfassungswidrigen Arbeitsgemeinschaften fortgesetzt. Es ist mehr als zweifelhaft, ob damit die dringend notwendige Aktivierung der Langzeitarbeitslosen durch ein konzentriertes Fordern und Fördern geleistet werden kann. Kommunen, die in einem Mega-Bundessozialamt lediglich Zulieferer für die Arbeitsagenturen sind, erhalten keine ausreichenden Anreize für die unerlässliche Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Ohne die zielgerichtete Entfaltung der kommunalen Netzwerke ist bei der Langzeitarbeitslosigkeit aber kein Durchbruch zu erreichen. Deshalb haben sich die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft BDA, BDI, DIHK und ZDH für eine kommunale Lösung ausgesprochen. Die BDA hat dazu dargelegt, wie diese mit ausreichender Transparenz und einer Steuerung nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit verbunden werden kann, so dass die Erfolge in der Arbeitslosenversicherung auch in der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II erreicht werden können. Wenn der im internationalen Vergleich viel zu hohe Anteil der Langzeitarbeitslosen drastisch reduziert werden soll, dann darf auch der Niedriglohnbereich nicht verteufelt werden. Da die Hälfte der Langzeitarbeitslosen nur gering qualifiziert ist, besitzen viele von ihnen nur die Chance, mit einfachen Arbeiten wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Dieses Kalkül ist in den letzten Jahren erfolgreich aufgegangen. Hier haben viele aus der Langzeitarbeitslosigkeit neue Chancen zum Ein- und Aufstieg erhalten. Auf keinen Fall dürfen
diese Menschen durch marktwidrige gesetzliche Mindestlöhne vom Arbeitsmarkt dauerhaft ausgesperrt werden.
Warnsignale vom Arbeitsmarkt ernst nehmen Der Arbeitsmarkt hat sich 2008 insgesamt noch weiterhin positiv entwickelt. Die Unternehmen haben auch in diesem Jahr kräftig eingestellt und viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik waren im Jahresschnitt mehr als 40 Mio. Menschen in Deutschland erwerbstätig. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen sank im Oktober erstmals seit 16 Jahren wieder unter die Drei-Millionen-Marke. Die nach wie vor positive Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Signale verdichten, dass der Aufschwung am Arbeitsmarkt ausläuft. Viele Unternehmen verzeichneten in der zweiten Jahreshälfte 2008 zum Teil stark sinkende Auftragseingänge. Obgleich der Arbeitsmarkt mit Verzögerung auf Veränderungen bei der Auftragslage reagiert, hat der Abbau der Arbeitslosigkeit bereits im Jahresverlauf spürbar an Schwung verloren und verlief insgesamt nicht mehr so dynamisch wie im letzten Jahr: Während die Zahl der Arbeitslosen im Februar noch um 630.000 unter dem Niveau von 2007 lag, schrumpfte der Vorjahresabstand bis November auf weniger als 400.000 zusammen. Zwischen 2005 und 2008 sind rund 1,3 Mio. neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze aufgebaut worden. Trotzdem wurde der Höchststand an Beschäftigung aus dem Jahr 2000 im Schnitt noch um 370.000 unterschritten. Das heißt, der Verlust von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nach 2000 ist immer noch nicht wettgemacht.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Beschäftigung
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Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Aufschwung Anzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse 28.000.000 27.825.624
27.800.000
27.817.114
27.600.000
27.571.147 27.482.584
27.451.900
27.400.000 27.200.000
27.207.804
27.000.000 26.954.686 26.854.566
26.800.000 26.600.000 26.523.982
26.400.000 26.354.336
26.200.000 26.178.266
26.000.000
1998
1999
2000
2001
Stichtag jeweils 30. Juni Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Darstellung: BDA
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Beschäftigung
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Jahr
Auch im Jahr 2008 ist der Abbau der Arbeitslosigkeit bei geringer Qualifizierten und Langzeitarbeitslosen, die die staatliche Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II beziehen, erneut zu langsam vorangekommen. Diese stellten im November 2008 fast 70 % aller Arbeitslosen. Immerhin gab es hier aber erste Fortschritte: Die Zahl der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger lag im November um 12 % unter dem Niveau des Vorjahres. Dies ist jedoch weniger ein Erfolg der noch immer nicht hinreichend funktionierenden Aktivierung und Vermittlung durch die zuständigen Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen. Es ist vielmehr eher darauf zurückzuführen, dass im Aufschwung mehr Beschäftigungsperspektiven auch im Bereich einfacher Arbeit entstanden sind. Umso unverständlicher ist, dass im Zuge der kontraproduktiven Mindestlohndebatte die Diskussion über die Entlohnung einfacher Tätigkeiten an Schärfe zugenommen hat. Jahrelang bestand in weiten Teilen von Politik und Wissenschaft Konsens darüber, dass Deutschland einen funktionierenden Niedriglohnbereich braucht, um Beschäftigungspotenziale im Bereich einfacher Arbeit zu erschließen und gerade auch gering qualifizierten Menschen Chancen zur Arbeit zu geben. Aber auch über den Niedriglohnbereich hinaus sind 2008 insgesamt die Stimmen lauter geworden, den Arbeitsmarkt wieder stärker zu regulieren – und das, obwohl angesichts sich eintrübender Konjunkturaussichten das Gegenteil richtig und wichtig wäre: Schließlich haben gerade auch die mit der Agenda 2010 angestoßenen Reformen, mit denen auch flexible Beschäftigungsformen wie die Zeitarbeit teilweise von staatlicher Überregulierung befreit wurden, den anhaltenden Aufschwung am Arbeitsmarkt überhaupt erst mit möglich gemacht. Es wäre daher fatal, die gerade jetzt dringend benötigten Spielräume für eine flexible Anpassung an die schwankende Auftrags- und Wirtschaftslage durch eine Re-Regulierung wichtiger Instrumente wie der Zeitarbeit wieder zu vernichten. Vielmehr ist eine konsequente Fortsetzung des Reformkurses ohne Alternative: Jedem muss klar sein, dass sich der Arbeitsmarkt nicht von der schlechter werdenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln kann. Zwar sind verlässliche Prognosen zur Arbeitsmarktentwicklung 2009 schwierig, die Tendenz ist gegen Jahresende aber eindeutig: Alle wichtigen Forschungsinstitute
haben ihre Prognosen nach unten korrigiert. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in ihrem Mitte Oktober vorgelegten Herbstgutachten davon aus, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr zum Erliegen kommt und die Arbeitslosenzahl im Jahresdurchschnitt 2009 auf dem Niveau von 2008 stagniert. Aufgrund des niedrigen Niveaus der Arbeitslosigkeit Ende 2008 bedeutet aber selbst eine im Schnitt unveränderte Arbeitslosenzahl eine im Jahresverlauf 2009 spürbar ansteigende Arbeitslosigkeit. Es ist bedauerlich, dass die Politik den bis Mitte 2008 anhaltenden konjunkturellen Rückenwind nicht genutzt hat, um wichtige Reformprojekte auf den Weg zu bringen. Umso wichtiger ist es, dass sie sich den drängenden Herausforderungen jetzt stellt.
BDA erfolgreich beim Beitragssatz Noch bis 2006 stand der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung über viele Jahre bei 6,5 %. Erfreulicherweise wird der Beitragssatz jetzt ab 2009 erneut und damit im dritten Jahr in Folge kräftig abgesenkt: Bis Mitte 2010 erfolgt eine Absenkung auf 2,8 %, danach wird der Beitragssatz mit 3,0 % fortgesetzt. Für die Beitragszahler bedeutet dies von 2007 bis 2010 in der Arbeitslosenversicherung eine Entlastung um insgesamt rund 84 Mrd. €. Die erneute und von der BDA frühzeitig geforderte Absenkung des Beitragssatzes ist auch dringend notwendig, um wenigstens zum Teil die Erhöhung der Lohnzusatzkosten durch steigende Krankenversicherungsbeiträge zu kompensieren. Die Senkung des Beitrags könnte aber noch erheblich stärker ausfallen, wenn die Politik endlich auf die verfassungswidrige Belastung der Beitragszahler mit dem Eingliederungsbeitrag verzichten würde. 5 Mrd. € oder fast ein Fünftel der Beitragseinnahmen der BA werden derzeit für die Finanzierung von Aufgaben im Fürsorgebereich Arbeitslosengeld II zweckentfremdet. Ohne den Eingliederungsbeitrag könnte der Beitragssatz auf unter 2,5 % gesenkt werden.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Beschäftigung
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Ein funktionierender Niedriglohnbereich bietet Chancen auf Einstieg in Arbeit In den vergangenen Monaten ist in der öffentlichen Debatte die Entwicklung des Niedriglohnsektors kritisiert und der unrichtige Eindruck erweckt worden, dass immer mehr Menschen in Deutschland nicht von ihrer Arbeit leben könnten. Dabei ist Arbeit nach wie vor der beste Schutz vor Armut. Für viele Arbeitslose, vor allem gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose, bietet überhaupt nur eine Tätigkeit im Niedriglohnbereich die Chance auf Einstieg in Beschäftigung. Außerdem ist es falsch und irreführend, Arbeit im Niedriglohnbereich mit Armut gleichzusetzen. Ein Vollzeitbeschäftigter gilt bereits bei einem Monatslohn von weniger als rund 1.700 € als Geringverdiener (Zahlen für 2006, Westdeutschland, WSIMitteilungen 8/2008). Dies folgt allein aus einer abstrakten Definition, die jeden Lohn als Niedriglohn abstempelt, der weniger als 67 % des sog. Medianlohns (eines gewichteten Durchschnittslohns) beträgt. Dabei bleiben bei einem Alleinstehenden von einem 1.700-€-Bruttolohn netto ca. 1.140 € übrig. Im Vergleich dazu liegt das Einkommen, das die Bundesregierung in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht als Grenze zur Armutsgefährdung mit 781 € definiert, fast ein Drittel niedriger. Dass Erwerbstätigkeit das beste Mittel gegen Armut ist,
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Beschäftigung
wird durch aktuelle Zahlen eindeutig bestätigt. Im Zuge des aktuellen Beschäftigungsaufbaus ging auch die Armutsrisikoquote von 18 % im Jahr 2006 auf 16,5 % im Jahr 2007 zurück. Damit ist die Zahl der vom Armutsrisiko betroffenen Menschen um über 1 Mio. zurückgegangen (DIW-Wochenbericht 38/2008). Hiervon profitieren erfreulicherweise gerade auch gering Qualifizierte, die verstärkt in Beschäftigung gekommen sind. Statt über Mindestlöhne den Arbeitsmarkt gerade auch für gering Qualifizierte wieder zuzuriegeln, müssen vielmehr weitere Beschäftigungspotenziale im Niedriglohnbereich erschlossen werden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund eines auslaufenden Aufschwungs am Arbeitsmarkt. Nur so kann verhindert werden, dass sich gerade für geringer Qualifizierte die Chancen auf Integration in den Arbeitsmarkt wieder verschlechtern. Die BDA hat zu diesem Thema die argumente „Niedriglohnbereich: Sprungbrett in Beschäftigung“ veröffentlicht.
Beitrag zur Arbeitslosenversicherung sinkt auf das Niveau Ende der 1970er Jahre Prozent 8 6,8
7
6,3
6,5
6
5
4,6 4,1
4,0
4,3
4,2
4,0
4
3,3 3,0
2,8
3
3,0
2,0
2 1,3
1,7
1
0 1969 bis 1971
1972 bis 1974
1975
1976 bis 1981
1982
1983 bis 1984
1985
1986
1987 bis 1990
1991
1992 bis 1993
1994 bis 2006
2007
2008
2009
ab Mitte 2010
Jahr
Quelle: Bundesagentur f체r Arbeit; Darstellung: BDA
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Die Politik hat leider auch in diesem Jahr nicht der Versuchung widerstehen können, zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und politischer Geschenke noch tiefer in die derzeit gut gefüllte Kasse der Arbeitslosenversicherung zu greifen. Dies betrifft insbesondere: die neue und in weiten Teilen überflüssige Subventionierung von Ausbildungsplätzen durch den viel zu weit gefassten Ausbildungsbonus den von der Koalition beschlossenen Rechtsanspruch zur Finanzierung von Kursen zum Nachholen des Hauptschulabschlusses, dessen Finanzierung in dreistelliger Millionenhöhe nicht Sache der Arbeitslosenversicherung, sondern der Schulpolitik ist Mehrbelastungen infolge der nach kopflosem Hin und Her jetzt wieder gestrichenen Beiträge des Bundes für Kindererziehungszeiten in der Arbeitslosenversicherung in Höhe von rund 300 Mio. € pro Jahr die arbeitsmarktpolitisch völlig verfehlte, erneute Verlängerung des Arbeitslosengeldanspruchs auf bis zu 24 Monate für Ältere, die allein zu einer Mehrbelastung von bis zu 1 Mrd. € jährlich führt Statt neue und arbeitsmarktpolitisch zum Teil sogar regelrecht kontraproduktiv wirkende Belastungen für die Arbeitslosenversicherung zu schaffen, muss die Politik zu einem konsequenten Reformkurs zurückfinden.
Eingliederungsbeitrag: Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden Mit dem 2008 eingeführten sog. Eingliederungsbeitrag greift der Bund den Beitragszahlern zur Finanzierung von Leistungen beim Arbeitslosengeld II noch stärker in die Tasche, als dies seit 2005 mit dem sog. Aussteuerungsbetrag schon der Fall war. Jetzt werden 5 Mrd. € jährlich und damit derzeit rund ein Fünftel aller Beitragseinnahmen zweckentfremdet mit dem Ziel, den Bundeshaushalt zu entlasten. Nachdem alle Gespräche auf politischer Ebene zur Beseitigung der verfassungswidrigen
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Belastungen gescheitert waren, musste juristisch gehandelt werden. Mehrere Unternehmen haben mit Unterstützung der BDA Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erhoben. Über die Annahme der Verfassungsbeschwerden hat das Gericht noch nicht entschieden, jedoch bereits allen Beteiligten einschließlich Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, Bundesländern, BA sowie DGB und BDA Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht auch das von BDA und DGB beauftragte Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Vorgängerregelung des Aussteuerungsbetrags angefordert. Parallel zu den Verfassungsbeschwerden unterstützt die BDA mehrere Verfahren mit dem Ziel, ein Sozialgericht zu veranlassen, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Eingliederungsbeitrags dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Auch in der Politik werden kaum noch Zweifel daran geäußert, dass am Ende dieser Verfahren die Verfassungswidrigkeit der Zweckentfremdung von Beitragsmitteln festgestellt werden wird. Allerdings spielt die Politik anscheinend auf Zeit und versucht Gelder abzuzweigen, solange die Arbeitslosenversicherungskasse noch gut gefüllt ist.
Arbeitslosenversicherung klagt gegen neue versicherungsfremde Lasten Mit einer einfachen Änderung seiner Rechtsansicht versucht das BMAS der Arbeitslosenversicherung Rentenversicherungsbeiträge für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen aufzulasten. Auf Kosten der Beitragszahler würde damit der Bund um jährlich 120 Mio. € entlastet. Es geht dabei um einen sozialpolitisch motivierten Aufstockungsbetrag auf 80 % des Durchschnittseinkommens in der Rentenversicherung, den Beschäftigte in Werkstätten seit 1975 auch dann erhalten, wenn sie tatsächlich ein geringeres oder überhaupt kein Arbeitsentgelt erzielen. Über 30 Jahre war unbestritten, dass der Bund zu Recht die Kosten für diejenigen Rentenversicherungsbeiträge zahlt, die nicht auf einer eigenen Arbeitsleistung der behinderten Menschen beruhen. Hiervon will das
BMAS sich jetzt unter Berufung auf den Wortlaut der Erstattungsvorschrift aus dem Jahre 1992 (!) lösen, obwohl nach der Gesetzesbegründung die bis dahin bestehenden Erstattungsregeln inhaltlich ausdrücklich unverändert übernommen werden sollten. Dabei stammen sowohl der frühere Gesetzeswortlaut als auch die aktuelle Gesetzesbegründung aus der Feder des Arbeitsministeriums selbst. Es kann nicht sein, dass das BMAS den Willen des Gesetzgebers nachträglich nach eigenem Gutdünken interpretiert. Die BDA hat diese Widersprüchlichkeit und unhaltbare juristische Argumentation des BMAS aufgedeckt. Auf Beschluss des Verwaltungsrats hat die BA Klage gegen das BMAS mit dem Ziel erhoben, die Rechtswidrigkeit des Vorgehens festzustellen und die Belastung der Beitragszahler abzuwehren. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosenversicherung“ veröffentlicht.
Rückfall in ausgabenorientierte Arbeitsmarktpolitik verhindert Mit dem im Dezember verabschiedeten Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente sollte das Versprechen der Koalition eingelöst werden, unwirksame Förderinstrumente abzuschaffen und insgesamt die Vielzahl der Förderinstrumente spürbar zu verringern. Stattdessen versuchte das federführende BMAS mit dem zunächst vorgelegten Gesetzentwurf vor allem in die erfolgreiche BA-Steuerung einzugreifen und diese mit eigenen Zielvorgaben zu versehen. Hierzu hatte das BMAS sich selbst an Stelle der Bundesregierung zum Vertragspartner von Zielvereinbarungen mit der BA im Gesetzentwurf vorgesehen. Das BMAS hätte sich damit faktisch zum „Obersteuermann“ in der bisher eigenständigen Arbeitslosenversicherung berufen. Die erfolgreiche jetzige Steuerung der Arbeitsförderung nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit wäre durch ministerialbürokratische Plan- und Zielvorgaben für das operative Geschäft weit weg vom Marktgeschehen ausgehebelt worden. Mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt: Von der Ministerialbürokratie nach Belieben gesetzte neue Nebenziele bergen die Gefahr, dass die BA von ihrer Kernaufgabe abgelenkt wird, Menschen zu helfen, so schnell wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt zurückzufin-
den. Damit hätten bei einer Umsetzung der Pläne des BMAS ein Rückfall in die alte ausgabenorientierte Arbeitsmarktpolitik und eine neue Milliardenverschwendung von Beitragsgeldern gedroht. Durch den entschiedenen Einsatz der BDA konnte erreicht werden, dass es in dem vom Bundestag letztlich beschlossenen Gesetz doch bei der Bundesregierung als Partner von Zielvereinbarungen mit der BA geblieben ist. Dieser erfreuliche Teilerfolg ändert jedoch leider nichts daran, dass die eigentlich mit dem Gesetz verfolgte Zielsetzung einer nachhaltigen Vereinfachung des Instrumentenkastens für einen effektiveren Instrumenteneinsatz durch die Arbeitsvermittler vor Ort weitgehend verfehlt wird. Fast durchgehend hält das Gesetz am Prinzip der Einzelregelung fest. Selbst bei dem richtigen Ansatz eines Vermittlungsbudgets für unterstützende Leistungen zur Beschäftigungsaufnahme hat das BMAS im Gegenzug sich noch selbst eine Verordnungsermächtigung zur Regelung kleinster Details ins Gesetz geschrieben.
Arbeitslosengeld II: Erfolglose Mischverwaltung soll fortgesetzt werden Vor einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht die derzeitige Mischverwaltung der Arbeitsgemeinschaften aus Arbeitsagenturen und Kommunen für Arbeitslosengeld II für verfassungswidrig erklärt. Angesichts unüberbrückbarer Meinungsgegensätze zwischen Vertretern einer kommunalen und einer BA-Lösung haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die bestehende Mischverwaltung mit einer geteilten Leistungsträgerschaft verfassungsrechtlich abzusichern. Dies trotz der Erkenntnis, dass gerade auch angesichts der massiven Aktivierungsprobleme Langzeitarbeitsloser eine „Leistung aus einer Hand“ dringend notwendig ist. Schnell klar wurde immerhin, dass der erste Schnellschuss des BMAS vom Februar 2008 für sog. „Kooperative Jobcenter“ von Anfang an rechtlich Unmögliches und politisch Abzulehnendes anstrebte. Ohne Verfassungs- und sogar ohne Gesetzesänderung sollten die Kommunen unter dem Dach der Arbeitsagenturen ihre Leistungen erbringen, was direkt auf ein Mega-Bundessozialamt hinausgelaufen wäre. Auch an den
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vom BMAS jetzt vorgeschlagenen „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ (ZAG) werden jedoch die bestehenden Probleme der Mischverwaltung fortgesetzt. Zwar wird unter dem Dach des ZAG optisch der Eindruck der „Leistung aus einer Hand“ erweckt. Tatsächlich besteht aber einerseits ein Letztentscheidungsrecht jedes Trägers über die von ihm zu erbringenden Leistungen. Andererseits müssen die arbeitsförderungsrechtlichen Instrumente der Arbeitsagenturen und die sozialintegrativen Leistungen der Kommunen optimal zusammenwirken, damit der Hilfebedürftige eine ganzheitliche Leistung und nicht zwei unzureichende und somit nicht zielführende Teilleistungen erhält. Dabei kann ein Träger sich jeweils unter Verweis auf unzureichende Leistungen des anderen Trägers seiner Verantwortung entziehen. Deshalb ist mehr als zweifelhaft, ob mit dem neuen Vorschlag für ZAG die bisherigen Aktivierungsdefizite im SGB II überwunden werden können. Weil keiner der beiden Leistungsträger alleine für die angestrebte Gesamtleistung garantieren kann, bestehen auch die verfassungsrechtlichen Bedenken einer unklaren Verantwortungszuordnung fort. Wo der Bürger keine klare Verantwortung politisch einfordern kann, droht weiterhin ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Das Modell der ZAG ist nicht nur ungeeignet, die dringend notwendige Arbeitsfähigkeit der Arbeitslosengeld-II-Organisation herzustellen. Darüber hinaus versucht das BMAS weiterhin, sich selbst eine möglichst weitgehende Steuerungsmacht zu sichern. Da die Arbeitsagenturen die Federführung für die Arbeitsmarktintegration besitzen, werden die Kommunen faktisch in die Rolle eines Zulieferers gedrängt, der mit seinen sozialintegrativen Instrumenten lediglich unterstützende Funktion hat. Das ohnehin schon vorhandene Übergewicht würde noch durch die Rechts- und Fachaufsicht über die Trägerversammlung verstärkt. Auch vor den Optionskommunen machen die Steuerungsbestrebungen des BMAS nicht halt. Der Bund soll ein „inhaltliches, verfassungsrechtliches Prüfungsrecht“ sowie die „Aufsicht“ über die Optionskommunen erhalten, deren Zahl entgegen der Vorstellung vieler Länder auf die bestehenden 69 festgeschrieben werden soll.
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Beschäftigung
Vorzuziehen bleibt deshalb weiterhin die von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft empfohlene einheitliche Leistungsträgerschaft durch die Kommunen. Hierzu müssen vollständige Transparenz über Kosten und Wirkungen von Maßnahmen sowie ein finanzielles Eigeninteresse der Kommunen hergestellt werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Arbeitslosengeld II“ veröffentlicht.
Zuwanderung – Deutschland verschenkt Wachstumspotenziale Angesichts des demografischen Wandels und in vielen Bereichen zum Teil massiven Fachkräftemangels ist eine stärkere Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für qualifizierte Zuwanderer dringend notwendig. Mit den Änderungen im Zuwanderungsrecht durch das Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz und das Aktionsprogramm der Bundesregierung „Beitrag der Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland“ sollen dazu einige weitere Schritte umgesetzt werden. Zu begrüßen sind insbesondere die geplante Absenkung der Gehaltsgrenze für Hochqualifizierte von derzeit 86.400 € auf 63.600 € und die vollständige Öffnung des Arbeitsmarktes für Akademiker aus den neuen EU-Mitgliedstaaten. Allerdings bleiben die geplanten Änderungen leider noch deutlich hinter den Anforderungen des Arbeitsmarktes zurück. So ist die zukünftige Gehaltsgrenze, ab der Hochqualifizierte eine Niederlassungserlaubnis erhalten sollen, auch nach Ansicht des Bundesrats – der aus diesem Grund den Vermittlungsausschuss angerufen hat – immer noch zu hoch angesetzt. Besser wäre aus Sicht der BDA eine weitere Absenkung auf das Niveau der Niederlande (45.000 €). Es fehlt leider immer noch ein ganzheitlicher Ansatz bei der Zuwanderungssteuerung mit einem bedarfs- und qualifikationsorientierten Punktesystem, wie es die BDA seit langem fordert. In Ländern, die ihre Zuwanderung über ein an Qualifikationen ausgerichtetes Punktesystem steuern, liegt der Anteil der hochqualifizierten Zuwanderer zum Teil deutlich über der Hochqualifiziertenquote der im Inland geborenen Menschen.
BMAS-Vorschlag zur Arbeitslosengeld-II-Organisation Die BA soll wie bisher die Leistungen zum Lebensunterhalt sowie die Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, die Kommunen die Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie die sozialintegrativen Leistungen erbringen. Die Finanzierungsverteilung für die Leistungen nach dem SGB II bleibt im Grundsatz unverändert. Die „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ (ZAG) führen die Aufgaben für BA und Kommunen im eigenen Namen durch einheitliche Verwaltungsakte aus. Das ZAG ist gemeinsame Bundes- und Landesbehörde. Das bisherige Arbeitsgemeinschaftsmodell einer geteilten Leistungsträgerschaft wird so mit einer Grundgesetzänderung fortgeführt. Eine mit Vertretern der Kommunen und Arbeitsagenturen paritätisch besetzte Trägerversammlung entscheidet u. a. über organisatorische, personelle und personalvertretungsrechtliche Fragen des ZAG sowie das örtliche Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm und bestellt den Geschäftsführer. Rechtsund Fachaufsicht über die Trägerversammlung soll das BMAS erhalten.
Kommunen und BA haben jeweils gegenüber dem ZAG das „Letztentscheidungsrecht“, d. h. die Rechts- und Fachaufsicht mit Weisungsrechten für die von ihnen zu erbringenden Leistungen im ZAG. BA und Kommunen sollen jedoch wiederum der Rechts- und Fachaufsicht jeweils des BMAS bzw. der zuständigen Landesbehörden unterstehen, die ihrerseits auch Weisungen erteilen können. De facto würden danach die Letztentscheidungsrechte beim BMAS und den entsprechenden Landesbehörden liegen. Nur die bestehenden 69 Optionskommunen sollen verfassungsrechtlich abgesichert werden. Der Bund erhält ein „inhaltliches, verfassungsrechtliches Prüfungsrecht“ sowie die „Aufsicht“, soweit die Optionskommune Bundesleistungen (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Arbeitsförderung) erbringt.
Das Personal der ZAG besteht aus Mitarbeitern der BA und der Kommunen. BA und Kommunen bleiben Dienstherren, weisen ihre Mitarbeiter aber (dauerhaft) den ZAG zu. Dennoch soll „faktisch“ ein einheitlicher Personalkörper geschaffen werden. Hierzu soll u. a. der Geschäftsführer dienst- und aufsichtsrechtliche Weisungsbefugnisse („QuasiDienstherreneigenschaft“) erhalten, solange nicht das Grundverhältnis berührt wird.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Beschäftigung
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In Deutschland ist es umgekehrt: Die Zuwanderer sind im Durchschnitt schlechter qualifiziert als die hier geborenen Menschen. Deutschland verschenkt damit durch seine Zuwanderungspolitik Wachstumspotenziale. Denn von einer gesteuerten Zuwanderung Hochqualifizierter sind höhere Wachstumsraten, insgesamt mehr wirtschaftliche Dynamik und damit positive Beschäftigungseffekte für alle zu erwarten. Auch die Wirtschaftsministerkonferenz hat sich klar für die umgehende Einführung eines Punktesystems ausgesprochen. Der Bundesrat hat zumindest empfohlen, die Einführung eines Punktesystems zu prüfen. Noch nicht genügend erkannt hat die Politik den Nutzen für den deutschen Arbeitsmarkt, wenn international tätige deutsche Unternehmen Personal von ihren Standorten z. B. im Rahmen von kurzfristigen Projekten oder zur Weiterbildung flexibel und schnell in Deutschland einsetzen können. Für eine effiziente betriebliche Personalpolitik internationaler Unternehmen ist der flexible Einsatz ihrer Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung. Dies ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass der Standort Deutschland für global agierende Unternehmen attraktiv bleibt. Die BDA hat deshalb eine Initiative zur Erleichterung des internationalen Personalaustausches gestartet. Konkret sieht der Vorschlag vor – ähnlich dem US-amerikanischen Modell der „Blanket-Petition“ –, das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Eine erhebliche Verfahrensstraffung soll durch die Erteilung einer Vorabgenehmigung für die Beschäftigung aller im Rahmen des internationalen Personalaustausches beschäftigten ausländischen Mitarbeiter erreicht werden. Im Gegenzug muss das Unternehmen als „Bürge“ für seine Mitarbeiter eintreten und notfalls für Lebensunterhalt und Krankenversicherung während der Dauer des Aufenthaltes der ausländischen Arbeitnehmer und für gegebenenfalls anfallende Rückführungskosten aufkommen. Zu zaghaft ist die Bundesregierung leider auch bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus den neuen EU-Mitgliedstaaten. Bis 2011 soll die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegenüber den 2004 der EU beigetretenen Staaten Mittel- und Osteuropas (EU-8) grundsätzlich fortgeschrieben und der Arbeitsmarkt nur für Akade-
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Beschäftigung
miker aus den neuen EU-Mitgliedstaaten geöffnet werden. Da ab 2011 für diese Staaten ohnehin eine unbegrenzte Freizügigkeit gelten wird, sollten jetzt die mit einer Öffnung des Arbeitsmarktes verbundenen Chancen gezielt genutzt werden. Die Erfahrungen anderer EU-Länder haben gezeigt, dass Ängste vor einer Öffnung des Arbeitsmarktes gegenüber diesen Staaten unbegründet sind. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zuwanderung und Integration“ und den kompakt „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ veröffentlicht.
BDA | Gesch채ftsbericht 2008 | Besch채ftigung
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Sozialbeiträge: 40 %-Ziel wegen falscher Weichenstellungen wieder verfehlt CDU/CSU und SPD werden ihr im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 vereinbartes Ziel, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag unter 40 % zu senken, zum 1. Januar 2009 verfehlen. Im Vorjahresvergleich wird sich die Beitragsbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Sozialversicherung von knapp 39,9 % auf über 40,2 % erhöhen. Dabei wäre vor dem Hintergrund der immer stärkeren Abschwächung der konjunkturellen Dynamik eine Ent- und keine Belastung der Betriebe und Beschäftigten ökonomisch sinnvoll und notwendig. Dass es der großen Koalition nicht gelingt, den Wiederanstieg der Beitragssätze zu verhindern, liegt an den von ihr selbst beschlossenen milliardenschweren Leistungsausweitungen in allen Sozialversicherungszweigen. In den zurückliegenden Wochen und Monaten sind insbesondere die folgenden sozialpolitischen Fehlentscheidungen getroffen worden: Mit der Begründung, die Rentner angemessen am Wirtschaftsaufschwung beteiligen zu wollen, hat die Koalition zum 1. Juli 2008 per Gesetz in die Rentenformel eingegriffen und damit das Vertrauen in eine regelgebundene Rentenanpassung nachhaltig erschüttert. Der Eingriff in die Rentenanpassungsformel, der die Rentner in diesem und im nächsten Jahr mit einer Sonder-Rentenerhöhung von jeweils 0,6 % begünstigt, wird in den Jahren 2008 bis 2013 zusätzliche Rentenausgaben von rund 12 Mrd. € verursachen, für die überwiegend die Beitragszahler aufkommen müssen. Die Bundesregierung hat ihr ebenfalls im Koalitionsvertrag fixiertes Ziel, die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung „mindestens stabil zu halten und möglichst zu senken“, meilenweit verfehlt. Lag der durchschnittliche Beitragssatz zu Beginn der Legislaturperiode noch bei 14,2 %, wird für die Absicherung des Krankheitsrisikos im kommenden Jahr der neue Rekordbeitragssatz von 15,5 % fällig. Nach Schätzungen des
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Soziale Sicherung
Bundesgesundheitsministeriums werden die Krankenkassen allein 2009 rund 11 Mrd. € an zusätzlichen Mitteln ausgeben, insbesondere für die Krankenhäuser (3,5 Mrd. €) und die niedergelassenen Ärzte (2,5 Mrd. €). Es sind vor allem diese politisch gewollten Mehrausgaben – und nicht wie teilweise fälschlich dargestellt der Gesundheitsfonds –, die für den Beitragssatzsprung um 0,6 Prozentpunkte zum 1. Januar 2009 verantwortlich sind. Mit dem „Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“, das zum 1. Juli 2008 in Kraft getreten ist, wurden die Leistungen ausgeweitet und es ist die Chance verpasst worden, die soziale Pflegeversicherung auf den demografischen Wandel vorzubereiten. Vor allem ist die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Ergänzung des Umlageverfahrens durch kapitalgedeckte Elemente als Demografiereserve“ nicht Bestandteil der Pflegereform 2008 geworden. Hinzu kommt, dass die Leistungsausweitungen der sozialen Pflegeversicherung – trotz der Anhebung des Beitragssatzes um 0,25 Prozentpunkte bzw. Beitragsmehreinnahmen von 2,5 Mrd. € auf Jahresbasis – nicht dauerhaft finanziert werden können. Ohne durchgreifende Strukturreformen auf der Leistungs- und Finanzierungsseite drohen bereits nach 2014 weitere Beitragssatzanhebungen. Und schließlich hat die Koalition die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I für Ältere rückwirkend zum 1. Januar 2008 von 18 auf bis zu 24 Monate verlängert. Dadurch sinken zum einen die Chancen, ältere Arbeitslose in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren, und zum anderen wird dadurch der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit dauerhaft belastet. Die Zielsetzung der großen Koalition, den Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz unter 40 % zu senken, bleibt richtig und unverzichtbar. Der Senkung der lohnbezogenen Sozialabgaben kommt – darauf haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem jüngsten Herbstgutachten ebenfalls hingewiesen – entscheidende Bedeutung für die Schaffung neuer Beschäftigung zu.
Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz steigt 2009 wieder über 40 % jeweils zum Stichtag 1. Januar im Bundesdurchschnitt Prozent 45 41,1 1,70
40 35,8
42,0
1,77
1,77
6,5
6,5
4,3
35
32,4 3,0
30 26,5
25
6,5
42,0
12,8
13,6
40,7
39,9
40,2
1,77
2,02
3,3
2,8
14,8
14,9
15,5
1,77 4,2
14,2
14,2
19,5
19,5
19,9
19,9
19,9
2005
2006
2007
2008
2009
11,4
1,3 8,2
20 17,0
18,0
18,7
19,3
1990
2000
15
10
5
0
1970
1980
Jahr
Pflegeversicherung (inkl. Zuschlag für Kinderlose) Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung (inkl. Zusatzbeitrag der Mitglieder) Rentenversicherung Quellen: Bundesministerium für Gesundheit und Deutsche Rentenversicherung Bund; Darstellung: BDA
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Zur Einhaltung des 40 %-Ziels müssen jedoch dringend weitere Schritte unternommen werden. Die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte zum 1. Januar 2009 für 18 Monate (ab 1. Juli 2010 nur noch um 0,3 Prozentpunkte) reicht unter dem Strich nicht aus, die gleichzeitig stattfindende Erhöhung des einheitlichen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung um 0,6 Prozentpunkte sowie die bereits zur Jahresmitte 2008 wirksam gewordene Beitragssatzanhebung in der Pflegeversicherung um 0,25 Prozentpunkte zu kompensieren. Sowohl in der Kranken- wie in der Pflegeversicherung bedarf es grundsätzlicher struktureller Reformen. Dazu zählen in beiden Versicherungszweigen die Abkoppelung der Finanzierung vom Arbeitsverhältnis, ein wirksamer Wettbewerb, eine stärkere Eigenbeteiligung und insbesondere in der Pflegeversicherung der Aufbau von Kapitaldeckung. In der Rentenversicherung kann der Beitragssatz ab 2009 von 19,9 auf 19,6 % reduziert werden, ohne dass dafür auf die Rentenrücklagen zurückgegriffen werden müsste.
Gesetzliche Rentenversicherung: Mehrausgaben durch Sonder-Rentenerhöhung Das am 1. Juli 2008 in Kraft getretene „Gesetz zur Rentenanpassung 2008“ sieht vor, die sog. RiesterTreppe, welche die finanziellen Belastungen der Erwerbstätigen aus der zusätzlichen privaten Altersvorsorge auf die Rentner überträgt und deshalb den Rentenanstieg pro Jahr um gut 0,6 Prozentpunkte dämpft, in diesem und im nächsten Jahr auszusetzen und erst in den Jahren 2012 und 2013 nachzuholen. Dadurch stiegen die Renten zur Jahresmitte 2008 um 1,1 statt um 0,5 %, und auch zum 1. Juli 2009 wird der aktuelle Rentenwert nochmals außerordentlich angehoben. Damit sollen die Rentner – so die Begründung der Bundesregierung – „angemessen“ am Wirtschaftsaufschwung beteiligt werden. Der beschlossene Eingriff in die Rentenformel öffnet einer Rentenpolitik nach Wahlterminen und Kassenlage Tür und Tor. Das Abweichen von der gesetzlichen Rentenformel sendet die Botschaft, dass die Rentenhöhe weniger von klaren Regeln als von politischer Opportunität abhängt. Wer zur
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Soziale Sicherung
Finanzierung zusätzlicher Rentenanpassungen kurzfristig in die Rentenformel eingreift, darf sich nicht wundern, wenn bei künftigen Rentenanpassungen erneut eine zusätzliche Anhebung gefordert wird. Für die Kosten der geplanten zusätzlichen Rentenleistungen – rund 12 Mrd. € in den Jahren 2008 bis 2013 im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung – müssen vor allem die Beitragszahler aufkommen. So werden die Beitragssätze nicht wie geplant in den nächsten Jahren sinken. Die Folge sind höhere Personalzusatzkosten für die Arbeitgeber und weniger Netto für die Beschäftigten. Mit den zusätzlichen Rentenerhöhungen 2008 und 2009 führt die Koalition ihre eigene Rentenpolitik ad absurdum: Das mit der „Rente mit 67“ verfolgte Ziel, die nachhaltige Finanzierbarkeit der Rentenversicherung zu verbessern, wird durch den beschlossenen Eingriff konterkariert. Bis zum Jahr 2020 sind die aus dem Eingriff in die Rentenanpassungsformel resultierenden Belastungen größer als die Entlastungen, die mit der schrittweisen Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters verbunden sind. Die zusätzlichen Rentenleistungen in den Jahren 2008 bis 2013 führen zu einer einseitigen Besserstellung der heutigen Rentner zu Lasten der heutigen Beitragszahler: Sie müssen mit höheren Beiträgen dafür aufkommen, dass die heutigen Rentner zusätzliche Leistungen erhalten, werden dafür aber selber keine zusätzlichen Anwartschaften erwerben, weil das langfristige Rentenniveau durch die jetzt geplanten zwischenzeitlichen Rentenerhöhungen nicht verändert wird. Es ist schwer begreiflich, warum die Jüngeren angesichts des derzeitigen gesetzlichen Rentenniveaus von rund 50 % über mehrere Jahre hinweg höhere Rentenleistungen finanzieren sollen, obwohl bei ihrem Renteneintritt das Rentenniveau unvermeidlich deutlich niedriger liegen wird (46 % im Jahr 2020 und 43 % im Jahr 2030 nach letzten Vorausberechnungen). Der Fall zeigt erneut: Finanzielle Rücklagen verführen zu Leistungsausweitungen, denn sie ermöglichen, kurzfristig höhere Leistungen ohne
Rentenanpassung 2008 – Beitragszahler werden 2011 und 2012 zur Kasse gebeten 1)
Jahr
Szenario 1: Ohne SonderRentenerhöhung 2)
Szenario 2: Mit SonderRentenerhöhung 3)
Szenario 3: Ursprünglicher Plan des BMAS 4)
Beitragssatz
Rücklage
Beitragssatz
Rücklage
Beitragssatz
Rücklage
2008 2009 2010
19,9 19,9 19,9
0,88 1,12 1,45
19,9 19,9 19,9
0,83 0,92 1,05
19,9 19,9 19,9
0,8 0,9 1,1
2011 2012 2013
19,3 19,1 19,1
1,52 1,56 1,52
19,9 19,5 19,1
1,35 1,52 1,50
19,9 19,9 19,9
1,3 1,7 2,1
2014 2015 2016
19,1 19,1 19,1
1,37 1,14 0,82
19,1 19,1 19,1
1,40 1,15 0,83
19,7 19,3 19,3
2,5 2,6 2,5
2017 2018 2019
19,1 19,6 19,9
0,41 0,25 0,21
19,1 19,6 19,9
0,43 0,26 0,23
19,3 19,3 19,3
2,2 1,9 1,5
2020
20,0
0,21
20,0
0,22
19,3
1,0
2025
21,0
0,25
20,9
0,23
20,9
0,5
2030
21,9
0,25
21,8
0,21
21,9
0,5
1) Beitragssatz in %, Nachhaltigkeitsrücklage in Monatsausgaben 2) Szenario 1 = nach altem Recht, d. h. mit einer Rentenanpassung von 0,46 % zum 1. Juli 2008 in West- und Ostdeutschland 3) Szenario 2 = nach dem „Gesetz zur Rentenanpassung 2008“, d. h. mit einer Rentenanpassung von 1,10 % zum 1. Juli 2008 in West- und Ostdeutschland 4) Szenario 3 = nach der „Formulierungshilfe für ein Gesetz über die Bestimmung der aktuellen Rentenwerte ab 1. Juli 2008“, d. h. mit Sonder-Rentenerhöhung, Anhebung der Höchstnachhaltigkeitsrücklage von 1,5 auf 2,5 Monatsausgaben und Verschiebung des Anpassungsfaktors zur Nachholung unterbliebener Rentendämpfungen um zwei Jahre auf 2013 Quellen: „Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung 2008“ vom 8. April 2008 und „Formulierungshilfe für ein Gesetz über die Bestimmung der aktuellen Rentenwerte ab 1. Juli 2008“ vom 20. März 2008; Darstellung: BDA
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Soziale Sicherung
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höheren Beitragssatz zu finanzieren. Die zusätzlichen Rentenerhöhungen 2008 und 2009 wären kaum beschlossen worden, wenn die Höhe der Nachhaltigkeitsrücklage dafür nicht ausgereicht hätte und eine Beitragssatzanhebung hierfür erforderlich gewesen wäre. Für die Zukunft kann das nur heißen, die Rücklagen der Sozialversicherung zwar immer so hoch wie nötig, aber immer auch so knapp wie möglich zu halten. Verfehlt ist insbesondere, dass das „Gesetz zur Rentenanpassung 2008“ – entgegen seinem Namen – gleich auch für das nächste Jahr eine Zusatzsteigerung vorsieht. Schließlich ist bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts und der Annahmen der Bundesregierung davon auszugehen, dass die Renten im kommenden Jahr so stark steigen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Wenn dennoch eine zusätzliche Rentensteigerung 2009 erfolgen soll, lässt sich dies nur mit kurzsichtigen wahltaktischen Überlegungen erklären. Ursprünglich wollte das BMAS die SonderRentenerhöhung mit weiteren rentenpolitischen Maßnahmen verknüpfen. So war daran gedacht, die Höchstnachhaltigkeitsrücklage von 1,5 auf 2,5 Monatsausgaben anzuheben und die erstmalige Anwendung des Anpassungsfaktors zur Nachholung unterbliebener Rentendämpfungen von 2011 auf 2013 zu verschieben. Die BDA konnte durch ihre umgehende Intervention erreichen, dass die Bundesregierung zumindest von diesen weiter gehenden Rentenplänen Abstand genommen hat. Allein die beabsichtigte Anhebung der Höchstnachhaltigkeitsrücklage hätte die Ansammlung zusätzlicher Beitrags- und Steuermittel in Höhe von rund 16 Mrd. € erforderlich gemacht und dadurch künftige Beitragssatzsenkungen in der Rentenversicherung stark erschwert. In Anbetracht der konjunkturell schwierigen Situation sollte der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung zum 1. Januar 2009 auf 19,6 % gesenkt werden. Damit könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer im kommenden Jahr um rund 2,5 Mrd. € entlastet und das Konjunkturpaket der Bundesregierung wirkungsvoll ergänzt werden. Die moderate Beitragssatzsenkung wäre – wie der gerade veröffentlichte Rentenversiche-
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Soziale Sicherung
rungsbericht der Bundesregierung eindrucksvoll belegt – auch aus Sicht der Rentenversicherungsträger gut vertretbar. Selbst mit einem Beitragssatz von 19,6 % könnten die Rentenausgaben im kommenden Jahr finanziert werden, ohne auf die Rücklagen der Rentenversicherung zurückgreifen zu müssen. Die lägen auf der Grundlage der Annahmen der Bundesregierung Ende des kommenden Jahres dann immer noch bei ausreichenden 16 Mrd. €. Es wäre absurd, in Zeiten der Rezession einerseits Konjunkturpakete zu schnüren und andererseits den Bürgern und Betrieben eine unnötig hohe Abgabenlast aufzubürden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche Rentenversicherung“ veröffentlicht.
Betriebliche Altersvorsorge: weiteren Zuwachs sichern Die betriebliche Altersvorsorge (BAV) befindet sich weiter auf Wachstumskurs. Nach Angaben der Bundesregierung hatten Ende 2007 ca. 17,5 Mio. Beschäftigte einen Anspruch auf betriebliche Altersvorsorge, gegenüber 14,5 Mio. Anfang 2002. Dies entspricht einem Zuwachs von insgesamt 21 %, wobei sich der Zuwachs im Jahr 2007 in Anbetracht der damals ungeklärten Frage nach der Fortführung der beitragsfreien Entgeltumwandlung über 2008 hinaus etwas verlangsamt hatte. Mit dem Ende 2007 verabschiedeten Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge, in dem die unbefristete Beitragsfreiheit beschlossen wurde, haben die Arbeitnehmer und Arbeitgeber nun die notwendige Planungssicherheit. Die wichtige Rolle der betrieblichen Altersvorsorge innerhalb des deutschen Alterssicherungssystems wird auch im Sozialbudget 2007 des BMAS deutlich. Hiernach haben deutsche Unternehmen 2007 Betriebsrenten in Höhe von insgesamt 20,7 Mrd. € an die Berechtigten ausgezahlt, was seit 2000 einer Zunahme von 18,1 % entspricht. Auch diese Entwicklung zeigt, dass die betriebliche Altersvorsorge weiterhin die wichtigste Sozialleistung der deutschen Arbeitgeber bleibt. Der BDA ist es erfreulicherweise gelungen, eine zusätzliche Steuerbelastung der betrieblichen Altersvorsorge zu verhindern, die mit dem Jahressteuergesetz 2009 eingeführt werden sollte.
Insbesondere konnten die ursprünglichen Pläne des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), die Besteuerung von Erträgen aus Streubesitzbeteiligungen (Beteiligung an Unternehmen von unter 10 %) auszuweiten, vereitelt werden. Die geplante Gesetzesänderung hätte die Rentabilität der betrieblichen Altersvorsorge spürbar beeinträchtigt. Im Ergebnis wären Kapitalerträge aus Streubesitzbeteiligungen, die von den Unternehmen zur Abdeckung von Pensionszusagen gebildet wurden, zunächst in voller Höhe auf betrieblicher Ebene zu versteuern gewesen und anschließend erneut von den Betriebsrentnern im Rahmen der nachgelagerten Besteuerung. Diese Mehrbelastung, von der sowohl Arbeitgeber als auch – bei beitragsorientierten Zusagen – Arbeitnehmer direkt betroffen gewesen wären, hätte die betriebliche Altersvorsorge deutlich geschwächt.
Mehrbelastung der Unternehmen durch Reform des Versorgungsausgleichs auf Mindestmaß beschränken Derzeit wird im Bundestag der Gesetzentwurf zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs behandelt, den die Bundesregierung am 21. Mai 2008 beschlossen hat. Diese Reform wird auch Auswirkungen auf die betriebliche Altersvorsorge und somit unmittelbare Belastungen der Arbeitgeber zur Folge haben. Zwar hat die Bundesregierung zahlreiche von der BDA im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens eingebrachte Forderungen berücksichtigt. Dennoch enthält der jetzige Gesetzesvorschlag vermeidbare bürokratische Mehrbelastungen für die betriebliche Altersvorsorge. Deshalb wird sich die BDA im anstehenden Gesetzgebungsverfahren weiterhin für Nachbesserungen einsetzen. Vor allem im Hinblick auf die vorgesehene obligatorische Realteilung sieht der Vorschlag vermeidbare Belastungen vor. Die geplante zwangsweise Aufnahme von geschiedenen Ehegatten in betriebliche Versorgungssysteme würde diese zusätzlich aufblähen und zu mehr Bürokratie führen. Um dies zu vermeiden, sollten ausgleichsberechtigte Personen regelmäßig – unabhängig vom betroffenen Durchführungsweg – ohne Betragsobergrenzen abgefunden werden können.
Insoweit ist zu begrüßen, dass der Gesetzentwurf bei den internen Durchführungswegen (Direktzusage, Unterstützungskasse) den Forderungen der BDA entgegenkommt. In diesem wurde die Betragsgrenze für das einseitige Abfindungsrecht der Arbeitgeber (externe Realteilung) – im Gegensatz zum Referentenentwurf – erheblich nach oben erweitert (von 5.964 € auf 63.600 €, bezogen auf das Jahr 2008). Bei den externen Durchführungswegen (Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherung) muss aber noch deutlich nachgebessert werden, da hier weiterhin nur Kleinstanwartschaften (bis zu 50 € Monatsrente) einseitig abgefunden werden dürfen. Im Interesse einer Vereinfachung ist weiterhin erforderlich, dass verfallbare Betriebsrenten-Anwartschaften nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen werden. Zudem sollten sämtliche Kosten des Versorgungsausgleichs verursachergerecht auf die Ehegatten umgelegt werden können – unabhängig davon, ob die Anrechte im Wege der internen oder externen Realteilung geteilt werden. Zu begrüßen ist, dass Vorschläge der BDA für weitere Erleichterungen, wie z. B. der Verzicht auf einen Versorgungsausgleich bei geringen Ausgleichswerten und bei einer kurzen Ehedauer, aufgegriffen wurden.
Zusätzliche Pensionsgutachten durch Bilanzrechtsreform verhindern Aktuell wird im Bundestag der Gesetzentwurf zur Bilanzrechtsreform beraten, den die Bundesregierung am 21. Mai 2008 beschlossen hat. Durch das neue HGB-Bilanzrecht droht der betrieblichen Altersvorsorge zusätzliche Bürokratie, da die neuen handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften nicht auf das Steuerrecht übertragen werden. Positiv ist, dass in der HGB-Bilanz die tatsächlichen Belastungen der Unternehmen durch Pensionsverpflichtungen realistischer ausgewiesen werden sollen. So ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass Pensionsverpflichtungen mit einem marktüblichen Durchschnittszinssatz bewertet sowie künftige Inflations- und Gehaltstrends berücksichtigt werden müssen.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Soziale Sicherung
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Auszahlungen von Betriebsrenten durch Arbeitgeber seit 2000 stark gestiegen Leistungen der BAV in Deutschland in Mrd. € 21
20,7 20,4 20,1 19,9
20
19
18 17,5
17 2000
2004
2005
Quellen: BMAS, Sozialbudget 2007; Darstellung: BDA
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Soziale Sicherung
2006
2007
Jahr
Zu begrüßen ist auch, dass einige Hinweise der BDA zum Referentenentwurf im Gesetzentwurf berücksichtigt wurden. So wurde z. B. klargestellt, dass Unternehmen ihre Pensionsverpflichtungen auch mit einem pauschalen Zinssatz für das gesamte Unternehmen bewerten dürfen. Dadurch konnte zusätzlicher Aufwand vermieden werden, der durch die Zugrundelegung eines laufzeitadäquaten Zinssatzes für jede einzelne Betriebsrentenanwartschaft entstanden wäre. Wenn aber eine steuerrechtliche Flankierung der Bilanzreform ausbleibt, wird das zu einem Auseinanderfallen von steuer- und handelsbilanzieller Bewertung von Pensionsverpflichtungen führen, so dass die Unternehmen regelmäßig ihre Pensionsverpflichtungen zweimal gutachterlich bewerten lassen müssen. Nach derzeitigem Handelsbilanzrecht ist die Bewertung nach steuerrechtlichen Vorschriften ausreichend. Die zusätzliche bürokratische Belastung der Unternehmen wird auch im Gesetzentwurf eingeräumt, allerdings liegt die Schätzung der Mehrkosten mit ca. 50 Mio. € im Jahr deutlich zu niedrig. Realistischer sind hingegen Kostensteigerungen um das Zwei- bis Dreifache pro Jahr. Dabei vermögen die in der Vergangenheit angeführten fiskalischen Argumente, denen zufolge erhebliche Steuerausfälle zu befürchten sind, wenn auch in der Steuerbilanz eine Bewertung der Pensionsverpflichtungen nach marktüblichem Zinssatz erfolgt, nicht zu überzeugen. Zum einen würde der zusätzliche Rückstellungsbedarf nicht zu endgültigen Steuerausfällen führen, sondern lediglich zu Steuerstundungen, da die Rückstellungen bei Betriebsrentenauszahlung wieder gewinnerhöhend aufgelöst werden müssen. Zum anderen ließen sich die mittelfristigen fiskalischen Auswirkungen durch eine angemessene Übergangsregelung nahezu auf null minimieren. Die steuerliche Berücksichtigung der tatsächlichen Belastung der Unternehmen durch Pensionsverpflichtungen entspräche zudem dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wonach eine erhöhte Belastung auch die Besteuerungsgrundlage vermindert. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Betriebliche Altersvorsorge“ veröffentlicht.
Belastungen durch Solvency II vermeiden Derzeit wird zwischen dem Europäischen Parlament (EP), der EU-Kommission und den EU-Finanzministern ein Richtlinienvorschlag der EUKommission vom 26. Februar 2008 zur Aufnahme und Ausübung der Versicherungstätigkeit (Solvency II) beraten. Im Zentrum des Vorschlages stehen neue Eigenkapitalvorschriften für Versicherungsunternehmen (Solvabilitätsvorschriften) sowie Regelungen zum Risikomanagement und zu Berichtspflichten. Erfreulicherweise haben sowohl die EU-Finanzminister in ihrer Sitzung am 2. Dezember 2008 als auch zuvor der zuständige EP-Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON-Ausschuss) am 7. Oktober 2008 beschlossen, dass Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge vom Anwendungsbereich der geplanten Richtlinie ausgenommen werden sollen. Für diese Beschlüsse haben sich die BDA und BUSINESSEUROPE intensiv und mit Erfolg eingesetzt. Eine Anwendung der geplanten Richtlinie auf Pensionskassen und Pensionsfonds – wie derzeit noch im Kommissionsvorschlag vorgesehen – würde der betrieblichen Altersvorsorge erheblichen Schaden zufügen. Denn im Gegensatz zum bisherigen europäischen Aufsichtsregime Solvency I soll sich die Eigenkapitalausstattung nicht nur am Volumen des Geschäfts orientieren, sondern darüber hinaus stärker am Marktrisiko. Diese Anforderung ist für Versicherungsunternehmen durchaus nachvollziehbar, nicht hingegen für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, die aufgrund der bis zu 30 % höheren Eigenkapitalanforderungen deutlich verteuert und zudem durch umfangreiche zusätzliche Berichtspflichten belastet würden. Das zusätzliche Eigenkapital könnten diese Einrichtungen entweder nur durch Leistungskürzungen zu Lasten der Betriebsrentner oder durch höhere Beiträge der Trägerunternehmen aufbringen. Auch wenn der Beschluss des ECON-Ausschusses zu begrüßen ist, ist die Gefahr einer Anwendung von Solvency II auf Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge noch nicht gebannt. Deshalb wird die BDA in den anstehenden Beratungen weiter darauf hinwirken, dass keine Verschärfungen für die betriebliche Altersvorsorge beschlossen werden.
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Anwendung von Solvency II würde Pensionskassen und Pensionsfonds mit zusätzlicher Bürokratie belasten Solvency II beruht auf einem 3-Säulen-Konzept, dessen 2. und 3. Säule bereits teilweise heute schon Anwendung auf Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (Pensionskassen und -fonds) finden: 1. Eigenkapitalanforderung: strengere Anforderung an die Eigenkapitalausstattung (Solvabilität) für Versicherer, stärkere Einbeziehung von Marktrisiken der Kapitalanlagen und striktere Anforderungen an versicherungsmathematische Rückstellungen 2. Aufsichtsrecht: neue Anforderungen an Risikobestimmung und -management, Verpflichtung der Versicherer zur Einrichtung von internen Steuerungs- und Kontrollsystemen und einer internen Revision 3. Berichtswesen: erweiterte Veröffentlichungspflichten gegenüber der Aufsicht und der Öffentlichkeit insbesondere zum Risikomanagement und der Unternehmensstrategie Der überwiegende Teil der neuen Vorschriften (insbesondere die 1. Säule) soll bis zum 31. Oktober 2012 in nationales Recht umgesetzt werden. Derzeit würde auch die 1. Säule von Solvency II aufgrund eines Verweises in der Pensionsfondsrichtlinie für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge gelten.
Gesetzliche Krankenversicherung: Beitragssatzanhebung auf 15,5 % ist ein gesundheitspolitischer Offenbarungseid Die große Koalition ist zu Beginn der Legislaturperiode mit der Zusage angetreten, den Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung „mindestens stabil zu halten und möglichst zu senken“ (Koalitionsvertrag vom 11. November 2005). Passiert ist jedoch das genaue Gegenteil. Lag der durchschnittliche Beitragssatz zu Beginn der Legislaturperiode noch bei 14,2 %, wird für die Absicherung des Krankheitsrisikos ab 1. Januar 2009 der Rekordbeitragssatz von 15,5 % fällig. Das ist ein gesundheitspolitischer Offenba-
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rungseid. Allein in den Jahren 2006 und 2007 haben sich die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung um 10 Mrd. € erhöht, während die übrigen Sozialleistungen um 5 Mrd. € zurückgingen. Im deutschen Sozialstaat ist die gesetzliche Krankenversicherung damit inzwischen der mit Abstand größte Kostentreiber. Statt die Herausforderungen und Probleme, vor denen das deutsche Gesundheitswesen steht, endlich mittels durchgreifender Strukturreformen auf der Finanzierungs- und Leistungsseite zu lösen, hat die Bundesregierung lediglich beschlossen, im kommenden Jahr zusätzliches Geld in das Gesundheitssystem zu geben. Herausgekommen ist das teuerste sozialpolitische Paket der gesamten Legislaturperiode: Nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums werden die Kran-
kenkassen 2009 rund 11 Mrd. € an zusätzlichen Mitteln ausgeben, vor allem für die Krankenhäuser (3,5 Mrd. €) und die niedergelassenen Ärzte (2,5 Mrd. €). Mit ihren Vorabzusagen zu Krankenhausfinanzierung und Ärztehonorarreform hat die Koalition die zu erwartenden Kostensteigerungen maßgeblich selbst zu verantworten. Es sind vor allem diese politisch gewollten Mehrausgaben, die den ab 1. Januar 2009 geltenden einheitlichen Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung auf 15,5 % in die Höhe treiben, und nicht etwa – wie fälschlicherweise in der Öffentlichkeit immer wieder behauptet – der Gesundheitsfonds. Er löst zwar keines der großen Probleme des deutschen Gesundheitswesens und ist durch das Festhalten an der lohnbezogenen Finanzierung vor allem auch keine Antwort auf die voranschreitenden demografischen Veränderungen. Aber der Gesundheitsfonds ist auch nicht das „bürokratische Monster“ bzw. der Kostentreiber, zu dem ihn viele machen wollen. Perspektivisch bieten die Einführung des kassenindividuellen Zusatzbeitrages und die Vereinheitlichung des Beitragssatzes durchaus Chancen. Mit der Einführung von Zusatzbeiträgen wird gewährleistet, dass zumindest ein Teil der künftigen Beitragsmehrbelastung nicht zu Lasten der Arbeitgeber und damit der Personalzusatzkosten geht. Zudem wird eine spätere – auch im Rahmen des BDA-Gesundheitsprämienmodells erforderliche – Auszahlung des Arbeitgeberbeitrags in den Bruttolohn erleichtert. Die von der BDA unterbreiteten Vorschläge zur Sicherung der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung sind von der Politik größtenteils ignoriert worden. Insbesondere ist der Vorschlag, auf die Sonderregelung für das Einführungsjahr 2009, die eine 100 % - ige Ausgabendeckung vorsieht, zu verzichten, nicht aufgegriffen worden. Gleiches gilt für die Forderung, kostendeckende Beiträge des Bundes für Empfänger von Arbeitslosengeld II vorzusehen. Demgegenüber ist die Bundesregierung der BDA jedoch darin gefolgt, die Liquiditätsreserve beim Gesundheitsfonds durch eine vierjährige Ansparphase weitgehend beitragssatzneutral aufzubauen.
Insolvenzfähigkeit von Krankenkassen sachgerecht geregelt Das am 17. Oktober 2008 vom Bundestag und am 7. November 2008 vom Bundesrat beschlossene „Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-OrgWG), das mit der Herstellung der Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen eine wesentliche Voraussetzung für gleiche Wettbewerbsbedingungen unter den Krankenkassen schafft, ist zu begrüßen. Positiv zu werten ist insbesondere, dass die bisher aufgelaufenen Versorgungsverpflichtungen der Krankenkassen für den Fall einer Insolvenz einer Krankenkasse im System der gesetzlichen Krankenversicherung abgesichert werden sollen und der von den Arbeitgebern finanzierte Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (PSVaG) insoweit ausschließlich für Versorgungsverpflichtungen, die nach dem 31. Dezember 2009 entstanden sind, einstehen muss. Damit ist gewährleistet, dass die Arbeitgeber im Insolvenzfall nicht für die bis zu diesem Datum aufgelaufenen Versorgungsverpflichtungen (Altlasten) der Krankenkassen haften müssen. Eine Übernahme der Haftung für die Altlast durch den PSVaG wäre nicht gerechtfertigt gewesen: zum einen, weil die bislang nicht insolvenzfähigen Krankenkassen für die Vergangenheit keine Beiträge an den PSVaG gezahlt haben, zum anderen, weil der PSVaG mit den milliardenschweren, nicht ausfinanzierten Altlasten der Krankenkassen ein hohes Risiko übernommen hätte.
Reform der Krankenhausfinanzierung enttäuschend Enttäuschend sind dagegen die Pläne der Bundesregierung zur Reform der Krankenhausfinanzierung. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf werden finanzielle Belastungen der Krankenkassen bewirkt und keinerlei strukturelle Änderungen in der Krankenhausfinanzierung herbeigeführt. Die Krankenkassen sollen die Tariflohnerhöhungen im Krankenhausbereich der Jahre 2008 und 2009, die über der Grundlohnsummensteigerung liegen, anteilig finanzieren. Für die schrittweise Neueinstellung von insgesamt 21.000 Pflegekräften in den Jahren 2009 bis 2011 wird zu Lasten der
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BDA-Forderungen zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung Gesundheits- von den Arbeitskosten abkoppeln
Eigenverantwortung der Versicherten ausbauen
Zentraler Reformschritt muss die Entkopplung der Krankheitskostenfinanzierung vom Arbeitsverhältnis sein. Der beste Weg hierfür ist die Umstellung der Finanzierung auf einkommensunabhängige Gesundheitsprämien mit Auszahlung des Arbeitgeberanteils in den Bruttolohn und steuerfinanziertem Sozialausgleich für Einkommensschwache.
Ein staatlich organisiertes und über Zwangsabgaben finanziertes Gesundheitssystem muss sich auf eine Basissicherung mit Kernleistungen beschränken, um allen Systembeteiligten genügend große Handlungsspielräume zu belassen. Selbstbeteiligung setzt zudem Anreize für ein gesundheits- sowie kostenbewusstes Verhalten der Versicherten und trägt dem Grundsatz Rechnung, dass eine Sozialversicherung entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip ausschließlich Leistungen erbringen sollte, die der Einzelne nicht selbst tragen kann.
Wettbewerb verstärken Der Ausbau von Wettbewerbselementen ist eines der wirksamsten Mittel zur Begrenzung der Ausgabenentwicklung und hier insbesondere zur Vermeidung von Ineffizienzen im Leistungsgeschehen und in den Organisationsstrukturen sowie von Fehlanreizen für Versicherte und Leistungsanbieter. Erforderlich sind deshalb vorrangig mehr Vertragsfreiheiten für die Krankenkassen bei der Aushandlung von Preisen, Mengen und Qualitäten mit den Leistungsanbietern sowie größere Gestaltungsspielräume für die Krankenkassen beim Angebot unterschiedlicher Versorgungsformen an die Versicherten.
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Kapitalgedeckte Risikovorsorge aufbauen Zur langfristigen Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Aufbau einer ergänzenden kapitalgedeckten Risikovorsorge unverzichtbar. Im heutigen Umlagesystem kommt es angesichts der demografischen Entwicklung zu massiven Beitragssatzsteigerungen und damit zu gravierenden intergenerationellen Umverteilungen.
Krankenkassen ein krankenhausindividueller Zuschlag erhoben, der ab 2012 in das pauschalierte DRG-Vergütungssystem überführt werden soll. Die zusätzlichen Mehrkosten für diese beiden Maßnahmen belaufen sich nach dem Gesetzentwurf auf ca. 2,0 Mrd. €. Eine gesetzliche Regelung, wonach die Länder ihrer Investitionsverpflichtung nachkommen müssen, ist am Widerstand der Länder gescheitert. Damit besteht weiterhin die Gefahr, dass notwendige Investitionen unterbleiben und die Krankenkassen über die Betriebskosten dafür geradestehen müssen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Gesetzliche Krankenversicherung“ veröffentlicht.
Soziale Pflegeversicherung: Finanzierungsprobleme bleiben ungelöst Das am 14. März 2008 vom Bundestag beschlossene „Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) besteht im Wesentlichen aus Leistungsausweitungen. Das Maßnahmenpaket umfasst insbesondere die stufenweise Anhebung der ambulanten Sachleistungsbeträge und des Pflegegeldes in allen drei Pflegestufen sowie die schrittweise Erhöhung der stationären Sachleistungsbeträge in der Pflegestufe III und in Härtefällen jeweils in den Jahren 2008, 2010 und 2012. Die Chance, die soziale Pflegeversicherung dauerhaft leistungsfähig und finanzierbar zu gestalten, wurde hingegen verpasst. Zur Finanzierung der Leistungsausweitungen wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung zum 1. Juli 2008 von 1,7 auf 1,95 % (bzw. für Kinderlose von 1,95 auf 2,2 %) angehoben. Dadurch werden die Versicherten und Betriebe mit rund 2,5 Mrd. € auf Jahresbasis belastet. Trotz dieser Beitragserhöhung können die Leistungen der Pflegeversicherung laut Gesetzesbegründung jedoch nur bis „Ende 2014 / Anfang 2015“ finanziert werden. Dann sollen die Rücklagen der Pflegekassen gerade auf die gesetzlich definierte Mindestreserve von 1,0 Monatsausgaben abgeschmolzen sein. Wie die ab 2015 vorgesehene Dynamisierung der Pflegeleistungen finanziert werden soll, bleibt damit unklar.
Wegen der umfangreichen Leistungsausweitungen wird die finanzielle Schieflage der sozialen Pflegeversicherung weiter verschärft. Denn bei einer rückläufigen Zahl potenzieller Beitragszahler werden die zu schulternden Finanzierungslasten nun nicht nur durch die steigende Zahl der Pflegefälle, sondern zusätzlich durch höhere Kosten je Pflegefall zunehmen. Gerade vor diesem Hintergrund hätte die Vermeidung einer Beitragssatzanhebung oberstes Ziel der Pflegereform sein müssen. Bestandteile einer zukunftsweisenden Reform der Pflegeversicherung müssen insbesondere die Abkopplung der Pflegekosten vom Arbeitsverhältnis, eine strukturelle beitragssatzneutrale Ausrichtung des Leistungskatalogs sowie ein wirksamer Wettbewerb sowohl zwischen den Pflegekassen als auch zwischen den Pflegekassen und Leistungserbringern sein. Außerdem sind eine stärkere Eigenbeteiligung der Versicherten ebenso wie der Aufbau von Kapitaldeckung unbedingt erforderlich. Der BDA ist es allerdings gelungen, einige Erfolge im Gesetzgebungsverfahren zu erzielen. So hätte die bundesweit verpflichtende Einführung von Pflegestützpunkten zur wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung der Versicherten die Einrichtung von bundesweit über 4.000 Pflegestützpunkten mit rund 16.000 Pflegebegleitern zur Folge gehabt. Dies konnte verhindert werden. Die Pflegestützpunkte werden nun von den Pflegeund Krankenkassen nur dann eingerichtet, wenn die zuständige oberste Landesbehörde dies bestimmt. Dabei ist auf vorhandene Beratungsstrukturen zurückzugreifen. Die Anschubfinanzierung zur Errichtung der Pflegestützpunkte ist auf eine Gesamthöhe von 60 Mio. € (im Gegensatz zur zuvor vorgesehenen Gesamthöhe von 80 Mio. €) limitiert. Zudem besteht der Anspruch auf Pflegezeit von bis zu sechs Monaten nur bei Arbeitgebern mit mehr als 15 Beschäftigten und nicht – wie ursprünglich vorgesehen – bei Arbeitgebern mit mehr als zehn Beschäftigten. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Soziale Pflegeversicherung“ veröffentlicht.
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Neue Leistungen in der Pflegeversicherung (ab dem 1. Juli 2008) Stufenweise Anhebung der ambulanten Sachleistungsbeträge und des Pflegegeldes in allen drei Pflegestufen in den Jahren 2008, 2010 und 2012 Schrittweise Erhöhung der stationären Sachleistungsbeträge in der Pflegestufe III sowie in Härtefällen in den Jahren 2008, 2010, 2012 Anhebung des zusätzlichen Leistungsbetrages für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (z. B. Demenzkranke) Dynamisierung der Leistungen der Pflegeversicherung in dreijährigem Rhythmus ab 2015 Stärkung der ambulanten Versorgung (Pflegestützpunkte, Fallmanagement, Förderung betreuter Wohnformen) Ausbau des Anspruchs auf Tagespflege Anspruch auf bis zu sechsmonatige unbezahlte Freistellung von der Arbeit („Pflegezeit“), dabei zahlt die Pflegeversicherung für die Zeit der Freistellung Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für die Pflegeperson und gewährt einen Beitragszuschuss in Höhe des Mindestbeitrages zur Kranken- und Pflegeversicherung, soweit keine andere Absicherung (z. B. Familienversicherung) besteht.
Gesetzliche Unfallversicherung: ausgesparte Reform des Leistungsrechts umgehend nachholen Nachdem der Bundestag am 26. Juni 2008 das „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung“ (UVMG) beschlossen hat, ist das UVMG am 19. September 2008 auch vom Bundesrat gebilligt worden. Am 5. November 2008 ist das Gesetz grundsätzlich in Kraft getreten. Es enthält insbesondere Regelungen zur Organisation der Unfallversicherungsträger, zur Verteilung von Altlasten zwischen den Berufsgenossenschaften, zu neuen Meldepflichten der Arbeitgeber und zu rechtlichen Grundlagen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA).
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Das Leistungsrecht wird – im Gegensatz zu den Festlegungen im Koalitionsvertrag – gänzlich ausgespart. Das BDA-Präsidium hat dies zuletzt im Januar 2008 als sehr enttäuschend kritisiert. Die Koalition verpasst damit das selbst gesteckte Ziel, die Unfallversicherung umfassend zu reformieren und ein zielgenaueres Leistungsrecht einzuführen. Nur eine Reform des Leistungsrechts ermöglicht die überfällige Beitragsentlastung der Unternehmen. Mit dem jetzt verabschiedeten Reformstückwerk wird nun jedoch sogar ein großer Teil der Wirtschaft belastet. Durch die geänderte Verteilung von Altlasten zwischen den Berufsgenossenschaften führt die Reform für viele Unternehmen zu höheren statt zu niedrigeren Beiträgen. Die ausgesparte Reform des Leistungsrechts muss daher baldmöglichst nachgeholt werden.
Die BDA begrüßt, dass bei der Reform der Organisation der Unfallversicherung weitgehend die Vorschläge der Selbstverwaltung der gewerblichen Berufsgenossenschaften aufgegriffen wurden. Das gilt vor allem für den notwendigen Fusionsprozess und das Konzept für einen Überaltlastausgleich. Anders als im Gesetz vorgesehen, sollte die Überaltlast allerdings hälftig nach Neurenten und Entgelten verteilt werden, denn die Abwägung der unterschiedlichen Argumente rechtfertigt keine Übergewichtung eines der beiden Verteilkriterien. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Bundestag zur zeitlichen Streckung der Mehrbelastung der betroffenen Branchen durch den neuen Überaltlastausgleich – wie von der BDA gefordert – eine Verdoppelung der Übergangsfrist beschlossen hat. Die BDA begrüßt ferner, dass die von der Selbstverwaltung der gesetzlichen Unfallversicherung Mitte 2007 gegründete neue Spitzenorganisation, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), bestehend aus den früheren Organisationen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und des Bundesverbandes der Unfallkassen (BUK), in ihrer privatrechtlichen Ausgestaltung weiter bestehen bleibt und nicht in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft umgewandelt wird. Zudem ist positiv zu bewerten, dass der Bundestag – auch hier entsprechend der Forderung der BDA – den Gesetzentwurf dahingehend abgeändert hat, dass auf die Einführung von Fachaufsicht über die DGUV durch das BMAS verzichtet wird und es bei einer Rechtsaufsicht im hoheitlichen Aufgabenbereich bleibt. Es ist zu begrüßen, dass der Bundestag auf Initiative der BDA vorgesehen hat, dass die DGUV künftig auf die Verminderung von Verwaltungsund Verfahrenskosten bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften hinzuwirken hat. Dies bleibt jedoch leider deutlich hinter den ursprünglichen Plänen im Arbeitsentwurf des BMAS und der Vereinbarung von Bund und Ländern in den Eckpunkten aus dem Jahre 2006 zurück. Hier war noch vorgesehen, dass die Verwaltungs- und Verfahrenskosten der Berufsgenossenschaften von 2009 bis 2014 um 20 % zu senken sind.
Der BDA ist es auch gelungen, die Folgen der mit dem UVMG vorgesehenen neuen Meldepflichten zumindest deutlich zu entschärfen. Kritisch war insbesondere die erst in letzter Minute durch einen Änderungsantrag in das Gesetz aufgenommene Pflicht der Arbeitgeber, künftig für jeden einzelnen Arbeitnehmer die „geleisteten Arbeitsstunden“ an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu melden. Eine solche Meldepflicht hätte die Unternehmen vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt. Viele Unternehmen erfassen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten nicht durch eine Zeiterfassung und müssen dies auch nicht. Die BDA hat sich daher mit großem Einsatz gegen die Einführung einer solchen Meldung eingesetzt, zumal die Meldung der Arbeitsstunden weder aus beitragsrechtlichen noch aus statistischen Gründen notwendig ist. Sie hat sich nach der dennoch erfolgten Gesetzesverabschiedung beim BMAS und den Sozialversicherungsträgern für korrigierende Maßnahmen auf untergesetzlicher Ebene eingesetzt. Die Überzeugungsarbeit hat sich gelohnt: Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Unternehmen die Arbeitsstunden in einem verwaltungstechnisch unbürokratischen Verfahren melden können. Die BDA wird sich weiterhin für eine umfassende Reform der gesetzlichen Unfallversicherung einsetzen. Eine Strukturreform muss zu einer Konzentration der Leistungen auf betriebsspezifische Risiken führen, bestehende Überversorgung abbauen sowie die Wirtschaftlichkeit verbessern.
Rechtsvereinfachung bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge sicherstellen Der Bundesrat hat am 10. Oktober 2008 die „Verordnung zur Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge“ verabschiedet. Mit der Verordnung soll ein kohärentes Vorschriften- und Regelwerk zur arbeitsmedizinischen Vorsorge geschaffen werden. Wie im geltenden Recht soll eine Differenzierung nach Pflicht- und Angebotsuntersuchungen, je nach Gefährdungspotenzial des Untersuchungsanlasses, erfolgen. Zur Konkretisierung der Verordnung und zur Erarbeitung von Regeln und Erkenntnissen ist die Einrichtung eines Ausschusses für Arbeitsmedizin vorgesehen.
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Stand der Fusionen bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften
Rohstoffe Bergbau-BG Chemie-BG Steinbruchs-BG Papiermacher-BG Lederindustrie-BG Zucker-BG Fusionsvertrag unterzeichnet 14.10.2008 Fusion zum 01.01.2010
Metall BGMS NMBG
}
Fusion am 30.03.2007
Verarbeitendes Gewerbe BGFE Textil-BG
}
Fusion am 01.01.2008
BGDP Holz-BG BGFW
Darstellung: BDA
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Bauwirtschaft BG Bau
BGN Fleischerei-BG
Handel
Masch-BG H체Wa-BG
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Nahrungsmittel und Gastst채tten
GroLa-BG Einzel- handels-BG
}
Verwaltungen und Dienstleistungen Fusion am 01.01.2008
Transport, Verkehr BG Farhzeughaltungen See-BG
}
Fusion am 01.01.2010
Verwaltungs-BG BG Glas und Keramik BG Bahnen
Fusion 01.01.2009 01.01.2010
Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege BGW
Die BDA begrüßt grundsätzlich das mit der Verordnung verfolgte Ziel, die in unterschiedlichen Gesetzen, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften enthaltenen Regelungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge zusammenzuführen. Allerdings wird dieses Ziel nur bedingt erreicht, da Untersuchungsanlässe aus einschlägigen Rechtsbereichen (z. B. Strahlenschutz, Nachtarbeit) nicht einbezogen werden. Kritisch beurteilt die BDA zudem die Einrichtung eines weiteren staatlichen Ausschusses. Da zu den Aufgaben des Ausschusses die Erarbeitung von technischen Regeln und Erkenntnissen gehören soll, besteht die Gefahr, dass das Ziel der Rechtsvereinfachung konterkariert wird. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unfallversicherung und Arbeitsschutz“ veröffentlicht.
Selbstverwaltung stärken statt schwächen Das im April 2008 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegte Gutachten zur „Geschichte und Modernisierung der Sozialversicherungswahlen“ enthält im Wesentlichen keine geeigneten Vorschläge zur Reform der sozialen Selbstverwaltung. Die BDA hat die darin unterbreiteten Empfehlungen weitgehend abgelehnt. Insbesondere der Vorschlag, die Mitwirkung der Arbeitgeber in den Selbstverwaltungsorganen auf ein Drittel zu beschränken, ist nachdrücklich abzulehnen. Dies gilt schon deshalb, weil der als Begründung gegebene Hinweis auf einen geringeren Beitragsanteil der Arbeitgeber nicht zutreffend ist. Richtig ist vielmehr, dass die Arbeitgeber in den meisten Sozialversicherungszweigen sogar höhere Beiträge als die Versicherten zahlen. Ohnehin ist der tragende Grund für die paritätische Selbstverwaltung jedoch nicht der jeweilige Finanzierungsanteil: Andernfalls wäre z. B. eine Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern in der Selbstverwaltung der Unfallversicherung überhaupt nicht zu erklären. Vielmehr beruht die paritätische Mitwirkung vor allem darauf, dass die Beiträge zur Sozialversicherung nach wie vor ganz überwiegend über lohnbezogene Beiträge aufgebracht werden. Zudem soll mit der gleich-
berechtigten Einbindung der Arbeitgeber in die Selbstverwaltung der Sozialversicherung auch ihre Mitverantwortung für die Sozialversicherung zum Ausdruck gebracht und eingefordert werden. Bei einer bloßen Mitwirkung der Arbeitgeber in der Selbstverwaltung ohne tatsächliche Gestaltungsmöglichkeiten würde diese wesentliche Aufgabe und Rolle der paritätischen Selbstverwaltung durch Arbeitgeber und Versicherte hingegen aufgegeben. Kritisch zu sehen sind auch Überlegungen der Gutachter hinsichtlich einer Ausweitung des aktiven und passiven Wahlrechts auf Personen, die selbst nicht Mitglied der Sozialversicherung sind. Es darf nicht sein, dass weitere Personen in den Selbstverwaltungsorganen mitwirken, die nicht selbst mit eigenen Beiträgen an der Finanzierung der Sozialversicherung beteiligt sind und damit kein Interesse an einem möglichst wirtschaftlichen Einsatz der Beitragsmittel haben, sondern ausschließlich an höheren Leistungen. Des Weiteren fehlt im Gutachten ein überzeugender Vorschlag zur Modernisierung der Organisationsstrukturen. Im Hinblick auf das Gutachten und die aktuelle Diskussion über eine Reform der Selbstverwaltung hat die BDA im März 2008 das aktualisierte Positionspapier „Autonomie stärken – Organisationsstrukturen modernisieren“ mit Reformvorschlägen zur sozialen Selbstverwaltung vorgelegt. Die BDA hat sich darin klar für eine Reform der sozialen Selbstverwaltung ausgesprochen. Der in den letzten Jahren insgesamt gewachsene Staatseinfluss auf die Sozialversicherung muss gestoppt und zurückgedrängt werden. Dafür ist die Autonomie der Selbstverwaltung zu stärken, ihre Gestaltungsmöglichkeiten sind zu erweitern. Es muss sichergestellt werden, dass Versicherte und Arbeitgeber die von ihnen finanzierten Sozialversicherungen verantwortlich und aktiv mitgestalten können. Um die Effizienz der Arbeit der sozialen Selbstverwaltung zu erhöhen, sollten außerdem die historisch gewachsenen, teilweise aufgeblähten Organisationsstrukturen der Sozialversicherung durch ein einheitlich für alle Zweige der Sozialversicherung geltendes schlankes Verwaltungsratsmodell ersetzt werden. Ferner muss die paritätische Selbstverwaltung der Sozialversicherung durch Arbeitgeber und Versicherte auch dort eingeführt werden, wo sie heute noch fehlt.
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Entgegen der ursprünglichen Absicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) soll es in dieser Legislaturperiode – die Vorlage eines Gesetzentwurfs war für den Herbst dieses Jahres vorgesehen – doch keine gesetzlichen Änderungen im Bereich der Sozialwahlen mehr geben. Grund für den vorläufigen Verzicht auf ein Gesetzgebungsverfahren ist, dass die Vorbereitungen für die Ermöglichung von Onlinewahlen noch nicht abgeschlossen und die ansonsten geplanten Gesetzesänderungen für ein eigenständiges Gesetzgebungsverfahren laut BMAS nicht ausreichend sind. Die BDA wird sich weiter nachdrücklich für eine Reform der Selbstverwaltung einsetzen, die ihre Autonomie stärkt und ihre Organisationsstrukturen modernisiert.
Aktiver Sozialer Dialog macht Stress-Richtlinie überflüssig Die europäischen Sozialpartner sind mit Erfolg den Richtlinienüberlegungen der EU-Kommission zum Thema „Stress“ entgegengetreten und haben sich in einer im Jahr 2004 abgeschlossenen Rahmenvereinbarung zu arbeitsbedingtem Stress zu Umsetzungsaktivitäten verpflichtet. 2008 endete die Umsetzungsphase dieser Vereinbarung. Die BDA hat während der Umsetzungsfrist die Fachdiskussion mit allen relevanten Präventionsverantwortlichen zum Thema „Psychische Belastung und arbeitsbedingter Stress“ in Deutschland in Symposien, Vorträgen und Druckschriften maßgeblich geprägt. Die Reihe der BDA-Symposien wurde mit der dritten Veranstaltung „Umgang mit psychischer Belastung im Unternehmen: betriebliche Konzepte und externe Unterstützung“ am 5. März 2008 fortgesetzt. Im Mittelpunkt der Beiträge standen die Auswahl einer betriebsspezifischen Vorgehensweise sowie Unterstützungsangebote Externer. Dabei wurden vor allem die praktischen Erfahrungen der Präventionsarbeit der Kranken- und Unfallversicherung unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses psychischer Belastungen diskutiert. Daneben sind betriebsspezifische Herangehensweisen durch Beispiele zur Berücksichtigung psychischer Belastung im Rahmen von Gesundheitsprogrammen
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bis hin zu einem Gesundheitsmanagement behandelt worden. Aus der psychischen Belastung bei der Arbeit wird in der Öffentlichkeit fälschlicherweise die alleinige Begründung für den Anstieg der Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen abgeleitet. Tatsächlich wird bei der insoweit postulierten Kausalbeziehung jedoch deutlich zu kurz gesprungen. Bei Berichten über den Anstieg von Fehlzeiten in diesem Bereich wird insbesondere oft außer Acht gelassen, dass der Anstieg der Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen psychischer Störungen zu mehr als zwei Dritteln aus Krankschreibungen bei Arbeitslosen beruht (Quelle: Techniker Krankenkasse). Dies zeigt, dass insbesondere Menschen, denen sinngebende und anerkennende Arbeit fehlt, besonders anfällig für psychische Krisen sind. Außerdem ist festzustellen, dass die Fallzahlen psychischer Erkrankungen von Beschäftigten stabil bzw. nur leicht angestiegen sind. Aufgrund längerer Erkrankungsdauern bei dieser Indikation führt dies jedoch zu einem überproportionalen Anstieg bei der Zahl von Abwesenheitstagen. Unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren stark gesunkenen Gesamtzahl bei den Abwesenheitstagen wirkt dieser Effekt statistisch gesehen noch signifikanter, d. h., bei relativ konstanter Zahl psychisch Erkrankter nimmt lediglich der Anteilswert zu. Die BDA wird dieses fachlich komplexe, gegenüber den psychischen Belastungen bei der Arbeit erweiterte Feld der psychischen Gesundheit weiter intensiv bearbeiten.
ELENA-Verfahren ausbauen – Leistungsgesetze harmonisieren Derzeit berät der Bundestag den „Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises“ (ELENA-Verfahrensgesetz), den die Bundesregierung am 25. Juni 2008 beschlossen hat. Mit dem ELENA-Verfahren soll die Verpflichtung der Arbeitgeber zur schriftlichen Ausstellung von Entgeltbescheinigungen für ihre Arbeitnehmer (vor allem als Grundlage für die Berechnung von Sozialleistungen, z. B. Arbeitslosengeld oder Elterngeld) durch die Verpflichtung
So funktioniert das ELENA-Verfahren Beispiel: Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung
Arbeitgeber 1
zentrale Speicherstelle
startet Datenabfrage
Agentur für Arbeit
3
meldet monatlichen Datensatz
4 erhält Arbeitsbescheinigung
2
Teilnehmer
gibt Datenabruf frei
5 erhält Leistung
Zeitplan: ab 1. Januar 2009: Aufbau der zentralen Speicherstelle ab 1. Januar 2010: monatliche Entgeltmeldungen der Arbeitgeber – Aufbau des Datenpools ab 1. Januar 2012: Datenabrufe durch die leistungsgewährenden Stellen Darstellung: BDA
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zur monatlichen elektronischen Meldung von Entgeltdaten an eine zentrale Speicherstelle ersetzt werden. Die BDA setzt sich bereits seit Jahren für die Einführung des ELENA-Verfahrens ein, weil es die Grundlage für den Wegfall der zahlreichen von den Arbeitgebern zu erfüllenden Entgeltbescheinigungspflichten liefert. Sie hat ihre Zustimmung aber immer davon abhängig gemacht, dass die Entlastung der Arbeitgeber durch den Wegfall von Entgeltbescheinigungspflichten größer ist als der administrative Aufwand der Arbeitgeber durch die mit dem ELENAVerfahren verbundene monatliche Meldung. Die BDA konnte erreichen, dass sich das ELENA-Verfahren nicht mehr nur auf drei Bescheinigungen der Bundesagentur für Arbeit beschränkt (Referentenentwurf), sondern nunmehr von Beginn an der Wegfall von sechs Bescheinigungspflichten der Arbeitgeber – zur Leistungsberechnung für das Arbeitslosen-, Wohn- und Elterngeld – vorgesehen ist. Das Potenzial des neuen Verfahrens wird jedoch auch mit dem vorliegendem Gesetzentwurf bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Arbeitgeber müssen heute über 100 Auskunfts-, Melde- und Bescheinigungspflichten nachkommen, darunter rund 45 Entgeltbescheinigungspflichten. Der Minderaufwand durch die entfallenden Bescheinigungspflichten übertrifft bislang allerdings nur in begrenztem Umfang den Aufwand der Arbeitgeber, der mit der Einführung des ELENA-Verfahrens verbunden ist. Die BDA setzt sich im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Gesetzes daher weiter dafür ein, dass ein klarer Fahrplan zur zeitnahen Ersetzung aller Entgeltbescheinigungspflichten der Arbeitgeber festgelegt wird, so wie ihn zu Recht auch der Nationale Normenkontrollrat (NKR) in seinem Gutachten zum ELENA-Verfahren fordert. Ein Hinweis in der Gesetzesbegründung, weitere Bescheinigungen in das Verfahren mit einbeziehen zu wollen, reicht nicht aus. Zudem müssen auch die jeweiligen Leistungsgesetze, die die Abfrage von Entgeltdaten erfordern, besser aufeinander abgestimmt werden (einheitliche Entgeltbegriffe etc). Nur dann kann der vom Arbeitgeber monatlich für jeden Arbeitnehmer zu übermittelnde ELENA-Datensatz tatsächlich auf ein Minimum reduziert werden.
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Einführung einer Sofortmeldung zur Sozialversicherung: neue bürokratische Belastungen Der Gesetzentwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (2. SV-ÄndG) ist am 13. November 2008 vom Bundestag beschlossen worden. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Der Gesetzentwurf sieht u. a. die Einführung einer Sofortmeldung zur Sozialversicherung zum 1. Januar 2009 in neun Branchen vor, für die heute – bis auf die Fleischwirtschaft – die Mitführungspflicht für den Sozialversicherungsausweis gilt: 1. Baugewerbe 2. Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe 3. Personenbeförderungsgewerbe 4. Speditions-, Transport- und damit verbun denes Logistikgewerbe 5. Schaustellergewerbe 6. Unternehmen der Forstwirtschaft 7. Gebäudereinigungsgewerbe 8. Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen 9. Fleischwirtschaft Der Gesetzgeber ist nicht der grundsätzlichen BDA-Forderung gefolgt, angesichts der hohen Bürokratiekosten einer Sofortmeldung, diese zunächst nur in der besonders von Schwarzarbeit betroffenen Bauwirtschaft einzuführen und die hier gesammelten Erfahrungen abzuwarten. Gerade in personalintensiven Branchen wirft eine Sofortmeldung zahlreiche Probleme auf. Die oftmals notwendigen zügigen Einstellungen (z. B. Helfer bei Veranstaltungen, Bedienung in der Gastronomie) werden durch bürokratische Hemmnisse erschwert. Die Sofortmeldung wird zudem – ausweislich des Gesetzentwurfes – die Kosten jeder Neueinstellung um mindestens 7 € in die Höhe treiben. Das Gesetz geht nicht an die Ursachen von Schwarzarbeit heran – vor allen Dingen in Form von niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen sowie weniger Bürokratie und Regulierung –, sondern setzt „allein“ auf ein Bündel von Maßnahmen aus verstärkter Kontrolle und höherer Abschreckung.
Der BDA ist es im Gesetzgebungsverfahren allerdings gelungen, die für die Sofortmeldepflicht vorgesehenen Branchen von zunächst 16 auf nunmehr neun nahezu zu halbieren. Auch die noch im Referentenentwurf vorgesehene tägliche Überprüfungspflicht des Arbeitgebers bezüglich der Mitführung von Ausweispapieren durch die Arbeitnehmer konnte die BDA verhindern. Die nunmehr vorgesehene einmalige Hinweispflicht auf die Ausweismitführungsobliegenheit entspricht dem Vorschlag der BDA.
Sozialversicherung wird in den Bürokratieabbauprozess einbezogen Die Initiative der Bundesregierung zum Bürokratieabbau hat bislang die von den Sozialversicherungsträgern geschaffenen Verwaltungsvorschriften, die auch Bürokratieaufwand in den Unternehmen verursachen, nicht berücksichtigt. Dies haben sowohl der Nationale Normenkontrollrat (NKR) als auch die BDA bereits im Herbst letzten Jahres kritisiert und eine Einbeziehung der Sozialversicherung in den Bürokratieabbauprozess gefordert. Der NKR schreibt in seinem Jahresbericht 2007: „Länder, Kommunen, Sozialversicherungsträger und andere öffentliche Körperschaften sind alle aufgerufen, die von ihnen verantworteten Verfahren und Abläufe auf den Prüfstand zu stellen und entsprechende Belastungen für Bürger und Wirtschaft abzubauen. In dieser Hinsicht gibt es noch viel zu tun.“ Ende Februar 2008 fand auf Einladung der Bundesregierung und des NKR-Vorsitzenden ein Gespräch mit den hauptamtlichen Vorständen der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger und den zuständigen Staatssekretären des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums für Gesundheit statt. Die Teilnehmer haben einmütig die Initiative der Bundesregierung begrüßt. Das Ob der Einbeziehung der Sozialversicherung in den Bürokratieabbauprozess wurde von keinem der Eingeladenen in Frage gestellt. Es sollen nunmehr konkrete Bürokratieabbauprojekte vorangetrieben werden. Die BDA hat den im Sommer 2008 gebildeten Arbeitsgruppen konkrete Bürokratieabbauvorschläge unterbreitet und in den Arbeitsgruppensitzungen auf eine schnelle Umsetzung gedrungen.
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Arbeitsrecht beschäftigungsfördernd kodifizieren Das deutsche Arbeitsrecht gleicht einem Dschungel. Es ist unübersichtlich, teils widersprüchlich und daher häufig nur mithilfe eines Fachmanns durchschaubar. Im Jahr 2009 sind allein durch das Pflegezeitgesetz eine Vielzahl von nicht geklärten neuen Fragen aufgeworfen worden, die die Unternehmen mit großer Rechtsunsicherheit belasten, obwohl es für dieses Gesetz keine Veranlassung gegeben hat. Neben der Gesetzgebung trägt die Rechtsprechung ihren Anteil dazu bei, dass bereits im Ansatz unklare gesetzliche Regelungen weiter verkompliziert und undurchschaubarer werden. So hat es z. B. das Landesarbeitsgericht BerlinBrandenburg als eines von 15 Obergerichten des Arbeitsrechts in Deutschland als Indizbeweis für eine Diskriminierung anerkannt, wenn in einem Unternehmen mit schlanken Führungsstrukturen von wenigen Mitarbeitern in bestimmten Positionen in erster Linie Mitarbeiter des einen Geschlechts eingesetzt werden, während in anderen Positionen Mitarbeiter des anderen Geschlechts in der Überzahl sind. Entscheiden muss nun das Bundesarbeitsgericht. Das sind nur zwei Entwicklungen aus der zweiten Jahreshälfte 2008, die schlaglichtartig belegen, dass das deutsche Arbeitsrecht vor allem Rechtsunsicherheit und Unklarheit hervorruft. Diese Rechtsunsicherheit und Unklarheit führen im Ergebnis dazu, dass das Arbeitsrecht keine positiven Beschäftigungsimpulse aussendet. Arbeitsrecht sollte aber als zentraler Baustein der Gesamtwirtschaftsordnung in besonderem Maße einen Beitrag dazu leisten, dass Arbeitsplätze geschaffen werden können. Ein Weg zu mehr Rechtssicherheit und Klarheit im Arbeitsrecht kann die Kodifizierung des deutschen Arbeitsrechts, vor allem des Arbeitsvertragsrechts, in einem Gesetzbuch sein. Eine solche Kodifikation kann nur dann Beschäftigungsimpulse setzen, wenn sie klare und übersichtliche Rechtsregeln für die Arbeitsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber schafft. Die BDA hat sich daher intensiv an dem Diskussionsprozess um den im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellten Diskussionsentwurf eines
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Arbeitsvertragsgesetzes beteiligt. Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Diskussionsentwurf in seinem jetzigen Stadium nicht die Voraussetzungen erfüllt, das Arbeitsrecht beschäftigungsfördernd weiterzuentwickeln. Er kann in der nunmehr vorliegenden dritten Aufarbeitung noch keine Grundlage für die Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts sein. Der Entwurf enthält zahlreiche neue Regelungen, die bereits allein dadurch, dass die bestehende Systematik und die Wortwahl verändert werden, neue Rechtsfragen und Risiken für das Arbeitsrecht mit sich bringen. Ein Beispiel: Kündigungen, die während der ersten sechs Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden, sollen auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden können. Selbst wenn die Entwurfsverfasser keine Änderungen der geltenden Rechtslage gewollt haben, haben sie eine solche aber mit der gewählten Formulierung und vor allem der neuen Systematik geschaffen. Eine solche Regelung bedeutete die Einführung eines Kündigungsschutzes während der heute noch bestehenden Wartezeit. Eine bewusste Verschlechterung bedeutet demgegenüber der Vorschlag, den Bezugspunkt für den Schwellenwert durch eine Neuregelung im Entwurf zu ändern. Der Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes wird zwar beibehalten. Allerdings sieht der Entwurf vor, dass bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl auf das Unternehmen und nicht wie bisher auf den Betrieb abzustellen ist. Dies würde zu einer massiven Ausdehnung des Anwendungsbereiches des Kündigungsschutzes führen. Ein für die Arbeitsbeziehungen und die gesamte Wirtschaftsordnung zentrales Vorhaben wie die Kodifikation des Arbeitsrechts bedarf nach alldem vielfältiger, systematischer und abgewogener Vorarbeiten, um die mit seiner Umsetzung verbundene Rechtsunsicherheit so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig stringente und in sich schlüssige Regelungen zu schaffen, die sich widerspruchsfrei in das Gesamtkonzept des Arbeitsrechts mit seinen vielfältigen auch kollektivrechtlichen Bezügen einpassen. Die Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts darf nicht über das Knie gebrochen werden.
Auswirkung von Regulierung auf die Arbeitslosenzahlen
Prozent 12
3
8
2
4
1
0
Österreich
Dänemark
Frankreich
Arbeitslosenzahl (linke Zahl)
Deutschland
Irland
Italien
Spanien
0
Regulierungsindex (rechte Skala)
Regulierungsindex von 1 (gering) bis 4 (hoch) Quelle: OECD, basierend auf der letzten Datenerhebung zum Regulierungsindex 2003; Darstellung: BDA
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Für eine moderne Arbeitsmarktordnung
Abfindungsoption für mehr Rechtssicherheit einführen Die Arbeitsvertragsparteien entscheiden selbst, ob, unter welchen Bedingungen und in welcher Höhe eine Abfindung am Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden soll. Im Vereinbarungsweg können am ehesten Lösungen gefunden werden, die den jeweiligen Bedürfnissen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerecht werden. Die Abfindungsoption, die zu jedem Zeitpunkt des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden kann, trägt zu einer erheblichen Stärkung der Rechtssicherheit bei. Sie ist aus diesem Grund dem klassischen Aufhebungsvertrag oder dem Abwicklungsvertrag überlegen. Je früher ein Abfindungsschutz vereinbart wird, desto eher kennen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Umstände, unter denen das Rechtsverhältnis endet. Das führt zu einer erhöhten Kalkulierbarkeit und Rechtssicherheit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt. Eine Abfindungsoption geht weiter als die in § 1a KSchG vorgesehene zu enge Regelung, wonach der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich für den Fall, dass der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung ansteht, die Zahlung einer Abfindung für den Fall anbieten kann, dass der Arbeitnehmer auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet. Diese Abfindungsregelung sieht ein Abfindungsangebot des Arbeitgebers nur für den Zeitraum im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung vor. Erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist erlangt der Arbeitgeber Rechtssicherheit über die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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Da es der freien Verhandlung der Vertragspartner obliegt, zwischen Abfindung und Bestandsschutz zu wählen, können die Parteien auch frei darüber entscheiden, ob sie neben betriebsbedingten auch verhaltens- oder personenbedingte Kündigungen durch einen Abfindungsschutz erfassen wollen. Eine Abfindungsvereinbarung kommt auch in Fällen in Betracht, in denen der Arbeitnehmer Sonderkündigungsschutz genießt. Allerdings sollte ein Arbeitnehmer dann nicht an einer Abfindungsvereinbarung festhalten, wenn der den Sonderkündigungsschutz auslösende Sachverhalt (wie z. B. eine Schwerbehinderung) erst nach dem Abschluss der Vereinbarung eintritt. Aufgrund der regelmäßig erheblich veränderten persönlichen Situation des Arbeitnehmers, die zu seinem Sonderkündigungsschutz führt, ist es vielmehr angemessen, dem Arbeitnehmer in diesem Fall ein Wahlrecht einzuräumen. Er kann gegenüber dem Arbeitgeber erklären, ob er an der Abfindungsvereinbarung festhalten möchte oder nicht. Damit bleibt ihm offen, sich für den Sonderkündigungsschutz auf Basis der gesetzlichen Regelungen zu entscheiden. Weil die Abfindung auf einer vertraglichen Grundlage basiert, bedarf es keiner gesetzlichen Vorgaben für die Abfindungshöhe. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sie vielmehr individuell aushandeln. Dadurch kann Branchenunterschieden, der Wirtschaftskraft des Unternehmens oder einer besonderen Wettbewerbssituation im Einzelfall Rechnung getragen werden. Gleichzeitig können die Parteien vereinbaren, dass eine Anrechnung der vereinbarten Abfindung auf eine eventuelle Sozialplanabfindung erfolgt.
Mit der Vereinbarung des Abfindungsschutzes können Prozesskosten reduziert werden, da der Arbeitnehmer im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat in seiner Umfrage ermittelt, dass fast jede dritte arbeitgeberseitige Kündigung mit der Kündigungsschutzklage angegriffen wird. Bestandsschutz praxistauglich weiterentwickeln Anhebung des Schwellenwertes für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf 20 Arbeitnehmer
Moderne Arbeitsformen unterstützen Streichung des Ersteinstellungserfordernisses; eine Wartezeit von sechs Monaten zwischen zwei Arbeitsverhältnissen ist sachgerecht und genügt dem anwendbaren Europarecht. Einführung einer Befristungsmöglichkeit für den Fall der drohenden Arbeitslosigkeit unabhängig vom Alter Keine neuen Reglementierungen in der Zeitarbeit
Anhebung der Wartezeit auf 24 Monate Möglichkeit eines gerichtlichen Auflösungsantrages für beide Parteien des Arbeitsverhältnisses bei allen Unwirksamkeitsgründen Anpassungsfähigkeit erleichtern Nachvollziehbare Kriterien für die Kontrolle vertraglicher Gestaltungsoptionen durch eine klare Eingrenzung des AGB-Rechts Gesetzliche Fixierung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten, um für Krisenzeiten eine flexible Gestaltung von Arbeitsvertragsbestandteilen zu ermöglichen Reform der Änderungskündigung, damit diese ein wirksames Instrument für den Erhalt von Arbeitsplätzen werden kann
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Die BDA wird sich weiter intensiv in den Diskussionsprozess um die Kodifikation des Arbeitsrechts einbringen. Forderungen nach weiterer Regulierung und damit einer massiven Einschränkung der Chance, neue Beschäftigung zu schaffen, werden wir uns entschieden entgegenstellen. Wir werden auch weiter für Regelungen werben, die neue Chancen eröffnen, die Beschäftigung stimulieren und das Arbeitsrecht zu einem Unterstützungsmotor für neue Beschäftigung machen. Es bedarf neuer Strukturen, die die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsrechts verbessern und damit den Anforderungen an eine globalisierte, im ständigen Wettbewerb stehende Wirtschaft gerecht werden.
Für eine moderne Arbeitsmarktordnung – Beschäftigungsbremse Arbeitsrecht lösen Das Präsidium der BDA hat daher im Sommer 2007 die Kommission „Für eine moderne Arbeitsmarktordnung“ unter dem Vorsitz von Herrn Lauer, Mitglied des Vorstands der Lufthansa und des Präsidiums der BDA sowie Vorsitzender des Arbeitsrechtsausschusses der BDA, eingesetzt. Die Kommission, an deren Arbeit Vertreter aus Unternehmen, Verbänden und der Wissenschaft als Mitglieder teilgenommen haben, hat das Arbeitsrecht und seine Folgen für das Arbeitsmarktgeschehen intensiv untersucht und dabei weitere wissenschaftliche Expertise herangezogen. Die Kommission hält grundlegende gesetzliche Regelungen zum Arbeitsvertragsrecht für zwingend. Diese müssen Klarheit und Übersichtlichkeit im Arbeitsrecht fördern. Wer Beschäftigungschancen erhalten und verbreitern will, muss das Arbeitsvertragsrecht verändern. Im Rahmen der Kommissionsarbeit wurden die Arbeitsmarktordnungen Dänemarks und Österreichs eingehend analysiert und ihre Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit diskutiert. Die Kommission ist einvernehmlich zu dem Ergebnis gekommen, dass beide Rechtsordnungen interessante Elemente enthalten, als Gesamtrechtssystem jedoch nicht auf den deutschen Arbeitsmarkt übertragen werden können. In einer groß angelegten, in ihrem Umfang und in ihrer Datenfülle bisher einmaligen Studie zu den Auswirkungen des Kündigungsrechts hat die Kommission zahl-
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reiche Anhaltspunkte für mögliche Reformansätze für das Arbeitsrecht erhalten. Für mehr Rechtssicherheit und Kalkulierbarkeit im Kündigungsschutz hat die Kommission das Konzept einer Abfindungsoption entwickelt. Die Option fügt sich in das bestehende System des Kündigungsschutzes ein und entwickelt es fort. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit erhalten, von dem Prinzip des Bestandsschutzes einvernehmlich durch eine Abfindungsvereinbarung abzuweichen. Für den Fall der Kündigung wird dem Arbeitnehmer eine Abfindung zugesagt; dieser verzichtet im Gegenzug auf die Möglichkeit, Klage gegen die Kündigung zu erheben. Der Kommissionsbericht wurde vom Präsidium der BDA am 15. September 2008 zustimmend zur Kenntnis genommen. Er kann im Internet unter www.arbeitgeber.de in der Rubrik „Initiativen“ abgerufen werden.
Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten – Flexibilität sichern Arbeitszeitkonten sind ein integraler Bestandteil der betrieblichen Personalpolitik und aus Unternehmen und Betrieben nicht wegzudenken. Dies gilt sowohl für Konten, mit denen schwankende Auftragslagen ausgeglichen werden sollen (Flexikonten), wie für Konten, mit denen langfristige Ziele, insbesondere die individuelle und betriebliche Gestaltung des Erwerbslebens, geplant werden (Lang- und Lebensarbeitszeitkonten). Ohne Flexikonten können die im internationalen Vergleich zu kurzen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nicht ausgeglichen werden. Flexikonten sind daher unverzichtbar. Die BDA begrüßt ausdrücklich, dass sie aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen ausgenommen sind. Das Gesetz soll am 1. Januar 2009 in Kraft treten.
Arbeitszeitkonten: große Unternehmen flexibler So viel Prozent der Unternehmen boten ihren Mitarbeitern im Jahr 2004 folgende Formen der Arbeitszeitflexibilisierung Prozent 55 52
50
50
50
49
45
40
39
35 32
30
26
25
20 18
15
15
10 8
5
0
7
5 2
1
1– 9
10 –19
3
20 –199
200 – 999
1.000 und mehr Beschäftigte
Jahresarbeitszeitkonten Lebensarbeitszeitkonten keine flexiblen Arbeitszeiten Befragung von mehr als 20.000 deutschen Unternehmen im Herbst 2004; Mehrfachnennungen; Rest zu 100: sonstige Flexibilisierungsformen wie etwa Telearbeit und Gleitzeit; Quelle: DIHK; Darstellung: BDA
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Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten – BDA erreicht positive Veränderungen Der wichtigste Erfolg ist, dass Flexikonten auch weiterhin von bürokratischen Einschränkungen befreit bleiben. Dies ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber den noch im Referentenentwurf enthaltenen Vorstellungen. Die klare Unterscheidung bei der Definition von Wertguthaben muss unbedingt erhalten bleiben. Flexikonten und Langzeitkonten sind verschiedene Instrumente mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Grundsätzlich sind Wertguthaben unter Ausschluss der Rückführung durch einen Dritten zu führen, der im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers für die Erfüllung der Ansprüche aus dem Wertguthaben für den Arbeitgeber einsteht. Als gleichwertiges Sicherungsmittel sieht das Gesetz nunmehr auch ein Versicherungsmodell oder schuldrechtlich ein Verpfändungs- oder Bürgschaftsmodell mit ausreichender Sicherung gegen Kündigung an. Mit dieser Öffnung für liquiditätserhaltende Sicherungsmittel wie die Bankbürgschaft konnte die BDA einen Fortschritt gegenüber dem Referentenentwurf erzielen. So können die Unternehmen weiterhin Sicherungsmittel gegen Insolvenz wählen, die die Liquidität im Unternehmen belassen. Die BDA konnte die Einführung einer Zwangsportabilität verhindern. Der Arbeitnehmer soll sein Wertguthaben zu einem neuen Arbeitgeber mitnehmen können, wenn dieser zustimmt. Anderenfalls kann er es auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen, will er es sich nicht auszahlen lassen. Die BDA konnte so verhindern, dass ein folgender Arbeitgeber verpflichtet wird, ein bestehendes Wertguthaben seines neuen Arbeitnehmers zu übernehmen. Hat der Arbeitgeber ein nach Feststellung der Rentenversicherung nicht ausreichendes Insolvenzsicherungsmittel gewählt, hat er die Möglichkeit, innerhalb von zwei Monaten eine ausreichende Insolvenzsicherung vorzunehmen. Die BDA konnte erreichen, dass die Frist jedenfalls von einem Monat auf zwei verlängert wurde. Es wurde an der Regelung festgehalten, dass Wertguthaben zukünftig als Arbeitsentgeltguthaben zu führen sind. Auf Drängen der BDA ist für bestehende Wertguthaben allerdings nunmehr eine Bestandsschutzregelung in § 116 Abs. 1 SGB IV enthalten. Diese sieht vor, dass Wertguthaben, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens als Zeitguthaben geführt werden, auch weiterhin als Zeit- oder Entgeltguthaben geführt werden können. Dies gilt auch für neu vereinbarte Wertguthabenvereinbarungen auf der Grundlage früherer Vereinbarungen.
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Das Interesse der Arbeitnehmer an einer ausreichenden Insolvenzsicherung von Langzeitkonten ist nachvollziehbar und verständlich und wird von den Arbeitgebern ausdrücklich unterstützt. Eine Verbesserung des Insolvenzschutzes sollte aber nicht ohne Berücksichtigung der Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an einer praktikablen Führung von Wertguthaben verfolgt werden. Das vorliegende Gesetz sieht dagegen vielfältige Beschränkungen für die Führung von Wertguthaben vor. Das betrifft insbesondere die geplante Werterhaltgarantie und weit reichende Anlagebeschränkungen.
betriebliche Altersversorgung zu übertragen. Einer solchen Beschränkung hätte es nicht bedurft.
Nach der Werterhaltgarantie ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei einer Inanspruchnahme des Kontos das Guthaben in demselben Umfang zu garantieren, in dem es eingezahlt wurde. Das führt dazu, dass jede Inanspruchnahme des Wertguthabens die Garantiepflicht des Arbeitgebers auslöst. Durch die geplante Anlagebeschränkung, nach der das Wertguthaben zu nicht mehr als 20 % in Aktien oder Aktienfonds angelegt werden darf, werden Renditechancen von Kapitalanlagemöglichkeiten unnötig geschmälert. Gleiches gilt für den Verweis auf die Anlagevorschriften in §§ 80 ff. SGB IV.
Unpraktikabel ist schließlich, dass der Arbeitgeber einen einmal gewählten Insolvenzsicherungsweg nur mit Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers wechseln kann. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein für seinen Betrieb besser geeignetes Sicherungsmodell findet, das den Arbeitnehmern den gleichen Schutz bietet und den gesetzlichen Vorgaben für eine adäquate Insolvenzsicherung entspricht. Die Zustimmung des Betriebsrats muss in einem solchen Fall ausreichend sein.
Noch gravierender schlägt zu Buche, dass es an Übergangsregelungen fehlt. Gerade auf Wunsch der Arbeitnehmer sind häufig Anlagemodelle gewählt worden, die durch die Gesetzesänderung jetzt schlagartig in Frage gestellt werden. Es droht die Gefahr, dass überstürzte Umschichtungen insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzmarktkrise zu erheblichen finanziellen Verlusten bei Wertguthaben führen. Die BDA wird sich weiter für eine handhabbare Übergangslösung einsetzen. Wir werden darauf hinwirken, in dem Anwendungsschreiben der Sozialversicherungsträger zu dem Gesetz und in dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zur steuerrechtlichen Flankierung Klarstellungen zu erreichen, die die Betriebe bei der Umstellung auf das neue System entlasten.
Ebenfalls abzulehnen ist, dass das Gesetz im Falle eines Arbeitgeberwechsels ausschließlich eine Übertragung des Guthabens auf die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund zulässt, wenn der folgende Arbeitgeber nicht bereit ist, ein bestehendes Wertguthaben zu übernehmen. Sinnvoll wäre es gewesen, alternativ eine Übertragung an private Treuhänder vorzusehen oder zu ermöglichen, dass ein Wertguthaben beim alten Arbeitgeber verbleibt.
AGG: Bürokratie, Kosten und Rechtsunsicherheit Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist ein gewaltiger Kosten-, Bürokratie- und Unsicherheitsfaktor. Es fördert missbräuchliche Klagen. Durch das AGG werden die Unternehmen mit einem bürokratischen und kostenträchtigen Begründungs- und Dokumentationsaufwand belastet. Der Rechtfertigungsdruck geht so weit, dass viele Unternehmen sich genötigt sehen, sog. AGG-Policen bei Versicherungen abzuschließen, um Schadensersatzforderungen entgegenzuwirken. Diese Ausgaben und weitere Kosten für Schulungen und die übrige Gesetzesimplementierung haben dazu geführt, dass die Unternehmen alleine im ersten Jahr nach Inkrafttreten des AGG 1,73 Mrd. € zusätzlich ausgegeben haben.
Darüber hinaus soll es in Zukunft nicht mehr möglich sein, Wertguthaben, die nicht mehr durch Freistellungen abgebaut werden können, unter bestimmten Voraussetzungen beitragsfrei in die
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AGG: Bürokratie, Kosten und Rechtsunsicherheit
1 %
4 %
7 %
Sonstige Zusätzl. Aufwand Stammbelegschaft Dokumentation
22 %
Screening, Standards Schulungen Strategie
31 %
35 %
Verteilung der Gesamtkosten nach Kostenblöcken Quelle: Empirische Erhebungen der Gesetzesfolgekosten aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft; Darstellung: BDA
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Die am 14. August 2008 von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlichten Einschätzungen, die die Kosten infolge der Umsetzung des AGG lediglich mit einer Höhe von 26 Mio. € in Ansatz bringen, haben sich als unseriöser Schnellschuss erwiesen. Mittlerweile räumt selbst Prof. Dr. Priddat, Mitglied der wissenschaftlichen Kommission der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, ein, dass er – ohne eigene Daten zu erheben – die in der Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bei 501 Unternehmen ermittelten Belastungen in Höhe von 26 Mio. € nicht auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft hochgerechnet hat. Das ist politischer Aktionismus, der unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit immer neue Belastungen für die Wirtschaft schafft. Die Arbeitsgerichte werden zunehmend durch Klagen wegen Verstößen gegen das AGG belastet. Der Vorsitzende des Bundes der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit sagte bei der Delegiertenversammlung am 9. Oktober 2008 in Rostock, dass dabei Klagen von sog. AGG-Hoppern, die sich hundertfach auf Stellen bewerben und dann die Firmen bei Ablehnung verklagen, auffallend seien. AGG-Hopper würden sich gezielt auf solche Annoncen bewerben, die Differenzierungen vornehmen, und dann auf Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern klagen. Die Rechtsprechung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene zeigt die Richtigkeit der allgemeinen Kritik am AGG. Allein durch einzelne Entscheidungen von Arbeitsgerichten wird deutlich, dass enorme Rechtsunsicherheit nicht nur bei den Unternehmen besteht. Sogar die Zulässigkeit der so wichtigen Bildung von Altersgruppen im Rahmen einer Sozialauswahl wird angezweifelt. Erfreulicherweise hat sich das Bundesarbeitsgericht in der Rechtssache „Karmann“ mit Urteil vom 6. November 2008 (2 AZR 701/07) zur Altersgruppenbildung bekannt. Die aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2008 zeigt hingegen, mit welch weit reichenden Konsequenzen Unternehmen infolge der Beweislastumkehr rechnen müssen. Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, dass eine Statistik über die Geschlechtsverteilung auf den einzelnen Hierarchieebenen bereits als Indiz für eine Geschlechtsdiskriminierung bei der Beförderung herangezogen werden kann. Als
Schadensersatz hat das Landesarbeitsgericht die Vergütungsdifferenz zu derjenigen Position, und zwar auch unbegrenzt für die Zukunft, zugesprochen, in die die Klägerin nicht befördert worden war. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht der Klägerin wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Entschädigung wegen immateriellen Schadens in Höhe von 20.000 € zugesprochen. Noch deutlicher werden die möglichen Gefahren des unbegrenzten Schadensersatzes in einem Rechtsstreit gegen die R+V-Versicherung. Die Klägerin macht einen Schadensersatz in Höhe von annähernd 500.000 € geltend. Auf nationaler wie europäischer Ebene besteht daher Handlungsbedarf. Die Bundesregierung ist aufgefordert, endlich aus der derzeitigen Rechtsprechung Konsequenzen zu ziehen. Wie die aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zeigt, führt die faktische Beweislastumkehr des § 22 AGG zu abstrusen Ergebnissen. Ebenso ist die Beschränkung der Höhe des Schadensersatzes entsprechend dem Rechtsgedanken des § 628 Abs. 2 BGB bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist für eine ordentliche Kündigung klarzustellen, um eine Ausweitung ins Uferlose zu verhindern, die fatale nicht kalkulierbare finanzielle Folgen für Arbeitgeber hätte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) als oberstes Gericht der Gemeinschaft stärkt die ohnehin vorhandene Rechtsunsicherheit noch. In seinem Urteil in der Rechtssache „Feryn“ vom 10. Juli 2008 (C-54/07) hat der EuGH entschieden, dass eine Diskriminierung auch dann vorliegen kann, wenn es gar keine Diskriminierten gibt. In diesem Fall könnten Antidiskriminierungsvereinen Schadensersatzansprüche zustehen. In der Rechtssache „Coleman“ vom 17. Juli 2008 (C-303/06) hat der EuGH entschieden, dass eine Diskriminierung wegen einer Behinderung auch dann vorliegen kann, wenn der Arbeitnehmer selbst nicht behindert ist. Die EU hat aus diesen Rechtsunsicherheit verursachenden Entscheidungen nichts gelernt und beabsichtigt sogar, die Antidiskriminierungsrichtlinien auf EU-Ebene auszuweiten, was die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschau-
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ung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung außerhalb des Arbeitsmarktes, also im allgemeinen Zivilrecht, zur Folge hätte. Die BDA lehnt eine solche Ausweitung ab. Diese steht insbesondere aufgrund der vorgesehenen faktischen Beweislastumkehr im Widerspruch zur geplanten Entbürokratisierung auf EU-Ebene. Die Bundesregierung muss daher die Verabschiedung der neuen Richtlinie unbedingt verhindern. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Antidiskriminierung“ veröffentlicht.
Betriebsverfassung bleibt reformbedürftig Am 13. August 2008 sind Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes aufgrund des „Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken“ in Kraft getreten. Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten, über die das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichten muss, gehört nun ausdrücklich auch die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist.
Die BDA konnte im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens verhindern, dass Unternehmensübernahmen in den Katalog der Betriebsänderungstatbestände in § 111 BetrVG aufgenommen wurden. Trotzdem ist auch die nun erfolgte Neuregelung überflüssig und bringt neue Rechtsunsicherheit durch Vermischung betriebsverfassungsrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Vorgänge mit sich. Die Neuregelung ist überflüssig, weil entsprechende Informationspflichten – sofern unmittelbare Auswirkungen für die Arbeitnehmer bestehen – bereits heute im Betriebsverfassungsgesetz und z. B. bei Betriebsübergängen verankert sind. Statt dieser neuen Bürokratisierung wäre ein Schritt in Richtung Flexibilisierung und Verhandlungsoffenheit der betrieblichen Mitbestimmung dringend erforderlich. Diese muss schnell, flexibel und passgenau sein. Die BDA setzt sich deshalb dafür ein, dass stärker als bisher Abweichungen von gesetzlichen Betriebsratsstrukturen ermöglicht werden. Gerade die Dauer von Mitbestimmungsverfahren führt oft zu erhöhten Kosten für die Unternehmen, weil die Umsetzung dringend erforderlicher geplanter Vorhaben verzögert wird. Deswegen sollte eine allgemeine Beschleunigungsvorschrift dem Arbeitgeber vorläufige Entscheidungen ermöglichen. Auch die Einigungsstellenverfahren müssen durch die Einführung von Fristen beschleunigt werden.
BDA unterstützt ihre Mitglieder
Die BDA erleichtert mit zahlreichen Serviceleistungen ihren Mitgliedern den Umgang mit den Auswirkungen des AGG Die BDA hat eine Übersicht über Gerichtsentscheidungen zum AGG und EuGH-Entscheidungen zu den Antidiskriminierungsrichtlinien erstellt, die fortlaufend aktualisiert wird. Mitglieder können dadurch besser eigene Prozessrisiken einschätzen und haben einen Überblick über die Auslegung des AGG. Herausgabe einer Broschüre zum AGG Merkblätter für Mitarbeiter Vorträge bei Mitgliedern zum AGG
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Gesellschaftsrecht an europäischen Maßstab anpassen Grundlegender Flexibilisierungs- und Modernisierungsbedarf besteht auch in der Unternehmensmitbestimmung. Sie muss vereinbarungsoffen nach dem Vorbild der europäischen Mitbestimmungsregelungen ausgestaltet werden. Positive Erfahrungen bei der Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) zeigen deutlich, dass Vereinbarungsoptionen unternehmensindividuell – z. B. zur Verkleinerung des Aufsichtsrates – genutzt werden können und zu einer besseren Positionierung im Wettbewerb führen. Die BDA begrüßt den „Gesetzentwurf zum internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und anderen juristischen Personen“ des Bundesjustizministeriums, der die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit umsetzen soll. In konsequenter Weise soll mit dem Gesetz der Wechsel vom Sitzlandprinzip zum Gründungslandprinzip vorgenommen werden, für die Gründung einer Gesellschaft soll grundsätzlich das Recht des Gründungslandes maßgeblich sein, unabhängig davon, ob die Gesellschaft später ihren Sitz verlegt. Es ist rechtsdogmatisch richtig und zwingend, dass mit dem Gesetz keine materiellen Sonder- und Ausnahmeregelungen, z. B. für die Unternehmensmitbestimmung, geschaffen werden sollen. Nur so kann auch der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen werden.
Tochtergesellschaften in den unterschiedlichen europäischen Mitgliedsländern äußerst hilfreich sein. Im Bereich des Gesellschaftsrechts wird diese Einheitlichkeit der Rechtsform mit dem Verordnungsvorschlag weitestgehend erreicht. Umstritten sind aber noch die Regelungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer. Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass bei der Gründung der Europäischen Privatgesellschaft die Mitbestimmungsrechte des Landes gelten, in dem die Europäische Privatgesellschaft eingetragen wird. Bei der Sitzverlegung soll verhandelt werden und beim Scheitern der Verhandlungen soll das Mitbestimmungssystem des Herkunftslandes mitgenommen werden. Auch dieses Modell ist im Hinblick auf die Einheitlichkeit nicht ideal. Die BDA favorisiert eine Verhandlungslösung mit einheitlicher Auffangregelung einer Fünftelbeteiligung der Arbeitnehmer, um europaweit gleiche Bedingungen für die Europäische Privatgesellschaft zu schaffen. Diesem Modell kommt der Vorschlag des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments nahe: Verhandlungsmodell, kombiniert mit Drittelbeteiligung als Auffanglösung.
Europäische Privatgesellschaft zügig realisieren
Wir setzen uns gegen eine Übertragung der Mitbestimmungsregelungen der Europäischen Aktiengesellschaft ein, wie sie z. B. das Bundesarbeitsministerium und der DGB fordern. Eine solche Übertragung der Auffangregelung des weitestgehenden Mitbestimmungssystems für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen über die Mitbestimmung würde die Europäische Privatgesellschaft, die vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen gedacht ist, vollkommen unattraktiv machen. Das Ziel der Einheitlichkeit der Rechtsform würde durch eine solche Übertragung nicht erreicht.
Nach jahrelangen Forderungen der Wirtschaft hat die Europäische Kommission den Vorschlag für das Statut einer Europäischen Privatgesellschaft vorgelegt. Ziel der Verordnung ist, dass überall in Europa ohne großen Beratungsaufwand Gesellschaften nach denselben Regeln gegründet werden können, die das europäische Pendant z. B. zur deutschen GmbH darstellen. Das Instrument einer einheitlichen Europäischen Privatgesellschaft kann insbesondere bei der Gründung von
Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen scheint zurzeit der Vorschlag der Kommission die größten Realisierungschancen zu haben. Um diese Realisierung kurzfristig zu ermöglichen, ist die BDA bereit, ihre berechtigten Einwände hintanzustellen und das Modell der Kommission zu akzeptieren. Die französische Ratspräsidentschaft sollte darauf hinwirken, die Europäische Privatgesellschaft zu ermöglichen, und daher weiter gehende Änderungen an ihrer Struktur, vor
Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Unternehmensmitbestimmung“ und den kompakt „Betriebsverfassung“ veröffentlicht.
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allem auch an den vorgesehenen Regelungen zur Mitbestimmung, zurückweisen.
Whistleblowing – gesetzliche Regelung verfehlt Die BDA hat erste Erfolge im Kampf gegen die Einführung gesetzlicher Anzeigerechte für Arbeitnehmer erzielt. Die Regelung des Informantenschutzes im Bürgerlichen Gesetzbuch scheint nach vielfältigen Initiativen der BDA nicht mehr auf der Tagesordnung zu stehen. Es gibt aber noch Anzeichen, dass das Anzeigerecht in das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) eingeführt werden soll. Trotz der Beschränkung auf das LFGB bestehen weiterhin erhebliche Einwände gegen die gesetzliche Fixierung von Anzeigerechten. Der Anwendungsbereich einer Regelung im LFGB wäre viel zu weit gefasst. Die Definitionen von Unternehmen und Unternehmern in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sollen für die unter den Anwendungsbereich fallenden Betriebe maßgeblich sein. Daher ist faktisch jedes Unternehmen, das in irgendeiner Weise mit Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen oder Futtermitteln in Berührung kommt, von den Anzeigerechten betroffen. Folglich würde z. B. auch einem Arbeitnehmer, der im Verkauf eines Supermarktes tätig ist, ein solches Anzeigerecht zustehen, da er durch die weite Auslegung des Begriffes der Bedarfsgegenstände mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer vom LFGB erfassten Ware in Kontakt kommen wird. Die vermeintliche Einschränkung, dass es sich um einen Verstoß aus dem Regelungsbereich des Gesetzes handeln muss, schafft kein Mehr an Rechtssicherheit. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass eingeschaltete Behörden einmal ergangene Anzeigen an Stellen weiterreichen, die für andere Sachgebiete zuständig sind. Dies ist eine überhaupt nicht akzeptable faktische Ausdehnung der Anzeigerechte, die einer Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch sehr nahe käme. Sie muss daher vollständig unterbleiben. Weiterhin soll die Motivation des anzeigenden Arbeitnehmers in keiner Weise berücksichtigt werden. Dieses Kriterium wird von der Rechtsprechung jedoch stets als wesentliches Abwägungs-
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kriterium mit einbezogen. Daher besteht stets die Gefahr eines persönlich motivierten Missbrauchs des Anzeigerechts. Nach wie vor soll es der subjektiven Einschätzung des Arbeitnehmers obliegen, ob der Arbeitgeber seinem Verlangen nach Abhilfe (ausreichend) nachgekommen ist. Allein von dieser Einschätzung würde abhängen, ob sich der Arbeitnehmer an zuständige Behörden wenden kann oder nicht. Die Ausnahme vom Grundsatz der Vorrangigkeit eines innerbetrieblichen Klärungsversuches wird auch im neuen Vorschlag aufgeweicht. Die Vorschrift enthält keine abschließende Aufzählung der Ausnahmetatbestände, so dass die Gefahr besteht, dass diese Tatbestände ständig erweitert werden. Darüber hinaus verwendet auch dieser Vorschlag bei den Voraussetzungen zur Ausübung des Rechts unbestimmte Rechtsbegriffe, die zu neuen Rechtsunsicherheiten im Arbeitsrecht führen werden.
Datenschutz am Arbeitsplatz bedarf keines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes Die BDA lehnt von verschiedenen Seiten erhobene Forderungen ab, ein zusätzliches spezifisches Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu schaffen. Datenschutz im Arbeitsverhältnis bedarf keines Sonderrechts. Das Arbeitsverhältnis und die Parteien des Arbeitsvertrages unterliegen dem Anwendungsbereich sämtlicher datenschutzrechtlicher Vorschriften, insbesondere des Bundesdatenschutzgesetzes. Die datenschutzrechtlichen Fragestellungen innerhalb des Arbeitsverhältnisses sind dieselben wie innerhalb aller anderen Rechtsbeziehungen. Im Arbeitsrecht besteht daher kein spezifisch geringeres oder höheres Bedürfnis, die Ziele des Datenschutzes zu verwirklichen. Dort, wo Bedarf besteht, komplexe Vorschriften des Datenschutzes im Arbeitsverhältnis handhabbar zu machen, werden die unterschiedlichsten freiwilligen Regelungen und Leitlinien, z. B. für die Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz, getroffen. Solche betriebsnahen Lösungen sind besser geeignet, Datenschutzaspekte verständlich zu kommunizieren, als bürokratische Über-
regulierungen. Kollektivrechtlich wird dies zudem durch die Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts flankiert. Hier ist z. B. die ausgeprägte Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen geregelt, die dazu bestimmt sind, dass Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
Dies gilt insbesondere für die Einführung einer Inanspruchnahmefiktion der Arbeitnehmererfindung durch den Arbeitgeber, die eine spürbare verfahrensmäßige Erleichterung bedeutet. Gemeinsam mit dem BDI und VCI haben wir in unserer Stellungnahme deshalb den Gesetzentwurf begrüßt und setzen uns für eine zügige Verabschiedung ein.
Es ist geplant, das Bundesdatenschutzgesetz dahingehend zu ändern, dass die verantwortliche Stelle dem Beauftragten für den Datenschutz ermöglichen muss, an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilzunehmen. Eine solche Änderung ist nicht erforderlich. Zumindest muss hier klargestellt werden, dass kein pauschaler Fortbildungsanspruch geschaffen wird, sondern dass es auf die Erforderlichkeit der Fortbildung ankommt. Das Maß der erforderlichen Fachkunde des Datenschutzbeauftragten muss sich insbesondere nach dem Umfang der Datenbearbeitung und dem Schutzbedarf der personenbezogenen Daten, die die verantwortliche Stelle erhebt oder verwendet, richten. Ein richtigerweise in den Entwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes nicht aufgenommener Ausbau des Kündigungsschutzes des Datenschutzbeauftragten, der aber dennoch diskutiert wird, ist ebenfalls abzulehnen. Der Datenschutzbeauftragte genießt bereits einen Abberufungsschutz, der dazu führt, dass eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, die wegen der Tätigkeit des Arbeitnehmers als Datenschutzbeauftragter erfolgen soll.
Kein Platz für neue Beweisvorschriften
Vereinfachung des Arbeitnehmererfindungsrechts zügig umsetzen Das Bundeskabinett hat am 15. Oktober 2008 den Gesetzentwurf zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts beschlossen. Dieser Gesetzentwurf enthält auch Änderungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes. Die Wirtschaft fordert seit langem eine grundlegende Reform des komplizierten und bürokratischen Arbeitnehmererfindungsrechts, das oft Bremsklotz innerhalb internationaler Forschungskooperation ist. Die geplanten Änderungen bleiben zwar hinter der erforderlichen Gesamtreform zurück, greifen aber unsere Anregungen und Forderungen auf.
Im Rahmen einer Reform des Zivildienstes ist geplant, das Arbeitsplatzschutzgesetz, das die Arbeitsverhältnisse von Wehr- und Ersatzdienstleistenden während ihrer Dienstzeit regelt, zu verschärfen. Das Arbeitsplatzschutzgesetz soll dahingehend geändert werden, dass der Arbeitgeber die Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses oder die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht aus Anlass des Wehr- und Zivildienstes ablehnen darf. Dies liefe faktisch darauf hinaus, dass der Arbeitgeber beweisen muss, dass er eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen abgelehnt hat. Die BDA verhinderte einen entsprechenden Vorstoß bereits, als eine solche Regelung in das Wehrrechtsänderungsgesetz aufgenommen werden sollte. Die BDA konnte bisher im neuen Gesetzgebungsvorhaben erreichen, dass in der Gesetzesbegründung klargestellt wurde, dass mit der Regelung keine Beweislastumkehr verbunden sein soll. Dies ist allerdings nicht ausreichend. Ein vollständiger Verzicht der Gesetzesergänzung bleibt daher notwendig.
Weniger Bürokratie erhöht die Standortattraktivität Der Abbau von Bürokratie ist für die Unternehmen von großer Bedeutung. Er muss daher eine zentrale politische Aufgabe von Bundesregierung, Gesetzgebung und Politik auf nationaler und europäischer Ebene sein. In Deutschland werden zu viele Innovationen und Investitionen durch Überregulierungen gehemmt. Ein konsequenter Bürokratieabbau macht einen Standort attraktiv, beseitigt Wachstumshemmnisse und schafft die Grundlage für mehr Beschäftigung.
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Das Programm der Bundesregierung zum Bürokratieabbau, auf dessen Grundlage bis 2011 25 % der Bürokratiekosten für die Wirtschaft abgebaut werden sollen, wird von der BDA begrüßt. Ebenso ist die Einrichtung des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) ein Schritt in die richtige Richtung. Der NKR kann als Bürokratie-TÜV wirken und Kostenbewusstsein in den Ressorts schärfen. Seine Einrichtung verdeutlicht noch einmal, was dem Grunde nach selbstverständlich sein sollte: Alle Gesetzgebungsvorhaben und jedes Gesetz sind generell auf überflüssige Kostenbelastung für die Wirtschaft und die Bevölkerung zu überdenken.
gesamte nationale und europäische Rechts- und Regelwerk. Regierung und Gesetzgebung sind am Zuge, jetzt zügig zu handeln.
Die Messung von Informationspflichten nach dem sog. Standardkostenmodell kann dabei nur ein erster Schritt sein. Regierung, Verwaltung und Gesetzgebung dürfen keinesfalls aus den Augen verlieren, das gesamte Rechts- und Regelwerk umfassend von Bürokratie zu bereinigen. Bei einer Beschränkung der Bürokratiemessung auf Informationspflichten müssen diese vollständig und korrekt erfasst werden. Es kann nicht sein, dass Ministerien sich weigern, die in ihren Bereich fallenden Informationspflichten zu messen. So werden im Arbeitsrecht wesentliche Teile von Informationspflichten schon im ersten Zugriff ausgeklammert. Die bisher angegebene Zahl von 35 Mrd. € an Bürokratielasten der Wirtschaft unterschreitet daher das wirkliche Maß der Bürokratie erheblich, selbst wenn man sich auf den engen Bürokratiebegriff der Bundesregierung im Sinne von Informationspflichten beschränkt. Auch die drei Mittelstandsentlastungsgesetze haben beim Bürokratieabbau keinen durchgreifenden Fortschritt mit sich gebracht. Die Abschaffung einzelner – häufig gar nicht mehr angewendeter – Vorschriften reicht nicht aus, um das Problem bürokratischer Überregulierung für den Mittelstand zu beseitigen. Das gilt entsprechend für das Steuerbürokratieabbaugesetz.
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Bürokratieabbau“ veröffentlicht.
Es gibt zur Sorge Anlass, dass der notwendige Bürokratieabbau an vielen Stellen ins Stocken geraten ist. An anderen Stellen wird bereits wieder neue Bürokratie aufgebaut. Diese Entwicklung macht deutlich: Notwendig ist ein konkretes Gesamtkonzept für den Bürokratieabbau. Die Vereinfachungsvorschläge der Wirtschaft liegen schon lange auf dem Tisch. Sie betreffen das
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Die BDA hat jedoch auch erste wichtige Fortschritte erzielt: Beschluss des Bundeskabinetts vom 25. Juni 2008, das von der BDA schon lange geforderte elektronische Entgeltnachweisverfahren (ELENA-Verfahren) einzuführen Einbeziehung der Sozialversicherungsträger in den Bürokratieabbau
Mediation – behutsame Ergänzung des deutschen Rechts anstelle systemwidriger Übererfüllung Im Mai dieses Jahres trat eine EU-Richtlinie zur Mediation bei grenzüberschreitenden Sachverhalten in Kraft, die von der Bundesregierung innerhalb der nächsten drei Jahre in deutsches Recht umzusetzen ist. Mediation als freiwilliges Verfahren zur Konfliktlösung ist zu begrüßen. Die Bedeutung der Mediation liegt insbesondere darin, dass durch die Freiwilligkeit und das gemeinsame Erarbeiten einer Konfliktlösung eine weitere positive Zusammenarbeit der Konfliktparteien möglich ist. Die Mediation als Verfahren ist deshalb bei bestimmten Streitigkeiten, wie familienrechtlichen Streitigkeiten, unverzichtbar. Eine Notwendigkeit, die Mediation im Arbeitsrecht besonders zu fördern, insbesondere durch eine gerichtsnahe Mediation bei den Arbeitsgerichten, besteht hingegen nicht. Die Mediation wird in den Betrieben bereits vielfach genutzt, zumal betriebliche Beschwerdestellen häufig auf der Mediation entlehnte Methoden der Konfliktlösung zurückgreifen, um innerbetriebliche Konflikte zu befrieden. Auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Einführung einer (gerichtsnahen) Mediation nicht notwendig, sondern muss eher als kontraproduktiv bezeichnet werden. Das arbeitsgerichtliche Verfahren zeichnet sich bereits heute dadurch aus, dass die Streitbeilegung in den
Weniger Bürokratie erhöht die Standortattraktivität
Bundesregierung
Koordinatorin für Bürokratieabbau
▪ Gesetzentwürfe ▪ bestehende Bundesgesetze
Staatssekretärsausschuss ▪ Steuerung
nicht öffentliche Stellungnahme
Beratung
Normenkontrollrat (NKR)
Gesetzentwurf + NKR-Stellungnahme + Regierungsstellungnahme
unterstützt
Geschäftsstelle für Bürokratieabbau Prüfung, Beratung
▪ Gesamtkoordination
Statistisches Bundesamt ▪ Messung bestehender Gesetze
Erfolgscontrolling
Datenbank, Beratung
Bundestag
Ansprechpartner Ministerien ▪ Kostenabschätzung für Gesetzentwürfe ▪ Identifizierung bestehender Informationspflichten
Quelle: Bertelsmann Stiftung, „Von der Bürokratiekostenmessung zum Bürokratiekostenabbau“; Darstellung: BDA
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weit überwiegenden Fällen konsensual – nämlich durch Vergleich – erfolgt. Von den Parteien, wie vom Gericht, werden hierbei die Möglichkeiten, die die Güteverhandlung bietet, voll ausgeschöpft. Die Einführung einer gerichtsnahen Mediation im Arbeitsrecht würde dazu führen, dass ein faktischer Zwang bestünde, ein Mediationsverfahren durchzuführen. Dies würde zu einer Verlängerung der arbeitsgerichtlichen Verfahren führen, obwohl es das erklärte Ziel ist, diese Verfahren so zügig wie möglich durchzuführen, um für beide Seiten schnell Rechtssicherheit zu erlangen. Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Mediation setzt sich die BDA deshalb dafür ein, dass die Richtlinie nicht überobligationsmäßig umgesetzt wird, sondern nur in den Bereichen, in denen die Notwendigkeit einer Formalisierung der Mediation besteht, eine behutsame Ergänzung des deutschen Rechts vorgenommen wird.
Das neue Pflegezeitgesetz – bürokratisch und überflüssig Am 1. Juli 2008 ist das Pflegezeitgesetz in Kraft getreten, das im Rahmen des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung verabschiedet worden ist. Es sieht einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit für die Dauer von bis zu sechs Monaten für die Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung vor. Die Pflegezeit ist unbezahlt. Der Arbeitnehmer hat einen Rückkehranspruch auf seinen Arbeitsplatz. Daneben besteht ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit für bis zu zehn Tage, um in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eines nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder kurzzeitig zu übernehmen. Das Gesetz verzichtet auf die Einführung der zunächst vorgesehenen Lohnersatzleistung für die Zeit der kurzzeitigen Freistellung.
Die BDA konnte beim Pflegezeitgesetz Änderungen erreichen Der Anspruch auf Pflegezeit ist auf sechs Monate begrenzt. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder hatte eine Freistellung von bis zu drei Jahren vorgeschlagen. Der Anspruch besteht nicht gegenüber Arbeitgebern mit 15 oder weniger Arbeitnehmern. Der Referentenentwurf sah zunächst einen Schwellenwert von nur zehn Arbeitnehmern vor. Das Gesetz verzichtet auf die Einführung der zunächst vorgesehenen Lohnersatzleistung für die Zeit der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Tagen.
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Arbeitsrecht
Dennoch führt das Gesetz zu einer bürokratischen und finanziellen Belastung insbesondere kleiner und mittlerer Betriebe, die auf die Mitarbeit eines jeden Arbeitnehmers angewiesen sind. Das gilt hinsichtlich der kurzen Ankündigungsfrist für die Pflegezeit von nur zehn Arbeitstagen, die es kaum ermöglicht, adäquat auf den Ausfall eines Mitarbeiters zu reagieren, eine entsprechend ausgebildete Vertretung zu finden und die erforderliche Übergabe und Einarbeitung zu organisieren. Für mögliche Pflegende besteht ein Sonderkündigungsschutz, der systemwidrig auch für arbeitnehmerähnliche Personen gilt. An zahlreichen Stellen führt das Gesetz zu Rechtsunsicherheit. Es passt sich nicht in das geltende Recht ein und verstärkt die Zerstückelung der arbeitsrechtlichen Regelungen.
Entwicklung der Anzahl Pflegebedürftiger Immer mehr Pflegebedürftige (Prognose) von 2006 bis 2030
Index (2006 = 100) 150
140
130
120
110
100
2006
2009
2012
2015
2018
2021
2024
2027
2030
Jahr
Quelle: Robert Koch Institut / Statistisches Bundesamt, Schwerpunktbericht Pflege BMG, Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung Definition: Prognose bei konstanten alters- und geschlechtsspezifischen Prävalenzraten; Darstellung: BDA
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Die BDA hat sich während des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach an die Bundeskanzlerin, die Vorsitzenden der Fraktionen und Ausschüsse gewandt und Anpassungen des Anspruchs an betriebliche Notwendigkeiten gefordert. Die BDA hat zu diesem Thema einen Leitfaden mit Hinweisen für die Praxis (Stand: Juli 2008) erstellt und den kompakt „Beruf und Pflege“ veröffentlicht.
Mutterschutz und Elternzeit Am 3. Oktober 2008 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Revision der Mutterschutzrichtlinie vorgelegt. Dieser sieht im Kern eine Verlängerung der bestehenden Mutterschutzfrist um weitere vier Wochen vor. Parallel dazu stehen die europäischen Sozialpartner in Verhandlungen über eine Revision des Elternzeitabkommens. Von den Vorschlägen der Kommission und den Wünschen der Gewerkschaften können massive Auswirkungen für das deutsche Recht ausgehen, die mit erheblichen Kostenbelastungen für Arbeitgeber verbunden wären. Die BDA setzt sich daher auf europäischer Ebene für den Verzicht auf neue Regulierungen ein.
Betriebsübergang muss rechtssicher werden Outsourcing, Umstrukturierung, Verkauf und Zukauf von Betrieben und Betriebsteilen gehören in einer hoch arbeitsteiligen, im globalen Wettbewerb stehenden Wirtschaft zur täglichen Praxis der Unternehmen. Solche Vorgänge bringen u. a. komplexe arbeitsrechtliche Fragestellungen mit sich. Die zentrale Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 613a BGB. Über die Jahre hat die Rechtsprechung Anforderungen an die arbeitsrechtliche Behandlung von Betriebsübergängen gestellt, die solche zu arbeitsrechtlichen „Drahtseilakten“ gemacht hat. Die gesetzliche Regelung bedarf daher dringend einer Überarbeitung, um in diesen Fällen Rechtssicherheit sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer zu schaffen. Betrieblichen Umstrukturierungsentscheidungen werden mit den Regelungen des § 613a BGB zusätzliche und überflüssige arbeitsrecht-
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liche Fesseln angelegt. Die arbeitsrechtliche Regelung des Betriebsübergangs – ein wichtiges Element flexibler Unternehmenspolitik – muss auf ein Maß zurückgeführt werden, das einerseits dem Arbeitnehmerschutz ausreichend Rechnung trägt, andererseits aber die unternehmerische Entscheidungsfreiheit für einen Betriebsübergang nicht unnötig behindert und Planungssicherheit gewährleistet. Die BDA fordert eine an den Bedürfnissen der betrieblichen Praxis orientierte gesetzliche Klarstellung, die nicht über die europäischen Vorgaben hinausgeht. Hierzu gehört eine Begrenzung der Frist für den Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf drei Wochen entsprechend der Frist im Kündigungsschutzgesetz. Nach Ablauf einer Ausschlussfrist von drei Monaten muss der Widerspruch endgültig abgegeben sein. Auch die im Zuge des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes erfolgte Änderung der Rechtsprechung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln hat auf die Praxis nach wie vor enormen Einfluss. Will der Arbeitgeber, dass eine Bezugnahme des Tarifvertrages nach einem Betriebsübergang nicht dynamisch fortwirkt, muss in der Klausel hinreichend deutlich werden, dass lediglich eine Gleichstellung der nicht tarifgebundenen mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern beabsichtigt ist. Die im Zusammenhang mit der Änderung der Rechtsprechung stehende Versagung eines Vertrauensschutzes führt zu Schwierigkeiten in der Praxis. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, endlich zu handeln und die gesetzliche Regelung in diesem Sinne zu überarbeiten. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Betriebsübergang“ veröffentlicht.
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Tarifjahr 2008 – differenzierte und vernüftige Abschlüsse Das Tarifjahr 2008 war geprägt durch hohe Lohnforderungen und eine spürbar gestiegene Streikbereitschaft der Gewerkschaften. Während das erste Halbjahr noch vom Aufschwung gezeichnet war, wurde die zweite Jahreshälfte von den Auswirkungen der weltweiten Finanzmarktkrise überschattet. Insofern ist es insgesamt ein positives Signal, dass die Tarifabschlüsse von Branche zu Branche ein beachtliches Maß an Differenzierung erkennen lassen. Damit ist es trotz entgegenstehender Vorzeichen gelungen, die vernünftige Tarifpolitik der vergangenen Jahre fortzusetzen. Die Tarifverhandlungen in der ersten Jahreshälfte standen noch ganz im Zeichen der guten wirtschaftlichen Entwicklung der beiden Vorjahre. Warnungen vor einer konjunkturellen Eintrübung blieben bei den Gewerkschaften ungehört. Vielmehr standen Forderungen nach 7 bis 8 % mehr Lohn auf der Tagesordnung. Grund für dieses tarifpolitisch aufgeheizte Klima lieferte das Gefühl auf der Arbeitnehmerseite, angeblich am Aufschwung nicht oder nur unzureichend beteiligt gewesen zu sein. Sogar von Teilen der Politik und der Regierung wurde für hohe Tarifabschlüsse geworben. Dabei hatte gerade die Lohnpolitik der Vorjahre dazu beigetragen, dass der Aufschwung möglich wurde und auch bei den Arbeitnehmern ankam – nicht nur in Form von deutlichen Lohnsteigerungen in den meisten Branchen, sondern vor allem auch durch rund 1,5 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze. Infolge hoher Steuerbelastungen, z. B. durch die kalte Progression, und gleichzeitig steigender Sozialversicherungsbeiträge blieb allerdings den Arbeitnehmern netto nicht einmal mehr die Hälfte der Lohnerhöhungen. Trotz des allgemeinen Druckes nach höheren Abschlüssen sind die Ergebnisse der Tarifverhandlungen äußerst differenziert. Sie schwanken in einer Bandbreite von 2,1 % in der Papierindustrie bis 5,2 % in der Stahlindustrie. Durch ein hohes Maß an flexiblen Entgeltbestandteilen konnte die Kostenbelastung für die Unternehmen in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden. Beispielhaft ist dabei insbesondere der Tarifabschluss in der chemischen Industrie, der ein hohes Maß an Differenzierung auf betrieblicher Ebene zulässt.
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik
Darüber hinaus haben aber auch Nullmonate und im Vergleich zu vorherigen Tarifrunden die deutlich längere Laufzeit von bis zu drei Jahren mit mehrstufigen Lohnerhöhungen zur Kostenentlastung beigetragen. Die zweite Hälfte des Tarifjahres 2008 war geprägt von der beginnenden globalen Konjunkturschwäche, die – beschleunigt durch die Finanzmarktkrise – in wachsender Intensität und Geschwindigkeit auch die deutsche Wirtschaft erfasst hat. Dies zeigt sich in einigen Branchen bereits in dramatischen Auftragseinbrüchen, allen voran in der Automobilindustrie und bei deren Zulieferern. Den Gewerkschaften fiel es vor dem Hintergrund der übersteigerten Erwartungshaltung aus dem ersten Halbjahr sehr schwer, sich den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Vor diesem Hintergrund erweist sich insbesondere der Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie als ein Zeichen der Vernunft und beweist, dass die Tarifpartner auch in schwierigsten Situationen verantwortungsvoll handeln und sich den geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen können.
Ausgewählte Tarifabschlüsse des Jahres 2008 Der erste große und zugleich sehr hohe Abschluss der Tarifrunde 2008 wurde Ende Februar in der Stahlindustrie mit der IG Metall vereinbart. Nach einem Nullmonat, für den eine Einmalzahlung von 200 € zu leisten ist, sieht der Tarifvertrag bei einer insgesamt 14-monatigen Laufzeit eine tabellarische Entgeltanhebung von 5,2 % vor. Dieses Ergebnis spiegelt in erster Linie die damalige konjunkturelle Sondersituation in der Branche wider. Mitte März hat die Bekleidungs- und Textilindustrie eine tabellenwirksame Entgelterhöhung von 3,6 % zuzüglich einer variabel ausgestalteten Einmalzahlung von 200 € bei drei Nullmonaten und einer Gesamtlaufzeit von zwölf Monaten vereinbart.
Deutlich oberhalb des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts liegen die beschlossenen Entgeltanhebungen von insgesamt 6,9 %, die Ende März im öffentlichen Dienst zwischen dem Bund, der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sowie ver.di und der dbb-tarifunion vereinbart wurden. Der Tarifabschluss beinhaltet einen einheitlichen Sockelbetrag von 50 € je Monat und eine zusätzliche Anhebung der Entgelte um 3,1 % in einer ersten Stufe sowie eine Einmalzahlung von 225 € und eine weitere Erhöhung um 2,8 % ab 2009. Im April folgte der Tarifabschluss in der chemischen Industrie. Dieser enthält eine 4,4 % ige Entgeltanhebung im Jahr 2008, verbunden mit einer variablen Einmalzahlung und anschließenden 3,3 % Entgeltanhebung im Jahr 2009. Als Entlastungsmoment wirken jedoch auch hier die relativ lange Gesamtlaufzeit des Tarifvertrages von 25 Monaten und die Möglichkeit, durch Betriebsvereinbarungen die Einmalzahlung aus wirtschaftlichen Gründen zu verschieben, zu verkürzen oder wegfallen zu lassen. Einen besonders hohen Preis zur Aufrechterhaltung ihres Tarifwerks musste die Deutsche Bahn AG zahlen. Zum einen hebt sich die Entgelterhöhung, die mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) vereinbart wurde, mit zunächst 8,0 % und anschließenden 3,0 % zuzüglich einer Einmalzahlung von 800 € bei einer Gesamtlaufzeit von nur 19 Monaten deutlich von den Ergebnissen anderer Branchen ab. Zum anderen war dieser Tarifkonflikt durch über elf Monate währende Streikmaßnahmen der GDL belastet. Hintergrund war die Forderung der GDL nach einem eigenständigen Tarifvertrag. Schließlich konnte aber ein Ergebnis erzielt werden, das sich konflikt- und widerspruchsfrei in das Tarifgefüge des Konzerns einfügt. Die Tarifvertragsparteien des Einzelhandels haben Mitte Juli in Baden-Württemberg nach insgesamt über 18-monatigen Verhandlungen eine Einigung mit Pilotcharakter erzielt. Sie sieht eine Erhöhung der Entgelte um 3,0 % ab April 2008 vor, zuzüglich einer Einmalzahlung in Höhe von 400 € für den Zeitraum April 2007 bis März 2008. Weiterhin wurde für die Beschäftigten in den Verkaufsstellen des Einzelhandels für die Jahre 2009
und 2010 eine Vorsorgeleistung in Höhe von je 150 € vereinbart, die grundsätzlich wahlweise in Form einer Altersvorsorge oder als Guthaben für ein Langzeitkonto gewährt wird. Mit der regionalspezifischen Übernahme des Abschlusses durch weitere Tarifgebiete konnte so das drohende Ende der Flächentarifverträge im Einzelhandel abgewendet werden. Damit ist zugleich auch ein Signal an die Politik gegangen, dass die Tarifvertragsparteien selbst in schwierigen Situationen in der Lage sind, Lösungen zu finden, und dass die Festlegung von Mindestentgelten Aufgabe der Tarifvertragsparteien und nicht des Staates ist. Am 1. August 2008 haben sich die Tarifpartner ver.di und AVH/DLH für das Bodenpersonal im Lufthansa-Konzern auf einen Tarifabschluss verständigt, dessen Laufzeit insgesamt 21 Monate beträgt. Ab dem 1. Juli 2008 werden die Vergütungen für die Bodenmitarbeiter um 5,1 % und ab dem 1. Juli 2009 um weitere 2,3 % angehoben. Außerdem erhalten sie eine Einmalzahlung in Höhe von 1,5 % des jeweiligen Jahreseinkommens. Für die Kabinenmitarbeiter gelang ein Abschluss mit gleichem Volumen, aber kabinenspezifischer Ausgestaltung. Am 8. September 2008 wurde für die keramische Industrie ein Tarifergebnis erzielt. Für die einzelnen Tarifbereiche werden in allen Betrieben der technischen Keramik die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für die Dauer von 18 Monaten um 4,0 % erhöht. Danach erfolgt für weitere zehn Monate eine Erhöhung um 2,45 %. Die Gesamtlaufzeit beträgt 28 Monate. Für die Tarifbereiche der feinkeramischen Industrie erfolgt die erste Tarifanhebung nach drei Nullmonaten für die Dauer von 15 Monaten und anschließend eine Erhöhung um 2,45 % für weitere zehn Monate. Die Empfehlungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe AKI/IG BCE zur Anpassung der Manteltarifverträge an die Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sollen bis zum 1. Januar 2009 umgesetzt werden. Anfang November 2008 einigten sich der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) mit den beiden Journalisten-Gewerkschaften Deutscher Journalisten-Verband (DJV) und Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-
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Ausgewählte Tarifabschlüsse 2008 Tarifbereich / Beschäftigte
Tariferhöhung in %
Laufzeiten (Gesamtlaufzeit)
Weitere Vereinbarungen / Bemerkungen
Stahlindustrie West + Ost (20.02.08) 85.000
5,2
03/08 – 03/09 Nullmonat m. Einmalzahlung (14 Monate)
Einmalzahlung von 200 €
Deutsche Bahn AG Lokführer West + Ost (30.01./09.03.08) 20.000
8,0 3,0*
03/08 – 08/08 09/08 – 01/09 8 Nullmonate m. Einmalzahlung (19 Monate)
Einmalzahlung von 800 € *) durchschnittliche Anhebung (bei unveränderter Anfangsstufe) Stufenweise Absenkung der Jahressollarbeitszeit Grundlagenvertrag zur Regelung der Beziehung von Bahngewerkschaften und Arbeitgeberverband
Bekleidungsindustrie/ Textilindustrie West (11.03.08) 120.000
3,6
06/08 – 02/09 3 Nullmonate m. Einmalzahlung (12 Monate)
Variabel gestaltete Einmalzahlung von 200 € Altersteilzeit-Verlängerung bis Ende 2009 Empfehlung zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft
Öffentlicher Dienst Bund, Gemeinden West + Ost (31.03.08) 2.000.000
3,1 + 50 € Sockelbetrag 2,8
01/08* – 12/08
*) Tarifanhebung Ost ab April 2008 Zusätzliche Pauschale von 225 € im Januar 2009 Arbeitszeitverlängerung für Gemeinden West auf 39 Stunden Vereinbarung zur Ost-West-Angleichung der Entgelte
Chemische Industrie West + Ost (16./27.04.08) 580.000
4,4 3,3
Laufzeitbeginn regional unterschiedlich 03-05/08 – 03-05/09 04-06/09 – 03-05/10 (25 Monate)
Papier, Pappe und Kunststoffverarbeitung West + Ost (08.05.08) 95.000
3,9 2,9
05/08 – 04/09 05/09 – 04/10 1 Nullmonat (25 Monate)
Immobilienwirtschaft West + Ost (28.05.08) 50.000
3,0 1,5 1,0
07/08 – 06/09 07/09 – 04/10 05/10 – 11/10 (29 Monate)
West: 2 zusätzliche Einmalzahlungen für 2008 und 2009 in Höhe von 1 % bezogen auf 12 Monatseinkommen Ost: Einmalzahlungen können ganz oder teilweise gewährt werden
Entsorgungswirtschaft West + Ost (03.06.08) 20.000
2,8 + 50 € Sockelbetrag 3,0
05/08 – 04/09 05/09 – 04/10 4 Nullmonate m. Einmalzahlung (28 Monate)
Einmalzahlung von 100 € Stufenweise Verlängerung der Wochenarbeitszeit West von 37 auf 38 Stunden Vereinbarung von Mindestlohnverhandlungen mit VKA und ver.di
Einzelhandel Baden-Württemberg (10.07.08) 220.000
3,0
04/08 – 03/09 12 Nullmonate m. Einmalzahlung (24 Monate)
Pilotabschluss im Einzelhandel Einmalzahlung von 400 € Pauschale von 150 € /Jahr, alternativ für Altersvorsorge, Wertguthaben auf Langzeitkonto oder als Warengutschein Zuschlag für Samstagsarbeit ab 18 Uhr 30 (bisher 14 Uhr 30) Regionalspezifische Übernahme des Tarifergebnisses
Deutsche Lufthansa AG Boden/Kabine (01.08.08) 50.000
5,1 2,3
07/08 – 06/09 07/09 – 02/10 Nullmonat m. Einmalzahlung (21 Monate)
Einmalzahlung von 1,5 % des Jahresentgelts Einmalige Anhebung der Ergebnisbeteiligung für 2007 Vereinbarung Kabine steht unter Vorbehalt eines entsprechenden Verhandlungsergebnisses mit UFO (Unabhängige Flugbegleiter Organisation)
Metall-/Elektroindustrie West + Ost (12.11.08*) 3.600.000
2,1 2,1 (auf Basis 06/08)
02/09 – 04/09 05/09 – 04/10 3 Nullmonate m. Einmalzahlung (18 Monate)
* Pilotabschluss in Baden-Württemberg Einmalzahlung von 510 € Zusätzl. Einmalzahlung von 122 € f. Mai – Dez. 2009 Öffnungsklauseln ermöglichen Laufzeitbeginn der 2. Anhebungsstufe (2,1 %) ab Dez. 2009 + Entfallen der Einmalzahlung (122 €), abhängig von der wirtschaftlichen Lage (durch freiwillige Betriebsvereinbarung) 1,6 % (je 0,4 % f. Jan. – April 2010) als ArbeitnehmerFinanzierungsanteil f. „Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente“ (Abschluss in Baden-Württemberg, 03.09.08)
Papierindustrie West (25.11.08) 45.000
2,1 2,4
12/08 – 12/09 01/10 – 08/10 2 Nullmonate m. Einmalzahlung (23 Monate)
Einmalzahlung von 200 € Modifizierter Altersteilzeit-TV ab 2010
Quelle: BDA Tarifarchiv
01/09 – 12/09 (24 Monate)
Zusätzliche, auf 1. Stufe der Laufzeit (13 Monate) bezogene und variabel gestaltete Einmalzahlung von 0,5 % des Tarifentgelts Fortschreibung des TV „Zukunft durch Ausbildung“ mit insgesamt 18.200 Ausbildungsplätzen für 2009 und 2010 TV „Lebensarbeitszeit und Demografie“ mit betrieblichen Fonds ab 2010 Ost: 2-stufige Entgeltanpassung Berlin-West im Oktober 2008/2009
Union (dju) in ver.di auf neue Tarifvereinbarungen für die rund 23.000 Redakteure von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Beide Tarifverträge haben eine Laufzeit von zwei Jahren und sehen nach drei Monaten jeweils Tarifanhebungen von 2,4 % für elf Monate und 1,6 % für weitere zehn Monate vor. Zusätzlich erhalten die Redakteure bei den Zeitungsverlegern eine Pauschalzahlung von 0,6 % des Jahresentgelts und die Zeitschriftenredakteure 300 € pauschal. Die Mantel- und Altersvorsorge-Tarifverträge werden bis Ende 2010 unverändert beibehalten.
tet umfangreiche Möglichkeiten zur betrieblichen Differenzierung: Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten können die zweite Stufe der vereinbarten Entgelterhöhung um bis zu sieben Monate verschieben. Im Verhältnis der Verschiebung verringert sich auch die Einmalzahlung von 122 € im September 2009. Zu begrüßen ist, dass die besondere Struktur des Abschlusses aus Einmalzahlungen sowie zwei Tabellenerhöhungen mit betrieblichen Differenzierungsmöglichkeiten der unterschiedlichen Situation in der Branche Rechnung trägt.
Bereits am 23. September war die IG Metall mit einer 8 % - Forderung und damit mit der höchsten Lohnforderung seit 16 Jahren in die Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie gestartet. Die Forderung der IG Metall war unverantwortlich und ging an der wirtschaftlichen Realität vorbei. Auch in den vergangenen Jahren wurden die Arbeitnehmer der Metall- und Elektroindustrie umfassend am Erfolg der Branche beteiligt, nicht nur durch ordentliche Reallohnzuwächse. Seit Mitte 2006 wurden in der Branche sogar rund 250.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Befand sich die Metallund Elektroindustrie bereits schon vor der Finanzmarktkrise in einer Phase des konjunkturellen Umbruchs, hat diese zu neuen Unsicherheiten geführt. Vor diesem Hintergrund waren überzogene Lohnforderungen besonders gefährlich. Die Forderung der IG Metall stellte nicht nur die erreichten Erfolge in Frage, sondern bedrohte die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.
Ende November 2008 hat die Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie (VAP) mit der IG BCE ein Tarifergebnis für die westdeutschen Mitgliedsverbände erzielt. Bei einer Laufzeit von insgesamt 23 Monaten und einer vorgeschalteten Einmalzahlung von 200 € für die ersten zwei Monate steigen die Entgelte ab Dezember 2008 um 2,1 % und ab Januar 2010 um weitere 2,4 %.
Trotz dieser schwierigen Ausgangslage kam es schon in der vierten Verhandlungsrunde am 12. November 2008 in Baden-Württemberg zu einem Ergebnis, das Pilotcharakter für die 3,6 Mio. Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie hatte. Der Abschluss sieht bei einer 18-monatigen Laufzeit für die Monate November, Dezember 2008 sowie Januar 2009 eine Einmalzahlung von 510 € vor. Ab Februar 2009 steigen die Tarifentgelte zunächst um 2,1 % und ab Mai 2009 um weitere 2,1 %, insgesamt also um 4,2 % auf Basis der Lohntabellen von Juni 2008. Eine weitere Pauschalzahlung von 122 € wird im September 2009 fällig. Als anteiliger Finanzierungsbeitrag für den Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente wurde ein Volumen von 1,6 % für die Monate Januar bis April 2010 vereinbart. Der Tarifvertrag bie-
Antworten der Tarifpartner auf den demografischen Wandel Eine innovative Lösung für den Umgang mit dem demografischen Wandel bietet der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ der chemischen Industrie vom 16. April 2008. Mit diesem Tarifvertrag werden die Herausforderungen der alternden Gesellschaft aufgegriffen und Unterstützung im Interesse einer längeren Beschäftigung angeboten. Zentraler Baustein des Tarifvertrages sind betriebliche Demografiefonds. Die Betriebe stellen ab 2010 einen Betrag von zunächst jährlich 300 € je Tarifarbeitnehmer für Instrumente zur flexiblen Gestaltung der Lebensarbeitszeit zur Verfügung. Zur Wahl stehen Langzeitkonten, Teilrente, Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Chemie, tarifliche Altersvorsorge und Altersteilzeit. Die Auswahl der konkreten Instrumente für die Verwendung des Demografiefonds erfolgt aufgrund freiwilliger Betriebsvereinbarungen. Falls auf betrieblicher Ebene keine Einigung erzielt wird, ist als Auffangregelung für Betriebe mit bis zu 200 Arbeitnehmern die tarifliche Altersvorsorge vorgesehen. Betriebe mit mehr als 200 Arbeit-
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Kündigungstermine ausgewählter Lohn- und Gehaltstarifverträge Kündigungstermine
Branche
Tarifgebiete
Beschäftigte in Tsd.
Gewerkschaften
01/09
Deutsche Bahn AG
West + Ost
140
Transnet, GDBA, GDL
02/09
Textil-/Bekleidungsindustrie
West
120
IGM
03/09
Bauwirtschaft Druckindustrie Stahlindustrie Textilindustrie Deutsche Lufthansa AG (Piloten) Groß- und Außenhandel Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie Einzelhandel
West + Ost West + Ost West + Ost Ost West + Ost West + Ost West + Ost West + Ost
700 180 85 17 4 1.100 140 2.700
IG BAU ver.di IGM IGM VC (Cockpit) ver.di IGM ver.di
06/09
Süßwarenindustrie Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Maler- und Lackiererhandwerk
West West + Ost West + Ost
50 80 140
NGG IG BAU IG BAU
07/09
Volkswagen AG
West
100
IGM
09/09
Versicherungswirtschaft Gebäudereinigerhandwerk
West + Ost West + Ost
220 850
ver.di IG BAU
11/09
Kautschukindustrie (ADK)
West + Ost
43
IG BCE
12/09
Öffentlicher Dienst (Bund, Gemeinden)
West + Ost
1.300
ver.di
02/10
Deutsche Lufthansa AG (Boden, Kabine)
West + Ost
50
ver.di
03/10 03 – 05/10
Landwirtschaft Chemische Industrie
West + Ost West + Ost
40 580
IG BAU IG BCE
04/10
Metall-/Elektroindustrie Papier-, Pappe- und Kunststoffverarbeitung Energieversorgung (EON-Bereich) Entsorgungswirtschaft
West + Ost West + Ost West + Ost West + Ost
3.600 95 30 20
IGM ver.di ver.di ver.di
06/10
Deutsche Post AG Energieversorgung (GWE-Bereich)
West + Ost West + Ost
130 15
ver.di ver.di
07/10
Zeitungs- /Zeitschriftenverleger (Redakteure)
West + Ost
23
ver.di, DJV
08/10
Papierindustrie Dachdeckerhandwerk
West West + Ost
45 55
IG BCE IG BAU
09/10
Reisebürogewerbe Schuhindustrie Zigarettenindustrie
West + Ost West + Ost West + Ost
70 14 10
ver.di IG BCE NGG
10 – 11/10
Keramische Industrie
West
25
IG BCE
11/10
Wohnungs-/Immobilienwirtschaft
West + Ost
50
IG BAU/ver.di
12/10
Steinkohlenbergbau
West
40
IG BCE
2009
03 – 04/09 03 – 06/09
2010
Quelle: BDA Tarifarchiv
78
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik
nehmern müssen die Wertguthaben aus dem Demografiefonds in ein Langzeitkonto einbringen. Wird keine Einigung über die Verwendung des Langzeitkontos erzielt, soll es zur Freistellung vor der Altersrente genutzt werden. Die Altersteilzeit dürfte künftig nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Es besteht ab 2010 kein individueller Anspruch auf Altersteilzeit mehr. Die Aufstockungsbeträge sind aus den Mitteln des Demografiefonds zu finanzieren und damit begrenzt. Gleichzeitig entfällt die bisherige Abfindungsregelung, mit der Renteneinbußen ausgeglichen werden sollten. Außerdem darf der „Demografiebetrag“ im Rahmen der Altersteilzeit nicht zur Personalreduzierung verwendet werden. In der Metall- und Elektroindustrie wurde unter voller Berücksichtigung der Ende 2009 auslaufenden gesetzlichen Förderung der Altersteilzeit mit dem „Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente“ am 3. September in Baden-Württemberg eine Nachfolgeregelung für die bestehenden Altersteilzeitvereinbarungen getroffen. Mit finanzieller Beteiligung der Arbeitnehmer wird zur Flankierung des demografischen Wandels der Weg sozialverträglicher Personalanpassungen ermöglicht. Der Tarifvertrag eröffnet den Unternehmen umfassende Gestaltungsspielräume, die neben der Umsetzung tariflicher Rahmenregelungen zur Altersteilzeit sowohl eine betriebsindividuelle Ausgestaltung als auch die vollständige Ablösung der Altersteilzeit durch andere betrieblich zu vereinbarende Zwecke demografiefester Personalpolitik erlauben. Der Tarifvertrag halbiert den generellen Anspruch auf Altersteilzeit auf 2,5 %, verkürzt die reguläre Altersteilzeit auf vier Jahre und koppelt sie unmittelbar an den abschlagsfreien Renteneintritt. Das senkt die Kostenbelastung für die Betriebe, fördert eine längere Lebensarbeitszeit und unterstützt so die „Rente mit 67“. Damit haben die Tarifparteien der Metall- und Elektroindustrie eine zukunftsfähige Lösung gefunden und gleichzeitig Tatkraft und Gestaltungswillen bewiesen. Qualifizierte Fachkräfte und Leistungsträger stehen den Betrieben künftig länger zur Verfügung; Arbeitnehmer, die nicht mehr arbeiten können, dürfen weiter vorzeitig zu attraktiven Konditionen aussteigen. Das beweist: Die Tarifautonomie
funktioniert und bringt weitaus bessere Lösungen hervor als eine staatlich verordnete Sozialpolitik. Die Unternehmen erhalten künftig größtmögliche Freiheit: Sie können alte Betriebsvereinbarungen weiter nutzen, die Altersteilzeit zusammen mit dem Betriebsrat nach eigenen Vorstellungen neu gestalten oder die Mittel für andere Maßnahmen einer demografiefesten Personalpolitik verwenden. Dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer künftig die Kosten teilen und völlig auf öffentliche Subventionen verzichten, spiegelt den gesellschaftspolitisch notwendigen Mentalitätswandel wider. Schließlich konnten sich die Tarifvertragsparteien in der westdeutschen Papierindustrie im Rahmen des Tarifabschlusses vom November auf eine Nachfolgeregelung für den bis Ende 2009 laufenden Altersteilzeit-Tarifvertrag einigen. Nach dem geänderten „Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit“ mit einer Laufzeit von 2010 bis 2014 ist Altersteilzeit zukünftig erst nach Vollendung des 57. Lebensjahres (bisher 55. Lebensjahr) möglich. Der Beginn der Altersteilzeit kann vom Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Erfordernissen um zwölf Monate (bisher sechs Monate) hinausgeschoben werden. Der Tarifvertrag enthält zahlreiche Öffnungsklauseln, nach denen durch freiwillige Betriebsvereinbarung teils mit und teils ohne Zustimmung der Tarifvertragsparteien betriebsspezifische Regelungen getroffen werden können. Durch freiwillige Betriebsvereinbarung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann z. B. die Überforderungsquote von 5 % auf bis zu 3 % herabgesetzt werden. Abfindungszahlungen bei vorzeitigem Renteneintritt entfallen, können aber weiterhin durch freiwillige Betriebsvereinbarung vorgesehen werden. Ein Demografiefonds wie in der chemischen Industrie wird nicht eingeführt.
Branchentarif nach wie vor prägend Der Tarifvertrag – insbesondere der Branchentarifvertrag – ist nach wie vor die prägende Ordnungsgröße der Arbeitsbeziehungen in Deutschland. Die aktuellen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zur Verbreitung von Branchen- und Firmentarifverträgen zeigen, dass die
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Tarifbindung 2002 – 2007 Anteil der Beschäftigten Prozent 100
15
16
8
8
17
19
18
19
90
80 17
17
8
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70
60
60
59
58
8
17
9
8
19
20
54
53
2006
2007
56
50
40
30
20
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0 2002
2003
kein Tarifvertrag Firmentarifvertrag Orientierung am Branchentarif Branchentarifvertrag Quelle: IAB-Betriebspanel; Darstellung: BDA
80
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik
2004
2005
Jahr
Tarifbindung nahezu unverändert hoch geblieben ist. Insgesamt arbeiteten im Jahre 2007 rund 73 % der Beschäftigten in Deutschland unmittelbar oder mittelbar auf der Basis von Branchentarifverträgen, 8 % auf Basis von Firmentarifverträgen. Für die meisten Unternehmen sind damit die kollektiv ausgehandelten Arbeitsbedingungen nach wie vor die bevorzugte Form der Regelung der Arbeitsbeziehungen. Im Einzelnen galten 2007 in Deutschland in 32 % aller Betriebe mit 53 % aller Beschäftigten Branchentarifverträge unmittelbar, während es im Vorjahr noch 54 % der Beschäftigten waren. Der Anteil der Betriebe, die sich an einem Branchentarifvertrag orientieren, lag bei 27 % aller Betriebe mit 20 % aller Beschäftigten, was einem Zuwachs bei den Beschäftigten um einen Prozentpunkt entspricht. Für 3 % aller Betriebe mit 8 % aller Beschäftigten galten Firmentarifverträge. Damit wurden 62 % aller Betriebe mit 81 % aller Beschäftigten direkt oder indirekt durch Tarifverträge erfasst. Der leichte Rückgang der unmittelbaren Bindung an den Branchentarif bei den Beschäftigten wurde durch eine Zunahme bei der mittelbaren Tarifbindung kompensiert. Dadurch wird aber auch deutlich, dass die Bedeutung individueller betrieblicher Gestaltungsspielräume weiter zunimmt. Um langfristig die originäre Bindungskraft der Branchentarifverträge wieder zu stärken, muss deshalb der tarifpolitische Reformprozess hin zu einer neuen Balance zwischen tariflichen und betrieblichen Regelungen weiter konsequent fortgesetzt werden.
Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung unbegründet Die Veröffentlichung aktueller Zahlen zur Wochenarbeitszeit der Beschäftigten in den EU-Mitgliedstaaten war für die Gewerkschaften ein Anlass für erneute Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung. Diese Forderung ist verfehlt. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland nach wie vor zu den Ländern mit der kürzesten tariflichen Jahressollarbeitszeit (1.657 Stunden), der kürzesten tariflichen Wochenarbeitszeit (37,6 Stunden) und den meisten Urlaubstagen (30 Tage). Dieser Wettbewerbsnachteil wird durch die EU-Erweiterung
verschärft. Die neuen Mitgliedstaaten der EU gehören fast alle zu den Ländern mit den längsten tariflichen Arbeitszeiten von bis zu 40 Stunden pro Woche. Die durchschnittlich tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit liegt mit etwa 41 Stunden zwar auch in Deutschland über der tariflichen Arbeitszeit. Hier muss aber berücksichtigt werden, dass es sich dabei regelmäßig um Überstunden handelt und für diese häufig Zuschläge anfallen, die an Sonn- und Feiertagen bis zu 150 % betragen können. Zudem ist ein Anstieg nicht erkennbar, vielmehr schwankte die Wochenarbeitszeit in den vergangenen zehn Jahren zwischen 41,0 und 41,8 Stunden.
Pläne der Koalition zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne über Entsendegesetz und Mindestarbeitsbedingungengesetz Im Mittelpunkt der Diskussion über gesetzliche Mindestlöhne stand in diesem Jahr die Umsetzung des bereits völlig verfehlten Koalitionskompromisses vom Juni 2007. Die damit verbundenen Befürchtungen wurden von den Anfang Januar vom Bundesarbeitsminister vorgelegten Entwürfen zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zur Änderung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes bestätigt. Geschaffen werden sollte ein System flächendeckender, branchenbezogener Mindestlöhne verbunden mit der Ermächtigung, Tarifverträge außer Kraft zu setzen. Dies stellte einen brutalen Angriff auf die Tarifautonomie dar. Das Präsidium der BDA hat die Bundesregierung umgehend aufgefordert, die Gesetzentwürfe zurückzuziehen. Die beteiligten unionsgeführten Bundesministerien und das Bundeskanzleramt sind dem zumindest teilweise gefolgt. Sie sahen in den Entwürfen keine geeignete Diskussionsgrundlage und stoppten die Ressortabstimmung.
Gesetzentwürfe ermächtigen zum Eingriff in die Tarifautonomie Die BDA hat gegenüber der Koalition deutlich gemacht, welcher Missbrauch aufgrund der Gesetze möglich ist und welche Gefahren davon für die
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik
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Durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit 2007 im europ채ischen Vergleich Stunden 40,5 40
40
40
39,5 39
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38,8 38,6
38,5 38,2 38
38
37,9 37,6
37,5
37,5 37,3 37
37
36,5
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35,5 35
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34,5
PL
GRE
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Quelle: EIRO 2008; Darstellung: BDA
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BDA | Gesch채ftsbericht 2008 | Tarifpolitik
A
EU-27
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Tarifautonomie ausgehen. Mitte Juni wurden vom Bundesarbeitsminister neue Gesetzentwürfe vorgelegt, die in einigen Punkten Nachbesserungen enthielten. So soll z. B. die regionale Anwendung der Gesetze und damit die Möglichkeit der flächendeckenden Lohnfestsetzung in allen Branchen entfallen. Die Anwendung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes soll auf Mindestentgelte beschränkt werden und nicht mehr alle Arbeitsbedingungen umfassen. Unverändert enthielten beide Gesetzentwürfe allerdings die Ermächtigung, tarifvertragliche Regelungen auszuschalten. Sie ermöglichen damit weiterhin einen Eingriff in die Tarifautonomie. Dies konnte mittels zweier Rechtsgutachten verdeutlicht werden, die im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Die Bundesregierung verabschiedete schließlich am 16. Juli 2008 die Regierungsentwürfe zum Entsendegesetz und zur Änderung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes und leitete damit das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ein. Die Regierungsentwürfe enthalten noch weitere, kleine Verbesserungen, wie z. B. einen begrenzten Tarifvorbehalt beim Mindestarbeitsbedingungengesetz. Dieser soll zumindest für die Tarifverträge erhalten bleiben, die zum Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses am 16. Juli 2008 bereits in Kraft waren, sowie deren unmittelbare Folgetarifverträge. Nach dem geltenden Mindestarbeitsbedingungengesetz haben Tarifverträge immer Vorrang vor einer staatlichen Lohnfestsetzung. Dies ist keine Wohltat des Gesetzgebers, sondern verfassungsrechtlich unverzichtbar zum Schutz der Tarifautonomie. Dieser Tarifvorrang soll nun durch die Ermächtigung begrenzt werden, Tarifverträge durch staatliche Eingriffe außer Kraft setzen zu können. Entsprechend der Übergangsregelung sollen lediglich Tarifverträge, die bereits am 16. Juli 2008 – dem Tag des Kabinettsbeschlusses – in Kraft waren, bzw. unmittelbare Folgetarifverträge staatlich festgesetzten Mindestentgelten vorgehen. Wir setzen uns demgegenüber für einen klaren, uneingeschränkten Tarifvorrang ein. Unnötig und damit abzulehnen ist auch die Umgestaltung des bestehenden Entsendege-
setzes zu einem Gesetz zur staatlichen Lohnfestsetzung. Mit dem Regierungsentwurf soll gerade jene Regelung im Entsendegesetz gestrichen werden, deretwegen das Berliner Verwaltungsgericht am 7. März 2008 die Post-Mindestlohnverordnung für rechtswidrig erklärt hat. So sieht der neue Entwurf die Ermächtigung zur Erstreckung auch auf anders Tarifgebundene vor. Dagegen beschränkt sich der Wortlaut des geltenden Gesetzes darauf, mit den Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erfassen. Mit der geplanten Änderung wird die Voraussetzung für eine Reparatur der Post-Mindestlohnverordnung geschaffen, durch welche bereits tausende Arbeitsplätze vernichtet wurden. Mit der geplanten Regelung zur Tarifkonkurrenz, wonach bei mehreren Tarifverträgen in einer Branche die Repräsentativität dafür ausschlaggebend sein soll, ob ein Tarifvertrag zwangsweise erstreckt wird, zielt der Gesetzentwurf klar auf die Schwächung kleiner Gewerkschaften. Die Erstreckung eines für repräsentativ erachteten Tarifvertrages auf die gesamte Branche hätte das Ende konkurrierender Tarifverträge zur Folge. Dies wäre eine verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Ermächtigung zur staatlichen Zensur von Tarifverträgen.
Voraussetzungen für die Aufnahme weiterer Branchen fehlen Gemäß dem Koalitionskompromiss hatten bis zum 31. März 2008 die Tarifvertragsparteien der Branchen die Möglichkeit, ihr Interesse an einer Aufnahme in das Entsendegesetz anzumelden. Es überraschte nicht, dass sich zu diesem Termin letztlich nur acht überwiegend kleinere Branchen bzw. Teilbranchen beim BMAS gemeldet hatten. Und von diesen acht Branchen, über deren Aufnahme parallel zum Gesetzgebungsverfahren in einer Arbeitsgruppe von CDU/CSU und SPD beraten wird, erfüllt derzeit keine die Voraussetzungen für die Aufnahme. Insbesondere die Aufnahme der Zeitarbeit scheidet wegen konkurrierender Tarifverträge in der Branche aus. Zudem finden fast flächendeckend Tarifverträge Anwendung, so dass nicht von sozialen Verwerfungen ausgegangen werden kann. Bei den meisten anderen Bran-
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Zeitarbeiter: Viele bleiben im Kundenbetrieb So viel Prozent der Zeitarbeitnehmer, die ihr ehemaliges Zeitarbeitsunternehmen verlassen haben, sind jetzt … Prozent 30
25
24,3 21,9
20 15,1
15
10 6,4
5
3,1
0 beim letzten Kundenunternehmen
bei einem anderen Arbeitgeber
erwerbslos
Befragung von 210 Zeitarbeitsunternehmen im Januar 2008, Rest zu 100: keine Informationen Quelle: IW-Zeitarbeitsindex (BZA); Darstellung: BDA
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik
bei einem anderen Zeitarbeitsunternehmen
in Rente, Mutterschutz, Studium etc.
chen ist, soweit sie überhaupt schon über einen Mindestlohntarifvertrag verfügen, das Erreichen des notwendigen 50 %-Quorums mehr als zweifelhaft. Ein Entsendeproblem besteht derzeit in keiner der Branchen. Die BDA hat zu dem Thema die kompakt „Mindestlohn“, „Gesetzentwurf zum ArbeitnehmerEntsendegesetz“ und „Gesetzentwurf zum Mindestarbeitsbedingungengesetz“, die argumente „Tarifautonomie – Säule der Sozialen Marktwirtschaft“, „Arbeitsplätze statt Mindestlohn“ und „Mindestlohn – vom Ausland lernen“ sowie die Broschüre „Tarifautonomie statt Mindestlohn – 13 gute Gründe gegen einen gesetzlichen Mindestlohn“ veröffentlicht.
Zeitarbeit als Jobmotor sichern Die Bedeutung der Zeitarbeit als Beschäftigungsmotor ist ungebrochen. Zum 31. Dezember 2007 gab es nach den aktuellen Zahlen der BA insgesamt 721.000 Zeitarbeitnehmer und damit ca. 14 % mehr Beschäftigte in der Branche als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Von insgesamt 500.000 neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen 2007 sind allein 127.000 in der Zeitarbeit entstanden. Der Zuwachs hat allerdings im Vergleich zu den vergangenen Jahren etwas nachgelassen. Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Monaten infolge der konjunkturellen Veränderungen verstärken, da Unternehmen bei nachlassendem Personalbedarf als Erstes den Einsatz von Zeitarbeitnehmern reduzieren. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wird allerdings die Zeitarbeit wieder an Bedeutung gewinnen. Sie gibt den Unternehmen die notwendige Flexibilität.
Zeitarbeit hat große beschäftigungspolitische Bedeutung Arbeitnehmer erhalten durch Zeitarbeit die Chance zur Qualifizierung durch Beschäftigung. Dies gilt vor allem für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose. Arbeitnehmer haben so – wie durch keine andere Branche – die Chance zum Einstieg in Arbeit. Zeitarbeit leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung und Überwindung von Arbeitslosigkeit. Nach den aktuellen Zahlen der
BA waren am 31. Dezember 2007 rund 65 % der in Zeitarbeit Beschäftigten zuvor ohne Arbeit, 13 % sogar langzeitarbeitslos. Eine aktuelle Studie des IW-Zeitarbeitsindex zeigt zudem, dass fast ein Viertel der Zeitarbeitnehmer von Kundenunternehmen übernommen werden, wenn sie dort eine gewisse Zeit gearbeitet haben. Ein weiteres Fünftel kommt in einem anderen Betrieb außerhalb der Zeitarbeit unter. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels wird das Thema „Ausbildung und Qualifizierung von Zeitarbeitsunternehmen“ weiter an Bedeutung gewinnen. Nur so können Zeitarbeitsunternehmen ihren Kundenunternehmen das gewünschte Personal zur Verfügung stellen. Zugleich leisten sie so einen wichtigen Beitrag zur Überwindung des Fachkräftemangels, indem sie bestehende Beschäftigungspotenziale heben.
Forderungen nach Einschränkung der Zeitarbeit sind beschäftigungsfeindlich Vor dem Hintergrund der großen beschäftigungspolitischen Bedeutung der Zeitarbeit sind Forderungen nach neuen Hürden kontraproduktiv. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt gerade, dass eine wirksame Deregulierung und ein Mehr an Flexibilität Arbeitsplätze schaffen können. Das Rad der Geschichte zurückzudrehen und alte Beschränkungen wieder einzuführen, würde vielen Menschen, vor allem Langzeitarbeitslosen, die Chance auf Rückkehr in den Arbeitsmarkt nehmen. Vor diesem Hintergrund hat das Präsidium der BDA am 28. Januar 2008 den Beschluss „Zeitarbeit: Flexibilität schafft Beschäftigung“ gefasst. Darüber hinaus versuchen die Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, seit geraumer Zeit auf verschiedenen Wegen, ihre Forderung nach Beschränkungen der Zeitarbeit umzusetzen. In diesem Zusammenhang fordert die IG Metall sowohl von Zeitarbeitsunternehmen als auch von deren Kundenunternehmen den Abschluss sog. „Fairness-Abkommen“. Inzwischen hat der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) mit der IG Metall ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet, so dass sich weiter gehende Forderungen erübrigen. Die von der IG Metall in ihrer gegen die Zeitarbeit gerichteten Kampagne „Gleiche Arbeit – gleiches Geld“ aufgestellten Behauptungen entbehren jeder Grundlage.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik
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Zeitarbeitsrichtlinie erkennt beschäftigungspolitische Bedeutung der Zeitarbeit an Auf europäischer Ebene hat das Europäische Parlament am 22. Oktober 2008 die Zeitarbeitsrichtlinie angenommen (vgl. im Einzelnen Kapitel „Europa und Internationales“). Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Zentraler Punkt der Zeitarbeitsrichtlinie ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung bzw. der Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach ein Zeitarbeitnehmer grundsätzlich entsprechend einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers behandelt werden muss. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz ist in Deutschland bereits seit dem 1. Januar 2004 geltendes Recht. Das deutsche Zeitarbeitsrecht entspricht insofern bereits der Richtlinie. Die Möglichkeit, durch tarifvertragliche Vereinbarungen von diesem Grundsatz abzuweichen, sieht auch die Richtlinie unverändert vor. Einer Änderung des deutschen Rechts bedarf es daher insoweit nicht. Positiv ist hervorzuheben, dass die Zeitarbeitsrichtlinie die Bedeutung der Zeitarbeit im Interesse der Unternehmen und Arbeitnehmer anerkennt und Einschränkungen und Verbote nur noch unter engen Voraussetzungen zulässt. Aktuelle Forderungen nach einer Einschränkung der Zeitarbeit müssen damit vom Tisch. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Zeitarbeit“ sowie die argumente „Jobmotor Zeitarbeit“ veröffentlicht.
Tarifautonomie braucht Tarifeinheit Zunehmend versuchen Sparten- und Berufsgewerkschaften, ihre Schlüsselposition auszunutzen und trotz eines alle Beschäftigten umfassenden Tarifvertrages einen zusätzlichen Spartentarifvertrag durchzusetzen. Dadurch wird der Grundsatz der Tarifeinheit, nach dem in einem Betrieb grundsätzlich nur ein Tarifvertrag angewendet wird, in Frage gestellt. Der Grundsatz der Tarifeinheit ist ein Garant für die tarifliche Friedenspflicht und damit eine tragende Säule unseres funktionierenden Tarifvertragssystems. Unternehmen müssen sich
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik
jedoch darauf verlassen können, während der Laufzeit eines Tarifvertrages keinen weiteren Tarifforderungen ausgesetzt zu werden. Die Entwicklungen bei der Deutsche Lufthansa AG und bei der Deutsche Bahn AG haben gezeigt, wohin die Zerfaserung der Tariflandschaft führt: Die Unternehmen sehen sich immer wieder mit neuen, sich gegenseitig hochschaukelnden Tarifforderungen und Streiks von Spartengewerkschaften konfrontiert. Die Bahn musste einen hohen Preis dafür zahlen, dass die im Konzern vertretenen Gewerkschaften zum Abschluss von Vereinbarungen bereit waren, in denen sie sich verpflichten, ihre jeweiligen Zuständigkeitsbereiche zu respektieren. Eine Kooperationsvereinbarung zwischen den Gewerkschaften ist bisher jedoch nicht zustande gekommen. Bei der Lufthansa zeichnen sich immer wieder Konflikte ab, die mit dem Aufbrechen der Tarifeinheit verbunden sind. So hat z. B. die Spartengewerkschaft für das Kabinenpersonal UFO angekündigt, in den Tarifverhandlungen eine über den ver.di-Abschluss hinausgehende Forderung nach mindestens 15 % mehr Lohn aufstellen zu wollen. Eine entsprechende Entgelterhöhung hätte wegen der bestehenden Revisionsklausel zwangsläufig ein Nachverhandeln von ver.di zur Folge. Ein weiteres Hochschaukeln wäre vorprogrammiert. Der Flächentarifvertrag und mit ihm die Tarifautonomie sind akut gefährdet, wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird. Es darf in Deutschland nicht zu Verhältnissen kommen, wie es sie in England in den 1970er Jahren gab. Ohne Friedenspflicht besteht für die Unternehmen die Gefahr ständiger Tarifauseinandersetzungen oder gar Streiks. Eine Spartengewerkschaft mit hohem Erpressungspotenzial könnte jederzeit Arbeitskämpfe um tarifvertragliche Regelungen führen, die bereits in einem anderen Tarifvertrag geregelt sind. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die Motivation, sich den Regeln eines Tarifvertrages für die ganze Branche oder für das gesamte Unternehmen zu unterwerfen. Trotz eines geltenden Tarifvertrages muss der Arbeitgeber immer wieder mit Arbeitskämpfen rechnen. Auch für die betriebliche Praxis besteht ein großes Bedürfnis nach Anwendung nur eines einheitlichen, für alle Beschäftigten geltenden
Anteil der Berufsgruppen in der Zeitarbeit
5 %
technische Berufe
10 %
Verwaltung / Büro sonstige Berufe Dienstleistung
11 %
Metall und Elektro Hilfspersonal 18 %
23 %
33 %
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Stichtag 31. Dezember 2007; Darstellung: BDA
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Tarifwerkes. Eine Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit würde zu zahlreichen nur schwer lösbaren Problemen führen: Der Arbeitgeber müsste z. B. die Gewerkschaftszugehörigkeit seiner Arbeitnehmer erfragen, um den richtigen Tarifvertrag anzuwenden. Auch inhaltliche Unterschiede zwischen den einzelnen Tarifverträgen würden zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Bei den Arbeitsbedingungen wie z. B. der Arbeitszeit lassen sich unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen in einem Betrieb praktisch nicht umsetzen. Das Bundesarbeitsgericht hält im Wesentlichen seit 1957 am Grundsatz der Tarifeinheit fest. Unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte zum Grundsatz der Tarifeinheit und zum Streikrecht von Spartengewerkschaften haben aber zu Rechtsunsicherheiten geführt. Zu deren Klärung können die Tarifvertragsparteien gemeinsam Lösungen für ein geordnetes Verfahren entwickeln. Sie können Tarifgemeinschaften bilden oder obligatorische Schlichtungsvereinbarungen treffen. Darüber hinaus sollte aber auch der Gesetzgeber handeln und durch die Bekräftigung des Grundsatzes der Tarifeinheit die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages sichern. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Tarifrecht modernisieren“ veröffentlicht.
Tariftreueregelungen rechtlich vor dem Aus Der EuGH hat den bestehenden Tariftreueregelungen in erfreulicher Klarheit eine Absage erteilt. So hat er in der Rechtssache „Rüffert“ am 3. April 2008 (C - 346 / 06) entschieden, dass die Abgabe einer Tariftreueerklärung, mit der sich der Auftragnehmer bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zur Einhaltung von Tarifverträgen verpflichtet und wie sie im Niedersächsischen Landesvergabegesetz vorgesehen ist, nicht mit der Entsenderichtlinie und der europäischen Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. In einer weiteren Entscheidung vom 19. Juni 2008 in der Rechtssache „Kommission ./. Luxemburg“ (C - 319 / 06) hat der EuGH diese Rechtsprechung bestätigt und ausgeweitet. Artikel 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 96 / 71 / EG (Entsenderichtlinie) benenne abschließend die Rechtsinstrumente, mit denen die den entsandten
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Tarifpolitik
Arbeitnehmern garantierten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats festgelegt werden können. Als erste Reaktion auf die „Rüffert“-Entscheidung haben alle Bundesländer, deren Landesvergabegesetze Tariftreueregelungen enthalten (Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein), die verwaltungsinterne Anweisung gegeben, bis auf weiteres im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe keine Tariftreueerklärung mehr zu fordern. Darüber hinaus sind die Landesgesetzgeber nun gefordert, die Vergabevorschriften europarechtskonform zu gestalten. Folgen haben die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs auch auf das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Modernisierung des Vergaberechts des Bundes. Auch dort soll eine Regelung aufgenommen werden, auf deren Grundlage es zukünftig möglich sein soll, für die Auftragsausführung zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer zu stellen, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Die BDA hat sich frühzeitig gegen die Einführung vergabefremder Aspekte in das Vergaberecht ausgesprochen. Die im Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts vorgeschlagene Ergänzung des § 97 Abs. 4 GWB um vergabefremde Kriterien wird dem Ziel, das Vergaberecht zu vereinfachen und dabei transparenter und mittelstandsfreundlicher zu gestalten, nicht gerecht. Mit jedem zusätzlichen Vergabekriterium wächst die Bürokratie bei der Ausschreibung sowohl für die Unternehmen als auch für die ausschreibende Verwaltung. Außerdem wird eine erhebliche Rechtsunsicherheit geschaffen. Unabhängig von den mit den vergabefremden Kriterien verfolgten konkreten politischen Zielen erweist sich das Vergaberecht nicht als probates Mittel zu deren Umsetzung. Die Berücksichtigung vergabefremder Aspekte, namentlich sozialer und umweltbezogener Aspekte, verfälscht den Wettbewerb um das wirtschaftlichste Angebot zu Lasten der öffentlichen Haushalte. Über allgemeinverbindliche Mindestlöhne nach dem Entsendegesetz hinaus besteht vor dem Hin-
tergrund der Entsenderichtlinie und der Dienstleistungsfreiheit keine Rechtfertigung für die Verpflichtung zur Einhaltung von Tariflöhnen.
EuGH begrenzt die Ausübung kollektiver Rechte Der EuGH hat in zwei wichtigen Entscheidungen (EuGH vom 11. Dezember 2007, C-348 / 95, „Viking“, und vom 18. Dezember 2007, C-341/05 „Laval“) zur Ausübung kollektiver Rechte bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Stellung genommen. In beiden Fällen wurden zwar die kollektiven Rechte der Gewerkschaften als europäisches Grundrecht anerkannt. Zugleich hat der EuGH aber auch dessen Schranken aufgezeigt: Wird durch kollektive Maßnahmen in Grundfreiheiten eingegriffen – z. B. in die Niederlassungsund die Dienstleistungsfreiheit –, muss dieser Eingriff gerechtfertigt sein. In der Rechtssache „Viking“ wollte die finnische Fährgesellschaft Viking Line die zwischen Finnland und Estland verkehrende Fähre „Rosella“ in Estland registrieren lassen, um eine estnische Besatzung beschäftigten zu können. Darauf reagierte die finnische Seemannsgewerkschaft mit einer kollektiven Maßnahme. Der EuGH entschied: Werde die kollektive Maßnahme gegenüber einem Unternehmen mit dem Zweck betrieben, dieses zum Abschluss eines Tarifvertrages zu veranlassen, dessen Inhalt geeignet ist, das Unternehmen davon abzuhalten, von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, unterfalle dies dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Damit erkennt der Gerichtshof zugleich an, dass die Niederlassungsfreiheit auch einem privaten Unternehmen Rechte verleiht, auf die es sich gegenüber einer Gewerkschaft berufen kann. In der Rechtssache „Laval“ hatte die schwedische Tochter einer lettischen Baufirma den Auftrag zu einem Schulausbau in Schweden erhalten und entsandte Arbeitnehmer aus Lettland. Laval hatte einen Tarifvertrag mit der lettischen Bauarbeitergewerkschaft abgeschlossen. Die schwedische Bauarbeitergewerkschaft ergriff hiergegen kollektive Maßnahmen in Form einer Baustellenblockade. Im Ergebnis stellte der EuGH einen Verstoß gegen die Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG) und die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 49 EG) fest. Den
Baustellenboykott sah der EuGH als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit an, da eine solche Maßnahme geeignet sei, für ausländische Unternehmen die Durchführung von Bauarbeiten in Schweden weniger attraktiv zu machen oder gar zu erschweren. Ein Unternehmen könne allerdings nicht gezwungen werden, über das aus der Entsenderichtlinie folgende Maß hinaus Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten, wie es im vorliegenden Fall aber die Forderung der Gewerkschaft war. Beide Entscheidungen haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf das deutsche Recht, sie geben den Unternehmen aber mehr Sicherheit: Diese dürfen bei grenzüberschreitenden Aktivitäten auch von Gewerkschaften nicht zur Einhaltung nationaler Besonderheiten gezwungen werden, die über das sich aus der Entsenderichtlinie ergebende Maß hinausgehen.
Allgemeinverbindlicherklärung als Ausnahmeinstrument erhalten Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, mit der auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtet werden, einen Tarifvertrag anzuwenden, muss die Ausnahme in dem durch die Koalitionsfreiheit geprägten Tarifvertragssystem bleiben. Denn zur Koalitionsfreiheit gehört auch das Recht, Koalitionen fernzubleiben und auf die Anwendung von Tarifverträgen zu verzichten. Nur im Wettbewerb um die beste Tariflösung können notwendige Reformen der Tarifverträge vorangebracht werden. Durch die Koordinierung der Tarifausschüsse auf Landesebene konnte der Ausnahmecharakter der Allgemeinverbindlicherklärung, der zuletzt im Mindestlohnbeschluss des BDA-Präsidiums vom 20. April 2007 bestätigt wurde, gestärkt werden. Darin hatte die BDA nochmals die Voraussetzungen dargelegt, unter denen ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung von tariflichen Mindestlöhnen die Zustimmung der Arbeitgebervertreter im Tarifausschuss finden kann. Dazu gehört insbesondere, dass es sich grundsätzlich um die unterste Lohngruppe handelt und keine konkurrierenden Tarifverträge verdrängt werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen“ veröffentlicht.
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Allgemeinverbindlich erklärte Entgelt-Tarifverträge Stand: Dezember 2008
Geltungsbereich
Mindestentgelt
Bauwirtschaft
10,70 € (Ost: 9,– €)
Maler und Lackierer
8,05 € (Ost: 7,50 €)
Dachdecker
10,20 € (West + Ost)
Gebäudereiniger
8,15 € (Ost: 6,58 €)
Elektrohandwerk
9,40 € (Ost: 7,90 €)
Briefdienstleistungen
8,40 € (Ost: 8,– €)
Friseurhandwerk Baden-Württemberg Bayern Hessen Niedersachsen NRW Pfalz Sachsen Thüringen
6,38 € 7,04 € 5,34 € 6,57 € 7,60 € 5,49 € 3,06 € 3,18 €
Hotel- und Gaststättengewerbe NRW
6,30 €
Wach- und Sicherheitsgewerbe Berlin Brandenburg Bremen Hessen NRW Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Thüringen
5,50 € 5,00 € 6,09 € 6,03 € 7,53 € 5,35 € 5,35 € 5,01 € 4,51 €
Quellen: BDA, BMAS
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Deutschland muss Bildungsrepublik werden Bildung ist ein Schicksalsthema für Deutschland, von dem Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sowie Wohlstand und soziale Sicherheit abhängen. Bildung muss daher im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen überall auf Platz eins der politischen Agenda gesetzt werden. Um diese Prioritätensetzung zu unterstützen, hat das gemeinsame Präsidium von BDA und BDI am 15. September 2008 den Beschluss „Deutschland muss Bildungsrepublik werden“ gefasst. Der Beschluss enthält die Vorschläge der Wirtschaft für den Bildungsgipfel vom 22. Oktober 2008. Gefordert wird eine Gesamtstrategie, die die Qualität von Bildung in allen Bereichen verbessert. Hierfür ist von besonderer Bedeutung, dass Deutschland sich gemeinsame Bildungsziele setzt, die in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen umgesetzt werden. Solche konkreten Ziele stellen sicher, dass der bildungspolitische Fortschritt sichtbar und damit messbar ist. Die Vorschläge von BDA und BDI sind verbunden mit der Zusage, Bund und Länder bei der Umsetzung zu unterstützen. Der Beschluss wurde am 1. Oktober 2008 von BDA-Vizepräsident Dr. Gerhard F. Braun im Rahmen einer Pressekonferenz, die ein breites Medienecho gefunden hat, vorgestellt.
Bildungsgipfel: erster Schritt auf dem Weg zur Bildungsrepublik Am 22. Oktober 2008 haben Bund und Länder auf dem Bildungsgipfel in Dresden die Qualifizierungsinitiative für Deutschland „Aufstieg durch Bildung“ vereinbart mit dem Ziel, bildungspolitische Reformen zu bündeln und zu intensivieren. Die jetzt von Bund und Ländern verabredeten Handlungsschritte weisen in die richtige Richtung. Sie müssen jedoch um weitere Themen und weitere konkrete Zielmarken ergänzt werden. BDA und BDI begrüßen, dass Bund und Länder wichtige Reformschwerpunkte, wie die Stärkung der frühkindlichen Bildung, die Verbesserung der Ausbildungsreife der Schulabgänger, die Stärkung der MINT-Bildung und der Berufsorientierung, mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem und mehr Studienanfänger, in den Mittelpunkt ihrer Qualifizie-
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rungsinitiative gestellt haben. Zur Finanzierung erklären die Länder erfreulicherweise, dass sie den Ressourcenspielraum, der durch die demografische Entwicklung entsteht, insbesondere zur Verbesserung der Bildungsqualität nutzen. Auch ist sehr zu begrüßen, dass sich Bund und Länder einige wichtige Zielmarken gesetzt haben. So soll bis 2015 die Schulabbrecherquote auf 4 % und die Quote junger Menschen ohne Schulabschluss auf 8,5 % halbiert werden; die Studienanfängerquote soll auf 40 % gesteigert werden. Allerdings bleiben wichtige Reformfelder komplett unberücksichtigt. Dazu gehören die Stärkung der ökonomischen Bildung in der Schule, eine Neuausrichtung der Lehrerbildung, das Thema „Ganztagsschule“ sowie mehr Selbstständigkeit für Schulen und Hochschulen. Nachlegen müssen Bund und Länder auch bei den konkreten Zielen: So muss z. B. das klare Ziel gesetzt werden, dass bis 2015 die Hälfte der Kindergartenleitungen über eine pädagogische Hochschulbildung oder vergleichbare Kompetenzen verfügt. Zur Stärkung der MINT-Bildung in der Schule müssen zwei naturwissenschaftlichtechnische Fächer bis zum Abitur Pflicht werden. Mit dem Bildungsgipfel haben sich Bund und Länder auf den Weg zur Bildungsrepublik gemacht. Weitere Konkretisierungs- und Umsetzungsschritte müssen nun zügig folgen, damit die Qualifizierungsinitiative positive Wirkungen zeigt. Dies werden BDA und BDI im Rahmen der Umsetzung der Initiative in den nächsten Monaten einfordern.
„Bildungsagenda Schule 2008“ stellt Schulreformen auf den Prüfstand Die deutsche Wirtschaft hat in den letzten Jahren zu entscheidenden bildungspolitischen Fragen Stellung genommen und Impulse gegeben. Viele Reformen sind in Bund und Ländern, in Schulen und Hochschulen in Gang gekommen. Im Rahmen der „Bildungsagenda Schule 2008“ hat die Wirtschaft den Stand der Reformen in einigen wichtigen Handlungsfeldern analysiert, die Entwicklungen bewertet und noch fehlende Maßnahmen eingefordert. Im Mittelpunkt standen die Selbstständige Schule, die ökonomische Bildung und die Entwicklung der Lehrerbildung.
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Schulpolitik“ veröffentlicht.
Selbstständige Schule konsequent umsetzen Die Wirtschaft setzt auf einen Paradigmenwechsel im Schulsystem – weg von der administrativen Durchregulierung ohne Effizienzüberprüfung hin zu einem neuen System von selbstständigen Schulen und definierten, überprüften Zielen. Die Selbstständige Schule ist dabei Dreh- und Angelpunkt des Paradigmenwechsels im Schulsystem hin zu Wettbewerb und Profilbildung der einzelnen Schule. Zur Umsetzung der Selbstständigen Schule muss die Entwicklung in den Ländern über Modellversuche oder Teilselbstständigkeiten weit hinausgehen. Zu oft fehlt es noch an wirklichem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Selbstständigen Schule. Die Schulen brauchen mehr Freiheiten, um einen individuellen Weg bei der Förderung ihrer Schüler einschlagen, eigene Schwerpunkte setzen, Lehrkräfte aussuchen, Verträge schließen und ein Budget verwalten zu können. Dabei muss der Schulleiter zum Chef des „Unternehmens“ Schule werden. Für die Entwicklung der notwendigen Führungs- und Managementkompetenzen sind Erfahrungen der Unternehmen mit Leitung, Personalentwicklung und Verantwortung hilfreich. Dies machte BDA-Vizepräsident Dr. Braun im Rahmen der BDA/BDI-Tagung „Selbstständige Schule braucht Führung“ am 23. Juni 2008 in Berlin deutlich. Kultusminister Rau stellte den Entwicklungsstand der Selbstständigen Schule und die Rolle der Schulleitung in Baden-Württemberg vor und betonte die Notwendigkeit eines neues Führungsverständnisses in der Schule. Im Rahmen der Tagung wurde die neueste Publikation der von der BDA und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln getragenen Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT vorgestellt: „Was Schulleiter als Führungskräfte brauchen“. Die Studie analysiert die Auswahl, die Qualifizierung und das Kompetenzprofil der Schulleiter in den Bundesländern und gibt Empfehlungen für die Aus- und Fortbildung von Schulleitern. Die Studienergebnisse fanden in Öffentlichkeit, Schulen, Politik und Presse ein breites Echo.
Ökonomische Bildung: Schulfach Wirtschaft statt Häppchenwissen 60 Jahre nach Einführung der Sozialen Marktwirtschaft fehlt in Deutschland immer noch eine umfassende ökonomische Bildung in der Schule als Kernbereich einer zielgerichteten Allgemeinbildung. BDA und BDI fordern deshalb ein Schulfach Wirtschaft an allen weiterführenden Schulen statt Häppchenwissen. Aktuelle Untersuchungen der Bertelsmann Stiftung und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigen, dass Wirtschaft in Schulen immer noch ein Randthema ist. Die Verankerung wirtschaftlicher Grundkenntnisse in Schulbüchern und Lehrplänen ist absolut unzureichend. So wird häufig eine einseitig interessenorientierte Sichtweise vermittelt, während die Funktionsweisen von Unternehmen in sich ständig ändernden Märkten, die Leistungen von Unternehmern und auch die Motivation zur unternehmerischen Selbstständigkeit fehlen. Die Bertelsmann-Studie „Heute Schüler, morgen Unternehmer?“ hat mit beeindruckenden Zahlen belegt, dass sich sowohl Schüler als auch Lehrer eine breitere und fundierte Behandlung wirtschaftlicher Themen im Schulunterricht wünschen. Dabei haben die Jugendlichen durchweg großes Interesse an Wirtschaftsthemen, jeder Zweite schätzt sich selbst als Unternehmertyp ein. BDA und BDI haben sich intensiv mit diesem Thema befasst und ihre Forderung nach einer besseren ökonomischen Bildung in der Schule in einem 6-Punkte-Katalog erneuert. Die Kultusminister und die Bundesbildungsministerin wurden aufgefordert, in einer umfassenden Initiative zusammen mit der Wirtschaft diese Punkte umzusetzen. Des Weiteren haben BDA, DIHK und ZDH, erste Gespräche mit Schulbuchverlagen geführt und gemeinsam Möglichkeiten diskutiert, wie Wirtschaftsthemen in Schulbüchern so aufbereitet werden können, dass sie Jugendlichen Lust und Mut machen, auch Selbstständigkeit und Unternehmertum für sich als interessante berufliche Perspektive auszuloten, und ihnen ein Verständnis davon vermitteln, wie Unternehmer in der modernen Wirtschaftswelt ihre Unternehmen führen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
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9-Punkte-Plan der Wirtschaft für den Bund-Länder-Bildungsgipfel 1. Frühkindliche Bildung zur ersten Stufe des Bildungssystems ausbauen Hier werden die entscheidenden Weichen für den Bildungserfolg gestellt. Es geht darum, unabhängig vom sozialen Hintergrund der Eltern frühzeitig die Potenziale aller Kinder zu entfalten und zur Einschulung eine deutsche Sprachfertigkeit sicherzustellen, die sie zur aktiven Teilnahme am Unterricht befähigt. Hierfür muss als erster Schritt ein obligatorisches beitragsfreies Vorschuljahr mit einem systematischen Vorschulcurriculum einschließlich obligatorischer Sprachstandstests eingeführt werden. Die Kindergartenleitung verfügt über eine pädagogische Hochschulausbildung oder vergleichbare Kompetenzen. 2.
Bedarfsgerechtes Ganztagsschulangebot und individuelle Förderung der Schüler sicherstellen
Auf Basis regelmäßiger Kompetenzfeststellungen werden individuelle Förderpläne für Schüler erstellt und umgesetzt. Schwächen der Schüler können hierdurch abgebaut und gleichzeitig Stärken ausgebaut werden. Rhythmisierte Ganztagsschulen, die den Unterricht und das Lernen auf Vor- und Nachmittag verteilen, bieten hierfür besonders viel Raum und sollten daher bedarfsgerecht ausgebaut werden. Ziel muss die Sicherstellung der Ausbildungsreife der Schulabgänger sein. 3. Unterricht und Lehre in Schule und Hochschule qualitativ verbessern Methodisch-didaktische Kompetenzen der Lehrenden sind Schlüssel zur Verbesserung der Lernergebnisse. Lehrer erfahren im Studium heute allerdings eher eine Prägung als Fachwissenschaftler. Für Hochschul-„Lehrer“ sind Drittmittel und Reputation ausschließlich an die Forschungsleistung gekoppelt. In Schule und Hochschule müssen daher stärkere Anreize zur Verbesserung der Lehre gesetzt werden, indem die Vergabe von Finanzmitteln an die Qualität des Unterrichts und der Lehre gekoppelt wird. Zudem muss die Aus- und Weiterbildung der Lehrenden praxisnäher gestaltet werden und verstärkt methodisch-didaktische Fertigkeiten vermitteln. 4. Selbstständigkeit und Wettbewerb aller Bildungseinrichtungen stärken Schulen und Hochschulen müssen Autonomie in Finanz-, Verwaltungs- und Personalfragen erhalten. Im Gegenzug werden Unterstützungsangebote durch die Schulaufsicht und die zuständigen Länderministerien gestärkt. Die Bildungseinrichtungen können so ein eigenständiges Profil entwickeln und individuell auf besondere Herausforderungen reagieren. Dies ist Schlüssel für mehr Qualität. 5. Demografische Rendite voll zur Finanzierung der Qualitätsverbesserungen im Bildungswesen einsetzen Durch die zurückgehenden Schülerzahlen entsteht ein wachsender finanzieller Spielraum, der allein im Schulbereich schon 2012 das Ausmaß von ca. 8 bis 10 Mrd. € p. a. annimmt. Diese Mittel müssen insbesondere für Investitionen in eine bessere Betreuung und individuelle Förderung der Schüler sowie für die Stärkung der frühkindlichen Bildung genutzt werden.
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6. Impulse zur Sicherung des MINT-Nachwuchses setzen Schon heute fehlt es in viel zu vielen technischen und naturwissenschaftlichen Berufen an Nachwuchs. Daraus erwächst eine existenzielle Gefährdung des Industriestandortes Deutschland. Um dem entgegenzuwirken, müssen Unterricht und Lehre in Kindergarten, Schule und Hochschule bei MINT Prioritäten setzen. Eine verpflichtende Belegung von zwei naturwissenschaftlich-technischen Fächern bis zum Abitur und ein quantitativer wie qualitativer Ausbau der MINT-Studienkapazitäten sind zwingend. 7. Ökonomische Bildung stärken Junge Menschen brauchen wirtschaftliche Grundkenntnisse und Kompetenzen, um mündige Wirtschafts- und Staatsbürger sein zu können. Die Vermittlung ökonomischer Inhalte sowie die Darstellung der Rolle und Verantwortung von Unternehmern im Wirtschafts- und Arbeitsprozess müssen fest in Lehrbüchern und im Unterricht verankert sein, um Mut zum Unternehmertum zu machen. Hierzu gehört insbesondere ein eigenständiges Unterrichtsfach Wirtschaft an allen allgemeinbildenden Schulen. 8. Abschottung der verschiedenen Bildungswege überwinden und Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung erhöhen Der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte muss offen und transparent gestaltet werden; sie müssen ebenso wie Abiturienten Zugang zu den Auswahlverfahren der Hochschulen erhalten. Dies hilft, Abbrecherquoten zu senken, denn wer schon eine Berufsausbildung absolviert hat und vielleicht auch schon berufstätig ist, ist besonders motiviert, ein Studium zügig zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Und gerade in technischen Berufen Ausgebildete werden ein Studium in den auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragten MINT-Fächern anstreben. Insgesamt ist berufliche Bildung mit der allgemeinen Bildung gleichzusetzen, denn neben dem allgemeinbildenden und dem hochschulischen Bildungssystem bietet die berufliche Aus- und Weiterbildung attraktive Qualifizierungswege. Dies muss sich in der Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens widerspiegeln. Durch tragfähige Modelle der Bildungsfinanzierung von Bund und Ländern kann eine Erhöhung der Weiterbildungsquote unterstützt werden. 9. Hochschulfinanzierung investitionsorientiert ausrichten Das aktuelle Finanzierungssystem setzt für die Länder keine Anreize, das Angebot an Studienplätzen bedarfsgerecht und qualitätsorientiert auszubauen, sondern führt eher zu einem Abbau bestehender Kapazitäten. Die Finanzierung muss daher so umgestellt werden, dass die Qualität des Studiums verbessert und ein Ausbau von Studienplätzen zur Sicherung der Ersatzquoten für Fachkräfte erreicht wird. Eingerichtet werden muss insbesondere ein investitionsorientierter bundesweiter Finanzierungspool, in den die Länder einen Teil der Hochschulausgaben einbringen und der Aufwand und Ertrag verknüpft.
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Ökonomische Bildung: das Jahresthema für SCHULEWIRTSCHAFT 2009 / 2010 Dass jeder Jugendliche grundlegende Wirtschaftskenntnisse für seine berufliche und private Zukunft braucht, ist eine gemeinsame Grundüberzeugung von Lehrern und Unternehmensvertretern im SCHULEWIRTSCHAFT-Netzwerk. Die Schulen haben die Aufgabe, die Schüler an die Wirtschafts- und Arbeitswelt heranzuführen, ihnen Einblicke in wirtschaftliche Zusammenhänge und Abläufe zu vermitteln und sie mit den Grundlagen der Wirtschaftsordnung vertraut zu machen. Doch noch immer gelingt es vielen Schulen nicht, den Jugendlichen das notwendige Rüstzeug mit auf den Weg zu geben. Die Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT hat sich deshalb für das Jahresthema 2009 / 2010 „Ökonomische Bildung stärken. Schule und Wirtschaft in der Sozialen Marktwirtschaft“ entschieden. Ziel ist es, über Veranstaltungen, Workshops, Wirtschaftsplanspiele und Schülerfirmen das Interesse der Jugendlichen an wirtschaftlichen Zusammenhängen zu wecken und zu stärken sowie die ökonomische Bildung an Schulen zu verbessern. Eine Auftaktveranstaltung zum Thema ist im Frühjahr 2009 geplant.
Praxistaugliche Lehrerbildung: noch nicht in Sicht Eine hochwertige und zielführende Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte ist entscheidend für die Qualität von Unterricht, Bildung und Erziehung in unseren Schulen. Mit Blick auf die verhaltene Entwicklung der Reformen in diesem Bereich haben BDA und BDI aktuelle „Leitlinien für die Lehrerbildung“ formuliert. In den letzten Jahren haben zwar in allen Bundesländern Reformen im Lehramtsstudium begonnen; es ist aber zu beobachten, dass die Kernprobleme – vor allem die Verbindung von Theorie und Praxis, erster und zweiter Phase, Berufsleben und Fortbildung – nicht gelöst sind. Die deutsche Wirtschaft hat 2003 das Konzept „Master of Education – Für eine neue Lehrerbildung“ vorgelegt. An seinen Grundsätzen wurden nun die Reformen gespiegelt und daraus aktuelle
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Handlungsempfehlungen abgeleitet. Nach der Publikation für eine bessere ökonomische Bildung und der Tagung zur Selbstständigen Schule ist dies der dritte Baustein der Bildungsagenda der Wirtschaft für die Schule in diesem Jahr. Entscheidend für eine effektive Lehrerausbildung ist es: ein modernes Leitbild des Lehrers zugrunde zu legen, das die aktuellen Herausforderungen an der Schule aufgreift (heterogene Lernvoraussetzungen, Kompetenzorientierung des Unterrichts, Mitwirkung an der Schulentwicklung u. a. m.); die Studieninhalte konsequent am Berufsbild des Lehrers zu orientieren und von Anfang an konsequent Theorie und Praxis zu koppeln; Standards für die Lehrerbildung zu beschließen, umzusetzen und zu evaluieren; die Umstellung des Studiums auf Bachelor und Master konsequent umzusetzen; Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten einzurichten; die Eignungsvoraussetzungen der Bewerber zu überprüfen und spätestens vor Aufnahme des Master-Studiums zum Entscheidungskriterium zu machen; eine eigene Exzellenzinitiative für die Lehrerbildung zu starten; eine systematische Berufseingangsphase für angehende Lehrkräfte zu konzipieren; Fort- und Weiterbildung als Teil der Schulund Personalentwicklung zu gestalten; die Wirksamkeit der Lehrerbildung empirisch zu erforschen. BDA und BDI wollen mit dieser Stellungnahme dazu beitragen, dass die aktuellen Reformen der Lehrerbildung in die richtige Richtung zielen und konsequent umgesetzt werden.
SCHULEWIRTSCHAFT-Studie „Was Schulleiter als Führungskräfte brauchen“ Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen: bundesweite Trends Die Verantwortung der Schulleitung für das Profil und die Organisationsentwicklung ihrer Schule ist weithin selbstverständlich. Die Verantwortungsübernahme der Schulleitung für die Personalrekrutierung und -entwicklung haben die Länder noch nicht konsequent durchdekliniert. Meist fehlen den Schulleitungen die dafür notwendigen Führungsmittel. Insbesondere das Führungsinstrument Zielvereinbarung wird noch zu wenig genutzt. Sachmittel- und Personalbudgets sind noch nicht konsequent auf die Einzelschule übertragen worden. Es gibt häufig Besetzungsprobleme von Schulleiterstellen. Sie sind Indiz für eine mangelnde Führungskräfteentwicklung der Länder und für nicht leistungsgerechte Bezahlung. Bei der Besetzung von Schulleiterstellen haben externe Führungskräfte kaum eine Chance. Die Führungskräfteentwicklung der Schulleitungen erfolgt erst in Ansätzen kontinuierlich und systematisch. Empfehlungen von SCHULEWIRTSCHAFT: Die Länder müssen den eingeschlagenen Weg zur Selbstständigen Schule konsequent weiterverfolgen. Die Personalverantwortung muss in die Eigenverantwortung der Schulleitungen gelegt werden. Für die Organisations- und Personalentwicklung benötigen Schulleitungen finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür müssen angemessene Ressourcen bereitgestellt und die bisher häufig noch zentral verwalteten Budgets konsequent auf die Einzelschule übertragen werden. Für die Besetzung von Schulleiterstellen soll ein qualifiziertes Einstellungsverfahren angewendet werden, das auch externen Bewerbern offensteht. Der Beamtenstatus soll zugunsten einer leistungsgerechten Personal- und Besoldungspolitik aufgegeben werden. Die Fortbildung soll konsequent auf eine nachfrageorientierte Fortbildung umgestellt werden und eine Öffnung zu freien Bildungsanbietern zulassen. Es müssen Ressourcen für eine systematische und professionelle Führungskräfteentwicklung, professionelle Begleitung der Schulleitung bei Veränderungsprozessen, Personalentwicklung und Personalausstattung sowie für die Schaffung leistungsgerechter finanzieller Anreizsysteme für Führungskräfte und Lehrer bereitgestellt werden.
Die vollständige Studie ist unter www.schulewirtschaft.de abrufbar. Quelle: Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT, Mai 2008.
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Die Forderungen von BDA und BDI zur ökonomischen Bildung
1. Wirtschaft muss ein eigenständiges Unterrichtsfach an allgemeinbildenden Schulen sein. Erst ein Fach Wirtschaft wird einen deutlichen Qualitätssprung in der Vermittlung ökonomischen Wissens und Könnens schaffen. 2. Für die ökonomische Bildung sind wie für alle Fächer nationale Standards zu entwickeln, mit denen die zu erreichenden Kompetenzen definiert werden. 3. Eine zielführende und hochwertige Aus- und Weiterbildung von Fachlehrern für die ökonomische Bildung ist notwendig, die wissenschaftlich fundiert und praxisnah ist. 4. In Forschung und Lehre ist die Didaktik der Wirtschaftswissenschaften zu stärken und an Kapazitäten auszubauen. 5. Schulbücher und Unterrichtsmaterialien spielen eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung ökonomischer Bildung an die Jugendlichen. Sie müssen um ausgewogene Darstellungen von Unternehmensabläufen und unternehmerischer Wertschöpfung ergänzt werden und auch Mut zum Unternehmertum machen. 6. Ein anschaulicher, die Jugend ansprechender Unterricht Wirtschaft braucht die enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, mit Unternehmen, Verbänden und Bildungswerken. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaften SCHULEWIRTSCHAFT kooperieren bundesweit bereits Tausende von Schulen und Betrieben mit Schüler- und Lehrerpraktika, Berufs- und Betriebserkundungen, Planspielen und Schülerfirmen u. a. m. Quelle: Auszug aus der Resolution des BDA/BDI-Fachausschusses Bildung, Berufliche Bildung „Für eine bessere ökonomische Bildung in der Schule“, Mai 2008.
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Kooperationsprojekt mit der Bertelsmann Stiftung: Leitfaden zur Berufsorientierung Noch immer sind Vorgaben zur Berufsorientierung in den Bildungsplänen der Länder wenig konkret, wird Berufsorientierung an vielen Schulen noch nicht systematisch umgesetzt. Deshalb entwickeln die Bertelsmann Stiftung und SCHULEWIRTSCHAFT in Zusammenarbeit mit der MTO Psychologische Forschung und Beratung GmbH zurzeit einen Leitfaden zur Berufsorientierung für allgemeinbildende Schulen. Der Leitfaden soll Schulen dabei unterstützen, auf der Basis von Qualitätsmanagement ein umfassendes systematisches Gesamtkonzept zur Berufsorientierung zu planen und umzusetzen. Zugleich soll er helfen, bereits vorhandene Berufsorientierungsaktivitäten an Schulen zu systematisieren und in ein Gesamtkonzept zu integrieren. Er soll praktische Anleitungen und Unterrichtsmaterialien zur Umsetzung einzelner Maßnahmen bieten und aufzeigen, wie gute Berufsorientierung an Schulen aussehen kann. Der Leitfaden wird aktuell in Modellregionen der Landesarbeitsgemeinschaften SCHULEWIRTSCHAFT Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen an je zehn Schulen erprobt und soll im Frühsommer 2009 veröffentlicht werden.
Wettbewerb „Starke Schule“: bessere Berufsorientierung und Ausbildungsreife im Fokus Der Wettbewerb „Starke Schule. Deutschlands beste Schulen, die zur Ausbildungsreife führen“ wird von der Hertie-Stiftung gemeinsam mit der BDA, der Bundesagentur für Arbeit und der Deutsche Bank Stiftung veranstaltet. Ausgezeichnet werden pädagogische Spitzenleistungen. Schulen werden bei der Qualifizierung ihrer Schüler für die Ausbildungsreife unterstützt. Der Wettbewerb ist die Fortentwicklung des bisherigen Hauptschulpreises, die sich deutlicher als bisher auf die Ausbildungsreife konzentriert und den unterschiedlichen Schulformen in den
Bundesländern Rechnung trägt. Prämiert werden lernende und innovative Schulen, die auf Veränderungen in ihrem Umfeld aktiv und erfolgreich reagieren und den Schwerpunkt auf die Förderung der Berufsorientierung und Ausbildungsfähigkeit ihrer Schüler legen. Knapp 600 Schulen nehmen an dem Wettbewerb „Starke Schule“ teil. Zunächst werden bis zu drei Landespreise je Bundesland vergeben, anschließend unter den Landespreisträgern die drei Bundessieger ermittelt. Die Landesverleihungen werden von den jeweiligen Kultusministern vorgenommen, die Bundessieger werden am 5. Mai 2009 von Bundespräsident Horst Köhler persönlich im Rahmen einer Feierstunde im Schloss Bellevue ausgezeichnet. Alle Preisträger werden zusätzlich in ein Netzwerk aufgenommen, das ihnen Fortbildungsveranstaltungen, Netzkonferenzen und Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch bietet. Immer bestätigt sich, dass die Preisträgerschulen auf andere Schulen ausstrahlen und die Wirkung der Auszeichnung innovativer Schulen weit über diese hinausreicht. So sind z. B. in Nordrhein-Westfalen Bausteine erfolgreicher Berufsorientierung des letzten Bundespreisträgers von der Landesregierung aufgegriffen und allen Schulen angeboten worden. Die BDA beteiligt sich aktiv in den Jurys und richtet die jährlichen Netzkonferenzen für die Preisträgerschulen aus. Der Wettbewerb wird außerdem von BDI, DIHK und ZDH sowie von allen Kultusministerien unterstützt.
Startschuss für Initiative „Kooperation Schule-Wirtschaft in Ostdeutschland“ gefallen Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, die BDA sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT und die Landesarbeitsgemeinschaften SCHULEWIRTSCHAFT in den neuen Ländern haben im November 2008 das Projekt „Kooperation SchuleWirtschaft in Ostdeutschland” gestartet, mit dem in den nächsten zwei Jahren die Zusammenarbeit der lokalen Akteure unterstützt werden soll.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Bildung
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Die Initiative verfolgt das Ziel, erfolgreiche Modelle der örtlichen Zusammenarbeit von Schulen und regionaler Wirtschaft zu entwickeln und zu erproben, die die Übergangsphase von der Schule in die betriebliche oder hochschulische Ausbildung gestalten. Die Schüler sollen frühzeitig für ihre beruflichen Perspektiven interessiert, darüber informiert und auf die jeweiligen Anforderungen vorbereitet werden. Die Betriebe sollen ihrerseits durch Kooperationen mit den Schulen, durch verstärkte Ausbildung und durch spezifische Unterstützungsangebote den Schülern Ausbildungs- und Berufsperspektiven in der Region aufzeigen sowie die eigenen betrieblichen Abläufe näherbringen.
konnte bereits im Oktober und November die Zahl der zum 30. September noch unvermittelt gemeldeten Bewerber um über 40 % auf 8.400 reduziert werden. Ihnen stehen noch über 20.000 Angebote (Ausbildungsplätze bzw. Einstiegsqualifizierungen) gegenüber.
Die Umsetzung soll durch eine zentrale Koordinierungsstelle in Thüringen unterstützt und entwickelte und erprobte Instrumente in die Fläche getragen werden. Eine Auftaktpressekonferenz wird im ersten Quartal 2009 stattfinden.
Bei der von BDA und BDI ausgerichteten Sitzung des Lenkungsausschusses Ausbildungspakt am 13. Oktober unter Leitung von Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt konnte für 2008 eine positive Zwischenbilanz gezogen werden. Die mit der Paktverlängerung im März 2007 erhöhten und sehr ehrgeizigen Zusagen der Wirtschaft sind 2008 umgesetzt und übertroffen worden.
Ausbildungsmarkt: mehr unbesetzte Ausbildungsplätze als unvermittelte Bewerber Ende September 2008 konnte für den Ausbildungsmarkt die beste Zwischenbilanz seit langem gezogen werden; das gute Vorjahresergebnis wurde zum Teil erneut übertroffen. In Industrie, Handel, Handwerk und freien Berufen wurden bis Ende September insgesamt 539.560 Ausbildungsverträge abgeschlossen, ein Plus von 1,7 % gegenüber dem Vorjahr. Auch die Daten der Bundesagentur für Arbeit zum 30. September zeigen eine deutliche Verbesserung der Ausbildungssituation: Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze war 2008 erstmals seit 2001 wieder höher als die der unversorgten Bewerber, und zwar um 5.000 Plätze. Zum Ende des Berufsberatungsjahres 2007/2008 waren bei der Ausbildungsvermittlung 19.500 unbesetzte Ausbildungsplätze registriert. Ihnen standen noch 14.500 unversorgte Bewerber gegenüber. Die Aussichten für die Nachvermittlung waren damit ausgezeichnet, denn neben den unbesetzten Ausbildungsplätzen standen den noch unvermittelten Bewerbern auch die Einstiegsqualifizierungen zur Verfügung. Dementsprechend
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Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildungsmarkt“ sowie die argumente „Wir bilden aus!“ veröffentlicht.
Ausbildungspakt: erneut auf einem erfolgreichen Weg
Bis Ende September wurden 68.300 neue Ausbildungsplätze (Zusage: 60.000) sowie 42.700 neue Ausbildungsbetriebe (Zusage: 30.000) eingeworben. Darüber hinaus wurden 27.900 Plätze für Einstiegsqualifizierungen (Zusage: 40.000) zur Verfügung gestellt. Es ist zu erwarten, dass auch für dieses Instrument, das schwerpunktmäßig in der Nachvermittlung zum Einsatz kommt, in den nächsten Monaten das Ziel erreicht wird. Die Paktpartner sind sich trotz der positiven Zwischenbilanz aber auch bewusst, dass zahlreiche Jugendliche aufgrund mangelnder Ausbildungsreife noch Probleme an der Schwelle zwischen Schule und Ausbildung haben. Sie haben daher im Rahmen des Lenkungsausschusses die Themen vertiefte Berufsorientierung und Förderung insbesondere auch von Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufgegriffen. Für den Übergang in Ausbildung ist eine fundierte und rechtzeitige Berufsorientierung in der Schule schon ab Klasse 7 entscheidend. Um Jugendliche gezielter und passgenauer bei der Berufswahl zu unterstützen, haben die Paktpartner zusammen mit der Kultusministerkonferenz (KMK) unter Federführung der BDA Eckpunkte eines ge-
2008 erstmals seit sieben Jahren wieder mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unvermittelte Bewerber Nicht vermittelte /unversorgte Bewerber sowie unbesetzte Berufsausbildungsstellen am Ende des jeweiligen Berichtsjahres
Bewerber 60.000
50.000
40.000
30.000
20.000
10.000
0
1997/ 98
1998/99
1999 /2000
nicht vermittelte /unversorgte Bewerber
2000/01
2001/02
2002 /03
2003/04
2004/05
2005/06
2006/07
2007/08
Jahr
unbesetzte Berufsausbildungsstellen
Quelle: Bundesagentur f체r Arbeit; Darstellung: BDA
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meinsamen Konzepts „Berufswegeplanung ist Lebensplanung“ vereinbart. Gemeinsames Ziel ist es, Berufsorientierung fest und kontinuierlich im Alltag jeder Schule zu verankern. Beitrag der Wirtschaft ist dafür insbesondere die verbindliche Zusage, jeder Schule einen Partner aus der Wirtschaft zu vermitteln. Die von Paktpartnern und KMK vereinbarten Eckpunkte werden in den kommenden Monaten bis zur nächsten Sitzung des Lenkungsausschusses gemeinsam weiterentwickelt. Zusammen mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung haben die Paktpartner gezielt die Bildungs- und Ausbildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund beraten. Es wurde verabredet, bis zur nächsten Sitzung des Lenkungsausschusses Maßnahmen und Ziele weiter zu konkretisieren. Gemeinsames Ziel ist die Verbesserung der Bildungsvoraussetzungen und Ausbildungschancen junger Migranten. Dabei muss auch – hierüber besteht im Ausbildungspakt Einigkeit – die statistische Kenntnis des Migrationshintergrundes insbesondere durch die Bundesagentur für Arbeit ermöglicht werden. Ziel ist eine bessere Erfassung der individuellen Voraussetzungen für eine bedarfsgerechtere und zielgenauere Förderung. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Ausbildungspakt“ veröffentlicht.
Zusammenarbeit der Integrationsbeauftragten mit SCHULEWIRTSCHAFT gestartet Jugendliche des Jugendintegrationsgipfels haben gegenüber der Bundeskanzlerin den Wunsch geäußert, frühzeitig mehr über die Arbeits- und Berufswelt zu erfahren und dafür den Kontakt zur Wirtschaft zu intensivieren. SCHULEWIRTSCHAFT stellt deshalb diese Zielgruppe stärker in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. BDA-Vizepräsident Dr. Braun hat dementsprechend im Rahmen eines Gesprächs mit der Bundeskanzlerin, der Integrationsbeauftragten und den Vertretern des Jugendintegrationsgipfels SCHULEWIRTSCHAFT als zentrales Netzwerk zur Verstärkung der Kooperation vorgestellt. Vereinbart wurde, dass die Jugendlichen des Integrationsgipfels die Arbeit und die Projekte von
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SCHULEWIRTSCHAFT zur Berufsorientierung und zur Verbesserung der ökonomischen Bildung kennen lernen und gemeinsam unter dem besonderen Fokus der Integration diskutieren. Des Weiteren soll die Zusammenarbeit mit dieser Zielgruppe intensiviert werden. Am 5. Dezember 2008 fand die gemeinsame Veranstaltung „Mit besserer Berufsorientierung Integration fördern – Jugend und SCHULEWIRTSCHAFT im Dialog: Wer gut informiert ist, hat die Nase vorn!“ von SCHULEWIRTSCHAFT mit der Integrationsbeauftragten statt. Die Schirmherrschaft für die Veranstaltung hat Bundeskanzlerin Merkel übernommen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Integration durch Bildung“ veröffentlicht.
Ausbildungsbonus: untaugliches Instrument eingeführt Anfang September 2008 trat die grundsätzliche Regelung zum sog. Ausbildungsbonus in Kraft. Bundesregierung und Gesetzgeber haben sich damit über die fundamentalen und nachdrücklich vorgebrachten Bedenken von Wirtschaft und Gewerkschaften hinweggesetzt. Denn die Zielgruppe für diesen Bonus wurde viel zu weit gefasst. Nun drohen Mitnahmeeffekte und Fehlanreize auf dem Ausbildungsmarkt. Mit dem Bonus kann die Ausbildung praktisch aller Altbewerber – immerhin regelmäßig über 300.000 Jugendliche – gefördert werden, vorausgesetzt, ihr Ausbildungsplatz erfüllt das Kriterium der Zusätzlichkeit. Dabei werden Jahr für Jahr rund die Hälfte der Ausbildungsverträge mit Altbewerbern abgeschlossen – ganz ohne Bonus. Nicht zuletzt weil aktuell die Chancen für junge Menschen und insbesondere der Altbewerber auf Ausbildungsplätze gewachsen sind, ist eine solche Gießkannenförderung, die auch gute Schulabgänger einschließt und damit zu teuren Mitnahmeeffekten führt, abzulehnen. So hat sich 2008 der Anteil der Altbewerber an allen Ausbildungsbewerbern aufgrund gezielter Anstrengungen und Förderangebote in den Vorjahren auch ganz ohne Bonus bereits reduziert, absolut ist ihre Zahl um knapp ein Fünftel zurückgegangen. Kritisch ist bei der breiten Ausgestaltung der Zielgruppe insbesondere auch, dass gerade jene Unternehmen be-
nachteiligt werden, die in den vergangenen Jahren ohne Bonus und bei schwieriger wirtschaftlicher Lage zusätzlich ausgebildet haben und jetzt nicht noch einmal zulegen können. Dies demotiviert engagierte Ausbildungsbetriebe. Auch mittelfristig wirkt sich dieser Ausbildungsbonus negativ aus: Er torpediert die künftigen Anstrengungen, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und ohne Ausbildungsbonus Betriebe für zusätzliche Ausbildung zu gewinnen. Der Ausbildungsbonus stellt damit insgesamt eine schwere Hypothek für den Ausbildungsmarkt dar.
Fachkräftenachwuchs durch moderne Berufe gewährleisten Die bedarfsgerechte Neuordnung und Modernisierung von Ausbildungsberufen gehört zu den Kernanliegen der BDA in der beruflichen Bildung. Neue Entwicklungen, sich ändernde Prozesse und Anforderungen müssen erkannt und kontinuierlich aufgegriffen werden, um bedarfsgerechte Qualifikationen zu gewährleisten. Gerade in den Bereichen, in denen moderne Technologien eine entscheidende Rolle spielen, hat der rasante technische Fortschritt unmittelbare Auswirkungen auch auf die Berufsausbildung. Die Fotobranche hat sich z. B. seit den Anfängen der digitalen Fotografie grundlegend verändert. Auch Hobbyfotografen nutzen zunehmend neue Technologien. Dem dadurch steigenden technischen Beratungsbedarf im Fotohandel wurde durch den neuen Beruf des Fotomedienfachmanns Rechnung getragen. Der technologische Wandel war auch Ausgangspunkt der Entwicklung der Ausbildung zum Produktionstechnologen sowie der Fortbildung zum Geprüften Prozessmanager Produktionstechnologie. Um auf geänderte Marktanforderungen reagieren zu können, benötigen die Unternehmen Fachkräfte, die nicht nur Produktionsveränderungen flexibel handhaben können, sondern dabei auch die gesamte Prozesskette überblicken. Mit dem neuen Aus- und Fortbildungsprofil in der Produktionstechnologie kann dieser Bedarf gedeckt werden.
Berufe (Fachkraft für Automatenservice, Servicekraft für Schutz und Sicherheit sowie Speiseeishersteller/-in), die jeweils Anrechnungsmöglichkeit bei dreijährigen Berufen vorsehen. Damit wird nicht nur den unterschiedlichen Anforderungen der beruflichen Praxis Rechnung getragen, sondern auch dem unterschiedlichen Qualifikationsniveau der Ausbildungsbewerber. Die zweijährigen Berufe bieten in der Regel gerade leistungsschwächeren Jugendlichen einen erleichterten Einstieg in die duale Ausbildung. Bei erfolgreichem Abschluss besteht dann die Möglichkeit, die Ausbildung auf gemeinsamen Wunsch von Betrieb und Auszubildendem in einem dreijährigen Beruf fortzusetzen. Damit eröffnen sich für leistungsschwächere Jugendliche, die nicht über die erforderlichen Voraussetzungen für den direkten Einstieg in eine dreijährige Ausbildung verfügen, optimale weiterführende Qualifizierungswege. Auch in Zukunft wird sich die BDA dafür einsetzen, durch flexible Ausbildungsstrukturen sowohl auf die Anforderungen und Bedarfe der Wirtschaft als auch die unterschiedlichen Qualifikationsprofile der Jugendlichen einzugehen. Auch unter diesem Aspekt ist die vom Innovationskreis Berufliche Bildung (IKBB) empfohlene verstärkte Bildung von Berufsgruppen unterstützenswert: Gemeinsamkeiten erleichtern Übergänge bzw. die Anrechnung von erworbenen Kompetenzen. Voraussetzung für die Vernetzung mehrerer Ausbildungsberufe in einer Berufsgruppe muss aber immer das Vorliegen ausreichender Gemeinsamkeiten im Qualifikationsprofil sein, die sich z. B. auch in einer gemeinsamen Beschulung im ersten Ausbildungsjahr ausdrücken können. Sofern keine Schnittmengen mit bestehenden Berufen vorliegen, muss auch weiterhin die Verordnung von Einzelberufen möglich sein. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Moderne Strukturen in der dualen Ausbildung“ veröffentlicht.
Zum 1. August 2008 konnte die Ausbildung insgesamt in sieben neuen und in drei modernisierten Berufen starten (siehe Infokasten „Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret“). Unter den neuen Berufen befinden sich drei zweijährige
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Deutscher Qualifikationsrahmen: Erprobung muss Praxistauglichkeit und Mehrwert aufzeigen Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR), der Qualifikationen aller Bildungsbereiche in Zukunft transparent und damit vergleichbar machen soll, hat zum Jahresende 2008 konkrete Formen angenommen. Für die deutsche Wirtschaft sind die Kriterien der Praxistauglichkeit und des Mehrwerts entscheidend für den künftigen Erfolg des Instruments. Der Arbeitskreis DQR von Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und KMK, in dem die BDA vertreten ist, will bis zum Frühjahr 2009 einen abschließenden Entwurf vorlegen. Dieser enge Zeitplan soll anschließend ausreichend Zeit für die praktische Erprobung des DQR-Entwurfs sicherstellen und der Empfehlung
der Europäischen Kommission folgen, bis 2010 die nationalen Bildungssysteme über ihre nationalen Qualifikationsrahmen an den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) zu koppeln. Für die Wirtschaft wird diese Erprobungsphase entscheidend sein. Sie wird zeigen, ob der DQR praxistauglich ist und einen echten Mehrwert gerade auch für Personalverantwortliche in Unternehmen bietet. Dies ist nur der Fall, wenn der DQR leicht verständlich ist und die für seine Anwender relevanten Informationen enthält. Die Wirtschaft setzt sich weiterhin für eine Orientierung am Beschäftigungssystem und damit für eine konsequente Fokussierung auf Kompetenzen ein. Die Beschreibungen des DQR müssen zudem so offen formuliert sein, dass sich sowohl die hochschulische als auch die berufliche Bildung mit ihren jeweiligen Qualifikationen auf allen Stufen
Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret Neue Berufe 2008: Automatenfachmann/-frau, Fachkraft für Automatenservice (zweijähriger Beruf), Fotomedienfachmann/-frau, Personaldienstleistungskaufmann/-frau, Produktionstechnologe/-in, Servicekraft für Schutz und Sicherheit (zweijähriger Beruf), Speiseeishersteller/-in (zweijähriger Beruf) Neu geordnet wurden die Berufe: Fachkraft für Schutz und Sicherheit, Friseur/-in, Seiler/-in Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2009 befinden sich die Berufe: Bergbautechnologe/-in (vormals: Bergmechaniker/-in), Fotograf/-in, Industrieelektriker/-in (neuer Beruf), Keramiker/-in, Musikfachhändler/-in, Pferdewirt/-in, Technische/-r Modellbauer/-in (vormals Modellbauer/-in; Modellbaumechaniker/-in), Werkfeuerwehrmann/-frau (neuer Beruf)
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In der beruflichen Fortbildung wurden im Berichtsjahr die folgenden Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG): Geprüfte/-r Fachwirt/-in für Versicherungen und Finanzen, Geprüfte/-r Industriemeister/-in Papierund Kunststoffverarbeitung, Geprüfte/-r Prozessmanager/-in Produktionstechnologie, Geprüfte/-r Immobilienfachwirt/-in, Geprüfte/-r Veranstaltungsfachwirt/-in, Wirtschaftsfachwirt/-in Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen: Elektrotechniker/-in, Fachwirt/-in für Logistikdienstleistungen, Geprüfte/-r Industriemeister/-in Digital und Print, Geprüfte/-r Medienfachwirt/-in, Geprüfte/r Meister/-in für Veranstaltungstechnik, Geprüfte/-r Polier/-in, Geprüfte/-r Sportfachwirt/-in, Geprüfte/-r Tourismusfachwirt/-in, Kraftverkehrsmeister/-in, Meister/-in für Lagerwirtschaft, Tierpflegemeister/-in
des Rahmens wiederfinden können. Nur so kann mehr Durchlässigkeit innerhalb des deutschen Bildungssystems erreicht werden. Entscheidend für den Erfolg des DQR wird die sachgerechte und einvernehmliche Zuordnung der Qualifikationen sein. Hierbei müssen alle relevanten Akteure beteiligt werden. Die deutsche Wirtschaft hat in ihrem Vorschlag für einen DQR vom März 2008 eine beispielhafte Zuordnung von Qualifikationen vorgenommen. Diese soll jedoch nur zur Orientierung dienen. Eine pauschale Einordnung bestimmter Abschlussarten entspricht nicht dem vereinbarten „Outcome“-Ansatz. Qualifikationen müssen individuell anhand der jeweils vermittelten Kompetenzen zugeordnet werden.
Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung: kein Einheitsrezept Die EU-Kommission hat im April 2008 einen Vorschlag für einen Europäischen Bezugsrahmen für die Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung (EQARF) veröffentlicht. Damit sollen die EU-Mitgliedstaaten bei der Qualitätsverbesserung ihrer beruflichen Aus- und Weiterbildungssysteme unterstützt werden. Allerdings schießt der Vorschlag weit über die Ziele eines freiwilligen europäischen Qualitätssicherungsinstruments hin aus. Die europäischen Transparenzinstrumente wie der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) oder das geplante Leistungspunktesystem für die berufliche Bildung (ECVET) beruhen auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens. Dieser Ansatz wird nur funktionieren, wenn die Mitgliedstaaten ihre Qualitätssicherungssysteme transparent gestalten und gegebenenfalls verbessern. Deshalb unterstützt die deutsche Wirtschaft das grundsätzliche Ziel der vorgeschlagenen Empfehlung, die Qualität der beruflichen Bildung in den EU-Ländern zu verbessern. In einer gemeinsamen Stellungnahme haben die Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft jedoch die Detailliertheit des Vorschlages kritisiert, die eine freiwillige einheitliche Anwendung in den sehr heterogenen europäischen Berufsbildungssystemen gefährdet. Dies gilt insbesondere für die von der EU-Kommission vorgeschlagenen zehn Indikatoren, die Grundlage für die Qualitäts-
sicherung sein sollen. Ein europäischer Bezugsrahmen kann aufgrund der Unterschiedlichkeit der Systeme keine einheitlichen Kriterien für die Qualitätssicherung vorschreiben, sondern nur Anregungen zur Verbesserung und zur Transparenz verschiedener Qualitätssicherungssysteme geben. Ein übergreifender europäischer Referenzrahmen muss so flexibel ausgestaltet sein, dass er den Mitgliedstaaten genügend Spielraum bietet, die Besonderheiten ihres jeweiligen Systems bei der Umsetzung zu berücksichtigen. Der EQARF kann daher nur eine Orientierungshilfe zur freiwilligen Nutzung in den Mitgliedstaaten sein, darf aber keine verbindlichen Vorgaben machen. Die Stellungnahme wurde sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene (EU-Kommission, EU-Parlament) breit gestreut.
Durchlässigkeit erhöhen: Hochschulen für beruflich Qualifizierte öffnen Die mangelnde Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung stellt eine schwere Hypothek für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland dar. Noch immer müssen beruflich Qualifizierte, die studierfähig sind, hohe Hürden überwinden, um studieren zu können. Bundesweit liegt der Anteil der Studierenden, die auf Basis ihrer beruflichen Qualifikation ein Studium aufgenommen haben, bei unter 1 %. Bund und Länder haben auf dem Bildungsgipfel im Oktober 2008 entschieden, dass bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen für beruflich qualifizierte Studieninteressenten geschaffen und Zugangswege zur Hochschule erweitert werden sollen. Diese Entscheidung ist ein Schritt in die richtige Richtung, greift jedoch deutlich zu kurz. BDA und BDI setzen sich daher weiterhin mit Nachdruck dafür ein, dass für den Hochschulzugang gilt: Wer studierfähig ist, muss auch studieren können. Die tatsächlich erworbenen Kompetenzen jedes einzelnen Studienbewerbers müssen den Ausschlag für die Zulassungsentscheidung geben. Angesichts des in den kommenden Jahren dramatisch steigenden Fachkräftebedarfs an Hochqualifizierten muss die Studienanfängerquote in Deutschland auf deutlich über 40 % gesteigert werden. Formale Ausschlussgründe vom Studium sind nicht akzeptabel und führen zu einer unnöti-
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gen und nicht hinnehmbaren Verschwendung von Potenzial. Die weitere Öffnung der Hochschulen bleibt eine wichtige Voraussetzung, um ein breites Spektrum an individuellen und vielfältigen Qualifizierungsmöglichkeiten zu schaffen. BDA, BDI und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) haben ihre Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Neuregelung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte in einem gemeinsamen Memorandum formuliert. Alle Absolventen einer anerkannten Berufsausbildung sollen demnach das Recht haben, an den Zulassungsverfahren für ein Hochschulstudium teilzunehmen. Dieses Recht darf nicht an weitere formale Voraussetzungen gekoppelt werden, da solche Kriterien den Kreis der potenziellen Studierenden unnötig beschränken. Die Auswahl der Studierenden muss in der Autonomie der Hochschulen liegen, die hierfür transparente und leistungs- und profilorientierte Kriterien festlegen. Das Memorandum ist unter www.arbeitgeber.de abrufbar. Um die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung weiter zu erhöhen, müssen Hochschulen darüber hinaus viel stärker von ihrem Recht Gebrauch machen, in Ausbildung und Beruf erworbene Kompetenzen auf das Hochschulstudium anzurechnen. Dies ermöglicht Studierenden einen zügigeren Studienverlauf und hilft, unnötige Doppelqualifikationen zu vermeiden. BDA, BDI und HRK planen zu diesem Thema im Jahr 2009 eine gemeinsame Empfehlung. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Hochschulpolitik“ sowie den kompakt „Quartäre Bildung“ veröffentlicht.
Startschuss für „MINT Zukunft schaffen“ gefallen Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels im naturwissenschaftlich-technischen Bereich haben BDA und BDI am 5. Mai 2008 eine gemeinsame MINT-Strategie (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) unter dem Vorsitz von Thomas Sattelberger, Personalvorstand Deutsche Telekom AG und Vorsitzender des BDA/BDI/HRK-Arbeitskreies Hochschule/Wirtschaft, gestartet. Als Schirmherrin von „MINT
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Zukunft schaffen“ konnte die BDA Bundeskanzlerin Merkel gewinnen. Ziel ist es, in den kommenden sechs Jahren insbesondere die Zahl der MINT-Studienanfänger und -absolventen sowie der qualifizierten Bewerber um Ausbildungsplätze in MINT-Berufen zu erhöhen. Durch das gemeinsame Auftreten und die Bündelung der vielfältigen MINT-Aktivitäten der Unternehmen und Verbände soll den bildungspolitischen Forderungen der Wirtschaft stärkerer Nachdruck verliehen werden. „MINT Zukunft schaffen“ vernetzt die vielfältigen und seit Jahren sehr erfolgreich arbeitenden regionalen und branchenbezogenen MINT-Initiativen der Unternehmen und Verbände stärker miteinander. Der MINT-Navigator, Herzstück des Internetportals der Initiative, bietet Informationen und Zugang zu mehr als 140 MINT-Einzelinitiativen. Die zwei wesentlichen Instrumente, die der Initiative Schlagkraft verleihen, sind das MINT-Barometer sowie die MINT-Botschafter. Im Rahmen des MINT-Barometers, das in Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln erarbeitet wird, werden zukünftig jährlich komprimiert Zahlen und Fakten zu MINT veröffentlicht. Der Startschuss für die MINT-Botschafter-Aktivitäten fiel am 17. November 2008 im Rahmen der Botschafter-Auftaktkonferenz mit mehr als 200 Gästen, insbesondere Schülern, Lehrern, Studierenden, Eltern und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. MINT-Professionals stellten dar, warum sie sich für einen MINT-Beruf entschieden haben und welche Aspekte sie an den MINT-Disziplinen faszinieren. In einem Live-Chat diskutierten MINT-Botschafter deutschlandweit miteinander, wie bei Kindern und Jugendlichen Begeisterung für Naturwissenschaften und Technik geweckt werden kann. Die in das Internetportal eingebundene Botschafter-Plattform, die im Rahmen der Veranstaltung freigeschaltet wurde, vernetzt die Aktiven und bietet für interessierte Schulen und Hochschulen Informationen und Kontaktmöglichkeiten zu den MINT-Botschaftern. Mehrere tausend MINT-Botschafter werden in den kommenden Jahren in Informationsveranstaltungen, Betriebsbesichtigungen etc. bei Schülern und insbesondere Schülerinnen die Begeisterung für MINT wecken und Wissen über attraktive Berufseinstiege und Karrierewege für MINT-Professionals vermitteln.
Aktiv für MINT – die Handlungsschwerpunkte von „MINT Zukunft schaffen“ MINT-Programmatik
MINT-Konferenzen
„MINT Zukunft schaffen“ definiert eindeutige Ziele für das Engagement von Wirtschaft, Bildungsträgern und Politik und kommuniziert den jeweiligen Stand auf dem Weg dorthin.
Regelmäßige Veranstaltungen vernetzen die MINTGemeinschaft, verbreitern die Wissensbasis und stoßen neue Initiativen an. Hier wird „MINT Zukunft schaffen“ vor- und mitgelebt.
MINT-Barometer
MINT-Öffentlichkeitsarbeit
Das MINT-Barometer überprüft kontinuierlich den Fortschritt der MINT-Ziele. Wir wollen Zahlen, Daten und Fakten zusammenstellen, um sichtbar zu machen, welche Erfolge in Deutschland auf dem Weg zu mehr MINT erreicht worden sind.
„MINT Zukunft schaffen“ will eine breite Öffentlichkeit für die MINT-Thematik gewinnen und noch mehr Engagement für MINT entfachen. Austausch in Netzwerken ist das Ziel.
MINT-Botschafter
Ansprechpartnerin
MINT wird von Menschen gemacht! Die MINTBotschafter sind das menschliche Gesicht zur MINT-Idee, sie machen Mut und motivieren junge Menschen, sich an MINT heranzuwagen. MINTBotschafter-Tätigkeiten sind sehr vielfältig.
Dr. Ellen Walther-Klaus Geschäftsführerin der Initiative „MINT Zukunft schaffen“ Spreeufer 5 10178 Berlin T +49 30 21230-828 F +49 30 21230-959 www.mintzukunft.de
MINT-Portal Das MINT-Portal ist die digitale Multiplikationsplattform der MINT-Initiativen. Das Portal ist medialer Verstärker für den MINT-Gedanken und macht alle Informationen rund um die MINT-Projekte für Lernende, Lehrende und Eltern zugänglich. MINT-Preise An deutschen Schulen und Hochschulen existiert vielfältiges Engagement für MINT-Bildung. Der Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung zeichnete im Jahr 2008 die nachhaltige Heranbildung von MINT-Kompetenzen aus.
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Forderungen und Zusagen der Personalvorstände in der Erklärung „Bachelor Welcome – MINT-Nachwuchs sichern!“ Forderungen Hochschulen sollen die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse und die Weiterentwicklung der grundständigen und weiterbildenden Studiengänge zügig vorantreiben, angemessene Bildungsziele formulieren und die Lehrpläne erneuern. Hochschulen sollen insbesondere in den Bachelor-Studiengängen in MINT-Fächern die BolognaZiele der Vermittlung beschäftigungsbefähigender Basis- und Schlüsselqualifikationen erfüllen. Die Integration von Praxiseinsätzen in die Studienstruktur ist dazu ein wesentliches Element. Politik und Hochschulen sollen die Absolventenzahlen in den MINT-Studiengängen steigern, ohne die Qualität zu verwässern. Die hohen Abbrecherquoten müssen durch bessere Betreuung und frühzeitige Praxisorientierung gesenkt werden. Bund und Länder sollen die Finanzierung der MINT-Studienplätze durch einen Hochschulpakt auch für die Jahre 2010 bis 2020 sicherstellen. Es gilt, die Chance zu nutzen, auf der Basis der steigenden Anzahl an Studienberechtigten eine große Anzahl an qualifizierten Absolventen in den MINTFächern auszubilden. Länder und Hochschulen sollen sich für eine stärkere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung öffnen und zielgruppengerechte Angebote für beruflich Qualifizierte entwickeln. Ebenso sollten weiterbildende berufsbegleitende Bachelor-Studiengänge insbesondere im MINT-Bereich entwickelt und angeboten werden. Die Länder sollen durch ein förderndes, chancengerechtes und durchlässiges Schulsystem möglichst viele Schüler zur Hochschulreife führen. Rund die Hälfte eines Altersjahrgangs sollte eine Studienberechtigung erwerben.
Zusagen Die Unternehmen öffnen MINT-Bachelor-Absolventen attraktive Berufseinstiege und Karrierewege. wirken an der Entwicklung von Angeboten an wissenschaftlicher Weiterbildung aktiv mit und nutzen diese sowohl für akademisch als auch für beruflich qualifizierte Mitarbeiter aus dem MINT-Bereich bei der Personalentwicklung. fördern gemeinsam mit den Hochschulen den Ausbau von attraktiven dualen MINT-Studiengängen. unterstützen die Hochschulen dabei, den Praxisbezug ihrer Studiengänge zu steigern. Dazu werden sie z. B. mehr Fachkräfte aus dem MINT-Bereich als Dozenten zur Verfügung stellen, mehr MINTPraktika anbieten oder MINT-Lehrende temporär in Unternehmen einbinden. führen ihre vielfältigen Initiativen und Projekte zur Förderung des MINT-Nachwuchses fort und erweitern diese. leisten in den Schulen einen Beitrag, das Interesse an MINT-Berufen und -Studiengängen deutlich zu erhöhen. machen gelungene Karrieren von Frauen als Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen bekannt und gewinnen durch eine familiengerechte Personalpolitik mehr Schülerinnen für ein Studium in einem MINT-Fach.
Die vollständige Erklärung ist unter www.arbeitgeber.de und www.stifterverband.de abrufbar. Quelle: Auszug aus der Erklärung „Bachelor Welcome – MINT-Nachwuchs sichern!“, 20. Juni 2008.
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Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung 2008 „Zukunft = Bildung x MINT 2“ Gut ausgebildete Fachkräfte aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sind essenziell, um den Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland auch in Zukunft zu sichern. Mit neuen, innovativen Produkten und Dienstleistungen müssen sie die Marktchancen Deutschlands im globalen Wettbewerb behaupten. Um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und den Bedarf an Fachkräften zu decken, besteht eine wesentliche Aufgabe darin, Kinder und Jugendliche so früh wie möglich für MINT-Themen zu begeistern. Prämiert wurden in den drei Kategorien Vorschulische Einrichtung, Schule und Hochschule die besten Bildungskonzepte zur Förderung und Vertiefung der MINT-Kompetenzen bei Kindern, Schülern und Studierenden. Erstmals wurden zwei Sonderpreise Diversity vergeben, mit denen die besondere Bedeutung der Vielfältigkeit von Lernkontexten sowie die Notwendigkeit einer individuellen Förderung von Lernenden hervorgehoben wurden. Die Preisträger zeichnet aus, dass ihre Konzepte auf andere Einrichtungen übertragbar sind. Mit Unterstützung der Deutsche Bahn AG erhielt jede ausgezeichnete Initiative ein Preisgeld von 10.000 €. Die Preisverleihung fand im Rahmen des Deutschen Arbeitgebertages am 4. November 2008 statt.
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Preisträger sind in der Kategorie Vorschulische Einrichtung der Städtische Kindergarten Rindelbach, Ellwangen in der Kategorie Schule das Ratsgymnasium Wolfsburg, www.mathematik.uni-hildesheim.de/rgw in der Kategorie Hochschule die Universität Bremen, www.uni-bremen.de Preisträger des Sonderpreises Diversity sind die Waldhof-Kindertagesstätte Templin die Fachhochschule Brandenburg, www.fh-brandenburg.de Weitere Informationen zum Arbeitgeberpreis für Bildung unter www.arbeitgeber.de
Für mehr Ingenieure! Der Engpass an Fachkräften mit MINT-Qualifikationen ist in den Ingenieurwissenschaften besonders ausgeprägt. Aktuell besteht nach Erhebungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln allein in den Ingenieurberufen eine Fachkräftelücke von 70.000 Stellen. Gleichzeitig interessieren sich trotz hervorragender Arbeitsmarktchancen nach wie vor zu wenige junge Menschen für ein ingenieurwissenschaftliches Studium, und die Abbrecherquoten in diesen Studienfächern liegen überdurchschnittlich hoch. BDA, BDI, HRK und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft haben daher im Dezember 2008 zur Tagung „Für mehr Ingenieure!“ eingeladen, um im Dialog zwischen Vertretern von Wissenschaft und Wirtschaft Perspektiven und Wege zu entwickeln, wie Studium und Weiterbildung in den Ingenieurwissenschaften attraktiver und effizienter gestaltet werden können. Im Mittelpunkt standen die Fragen, wie mehr Frauen für ein ingenieurwissenschaftliches Studium gewonnen, die hohen Abbrecherquoten gesenkt und die Aktivitäten der Hochschulen in der ingenieurwissenschaftlichen Weiterbildung gesteigert werden können. Die Tagung setzt die gemeinsame Veranstaltungsreihe „Bildungsmarkt und Arbeitsmarkt im Dialog“ im siebten Jahr fort.
Bologna weiterentwickeln! Zum Wintersemester 2008/2009 sind bereits 75 % aller Studiengänge auf die gestufte Studienstruktur umgestellt. Fast jeder dritte Studierende an deutschen Hochschulen ist mittlerweile in einem Bachelor- bzw. Master-Studiengang eingeschrieben. Die Zahl der Absolventen dieser neuen Studiengänge ist mit 14 % allerdings noch gering, da die Mehrzahl noch nicht den Studienabschluss erreicht hat. Mehr als 2.000 Studiengänge sind noch nicht umgestellt, rund 80 % dieser Programme führen zu staatlichen Abschlüssen (insbesondere Medizin, Rechtswissenschaft und Lehramt). Hier ist die Politik gefordert, die Umstellung zügig und sachgerecht voranzutreiben. Umwege oder Hinhaltetaktik sind in keiner Weise zielführend und beschädigen das Ansehen der Bologna-Reform. Ebenfalls nicht akzeptabel sind Äußerungen aus berufsständischen Organisationen im Hoch-
schulbereich, die sich für ein Moratorium für noch nicht umgestellte Studiengänge und für den Master als Regelabschluss aussprechen. Die BDA ist gemeinsam mit dem BDI und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft solchen rückwärtsgewandten Forderungen öffentlichkeitswirksam massiv entgegengetreten und hat sich nachdrücklich für weitere Reformanstrengungen an den Hochschulen ausgesprochen. Auf der europäischen Ebene hat im Jahr 2008 eine intensive Diskussion über die Frage der Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses nach 2010 („Bologna beyond 2010“) begonnen. In den entsprechenden Gremien herrscht Einigkeit darüber, dass es nach wie vor Defizite bei der Implementierung der Bologna-Strukturen gibt, an denen weitergearbeitet werden muss. Daneben stellen die demografische Entwicklung und die Globalisierung Herausforderungen dar, denen sich die BolognaStaaten bei der Gestaltung des europäischen Hochschulraumes stellen müssen. Besondere Bedeutung muss auch weiterhin den Aspekten Qualitätssicherung, Mobilität und Beschäftigungsfähigkeit zukommen. Diese Gesichtspunkte der Fortführung des Bologna-Prozesses auch über das Zieljahr 2010 hinaus werden Eingang in die Formulierungen des nächsten Kommuniqués finden, das im Rahmen des Ministertreffens im April 2009 im belgischen Leuven unterzeichnet werden wird. BusinessEurope ist in den jeweiligen Gremien durch die BDA vertreten, die sich damit intensiv am Diskussionsprozess beteiligt.
Bachelor Welcome – MINT-Nachwuchs sichern! Am 20. Juni 2008 wurde in Berlin von rund 40 Personalvorständen bzw. Personalverantwortlichen führender deutscher Unternehmen die von der BDA und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft erarbeitete Erklärung „Bachelor Welcome – MINT-Nachwuchs sichern!“ unterzeichnet. Mit dieser konzertierten Aktion bekräftigt die Wirtschaft ihr Ja zum Bologna-Prozess und zur Umstellung auf die Studienabschlüsse Bachelor und Master. Sie richtet sich damit insbesondere gegen die an vielen Hochschulen immer noch bestehenden
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Vorbehalte, dass Bachelor-Absolventen ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Die diesjährige Erklärung knüpft an die Aktionen der Jahre 2004 und 2006 an. Angesichts der auf Seiten der Lehrenden immer noch vorhandenen Skepsis und der damit verbundenen Verunsicherung der Studierenden hinsichtlich des erfolgreichen Einstiegs von Bachelor-Absolventen in den Arbeitsmarkt ist dieses deutliche Signal der Unternehmen pro Bachelor hochschulpolitisch überaus wichtig. Seit Juni 2008 haben mehr als 40 weitere Unternehmen die Erklärung online unterzeichnet, die Zahl der Unterzeichner hat sich damit mehr als verdoppelt.
Beschäftigungsfähigkeit von Hochschulabsolventen stärken Die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit von Hochschulabsolventen ist ein zentrales Ziel eines Hochschulstudiums. Eine intensive Zusammenarbeit von Hochschulen und Unternehmen ist bei der Umsetzung dieses Ziels ein wichtiger Erfolgsfaktor. BDA, BDI und HRK haben daher im November 2008 ihr gemeinsames Verständnis von Beschäftigungsfähigkeit formuliert und wichtige Handlungsfelder zu ihrer Verankerung in den Studiengängen aufgezeigt. Ein Hochschulstudium dient der integrierten Vermittlung fachlicher, überfachlicher und Schlüsselkompetenzen. Die Hochschulen sind daher aufgefordert, ihre Studiengänge kompetenzorientiert zu gestalten und stärker an den Anforderungen des Arbeitsmarktes auszurichten, indem sie ihre Studierenden frühzeitig an die Berufspraxis heranführen. Die Wirtschaft berät und unterstützt sie hierbei und ermöglicht Studierenden qualifizierte Praxiseinblicke. Das vollständige Memorandum ist unter www.arbeitgeber.de abrufbar.
Systemakkreditierung: letzter Schritt zur Einführung erfolgt Zu Beginn des Jahres hatte der Akkreditierungsrat die entscheidenden Beschlüsse zur Einführung der Systemakkreditierung als weiteren Instru-
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ments der akademischen Qualitätssicherung an den deutschen Hochschulen gefasst. Den Hochschulen stehen nun zwei Wege offen: die bisherige Akkreditierung einzelner Studienprogramme (Programmakkreditierung) oder die Akkreditierung des hochschulinternen Qualitätssicherungssystems für Studium und Lehre (Systemakkreditierung). Teil des Verfahrens im Rahmen der Systemakkreditierung werden aber auch Stichproben einzelner Studienprogramme sein. Die Forderung der Arbeitgebervertreter im Akkreditierungsrat nach kontinuierlichen Stichproben im Laufe des Akkreditierungszeitraumes konnte zumindest dahingehend durchgesetzt werden, dass die beschlossenen Verfahrensregeln zur Mitte des Zeitraumes nun auch eine Halbzeitstichprobe im Sinne einer Programmstichprobe vorsehen. Mit der Zulassung von sechs Agenturen zur Systemakkreditierung durch den Akkreditierungsrat im Oktober 2008 erfolgte der letzte Schritt zur Einführung dieses neuen Verfahrens. Der Akkreditierungsrat hat darüber hinaus Standards für die Gestaltung des Verhältnisses von Systemakkreditierung und Beratungsdienstleistungen beschlossen: Um mögliche Interessenkonflikte auszuschließen, dürfen Agenturen keine Systemakkreditierungen an Hochschulen durchführen, an denen sie bei der Einführung des Qualitätssicherungssystems beratend tätig waren.
Hochschulfinanzierung investitionsorientiert und länderübergreifend gestalten Wettbewerb um Studierende, größere Investitionen in Hochschulbildung durch Bund und Länder, mehr Unterstützung für sozial Schwächere: Dies sind die Eckpunkte eines neuen Finanzierungsmodells für die Hochschulen, das BDA, BDI, Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gemeinsam entwickelt haben, um den Fachkräftebedarf nachhaltig zu sichern. Das Papier ist unter www.arbeitgeber.de abrufbar. Mit dem Modell wird ein Ausweg aus der aktuellen systematischen Fehlsteuerung der Hochschulfinanzierung und der Unterfinanzierung der Hochschulen aufgezeigt. Kernelement des neuen
Modells ist ein von Bund und Ländern gemeinsam finanzierter Gutscheinpool von 5 Mrd. €, aus dem die Studierenden Gutscheine erhalten, die sie an ihrer Hochschule einlösen. Die gemeinsame Finanzierung verhindert, dass ein Land kostenneutral von den gut ausgebildeten Absolventen aus anderen Bundesländern profitiert. Durch Erhebung von Studienbeiträgen sollen alle Hochschulen zudem die Möglichkeit haben, ihre Lehrqualität weiter zu verbessern. Hinzu kommt ein bundesweites Studienfinanzierungssystem, das ein monatliches Bildungsbudget für jeden Studierenden, gezielte BAföG-Zuschüsse für sozial Schwächere sowie günstige Studienkredite für alle umfasst, um ein Studium ohne Nebenjobs und Elternunterstützung möglich zu machen. Das Papier „Eckpunkte einer investitionsorientierten Hochschulfinanzierung“ von BDA, BDI, Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zur Hochschulfinanzierung wurde am 16. Juli 2008 im Rahmen einer gemeinsamen Tagung der beteiligten Organisationen sowie des Centrums für Hochschulentwicklung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert. Deutlich wurde hierbei die große Übereinstimmung aller beteiligten Organisationen wie auch zahlreicher weiterer Akteure aus Wissenschaft und Politik bei der Analyse der Probleme des aktuellen Finanzierungssystems, der Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels sowie bei den Grundsätzen eines neuen Modells: mehr Effizienz, mehr Wettbewerb, mehr Nachfrageorientierung. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Hochschulfinanzierung“ sowie die argumente „Studiengebühren zeigen Wirkung“ veröffentlicht.
Rahmenbedingungen für Stipendien verbessern Zur Förderung besonderer Talente sowie zur eigenen Nachwuchssicherung bieten bereits zahlreiche Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen Stipendien an. Bei der Auswahl geeigneter Studierender wie auch bei der Gestaltung der Unterstützungsangebote für Stipendiaten arbeiten sie oft eng mit Hochschulen zusammen. Bund und Länder diskutieren derzeit, wie weitere Anreize für Hochschulen und Unternehmen geschaffen werden können, um die Zusammenarbeit bei Stipendienprogrammen zu fördern. Vorgeschlagen wird insbesondere die Einrichtung eines nationalen Stipendiensystems. Demnach sollen Gelder, die die Hochschulen in eigener Initiative von privaten Gebern einwerben, von der öffentlichen Hand in gleicher Höhe ergänzt werden. Die BDA setzt sich nachdrücklich für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Einrichtung von Stipendienprogrammen ein. Besonders zu begrüßen ist der dezentrale Ansatz des Modells: Die Einwerbung von Stipendiengeldern für Studierende wird als originäre Aufgabe der einzelnen Hochschulleitungen begriffen. Die einzelnen Hochschulen erhalten Anreize, ihre Kooperationen mit der Wirtschaft zu verstärken und Unternehmenspartner für Stipendienprogramme zu gewinnen. Die stiftenden Unternehmen behalten Möglichkeiten der individuellen Gestaltung der Programme sowie bestimmenden Einfluss auf die Förderentscheidung. Dabei ist sicherzustellen, dass die Stipendien in voller Höhe den geförderten Studierenden zugutekommen.
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„Jobs, jobs, jobs, skills, skills, skills” Die BDA hat sich beharrlich dafür starkgemacht, dass sich auch die europäische Sozialpolitik daranmacht, eine deutliche Verbesserung der Lebenschancen zu verwirklichen. Dies geht nur, indem den Menschen ein Einstieg in Arbeit (Jobs) und der Aufstieg durch Bildung (Skills) ermöglicht werden. Diese grundlegende Einsicht findet in der Europäischen Kommission erfreulicherweise zunehmend Resonanz. Das schlägt sich in der Förderung des Flexicurity-Konzepts nieder wie auch in einer generell offenen Haltung gegenüber Argumenten der Wirtschaft bei anderen sozialpolitischen Vorhaben. EU-Kommissar Špidla hat sogar eine von ihm geleitete europäische „Flexicurity-Mission“ eingesetzt, mit dem Ziel, die konkrete Umsetzung der im Dezember 2007 vom Europäischen Rat verabschiedeten Flexicurity-Grundsätze in den Mitgliedstaaten zu fördern. Dies schlägt sich auch in der generellen Ausrichtung der Sozialagenda nieder, die die Kommission im Juli des Jahres vorgelegt hat. Darin hat sie richtigerweise festgestellt, dass es im Sinne von „Fordern und Fördern“ darum gehen muss, „den Bürgern die Möglichkeiten und Fähigkeiten an die Hand zu geben, um ihr Potenzial voll ausschöpfen zu können, und zugleich denjenigen, die hierzu nicht in der Lage sind, zu helfen“. Diese grundsätzlich positive Ausrichtung der Politik der EU-Kommission wird jedoch durch aktuelle Entwicklungen wieder konterkariert: 2008 – vor allem in der zweiten Jahreshälfte – ist deutlich zu spüren gewesen, dass das letzte Amtsjahr der jetzigen Kommission angebrochen ist. Damit wächst der Druck, insbesondere aus dem Europäischen Parlament, vor Ende der Amtszeit auf sozialpolitischem Gebiet noch Regulierungen zu erreichen und damit dem Dauervorwurf zu begegnen, die Kommission unter Barroso würde die Wirtschaftspolitik in der Lissabonner Reformagenda überbetonen und die soziale Dimension vernachlässigen. Erfolgsmaßstab in der Politik darf
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aber nicht die Quantität von Regulierungsakten sein. Dennoch schlägt die Kommission immer wieder problematische neue Richtlinien vor, die allen Flexicurity- und Better-Regulation-Bemühungen zuwiderlaufen. Gemeint sind hier insbesondere die Neufassung der Richtlinie über Europäische Betriebsräte (EBR-Richtlinie), eine zusätzliche Antidiskriminierungsrichtlinie und schließlich die geplante Revision der bestehenden Mutterschutzrichtlinie. Die BDA hat gemeinsam mit BUSINESSEUROPE alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel und politischen Instrumente eingesetzt, um durch proaktive Politik im Rahmen des Sozialen Dialoges bzw. offensive Überzeugungsarbeit die Interessen der deutschen Arbeitgeber auf EU-Ebene durchzusetzen und den durch die Regulierung entstehenden Schaden zu begrenzen.
Neufassung der EBR-Richtlinie: Sozialpartnervorschläge Grundlage für zügige Verabschiedung In der Diskussion über die Weiterentwicklung der Europäischen Betriebsräte sind die Arbeitgeber immer offen gewesen für praxistaugliche Verbesserungen. Dafür wäre eine Revision der EBR-Richtlinie nicht erforderlich. Nachdem die EU-Kommission dennoch entschieden hatte, die EBR-Richtlinie zu revidieren, hat BUSINESSEUROPE dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) angeboten, die Inhalte der Revision im Sozialen Dialog zu verhandeln – so wie dies bereits mit anderen ursprünglich umstrittenen Themen, z. B. zu Gewalt am Arbeitsplatz, arbeitsbedingtem Stress oder Telearbeit, gelungen ist. Dabei haben die Arbeitgeber von Anfang an transparent und offen die Zielsetzung der Kommission unterstützt, die Probleme zu lösen, die sich wirklich und nachweislich aus der praktischen Erfahrung ergeben, und keine ideologischen Zwecke zu verfolgen, etwa externen Gewerkschaftsfunktionären größeren Einfluss gegenüber betriebszugehörigen Arbeitnehmervertretern einzuräumen. Der EGB hat sich jedoch diesem Verhandlungsangebot – trotz eindringlichen Appells auch der EU-Kommission – verweigert.
Im Juli 2008 legte die Kommission ihren Vorschlag zur Neufassung der EBR-Richtlinie vor. Der Text hat viele schädliche Gewerkschaftsforderungen nicht aufgegriffen, nicht zuletzt wegen zahlreicher intensiver Vorgespräche zwischen Wirtschaft und Kommissionsexperten. Zentraler Kritikpunkt blieb jedoch, dass kein ausreichender Bestandsschutz für bestehende EBR-Vereinbarungen gewährleistet wird. Die Arbeitgeber haben während des ganzen Prozesses eine konstruktive Haltung bewahrt. So ist es BUSINESSEUROPE gelungen, den EGB von einem gemeinsamen Brief an die französische EU-Ratspräsidentschaft zu überzeugen, in dem der Kommissionsvorschlag von beiden Seiten als Grundlage für eine schnelle Verabschiedung akzeptiert wird, allerdings wichtige Änderungsvorschläge am Kommissionstext, auf die sich beide Sozialpartner verständigt hatten, formuliert werden. Wichtigster Punkt ist aus BDA-Sicht der gemeinsame Vorschlag für eine rechtssichere Formulierung des Bestandsschutzes für sog. Artikel-13-Vereinbarungen. Um die Arbeitgeberposition gegenüber den politisch Verantwortlichen und der Öffentlichkeit nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen, hat die BDA am 9. September 2008 eine Konferenz zu Europäischen Betriebsräten in Brüssel veranstaltet, die auf große Resonanz stieß. Hauptredner und Gastgeber war für die BDA Dr. Siegfried Russwurm, Mitglied des Präsidiums der BDA und Personalvorstand der Siemens AG. EU-Kommissar Vladimir Špidla hielt den Einführungsvortrag. Zuvor hatten BDA-Präsidiumsmitglied Russwurm und EU-Kommissar Špidla eine Pressekonferenz gegeben. Hauptredner der Konferenz waren außerdem: der EP-Berichterstatter Philip BushillMatthews, der stellvertretende Generalsekretär des EGB, Reiner Hoffmann, die Kabinettschefin von EU-Kommissar Špidla, Kristin Schreiber, der Vorsitzende des Sozialausschusses von BUSINESSEUROPE, Jørgen Rønnest, der Vizepräsident Human Resources der Publicis Groupe und Vorsitzender des Ausschusses für Arbeitsbeziehungen von MEDEF, Benoît Roger-Vasselin. Außerdem legten Unternehmensvertreter ihre praktischen Erfahrungen mit den Europäischen Betriebsräten dar. Für die BDA unterstrich Präsidiumsmitglied Russwurm, dass der Vorrang für
unternehmensspezifische Lösungen bei der weiteren Revision der Richtlinie unbedingt erhalten bleiben müsse, um die Erfolgsgeschichte der Europäischen Betriebsräte fortzusetzen. Vielfältigkeit als Ergebnis jeweils individueller, maßgeschneiderter Vereinbarungen sei zum Markenzeichen der Europäischen Betriebsräte geworden. Der vorgeschlagene Bestandsschutz für bestehende EBR-Vereinbarungen und ein neues zweijähriges Zeitfenster schüfen Spielraum für maßgeschneiderte Lösungen. BDA-Präsidiumsmitglied Russwurm begrüßte, dass der Grundgedanke des absoluten Vorrangs für betriebliche Vereinbarungen mit der gemeinsamen Stellungnahme der Sozialpartner zum Kommissionsvorschlag auch die Unterstützung der Gewerkschaften finde. Er appellierte an das Europäische Parlament und den Rat, die gemeinsam vorgetragenen Wünsche der europäischen Sozialpartner zu berücksichtigen, damit das Gesetzgebungsverfahren zügig abgeschlossen werden könne und die Unternehmen Rechtssicherheit erhielten. Unter dem Eindruck der auch in dieser Konferenz zum Ausdruck gebrachten Gemeinsamkeit des Ansatzes der europäischen Sozialpartner schwenkte der EP-Berichterstatter Bushill-Matthews auf die gemeinsame Linie der europäischen Sozialpartner ein und erklärte öffentlich, alles zu tun, um noch unter französischer EU-Ratspräsidentschaft die Richtlinie im Sinne der Sozialpartner zu verabschieden. Der EBR-Vorschlag wird derzeit im Europäischen Parlament und im Rat beraten. Der EPBerichterstatter im Beschäftigungsausschuss, Philip Bushill-Matthews, hat Wort gehalten, inhaltlich die Sozialpartnervorschläge vertreten und für eine schnelle Verabschiedung der Richtlinie plädiert. Dagegen hat die sozialistische Fraktion trotz des klaren gemeinsamen Votums der europäischen Sozialpartner und des Berichterstatters weiter gehende und sehr problematische Änderungsanträge an dem Kommissionsvorschlag vorgelegt, die zu empfindlichen Verschärfungen in der Praxis der Information und Konsultation der Arbeitnehmer führen würden. Im Ergebnis hat der Beschäftigungsausschuss des EP einerseits die vom Berichterstatter eingebrachten Sozialpartnervorschläge angenommen und damit insbesondere den Bestandsschutz von Artikel-13Vereinbarungen unangetastet gelassen. Gleichzeitig wurden aber aufgrund der besonderen
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Mehrheitsverhältnisse in diesem Ausschuss auch die Änderungsanträge der sozialistischen Fraktion angenommen. Letztlich ist es aber in langwierigen Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament (Trilog) gelungen, die sozialistische Fraktion davon zu überzeugen, ihre Änderungsanträge zurückzuziehen. Die Sozialpartnervorschläge sollen nun lediglich um eine geringe Anzahl von Kompromissformulierungen ergänzt werden, die auch von Arbeitgeberseite akzeptiert werden können. Der im Trilog gefundene Kompromiss hat den Weg dafür eröffnet, dass der Richtlinienvorschlag der Kommission und die darauf basierenden Sozialpartnervorschläge im Kern erhalten bleiben und die Grundlage für eine Verabschiedung durch das Plenum des EP und den Rat noch im Dezember 2008 bilden. Damit würde sichergestellt, dass die Unternehmen und ihre Arbeitnehmervertreter über praxistaugliche und stabile rechtliche Rahmenbedingungen verfügen, die für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Betriebsräte notwendig sind. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäische Betriebsräte“ veröffentlicht.
Neue Antidiskriminierungsrichtlinie schafft nur zusätzliche Bürokratie Immer wieder hat die BDA auf den „Perpetuummobile“-Effekt hingewiesen, der eintreten kann, wenn europäische Gesetzgebung bei der nationalen Umsetzung übererfüllt wird. Genau dies zeigt sich beim Antidiskriminierungsrecht leider exemplarisch, wie prognostiziert. Die große Koalition in Berlin hat mit dem AGG mehr getan, als das europäische Recht in bestehenden Richtlinien gegen Diskriminierung verlangt. In der RichtlinienUmsetzungsgesetzgebung wurde die europäische Ebene instrumentalisiert, um gesetzgeberische Ziele, die sich politisch im rein nationalen Gesetzgebungsprozess nicht ohne weiteres hätten durchsetzen lassen können, unter dem Vorwand des Zwangs der Umsetzung europäischen Rechts quasi „durch die Hintertür“ durchzusetzen. Nun beruft sich die Kommission auf solche nationale Übererfüllung wie im AGG, um diese zum europäischen Standard zu erheben. Damit ist das „Perpetuum mobile“ kreiert – einmal in Gang gesetzt,
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bleibt es ewig in Bewegung. Denn nun folgt der nationalen Übererfüllung ein Vorschlag für einen neuen europäischen Mindeststandard im Bereich der Antidiskriminierung und so schaukelt sich die Regelungswut und Bürokratie immer weiter hoch. Deshalb muss die Forderung nach einer 1:1-Umsetzung europäischen Rechts und dem Verzicht auf Übererfüllung im Rahmen von Umsetzungsgesetzen nochmals deutlich unterstrichen werden. Am 2. Juli 2008 legte die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie vor. Das Ziel dieser zusätzlichen Antidiskriminierungsrichtlinie ist die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung künftig auch außerhalb des Arbeitsrechtes, also im allgemeinen Zivilrecht. Diese Richtlinie hätte zur Folge, dass die Vertragsfreiheit im gesamten Zivilrecht beschränkt würde. Damit verbunden wären darüber hinaus neue Regulierung, hohe Kosten und schädliche zusätzliche Bürokratie anstatt besserer Rechtsetzung. Aufgrund der Beweislastumkehr wären Anbieter von Gütern und Dienstleistungen faktisch zu einer systematischen und umfassenden Dokumentation und Archivierung der eigenen Beweggründe für die Auswahl ihrer Vertragspartner gezwungen. Die Richtlinie würde erheblichen Änderungsbedarf im deutschen Recht auslösen. Die Aufrechterhaltung der Beschränkung des Benachteiligungsverbots auf Massengeschäfte wäre z. B. nicht mehr möglich. Auch müssten gänzlich neue „angemessene Vorkehrungen“ für Behinderte aufgenommen werden, damit diese besseren Zugang zu Waren oder Dienstleistungen erhalten. Wer wollte da entscheiden, wo der Aufwand vertretbar wäre für größere bauliche Veränderungen, etwa für Rollstuhlfahrer? Wäre Preisauszeichnungspflicht in Blindenschrift „angemessen“? Fragen über Fragen und große Unsicherheit darüber, was wirklich mehr verlangt wird, wären die Folge. Die BDA hatte im Vorfeld der Vorlage intensive Gespräche geführt und ihre Argumente gegen eine weitere Antidiskriminierungsrichtlinie bei zahlreichen Gelegenheiten öffentlich vorgetragen.
Wie die Wirtschaft übt glücklicherweise auch die Bundesregierung substanzielle Kritik an dem Richtlinienvorschlag und stellt in Frage, ob weitere Rechtsvorschriften zur Antidiskriminierung auf europäischer Ebene überhaupt erforderlich sind. Da diese Richtlinie im Ministerrat dem Prinzip der Einstimmigkeit unterliegt, wäre es für Deutschland möglich, diesen Richtlinienvorschlag auch alleine zu blockieren. Jetzt ist aber zunächst die Kommission durch den Ministerrat aufgefordert, „noch offene Fragen“ zu klären.
Ausweitung des Mutterschutzes bringt unnötige Mehrbelastung für deutsche Arbeitgeber Im Oktober 2008 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Revision der Mutterschutzrichtlinie (92/85/EWG) vorgelegt. Der Kommissionsvorschlag ist Teil eines Pakets verschiedener Initiativen zur Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben und sieht eine Aktualisierung und Ausweitung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften vor. Das grundsätzliche Ziel der Kommission, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, wird von den Arbeitgebern voll unterstützt. Der Weg dorthin ist allerdings falsch. Erstens hat die Kommission als Rechtsgrundlage für die Mutterschutzrichtlinie den Gesundheitsschutz und die Sicherheit bei der Arbeit gewählt: Aus rein gesundheitlichen Erwägungen jedoch ist eine Verlängerung der Mutterschutzfrist von 14 auf 18 Wochen nicht erforderlich. Zweitens liegen die Gründe für eine späte Rückkehr vieler Frauen in den Beruf ganz eindeutig in mangelnden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren. Hier kann eine Mutterschutzrichtlinie nichts bewirken. Nur der Ausbau der Krippeninfrastruktur würde maßgeblich zum schnelleren beruflichen Wiedereinstieg von Müttern beitragen. Und schließlich würden die Vorschläge der Kommission besonders in Deutschland zu erheblichen zusätzlichen Kosten für die Unternehmen führen: Denn in Deutschland tragen, anders als in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Arbeitgeber die Hauptlast der Finanzierung der Mutter. Bereits heute entstehen den deutschen Betrieben jährlich Kosten in Höhe von 1,6 Mrd. €. Durch eine Verlängerung der
Mutterschutzfrist von 14 auf 18 Wochen würden die Lohnzusatzkosten um weitere rund 500 Mio. € im Jahr steigen. Vor diesem Hintergrund plädiert die Wirtschaft dafür, von einer Revision der Richtlinie abzusehen. Die EU ist ohnehin verpflichtet, beim Gesundheitsschutz entsprechend den Bestimmungen des EG-Vertrages Mindeststandards festzusetzen, und dies ist mit der bestehenden Mutterschutzrichtlinie ausreichend gewährleistet.
Zeitarbeit: kein Änderungsbedarf in Deutschland durch EU-Richtlinie Im „Paket“ mit der Arbeitszeitrichtlinie ist beim Sozialministerrat im Juni 2008 die Zeitarbeitsrichtlinie verhandelt worden, die ebenfalls jahrelang blockiert war. Insbesondere Großbritannien hatte den darin vorgesehenen Gleichbehandlungsgrundsatz abgelehnt. Erst nachdem die britische Regierung im Mai 2008 mit dem britischen Arbeitgeberverband CBI und dem britischen Gewerkschaftsbund TUC eine Vereinbarung zur Zeitarbeit abgeschlossen hatte, wonach der Gleichbehandlungsgrundsatz für Zeitarbeitnehmer in Großbritannien ab einer Beschäftigungsdauer von zwölf Wochen gelten soll, war Großbritannien auch auf europäischer Ebene zu Zugeständnissen bereit. Das Europäische Parlament hat das „Paket“ aus Zeitarbeitsrichtlinie und Arbeitszeitrichtlinie aufgeschnürt und im Oktober den Ratskompromiss zur Zeitarbeitsrichtlinie ohne Abänderungen gebilligt. Damit ist die Zeitarbeitsrichtlinie in der Fassung des Ratskompromisses verabschiedet. Nach Veröffentlichung im Amtsblatt haben die Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Zentraler Punkt der Zeitarbeitsrichtlinie ist der Grundsatz, wonach ein Zeitarbeitnehmer grundsätzlich wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihbetriebs behandelt werden muss. Die Möglichkeit, durch tarifvertragliche Vereinbarungen von diesem Grundsatz abzuweichen, sieht auch die Richtlinie unverändert vor. Hiervon haben die Tarifvertragsparteien in Deutschland verantwortungsvoll Gebrauch gemacht. Die Zeitarbeitsrichtlinie führt damit zu keinem Änderungsbedarf im deutschen Recht. Mit diesem klaren Votum zur Zeitarbeit ist ein stabiler rechtlicher Rahmen für die Entfaltung des Jobmotors Zeitarbeit auch von europäischer Ebene erzielt worden.
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Zeitarbeit im internationalen Vergleich
Prozent an allen Erwerbstätigen 5 4,5
4,5
4
3,5
3 2,4
2,5
2
1,8
1,5
1,3
1,4
1,5
1,5
1,5
CH
A
IRL
1,9
2,0
2,5
2,6
2,1
1,0
1
0,7
0,8
0,8
DK
SWE
0,5
0 ES
NO
D
* Europäischer Durchschnitt Quelle: Eurociett, Stand 2006; Darstellung: BDA
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Arbeitszeitrichtlinie: vernünftiger Kompromiss durch EP gefährdet Nach jahrelangem Tauziehen, insbesondere um die Qualität von Bereitschaftsdiensten (Arbeitszeit oder nicht?), ist es dem Sozialministerrat im Juni 2008 gelungen, eine politische Einigung zur Arbeitszeitrichtlinie zu erzielen. Bei den Beratungen der Arbeits- und Sozialminister hat sich letztlich eine pragmatische Linie durchgesetzt, die die Notwendigkeit von mehr Flexibilität für Unternehmen bei der Gestaltung der Arbeitszeit anerkennt. Nur aktiver Einsatz während eines Bereitschaftsdienstes soll als Arbeitszeit gelten, nicht aber tatsächliche Ruhezeiten während der Bereitschaft. Sollte diese Lösung, auf die der Rat sich geeinigt hat, auch vom EP in zweiter Lesung bestätigt werden, so wäre das sehr positiv für die Beschäftigung in Deutschland und Europa. Die BDA hatte seit langem gefordert, den Weg für eine Revision der Arbeitszeitrichtlinie freizumachen, um die kostenträchtigen Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Simap“ und „Jaeger“ zu korrigieren. Mit dem im Rat verabschiedeten Kompromiss, wonach die inaktive Zeit des Bereitschaftsdienstes nicht mehr als Arbeitszeit zählt, ist diese Forderung endlich erfüllt worden. Wenn es dem Rat gelingt, auch das Europäische Parlament zu überzeugen – wozu es noch erheblicher Anstrengungen bedarf –, dann eröffnet sich für den deutschen Gesetzgeber die Chance für eine Regelung, nach der inaktive Zeiten während des Bereitschaftsdienstes nicht mehr als Arbeitszeit zählen. Dies wäre ein wichtiger Beitrag für mehr Arbeitszeitflexibilität, z. B. bei Feuerwehrleuten und in Krankenhäusern. Der Sozialministerrat hat zu Recht der Versuchung widerstanden, die Fortschritte bei der Korrektur des Bereitschaftsdienstes durch neue Beschränkungen bei der Arbeitszeitgestaltung zu konterkarieren. Die „Opt-out“-Regelung zur Abweichung von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit wird unbefristet beibehalten. Diese Regelung hilft vor allem kleinen und mittleren Unternehmen, Auftragsschwankungen auszugleichen und Beschäftigung zu sichern, und entspricht einer Forderung der BDA. Deshalb darf die Anwendung des „Opt-out“ auch nicht durch zusätzliche Vorgaben unnötig verkompliziert werden. Die Einigung im Rat bei der Arbeitszeitrichtlinie ist auch eine Fol-
ge der Beharrlichkeit der Wirtschaft. Immer wieder hatte die BDA die Notwendigkeit der Korrekturen beim Bereitschaftsdienst und die Beibehaltung der „Opt-out“-Regelung angemahnt und davon auch die Bundesregierung überzeugt. Entwarnung kann jedoch noch nicht gegeben werden. Das Europäische Parlament kann den Kompromiss in zweiter Lesung wieder kippen. Die sehr heftigen Reaktionen aus den linken Fraktionen des Europäischen Parlaments und der Gewerkschaften lassen schwierige Auseinandersetzungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren befürchten, entsprechend konfliktreich gestalten sich jetzt auch die laufenden Beratungen im Europäischen Parlament. Der Beschäftigungsausschuss im EP hat einen Empfehlungsentwurf für die zweite Lesung verabschiedet, der klar in Widerspruch zum gemeinsamen Standpunkt des Rates steht. Der gesamte Bereitschaftsdienst wird danach als Arbeitszeit angesehen. Die „Opt-out“Regelung soll nach einem Übergangszeitraum von drei Jahren auslaufen. Wenn sich das Plenum des Europäischen Parlaments nicht eines Besseren besinnt, wird der mühsam errungene Ratskompromiss wieder komplett in Frage gestellt. Dabei sind nach der überfälligen Einigung im Rat alle EU-Institutionen aufgefordert, das Gesetzgebungsverfahren zügig abzuschließen. Die BDA ist in engem Kontakt mit deutschen Abgeordneten, um sie von der Angemessenheit des Ratskompromisses zu überzeugen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „EU-Arbeitszeitrichtlinie“ veröffentlicht.
Bessere Rechtsetzung muss konsequent weiterverfolgt werden Die Verringerung der Verwaltungslasten in den Unternehmen ist ein wichtiges Ziel, das die EUKommission im Rahmen ihrer Strategie zur Schaffung einer besseren Rechtsetzung verfolgt. Die hierdurch entstehenden Kosten sollen bis 2012 um 25 % verringert werden. Die EU-Kommission hat eine Onlinekonsultation gestartet, um die Unternehmen unmittelbar in den Abbauprozess einzubinden. Um die Forderungen der Wirtschaft hinsichtlich besserer Recht-
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setzung auch gebündelt gegenüber der Kommission darzustellen, haben BDA und BDI einen gemeinsamen Forderungskatalog zusammengestellt. Darin ist ausführlich dargestellt, in welchen Bereichen und bei welchen europäischen Regelungen Verbesserungsbedarf besteht und wie dort für die Unternehmen Verbesserungen erzielt werden können. Neben den Bereichen „Arbeitsrecht“ und „Sozialrecht“ geht es z. B. um Forderungen zu den Themen „Umwelt und Technik“, „Verbraucherschutz“ und „Zoll“. Konkret fordern BDA und BDI u. a., die EU-Richtlinie zur Bildschirmarbeit zu streichen oder zumindest auf wenige, zeitgemäße Inhalte zu reduzieren. Außerdem sind die Art und Weise sowie der Inhalt der Unterrichtungspflichten bei einem Betriebsübergang auf ein sinnvolles Maß zurückzuführen. Im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie ist die EU-Kommission aufgefordert, die Rechtssicherheit für Unternehmen zu erhöhen und damit die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung zu vereinfachen. Sie muss diese Aufgabe bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist (28. Dezember 2009) erfüllen. Es sollten nur diejenigen Regelungen bei einer grenzüberschreitenden Dienstleistung vom Unternehmen angewendet werden müssen, die der EU-Kommission zuvor von den Mitgliedstaaten gemeldet wurden. Die Vorschläge von BDA und BDI sind im Internet unter www.arbeitgeber.de zu finden. Die BDA hat zu diesem Thema zudem den kompakt „Bessere Rechtsetzung“ veröffentlicht. Auch BUSINESSEUROPE hat einen Katalog vorgelegt, in dem zahlreiche konkrete Vorschläge für eine Vereinfachung der EU-Gesetzgebung aufgeführt werden, z. B. im Bereich der EU-Arbeitszeitrichtlinie.
EuGH-Urteile „Laval“, „Viking“, „Rüffert“ und „Kommission ./. Luxemburg“: positive Weichenstellung für den Binnenmarkt nicht konterkarieren Mit den Entscheidungen in den Rechtssachen „Laval“, „Viking“, „Rüffert“ und „Kommission ./. Luxemburg“ hat der EuGH in begrüßenswerter Klarheit zu den im EU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten,
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insbesondere zur Dienstleistungsfreiheit und zur Niederlassungsfreiheit, Stellung genommen. Mit seinen Entscheidungen stellt der EuGH klar, dass die Ausübung sozialer Grundrechte, wie z. B. des Streikrechts, mit den Grundfreiheiten des Binnenmarktes, hier der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, in einer vernünftigen Balance stehen muss. So wurde einerseits das Recht der Gewerkschaften auf Ausübung kollektiver Rechte anerkannt, zugleich aber mit den Grundfreiheiten deren Schranken aufgezeigt. Der EuGH stärkt damit die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes – des Kernstücks der europäischen Integration. Nichtsdestotrotz bleibt es – für den Fall einer Fortentwicklung dieser Rechtsprechung – ein Grundsatz, dass die Europäische Union im Bereich des Arbeitskampfrechts keine Kompetenzen besitzt. Die Entscheidungen des EuGH sind Anlass für neue Forderungen aus dem Europäischen Parlament, unter dem Deckmantel des Arbeitnehmerschutzes faktisch eine Einschränkung der Freizügigkeit betreiben zu dürfen. Konkret wird die EU-Kommission in einem Entschließungsantrag des Vorsitzenden des Beschäftigungsausschusses, Jan Andersson, aufgefordert, Vorschläge auszuarbeiten, die widersprechenden Auslegungen des Europäischen Gerichtshofs zur Entsenderichtlinie künftig vorbeugen sollen. Dabei wird auch eine teilweise Überarbeitung der Entsenderichtlinie nicht ausgeschlossen. Im Ergebnis führen solche Forderungen zu Protektionismus und stehen somit der europäischen Integration entgegen. Ebenso verfehlt ist der Versuch des DGB, die Rechtsprechung des EuGH im Fall „Rüffert“ mit dem ILO-Übereinkommen Nr. 94 zu Löhnen bei öffentlicher Auftragsvergabe in Zusammenhang zu bringen. Die Vorschriften dieses Übereinkommens aus dem Jahr 1949 sind heute praxis- und realitätsferner denn je und führen in den wenigen Staaten der Europäischen Union, die es ratifiziert haben, zu erheblichen Anwendungsproblemen. Das Übereinkommen sollte daher aufgehoben werden, anstatt zum Gegenstand einer Ratifizierungskampagne auf internationaler Ebene gemacht zu werden!
Freizügigkeit: Frankreich macht’s vor Im Frühjahr 2009 werden die Mitgliedstaaten von der Kommission aufgefordert mitzuteilen, ob sie in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten weiterhin Übergangsfristen in Anspruch nehmen wollen. Spätestens sieben Jahre nach dem Beitritt, im Jahr 2011, müssen alle Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit beseitigt sein. Derzeit haben elf der EU-15-Staaten ihre Arbeitsmärkte vollständig geöffnet: Das Vereinigte Königreich, Irland und Schweden hatten ihre Arbeitsmärkte bereits während der Phase 1 geöffnet. Ihnen folgten am 1. Mai 2006 Spanien, Finnland, Griechenland und Portugal und am 27. Juli 2006 Italien. In den Niederlanden wurden die Beschränkungen ab dem 1. Mai 2007 aufgehoben und in Luxemburg ab dem 1. November 2007. Das Vereinigte Königreich behält sein obligatorisches Meldesystem bei und in Finnland muss die Beschäftigung nachträglich zu Überwachungszwecken registriert werden. Die meisten der EU-15-Staaten, die Beschränkungen beibehalten haben, haben ihre Verfahren vereinfacht oder die Beschränkungen in bestimmten Sektoren/Berufen reduziert (Belgien, Dänemark und seit dem 1. November 2007 Deutschland). Ebenso wurde in Deutschland die Dienstleistungsfreiheit für die Branchen Baugewerbe, Gebäudereinigung und Innendekoration beschränkt. Pünktlich zu Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli 2008 hat auch Frankreich seinen Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten geöffnet. Zu diesem Anlass hat sich Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt öffentlich geäußert: „Jetzt hat auch Frankreich erkannt, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten mehr Chancen als Risiken birgt. Deutschland darf sich nicht weiter abschotten, sondern muss aktiv sein, um im grenzüberschreitenden Wettbewerb um gute und ausgebildete Arbeitskräfte nicht dauerhaft
ins Hintertreffen zu geraten. Ich fordere die Bundesregierung auf, die bisher in Deutschland noch bestehende generelle Abschottung gegenüber Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten zu beenden.“ Eine pauschale Verlängerung der Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist schon angesichts der 2011 ohnehin eintretenden uneingeschränkten Freizügigkeit nicht sinnvoll. Vielmehr sollten die damit einhergehenden Chancen genutzt werden. Vor allem Großbritannien und Irland haben durch eine frühzeitige Öffnung ihrer Arbeitsmärkte erhebliche Vorteile in Form einer stärkeren wirtschaftlichen Dynamik und eines insgesamt gewachsenen Arbeitsplatzangebotes auch für Inländer profitiert. Allein 500.000 Arbeitnehmer aus Polen haben zwischen Mai 2004 und Dezember 2007 in Großbritannien Arbeit gefunden. Deutschland ist in diesem Wettbewerb schon deutlich ins Hintertreffen geraten. Die Bundesregierung hat bereits 2007 den Arbeitsmarkt für Ingenieure aus den neuen EU-Mitgliedstaaten geöffnet. Dies ist ein wichtiger Schritt im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Bedauerlich ist aber, dass an der grundsätzlichen Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die dritte Phase festgehalten wird.
Europäischer Sozialer Dialog steht für Praxisnähe und Verantwortung Der Soziale Dialog ist für zahlreiche sozialpolitische Initiativen das geeignete Instrument, um praxistaugliche Regelungen im Konsens der Sozialpartner zu finden, dies erkennt zunehmend auch die Europäische Kommission an. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Gewerkschaften ihre Verantwortung voll übernehmen und selbst proaktiv und gestaltend wirken, anstatt die Kommission zur Vorlage gesetzlicher Regelungen aufzufordern, wie dies Anfang 2008 im Falle der Neufassung der Richtlinie zu Europäischen Betriebsräten (EBR) geschah, als der EGB Sozialpartnerverhandlungen ablehnte. Damit wurde eine wichtige Chance für eine an der betrieblichen Praxis orientierte Verbesserung der Funktionsweise von Europäischen Betriebsräten vertan. Auch
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wenn der EGB anschließend zu gemeinsamen Vorschlägen zur schließlich von der EU-Kommission vorgelegten Neufassung bereit war, ändert dies nichts an der Tatsache, dass er mit dem Ablehnen von Verhandlungen zu EBR das Heft des Handelns aus der Hand der Sozialpartner gegeben hat. Dass mit dem Sozialen Dialog erfolgreich praxistaugliche Lösungen auf EU-Ebene zu wichtigen Themen gefunden werden können, zeigen die Beispiele der Vereinbarungen zur Telearbeit, zu arbeitsbedingtem Stress sowie zu Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz.
Verhandlungen zu „inclusive labour markets“ gestartet Die Modernisierung der europäischen Arbeitsmärkte ist unabdingbare Grundlage für mehr Beschäftigung. Die europäischen Sozialpartner hatten in einer gemeinsamen Analyse der Arbeitsmärkte, die sie im letzten Herbst vorgelegt hatten, moderne Arbeitsmarktverfassungen nachdrücklich angemahnt. Wörtlich forderten sie: „Der steigende Druck auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die Globalisierung und andere wirtschaftliche und soziale Veränderungen verlangt, dass das Arbeitsrecht auf diese neuen Herausforderungen antwortet. Vorrang muss es haben zu prüfen, welche Rolle Bestimmungen zum Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses bei erfolgreichen und sich lohnenden Übergängen in neue und bestehende Arbeitsplätze spielen, und diese gegebenenfalls anzupassen.“ Aufbauend auf dieser richtigen gemeinsamen Analyse haben die europäischen Sozialpartner nun Verhandlungen zu einer autonomen Rahmenvereinbarung zum Thema „inclusive labour markets“ aufgenommen. Ziel ist eine autonome Rahmenvereinbarung, die von den nationalen Mitgliedern der europäischen Sozialpartner umgesetzt wird. Es soll darum gehen, praxisnah Wege aufzuzeigen, wie den benachteiligten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich Brücken in Beschäftigung gebaut werden können.
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Umsetzung bestehender europäischer Sozialpartner vereinbarungen Zu zwei abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen finden derzeit Umsetzungsinitiativen statt: Die Vereinbarung zur Bekämpfung von Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz wird derzeit von einigen Unternehmen in die betriebliche Praxis umgesetzt. Dem „Freiwilligen Aktionsrahmen zur Gleichstellung von Mann und Frau“ wurde am 8./9. Juli eine zweitägige Konferenz in Berlin gewidmet. Diese gemeinsam von BDA und DGB initiierte und von der EU-Kommission unterstützte Tagung bot die Möglichkeit einer Zwischenbilanz des bisher Erreichten. Ausgehend von den vier Prioritäten des Aktionsrahmens der Sozialpartner – Rollenverständnis von Männern und Frauen, Frauen in Führungspositionen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen – wurde anhand von BestPractice-Beispielen aus verschiedenen Mitgliedstaaten die Vielfalt möglicher Maßnahmen in den Unternehmen präsentiert. Am Ende der Konferenz stand fest, dass die vier Prioritäten des Aktionsrahmens richtig gesetzt worden waren. In der betrieblichen Praxis sind die Prioritäten eng verzahnt. Eine Maßnahme zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann z. B. zur Veränderung des Rollenverständnisses von Männern und Frauen beitragen. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Europäischer Sozialer Dialog“ veröffentlicht.
„Blue-Card“-Richtlinie – Öffnung des Arbeitsmarktes für Hoch qualifizierte richtig und wichtig Vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe, des anhaltend hohen Fachkräftemangels und des langfristig demografisch bedingten Rückgangs der inländischen Erwerbsbevölkerung ist es richtig und wichtig, den Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte und qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten gezielt zu öffnen. Die „Blue Card“ soll nach dem Vorschlag der Kommission eine zunächst auf zwei Jahre befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für nicht europäische Fachkräfte nach dem Vorbild der US-ame-
Europa ist Schlusslicht bei Integration in den Arbeitsmarkt Langzeitarbeitslose Bevölkerung (12 Monate und mehr) in Prozent der Erwerbsbevölkerung insgesamt, Jahr: 2007 Prozent 3,5 3,1
3,2
3
2,5
2
1,5
1,2
1 0,5
0,5
0 EU-27
Eurozone
USA
Japan
Land
Quelle: Eurostat; Darstellung: BDA
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rikanischen Green Card umfassen und EU-weite Standards für die Einreise und den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und die Weiterwanderungsrechte der Drittstaatsangehörigen festlegen. Die Mitgliedstaaten sollen weiterhin das Recht haben, Zulassungsquoten festzulegen. Nach zwei Jahren stünde es den Zuwanderern unter bestimmten Bedingungen frei, in ein anderes EU-Land zu ziehen. Nach fünf Jahren Arbeitsaufenthalt in der EU würde ihnen eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung zuteil. Die mit der Einführung einer „Blue Card“ angestrebte gezielte Öffnung des Arbeitsmarktes für Hochqualifizierte und qualifizierte Fachkräfte ist aus Sicht der BDA grundsätzlich zu begrüßen, sofern die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert werden, ihre flexiblen und auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes des jeweiligen Mitgliedstaates abgestimmten Zuwanderungsregelungen anzuwenden. Auch dem Einsatz der BDA ist es zu verdanken, dass nach dem bisherigen Stand der Beratungen die Koexistenz der nationalen Zuwanderungsregelungen neben der europäischen „Blue Card“ gesichert zu sein scheint und der Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten zur Anwendung und Schaffung nationaler Zuwanderungsregelungen durch die „Blue-Card“-Richtlinie nicht begrenzt oder eingeschränkt wird.
Sanktionsrichtlinie: Vorgeschlagene Sanktionen gehen zu weit Ziel des Richtlinienvorschlags ist die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen. Diese Zielsetzung ist grundsätzlich richtig. Illegale Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen hat vielfache negative Folgen und schädigt insbesondere jene Unternehmen, die sich an Recht und Gesetz halten. Gleichwohl sind die von der Kommission vorgeschlagenen Sanktionen in dieser Form abzulehnen. Neben Geldbußen, der Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für die Rückführung des Drittstaatsangehörigen in sein Herkunftsland sind als Maßnahmen u. a. auch die vorübergehende oder endgültige Schließung der Betriebsstätte und für schwere Fälle strafrechtliche Sanktionen vorgesehen. Zudem tritt die EU-Kommission für eine Generalunternehmerhaftung ein: Für den Fall, dass eine Geldbuße nicht von einem
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Unterauftragnehmer eingezogen werden kann, soll sie von anderen an der Subunternehmerkette beteiligten Auftragnehmern bis hin zum Hauptunternehmer eingezogen werden können. Die Ausgestaltung der angemessenen Sanktionen muss den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Insbesondere eine dauerhafte oder auch nur vorübergehende Betriebsschließung ist aus deutscher Sicht unverhältnismäßig und daher inakzeptabel. Gegen die geplante Generalunternehmerhaftung hat sich die BDA mehrfach nachdrücklich gegenüber Kommission, Rat und Parlament ausgesprochen. Es gilt grundsätzlich, dass Unternehmen nicht die ureigentlich staatliche Aufgabe – die Einhaltung von Recht und Gesetz zu kontrollieren – übernehmen können, auch nicht bei ihren Unterauftragnehmern, die selbst unabhängige Unternehmen sind. Die französische EU-Ratspräsidentschaft versucht mit allen Mitteln durchzusetzen, dass noch im Dezember eine Einigung zwischen Kommission, Rat und Parlament erzielt wird. Die Gefechtslage ist für die BDA sehr kritisch, denn aufgrund der für diese Richtlinie geltenden „Optout“-Regelungen von Großbritannien, Irland und Dänemark im Vertrag von Nizza dominiert bei den Beratungen des Sanktionsrichtlinienvorschlags in allen Institutionen die südeuropäische Rechtskultur. Die Positionen der BDA stoßen daher bei den übrigen Arbeitgeberverbänden und auch im EP und Rat sogar bei den konservativen Politikern auf wenig Resonanz. Vor diesem Hintergrund ist die kürzlich erzielte Abschwächung der Generalunternehmerhaftung (grundsätzliche Beschränkung auf das Verhältnis von Hauptauftragnehmer und direktem Unterauftragnehmer) als Erfolg der BDA-Arbeit zu werten.
CSR-Strategie der Bundesregierung – dem richtigen Ansatz auf europäischer Ebene folgen Vielfältige Aktivitäten finden im Rahmen der Europäischen Allianz zu CSR statt, die die Wirtschaft zusammen mit der EU-Kommission im Frühjahr 2006 ins Leben gerufen hat. Ziel der CSR-Allianz ist es, Netzwerke und Kooperationen der Akteure zu bilden und den Erfahrungsaustausch mit sog.
„Laboratory Meetings“ zu stärken. Die ersten Laboratory Meetings haben bereits stattgefunden. Die BDA hat ein Laboratory Meeting auf europäischer Ebene mitinitiiert, das von BUSINESSEUROPE koordiniert wird und sich mit dem Thema „Förderung des Unternehmertums“ beschäftigt. In Deutschland haben die Deutsche Bank und die Ford Werke GmbH ein Laboratory Meeting zum Thema „Corporate Volunteering“ angestoßen und durchgeführt, welches bei den Unternehmen den Wunsch nach weiteren Aktivitäten dieser Art geweckt hat. Das CSR-Internetportal „CSR Germany“ (www.csrgermany.de) ist als zentrales Kommunikationsinstrument für die Aktivitäten im Rahmen der CSR-Allianz auf deutscher Ebene etabliert. Durch einen neu eingerichteten geschützten internen Bereich ist es Unterstützern der CSR-Allianz möglich, sich gegenseitig über Aktivitäten zu informieren, auch wenn sich Projekte noch in der Konzeption befinden. Während die EU-Kommission mit der Allianz den richtigen Weg beschritten hat, um CSR zu unterstützen, drohte in Deutschland der Rückfall in
überkommene Modelle: Auf der nationalen CSRKonferenz der Bundesregierung Ende April 2008 in Berlin kündigte Bundesarbeitsminister Scholz eine CSR-Positivliste für Unternehmen an. Als in der Folge immer mehr Eckpunkte der vom BMAS geplanten CSR-Strategie bekannt wurden, haben die vier Spitzenverbände der Wirtschaft auf Initiative und unter Federführung der BDA gegenüber Bundesarbeitsminister Scholz, Außenminister Steinmeier, Wirtschaftsminister Glos sowie Kanzleramtsminister de Maizière ihre fundamentalen Bedenken gegen die BMAS-Strategie in einem Brief erläutert. Besonders die Überlegungen zu einem dirigistisch gelenkten CSR-Forum, die Idee eines CSR-Labels und die Pläne für einen zusätzlichen Internetauftritt waren Anlass zu Kritik. In ihrer schriftlichen Antwort versicherte die Bundesregierung einen ergebnisoffenen Dialog. Einem staatlichen „Überwachungsverfahren zur Prüfung und Bewertung unternehmerischen CSR-Engagements“ wurde von Seiten der Bundesregierung eine klare Absage erteilt. Für die BDA geht es nun darum, diese Zusagen einzufordern.
„CSR: vielfältig und freiwillig“ Corporate Social Responsibility (CSR) beschreibt die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Wirtschaft. CSR-Initiativen sind Beiträge von Unternehmen, die über das gesetzliche Maß hinausgehen. Unternehmen setzen sich z. B. mit Betriebskindergärten und Gesundheitskampagnen für ihre Mitarbeiter ein, dämmen mit ÖkoeffizienzAnalysen und Energieersparsystemen den Energieverbrauch ein und fördern Kunst, Kultur und Sport. Wesentliches Merkmal von CSR ist, dass es freiwillig ist und mehr ist als die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften.
Freiwilligkeit sind daher die zentralen Prinzipien von CSR. Die Verantwortung, die ein multinationales Unternehmen in Bangladesch hat, ist eine ganz andere als die eines Handwerkers in Europa. Die Herausforderungen, die eine IT-Firma im Bereich CSR hat, unterscheiden sich von denen eines Unternehmens der Erdölindustrie.
Art und Ausprägung des gesellschaftlichen Engagements eines Unternehmens sind abhängig von der Unternehmensgröße sowie den Branchen und Märkten, in denen es operiert. Vielfältigkeit und
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Corporate Social Responsibility“ veröffentlicht.
Die Komplexität und Vielfältigkeit von CSR schließen daher Regulierung, Standardisierung und Zertifizierung aus. Unternehmen müssen uneingeschränkt Handlungsmöglichkeiten haben, die besten CSR-Ansätze zu entwickeln und umzusetzen.
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ISO Social Responsibility: Praxisbezug fehlt Seit 2004 ist die ISO (International Organization for Standardization) dabei, einen ISO-Leitfaden zu „Social Responsibility“ zu erarbeiten. Dabei ist die Vorgabe für die dafür zuständige internationale, 450-köpfige, aus sechs verschiedenen Stakeholderkategorien bestehende Arbeitsgruppe (WG), dass dieser Leitfaden nicht zertifizierbar sein und sich darüber hinaus nicht nur an Unternehmen, sondern an alle Organisationen richten soll. 2008 war für diesen komplexen Prozess eines internationalen Interessenausgleichs eine wichtige Etappe. Beim Treffen der internationalen Arbeitsgruppe in Santiago de Chile wurde im Konsens beschlossen, nun in die verbindlichere Phase eines „Committee Draft“ einzutreten. Mit dieser Entscheidung sind die Weichen gestellt, den aktuellen Zeitplan, d. h. die Fertigstellung des Projektes bis Mitte 2010, einzuhalten. Für die Wirtschaft ist es wesentlich sicherzustellen, dass der „Einflussbereich“ einer Organisation nicht synonym mit der Zulieferkette verwendet wird (denn in der Regel erstreckt sich der Einflussbereich einer Organisation nicht auf ihre gesamte Zulieferkette) und dass der Leitfaden eine wirkliche Relevanz für alle Organisationen, gleich welcher Art und Größe, aufweist. Zudem ist in dem Dokument noch keine durchgehende Logik entwickelt, welche Rolle, Verantwortung und Aufgaben Staaten und Regierungen haben.
ISWA-Seminar erörtert internationale Dimension von CSR Vom 2. bis zum 4. März 2008 fand in Berlin ein Seminar des Instituts für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung (ISWA) zum Thema „Corporate Social Responsibility (CSR)“ statt. Das Seminar „Unternehmen und Gesellschaft: CSR im internationalen Kontext“ stellte die internationalen Aspekte von CSR in den Mittelpunkt der Diskussion. Auch wenn die Referenten die unterschiedlichsten Hintergründe hatten, so kam doch eine Kernbotschaft ganz deutlich heraus: Es gibt für Unternehmen keine Möglichkeit der standardisierten und somit rechtssicheren Handhabung von CSR im internationalen Kontext. Die Herausforderungen und Lösungen sind zu unterschiedlich und vielfältig,
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abhängig von der Branche, den Märkten und den nationalen Gegebenheiten, mit denen ein Unternehmen konfrontiert ist.
International Organisation of Employers (IOE): Globale Interessenvertretung für die Wirtschaft wird immer wichtiger Die IOE ist die globale Stimme der Arbeitgeber. In dieser Eigenschaft wird sie immer wichtiger, denn die internationalen Branchengewerkschaftsbünde organisieren sich auf globaler Ebene immer strategischer. Dies zeigt sich z. B. durch den Zusammenschluss der internationalen Branchengewerkschaften zur Global Union Federation, die es sich zum Ziel erklärt hat, die industriellen Beziehungen global auszubauen. Hierbei geht es vor allem darum, eine stärkere Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen auf Weltebene zu erreichen. Mit den sog. „International Framework Agreements“, also Rahmenvereinbarungen, die zwischen einzelnen Unternehmen und den internationalen Branchengewerkschaften abgeschlossen werden, verschaffen sich die Gewerkschaften Zugang zu den Belegschaften der Unternehmen und versuchen diese national zu organisieren. Vor diesem Hintergrund kommt der IOE, neben ihrer Rolle als Arbeitgeberstimme in der ILO, eine strategische Bedeutung zu, um hier Arbeitgeberinteressen – gleichfalls global – entgegensetzen zu können. Zu diesem Zweck hat die IOE, u. a. auf Anregung der BDA, das „Global Industrial Relations Network“ (GIRN) gegründet, in dem multinationale Unternehmen Mitglieder werden können. Sie finden hier nicht nur eine Plattform für den spezifischen Erfahrungsaustausch zu internationaler Sozialpolitik und industriellen Beziehungen, sondern können bei konkreten Problemen, z. B. mit Framework Agreements, auch Beratung erhalten. Die BDA hat im Juni des Jahres die Koordinierung der Gruppe europäischer Länder innerhalb der IOE übernommen, der auch viele NichtEU-Mitglieder angehören. Sie ist die europäische Stimme in der internationalen Arbeitgebergemeinschaft und setzt sich für eine unternehmensrelevante Politik der ILO ein.
Seit Mai 2008 hat die IOE einen neuen Präsidenten: Professor Wiseman Nkuhlu aus Südafrika hat dieses Amt übernommen. Neben seiner Professur ist er ein erfolgreicher Unternehmer. Er hat mit seiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Unternehmensgründungen gefördert und besonders kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützt, Zugang zu Krediten und Risikokapital zu erhalten.
OECD – wachsendes Interesse an sozialpolitischen Fragestellungen Seit einiger Zeit lässt sich eine Entwicklung beobachten, die für die BDA ein erhöhtes Engagement gegenüber der OECD erfordert: Insbesondere der Internationale Währungsfonds und die Weltbank werden für ihre klassischen Aufgaben (Kredite an Entwicklungsländer) immer weniger benötigt, so dass sie zunehmend in Felder der allgemeinen globalen Wirtschaftspolitik vorstoßen und damit der OECD bei ihren Kernaufgaben Konkurrenz machen. Diese Institutionenkonkurrenz hat u. a. den Effekt, dass die OECD sich nun stärker in soziale Themen und Betrachtungen begibt.
OECD-Raum in Entwicklungs- und Schwellenländern in den letzten 20 Jahren nicht nur erheblich gestiegen sind, sondern dabei zunehmend unternehmenseigene Verhaltenskodizes entwickelt wurden, um soziale und ökologische Ziele in den Fertigungsstellen der Unternehmen sowie in ihrer Zulieferkette sicherzustellen. Europäische Unternehmen haben im internationalen Vergleich die ausgeprägtesten Ansätze zur Implementierung von Arbeitsstandards. Insgesamt zieht der Bericht eine positive Bilanz und kommt zu dem Ergebnis, dass die positiven Effekte von Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen Anlass dazu geben, regulative Hürden für Direktinvestitionen abzubauen und ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders erfreulich, dass BDA-Vizepräsident Randolf Rodenstock in den Verwaltungsrat von BIAC (The Business and Industry Advisory Committee to the OECD) gewählt wurde und so auch die sozialpolitische Interessenvertretung aus deutscher Sicht sichergestellt ist. BIAC ist das beratende Gremium der Wirtschaft bei der OECD. Damit die Interessen der deutschen Unternehmen innerhalb von BIAC zukünftig besser koordiniert und wahrgenommen werden können, hat die BDA zudem gemeinsam mit dem BDI ein deutsches Netzwerktreffen im Januar 2008 initiiert. Damit war erstmals eine Gelegenheit geboten, die deutschen Vertreter aller BIAC-Ausschüsse zu versammeln und sich über Forderungen und Erwartungen an BIAC auszutauschen. Inhaltlich ist für 2008 der „Employment Outlook“ besonders erwähnenswert. Bezüglich der Frage „Schaffen multinationale Unternehmen bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen?“ fand die OECD eindeutige Belege, dass Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen aus dem
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Nachhaltig wirtschaften – Vertrauen zurückgewinnen Die Soziale Marktwirtschaft, deren 60-jähriges Bestehen wir in diesem Jahr gefeiert haben, hat uns einen in dieser Breite historisch einmaligen Wohlstand, eine gute soziale Sicherung und politische Stabilität beschert. Trotzdem muss uns alarmieren, dass sich der sichtbare und messbare Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft nicht mehr im Vertrauen der Bürger in unsere freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung spiegelt: Nur noch jeder zweite Deutsche glaubt, dass sich die Soziale Marktwirtschaft bewährt hat. Vor vier Jahren waren es noch 56 %, vor acht Jahren sogar 70 % der Deutschen, die der Aussage „Die Soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt“ zustimmten (Bankenverband, 2008). Die Gründe dafür sind vielfältig. Schon vor der Finanzmarktkrise haben wir beobachten müssen, dass die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft dramatisch gesunken ist. Die Globalisierung und die Diskussion über soziale Gerechtigkeit und Armut in Deutschland haben zu einer tiefen Verunsicherung der Menschen beigetragen. Eine der vorrangigen Aufgaben der BDA muss es deshalb künftig sein, langfristige und nachhaltige Strategien und Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, um so der Vertrauenskrise entgegenzuwirken. Die Wirtschaft muss in der aktuellen Debatte über die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft Vertrauen zurückgewinnen. Unsere freiheitliche, auf Wettbewerb, Eigenverantwortung und Solidarität fußende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist darauf angewiesen. Eine Lehre aus der Finanzmarktkrise ist, dass ein kurzatmig an Gewinnen orientiertes Wirtschaften keinen Bestand hat. Für die BDA geht es deshalb jetzt noch stärker darum, für eine Wirtschaftskultur der Nachhaltigkeit im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft einzutreten und auch für eine nachhaltige Politikgestaltung zu werben. Es gilt aber auch, die Glaubwürdigkeit der Wirtschaftseliten wiederherzustellen. Der Vertrauensverlust in die Führungskräfte der deutschen Wirtschaft ist ernst zu nehmen und in Teilen leider auch selbst verschuldet. Es ist jedoch der falsche Weg, Unternehmer und Manager unter Generalverdacht zu stellen und kollektiv auf die Anklagebank zu setzen. Die überwiegende Zahl von ihnen arbeitet verantwortungsvoll und erfolgreich. Auch innerhalb
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der Unternehmen spielt werteorientiertes Handeln eine wichtige Rolle. Viele Unternehmen haben sich freiwillig Leitlinien gegeben, die eine ethische Unternehmenskultur fördern und zu verantwortlichem und nachhaltigem Handeln ermutigen, viele haben die positiven Wirkungen von Diversity Management erkannt und setzen sich im Rahmen ihrer betrieblichen Personalpolitik für Chancengleichheit und Vielfalt ein. Eine überwältigende Mehrheit der Unternehmen in Deutschland engagiert sich darüber hinaus in vielfältiger Weise gesellschaftlich. Wer für die freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung wirbt, muss überzeugend darstellen, wie attraktiv und überzeugend sie ist, und die Menschen dafür gewinnen. Gerade junge Menschen müssen an den Schulen, in den Betrieben und an den Hochschulen für die Soziale Marktwirtschaft gewonnen und umfassend ökonomisch gebildet werden. Wir stehen in Deutschland, aber auch weltweit, vor neuen, großen Herausforderungen, auf die wir gemeinsam Antworten finden müssen: Die Wirtschaft muss sich den grundlegenden Orientierungsfragen der Menschen stellen und sich aktiv an der aktuellen Debatte über unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem beteiligen. Ihre Führungskräfte müssen Werte vorleben und im Sinne einer Ethik der Verantwortung als glaubwürdige Vorbilder handeln. Die Politik muss sich stärker an nachhaltigen Strategien und langfristigen Zielen orientieren und sich so den großen Herausforderungen der Zukunft gewachsen erweisen. Jeder Einzelne muss sich auf seinen Beitrag in einer Gesellschaftsordnung besinnen, die neben Solidarität auch Eigenverantwortung postuliert. Die BDA hat zu diesen Themen den kompakt „Wirtschaftsethik“ sowie die argumente „Wirtschaft und Ethik – kein Widerspruch!“ veröffentlicht.
Kirche und Wirtschaft im Dialog Die christlichen Kirchen sind wichtige Gesprächspart ner für die Arbeitgeber. Sie tragen zur Werteorientierung unserer Gesellschaft und zur öffentlichen Meinungsbildung maßgeblich bei. Die Arbeitgeber wollen im Gespräch mit den Kirchen ihre Sichtweise auf aktuelle wirtschafts- und sozialpolitische Fragen verdeutlichen und ihrerseits die Perspektive der Kirchen auf diese Fragen aufnehmen. Nur über das gemeinsame Gespräch können wir unsere wirtschafts-
„Freiheit und Verantwortung gehören zusammen“ Auszug aus der Rede von Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt auf dem Deutschen Arbeitgebertag 2008 Die Soziale Marktwirtschaft setzt Vertrauen voraus. Sie ist zwingend auf Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit angewiesen, weil eine freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung eben nicht über Druck, Zwang und Fremdbestimmung funktioniert, sondern attraktiv und überzeugend sein muss, um die Menschen für sich zu gewinnen. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Wahl – und machen von ihrem demokratischen Recht auch Gebrauch. Alle Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind aufgerufen, die Attraktivität unserer freiheitlichen und sozialen Wirtschaftsordnung zu verteidigen und zu erhalten. Ignoranz und Selbstherrlichkeit gegenüber den Unsicherheiten und Ängsten der Menschen sind absolut fehl am Platze! Denn es sind die Menschen in unserem Land, welche die Soziale Marktwirtschaft tragen, lebendig halten und für die Zukunft prägen.
Wenn sich Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften jeweils für sich, aber auch in offener und partnerschaftlicher Auseinandersetzung miteinander redlich bemühen, muss uns auch angesichts der aufgezogenen Wolken nicht bange sein! Die Soziale Marktwirtschaft feiert in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag. Ich habe keinen Zweifel: Sie wird sich einmal mehr als widerstandsfähige, zukunftsfeste und bestmögliche Wirtschaftsordnung in einer freiheitlichen Gesellschaft beweisen. Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Und jede Krise hat in einer stabilen Ordnung auch ihre reinigende Kraft. Arbeiten wir gemeinsam für die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft – für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit, für stärkeres Wachstum und mehr Beschäftigung in unserem Land.
Die deutschen Arbeitgeber werden sich mit allem Nachdruck dafür einsetzen, verloren gegangenes Vertrauen in unsere Wirtschaftsordnung wiederherzustellen.
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Initiative Freiheit und Verantwortung – Engagement von Unternehmen fördern und verstärken Das gesellschaftliche Engagement der Unternehmen fördern – das ist das Ziel der Initiative Freiheit und Verantwortung. Getragen wird sie von den Spitzenverbänden BDA, BDI, DIHK und ZDH sowie der WirtschaftsWoche. Schirmherr ist Bundespräsident Horst Köhler. Die Initiative vergibt seit 2001 jährlich den Preis „Freiheit und Verantwortung“. Am 1. Dezember 2008 war es wieder so weit. Unter dem Motto „Beruf und Familie – Die Wirtschaft übernimmt Verantwortung“ fand am 1. Dezember 2008 im Meistersaal des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) das Symposium mit anschließender Preisverleihung in Berlin statt. Hauptredner waren der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Bischof Dr. Wolfgang Huber sowie Dr. Silvana KochMehrin MdEP. Eine Gesprächsrunde zu dem Thema „Familienbewusste Unternehmensführung und Erwartungen an die Politik“ sowie musikalische Darbietungen rundeten die feierliche Preisverleihung ab. Für ihr besonderes gesellschaftliches Engagement wurden in diesem Jahr in den Kategorien kleine, mittlere und große Unternehmen die Voss AG, die TÜV Technische Überwachung Hessen GmbH und die ThyssenKrupp AG ausgezeichnet. Ingrid Hofmann, Mitglied des Präsidiums
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der BDA, würdigte in ihrer Laudatio das Projekt „TÜV Kids“: „Schon heute fehlt es der deutschen Wirtschaft an naturwissenschaftlich und technisch gebildetem Nachwuchs. Wir begrüßen deshalb, wenn Initiativen und Projekte wie ,TÜV Kids‘ schon bei Kindern im Grundschulalter ansetzen. Für den Standort Deutschland ist das von unschätzbarem Wert.“ Weitere Informationen zur Initiative Freiheit und Verantwortung und zu den Preisträgern sind über www.freiheit-und-verantwortung.de abrufbar.
und sozialpolitischen Standpunkte annähern und zum besseren gegenseitigen Verständnis beitragen. Kirchen und Arbeitgeber sind deshalb auf den verschiedensten Ebenen – vom Betrieb bis zum Spitzengespräch – im Dialog. Auch in diesem Jahr hat sich die BDA bei zahlreichen Veranstaltungen der Kirchen, der Akademien und der konfessionellen Unternehmerverbände aktiv beteiligt und die Positionen der Arbeitgeber bei Kongressen und auf Tagungen dargestellt. Im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen standen die Themen „Mindestlohn und Niedriglohnbereich“, „Bildung und Armutsbekämpfung“, „Globalisierung“ sowie die Vereinbarkeit von Familie, Ehrenamt und Beruf. Für einen „neuen Dialog zwischen Kirche und Wirtschaft“ wirbt auch die im Juli von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlichte Denkschrift „Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive“. Die EKD ermutigt darin zu unternehmerischem Handeln und würdigt die Leistung der Unternehmer für unsere Gesellschaft ausdrücklich. Dass sie das zu einem Zeitpunkt tut, zu dem Unternehmen und Unternehmer viel Kritik und Misstrauen ausgesetzt sind, ist bemerkenswert. Die EKD setzt damit ein deutliches Zeichen gegen die steigende Skepsis gegenüber der Wirtschaft und ihren Vertretern und leistet einen wichtigen Beitrag, das Vertrauen in unternehmerisches Handeln zu stärken. Der Text bildet eine gute Grundlage für den weiteren Gedankenaustausch zwischen EKD und Wirtschaft auf allen Ebenen. Zu diesen Themen hat die BDA den kompakt „Kirche und Wirtschaft“ und den kompakt „Die Unternehmerdenkschrift der EKD“ veröffentlicht.
Chancen für Eltern und Frauen am Arbeitsmarkt weiter verbessern Nachdem Deutschland bereits im Jahr 2005 bei der Beschäftigungsquote von Frauen erstmals das Lissabon-Ziel der Europäischen Union erfüllt hat, das eine Frauenerwerbsbeteiligung von 60 % bis 2010 vorsieht, hat sich die Beschäftigungssituation von Frauen in den letzten Jahren erfreulicherweise weiter verbessert. Bis 2007 stieg die Frauenerwerbstätigenquote auf 64 %. EU-weit befindet sich Deutschland damit im oberen Mittelfeld. Angesichts der demografischen Entwicklung und
struktureller Fachkräfteengpässe, die weitgehend konjunkturunabhängig sind, ist es unverzichtbar, gerade auch mehr weibliche Fach- und Führungskräfte für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die BDA setzt sich daher aktiv dafür ein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Chancengleichheit von Frauen voranzubringen. Nach Beschluss durch den Deutschen Bundestag Ende September wurde das Kinderförderungsgesetz (KiföG) am 7. November 2008 auch im Bundesrat verabschiedet. Damit hat der Gesetzgeber einen wichtigen Schritt hin zu einer weiteren Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie vollzogen. Vor allem der hiermit auf den Weg gebrachte deutliche Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur auf kommunaler Ebene war eine langjährige Forderung der BDA. Bis 2013 soll in den Kommunen ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren geschaffen sein. Jetzt sind die Länder gefordert, die vom Bund dafür bereitgestellten Mittel zielgerichtet einzusetzen und für mehr qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsplätze zu sorgen. Es wäre jedoch ein Fehler, Kinderbetreuung allein in staatlicher Verantwortung zu organisieren. Die Länder müssen beim Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten die Gleichbehandlung der privaten Träger gewährleisten, auch um einen Wettbewerb zugunsten von mehr Betreuungsqualität (z. B. elterngerechte Öffnungszeiten; Betreuungsschlüssel) zu fördern. Als betriebliche Ansatzpunkte zur weiteren Verbesserung der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen gewinnen Familienfreundlichkeit und Chancengleichheit als zentrale Elemente der betrieblichen Personalpolitik immer weiter an Bedeutung. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen können sich hieraus oft entscheidende Vorteile im Wettbewerb um dringend benötigte Fachkräfte ergeben. Viele Unternehmen haben dies bereits erkannt: Laut „Monitor Familienfreundlichkeit“ bieten inzwischen mehr als 95 % der Unternehmen in Deutschland Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie an. Auch Maßnahmen zur gezielten Aufstiegsförderung von Frauen sind in vielen Unternehmen bereits Bestandteil der Personalentwicklung.
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Frauenerwerbstätigenquote in Deutschland steigt Entwicklung Frauenerwerbstätigenquote 1997 – 2007 (Lissabon-Ziel 2010 = 60 %) Prozent 68 66 64,0
64 62,2
62 60,6
60 58,1
58,7
58,9
58,9
55,3
56
57,0
55,8 55,0
55,6
54,1
54
53,0 51,4
52
52,0
53,0
58,8
53,7
59,7
57,8
57,4
58
59,2
54,3
54,4
58,3
56,2
57,3 56,3
54,9
55,5
51,6
50
50,8
48
1997
EU-15
1998
1999
D
2000
2001
2002
EU-27
Quellen: European Commission, Employment in Europe, 2005; Recent Trends and Prospects und Eurostat, 2007; Darstellung: BDA
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Gesellschaftspolitik
2003
2004
2005
2006
2007
Jahr
Auf Grundlage der im Jahr 2001 zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft getroffenen Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit wurden in diesem Jahr zum nunmehr dritten Mal die Fortschritte bilanziert. Besonders erfreulich ist der steigende Bildungsgrad von Mädchen und Frauen. Mittlerweile absolvieren sogar mehr Frauen als Männer das Abitur. Bei den Studienabschlüssen liegen Frauen und Männer gleichauf. Hier werden die Grundlagen für den beruflichen Erfolg gelegt. Auch das für den Erfolg am Arbeitsmarkt ebenfalls wichtige Berufswahlspektrum junger Frauen hat sich in den letzten Jahren erweitert – hierfür wirbt die BDA u. a. auch im Rahmen des jährlich durchgeführten „Girls Day“. So stieg der Anteil studierender Frauen um rund die Hälfte in den Fächern Elektrotechnik auf 8 % und bei Maschinenbau auf 17 %. Aber auch im Handwerk findet eine tief greifende Umwälzung statt. Nach den neuesten Zahlen gingen im Jahr 2006 fast 20 % der Meisterbriefe an Frauen; 1991 waren unter den Absolventen der Meisterschulen gerade einmal 11 % Frauen. Der Frauenanteil bei den Selbstständigen ist in den letzten Jahren kontinuierlich und schneller als bei Männern gestiegen. Diese insgesamt erfreuliche Entwicklung muss weiter vorangebracht werden. Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Chancengleichheit von Frauen und Männern“ und den kompakt „Familienpolitik“ veröffentlicht.
Debatte über Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern weiter versachlichen In der öffentlichen Diskussion werden Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen (Gender Pay Gap) oft vorschnell mit Diskriminierung von Frauen gleichgesetzt und dementsprechend unsachlich diskutiert. Tatsächlich aber wird der „Gender Pay Gap“ durch eine Vielzahl von strukturellen Faktoren verursacht. So wurde dies durch wissenschaftliche Untersuchungen für fast 90 % der „Lohnlücke“ nachgewiesen. Diese liegt in Deutschland, ohne Berücksichtigung der unterschiedlich ausgeübten Berufe und der jeweiligen Qualifikationserfordernisse, je nach Berechnungs-
grundlage im Bundesdurchschnitt aller Einkommen von Frauen und Männern zwischen 22 % und 24 %, in den neuen Bundesländern bei 6 %. Insbesondere familienbedingte Erwerbsunterbrechungen, das noch zu limitierte Berufswahlverhalten junger Mädchen und Frauen, häufigere Teilzeittätigkeiten sowie die geringere Qualifikation älterer Frauen sind für die noch bestehenden Lohnunterschiede verantwortlich. Traditionelle Rollenbilder beeinflussen noch immer die Entscheidung für einen Beruf oder die Aufteilung von Erziehungsverantwortung zwischen Frauen und Männern und somit letztendlich auch die Karriereentwicklung und die Gehaltsstruktur. Um den Blick auf die tatsächlichen und für die Diskussion wesentlichen Fakten zu legen, hat die BDA gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) am 30. September 2008 eine Tagung zum Thema „Ursachen für Lohnunterschiede angehen“ durchgeführt. Die Tagung war darüber hinaus ein deutliches Signal an die Öffentlichkeit, dass die Arbeitgeber sich aktiv mit der Lohnlücke auseinandersetzen. Diesem Zweck diente auch die Veröffentlichung des BDA - Positionspapiers „Ursachen für Lohnunterschiede angehen“ im Frühjahr 2008, das eine positive Resonanz gefunden hat. Die BDA unterstützt Maßnahmen auf Grundlage der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“, die somit auch zur Verringerung der Lohnlücke beitragen. Insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist aus Sicht der BDA die entscheidende Voraussetzung zur Verminderung noch bestehender Lohnunterschiede. Die BDA unterstützt dies mit einer Vielzahl von Initiativen und setzt sich z. B. dafür ein, dass junge Frauen vermehrt ihre beruflichen Karrierechancen auch in naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen wahrnehmen und sich so bessere Verdienstmöglichkeiten erschließen.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Gesellschaftspolitik
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46. Kolloquium der Walter-Raymond-Stiftung Die Walter-Raymond-Stiftung ist dem regen Gedankenaustausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik verpflichtet und steht allen gesellschaftlichen Themen offen gegenüber. Sie leistet einen Beitrag zu einer auf Freiheit, Eigenverantwortung und Solidarität beruhenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Mehr als 100 hochkarätige Repräsentanten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik diskutieren regelmäßig gesellschafts- wie wirtschaftspolitische Themen, denen eine hohe Bedeutung für Deutschlands Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zukommt. 2008 stand das Kolloquium unter dem Leitmotiv „Perspektiven für eine moderne Arbeitsmarktordnung“. Den Einstieg gaben die Vorträge von Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt, dem Südwestmetall-Vorsitzenden Dr. Jan Stefan Roell, IG-BCE-Vorstandsmitglied Werner Bischoff, Allianz-Vorstandsmitglied Ulrich Schumacher, dem Hauptgeschäftsführer der Schweizerischen Arbeitgeberverbände Thomas Daum sowie dem Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Manfred Weiss und dem RWI-Präsidenten Prof. Christoph M. Schmidt. Ausgangspunkt des Diskurses war die Feststellung, dass die Globalisierung durch den verschärften weltweiten Standortwettbewerb auch unweigerlich die nationalen Arbeitsmarktordnungen unter Wettbewerbsdruck stellt. Intensiv wurde darüber beraten, wie viel und welchen Arbeitnehmerschutz eine Volkswirtschaft benötigt, damit unternehmerische Freiheiten erhalten bleiben bzw. geschaffen werden und sich zugleich die Wirtschaft im Interesse eines hohen Beschäftigungsniveaus dynamisch entwickeln kann. Hierbei kommt es u. a. darauf an, die Regelungen des Arbeitsrechts so zu gestalten, dass letztlich die Beschäftigung nachhaltig wächst. Die Ergebnisse und Vorträge des Kolloquiums liegen im Band 48 der Großen Reihe der Walter-Raymond-Stiftung vor.
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | Gesellschaftspolitik
Das nächste Kolloquium widmet sich im März 2009 unter dem Titel „Solide Staatsfinanzen – die Finanzmarktkrise, ihre Folgen und ihre Lehren“ u. a. den Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat und auf den in Deutschland eingeschlagenen Konsolidierungsweg. Zudem soll diskutiert werden, welche Möglichkeiten der Staat überhaupt in einer solchen Situation hat, in den Wirtschaftskreislauf Nutzen stiftend für das Gemeinwohl einzugreifen. Auch stellt sich die Frage, welche Grundlagen für eine neue Balance zwischen Staat und Wirtschaft herangezogen werden könnten. Während sich die einen auf Keynes berufen und einen größeren staatlichen Einfluss und staatliche Stützungsprogramme fordern, sprechen sich andere für die Rückbesinnung auf die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft aus. Inwieweit möglicherweise ein neues Staatsversagen mit katastrophalen Folgen droht, ist zentraler Angelpunkt bei diesem Kolloquium. Weitere Informationen zur Arbeit der Walter-Raymond-Stiftung sind über www.wrst.de abrufbar.
BDA | Gesch채ftsbericht 2008 | Gesellschaftspolitik
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Finanzmarktkrise verstärkt Konjunkturabschwung Die letzten Monate des Jahres 2008 standen politisch und wirtschaftlich ganz im Zeichen der Finanzmarktkrise. Spätestens mit der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September schlug die Vertrauenskrise zwischen Banken in eine Systemkrise der Finanzmärkte um und hat die Regierungen in zahlreichen Ländern der Welt zum Handeln veranlasst. Die seitdem zugesagten Stützungsprogramme der Regierungen belaufen sich allein bei den bezifferten Garantien und Kapitalhilfen auf zusammen rund 2.500 Mrd. €. Die Bundesregierung hat in diesem Rahmen ein Maßnahmenbündel beschlossen, dessen Komponenten eine Staatsgarantie für Verbindlichkeiten zwischen Banken bis zu 400 Mrd. € und Hilfen zur Rekapitalisierung von Banken bis zu 80 Mrd. € vorsehen. Umgesetzt werden diese Maßnahmen von einem Finanzmarktstabilisierungsfonds, für dessen Ausstattung der Bundesfinanzminister zur Aufnahme von Krediten bis zu einem Volumen von 100 Mrd. € ermächtigt wird. Bis Ende September rechneten die Forschungsinstitute für Deutschland lediglich mit einer etwas verstärkten zyklischen Abschwächung des Wirtschaftswachstums im Jahr 2009 von rund 1 %. Doch bei einer Exportquote von zuletzt 47 % des Bruttoinlandsproduktes kann sich die deutsche Wirtschaft den Nachfrageeinbrüchen in den wichtigsten Absatzmärkten nicht entziehen. Das Herbstgutachten der Forschungsinstitute sah Mitte Oktober die deutsche Wirtschaft 2009 mit einem Wachstum von nur 0,2 % schon am Rande der Rezession und die Bundesregierung setzte ihre Vorhersage unmittelbar danach auf ebenfalls 0,2 % herunter. Die Prognose des Sachverständigenrates von Mitte November zeigte mit einem Nullwachstum weiter nach unten. Kurz zuvor hatte der Internationale Währungsfonds mit – 0,8 % sogar ein tiefes Abgleiten Deutschlands in die Rezession prognostiziert. In diesem Umfeld beschloss die Bundesregierung am 5. November 2008 das Maßnahmenpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“, dessen steuerliche Komponenten
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am 5. Dezember den Bundesrat passiert haben. Damit will die Bundesregierung in den Jahren 2009 und 2010 Investitionen und Aufträge von Unternehmen, privaten Haushalten und Kommunen in einer Größenordnung von rund 50 Mrd. € anstoßen. Zudem sollen Maßnahmen zur Sicherung der Finanzierung und Liquidität bei Unternehmen die Finanzierung von Investitionen im Umfang von gut 20 Mrd. € gewährleisten.
Maßnahmenpaket der Bundesregierung mit Licht und Schatten Die Bundesregierung setzt damit einzelne Impulse, die für die Stabilisierung der Konjunktur hilfreich sein können. Insbesondere das Vorziehen von Infrastrukturinvestitionen ist konjunktur- und wachstumspolitisch sinnvoll. Die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung stärkt die Selbstfinanzierungskraft der Unternehmen. Ihre Befristung auf zwei Jahre soll zu Vorzieheffekten bei Unternehmensinvestitionen führen und damit den Konjunkturverlauf glätten helfen. Doch der kurzfristige konjunkturelle Effekt dieser Maßnahme bleibt begrenzt. Unter wachstumspolitischen Gesichtspunkten sollte auf eine Befristung der degressiven Abschreibung verzichtet werden. Die anderen Maßnahmen des Wachstumsstärkungspakets dürften zwar auch einen Beitrag zur Konjunkturstabilisierung leisten, ihre Wirkung dürfte aber teilweise aufgrund von Mitnahmeeffekten oder in Anbetracht des vorgesehenen Fördervolumens nur gering sein.
Konsolidierung bleibt wichtig Die Bundesregierung veranschlagt für das Maßnahmenbündel Gesamtkosten von 23 Mrd. € für den Zeitraum 2009 – 2012. Bei einer damit beabsichtigten zusätzlichen Bruttowertschöpfung von 50 Mrd. € für diesen Vierjahreszeitraum ergibt eine gesamtwirtschaftliche „Kosten-Erlös-Rechnung“ eine Nettobelastung für den Bundeshaushalt von insgesamt 8,5 Mrd. € oder etwa 0,7 % des jeweiligen Haushaltsvolumens 2009 – 2012. Das heißt die Bundesregierung unterstellt, dass durch das Maßnahmenpaket zusätzliche Steuereinnahmen erzeugt werden, die einen großen Teil der Gegenfinanzierung der Maßnahmen sicherstellen,
Wie sich die Finanzmarktkrise entwickelt hat Am Anfang der Finanzmarktkrise stand das Platzen der sog. Immobilienblase in den USA. Häuser von Schuldnern mit geringer Bonität (SubprimeHypothekendarlehen), die zu 100 % von den Banken fremdfinanziert wurden, verloren erheblich an Wert. Der zuvor jahrelang funktionierende Mechanismus aus steigenden Häuserpreisen, steigenden Hypotheken, hoher Konsumfreude und kräftigem Wachstum kam zum Erliegen. Der immense Abschreibungsbedarf der Banken sprang wie in einem Schneeballsystem auf andere Bereiche über. 2000: Banken beginnen Immobilienkredite zu Fonds (Verbriefung) zu bündeln und Anteile an diesen Fonds zu verkaufen. Ratingagenturen bewerten diese Fonds mit „sehr gut“ (Triple A). Hohe Renditen sorgen für Absatz. Banken, Versicherungen und Investmentfonds nehmen solche Papiere in ihre Bilanzen, reichen sie aber auch an Privatkunden weiter. Im Folgenden werden auch Fonds aus Fonds aufgelegt. 2001 – 2004: Lockere Kreditvergaberichtlinien und die Niedrigzinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve schaffen ein Überangebot an billigem Geld. Selbst Kleinstverdiener können Häuser erwerben. Erwartete Wertsteigerungen der Häuser lassen das Ausfallrisiko zunächst niedrig erscheinen. Ein weiteres Problem liegt bei den Zinsen. Anders als in Deutschland üblich, werden sie in den USA nur für kurze Zeit festgeschrieben. Die Substanz dieser sog. Derivate ist immer schwerer einzuschätzen. „Erstproduzenten“ von Derivaten reichen ihre Risiken zu 100 % – ohne Selbstbehalt – weiter. Jeder vertraut auf das Urteil der Ratingagenturen. 2005 – 2006: Zur Eindämmung der Inflation erhöht die Federal Reserve kontinuierlich die Leitzinsen. Es baut sich eine Kettenreaktion auf: Wegen der variablen Zinssätze steigen auch die Hypothekenzinsen. Viele Hausbesitzer können die höhere Zinsbelastung nicht tragen. Die Zahl der Zwangsversteigerungen nimmt zu, der US-Immobilienmarkt bricht infolge des Überangebots ein. 2007: Die Zahl Not leidender Kredite steigt rasant. Erste US-Baufinanzierer werden insolvent, die halbstaatlichen Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac geraten in Schwierigkeiten. Banken, Versicherungen und Investmentfonds müssen hohe Beträge abschreiben. Mit der Notübernahme der britischen Bank Northern Rock durch
den Staat erreicht die Krise Europa. In Deutschland gerät die IKB in eine Schieflage. Immer mehr Marktteilnehmern werden die Intransparenz der Papiere und das gestiegene Ausfallrisiko bewusst. Die Folge: Die Banken werden im Geschäft untereinander vorsichtiger; der Interbankenmarkt trocknet aus. Mit hohen Milliardenbeträgen halten die Notenbanken den Geldkreislauf aufrecht. 2008: Die Verbriefungskaskade wird zur Abschreibungskaskade. Die US-Regierung übernimmt die Kontrolle von Fannie Mae und Freddie Mac. In Deutschland fällt die Sachsen LB an die Landesbank Baden-Württemberg; Regierungsbürgschaften können das unkalkulierbare Risiko in den Büchern nicht ausräumen. Die US-Regierung lässt aus ordnungspolitischen Gründen die Investmentbank Lehman Brothers insolvent werden. Diese Pleite erschüttert die Märkte weltweit. Die Finanzmarktkrise wird zur Vertrauens- und Systemkrise; der Interbankenmarkt kollabiert. Die US-Regierung verabschiedet ein Rettungspaket über 700 Mrd. $, um Not leidende Kredite aufzukaufen und Vertrauen zu schaffen. Die Bundesregierung richtet den Finanzmarktstabilisierungsfonds mit 480 Mrd. € ein. Großbritannien beginnt Banken zu verstaatlichen. Zusehends trifft die Finanzmarktkrise auch die Realwirtschaft. Die Wachstumsprognosen für 2009 werden auf breiter Front reduziert. Mit der Errichtung des Finanzmarktstabilisierungsfonds hat die Bundesregierung im Verbund mit den Partnern der Eurozone schnell und insgesamt sachgerecht gehandelt, um dem Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten zügig und effektiv entgegenzutreten. Inzwischen zeigen sich erste Zeichen für eine Stabilisierung.
Weltwirtschaft auf dem Weg in die Rezession Die US-Wirtschaft ist von der Finanzmarktkrise in eine Rezession getrieben worden. Not leidet dort nicht nur der Bau- und Immobiliensektor. Auch die Dynamik des privaten Konsums droht durch steigende Arbeitslosigkeit und heraufgesetzte Kreditstandards – höhere Bonitätsanforderungen und Zinsen – abgewürgt zu werden. Nach der Hypothekenkrise droht nun eine Kreditkartenkrise. Zugleich kämpfen die US-Automobilhersteller ums Überleben. Ausgehend von den USA geraten auch wichtige andere Länder der OECD und der Welthandel insgesamt in eine Rezession.
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Wachstumsprognosen für 2009 werden auf breiter Front zurückgenommen
Prozent 2,5 2,0
2
1,5
1,9
1,8 1,6
1,5
1,4
1,5
1,4 1,2 1,0
1,2 1,0
1
0,7
0,6
0,5
0,2
0,2
0,2 0,0
0,0
0
– 0,5 – 0,8
– 1,0 – 0,8
– 0,5
– 0,2
– 1,1
– 1,4
IW Köln
ifo
DIW
RWI
IfW
Prognosezeitpunkte:
Frühjahr 2008
– 1,2 Institute
– 1,0 Bundesregierung
– 1,5
– 2,8
– 1,9
Differenz
EU
IWF
SVR
Forschungseinrichtungen
Herbst 2008
Quellen: Konjunkturprognose der Europäischen Union, veröffentlicht am 3. November 2008; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2008/09; IWF, World Economic Outlook, veröffentlicht am 6. November 2008; Gemeinschaftsdiagnose der Institute Herbst 2008, veröffentlicht am 14. Oktober 2008; iwd – Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Nr. 40, veröffentlicht am 2. Oktober 2008; Darstellung: BDA
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Der Arbeitsmarkt folgt der Finanzmarktkrise mit Verzögerung
DAX
Erwerbstätige in Tsd.
8.000
40.400
7.500
40.300
7.000
6.500
6.000
40.200
5.500
40.100
5.000
4.500
4.000
40.000 Jan
Feb
Erwerbstätige (saisonbereinigt)
März
Apr
Mai
Juni
Juli
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez Monat
DAX
Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Monatsbericht November 2008, und Deutsche Börse: www.deutsche-boerse.com, Datenabruf 18. November 2008; Darstellung: BDA
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Der Schuldenberg wächst weiter
Steuern in Mrd. €
Schulden in Mrd. € 1.600
600
1.500 550 1.400
1.300
500
1.200 450 1.100
400 2000
2001
2002
2003
2004
2005
Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden
2006
2007
2008 Jahr
1.000
gesamtstaatliche Schulden
Quellen: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, lange Zeitreihen, Internetabruf, www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de, und Deutsche Bundesbank, statistische Zeitreihe BQ 1720; Darstellung: BDA
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so dass unter dem Strich lediglich eine Belastung von 8,5 Mrd. € verbleibt. Wegen des Maßnahmenpaketes allein hätte daher das Konsolidierungsziel für 2011 nicht aufgegeben werden müssen. Allerdings ist die unterstellte Hebelwirkung von fast 2,2 (mit dem 23 - Mrd. - € - Paket werden 50 Mrd. € Wertschöpfung bewirkt) wenig realistisch. Nach empirischen Untersuchungen des ifo-Instituts beträgt dieser Multiplikator lediglich 1,36. Es gehört zwar zu den anerkannten wirtschaftspolitischen Grundsätzen, im Abschwung die „automatischen Stabilisatoren“ wirken zu lassen, d. h. den sinkenden Einnahmen nicht noch hinterherzusparen. Genauso gilt aber auch, im Aufschwung die aufgenommenen Schulden aus Wachstumserträgen zu tilgen. Die Bundesregierung hat jedoch bislang versäumt, das nun für das Jahr 2013 in Aussicht gestellte Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts verbindlich mit konkreten Maßnahmen zu verbinden. Auch damit sät sie Zweifel an der Wirksamkeit des Maßnahmenpakets und nimmt ihm einen Teil der psychologischen Wirkung.
Arbeitsmarkt zwischen Rezession und Demografie Der Arbeitsmarkt zeigt sich auch gegen Ende 2008 noch erstaunlich robust. Bis in den Herbst nahm die Beschäftigung sogar noch zu. Doch für das kommende Jahr ist eine anhaltende Abwärtsbewegung zu erwarten. So gehen die Prognosen im Herbstgutachten der Forschungsinstitute und des Sachverständigenrates von einer im Verlauf des Jahres 2009 merklich ansteigenden Arbeitslosigkeit aus.
Erbschaftsteuerreform – mit Nachbesserungsbedarf Die am 27. November 2008 vom Deutschen Bundestag und am 5. Dezember vom Bundesrat beschlossene Erbschaftsteuerreform ist zwar gegenüber dem Regierungsentwurf vom Dezember 2007 in vielen Punkten ein wirklicher Fortschritt – insbesondere weil unter bestimmten Bedingungen nach zehnjähriger Unternehmensfortführung die Erbschaftsteuer ganz entfallen kann. Allerdings werden bei Familienunternehmen gesellschaftliche Verfügungsbeschränkungen mit Abfindungsklauseln nach wie vor nur ungenügend berücksichtigt. Zwar wird dem tatsächlichen Abfindungswert für Übertragungen „unverzüglich nach deren Erwerb“ entsprochen; jedoch sollte der gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindungsanspruch auch bei der Übertragung von Mitgliedsrechten zu einem späteren Zeitpunkt Grundlage für die erbschaftsteuerliche Bewertung sein, was bislang nicht vorgesehen ist. Ohne Nachjustierung drohen sonst neue Steuerlasten beim Rückgrat der deutschen Wirtschaft, den Familienunternehmen – zumal bereits Schätzungen kursieren, wonach künftig mehr als die angestrebten 4 Mrd. € pro Jahr an Erbschaftsteuereinnahmen erzielt werden könnten. Neue steuerliche Lasten bei Unternehmenserben wären jedoch ein falsches Signal des Gesetzgebers. Vielmehr brauchen gerade die Familienunternehmen, die rund 95 % aller Unternehmen in Deutschland ausmachen und in denen 62 % aller Erwerbstätigen beschäftigt sind, ein verlässliches Fundament für die unternehmerische Tätigkeit.
Trotz teilweise dramatischer Einbrüche bei den Aufträgen werden die Unternehmen alle personalpolitischen Instrumente einsetzen, um ihre qualifizierten Belegschaften zu halten. Einen fachlichen Aderlass werden sie vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels nicht leichtfertig riskieren. Dies wird allerdings nur möglich sein, wenn der Kurs einer moderaten Lohn- und Tarifpolitik fortgesetzt wird. Hierfür hat der jüngste Abschluss in der Metallund Elektroindustrie eine gute Grundlage gelegt.
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Zentrale Elemente der Erbschaftsteuerreform Private Erbschaftsteuer Anhebung der persönlichen Freibeträge für Ehegatten auf 500.000 €, für Kinder auf 400.000 €, für Enkel auf 200.000 € Beibehaltung der Steuersätze in der Steuerklasse I (mit Sätzen von 7 bis 30 %), Anhebung der Steuersätze in den Steuerklassen II und III (auf 30 % bei einem Vermögen ab 75.000 € bis einschließlich 6 Mio. € und auf 50 % für darüberliegendes Vermögen) Steuerbefreiung des selbst genutzten Wohneigentums unter der Voraussetzung der zehnjährigen Nutzung, bei Kindern zudem Beschränkung der Wohnfläche auf maximal 200 qm Verschonungsregelungen beim Betriebsvermögen Einführung einer Wahlmöglichkeit – beide Varianten sehen keine Fallbeilregelung beim Verstoß gegen die Behaltensfrist, sondern eine ratierliche Abschmelzung vor, zudem ist die Lohnsummenregelung nicht indexiert a) Regelverschonung mit einer Behaltensfrist von sieben Jahren und einem Verschonungsabschlag von 85 % unter den Voraussetzungen eines Verwaltungsvermögens von maximal 50 % und der Erzielung einer Lohnsumme über sieben Jahre von 650 % b) Verschonungsoption mit einer Behaltensfrist von zehn Jahren und einem Verschonungsabschlag von 100 % unter den Voraussetzungen von maximal 10 % Verwaltungsvermögen und der Erzielung einer Lohnsumme über zehn Jahre von 1.000 % Das Verwaltungsvermögen umfasst u. a. Wertpapiere und vergleichbare Forderungen, Kunstgegenstände, Sammlungen, Anteile an Kapitalgesellschaften mit unmittelbarer Beteiligung von bis zu 25 % sowie Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (vermietete, verpachtete Grundstücke) mit Ausnahme u. a. der gewerblichen Vermietung von Wohnimmobilien oder der Betriebsverpachtung im Ganzen Bewertung des Betriebsvermögens und des Grundvermögens mit dem gemeinen Wert, d. h. dem Verkehrswert; sämtliche Regelungen des Bewertungsrechts sind im Gesetz und nicht wie ursprünglich vorgesehen in einer Rechtsverordnung des Bundesfinanzministeriums geregelt Vermeidung einer Doppelbelastung – durch Anrechnung der auf die Einkünfte entfallenden Erbschaftsteuer bei der Einkommensteuer, wenn die Einkünfte in den vier vorangegangenen Veranlagungszeiträumen der Erbschaftsteuer unterlegen haben
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Forderungen der Wirtschaft übernommen Erfreulich ist, dass die große Koalition zumindest einige der zentralen Forderungen der deutschen Wirtschaft an eine wirtschaftsfreundliche Erbschaftsteuerreform nunmehr übernommen hat. Die Fristen für die Lohnsummenregelung und die Behaltensfrist liegen nicht mehr bei 10 bzw. 15 Jahren, sondern bei maximal zehn Jahren. Anstelle einer Fallbeilregelung bei der Behaltensfrist für das Betriebsvermögen greift nunmehr eine zeitanteilige Abschmelzung. Bei der Lohnsummenklausel wurden der zeitliche Gleichlauf mit der Behaltensfrist sowie der Wegfall der Indexierung erreicht; allerdings wird bei der Lohnsumme nach wie vor das Gehalt des Erblassers bzw. des Erwerbers berücksichtigt. Die Einhaltung der Lohnsummenregel muss jedoch erst nach dem Ende der Frist überprüft werden. Damit entfällt für den Erben die jährliche Erklärung beim Finanzamt. Die Einzelheiten zur Bewertung von Grundbesitz, nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen werden nunmehr nicht mehr lediglich in Rechtsverordnungen, sondern unmittelbar im Bewertungsgesetz geregelt. Änderungen des Bewertungsrechts unterliegen damit der parlamentarischen Kontrolle. Durch Anrechnung der Erbschaftsteuer bei der Einkommensteuer wird die drohende Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer berücksichtigt.
Erhebliche Hürden für Wegfall der Erbschaftsteuerschuld Zudem haben die Koalitionsspitzen die Einführung eines Optionsmodells zur Abschmelzung der Erbschaftsteuerschuld mit zwei unterschiedlichen Varianten vereinbart:
Bei der Option A (Regelverschonung) kann ein Abschlag von der Erbschaftsteuerschuld von 85 % erreicht werden. Voraussetzungen hierfür sind die Einhaltung einer Behaltensfrist von sieben Jahren sowie die Erzielung einer Lohnsumme von 650 % über den Zeitraum von sieben Jahren. Zudem darf das sog. Verwaltungsvermögen höchstens 50 % des gesamte Betriebsvermögens ausmachen. Bei der Option B (Verschonungsoption) kann entsprechend der Vereinbarung des Koalitionsvertrags die Erbschaftsteuerschuld ganz abgeschmolzen werden. Dies setzt jedoch die Einhaltung einer Behaltensfrist von zehn Jahren sowie die Erzielung einer Lohnsumme über die zehn Jahre von 1.000 % voraus. Jedoch darf in diesem Fall der Anteil des Verwaltungsvermögens am Betriebsvermögen höchstens 10 % betragen. Diese sehr restriktive Regel kann ebenso wie die im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf erhöhte Anforderung an die Lohnsumme dazu führen, dass im Ergebnis die Rückführung der Erbschaftsteuerschuld auf null nur in Einzelfällen erreicht werden kann.
Verwaltungsvermögen in die Begünstigung einbeziehen Unbefriedigend an der Erbschaftsteuerreform ist auch, dass sog. Verwaltungsvermögen nicht uneingeschränkt in die steuerliche Begünstigung einbezogen wird. Übersehen wird dabei, dass dieses Vermögen Kreditwürdigkeit und Liquidität des Unternehmens sichert. So schließt die geplante Regelung Unternehmen der gewerblichen Immobilienwirtschaft, die überwiegend Verwaltungsvermögen besitzen, von der steuerlichen Begünstigung aus, während nunmehr Wohnungsunternehmen in die Verschonung einbezogen sind. Problematisch erscheint auch die prozentuale Ausschlussregelung beim Verwaltungsvermögen – und zwar in beiden Optionen. Generell zu restriktiv sind in den Optionen A und B die Vorgaben bezüglich der Höhe des Verwaltungsvermögens, welches zulässig ist, damit im Erbfall die steuerliche Begünstigung greift. Die scharfe Abgrenzung, wonach ein Unternehmen mit 10 % Verwaltungs-
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vermögen von der Vergünstigung profitiert und ein Unternehmen mit 10,5 % nicht, provoziert Verfassungsklagen. Hier muss unbedingt noch nachgebessert werden und das Verwaltungsvermögen mit in die steuerliche Begünstigung einbezogen werden.
2009. Die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag ist für Januar 2009 vorgesehen. Die BDA wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Modifizierungsvorschläge der deutschen Wirtschaft im noch verbleibenden Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung finden.
Europäische Entwicklung beachten
Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt „Mitarbeiterkapitalbeteiligung“ veröffentlicht.
Erste Schätzungen gehen davon aus, dass die Steuerverwaltungen zur Bewältigung der zusätzlichen bürokratischen Regelung Steuerbeamte in dreistelliger Zahl neu einstellen müssen. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zehren bereits unter den derzeitigen Regelungen die Bürokratiekosten bis zu ein Drittel der Einnahmen aus der Erbschaftsteuer auf. Daher sollte über die Abschaffung dieser Steuer sicherlich noch nicht das letzte Wort gesprochen sein, zumal in anderen europäischen Ländern wie z. B. in Österreich die Erbschaftsteuer längst auf dem Rückzug ist. Dies könnte eine herausragende Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode sein, wenn es um den Neuzuschnitt der Einkommensteuer geht und die neue Erbschaftsteuer in der Unternehmensrealität angekommen ist.
Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Forderungen der Wirtschaft bleiben nicht ungehört Die BDA hat den Gesetzgebungsprozess von Anfang an begleitet und gemeinsam mit sieben anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – neben grundsätzlicher Kritik – auch detailliert Stellung bezogen. Erfreulich ist, dass der Bundesrat am 10. Oktober 2008 in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes einige der von Seiten der Wirtschaftsverbände formulierten Korrekturforderungen aufgenommen und unterstützt hat. Dies betrifft sowohl die Forderung nach Öffnung der steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung für einzelne Beschäftigtengruppen als auch nach Vorziehen des Inkrafttretens des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes vom 1. April auf den 1. Januar
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Deutsche Wirtschaft fordert Nachbesserungen beim Entwurf eines Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes Zusammenfassung der Stellungnahme der acht Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zum Regierungsentwurf für ein Gesetz zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung (Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz) Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist der gewählte Ansatz weder zielorientiert noch widerspruchsfrei, weil damit von der sinnvollen Konzentration der Vermögensbildung auf den Ausbau der Altersvorsorge abgegangen und darüber hinaus die wesentlich praktikablere Mitarbeitererfolgsbeteiligung benachteiligt wird. Trotz der grundsätzlich ablehnenden Bewertung haben die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft konkrete Korrekturforderungen formuliert. Die Steuerfreiheit von Mitarbeiterkapitalbeteiligungsmodellen sollte auch dann greifen, wenn die Beteiligung nicht allen Arbeitnehmern, die in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen, offensteht. Mitarbeiterkapitalbeteiligungsmodelle werden häufig aufgrund sachlicher Differenzierung nur einzelnen Mitarbeitergruppen gewährt. So kann es sachgerecht sein, bestimmte Gruppen von Beschäftigten, die sich z. B. noch in der Probezeit befinden, von der Beteiligungsmöglichkeit auszunehmen oder aber für Führungskräfte und sonstige Beschäftigte unterschiedliche Beteiligungsmodelle anzubieten. Die Förderung nach § 3 Nr. 39 EStG-E darf derartig sinnvolle Differenzierungen nicht behindern.
des Fonds in Betracht kommenden Unternehmen darauf, dass auch tatsächlich in sie investiert wird. Zudem wird das Ziel der Mitarbeiterkapitalbeteiligung, die Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu stärken, mit einer überbetrieblichen Beteiligungsform verfehlt. Die neuen gesetzlichen Regelungen sollen am 1. April 2009 in Kraft treten. Bei vielen Unternehmen werden Belegschaftsaktien im ersten Quartal überlassen. In diesen Fällen müsste die Überlassung zunächst nach § 19a EStG behandelt werden und nach dem 1. April 2009 gemäß § 41c Abs. 1 Nr. 2 EStG geändert werden. Ändert der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug nicht, kann der Arbeitnehmer beim Finanzamt eine Erstattung beantragen. Eine solche doppelte Abrechnung verursacht einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand. Aus Vereinfachungsgründen sollte das Inkrafttreten – wie auch vom Bundesrat vorgeschlagen – auf den 1. Januar 2009 vorgezogen werden.
Die geplanten „Mitarbeiterbeteiligungs-Sondervermögen“ sind mit den Zielen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung nicht vereinbar. Zum einen ist ein derartiger Fonds insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen kaum attraktiv, weil es kaum Sinn macht, 100 % Eigenmittel selbst aufzubringen, um anschließend über den Fonds bestenfalls 75 % wiederzuerhalten. Zum anderen besteht kein Anspruch der potenziell für eine Anlage
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„Kurzum, der BDA-Chef hat Recht.“ (Süddeutsche Zeitung, 20.11.2008)
„Arbeitgeber schlagen Alarm – Hundt ermahnt Regierung und Tarifparteien“ (Handelsblatt, 28.07.2008) Sachlich, deutlich und ohne Umschweife Tarifpolitik und Tarifeinheit, gesetzliche Mindestlöhne und die Entwicklung der Sozialversicherungsabgaben, die Vertrauenskrise der Sozialen Marktwirtschaft und die Finanzmarktkrise sowie die Bildungspolitik – das waren im Jahr 2008 die beherrschenden Themen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BDA. Die BDA hat dabei regelmäßig die Positionen, Interessen und Forderungen der deutschen Wirtschaft deutlich gemacht und eine hohe Medienpräsenz erreicht. Dies geschah nicht nur durch rund 100 Pressemitteilungen; große Resonanz fanden vor allem auch zahlreiche Exklusivinterviews mit Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt sowie die Pressekon ferenzen und Pressegespräche.
Mindestlohn macht arbeitslos Vor dem Hintergrund der Diskussion über gesetzliche Mindestlöhne hat die BDA im Januar 2008 die Kampagne „Mindestlohn macht arbeitslos“ gestartet. Ziel dieser Kampagne ist es, auf die Folgen gesetzlicher Mindestlöhne aufmerksam zu machen. Zentrale Botschaft ist: „Gesetzliche Mindestlöhne verhindern den Einstieg in Arbeit vor allem von gering Qualifizierten und schaden dem Arbeitsmarkt.“ Im Verlauf des Jahres ist es der BDA gelungen, die drohenden Folgen gesetzlicher Mindestlöhne wirkungsvoll in die Öffentlichkeit zu transportieren, aber auch auf Entscheidungsträger einzuwirken. In zahlreichen Reden, Namensbeiträgen und Interviews sowie weiteren Pressekonferenzen mit Rechtsgutachtern und Ländervertretern hat die BDA nachdrücklich vor den schädlichen Folgen staatlicher Lohnfestsetzungen gewarnt und in der Öffentlichkeit regelmäßig eine große Resonanz erzielt. So konnten wichtige Zugeständnisse bei den Plänen zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne über das Mindestarbeitsbedingungengesetz und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz erreicht werden. Unter www.mindestlohn-macht-arbeitslos.de unterrichtet die Kampagnenhomepage aktuell über den Stand der Dinge und verzeichnet täglich bis zu 13.000 Klicks. Sie wird von allen Seiten als die zentrale Plattform der Mindestlohnkritiker angese-
hen. Eine breite Palette an Informationsmaterialien wurde zur Aufklärung über die Gefahren gesetzlicher Mindestlöhne für Politik, Medien und Öffentlichkeit sowie die Mitgliedsverbände produziert. Die ersten beiden Auflagen der Broschüre „Tarifautonomie statt Mindestlohn“ waren bereits innerhalb weniger Tage vergriffen. Mehrere laufend aktualisierte Ausgaben der BDA-Informationsdienste argumente und kompakt liefern wertvolle Hintergrundinformationen. Das unter der Sonderrufnummer 2033-1919 erreichbare Kampagnenbüro der BDA beantwortet Fragen, gibt weiter gehende Auskünfte und unterstützt die Mitgliedsverbände bei ihren Aktivitäten rund um den Mindestlohn.
Sozialabgaben senken Auch die Debatte über die Sozialabgaben war im gesamten Jahresverlauf ein Dauerbrenner für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Senkung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung spielte dabei ebenso eine herausragende Rolle wie die geplante Anhebung des Krankenkassenbeitrags. Die BDA hat diese Debatte mit zahlreichen Stellungnahmen, Interviews, Presse mitteilungen und Hintergrundinformationen forciert und immer wieder die deutliche Entlastung von Unternehmen und Bürgern angemahnt – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der sich abschwächenden Konjunktur. Die fortgesetzte öffentliche Mahnung der BDA blieb nicht ohne Wirkung: In den Medien stand und steht die Senkung der Steuer- und Abgabenlast ganz oben auf der politischen Agenda.
Bildung – die soziale Frage des 21. Jahrhunderts Bildung ist längst zu einer der zentralen Herausforderungen für Deutschland geworden. Die BDA hat in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einen deutlichen Schwerpunkt bei diesem Thema gesetzt. Dies geschah auch vor dem Hintergrund, dass BDA und BDI seit gut einem Jahr ihre bildungspolitischen Positionen und Initiativen in einem gemeinsamen Fachausschuss unter Federführung der BDA entwickeln.
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Dabei standen im Jahresverlauf gleich mehrere wichtige Themen im Fokus der Öffentlichkeit. So gelang es BDA und BDI, mit ihren Initiativen „MINT Zukunft schaffen“ und „Bachelor Welcome“ viel beachtete bildungspolitische Akzente zu setzen. Auch die öffentliche Diskussion über den Ausbildungsbonus bis hin zur Situation auf dem Lehrstellenmarkt und den damit verbundenen Ausbildungspakt wurde intensiv vorangetrieben. Im Kern ging es dabei darum, deutlich zu machen, dass Bildung die zentrale Investition in unsere Zukunft ist. Von der Rendite dieser Investition profitieren alle – die Menschen, die Wirtschaft und das Land als Ganzes. Deutschland braucht daher – so die Botschaft – eine Bildungsoffensive, die die Qualität von Bildung in allen Bereichen verbessert.
Deutscher Arbeitgebertag 2008 im Zeichen der Bankenkrise Mit hochrangigen Gästen aus Wirtschaft und Politik war der Deutsche Arbeitgebertag 2008 erneut ein besonderes Medienereignis in der Hauptstadt. Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt nahm in seiner Rede deutlich Stellung zur Banken- und Finanzmarktkrise. Er begrüßte das Maßnahmen-
paket der Bundesregierung als einen wichtigen Beitrag, um die Vertrauenskrise an den Finanzmärkten entschlossen zu beenden. Allerdings ließ Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt auch keinen Zweifel daran, dass die aktuelle Finanzmarktkrise keine Rechtfertigung für Ausgabenprogramme und erst recht keine Ermächtigung für beliebiges Schuldenmachen ist. Um eine derartige Krise in Zukunft zu verhindern, forderte er eine wirkungsvollere Aufsicht des Finanzsektors.
Fazit – sachlich und seriös Wie in den Jahren zuvor auch, hat sich die Pressearbeit der BDA an einer sachlich fundierten Kritik mit konkreten Änderungs- und Verbesserungsvorschlägen orientiert. Die BDA wird bei Journalisten als seriöser Ansprechpartner geschätzt. Dies belegen nicht zuletzt auch die zahlreichen Anfragen, die breite Resonanz bei Hintergrundgesprächen, bei denen den Journalisten aktuelle, zuverlässige und seriöse Informationen sowie die Positionen der Arbeitgeber vermittelt werden. Auch im Jahr 2008 war die BDA mit ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eine zentrale Stimme im politischen Konzert.
BDA mit neuem Internetauftritt Pünktlich zum Deutschen Arbeitgebertag 2008 startete die BDA am 4. November ihren neuen Internetauftritt. Unter www.arbeitgeber.de bietet die BDA nun noch mehr Informationen, noch mehr Service sowie eine deutlich verbesserte Funktionalität. Bereits auf der Startseite findet der Nutzer durch eine klare und auch farbliche Gliederung den Einstieg in die vielfältigen Themengebiete der BDA. Die zahlreichen Fachbeiträge orientieren sich dabei an einer ganz einfachen Philosophie: Aktuell und politisch, prägnant und verlässlich werden die Positionen der deutschen Arbeitgeber dargestellt. Darüber hinaus gibt es zahllose Zusatzinformationen und Verlinkungen zu weiterführenden Webseiten.
Erstmals hat der Nutzer die Möglichkeit, Videos zu aktuellen Themen anzuschauen. Diese Funktionalität wird auch zukünftig weiter ausgebaut, so dass nach und nach ein Archiv an interessanten Filmbeiträgen entsteht. Bewährtes bleibt selbstverständlich bestehen: So wird dem Nutzer auch in Zukunft ein schneller Zugriff auf die Info-Angebote kompakt und argumente ermöglicht. Kurzum: Mit dem neuen Auftritt ist ein Informationsangebot entstanden, das sowohl den Anforderungen der Allgemeinheit gerecht wird als auch auf die Bedürfnisse der Experten zugeschnitten ist.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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BDA-Mitgliedsverbände 56 Bundesfachverbände ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
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Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie Arbeitgeberverband der Deutschen Glasindustrie e. V. Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V. Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e. V. Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe) Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V. Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrsbetriebe – Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e. V. Arbeitgeberverband Postdienste e. V. Arbeitgeberverband Stahl e. V. Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß e. V. (ANG) Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V. Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e. V. BdKEP Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e. V. Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e. V. Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V. Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ) Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels e. V. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. Bundesverband Druck und Medien e. V. Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA) Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V. Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V. Deutscher Bühnenverein Bundesverband der Theater und Orchester Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA) DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V. Gesamtverband der Deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund – Gesamtverband Steinkohle (GVSt) Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V. Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V. Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V. – Sozialpolitischer Hauptausschuss – Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Telekommunikation (ArgeTel) Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV) Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH) USB Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen + Bildung e. V. Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V. Verband Deutscher Reeder e. V. Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ) Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland e. V. (VdDD) Verein der Zuckerindustrie Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V. Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU) Vereinigung Rohstoffe und Bergbau VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V. WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V. Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V. ZGV – Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e. V.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Organisation
14 Landesvereinigungen
UV Nord-Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.
Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern e. V.
Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V. Unternehmerverbände Niedersachsen e. V. Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e. V.
Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen e. V.
Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW) Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.
Verband der Wirtschaft Thüringens e. V. (VWT)
Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände e. V. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e. V.
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Organisation
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BDA-Präsidium
BDA-Vorstand
Gemeinsames Präsidium von BDA und BDI
Präsident
Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören folgende Damen und Herren dem Vorstand an:
Alternierende Vorsitzende
▪ Dr. Dieter Hundt Ehrenpräsident ▪ Prof. Dr. Klaus Murmann Vizepräsidenten ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
Dr. h. c. Josef Beutelmann Dr. Gerhard F. Braun Günther Fleig Martin Kannegiesser Otto Kentzler Dr. Walter Koch (Schatzmeister) Randolf Rodenstock Dr. h. c. Eggert Voscherau Weitere Mitglieder des Präsidiums
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Dr. Frank Appel Peter Barz Ernst Baumann Anton F. Börner Walter Botschatzki Hans-Dieter Bremer Wolfgang Brinkmann Dr. Eckhard Cordes Dr. Jürgen Deilmann Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann Goetz von Engelbrechten Bodo Finger Ulrich Grillo Helmut Heinen Klaus Hering Ingrid Hofmann Burkhard Ischler Dr. Eckart John von Freyend Arndt G. Kirchhoff Helmut F. Koch Ingo Kramer Heinz Laber Stefan H. Lauer Horst-Werner Maier-Hunke Hartmut Mehdorn Prof. Dr. Helmut Merkel René Obermann Dr. Arend Oetker Dr. Wolfgang Pütz Dr. Jan Stefan Roell Dr. Siegfried Russwurm Josef Sanktjohanser Ulrich Schumacher Gerd Sonnleitner Dr. Theo Spettmann Bernd Tönjes Prof. Dieter Weidemann Dr. Reinhard Göhner Dr. Fritz-Heinz Himmelreich
BDA | Geschäftsbericht 2008 | Organisation
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Prof. Thomas Bauer Michael Behrendt Dr. Rolf Bender Roland Brohm Ulrich Alfred Büchner Prof. Dr. Hubert Burda Dr. Hans Ulrich Dorau Dr. Rainer V. Dulger Frank Dupré Volker Enkerts Ernst Fischer Hartmut Geldmacher Peter Gerber Florian Gerster Wolfgang Goebel Rainer Göhner Klemens Gutmann Jörg Hagmaier Siegfried Hanke Matthias Hartung Dr. Gernot Kalkoffen Dr. Uwe Kasimier Franz Bernd Köster Thomas Kretschmann Peter Kurth Lothar Lampe Rainer J. Marschaus Dr. Uwe Mehrtens Reinhard Müller-Gei Rudolf Pfeiffer Eberhard Potempa Hanns-Jürgen Redeker Ralph Rieker Prof. Dr. Markus Rückert Manfred Rycken Jürgen Schitthelm Dirk Schlüter Hans-Jörg Schuster Birgit Schwarze Johannes Schwörer Norbert Steiner Margret Suckale Dr. Sven Vogt Georg Weisweiler Dietmar Welslau Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia Wolfgang Zahn
▪ Dr. Dieter Hundt ▪ Jürgen R. Thumann Weitere Mitglieder des Präsidiums ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
Dr. h. c. Josef Beutelmann Dr. Gerhard F. Braun Dr. Dieter Brucklacher Günther Fleig Martin Kannegiesser Prof. Dr. Hans-Peter Keitel Otto Kentzler Dr. Walter Koch Prof. Dr. Ulrich Lehner Friedhelm Loh Dr. Arend Oetker Randolf Rodenstock Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer Prof. Dr. Ekkehard Schulz Dr. h. c. Eggert Voscherau Matthias Wissmann
In memoriam Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in langjähriger Mitarbeit verbunden und hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer Sozialpolitik. Wir gedenken ihrer.
Dr. oec. Wolfram Thiele
Ehem. Vizepräsident und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 17. Februar 2008
Dr. Ernst August Wrede
Ehem. Mitglied des Präsidiums und des Vorstandes der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 25. Februar 2008
Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Manfred Lennings
Ehem. Mitglied des Präsidiums und des Vorstandes der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1. März 2008
Uwe Uphaus
Ehem. Geschäftsführer der Vereinigung der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie Westfalens e. V. 28. Oktober 2008
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BDA | Geschäftsbericht 2008 | In memoriam
Präsident
Dr. Dieter Hundt Sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau T -1004 F -1005
Hauptgeschäftsführer
Mitglied der Hauptgeschäftsführung Alexander Gunkel **
Dr. Reinhard Göhner Sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau Marina Reikowski T -1007/1006 F -1005 hgf.mail@arbeitgeber.de
S ekretariat Anne-Katrin Biereigel * T -1008 F -1015 hgf.mail@arbeitgeber.de
Verwaltung und Verbandsorganisation
Soziale Sicherung
Volkswirtschaft, Finanzen, Steuern, Walter-RaymondStiftung
Arbeitsrecht
Lohn- und Tarifpolitik
Ulrich Hüttenbach ** Martin Pulm
Dr. Volker Hansen Gert Nachtigal Stefan Haussmann Dr. Martin Kröger Susanne Lexa Saskia Osing * Florian Swyter
Ottheinrich Freiherr von Weitershausen * Dr. Oliver Perschau Alexander Haase Dr. Hans-Jürgen Völz
Roland Wolf Thomas Prinz * Manja Barth Nora Braun Kerstin Plack Karsten Scherret
Rainer Huke * Denis Henkel Paul Noll Natalia Stolz
Redaktion SAE Barbara Braun
Tarifarchiv Freimut Wolny Astrid Bohn
Finanzen
Martin Pulm Gudrun Häntsch Sirpa Ohm Viola Rieche finanzen.mail@arbeitgeber.de
Sekretariat Cornelia Hentschel T -1950 F -1955
Informations- und Kommunikationstechnik
abt_11@arbeitgeber.de
Martin Brüning Thomas Hyrbaczek Christian Seipp Hans-Jürgen Tunze ink.mail.@arbeitgeber.de
Personal
Astrid Zippel Katrin Anton personal.mail@arbeitgeber.de
Arbeitswissenschaft Norbert Breutmann
Verwaltung
Institut für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung Ottheinrich Freiherr von Weitershausen
Sven Kochanowski verwaltung.mail@arbeitgeber.de
Organisation Kornelia Wendt
Adressverwaltung Thomas Bieche Manuel Schiller Bibliothek Anke Beyer-Stamm Service Frank Halup Astrid Leu Sekretariat Janet Wiecker Stephanie Schmidt T -1100 F -1105
Sekretariat Ingrid Schramm Heike Bozan Carola Wünsche T -1600 F -1605
Sekretariat Ellen Dumschat T -1954 F -1955
Sekretariat Simone Scharf Manuela Hahn T -1200 F -1205
Sekretariat Marina Fahrentholtz Sabrina Paul T -1300 F -1305
abt_01@arbeitgeber.de
abt_06@arbeitgeber.de
info@iswa-online.de
abt_02@arbeitgeber.de
abt_03@arbeitgeber.de
T +49 30 2033-0 F +49 30 2033-1055 bda@arbeitgeber.de www.arbeitgeber.de Stand: 1. Januar 2009 ** Qualitätsmanagementkoordinator * Qualitätsmanagementbeaufragte
Mitglied der Hauptgeschäftsführung Peter Clever
Sekretariat
Anja Hoffmann T -1009 F -1015 hgf.mail@arbeitgeber.de
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Planung, Koordination, Grundsatzfragen
Arbeitsmarkt
Bildung / Berufliche Bildung
Europäische Union und Internationale Sozialpolitik
Dr. Uwe Mazura * Jörg Swane Karoline Lerche Dr. Viktor Otto Dr. Heinz Schmitz Andreas Timm
Christina Uhl ** Kristian Schalter Tabea Kölbel
Dr. Jürgen Wuttke Alexander Wilhelm Erwin Blasum Benjamin Koller Torsten Petrak Dr. Anna Robra
Dr. Barbara Dorn Dr. Donate Kluxen-Pyta Tanja Nackmayr Henning Dettleff Yvonne Kohlmann Susanne Müller * Dr. Irene Seling
Renate Hornung-Draus Antje Gerstein * Alexandra-F. Prinzessin zu Schoenaich-Carolath Angela Schneider-Bodien Stefan Sträßer Matthias Thorns Sekretariat Bianca Voyé * Marion Hirte Janine Spolaczyk T -1900 F -1905
Sekretariat Susan Peronne Marion Blumauer T -1400 F -1405 abt_04@arbeitgeber.de
Leiter der Pressestelle
Dr. Heinz Schmitz
Büro des Präsidenten und des Hauptgeschäftführers
abt_09@arbeitgeber.de
Betriebliche Personalpolitik
BDI / BDA The German Business Representation
Dr. Alexander Böhne * Jana Schimke
Alexandra-F. Prinzessin zu Schoenaich-Carolath Stellv. Geschäftsführerin Leiterin Sozialpolitik
Kristian Schalter Eva Strube
Brigitte de Vita
Sekretariat Claudia Jungkowski Michaela Grebasch Stephanie Merkel T -1800 F -1805
Sekretariat Una Ellenrieder Kristin Holzendorf T -1020 F -1025
Sekretariat Doreen Mertens T -1410 F -1405
Sekretariat Katja Rasch Allmuth Rudolf Sevim Ünal T -1500 F -1505
Sekretariat Astrid Schwarz T 0032-2-79 21 050 F 0032-2-79 21 055
abt_08@arbeitgeber.de
abt_10@arbeitgeber.de
abt_04@arbeitgeber.de
abt_05@arbeitgeber.de
bruessel@arbeitgeber.de
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Haus der Deutschen Wirtschaft Breite Straße 29 10178 Berlin Briefadresse: 11054 Berlin bda@arbeitgeber.de www.arbeitgeber.de T +49 30 2033-1070 F +49 30 2033-1075
Stand: 15. Dezember 2008 Fotografie: Christian Kruppa | www.christiankruppa.de Thomas Köhler | www.photothek.net adisa, Aeolos, olly, moonrun, Petr Nad, RRF, Marcel Mooij, U.P.images, Phoenixpix, Nikada | www.istockphoto.com svlumagraphica | www.fotolia.de misterQM, micjan | www.photocase.de Konzeption und Gestaltung: CB.e Clausecker | Bingel. Ereignisse AG Agentur für Kommunikation
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