Sehr geehrte Damen und Herren, wir blicken zurück auf ein Jahr mit Höhen und Tiefen. Die deutsche Wirtschaft ist gestärkt aus der weltweiten Wirtschaftskrise herausgekom men und im Jahr 2011 erstaunlich stark gewach sen. Die Zahl der Erwerbstätigen hat einen Rekordwert erreicht und die Arbeitslosigkeit liegt bei deutlich weniger als 3 Mio. Bei aller Freude über diese Entwicklung dürfen die großen Her ausforderungen jedoch nicht aus dem Blick gera ten. Der wirtschaftliche Ausblick für die nächs ten Jahre bleibt ungewiss. Zunehmend werfen die Abschwächung der Weltkonjunktur und die anhaltende Staatsschuldenkrise im Euroraum ihre Schatten auf die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland. Die erfolgreiche Bewältigung der Krise durch die deutsche Wirtschaft ist in großen Teilen auch ein Ergebnis des äußerst verantwortungsvollen Handelns der Tarifpartner in den vergangenen Jahren. Die moderaten Tarifabschlüsse trugen in ihrer Differenziertheit den höchst unterschiedli chen Branchensituationen in Deutschland Rech nung. Auch im Jahr 2011 konnte diese erfreuliche Entwicklung fortgeführt werden. Im Interesse einer nachhaltig positiven Wirtschaftsentwicklung haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam erfolg reich darauf hingewirkt, die Lohnabschlüsse auch in diesem Jahr den wirtschaftlichen Bedingungen angemessen zu gestalten. Dies zeigt: Die Tarifau tonomie in Deutschland ist und bleibt eine Erfolgs geschichte und ein wichtiger Bestandteil unseres Wirtschaftssystems. Allerdings gibt es aktuelle Entwicklungen in der Tarifpolitik, die langfristig die Tarifautonomie bedrohen. Im Jahr 2011 fanden tarifeinheitswidrige
Streiks statt und weitere neue Spartengewerk schaften haben sich gegründet. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, droht eine Erosion der Tarif autonomie. Es ist schwer nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2010 die Tarifeinheit immer noch nicht gesetzlich wieder hergestellt hat. Die Tarifeinheit ist eine Zukunfts voraussetzung für die Tarifautonomie, weil nur so die Friedensfunktion der Branchentarifverträge gewährleistet werden kann. Die positive wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wird überschattet von der schwers ten Belastungsprobe der EU seit deren Grün dung. Die Staatsschuldenkrise im Euroraum ist das Ergebnis jahrelanger hemmungsloser Schul denmacherei zahlreicher Staaten in Europa. Auch Deutschland hat zu lange über seine Verhältnisse gelebt. Die Rückführung der ausufernden Staats schulden muss daher in allen betroffenen Län dern höchste Priorität haben. Zudem ist eine Ver schärfung der europäischen Regeln im Bereich der Finanz- und Haushaltspolitik unumgänglich. Nur auf diese Weise kann die langfristige Stabi lität im Euroraum gesichert werden. Die BDA hat sich schon früh mit eigenen Lösungsvorschlägen in die Diskussion eingebracht und unterstützt die Bundesregierung bei ihren Bemühungen zur Sta bilisierung der Eurozone. Dies sind nur wenige Beispiele aus der Aus wahl an Themen, die die BDA in den zurücklie genden zwölf Monaten beschäftigt haben. Der vorliegende Geschäftsbericht gibt eine Übersicht über die zahlreichen inhaltlichen Schwerpunkte und Tätigkeitsbereiche der BDA im Jahr 2011.
Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer der BDA Dezember 2011 | Berlin
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Beschäftigung Blue Card Frauen Sockelarbeitslosigkeit Jugendliche Gering Qualifizierte Zuwanderung Einstiegsqualifizierung Arbeitsmarkt Arbeitslosengeld II Niedriglohnsektor Bundesarbeitsministerium Demografie Praktikum Beschäftigungsdynamik Erwerbstätige Anerkennungsgesetz Kurzarbeitergeld plus Wirkung und Wirtschaftlichkeit Fachkräftegipfel Fachkräftesicherung Langzeitarbeitslosigkeit Fachkräfte Ältere Beschäftigte Arbeitsmarktmonitor Integration Behindertenrechtskonvention Migranten Chancengleichheit Ein-Euro-Jobs Familienfreundlichkeit Praktikum Bundesagentur für Arbeit Erwerbstätigenrekord Arbeitskräfteallianz Demografie Arbeitsmarktmonitor Eingliederungschancen Blue Card Arbeitslosenversicherung Anerkennungsgesetz Frauen Betriebliche Personalpolitik Behindertenrechtskonvention Familienfreundlichkeit Bundesarbeitsministerium Förderinstrumente Gering Qualifizierte Arbeitsmarktpolitik Behindertenrechtskonvention Niedriglohnsektor Niedriglohnsektor Zuwanderung Langzeitarbeitslosigkeit Fachkräftesicherung Chancengleichheit Arbeitsmarkt Arbeitsmarktmonitor Kurzarbeitergeld plus Bundesagentur für Arbeit Gering Qualifizierte Migranten Blue Card Arbeitsmarkt Bundesarbeitsministerium Integration Ältere Beschäftigte Fachkräfte Erwerbstätige Beschäftigungsdynamik Sockelarbeitslosigkeit Demografie Behindertenrechtskonvention
Fachkräfte sichern – Langzeit arbeitslosigkeit abbauen Mit einem neuen Erwerbstätigenrekord blieb der deutsche Arbeitsmarkt auch im Jahr 2011 auf Erfolgskurs. Es wird immer deutlicher, dass der verheerende jahrzehntelange Trend einer mit jedem konjunkturellen Abschwung weiter gewachsenen Sockelarbeitslosigkeit gebrochen und umgekehrt wurde. Die Zahl der Arbeitslosen konnte trotz der schweren internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise von ihrem traurigen Höchststand mit 5,3 Mio. im Frühjahr 2005 bis November 2011 fast halbiert werden. Zugleich sind in immer mehr Branchen und Regionen wachsende Fachkräfteengpässe festzustellen, die längst über den sog. MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) hinausgehen. Diese entwickeln sich angetrieben durch den demografischen Wandel zur bedrohlichen Wachstums- und Beschäftigungsbremse. Erfreulicherweise räumt die Politik dem Thema „Fachkräftesicherung“ – angestoßen vor allem durch die BDA – zunehmend Priorität ein. So sind in diesem Jahr nicht zuletzt im Zuwanderungsrecht weitere wichtige Schritte unternommen worden. Insgesamt muss in Deutschland aber immer noch die jahrzehntelange Abschottungsmentalität durch eine offensive Willkommenskultur gegenüber den besten Köpfen der Welt abgelöst werden. Bedauerlich ist auch, dass anstelle einer zielgerichteten Ausschöpfung des großen inländischen Arbeitskräftepotenzials gut qualifizierter Frauen vielfach eine irreführende, von den tatsächlichen Herausforderungen ablenkende Diskriminierungs- und Quotendebatte geführt wird. Ein folgenschwerer Irrtum wäre es zu glauben, dass der Abbau der immer noch zu hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland allein aufgrund der demografischen Entwicklung und des wachsenden Fachkräftebedarfs vorankommt. Tatsächlich entwickelt sich am Arbeitsmarkt eine zunehmende Parallelität von expandierenden Fachkräftelücken einerseits und leider immer noch verfestigter und gerade auch im internationalen Vergleich viel zu hoher Langzeitarbeitslosigkeit andererseits.
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Vor diesem Hintergrund muss mit Sorge beobachtet werden, dass in der öffentlichen Diskussion die Kritiker eines angeblich ausufernden Niedriglohnsektors und Befürworter der Einschränkung flexibler, als prekär diffamierter Beschäftigungsverhältnisse an Zuspruch gewinnen. Bei dieser Diskussion wird geflissentlich unterschlagen, dass der verhängnisvolle Trend des jahrzehntelangen Anstiegs der Sockelarbeitslosigkeit nur durch mehr Flexibilität und damit zusätzliche Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt gerade für Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte gebrochen werden konnte. Dieser Erfolg kann zugunsten eines weiteren deutlichen Abbaus der Langzeitarbeitslosigkeit nur fortgesetzt werden, wenn für die mehr als 50 % Arbeitslosen in der staatlichen Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II, die keine Berufsausbildung besitzen und zu einem Drittel noch nicht einmal einen Schulabschluss erlangt haben, weiterhin einfache Beschäftigungsmöglichkeiten für einen Einstieg in den Arbeitsmarkt bereitstehen. Wer dies etwa über Mindestlöhne, die die Erträge einfacher, nur wenig produktiver Arbeitsplätze übersteigen, verhindert, verbaut vielen Menschen regelrecht den Ausweg aus der Arbeitslosigkeit.
Arbeitsmarkt: weitere Erholung, aber gebremste Dynamik Der Aufschwung am Arbeitsmarkt nach der tiefen internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich 2011 im zweiten Jahr in Folge fortgesetzt. Im Zuge der guten konjunkturellen Entwicklung sank die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahr um zuletzt rd. 200.000 auf nur noch 2,7 Mio. (November) und damit auf den niedrigsten Stand seit 1991. Auch im Jahresschnitt wird die Zahl der Arbeitslosen voraussichtlich unter der 3-Mio.-Marke bleiben. Die Gesamtentwicklung am Arbeitsmarkt profitierte vor allem davon, dass die Unternehmen zahlreiche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze neu geschaffen haben: Im Vergleich zum Vorjahr legte die Beschäftigung um rd. 700.000 zu und lag zuletzt bei 28,9 Mio. Mit insgesamt voraussichtlich über 41 Mio. Erwerbstätigen im Jahresschnitt 2011 wäre ein neuer Rekordwert nach der deutschen Wiedervereinigung erreicht. Allerdings verlor mit der konjunkturellen Eintrübung in der zweiten Jahreshälfte auch der seit Ende 2009
anhaltende Boom am Arbeitsmarkt insgesamt an Schwung. Dies zeigt u. a. die Entwicklung der Beschäftigungsdynamik in der Z eitarbeitsbranche, die als ein gewisser Frühindikator für die gesamte Beschäftigungsentwicklung gelten kann und die sich im Jahresverlauf 2011 merklich abgeschwächt hat: Im September legte die Beschäftigung in der Zeitarbeit im Vergleich zum Vorjahresmonat nur noch um rd. 10 % zu – Mitte 2010 lag das Wachstum noch bei 33 %. In wichtigen Branchen wie dem verarbeitenden Gewerbe oder dem Gesundheits- und Sozialwesen entstanden binnen Jahresfrist jeweils deutlich mehr als 100.000 neue Arbeitsplätze. Das Beispiel der Metall- und Elektroindustrie belegt, dass die Möglichkeiten der Unternehmen, auf einen ausgewogenen Beschäftigungsmix zu setzen, den zügigen Beschäftigungsaufbau nach der großen Wirtschafts- und Finanzkrise
2008/2009 entscheidend mit ermöglicht haben: Hier sind von Mitte 2010 bis Mitte 2011 insgesamt 127.000 neue Stammarbeitsplätze entstanden. Gleichzeitig wurden 25.000 Zeitarbeitnehmer neu eingestellt. Nach wie vor bestehen allerdings große strukturelle Herausforderungen für den weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit: Vom Aufschwung haben bisher vor allem leicht zu vermittelnde Arbeitslose mit guter Qualifikation profitiert. Der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit und der Beschäftigungslosigkeit gering Qualifizierter kommt hingegen weiter nur schleppend voran: So ist die Zahl der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB III, also der Bezieher von Arbeitslosengeld I, auch 2011 bedeutend schneller und kräftiger zurückgegangen als die der Empfänger der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II. Der „harte Kern“ unter den Arbeitslosen wird somit immer deutlicher sichtbar.
Trend der steigenden Sockelarbeitslosigkeit endlich umgekehrt
Zahl der Arbeitslosen in Mio. 5
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Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2011
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Der Anteil der Arbeitslosen ohne abgeschlossene Ausbildung stieg nach Erkenntnissen der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf 44 %. Unter den Arbeitslosengeld-II-Beziehern sind inzwischen sogar 52 % gering qualifiziert (Daten für November 2011), jeder Dritte davon hat sogar nicht einmal einen Schulabschluss. Trotz der gegen Ende des Jahres nachlassenden Dynamik am Arbeitsmarkt und des bereits kräftigen Beschäftigungsaufbaus gegenüber dem Vorjahr fragten die Unternehmen weiterhin in großer Zahl Arbeitskräfte nach. Nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gab es in den ersten neun Monaten des Jahres knapp 1 Mio. offene Stellen – fast ein Drittel mehr als im Vorjahr. Viele Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte, können sie aber oft nicht schnell genug finden.
Im nächsten Jahr wird sich die Erholung am Arbeitsmarkt wohl nur noch auf niedrigem Niveau fortsetzen können: Die Bundesregierung rechnet in ihrer Herbstprognose für 2012 mit durchschnittlich 2,85 Mio. Arbeitslosen.
Fachkräftesicherung: erste richtige Schritte Die bereits im letzten Jahr spürbaren Probleme vieler Unternehmen, offene Stellen vor allem für qualifizierte Fachkräfte zügig zu besetzen, haben 2011 weiter zugenommen. Allein im MINTBereich fehlten im Herbst 2011 (Stand Oktober) 167.000 Fachkräfte (IW Köln), darunter vor allem Ingenieure. Die Fachkräfteengpässe in Deutschland haben sich inzwischen weit über den MINTBereich ausgedehnt. Weil offene Stellen regional
Deutschland bei Langzeitarbeitslosigkeit weit abgeschlagen Anteil Langzeitarbeitsloser (länger als zwölf Monate arbeitslos) an allen Arbeitslosen
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Werte für 2010 Quelle: OECD, 2011
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ungleich verteilt und nicht alle Arbeitslosen uneingeschränkt mobil sind, sind nach Erkenntnissen des IW Köln Fachkräfteengpässe vor allem dort spürbar, wo im bundesweiten Durchschnitt auf eine offene Stelle weniger als 2,3 Arbeitslose kommen. Im Herbst 2011 traf dies laut BAStatistik bereits für rd. 50 Berufe zu. Dabei fehlte es nicht nur an Akademikern wie Ingenieuren oder Ärzten, sondern – insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie – vielerorts auch an Facharbeitern, wie z. B. Elektroinstallateuren und -monteuren, Maschinenbautechnikern, Malern und Lackierern oder Speditionskaufleuten. Deutlich werden die wachsenden Fachkräfteengpässe zudem an überlangen Vakanzzeiten bei offenen Stellen: Besonders lange unbesetzt blieben 2011 nach Erkenntnissen der BA Stellen bei Elektroberufen, technisch-naturwissenschaftlichen Berufen sowie Gesundheitsdienstberufen. Die von der BDA maßgeblich initiierte Diskussion über geeignete Lösungsansätze zur Verringerung wachstumsschädlicher Fachkräfteengpässe hat im Jahr 2011 spürbar an Schwung gewonnen. Obgleich das von der Wirtschaft angemahnte strategische Gesamtkonzept für eine kurzund längerfristige Fachkräftesicherung – für das die BDA 2010 umfangreiche Vorschläge vorgelegt hatte – nach wie vor fehlt, wurden auf Drängen der Wirtschaft weitere richtige Weichenstellungen auf den Weg gebracht. Beim sog. Fachkräftegipfel in Meseberg am 22. Juni 2011, der von Bundeskanzlerin Dr. Merkel geleitet wurde und an dem neben Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt auch andere führende Vertreter der Wirtschafts- und Sozialpartner und der Wissenschaft teilgenommen haben, hat die Bundesregierung ihre Überlegungen zur Fachkräftesicherung vorgestellt und eine gemeinsame Erklärung mit Wirtschaft und Gewerkschaften verabschiedet. Die Bundesregierung hat sich darin erfreulicherweise dazu bekannt, nicht nur inländische Potenziale besser erschließen zu wollen, sondern auch die Rahmenbedingungen für die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte fortzuentwickeln. Die bürokratische Einzelfall-Vorrangprüfung für die Zuwanderung von Maschinen-, Fahrzeugbau- und Elektroingenieuren wurde nach der Verabschiedung des Fachkräftekonzepts der Bundesregierung umgehend ausgesetzt, wie dies die BDA empfohlen hatte. Außerdem wurde – eine weitere langjährige
Forderung der BDA – vereinbart, ausländischen Absolventen deutscher Hochschulen künftig „eine dauerhafte, rechtlich abgesicherte Perspektive am deutschen Arbeitsmarkt zu bieten“. Anfang Dezember hat die Koalition im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Umsetzung der EU-Hochqualifiziertenrichtlinie (sog. Blue Card) weitere wichtige Änderungen im Zuwanderungsrecht beschlossen. Darüber hinaus hat Anfang 2011 die von der Bundesregierung eingerichtete „Arbeitskräfte allianz“, an der auch die BDA mitwirkt, ihre Arbeit aufgenommen. Die BDA unterstützt nachdrücklich das richtige Ziel von Bundesarbeitsministerin Dr. von der Leyen, im Rahmen der Allianz regionale Netzwerkstrukturen zur Fachkräftesicherung zu stärken und den Austausch von Beispielen guter Praxis zu erleichtern. Dazu sollte vor allem auch der Arbeitsmarktmonitor der BA genutzt werden. Die BDA setzt sich in der „Arbeitskräfteallianz“ und in Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern dafür ein, dass in der gemeinsamen Erklärung mit den Sozialpartnern beim diesjährigen Fachkräftegipfel identifizierte richtige Handlungsansätze in weitere, konkrete Maßnahmen zur Fachkräftesicherung umgesetzt werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Fachkräftesicherung“
Arbeitsmarktpolitik: weitere rich tige Weichenstellungen für mehr Wirkung und Wirtschaftlichkeit Mit dem 2011 auf den Weg gebrachten „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ hat die Bundesregierung die von der BDA seit langem geforderte umfassende Straffung und Vereinfachung der arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente fortgesetzt. Um die für die Integration Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt notwendige individuelle und flexible Unterstützung gewähren zu können, bedarf es vor allem größerer Entscheidungsspielräume hinsichtlich des Einsatzes der Förderinstrumente vor Ort und einer Vereinfachung des arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkastens.
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Mit der Abschaffung der arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiven Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im SGB III, der Zusammenfassung der Eingliederungszuschüsse sowie einer zielgenaueren Existenzgründungsförderung waren bereits im Referentenentwurf wichtige Forderungen der BDA enthalten. Im Kabinettsbeschluss Ende Mai konnte erreicht werden, dass die erfolgreiche „Einstiegsqualifizierung“ als betrieblich verankertes Instrument zur praxisnahen Vorbereitung Jugendlicher auf eine berufliche Ausbildung bestehen bleibt. Weitere wesentliche Fortschritte für einen flexibleren Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente konnten im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens bewirkt werden: Dies betrifft zum einen die Höchstdauer von Aktivierungsmaßnahmen bei Arbeitgebern, die von bisher vier auf sechs Wochen bzw. für besondere Langzeitarbeitslose und Jugendliche unter 25 Jahren im SGB II sogar auf bis zu zwölf Wochen verlängert wurde. Zum anderen wurden die zeitlichen Obergrenzen betrieblicher Praktikumsbzw. Ausbildungszeiten bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und bei außerbetrieblicher Berufsausbildung zugunsten einer flexiblen, praxisnahen Ausgestaltung aufgehoben. Leider enthält das Gesetz aber auch wieder neue gravierende Konstruktionsfehler: Die völlige Entfristung der Weiterbildungsförderung älterer Beschäftigter in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist eine grundlegende Fehlentwicklung. Hierdurch wird die Weiterbildung für weite Teile der Belegschaften und damit eine Kernaufgabe von Betrieben und Beschäftigten der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung als Standardaufgabe aufgelastet. Dies ist umso problematischer, als die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte in KMU – in denen über 60 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland arbeiten – auf alle Arbeitnehmer, auch alle unter 45 Jahren, uferlos erweitert wird. Es ist zu befürchten, dass statt der beabsichtigten Anschubfinanzierung letztlich in der Arbeitslosenversicherung zu Lasten der Lohnnebenkosten ein „Fass ohne Boden“ entsteht. Nicht nachvollziehbar ist auch, dass in Zeiten des demografischen Wandels und wachsender Fachkräfteengpässe im SGB II an der Förderung längerfristig angelegter, als sozialversicherungs-
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pflichtige Arbeitsverhältnisse ausgestalteter, öffentlich geförderter Beschäftigung festgehalten wird. Ziel muss es vielmehr sein, Arbeitslose durch eine umfassende Vermittlungs-, Qualifizierungs- und Betreuungsoffensive in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Rahmen einer konsistenten Strategie des „Förderns und Forderns“ können lediglich Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante (Ein-Euro-Jobs) als Instrument zur Aktivierung in begrenztem Umfang einen Beitrag leisten, um Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Es ist richtig und notwendig, dass das „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ hierfür als weitere Voraussetzung nun ausdrücklich auch Wettbewerbsneutralität verlangt. Um bei öffentlich geförderten Arbeitsgelegenheiten eine kontraproduktive Verdrängung regulärer Arbeitsplätze zu verhindern, müssen aber zusätzlich regional besetzte Beiräte aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern mit einem Vetorecht ausgestattet werden. Hierfür setzt sich die BDA gemeinsam mit den Gewerkschaften seit langem ein. Mit Nachdruck hat die BDA zudem dafür geworben, im Zuge der Instrumentenreform Vorkehrungen zu treffen, damit die in der Krise bewährten Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld (sog. Kurzarbeitergeld plus), die bereits Ende 2011 wegfallen sollen, in Notsituationen kurzfristig wieder in Kraft gesetzt werden können. Nachdem der Bundesrat im Oktober 2011 den Vermittlungsausschuss zur Arbeitsmarktinstrumentenreform angerufen hatte, hat Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt angesichts der fortbestehenden Risiken an den Finanzmärkten und für die Realwirtschaft gegenüber dem Vermittlungsausschuss, den Ministerpräsidenten der Länder und den Partei- und Fraktionsvorsitzenden noch einmal für eine entsprechende gesetzliche Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung geworben. Leider wurde dies im Rahmen des Vermittlungsverfahrens nicht aufgegriffen. Allerdings würdigten die Kanzlerin und der Bundeswirtschaftsminister auf dem Deutschen Arbeitgebertag die Kurzarbeit als wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Krise und sagten ausdrücklich eine erneute kurzfristige Einführung der auslaufenden Kurzarbeitsregelungen zu, wenn dies wieder erforderlich werde.
Verschiebebahnhöfe bedrohen solide Finanzierung der Arbeits losenversicherung Die BDA hat immer wieder betont, dass die von der Bundesregierung bei ihrer Haushaltsklausur Mitte 2010 in Meseberg zu Recht beschlossenen weiteren strukturellen Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung durch eine fortschreitende Verbesserung von Aktivierung und Förderung erarbeitet werden müssen. Es müssen aber nicht nur Einsparpotenziale in der aktiven Arbeitsförderung erschlossen, sondern endlich auch die vielfältigen Verschiebebahnhöfe zu Lasten der Beitragszahler geschlossen und drängende Strukturreformen beim Arbeitslosengeld angegangen werden, wie
sie die BDA seit langem einfordert. Leider hat die Regierungskoalition Letzteres bei der Instrumentenreform sogar ausdrücklich ausgeschlossen und zudem im Jahr 2011 schwerwiegende Entscheidungen getroffen, die die Einnahmebasis der BA erheblich schmälern und angesichts sich eintrübender Konjunkturaussichten eine solide Finanzierung der Arbeitslosenversicherung gefährden. Dies gilt vor allem für die im Vermittlungsverfahren zur Neubemessung der Regelsätze im SGB II und SGB XII getroffene Entscheidung, die Mittel, die die BA aus der letzten Mehrwertsteuererhöhung zur dauerhaft stärkeren Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags jährlich als faktisch durchlaufenden Posten erhält, um bis zu 4 Mrd. € zu kürzen. Damit wird die 2007 ausdrücklich auch zu diesem Zweck erhöhte
Organisationsreform der Bundesagentur für Arbeit: bessere Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen Mitte 2011 hat der BA-Vorstand Vorschläge zur Anpassung der Strukturen der Arbeitsverwaltung an die veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt und geänderte kommunale Strukturen vorgelegt. Dabei ging es vor allem um eine Anpassung der Arbeitsagenturbezirke an die Grenzen der Landkreise und kreisfreien Städte sowie die Bildung sog. operativer Services, in denen bestimmte (kundenferne) Dienstleistungen der Arbeitsagenturen unter Führung der Regionaldirektionen zusammengefasst werden sollen. Außerdem wurde erwogen, die Zahl der Regionaldirektionen von aktuell zehn auf 16 am Sitz der jeweiligen Landesregierungen auszuweiten. Die BDA hat gemeinsam mit den anderen Arbeitgebervertretern im BA-Verwaltungsrat die geplante Anpassung der Arbeitsagenturbezirke, die vor allem die Zusammenarbeit mit kommunalen Einrichtungen und Trägern der Grundsicherung erleichtern und sukzessive umgesetzt werden soll, ebenso unterstützt wie die Bildung der operativen Services. Um sicherzustellen, dass dabei die Besonderheiten und Erfordernisse vor Ort und gewachsene wirtschaftliche Strukturen bestmöglich berücksichtigt werden, hat die BDA darauf gedrungen, dass die Selbstverwalter in den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsagenturen vor Ort eng in die Entscheidungsfindung im Einzelfall eingebunden werden. Hinsichtlich der Regionaldirektionen ist es das richtige Ziel, die Zusammenarbeit mit allen 16 Bundesländern zu verstärken. Dafür ist aber kein Zuwachs der Regionaldirektionen notwendig, mit dem letztlich auch ein unnötiger Personalaufwuchs drohen würde. Am 23. September 2011 hat der Verwaltungsrat beschlossen, die Zusammenarbeit zwischen der BA und den Bundesländern durch geeignete Maßnahmen zu verbessern. Die Zahl der Regionaldirektionen wird zumindest bis Ende 2013 bei zehn belassen. Die Regionaldirektionen werden zudem Beiräte auf Ebene der Bundesländer einrichten, die mit Vertretern der Sozialpartner besetzt werden. Der BA-Vorstand wird Ende 2013 dem Verwaltungsrat Bericht erstatten und ggf. weiterführende Vorschläge zur Organisation der Regionaldirektionen unterbreiten.
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Mehrwertsteuer in gleicher Höhe ab 2012 zu Lasten der Beitragszahler missbraucht, um eine vom Bund gegenüber den Ländern eingegangene Verpflichtung zu erfüllen. Ebenfalls eine sachwidrige Lastenverschiebung ist, dass sich der Bund zu Lasten der Sozialversicherung seiner Finanzierungsverantwortung für die rentenrechtliche Absicherung von behinderten Menschen in Werkstätten entledigt. Zumindest konnte erreicht werden, dass diese entgegen den ursprünglichen Plänen des Bundesarbeitsministeriums nicht auch noch rückwirkend vorgenommen wird, sondern die Arbeitslosenversicherung entsprechend dem höchstinstanzlich gewonnenen Gerichtsverfahren vom Bund bereits gezahlte Beiträge zurückerstattet bekommt. Darüber hinaus setzt sich die BDA weiterhin dafür ein, dass der sog. Eingliederungsbeitrag zugunsten der staatlichen Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II, mit dem jährlich 4–5 Mrd. € aus der Arbeitslosenversicherung in den Bundeshaushalt umgeleitet werden, ersatzlos gestrichen wird.
Starkes Engagement der Wirtschaft für mehr Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit Im Jahr 2011 jährte sich die Unterzeichnung der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ zum zehnten Mal. Die Bilanz belegt das hohe, weiter wachsende Engagement der Unternehmen, um die Fachkräftepotenziale gerade auch von Frauen noch stärker zu erschließen. Sie zeigt zudem, dass die Wirtschaft ausnahmslos alle von ihr gegebenen Zusagen in der Vereinbarung eingehalten hat. Fast alle Unternehmen bieten laut Unternehmensmonitor 2010 heute ihren Mitarbeitern familienfreundliche Angebote. Frauen erreichen immer bessere und höhere Bildungsabschlüsse und mehr als 66 % aller Frauen im erwerbsfähigen Alter üben heute einen Beruf aus (Euro stat, 2011). Auch der Frauenanteil in Führungspositionen, Aufsichtsräten und Vorständen nimmt kontinuierlich zu: In den 200 größten Unternehmen Deutschlands ist der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten von 9,8 % im Jahr 2009 auf 10,6 %
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im Jahr 2010 gestiegen (DIW, 2011). Bei den diesjährigen 25 Neubesetzungen in Dax-30-Unternehmen wurden auf der Kapitalseite 40 % Frauen in die Aufsichtsräte gewählt. Unternehmen setzen sich immer häufiger selbstverpflichtende Ziele für mehr Frauen in der Belegschaft und in Führungspositionen. Die BDA lehnt daher Vorschläge für starre gesetzliche Pflichtquoten für Vorstände und Aufsichtsräte nachdrücklich als überflüssig und kontraproduktiv ab. Um das große Fachkräftepotenzial von Frauen noch besser zu entfalten, müssen die Ursachen für den noch immer zu geringen Anteil in Führungspositionen und geschlechtsspezifische Lohnunterschiede angegangen werden. Flexible und familienbewusste Arbeitszeiten und andere Maßnahmen zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf können hierbei einen Beitrag leisten, indem sie gerade auch mehr Frauen mit Familienpflichten eine zumindest vollzeitnahe Beschäftigung ermöglichen. Die Präsidenten von BDA, DIHK und ZDH haben gemeinsam mit dem DGB und Bundesfamilienministerin Dr. Schröder am 4. Februar 2011 die Charta „Innovative Partnerschaft für familienbewusste Arbeitszeiten: Zeit für Verantwortung“ unterzeichnet. Hiermit soll für flexible, familienbewusste Arbeitszeiten und innovative Arbeitszeitmodelle in Form von Gleitzeit, Teilzeit, Telearbeit sowie für weitere flexible Gestaltungsmöglichkeiten geworben werden. Darüber hinaus startete Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Dr. Schröder am 12. Oktober 2011 zum dritten Mal den Unternehmenswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie“. Doch auch die Politik bleibt gefragt. Vor allem der beschlossene Ausbau der Kinderbetreuung ist unverzichtbar, um das betriebliche Engagement zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirksam zu flankieren. In die falsche Richtung geht vor diesem Hintergrund der Beschluss der Koalitionsspitzen, ein sog. Betreuungsgeld einzuführen, das Eltern erhalten sollen, die ihre Kinder im zweiten oder im dritten Lebensjahr zu Hause betreuen. Dabei widerspricht das Betreuungsgeld nicht nur dem Ziel, Kindern aus bildungsfernen und einkommensschwachen Haushalten eine frühkindliche Förderung zu ermöglichen, sondern auch den Zielen der Bundesregierung, die
Ausbau der Kinderbetreuung: Nachholbedarf vor allem in Westdeutschland Kinder im Alter von unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege 2010 (in % an der altersgleichen Bevölkerung)
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Tagespflege Einrichtungen Quellen: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe; Berechnungen der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
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Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, den beruflichen Wiedereinstieg zu erleichtern und den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Längere berufliche Auszeiten verschlechtern die Karriere- und Einkommenschancen der Eltern. Statt ein Betreuungsgeld einzuführen, sollten die Mittel besser in den dringend erforderlichen quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung investiert werden. Nähere Informationen unter www.arbeit geber.de > kompakt > „Chancengleichheit von Frauen und Männern“ sowie argumente > „Frauen in Führungspositionen“
Behindertenrechtskonvention: Bewusstseinswandel voranbringen Mit den wachsenden Fachkräftelücken am Arbeitsmarkt steigen die Beschäftigungschancen auch für schwerbehinderte Menschen. Die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, zuletzt im Jahr 2009 (letzte verfügbare Zahlen der BA) auf über 1 Mio. Dieser erfreulichen Entwicklung wird in der politischen Diskussion über die Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen oft zu wenig Beachtung geschenkt, weil die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen auch im konjunkturellen Aufschwung im Gegensatz zur Arbeitslosigkeit insgesamt auf den ersten Blick 2011 nicht gesunken, sondern sogar noch gestiegen ist. Eine genauere Analyse offenbart jedoch, dass sich hierin die veränderte statistische Erfassung von über 58-jährigen Arbeitslosen niederschlägt, die bis 1. Januar 2008 aufgrund vorruhestandsähnlicher Sondervorschriften nicht als Arbeitslose erfasst worden sind. Während die Zahl arbeitsloser schwerbehinderter Menschen über 58 Jahre infolge der Änderungen bei der Erfassung Arbeitsloser zuletzt rd. 360 % höher lag als 2007, ist die Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter unter 58 Jahren im gleichen Zeitraum (November 2007 bis November 2011) um ein Sechstel deutlich gesunken. Im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Bundesregierung ihre Vorstellungen und die aus ihrer Sicht notwendigen Maßnahmen zur Erreichung
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einer inklusiven Gesellschaft dargelegt. Die Verbesserung der Situation behinderter Menschen insgesamt und deren Inklusion in den allgemeinen Arbeitsmarkt sind aber selbstverständliche sozialund arbeitsmarktpolitische Daueraufgaben, die, unabhängig von der Behindertenrechtskonvention, von allen beteiligten Akteuren in Deutschland äußerst ernst genommen wurden und werden. Behindertenrechtskonvention und Aktionsplan können als zusätzliche Impulse für noch mehr Anstrengungen verstanden werden. Wie auch die Bundesregierung zu Recht festgestellt hat, „entspricht das deutsche Recht grundsätzlich den Anforderungen der Behindertenrechtskonvention“, so dass sich hieraus kein Bedarf an zusätzlicher gesetzlicher Regulierung ergibt. Insbesondere bei der angekündigten Überprüfung des SGB IX muss daher eine weitere Bürokratisierung im Schwerbehindertenrecht vermieden und auch die z. T. bestehende Überregulierung kritisch überprüft werden. Entscheidend ist ein Bewusstseinswandel, dass „behindert“ nicht automatisch „leistungsgemindert“ bedeutet. Die BDA unterstützt daher aktiv die im Aktionsplan in den Vordergrund gestellten richtigen Ansätze der Bewusstseinsbildung, des Abbaus von „Barrieren in den Köpfen“ sowie der Information, Aufklärung und zielgerichteten professionellen Unterstützung – in der Gesellschaft insgesamt, aber auch bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Außerdem wird die BDA ihre Vorstellungen für mehr Inklusion gerade in den wesentlichen Bereichen Schule, Hochschule und Ausbildung weiterhin aktiv einbringen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Berufliche Rehabilitation
Richtige Erleichterungen im Zu wanderungsrecht zügig umsetzen Die BDA hat seit langem betont, dass allein wegen der demografischen Entwicklung die qualifizierte Zuwanderung und die Etablierung einer echten Willkommenskultur als integrale Bestandteile einer Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung verstanden werden müssen. Dazu müssen alle ihren Beitrag leisten: Behörden, Politik, Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes. Die
Regierungskoalition ist erfreulicherweise zentralen Empfehlungen der Wirtschaft gefolgt und hat mit den Beschlüssen zum Fachkräftegipfel in Meseberg (siehe oben) und den Anfang Dezember im Bundeskabinett beschlossenen Änderungen im Zuwanderungsrecht wichtige Weichenstellungen für eine stärker an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts orientierte Zuwanderung vorgenommen. Dazu zählen
Erteilung automatisch erlöschen soll. Bei Hochqualifizierten sind die in einer solchen Regelung zum Ausdruck kommenden politischen Bedenken einer „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ unbegründet.
die Absenkung der Gehaltsgrenze für die Niederlassungserlaubnis von derzeit 66.000 € Bruttojahresgehalt auf 48.000 €. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass die Niederlassungserlaubnis im Falle eines – auch unverschuldeten – Sozialleistungsbezugs innerhalb der ersten drei Jahre nach
die Umsetzung der Hochqualifiziertenrichtlinie (EU Blue Card). Besonders positiv zu bewerten ist, dass die Bundesregierung die in der Richtlinie vorhandenen Gestaltungsspielräume zugunsten einer erleichterten Zuwanderung Hochqualifizierter nutzt und z. B. die Gehaltsgrenzen mit 44.000 € Bruttojahresgehalt für die „reguläre“ blaue Karte bzw. 33.000 € in Mangelberufen nicht höher ansetzt als von der Richtlinie vorgegeben. Auch der Verzicht auf die Einführung
Deutschland verpasst Hochqualifizierte Staatsan gehörigkeit
2005 eingereist
2006 eingereist
2007 eingereist
2008 eingereist
2009 eingereist
2010 eingereist
Vereinigte Staaten
23
45
82
71
73
69
Indien
3
3
2
10
21
17
Russische Föderation
6
1
7
13
6
15
China
5
0
5
5
1
13
Türkei
3
3
3
5
5
12
Australien
5
2
5
7
9
11
Sonstige Staatsangehörigkeiten
26
26
47
46
54
82
Insgesamt
71
80
151
157
169
219
Neu zugewanderte Hochqualifzierte, denen eine Niederlassungserlaubnis (Daueraufenthaltsrecht) nach § 19 AufenthG erteilt wurde Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2011
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Bessere Nutzung inländischer Potenziale und Erleichterung qualifizierter Zuwanderung gleichzeitig angehen
Inländische Potenziale besser nutzen
Zuwanderung von Fachkräften erleichtern
Erhöhung der Erwerbsbeteiligung insbesondere von:
Vorrangprüfung für Mangelberufe gänzlich abschaffen
Älteren
Einkommensgrenze für Niederlassungs erlaubnis senken
Frauen
„Blanket Petition“ einführen
Menschen mit Migrationshintergrund
Ausländischen Absolventen deutscher Hochschulen Dauerperspektive bieten
Menschen mit Behinderung
Zuwanderungssteuerung über Punktesystem
Fachkräftesicherung
Quelle: BDA, 2011
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Beschäftigung
einer Vorrangprüfung und der unbeschränkte Arbeitsmarktzugang für Ehepartner sind zu begrüßen.
weitere Erleichterungen für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen und Fachkräfte mit deutscher Berufsausbildung. Mit dem zukünftig unbeschränkten Arbeitsmarktzugang für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen während der maximal (einjährigen) Suchphase nach einem „angemessenen“ Arbeitsplatz in Deutschland und vor allem den erleichterten Möglichkeiten für den Erhalt einer dauerhaften Niederlassungserlaubnis wird zumindest eine wesentlich verbesserte Perspektive auf einen Daueraufenthalt geschaffen. Erfreulich ist auch, dass Ausländer mit in Deutschland abgeschlossener Berufsausbildung künftig ohne Vorrangprüfung einen Aufenthaltstitel für eine der beruflichen Qualifikation entsprechende Beschäftigung erhalten können sollen. die Erleichterungen für die Zuwanderung rumänischer und bulgarischer Fachkräfte zum 1. Januar 2012 durch den Verzicht auf die Arbeitserlaubnispflicht für Fachkräfte mit Hochschulabschluss und Saisonbeschäftigte sowie Personen, die eine betriebliche Ausbildung in Deutschland aufnehmen. Auch die BDA hatte sich gegen eine umfassende Verlängerung der Übergangsfristen für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Rumänien und Bulgarien über 2011 hinaus ausgesprochen.
Diese wichtigen Erleichterungen für die Zuwanderung dringend benötigter Fachkräfte müssen nun zügig und unbürokratisch umgesetzt werden. Dabei kommt es entscheidend darauf an, den neuen Geist einer echten Willkommens- anstelle einer Abschottungskultur noch stärker auch in die für die Umsetzung zuständigen Behörden zu tragen. Darüber hinaus müssen weitere Schritte für ein in sich schlüssiges Gesamtkonzept für eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung auf den Weg gebracht werden. Insbesondere die Einführung einer „Blanket Petition“ zur Vereinfachung des grenzüberschreitenden Personalaustauschs innerhalb multinationaler Unternehmen bleibt ein
dringliches Anliegen der Wirtschaft. Auch können die jetzt von der Regierungskoalition vereinbarten richtigen Reformen im Zuwanderungsrecht die Einführung eines „Punktesystems“ zur auch mittel- bis langfristigen qualifikations- und arbeitsmarktorientierten Steuerung der Zuwanderung nicht ersetzen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Zuwanderung“
Wirtschaft engagiert sich für bes sere Integration von Migranten Die Verbesserung der Integration bereits in Deutschland lebender Menschen mit Migrationshintergrund in Arbeitsmarkt und Gesellschaft ist nicht nur eine dringende gesellschaftspolitische Aufgabe, sondern eine weitere zentrale Stellschraube zur Fachkräftesicherung. Im Gegensatz zu Ländern wie Kanada oder Australien, die frühzeitig darauf gesetzt haben, gezielt gerade auch qualifizierte Zuwanderer zu gewinnen, steht Deutschland vor der Herausforderung, insbesondere eine Vielzahl an Migranten mit nur geringer Qualifikation in Arbeit und Gesellschaft erfolgreich zu integrieren. Hier ist vor allem die Bildungspolitik gefordert. Dies gilt umso mehr, als auch in der zweiten und dritten Zuwanderergeneration häufig gravierende Sprachhemmnisse und Bildungsdefizite bestehen. Aber auch die Wirtschaft ist gefordert. Bereits 2007 hat sich die BDA im Nationalen Integrationsplan (NIP) daher dazu verpflichtet, den Integrationsprozess mit anderen wichtigen gesellschaftlichen Akteuren weiter voranzutreiben, und konnte das schon jetzt breite Engagement der deutschen Arbeitgeber in vielfältigen Initiativen und Projekten dokumentieren. Im Folgeprozess hat die BDA 2011 ebenfalls intensiv an der Weiterentwicklung des NIP zu einem Nationalen Aktionsplan (NAP) mitgewirkt. Dabei wurden in den NAP-Dialogforen „Bildung, Ausbildung und Weiterbildung“ sowie „Arbeitsmarkt und Erwerbsleben“ Schwerpunkte gesetzt mit dem Ziel, die Beschäftigungs- und Erwerbschancen sowie die Qualifikation von Menschen mit Migrationshintergrund weiter zu verbessern. Wesentliches Themenfeld z. B. im
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Bereich „Arbeitsmarkt und Erwerbsleben“ war neben weiteren Ansatzpunkten für die bessere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Arbeit und Gesellschaft auch die Sicherung der Fachkräftebasis durch eine stärker an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts orientierte Zuwanderung. Die vielen positiven Beispiele aus der betrieblichen Praxis zeigen deutlich, dass das Wissen um den Nutzen kultureller Vielfalt in den Unternehmen zunehmend verankert ist. Die mittlerweile über 1.100 Unterzeichner der Unternehmensinitiative „Charta der Vielfalt“ aus Wirtschaft
und öffentlichen Institutionen sprechen eine deutliche Sprache. Nicht zuletzt engagiert sich die BDA seit Frühjahr 2011 im neu gegründeten Bundesbeirat für Integration bei der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Der Beirat und die dazugehörige Arbeitsgruppe, die sich den Themen „Zuwanderung“ und „Integration“ widmet, werden die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Prof. Dr. Böhmer, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beraten und unterstützen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Integration durch Bildung“
Anerkennungsgesetz zügig umsetzen Viel zu oft können die Potenziale in Deutschland lebender Menschen mit Migrationshintergrund nicht optimal erkannt und erschlossen werden, weil ein schlüssiges Verfahren fehlt, um im Ausland erworbene Qualifikationen transparent zu machen. Nach langjährigen politischen Diskussionen hat der Bundestag am 29. September 2011 das längst überfällige „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen“ beschlossen. Die lange Zeit unklare Zustimmung des Bundesrats ist am 4. November erfolgt. Das Gesetz sieht erstmals einen umfassenden Anspruch auf ein Bewertungsverfahren vor. Dieser bezieht sich allerdings nur auf bundesrechtlich geregelte Berufe. Um auch in allen übrigen Berufen entsprechende Verfahren zu gewährleisten, müssen die Länder vergleichbare Gesetze beschließen. Die BDA hatte sich nachdrücklich für ein Gesetz eingesetzt und fordert eine zügige Umsetzung. Aus Sicht der Arbeitgeber ist zentral, dass Unterschiede in der Ausbildung durch einschlägige Berufserfahrung ausgeglichen werden können. Trotz einer abweichenden formalen Qualifikation kann der Inhaber der ausländischen Qualifikation aufgrund seiner beruflichen Erfahrung die vermeintlich fehlenden Kompetenzen bereits erworben haben. Wichtig ist zudem, dass nicht nur die Unterschiede, sondern auch die vorhandenen Berufsqualifikationen dokumentiert werden. Nicht berücksichtigt im Gesetz sind das Erfordernis der sprachlichen Kompetenz als zentrales Instrument der Berufsfähigkeit sowie Regelungen zur Beratung. Aufgrund der weiterhin zersplitterten Zuständigkeiten sind Informationsdienste jedoch unverzichtbar. Für viele Migranten ist die erste Hürde, die zuständige Stelle ausfindig zu machen. Auch die Finanzierung der zukünftigen Anerkennungsverfahren ist bislang nicht ausreichend geklärt.
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Beschäftigung
Betriebliche Personalpolitik: ISOVorhaben gefährdet Handlungs spielräume der Unternehmen Auf Initiative der US-amerikanischen Society of Human Resource Management und mit Unterstützung des dortigen Normierungsinstituts ANSI wurde im Frühjahr 2011 bei der International Organization for Standardization (ISO) das Normierungsvorhaben „Human Resource Management“ ins Leben gerufen, das sich auf sämtliche Bereiche des Personalmanagements erstrecken soll und international einheitliche Standards etablieren möchte.
Die BDA hat frühzeitig hiergegen interveniert und insbesondere kritisiert, dass mit dem aktuellen Vorhaben der ISO erneut ein nichttechnisches und für eine Normung ungeeignetes Themengebiet bearbeitet wird. Zudem droht eine arbeitsrechtliche Koregulierung auf nationaler wie internationaler Ebene. Denn der amerikanische Vorschlag basiert auf den dortigen Rahmenbedingungen und könnte nicht zuletzt auch die in Deutschland von den Sozialpartnern als sinnvoll erachteten Vereinbarungen gefährden. Ebenso besteht auch die Gefahr, dass sich deutsche Unternehmen, die auf dem amerikanischen Markt aktiv werden wollen oder es bereits sind,
Leitfaden für Praktika in der Wirtschaft sichert hohe Qualität für Praktikanten und Unternehmen Fünf Jahre nach ihrer ersten Studie zum Mythos „Generation Praktikum“ hat die HIS Hochschul- Informations-System GmbH die insgesamt gute Situation von Praktikanten mit Hochschulabschluss im Juni 2011 nochmals bestätigt. Die ganz überwiegende Mehrheit der Befragten bereut es daher im Rückblick nicht, ein Praktikum nach dem Studium absolviert zu haben, und bewertet insbesondere dessen Lerngehalt mit guten und sehr guten Noten. Auch der Vorwurf, in der Wirtschaft würden viele Praktika nicht vergütet, hat sich erneut als unhaltbar erwiesen. Vielmehr gilt dies allerdings für die allgemeine öffentliche Verwaltung, wo nahezu 80 % der Praktika unbezahlt bleiben. Zudem stellt auch HIS fest, dass sich ein Bewusstsein für gute Praktika nicht gesetzlich verordnen lässt und Leitfäden für die Praxis der einzig sinnvolle Weg sind, Praktika in der Wirtschaft im Interesse der Praktikanten und der Arbeitgeber gleichermaßen sinnvoll zu gestalten. Die BDA hat daher in Zusammenarbeit mit Bundesarbeits- und Bundesbildungsministerium sowie den anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft einen gemeinsamen Leitfaden „Praktika – Nutzen für Praktikanten und Unternehmen“ erarbeitet, der im August 2011 veröffentlicht wurde. Der Leitfaden bietet einen praxisnahen und kompakten Überblick über personalpolitisch relevante Themen wie z. B. die Differenzierung von Praktika und Arbeitsverhältnissen, die Einordnung von Praktika nach dem Betriebsverfassungsrecht, Arbeitszeiten, mögliche Formen von Praktikumsverträgen und geht nicht zuletzt auch auf sozialversicherungsrechtliche Fragen ein. Der Leitfaden kann mit dazu beitragen, die hohe Qualität von Praktika in Unternehmen auch in Zukunft zu sichern. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Praktika in der Wirtschaft“
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Beschäftigung
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Standards auferlegen müssen, die ihr bisher sehr erfolgreiches Personalmanagement – das zeigt nicht zuletzt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft – empfindlich stören und somit die Marktposition gefährden können. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat die Kritik der BDA in wesentlichen Punkten aufgegriffen und in seiner Stellungnahme gegenüber der ISO ebenfalls gegen die neue Normierungsinitiative votiert, ist jedoch in einer Abstimmung mit anderen nationalen Instituten unterlegen. Das DIN hat daraufhin jüngst ein nationales Spiegelgremium eingerichtet, das sich aus Experten der Unternehmen, der Verbände und der Wissenschaft zusammensetzt. Aufgabe dieses Gremiums ist es, die deutsche Beteiligung an der internationalen Normungsarbeit auf dem Gebiet „Human Resource Management“ sicherzustellen. Die BDA beteiligt sich trotz der klar ablehnenden Position am deutschen Spiegelgremium des DIN, um das ISO-Vorhaben auch auf internationaler Ebene und zur Wahrung der Interessen der deutschen Wirtschaft kritisch zu begleiten. Das Spiegelgremium hat in einer ersten, konstituierenden Sitzung im Oktober 2011 seine insgesamt ablehnende Haltung gegenüber dem ISO-Vorhaben bestätigt. Die BDA stellt im Spiegelgremium den Obmann und hat sich zum – vom Spiegelgremium ausdrücklich geteilten – Ziel gesetzt, die Arbeiten an der geplanten ISO-Norm dahingehend mitzugestalten, dass diese den Charakter eines freiwilligen Leitfadens erhält. Die ISO-Norm darf lediglich als Orientierungsrahmen für betriebliche Personalpolitik dienen, der jedoch die zwingend notwendigen unternehmensspezifischen, kulturellen und nationalen Spielräume für die deutschen Arbeitgeber nicht beschneidet.
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Beschäftigung
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Psychische Gesundheit
Bürokratiekosten Soziale Sicherung Sozialbudget Arbeitsfähigkeit Sozialwahlen 2011 RV-Nachhaltigkeitsgesetz Pflegeversicherung ELENA Betriebliche Altersvorsorge Erwerbsminderungsrenten Rehabilitation U2-Verfahren Gesamtsozialversicherungsbeitrag Unfallversicherung Demenzkranke Strukturreformen Arbeitskosten Insolvenzgeldumlage Pensions-Sicherungs-Verein
Kombirente Sozialleistungen Elektromagnetische Felder Rentenversicherung Reha-Budget Beitragssatzanstieg Mehr Netto vom Brutto Hinzuverdienstgrenzen Arbeitsschutz Mutterschaftsgeldumlage Krankenversicherung Solvency II Gesundheitsfonds Abgabenkeil Portabilität Rentendialog EU-Weißbuch Pensionen Sozialversicherungszweige Arbeitskosten Gesundheitspolitik Versorgungsstrukturgesetz Reha-Budget Altersarmut Leistungsrecht Arbeitsschutz Hinzuverdienstgrenzen ELENA Betriebliche Altersvorsorge Mutterschaftsgeldumlage Beitragssatzanstieg
Stärkster Beitragssatzanstieg seit 1997 Die Beitragssätze in der Sozialversicherung sind zum 1. Januar 2011 kräftig und so stark wie seit 1997 nicht mehr in die Höhe geschnellt: Durch das „GKV-Finanzierungsgesetz“ ist der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von 14,9 auf 15,5 % angehoben worden. Gleichzeitig ist die Rechtsverordnung zur befristeten Absenkung des Beitragssatzes zur Bundesagentur für Arbeit (BA) auf 2,8 % ausgelaufen. Seitdem gilt in der Arbeitslosenversicherung der neue Beitragssatz von 3,0 %. In der Renten- und Pflegeversicherung kam es zum 1. Januar 2011 dagegen zu keinen Beitragssatzveränderungen. Beitragspflichtig sind hier weiterhin 19,9 % bzw. durchschnittlich 2,0 % des Arbeitsentgelts. Durch die Beitragssatzsteigerungen in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung liegt der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz im laufenden Jahr um insgesamt 0,8 Prozentpunkte höher als im Jahr 2010. Die Belastung des Faktors Arbeit mit Sozialversicherungsbeiträgen hat dadurch mit 40,4 % fast wieder das Niveau des Jahres 2007 von damals 40,7 % erreicht. Unter dem Strich hat die Regierungskoalition – vor allem durch falsche Weichenstellungen in der Gesundheitspolitik – das Gegenteil dessen erreicht, was sie in ihrem Koalitionsvertrag vom 24. Oktober 2009 versprochen hatte, nämlich für „mehr Netto vom Brutto“ zu sorgen. Dabei galt schon vor den diesjährigen Abgabenerhöhungen die traurige Wahrheit, dass in kaum einem anderen Land die Arbeitnehmer so wenig von ihrem erwirtschafteten Einkommen behalten dürfen wie in Deutschland. Die BDA fordert seit langem, die Beitragssätze in der Sozialversicherung durch ausgabensenkende Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen dauerhaft auf unter 40 % vom Lohn zu begrenzen. Dieses Ziel ist bis 2013 erreichbar, wenn die Bundesregierung in der Renten- und Pflegeversicherung die richtigen Weichenstellungen vornimmt: Sie muss zum einen dafür sorgen, dass die bestehenden Beitragssatzsenkungsspielräume in der gesetzlichen Rentenversicherung vollständig genutzt und nicht durch
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
Leistungsausweitungen oder Reformrücknahmen zunichtegemacht werden. Sie muss zum anderen sicherstellen, dass im Ergebnis die angekündigte Pflegereform beitragsneutral ausfällt. Die Bundesregierung sollte aber nicht nur den Gesamtsozialversicherungsbeitrag im Blick haben, sondern ebenso auf Umfang und Entwicklung der übrigen lohnbezogenen Sozialbeiträge achten, denn auch sie beeinflussen die Höhe der Arbeitskosten. Zu ihnen gehören die rein arbeitgeberfinanzierten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, zur Mutterschaftsgeldumlage („U2-Verfahren“) und zur Insolvenzgeldumlage. Ihr Umfang beläuft sich in diesem Jahr auf insgesamt ca. 1,5 %. Bezieht man diese drei Kostenkomponenten in die Betrachtung ein, errechnet sich zum 1. Januar 2011 eine Gesamtbelastung von 41,9 % (2010: 41,5 %). Sie ist zu 21,2 Prozentpunkten von der Arbeitgeberseite und zu 20,7 Prozentpunkten von der Arbeitnehmerseite zu tragen.
Abgabenlast: Durchschnitts verdiener verbleibt gerade einmal die Hälfte Kaum ein anderes Land belastet Löhne und Gehälter so sehr mit Abgaben wie Deutschland. Das geht aus aktuellen Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, in denen die Steuer- und Sozialbeitragsbelastung des Faktors Arbeit in 34 Staaten untersucht wird. Die Höhe des Abgabenkeils zwischen Arbeitskosten und Nettolöhnen beträgt in Deutschland für einen alleinstehenden Durchschnittsverdiener ohne Kinder 49,1 % (OECD-Durchschnitt: 34,9 %) und für einen verheirateten Durchschnittsverdiener mit zwei Kindern 41,4 % (OECD-Durchschnitt: 29,7 %). Verantwortlich für den sehr breiten Abgabenkeil in Deutschland sind vor allem die hohen Sozialversicherungsbeiträge, die beim ledigen Durchschnittsverdiener über zwei Drittel des Abstands zwischen Bruttoarbeitskosten und Nettoarbeitsentgelt ausmachen. Die Lohnsteuer trägt zu knapp einem Drittel der Gesamtbelastung bei. Wer Arbeit von Abgaben entlasten will, muss
Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz wieder 체ber 40 % in % 45 41,1 1,7
40
6,5
42,0
42,0
1,8
1,8
6,5
6,5
35,8
35
32,4 3,0
30
12,8
39,9
40,2
1,8
1,8
2,0
4,2
3,3
2,8
14,8
14,9
15,5
39,6 2,0 2,8 14,9
40,4 2,0 3,0 15,5
14,2
14,2
19,3
19,5
19,5
19,9
19,9
19,9
19,9
19,9
2000
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
13,6
11,4
26,5
25
4,3
40,7
1,3 8,2
20 18,0
18,7
1980
1990
17,0
15
10
5
0 1970
Pflegeversicherung (Durchschnitt) Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung Rentenversicherung Jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt Quellen: Bundesministerium f체r Gesundheit und Deutsche Rentenversicherung Bund, 2011
BDA | Gesch채ftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
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Deutschland bei Abgabenbelastung auch 2010 in der Spitzengruppe Abgabenkeil eines alleinstehenden Durchschnittsverdieners
BE
55,4
FR
49,3
DE
49,1
AT
47,9
IT
46,9
SE
42,7
SK
42,4
FI
42,0
EUDurch schnitt
41,1
ES
39,6
NL
38,4
DK
38,3
PT
37,7
NO
36,8
GR
36,6
OECDDurch schnitt
34,9
LU
34,0
UK
32,7
JP
30,5
CA
30,3
US
29,7
IE
29,3
AU
26,2
CH
20,8
0
5
10
15
Quellen: OECD 2011; eigene Darstellung der BDA
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
20
25
30
35
40
45
50
55
60
in %
deshalb die lohnbezogenen Sozialbeiträge senken. Hierauf hat die BDA immer wieder mit Nachdruck hingewiesen. Anders als bei Steuersenkungen werden durch Beitragssenkungen sowohl eine Entlastung der Arbeitskosten als auch eine Erhöhung des Nettoverdienstes erreicht. Zudem profitieren von Beitragssenkungen deutlich mehr Beschäftigte als von Steuersenkungen. Der breite deutsche Abgabenkeil ist dabei insbesondere das Ergebnis einer langfristig stark gestiegenen Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge. Erreichte die Beitragssatzsumme aus Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung 1960 noch den Wert von 24,4 %, stieg sie bis 1980 bereits auf 32,4 %, blieb nach Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 noch knapp unter der 40%-Marke und erreichte 1999 bei 42,1 % ihren bisherigen Höchststand. Die OECD hat in ihrer Studie „Taxing Wages“ ebenfalls ermittelt, wie Lohnniveau und Abgabenbelastung zusammenspielen, d. h. welche absoluten Arbeitskosten Arbeitgeber in den 34 Vergleichsländern pro Arbeitsplatz zu tragen haben. Gemeinsame Vergleichswährung ist dabei der US-Dollar. Das Ergebnis: Die Beschäftigung eines alleinstehenden Durchschnittsverdieners kostete 2010 in Deutschland 61.971 US-$ und damit mehr als in allen anderen OECD-Mitgliedsstaaten. Die durchschnittliche Kostenbelastung lag bei 44.282 US-$ in der Europäischen Union und bei 41.590 US-$ OECD-weit.
Sozialbudget: Sozialleistungen erreichen neues Rekordniveau Das Sozialbudget, mit dem die Bundesregierung einmal im Jahr über den Umfang sämtlicher Sozialleistungen berichtet, hat sich im Jahr 2010 auf das neue Rekordniveau von 760,6 Mrd. € erhöht. Das sind – trotz gut laufender Konjunktur und damit rückläufiger Ausgaben der Arbeitslosenversicherung – rd. 15,5 Mrd. € bzw. 2,1 % mehr als 2009. Verantwortlich für den Anstieg waren vor allem die weiter überproportional steigenden Ausgaben in der Pflege- und Krankenversicherung sowie Ausgabenzuwächse in den Bereichen Kinder-/Jugendhilfe sowie Kindergeld/Familienleistungsausgleich.
In der institutionellen Betrachtung stellte auch im Jahr 2010 die Sozialversicherung – bestehend aus gesetzlicher Renten-, Kranken-, Pflege-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung – den mit weitem Abstand größten Bereich des Sozialbudgets dar. Auf ihn entfielen 471,2 Mrd. € bzw. 62,6 % des gesamten Leistungsvolumens. Durch die Einführung des Arbeitslosengelds II zum 1. Januar 2005 haben die Förder- und Fürsorgesysteme mit Gesamtausgaben von 147,7 Mrd. € (2010) stark an Bedeutung gewonnen. Dieses Leistungsvolumen kommt einem Anteil von 18,6 % am Sozialbudget gleich. Die direkten Arbeitgeberleistungen machten im vergangenen Jahr – zusätzlich zu den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung – in der Summe rd. 63,5 Mrd. € aus, was einem Anteilswert von 8 % entspricht. Als direkte Arbeitgeberleistungen werden im Sozialbudget die Entgeltfortzahlung, die betriebliche Altersvorsorge, die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes sowie die sonstigen (freiwilligen) Arbeitgeberleistungen erfasst. Die Leistungssysteme des öffentlichen Dienstes (Pensionen, Familienzuschläge, Beihilfen) beliefen sich 2010 auf 58 Mrd. € bzw. 7,3 % des Sozialbudgets. Zur Finanzierung der Sozialleistungen wurden 2010 insgesamt 810 Mrd. € aufgebracht. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einer Erhöhung um 35,3 Mrd. € bzw. 4,6 %. Die Differenz von 49,4 Mrd. € zu den Ausgaben erklärt sich dabei vor allem durch die kapitalgedeckten Systeme, wie die Versorgungswerke und die betriebliche und private Altersvorsorge, in denen die Finanzierungskosten über den Leistungskosten lagen. So schlossen allein die Versorgungswerke das Berichtsjahr mit einem Finanzierungsüberschuss von 10,4 Mrd. € ab, der der Bildung versicherungsmathematischer Rückstellungen dient. In der betrieblichen Altersvorsorge übertrafen die Aufwendungen die Ausgaben um 16,6 Mrd. €. Bei den Riester- und Rürup-Verträgen zur zusätzlichen Altersvorsorge, die sich noch fast vollständig in der Beitragsphase befinden, lagen die geleisteten Beiträge und Zulagen 2010 um 11 Mrd. € über den aus den Verträgen gezahlten Renten. Dank des nominal um 4,2 % gestiegenen Bruttoinlandsprodukts nahm das Verhältnis von Sozialaufwand zu Wirtschaftskraft von 31,1 % auf 30,4 % ab. Trotz dieses Rückgangs liegt die
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aktuelle Sozialleistungsquote aber nach wie vor – und darauf weist die BDA in der politischen Diskussion immer wieder hin – sehr viel höher als im langjährigen Durchschnitt.
Gesetzliche Rentenversicherung: Beitragssatz weiter senken Mit Erfolg hat sich die BDA im Berichtsjahr dafür eingesetzt, dass der Beitragssatz für das Jahr 2012 auf 19,6 % abgesenkt wird. Insbesondere konnte verhindert werden, dass der Gesetzgeber erneut anstelle möglicher Beitragssatzsenkungen kurzfristig Leistungsausweitungen beschließt, so wie dies in den vergangenen Jahren mehrfach geschehen war, z. B. durch das zweimalige Aussetzen der Riester-Treppe und den Ausschluss von Rentenkürzungen („Rentengarantie“). Wegen dieser Eingriffe in das Rentenrecht liegt der Rentenbeitragssatz heute nicht – wie noch bei Verabschiedung des 2005 in Kraft getretenen „RV-Nachhaltigkeitsgesetzes“ erwartet – bei 18,5 %, sondern bei 19,9 %, mit der Folge, dass die Beitragszahler damit um mehr als 13 Mrd. € pro Jahr zusätzlich belastet werden. Nach der aktuellen Vorausschätzung zur weiteren Finanzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung kann der Beitragssatz in den Jahren 2013 und 2014 weiter auf 19,2 und 19,0 % gesenkt werden. Die Entlastungswirkungen dieser Beitragssatzsenkungen sind erheblich, und sie erreichen neben den Arbeitgebern vor allem die Beschäftigten mit kleinen und mittleren Einkommen. Durch eine Beitragssatzsenkung auf 19,0 % würden die Beitragszahler gegenüber 2011 um etwa 8,5 Mrd. € auf Jahresbasis entlastet. Das ist ein höheres Volumen, als es für die für 2013 und 2014 geplante Steuerreform vorgesehen ist. Von einer Beitragssatzsenkung profitieren alle Beschäftigten – anders als bei einer Steuersenkung – da jeder vierte Arbeitnehmer überhaupt keine Einkommensteuer zahlt. Die BDA wird sich dafür einsetzen, dass auch die 2013 und 2014 möglichen Beitragssatzsenkungen erfolgen und nicht durch neuerliche Leistungsausweitungen vereitelt werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Gesetzliche Rentenversicherung“
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Rentendialog: neue Belastungen der Beitragszahler zu befürchten Seit Anfang September führt das Bundesarbeitsministerium im Rahmen des Rentendialogs Gespräche mit Wissenschaftlern, Sozialverbänden, der Deutschen Rentenversicherung Bund und den Sozialpartnern. Dabei geht es um die Weiterentwicklung der Alterssicherungssysteme und insbesondere um die Frage, wie der Gesetzgeber auf die vielfach geäußerte Sorge vor zunehmender Altersarmut reagieren sollte. Die Bundesregierung selbst hat drei Maßnahmen vorgeschlagen. Hierzu zählen erstens die sog. Zuschussrente in Form eines garantierten monatlichen Alterseinkommens von 850 € für alle diejenigen, die langjährig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt und privat oder betrieblich vorgesorgt haben, zweitens die stufenweise Verlängerung der Zurechnungszeit bei Erwerbsminderungsrenten um zwei Jahre und drittens die Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten (sog. Kombirente). Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen können die gesetzliche Rentenversicherung sinnvoll weiterentwickeln, wenn ihre Finanzierung stimmt. Insbesondere muss gewährleistet sein, dass die gesetzlichen Beitragssatzziele für die Rentenversicherung (maximal 20 % bis 2020 und maximal 22 % bis 2030) eingehalten werden. Hierfür erforderlich ist insbesondere, dass die geplante Zuschussrente als versicherungsfremde Leistung aus zusätzlichen Steuermitteln finanziert wird. Es darf nicht sein, dass die Beitragszahler der Rentenversicherung für eine neue Leistung aufkommen müssen, die keinen positiven Zusammenhang zur Höhe der gezahlten Beiträge aufweist, sondern im Gegenteil sogar durch jeden zuvor gezahlten Beitragseuro sinkt. Die geplanten Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sind grundsätzlich zu begrüßen. Sie erreichen zielgenau diejenigen, die nicht in der Lage sind, bis zum vollen Rentenalter von künftig 67 Jahren zu arbeiten. Die damit verbundenen Mehraufwendungen müssen allerdings beitragsneutral finanziert werden. Das ist möglich, wenn die bestehenden Frühverrentungsprivilegien in der Rentenversicherung abgeschafft werden.
Die geplante Lockerung der Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten kann in Einzelfällen helfen, den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu gestalten. Besser wäre allerdings, gleich ganz auf die überflüssigen und in der Anwendung bürokratischen Hinzuverdienstgrenzen zu verzichten. Die BDA beteiligt sich intensiv und konstruktiv am Rentendialog. Sie hat ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der zusätzlichen Altersvorsorge eingebracht und darüber hinaus Konzeptionen erarbeitet, die Bedenken anderer Beteiligter berücksichtigen und damit eine Verständigung erleichtern. Nach den Zeitvorstellungen des Bundesarbeitsministeriums soll der Rentendialog Anfang 2012 in ein Gesetzgebungsverfahren münden, das vor der Sommerpause abgeschlossen sein soll. Die Gesetzesänderungen sollen zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.
Reha-Budget: Fortschreibung an demografischer Entwicklung orientieren Mit ihren Leistungen zur Rehabilitation erbringt die gesetzliche Rentenversicherung schon heute einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit ihrer Versicherten. Erfolgreiche Rehabilitationsleistungen tragen dazu bei, dass Arbeitnehmer möglichst lange den eigenen Lebensunterhalt durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft bestreiten und ein wirtschaftlich selbstbestimmtes Leben führen können. Rehabilitationsmaßnahmen helfen damit, die Lebensarbeitszeit zu verlängern („Rente mit 67“) und das Arbeits- und Fachkräfteangebot in Deutschland zu sichern. Deshalb müssen die Träger der Rentenversicherung auch in Zukunft ausreichend
Demografische Entwicklung bei der Höhe des Reha-Budgets berücksichtigen Stärke der rehaintensiven Jahrgänge (45 bis Regelaltersgrenze) in Mio. Personen 26
25
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Quelle: eigene Berechnungen der BDA auf Basis der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (Variante 1-W1) des Statistischen Bundesamts 2011
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
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finanziell in der Lage sein, ihren Versicherten medizinisch notwendige Rehabilitationsmaßnahmen zu gewähren. Die BDA schlägt vor, die gesetzliche Regelung zur jährlichen Fortschreibung des Reha-Budgets mit Wirkung ab 2013 so anzupassen, dass dabei neben der Lohn- und Gehaltsentwicklung auch der sich demografisch ergebenden Veränderung des Reha-Bedarfs Rechnung getragen wird. Eine damit verbundene zwischenzeitliche Mehrbelastung der Rentenversicherung kann vermieden werden, wenn der Gesetzgeber die Rentenversicherung von der Finanzierung solcher Rehabilitationsleistungen befreit, die weder der Sicherung noch der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit Beschäftigter dienen, und die Höhe des Reha-Budgets entsprechend bereinigt. Zu weit ginge jedoch, die gesetzliche Ausgabenbegrenzung für Rehabilitationsleistungen, das sog. Reha-Budget, wegen des sich demografisch verändernden Reha-Bedarfs völlig abzuschaffen. Die Erfahrung zeigt, dass ein Ausgabendeckel dazu beiträgt, mit den vorhandenen Ressourcen wirtschaftlich umzugehen und Effizienzreserven auszuschöpfen. Zwar haben die Rentenversicherungsträger in den vergangenen Jahren bereits erfolgreich Anstrengungen unternommen, die Wirtschaftlichkeit bei der Verwendung der RehaMittel zu erhöhen und vorhandene Einsparpotenziale zu erschließen. Nach wie vor sind aber noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Das Festhalten an der Reha-Budgetierung trägt dazu bei, dass die bestehenden Wirtschaftlichkeitsreserven und Einsparmöglichkeiten von den Rentenversicherungsträgern auch tatsächlich genutzt werden.
EU-Finanzaufsicht: Interessen der betrieblichen Altersvorsorge sichern Am 1. Januar 2011 hat die europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA) ihre Tätigkeit in Frankfurt am Main aufgenommen. Sie ersetzt den bisherigen Aufseherausschuss Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS) und ist mit deutlich größeren
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Kompetenzen ausgestattet. Zu begrüßen ist, dass auf Betreiben der BDA für die betriebliche Altersvorsorge eine eigene Interessengruppe bei EIOPA eingerichtet wurde, der insgesamt 30 Mitglieder aus allen EU-Staaten angehören. Die deutschen Arbeitgeberinteressen werden auf Vorschlag der BDA und Empfehlung von BUSINESSEUROPE durch Herrn Wiesner, Leiter der betrieblichen Altersvorsorge der Bosch Gruppe und Vorstandsvorsitzender der Bosch Pensions fonds AG, vertreten. Neben Herrn Wiesner wurde auch Herr Schwind, Vorstandsvorsitzender der Höchster Pensionskasse VVaG und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba), in die Interessengruppe berufen. Beide Fachleute sind seit vielen Jahren Mitglied im BDA-Vorstandsausschuss für Betriebliche Altersvorsorge und im Vorstand der aba. Die EU-Kommission bereitet die Überarbeitung der EU-Pensionsfondsrichtlinie vor und will hierzu bis Ende 2012 einen Vorschlag vorlegen. Ihre bisherigen Überlegungen hat sie im „Call for Advice“ im April 2011 zusammengefasst und EIOPA um Stellungnahme bis Mitte Februar 2012 gebeten. Derzeit führt EIOPA zur Erstellung ihrer Antwort eine zweistufige öffentliche Konsultation durch, an der sich die BDA intensiv beteiligt. Inhaltlich basiert der „Call for Advice“ der EUKommission – trotz gegenteiliger Beteuerung der Kommission – im Wesentlichen auf den neuen Eigenmittelvorschriften für Versicherungsunternehmen (Solvency II), die ab dem 1. Januar 2013 Anwendung finden werden. Die Anwendung von Solvency II auf Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (EBAV) würde diese Versorgungswerke drastisch verteuern. Dieser Mehrbedarf wäre nur durch Leistungskürzungen zu Lasten der Berechtigten oder durch höhere Beiträge der Trägerunternehmen aufzubringen. Beides würde dem notwendigen Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge zuwiderlaufen. Dabei wäre mit der Übertragung von Solvency II auf EBAV auch für die Arbeitnehmer und Rentner aufgrund der ohnehin bestehenden Subsidiärhaftung des Arbeitgebers nichts – nicht einmal zusätzliche Sicherheit – gewonnen. EBAV verfügen bereits heute über eine Mehrfachsicherung aus aufsichtsrechtlichen Vorgaben, aus Arbeitgeberhaftung und für Pensionsfonds darüber hinaus aus
Notwendigkeit, auch nicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise. Denn weder waren die EBAV hierfür ursächlich noch stellen sie ein systemisches Risiko dar.
der bestehenden Einstandspflicht des PensionsSicherungs-Vereins (PSV). Es besteht auch kein Bedürfnis, für die private Altersvorsorge und die betriebliche Altersvorsorge ein „level playing field“ herzustellen, wie es teilweise gefordert wird. Denn EBAV stehen aufgrund ihrer Zielstellung und Ausgestaltung nicht im Wettbewerb zu sonstigen Altersvorsorgeprodukten. So handelt es sich bei einer Betriebsrentenzusage eben nicht einfach um ein „Finanzdienstleistungsprodukt“, sondern um eine grundsätzlich freiwillige Sozialleistung, die an das Arbeitsverhältnis geknüpft ist. Zudem besteht für eine kurzfristige Änderung der EU-Pensionsfondsrichtlinie keine dringende
Ihre Bedenken gegen die Pläne der EU-Kommission haben die Sozialpartner sowohl auf europäischer Ebene durch BUSINESSEUROPE und den Europäischen Gewerkschaftsbund als auch auf nationaler Ebene durch BDA und DGB an die Verantwortlichen in der Politik und der Aufsicht adressiert. Auch in den anstehenden Beratungen wird sich die BDA dafür einsetzen, belastende Aufsichtsregelungen für EBAV zu verhindern.
Riester-Rente – Verbreitungsgrad nimmt weiter stetig zu Bestand an Riester-Verträgen am Jahresende
in Mio. 18
14,4
15
15,0
13,3 12,2
12
10,8
9
8,1
5,6
6 3,4
3,9
4,2
2003
2004
3
0 2002
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011*
* Stand: September 2011 Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2011
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Versicherungsaufsichtsgesetz: Chance für eigenes Aufsichts recht nutzen Das Bundesfinanzministerium hat am 23. August 2011 einen Referentenentwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (10. VAG-Novelle) vorgelegt, mit dem Solvency II in das deutsche Versicherungsaufsichtsrecht umgesetzt werden soll. Mit der Umsetzung von Solvency II wird das Versicherungsaufsichtsrecht grundlegend neu ausgerichtet. Die künftigen Eigenmittelanforderungen für Versicherungsunternehmen stellen neue Bewertungsmethoden hinsichtlich der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf, die künftig mit Marktwerten anzusetzen sind. Auf diese Weise soll das Insolvenzrisiko eines Versicherungsunternehmens verringert werden. Entsprechend Solvency II soll das künftige Aufsichtsrecht einem prinzipienbasierten System folgen, welches das bisherige regelbasierte System ersetzen wird. Da die Umsetzung von Solvency II auf viele Gebiete der Aufsicht Auswirkungen hat, ist eine komplette Überarbeitung und neue Systematik des VAG erforderlich. Hiervon sind auch die Regelungsbereiche für EBAV betroffen, wobei die Regelungen zur Eigenmittelausstattung grundsätzlich nicht auf EBAV angewendet werden sollen. In ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf drängt die BDA darauf, die Reform als Chance zur Entwicklung eines eigenständigen Aufsichtsrechts für EBAV zu nutzen. Der Referentenentwurf birgt hingegen die Gefahr, dass über unklare Verweise auf Vorschriften für Versicherungsunternehmen Solvency-II-Vorgaben doch mittelbar Anwendung auch auf EBAV finden könnten, obwohl dies nach der Solvency-II-Richtlinie gerade nicht vorgesehen ist. Allein der Umfang und die Komplexität der jetzt vorgesehenen Änderungen des VAG zeigen, wie gravierend eine – auch nur teilweise – Anwendung der geplanten Eigenmittelvorgaben auf EBAV wäre. Darüber hinaus setzt sich die BDA dafür ein, dass das Gesetzgebungsvorhaben genutzt wird, um mit folgenden Vorschlägen die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für EBAV zu verbessern:
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Die Beitragszusage mit Mindestleistung sollte aufsichtsrechtlich für Pensionsfonds weiterentwickelt werden. Für diese Zusageform sollte ebenfalls die nichtversicherungsförmige Durchführung auch während der Leistungsphase ermöglicht werden, um die Vorteile eines gemeinsamen Anlageverbands für die gesamte Laufzeit der Verpflichtungen nutzen zu können.
Für Pensionsfonds sollte als Auszahlungsmöglichkeit – wie heute bei Pensionskassen und Direktversicherungen – die vollständige Kapitalwahloption zugelassen werden.
Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sollte eine eigene Interessengruppe für die betriebliche Altersvorsorge eingerichtet werden, wie dies bereits heute bei EIOPA der Fall ist. Bisher können Belange der betrieblichen Altersvorsorge lediglich in einem Fachbeirat der BaFin eingebracht werden, in dem Vertreter aller von der BaFin beaufsichtigten Einrichtungen sitzen.
Beitragssatz des Pensions- Sicherungs-Vereins: Günstige Entwicklung hält an Im Zuge der anhaltenden guten konjunkturellen Entwicklung und der damit einhergehenden günstigen Entwicklung des Insolvenzgeschehens ist der Beitragssatz des PSV im Jahr 2011 mit 1,9 ‰ unverändert geblieben. Auch unter Berücksichtigung, dass ein Teil des PSV-Beitrags für 2009 (1,5 ‰) erst in diesem Jahr fällig wird, bewegt sich damit die Beitragsbelastung 2011 im Bereich der Durchschnittsbelastung seit Gründung des PSV im Jahr 1975 (3,1 ‰). Gleichwohl hat die BDA ihre Arbeiten an ihrem Konzept für eine stärker risikoorientierte PSV-Beitragsstruktur fortgesetzt, die langfristig zu einer Senkung des Schadensvolumens des PSV führen kann, weil auf diese Weise Anreize für Maßnahmen zur Schadensvermeidung bzw. -reduzierung gesetzt werden. Das BDA-Konzept soll auf gutachterlicher Basis um konkrete und quantifizierte Vorschläge weiterentwickelt und dann mit den Beteiligten diskutiert werden.
Pflegeversicherung: Nachhaltige Reformen stehen unverändert aus Nachdem mehrfach die Vorlage von Eckpunkten für eine Reform der Pflegeversicherung angekündigt und wieder verschoben worden war, einigte sich der Koalitionsausschuss am 6. November 2011 auf einen Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Die erzielte Verständigung wurde wenige Tage später von der
Bundesregierung in Form von „Eckpunkten zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die Pflegereform“ beschlossen. Ab 2013 soll danach der Beitragssatz um 0,1 Prozentpunkte angehoben werden, u. a. zur Finanzierung von Leistungsverbesserungen für Demente, und eine steuerlich geförderte Zusatzvorsorge in Kraft treten. Im Vergleich mit den öffentlich gemachten Überlegungen und Forderungen in den Wochen und Monaten zuvor sind das begrenzte Änderungen.
Soziale Pflegeversicherung – Jahresüberschüsse nur durch Beitragssatzanhebung 2008 Jahresüberschuss und fehlbeträge
in Mio. €
1.200 990
900 630
600 340
350
2010
2011*
300 0 –30 –130
–300
–60
–380
–360
–370
2005
2006
–320
–600 –690
–900
–820
–1.200 1999
2000
2001
2002
2003
2004
2007
2008
2009
Ohne Beachtung der einmaligen, zusätzlichen Beiträge durch die Vorverlegung der Beitragsfälligkeit (820 Mio. €) im Jahr 2006 * BDA-Schätzung auf den Grundlagen der bis September 2011 vorliegenden Zahlen Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, 2011
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
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Die für 2013 vorgesehene Beitragssatzanhebung fällt mit 0,1 Prozentpunkten zwar geringer aus, als zwischenzeitlich zu befürchten war. Sie bedeutet dennoch, dass die Beitragszahler (Arbeitnehmer, Rentner und Betriebe) künftig und auf Dauer mit 1,1 Mrd. € pro Jahr zusätzlich belastet werden. Demgegenüber sind die Beitragssatzsenkungen in der Rentenversicherung im nächsten und übernächsten Jahr auf jeden Fall nur vorübergehend. Der Rentenbeitrag wird nach den aktuellen Vorausberechnungen bis 2020 auf 20 % und bis 2030 auf 22 % steigen. Die jetzt vorgesehene bessere Versorgung von Demenzkranken hätte – bei Gesamtausgaben der Pflegeversicherung von rd. 20 Mrd. € – auch über Strukturreformen und Umschichtungen innerhalb des Leistungsspektrums organisiert werden können. Positiv zu bewerten ist vor allem, dass von der Bildung eines Kapitalstocks innerhalb der
sozialen Pflegeversicherung Abstand genommen worden ist. Eine solche Rücklage hätte eine ständige Verführung für jede Bundesregierung bedeutet, mehr Geld für zusätzliche Pflegeleistungen auszugeben, aber nicht mehr Nachhaltigkeit für die Finanzierung der Pflegeversicherung gebracht. Rücklagenmissbrauch und Zweckentfremdung des Kapitalstocks wären absehbare Folgen gewesen. Ein Blick auf die Rentenversicherung macht überdeutlich, wozu hohe Rücklagen führen: Durch teure Rentengarantien und Umfinanzierungen zugunsten des Bundeshaushalts wurden die Rentenreserven ständig zweckentfremdet. Demgegenüber ist die jetzt geplante individuelle, private, freiwillige und öffentlich geförderte Zusatzvorsorge auf jeden Fall das bessere Modell. Eine langfristige Lösung für die Finanzierung der Pflegeversicherung ist damit aber noch nicht gelungen. Nach wie vor ist nicht erkennbar, wie die Bundesregierung eine immer weiter steigende Belastung der Löhne und Gehälter durch Pflegebeiträge verhindern will. Sie hält
BDA-Positionen in der aktuellen Pflegediskussion
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Die in der Pflegeversicherung vorhandenen Mittel müssen effizienter eingesetzt werden. Erforderlich ist vor allem Wettbewerb auf allen Ebenen in diesem immer noch als Einheitskasse organisierten Sozialversicherungszweig, in dem sich alle Pflegekassen aus einem Topf bedienen. Das schafft keinerlei Anreize zur Sparsamkeit oder Kostenkontrolle, denn eine unwirtschaftliche Mittelverwendung geht heute nicht zu Lasten der verantwortlichen Pflegekasse, sondern immer zu Lasten der Solidargemeinschaft.
Der Pflegebeirat der Bundesregierung, in dem auch die BDA vertreten war, hat bereits in dem vor zwei Jahren vorgelegten Schlussbericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs – und damit zugleich die Besserstellung demenzkranker Pflegebedürftiger – auch kostenneutral umgesetzt werden kann. Die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ist keine Rechtfertigung für höhere Ausgaben.
Eine ergänzende kapitalgedeckte Pflegevorsorge, die grundsätzlich zu befürworten ist, muss in privater Verantwortung erfolgen und individuell zurechenbar sein, so wie es auch im Koalitionsvertrag festgelegt ist. Die Finanzierung des Kapitalstocks darf zudem keine Erhöhung der Arbeitskosten nach sich ziehen.
Vollkommen falsch und gefährlich zugleich sind Überlegungen, einmalige oder nur vorübergehende Überschüsse in der Renten- und Krankenversicherung zur Finanzierung dauerhafter Mehrausgaben in der Pflegeversicherung zu nutzen. Damit wird nicht nur die dringend notwendige und mögliche Abgabenentlastung der Arbeitnehmer und Betriebe geringer ausfallen, sondern auch die künftige Belastung mit Zwangsabgaben und gesetzlichen Personalzusatzkosten kräftig zunehmen.
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
an der falschen Grundkonstruktion der Pflegeversicherung als wettbewerbsloser Einheitskasse mit lohnbezogener Beitragsfinanzierung unverändert fest. Die BDA hat bereits zu Beginn der aktuellen pflegepolitischen Diskussion mit ihrem Positionspapier „Pflegepläne gehen vollständig in die falsche Richtung“ klar Stellung bezogen und konkrete Forderungen gestellt. Die BDA hält an ihrem bereits vor Jahren erarbeiteten und ständig aktualisierten Konzept „Pflegeversicherung dauerhaft leistungsfähig und finanzierbar halten“ fest. Zentraler Reformschritt – neben der Einführung eines Kosten- und Qualitätswettbewerbs und von prozentualen Selbstbehalten mit Höchstgrenzen – muss, wie auch in der Krankenversicherung, die Entkopplung der Pflegekostenfinanzierung vom Arbeitsverhältnis sein. Der beste Weg hierfür ist die Umstellung der Finanzierung auf einkommensunabhängige Pflegeprämien mit Auszahlung des Arbeitgeberanteils in den Bruttolohn und Sozialausgleich für Einkommensschwache. Die heutigen lohnorientierten Beiträge wirken wie eine Strafsteuer auf Arbeit. In der Diskussion über die Pflegereform und über Leistungsausweitungen darf nicht vergessen werden, dass zum einen die Pflegeversicherung von Anfang an vollkommen zu Recht immer nur als Teilkaskoversicherung gedacht und konzipiert war. Zum anderen sind die Leistungen der Pflegeversicherung bereits durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz von 2008 angehoben und ab dem Jahr 2015 dynamisiert worden. Die arbeitskostenneutrale Finanzierung der hieraus resultierenden Mehrkosten wird schon schwer genug. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Soziale Pflegeversicherung“
Krankenversicherung: Finanzent wicklung verdeckt Strukturmängel und Ausgabenexpansion Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung, in dem Experten des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesversicherungsamts und des GKV-Spitzenverbands vertreten sind, hat im Oktober seine Prognose der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung für die Jahre 2011 und 2012
bekannt gegeben. Danach werden die Gesamtausgaben der Krankenkassen jeweils durch die Zuweisungen des Gesundheitsfonds voll gedeckt. Daraus folgt, dass auch im nächsten Jahr der durchschnittliche Zusatzbeitrag null betragen wird und kein Sozialausgleich über die Betriebe abgewickelt werden muss, der – wie die BDA immer wieder betont hat – eine erhebliche bürokratische Belastung für die Arbeitgeber darstellt. Bis Ende 2011 – so der Schätzerkreis – wird sich die Rücklage im Gesundheitsfonds um 4,4 Mrd. auf 8,6 Mrd. € erhöhen. Für 2012 wird ein weiterer Anstieg auf dann 8,9 Mrd. € erwartet. Der weitaus größte Teil der Rücklage ist allerdings zweckgebunden. So beansprucht die gesetzliche Liquiditätsreserve 3,1 Mrd. € und die steuerfinanzierte Rücklage zur Finanzierung künftiger Sozialausgleichszahlungen 2 Mrd. €. Weitere 2,5 Mrd. € entfallen auf die „stille Last“, aus der künftig ggf. ein im Jahr 2009 entstandenes Defizit zu finanzieren ist. Die „freie“ Rücklage liegt lediglich bei 1 Mrd. € – das entspricht umgerechnet 0,1 Beitragssatzpunkten. Die positive Finanzentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist allerdings nicht die Folge einer erfolgreichen und Kosten senkenden Gesundheitspolitik. Allein die gute Konjunkturentwicklung hat dafür gesorgt. Darauf hat die BDA immer wieder mit Nachdruck hingewiesen und dementsprechend angemahnt, endlich wirkliche Strukturreformen in Angriff zu nehmen. Die Ausgaben der Krankenkassen steigen dem Schätzerkreis zufolge in diesem und im nächsten Jahr um stolze 3,6 % und 4,5 %, und auch 2010 lag das Plus bei satten 3,1 %. Das sind – gemessen an der allgemeinen Wirtschafts- und Lohnentwicklung – nicht nur deutlich überproportionale Werte, sondern zugleich beängstigende Zuwachsraten. Mit der Weiterentwicklung des bereits von der großen Koalition zum 1. Januar 2009 eingeführten kassenindividuellen Zusatzbeitrags ist die Bundesregierung zwar einen Schritt in Richtung des von der BDA geforderten Wechsels von der lohnbezogenen Beitragsfinanzierung zur einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie gegangen. Die ausschließlich einkommensunabhängige Gestaltung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags ab 1. Januar 2010 – bei gleichzeitigem Wegfall einer
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
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Obergrenze – wurde allerdings mit der kräftigen Heraufsetzung des allgemeinen Beitragssatzes zum 1. Januar 2011 von 14,9 auf 15,5 % konterkariert. Im Ergebnis bleibt die einkommensunabhängige Finanzierung bzw. der kassenindividuelle Zusatzbeitrag eine Randerscheinung.
ängel bei ärztlicher Versorgung M nicht durch Honorarsteigerungen belohnen Das „Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ wurde am 1. Dezember 2011 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und tritt im Wesentlichen am 1. Januar 2012 in Kraft. Es hat vor allem zum Ziel, die flächendeckende wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung auch in dünn besiedelten Gebieten zu sichern. Um mehr Mediziner in unterversorgte Gebiete zu locken, werden im Versorgungsstrukturgesetz Anreize im Vergütungssystem der Ärzte
geschaffen. Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzes ist die schrittweise Einführung eines Sektoren verbindenden neuen Bereichs der „ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung“, in dem bestimmte Leistungen sowohl von Krankenhausärzten als auch von niedergelassenen Vertragsärzten erbracht werden können. Darüber hinaus enthält das Gesetz neue Regelungen für die Schließung von Krankenkassen, wodurch den Versicherten ein reibungsfreier Wechsel zu einer neuen Krankenkasse ermöglicht werden soll. Ab dem Jahr 2014 müssen Krankenkassen außerdem im elektronischen Bundesanzeiger sowie auf der eigenen Internetpräsenz die wesentlichen Ergebnisse ihrer Rechnungslegung veröffentlichen. Die BDA hat sich während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens dafür eingesetzt, dass zusätzliche Belastungen der Beitrags- und Steuerzahler unterbleiben. In ihrer Stellungnahme an den Bundestagsausschuss für Gesundheit hat die BDA insbesondere die vorgesehene Anhebung der Honorare niedergelassener Ärzte kritisiert. Diese drohten sich im Verlauf des
BDA-Positionen zum Versorgungsstrukturgesetz
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Die Sicherstellung einer flächendeckenden wohnortnahen medizinischen Versorgung ist ein wichtiges gesundheitspolitisches Ziel, das jedoch ohne zusätzliche Belastung der Beitragszahler erreicht werden kann und muss. Dazu muss bestehende Überversorgung zugunsten bestehender Unterversorgung abgebaut werden. Es ist gesetzliche Aufgabe der Ärzteschaft, überall eine ausreichende ärztliche Versorgung sicherzustellen. Wenn sie dazu bislang nicht in der Lage ist und der Gesetzgeber deshalb aktiv werden muss, dann darf diese Fehlleistung nicht noch mit einem Honorarzuwachs belohnt werden.
Nach dem Gesetz sind Kostenmehrbelastungen der Beitragszahler nicht ausgeschlossen. Vor allem fehlt eine dringend erforderliche fundierte Kostenfolgeabschätzung. Eine Mehrbelastung der Beitrags- und Steuerzahler muss unbedingt vermieden werden. Bereits 2011 haben der Beitragssatz mit 15,5 % und der Bundeszuschuss mit über 15 Mrd. € Rekordhöhen erreicht. Konkrete bzw. Erfolg versprechende Maßnahmen zur Hebung von Effizienzpotenzialen sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung – insbesondere durch mehr Wettbewerb und Vertragsfreiheit – fehlen.
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
Gesetzgebungsverfahrens zu einer sehr deutlichen Belastung für die Beitragszahler zu entwickeln. Außerdem waren die vorgesehenen Einschränkungen für die Zulassung Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) nicht akzeptabel. In beiden Bereichen konnten zwar Verbesserungen erreicht werden, in der Gesamtschau aber enthält das Versorgungsstrukturgesetz erhebliche Finanz- und Strukturrisiken. Es ist kein großer Wurf und leistet keinen Beitrag dazu, die Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig zu sichern. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Gesetzliche Krankenversicherung“
Unfallversicherung: Reform des Leistungsrechts lässt weiter auf sich warten Mit dem Koalitionsvertrag 2009 hatten CDU, CSU und FDP angekündigt, dass sie das Leistungsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung, das
eigentlich schon in der letzten Legislaturperiode reformiert werden sollte, in dieser Legislaturperiode zielgenauer ausgestalten wollen. Geschehen ist bislang jedoch nichts. In verschiedenen Gesprächen der BDA mit Mitgliedern der Regierungsparteien und des Bundesarbeitsministeriums im Laufe dieses Jahres hat sich herausgestellt, dass die Koalition derzeit nicht daran denkt, das Leistungsrecht zu reformieren. Die BDA hat dies nachdrücklich kritisiert und die Politik an die Notwendigkeit der längst überfälligen Leistungsrechtsreform erinnert. Die BDA wird hier weiter aktiv bleiben. Nur durch eine Leistungsrechts reform kann die mehr als überfällige Beitragsentlastung der Unternehmen erreicht werden. Die gesetzliche Unfallversicherung – als einziger ausschließlich von den Arbeitgebern finanzierter Zweig der Sozialversicherung – darf nicht von grundlegenden Strukturreformen ausgenommen bleiben. Die sehr erfolgreiche Präventionsarbeit der Betriebe muss sich endlich auch durch entsprechend sinkende Beiträge zur Unfallversicherung bezahlt machen.
Die vorgesehenen Maßnahmen zur Reform des Gemeinsamen Bundesausschusses, wie insbesondere das Verfahren zur Benennung der unparteiischen Vorsitzenden, die Regelung zur Stimmrechtsübertragung bei sektorbezogenen Beschlüssen sowie die Einführung eines Mindestquorums bei Beschlüssen zum Ausschluss von Leistungen, bergen die Gefahr der politischen Einflussnahme und einer Verzögerung der Abstimmungsverfahren.
Die einschränkenden Vorgaben für die Zulassung von MVZ und Arztstationen widersprechen der Zielsetzung des Versorgungsstrukturgesetzes, in unterversorgten Gebieten die medizinische Versorgung zu verbessern. Der Wettbewerb um die beste Form der Versorgung darf nicht dadurch behindert werden, dass der ärztliche Leiter eines MVZ selbst als Vertragsarzt oder angestellter Arzt in dem betreffenden MVZ tätig sein muss. Die Einschränkung der Gründungsmöglichkeiten, indem in der Regel nur noch Vertragsärzte oder zugelassene Krankenhäuser zugelassen werden sollen, ist ebenso kontraproduktiv wie die Beschränkung auf bestimmte Rechtsformen, die z. B. Aktiengesellschaften für eine Gründung ausschließen.
Positiv zu bewerten sind allein die im Versorgungsstrukturgesetz enthaltenen ergänzenden Regelungen bei Schließung von Krankenkassen und einzelne Maßnahmen zur Flexibilisierung des Zulassungsrechts für Vertragsärzte. In Zukunft können die Kassenärztlichen Vereinigungen den freiwilligen Verzicht auf Zulassung als Vertragsarzt finanziell fördern.
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Abgeschlossen ist hingegen die Organisationsreform der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Zum 1. Januar 2011 sind die letzten beiden noch ausstehenden Fusionen, zum einen der Zusammenschluss der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd, der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft, der Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft und der HolzBerufsgenossenschaft zur Berufsgenossenschaft Holz und Metall sowie zum anderen die Fusion der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten mit der Fleischerei-Berufsgenossenschaft zur Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe, erfolgt. Damit hat sich die Zahl der Berufsgenossenschaften von 35 im Jahr 2004 auf neun verringert.
Arbeitsschutz: Leitlinien zur Neu ordnung des Vorschriften- und Regelwerks beschlossen Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen Bund, Ländern, Berufsgenossenschaften und Sozialpartnern über das Verhältnis von staatlichen Arbeitsschutzregelungen zu berufsgenossenschaftlichen Regelungen wurde im August 2011 das sog. Leitlinienpapier zur Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz verabschiedet. Mit diesem Papier haben Bund, Länder und Unfallversicherungsträger sich darauf verständigt, wie sie ein verständliches, überschaubares und abgestimmtes Vorschriften- und Regelwerk im Arbeitsschutz herstellen wollen. Diesen Auftrag hatten die Träger mit dem Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG) 2008 erhalten. Das Leitlinienpapier beschreibt u. a. näher,
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in welchen Fällen die selbstverwalteten Unfallversicherungsträger Unfallverhütungsvorschriften als autonomes Satzungsrecht erlassen dürfen. Bereits mit dem UVMG wurde die Rechtsetzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger eingeschränkt und an restriktive Voraussetzungen geknüpft.
welche Zielsetzung das staatliche Regelwerk (z. B. technische Regeln des Arbeitsstättenausschusses und des Betriebssicherheits-
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Soziale Sicherung
ausschusses) hat und welche Grundsätze bei der Erarbeitung von staatlichen Regeln beachtet werden sollen.
welche Zielsetzung die Regeln der Unfallversicherungsträger (DGUV-Regeln, vormals BG-Regeln) haben und welche Grundsätze bei ihrer Erarbeitung zu beachten sind.
wie das System von staatlichen Regeln und DGUV-Regeln inhaltlich und verfahrensmäßig so zu strukturieren ist, dass ein kohärentes und in sich stimmiges Gesamtgefüge entsteht.
Die BDA hat sich nachdrücklich dafür eingesetzt, dass mit dem Leitlinienpapier die Grundlagen dafür gelegt wurden, die Arbeitsschutzregelungen, die von Seiten des Staats und der Berufsgenossenschaften erlassen werden, künftig so zu gestalten, dass der Vorschriftendschungel in diesem Bereich gelichtet wird. Die Betriebe sollen künftig leichter erfassen können, welche Vorschriften und Regelungen für sie einschlägig sind und welche Maßnahmen sie zur Erfüllung dieser Regelungen zu treffen haben. Folgen muss jetzt eine entsprechende Umgestaltung der Vorschriften und Regelungen selbst, denn das Leitlinienpapier gibt nur eine Anleitung, wie die Struktur in Zukunft aussehen soll.
Neue betriebsärztliche und sicher heitstechnische Betreuung stellt Betriebe vor Herausforderung Am 1. Januar 2011 ist die neue Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (DGUV-Vorschrift 2) in Kraft getreten. Mit dieser Vorschrift wurde insbesondere die Regelbetreuung für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten völlig neu konzipiert. Im Gegensatz zur alten Regelung gibt es keine festen Einsatzzeiten mehr. Vielmehr ist die Betreuung in einen Anteil Grundbetreuung – für diesen gibt es einen Zeitansatz – und in einen Anteil betriebsspezifische Betreuung aufgeteilt worden. Dieser betriebsspezifische Teil muss von jedem Unternehmen – angepasst an die Bedingungen vor Ort – individuell festgelegt werden.
Die BDA hatte sich 2010 nachdrücklich für einen „weichen“ Übergang bei der Einführung der DGUV-Vorschrift 2 eingesetzt: Zum einen stand fest, dass eine betriebliche Umsetzung der Vorschrift sehr kompliziert sein würde. Zum anderen war abzusehen, dass die Betriebe von den Berufsgenossenschaften – auch der späten Verabschiedung der Vorschrift Ende 2010 geschuldet – nicht rechtzeitig und ausreichend über die Neuerungen der Vorschrift informiert worden waren. Die Nationale Arbeitsschutzkonferenz, deren Träger Bund, Länder und Unfallversicherungsträger sind, hatte deshalb auf Drängen der BDA beschlossen, dass die Aufsichtsdienste der Länder und Berufsgenossenschaften die Betriebe 2011 in erster Linie bei der Einführung der DGUV-Vorschrift beraten und dass nicht die Ergreifung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen im Vordergrund steht.
der Richtlinie in ihrem Bereich zum Ausdruck. So haben sie dargelegt, dass viele Computer-Tomografen (MRTs) nicht mehr betrieben werden können, wenn die Richtlinie mit dem dazugehörigen Grenzwertekonzept durch nationale Umsetzung rechtsverbindlich wird. Der aktuelle Richtlinienvorschlag enthält nun eine Ausnahmeregelung für MRT-Geräte, die eine alternative, nicht an den Expositionsgrenzwerten orientierte Arbeitsschutzkonzeption für das medizinische Personal im Umgang mit MRTs vorsieht. Die BDA hat ihre Mitglieder um Anmerkungen und Einschätzungen zu dem Vorschlag gebeten und daraus folgende Kernforderungen abgeleitet:
Der Richtlinienvorschlag muss im Hinblick auf eine einfache Umsetzung der erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen grundsätzlich überarbeitet und gestrafft werden.
Es muss vermieden werden, dass die Betriebe, in denen Geräte eingesetzt werden, die elektromagnetische Felder erzeugen, selbst die damit verbundenen Gefährdungen durch komplizierte Messungen ermitteln müssen. Für die Gefährdungsbeurteilung müssen vielmehr Hersteller- und Literaturangaben ausreichen. Es muss klar aufgelistet werden, welche Anwendungen unbedenklich sind und daher keiner weiteren Betrachtung bedürfen.
Im Schutzkonzept der Richtlinie muss zwingend das mit der Entfernung der Strahlungsquelle zum Kopf und dem Rückenmark schnell abfallende Gesundheitsrisiko in angemessener Weise berücksichtigt werden.
Elektromagnetische Felder: EURichtlinienvorschlag vereinfachen
Die weitreichenden Kennzeichnungsverpflichtungen sind auf das erforderliche Minimum zu reduzieren.
Die Europäische Kommission hat am 14. Juni 2011 einen Richtlinienvorschlag zum Schutz vor elektromagnetischen Feldern vorgelegt. Mit dieser Initiative will die Kommission die bisherige Richtlinie 2004/40/EG ändern, deren Umsetzung aufgrund von Bedenken aus Wissenschaft und Praxis bis 2012 ausgesetzt wurde. Insbesondere Radiologenverbände brachten der Kommission gegenüber Bedenken hinsichtlich der Wirkung
Da die Beratungen im Europäischen Parlament erst Anfang November begonnen haben, ist das Ziel der polnischen Ratspräsidentschaft, die Richtlinie bis Ende des Jahres abzuschließen, voraussichtlich nicht mehr zu halten. Es bleibt abzuwarten, wie die dänische Regierung, die zum 1. Januar 2012 die Ratspräsidentschaft übernimmt, mit dem Richtlinienvorhaben weiter verfahren wird.
Zudem hat sich gezeigt, dass es Branchen bzw. Unternehmen gibt, die durch die Neuregelung stärker als nach der alten Unfallverhütungsvorschrift belastet werden. Negative Auswirkungen der Neukonzeption lassen sich insbesondere im Hinblick auf die jetzt fehlenden Degressionsmöglichkeiten ausmachen, d. h., große Unternehmen müssen mehr betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung einkaufen, als dies aufgrund der oftmals gleichartigen Tätigkeiten notwendig wäre. Die BDA wird sich weiter nachdrücklich dafür einsetzen, dass die neu gestaltete Regelbetreuung in der Summe nicht zu Mehrbelastungen der Betriebe führt. In der vorgesehenen Evaluation der Vorschrift wird die BDA darauf dringen, dass die Schwachstellen der Neuregelung eindeutig identifiziert und im Nachgang abgestellt werden.
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Debatte über „psychische Gesundheit“ versachlichen Die Diskussion über psychische Erkrankungen und den steigenden Anteil dieser Erkrankungen als Frühverrentungsursache hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Im Blickpunkt stehen dabei immer wieder die Arbeitswelt und die Veränderungen, die es in diesem Bereich gegeben hat. Behauptet wird, dass hier die zentralen Ursachen für psychische Erkrankungen und die Zunahme entsprechender Diagnosen liegen. Diese einseitige Behauptung und Betrachtung ist jedoch schlichtweg falsch und wird einer sachlichen Debatte über psychische Erkrankungen, ihre Vorbeugung und Heilung auch nicht gerecht. Richtig ist, dass dynamische gesellschaftliche Entwicklungen und die moderne Lebensweise starre und gewohnte Beziehungen in Frage stellen, was einerseits neue Freiheiten und Entscheidungsfreiräume eröffnet, andererseits zu neuen psychosozialen Belastungen führen kann. Ursachen für psychische Störungen können in der Person und ihrer Entwicklung, ihrem privaten Umfeld oder ihrer genetischen Prägung liegen, aber auch im Bezug zum Arbeitsverhältnis stehen. Dies zeigt, dass das Problem sehr komplex ist und es nicht den Schuldigen oder die Lösung gibt. Die Behauptung, dass die Arbeitswelt an allem schuld ist, lässt sich schon durch eine einzige Zahl widerlegen: Arbeitslose sind mehr als dreimal so häufig arbeitsunfähig aufgrund von psychischen Störungen als Beschäftigte! Den Betrieben ist die psychische Gesundheit ihrer Beschäftigten ein wichtiges Anliegen, und zwar schon im eigenen Interesse. Denn psychisch erkrankte Mitarbeiter sind weniger leistungsfähig bzw. fallen ggf. sogar ganz aus. Auch wenn der Grund psychischer Erkrankungen meist außerhalb des beruflichen Umfelds liegt, fördern deshalb viele Unternehmen die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter und haben dafür passgenaue Strategien entwickelt. Die Gesundheitsprogramme umfassen präventive Maßnahmen, wie Zeit- und Selbstmanagement, Sensibilisierung von Führungskräften, Stärkung der individuellen Widerstandskraft und
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Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Hinzu kommen kurative Angebote, wie Beratungsangebote von Psychologen für Beschäftigte, aber auch Sozialberatung inklusive Schuldnerberatung, Suchtberatung oder Hilfen zur Konfliktbewältigung. Immer mehr Unternehmen unterhalten hierzu eigene regionale Kompetenznetzwerke mit Fachkliniken oder Psychotherapeuten sowie Einrichtungen verschiedener Träger (z. B. Rentenversicherungsträger, Krankenkassen). Andere haben Mitarbeiter-Beratungsprogramme, die sog. Employee Assistance Programmes, aufgelegt. Was für die betriebliche Gestaltung der Arbeitsaufgaben zur menschengerechten Gestaltung der psychischen Belastung über das Arbeitsschutzgesetz bereits gefordert wird, ist ausreichend. Wie dies praxistauglich im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung erfolgen kann, wird u. a. derzeit im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie erarbeitet. Nicht vergessen werden darf, dass alle Experten und Fachärzte die salutogenetische, stabilisierende und persönlichkeitsförderliche Wirkung von Arbeit bei psychischen Störungen deutlich hervorheben. Die Betriebe werden ihren Beitrag leisten, um psychisch Erkrankten zu helfen und sie ggf. wieder einzugliedern. Aber die Unternehmen können nur Hilfestellung geben, denn das Thema „Psychische Störungen“ ist ein Puzzle mit vielen Ursachen und Faktoren und die Arbeitswelt ist nur ein Teil davon. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Psychische Gesundheit“
4. SGB-IV-Änderungsgesetz: Licht und Schatten Der Bundestag hat Anfang Dezember 2011 das 4. SGB-IV-Änderungsgesetz beschlossen. Danach unterliegen künftig alle Teilnehmer an dualen Studiengängen der Sozialversicherungspflicht. Die BDA hat in ihrer Stellungnahme und zahlreichen Gesprächen, u. a. mit dem federführenden Bundesarbeitsministerium und dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales, deutlich gemacht, dass eine Änderung des
sozialversicherungsrechtlichen Status von dual Studierenden unterbleiben muss. Die jetzt vorgesehene sozialversicherungsrechtliche Behandlung würde die betroffenen Betriebe nicht nur mit zusätzlichen Kosten, sondern auch mit enormem Bürokratieaufwand belasten.
Zudem werden nach den jetzt beschlossenen Änderungen künftig die Arbeitslosen- und Rentenversicherung – und nicht mehr der Bund – die Rentenbeiträge für behinderte Menschen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich von Werkstätten tragen. In gemeinsamen Schreiben mit
Psychische Erkrankungen: Arbeitslose deutlich stärker betroffen Arbeitsunfähigkeit durch psychische Störungen 2009; Krankheitstage je 100 Beschäftigte
in Tagen
800 700
678
600 524
500 406
400 300 197
200
153 115
100 0 Arbeitnehmer (beschäftigte Pflichtmitglieder)
Arbeitslose (ALG-I-Empfänger)
Gesamt Frauen Männer Quelle: BKK-Bundesverband, 2010
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dem DGB an die Bundesregierung und die Koa litionsfraktionen hat die BDA die geplante Entlastung des Bundeshaushalts zu Lasten der Sozialversicherung bei den Rentenbeiträgen für in Werkstätten beschäftigte behinderte Menschen scharf kritisiert. Eindeutig gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie eine besondere rentenrechtliche Absicherung für Behinderte dürfen nicht auf die Beitragszahler verlagert werden. Zumindest konnte eine rückwirkende Regelung hierzu abgewendet werden. Damit ist es gelungen, eine Mehrbelastung der Renten- und Arbeitslosenversicherung i. H. v. über 500 Mio. € zu vermeiden. Beschlossen wurden ebenfalls Regelungen zur Umsetzung einer optionalen elektronischen Betriebsprüfung. Hier hat die BDA die wichtige Klarstellung erreicht, dass diese elektronische Betriebsprüfung nur „im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber“ möglich ist, also allein auf freiwilliger Basis erfolgen kann. Sehr zu begrüßen ist, dass – wie von der BDA gefordert – Freistellungen aus betrieblichen Arbeitszeitkonten erleichtert werden. Künftig bleibt auch bei einer Freistellung von bis zu drei Monaten das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis erhalten, was das für die betriebliche Praxis enorm wichtige Instrument der Arbeitszeitkonten weiter stärkt.
Elektronisches „Datenaustausch verfahren Entgeltersatzleistungen“ stetig vereinfachen Am 1. Juli 2011 hat das elektronische „Datenaustauschverfahren Entgeltersatzleistungen“ das bisherige papierbezogene Kommunikationsverfahren zwischen Arbeitgebern und Sozialversicherung abgelöst. Nach einer Phase der freiwilligen Teilnahme an dem Verfahren zur Berechnung von Krankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld und Mutterschaftsgeld erfolgte nunmehr der verpflichtende Umstieg von Papier auf Elektronik – sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Sozialversicherung. Um die Umsetzung in den Unternehmen zu vereinfachen, wurde im Vorfeld und unter Mitwirkung der BDA sowie Mitgliedern des
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BDA-Arbeitskreises Lohnabzugsverfahren eine umfängliche Praxiskommentierung der Datensätze erstellt. Der BDA ist es zudem gelungen, für einige unter Umsetzungsgesichtspunkten problematische Vorgaben im Datensatz praxisgerechte Lösungen zu finden. Allerdings konnten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung – insbesondere aufgrund gesetzlicher Vorgaben – nicht alle Forderungen erfüllen. Die noch offenen Punkte hat die BDA bereits mit dem Bundesarbeitsministerium erörtert. Um den Umfang der zu meldenden Datensätze und damit den Meldeaufwand der Arbeitgeber zu reduzieren, macht sich die BDA zudem seit langem und gemeinsam mit den Krankenkassen dafür stark, die Berechnung des Krankengelds erheblich zu vereinfachen. Die BDA wird in ihren diesbezüglichen Vereinfachungsbemühungen nicht nachlassen und weiter gegenüber Politik und Ministerien Änderungen einfordern.
Aus von ELENA darf nicht das Ende von Reformbemühungen sein Mitte Juli 2011 hat die Bundesregierung darüber informiert, dass das ELENA-Verfahren schnellstmöglich eingestellt werden soll. Als Begründung wurde die fehlende flächendeckende Verbreitung der für das Verfahren notwendigen sog. qualifizierten elektronischen Signaturen (QES) genannt. Ende September beschloss der Bundestag die Einstellung des ELENA-Verfahrens in zweiter und dritter Lesung und Anfang November hat auch der Bundesrat die entsprechenden Regelungen gebilligt. Die ELENA-Kehrtwende der Bundesregierung bedeutet für die Betriebe, dass Investitionen und Arbeit umsonst waren. Die Wirtschaft bleibt auf über 100 Mio. € Kosten sitzen, und das für eine originär staatliche Aufgabe (Berechnung und Auskehrung von Sozialleistungen), für deren Übernahme es keinerlei Entschädigung gibt. Leider hat die Bundesregierung – im Gegensatz zu den Arbeitgebern – ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Obwohl von Anfang an bekannt war, dass der hohe Datenschutzstandard des ELENA-Verfahrens die Verbreitung der QES
voraussetzt, hat sie es trotz aller Warnungen versäumt, die Verbreitung der Signatur rechtzeitig zu gewährleisten. Jetzt gilt es zu vermeiden, dass einfach nur zum früheren Rechtszustand zurückgekehrt wird und die Betriebe damit weiterhin millionenfach papierbezogene Entgeltbescheinigungen für ihre Beschäftigten ausstellen müssen. Zudem müssen die heutigen, unnötig bürokratischen und nicht aufeinander abgestimmten Meldeverfahren zwischen Arbeitgebern und öffentlicher Verwaltung endlich auf den Prüfstand gestellt und angepasst werden. Bei beiden Forderungen der BDA ist die Bundesregierung offenbar gewillt, auf die Arbeitgeber zuzugehen. So hat das Bundeskabinett Ende September das Bundesarbeitsministerium mit der Durchführung des Projekts „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ beauftragt. Alle Meldeverfahren in der Sozialversicherung sollen auf Optimierungs- und Vereinfachungspotenzial hin überprüft werden. Damit greift die Bundesregierung eine zentrale BDA-Forderung auf. Die BDA hatte bereits im letzten Jahr ein entsprechendes Papier zur (IT-)Zukunft in den Arbeitgebermeldeverfahren vorgelegt (www.arbeit geber.de > Themen > Soziale Sicherung > Beitrags- und Melderecht), welches zusammen mit Unternehmen und Verbänden erarbeitet worden war. Die BDA wird das Projekt beim Bundesarbeitsministerium eng begleiten und die Erfahrungen und Anregungen der Unternehmen einbringen.
Sozialwahlen 2011 erfolgreich durchgeführt In diesem Jahr haben zum elften Mal die Sozialwahlen in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung stattgefunden. Insgesamt wurden bei 206 Versicherungsträgern die Mitglieder der Selbstverwaltung gewählt. Die Trägerzahl von 340 im Jahr 2005 hat sich damit stark verringert. Dies liegt vor allem an dem anhaltenden Konzentrationsprozess in der gesetzlichen Krankenversicherung, aber auch an den Organisationsreformen in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung. Bei
196 Sozialversicherungsträgern fanden sog. Friedenswahlen statt, d. h., die Wahlen erfolgten ohne Wahlhandlung und die vorgeschlagenen Bewerber galten mit Ablauf des Wahltags als gewählt. Bei den Wahlen mit Wahlhandlung lag die Wahlbeteiligung in diesem Jahr im gewichteten Durchschnitt bei 30,0 % und damit leicht unter der Wahlbeteiligung bei der letzten Sozialwahl (30,8 %). Die BDA hat die Sozialwahlen auf Arbeitgeberseite bei fünf Sozialversicherungsträgern vorbereitet. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, der Verwaltungsberufsgenossenschaft und der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe ist die BDA Listenträger und hat dementsprechend mit den Mitgliedsverbänden die Sitzverteilung für die nächste Amtsperiode abgestimmt, die erforderlichen Dokumente zusammengestellt und die Listen eingereicht. Bei der Techniker Krankenkasse hat die BDA erstmals – gemeinsam mit dem ZDH und der Zahntechnikerinnung – eine Liste für den Verwaltungsrat zusammengestellt. Durch Fusionen mit Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen sind zwischenzeitlich drei von sechs Ersatzkassen paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern selbst verwaltet. Auch im Verband der Ersatzkassen sind nach den Sozialwahlen 2011 die Arbeitgeber in der Mitgliederversammlung und im Gesamtvorstand tätig. Die BDA wirkt auch selbst aktiv für die Arbeitgeber in der Selbstverwaltung mit: in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Herrn Gunkel als alternierenden Vorsitzenden des Bundesvorstands der Deutschen Rentenversicherung Bund, in der gesetzlichen Krankenversicherung durch Herrn Dr. Hansen als alternierenden Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbands und durch Frau Osing als Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und der VerwaltungsBerufsgenossenschaft.
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Arbeitnehmerdatenschutz Bürokratieabbau Familienpflegezeit Spartengewerkschaft Pseudonymisierung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Betriebsübergang Streiks
Selbstverpflichtung Berichts- und Meldepflichten Beruf und Pflege Wertguthaben Arbeitskampf Europäische Betriebsräte Jugendarbeitslosigkeit Urlaubsansprüche Bundesarbeitsgericht Frauen in Führungspositionen Arbeitsvertrag Tarifeinheit Pseudonymisierung Höchstarbeitszeit Arbeitsrecht Befristungsrecht Whistleblowing Arbeitszeitrichtlinie Koalitionsfreiheit Befristungsrecht Tarifordnung Compliance Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Rechtssicherheit Arbeitszeitgesetz Arbeitskampf EuGH Spartengewerkschaft Betriebsübergang Bürokratieabbau Whistleblowing Beruf und Pflege Urlaubsansprüche Bundesfamilienministerium Korruption Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Europa-GmbH Rechtsprechung Tarifordnung Wertguthaben Mitbestimmungsgesetz 1976 Selbstverpflichtung Arbeitsvertrag Compliance Arbeitsrecht Europa-GmbH Frauenquote Arbeitszeitrichtlinie EuGH Frauen in Führungspositionen Frauenquote Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Jugendarbeitslosigkeit Arbeitszeitgesetz Berichts- und Meldepflichten Koalitionsfreiheit Arbeitnehmerdatenschutz Rechtsprechung Arbeitszeitrichtlinie Streiks Bundesfamilienministerium Pseudonymisierung Bundesarbeitsgericht Europäische Betriebsräte Höchstarbeitszeit Korruption Mitbestimmungsgesetz 1976 Familienpflegezeit Compliance Rechtssicherheit
Die Tarifeinheit ist Voraussetzung für eine funktionsfähige Tarifauto nomie Die Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Tarifeinheit vom 7. Juli 2010 hat tiefgreifende Konsequenzen für die Tarifautonomie und zeigte schon 2011 erste negative Auswirkungen. Mehrere neue Spartenorganisationen haben sich formiert. Erste tarifeinheitswidrige Streiks 2010 und 2011 bei den Privatbahnen des Personennahverkehrs belegen schneller als erwartet die Fehlentwicklungen, zu denen ein Tarifrecht ohne Tarifeinheit führt. Die BDA fordert den Gesetzgeber mit Nachdruck auf, diese Entwicklungen nicht tatenlos hinzunehmen und endlich eine mehrfach zugesagte gesetzliche Regelung in Angriff zu nehmen.
Die Tarifeinheit unterstützt die Ordnung des Arbeitslebens Das deutsche System der Flächen- und Branchentarifverträge ist auf die Tarifeinheit angewiesen. Ohne die Tarifeinheit ist der Flächentarifvertrag, den die Sozialpartner in den letzten Jahren nachhaltig modernisiert und insbesondere durch Öffnungsklauseln flexibler gestaltet haben, im Kern gefährdet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen wissen, woran sie sind und was für sie gilt. Dies sichert die Tarifeinheit. Treffen in einem Betrieb mehrere Tarifverträge aufeinander, die sich in ihrem persönlichen, sachlichen oder fachlichen Geltungsbereich überschneiden, muss sich ein Tarifvertrag durchsetzen. Das gilt im Fall der Tarifkonkurrenz, es gilt ebenso im Fall der Tarifpluralität. Für Arbeitnehmer, die dasselbe tun und deren Arbeitsabläufe aufeinander abgestimmt sind, muss im Betrieb im Ergebnis eine Regelung gelten, die das Zusammenarbeiten unterstützt und Friktionen verhindert. Die Tarifeinheit stellt dies sicher. Die Bedeutung der Tarifeinheit erschöpft sich nicht in dieser Ordnungsfunktion, sie ist ebenso unerlässlich für die Sicherung der Friedensfunktion des Tarifvertragssystems. Setzt sich bei
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konkurrierenden Tarifverträgen ein Tarifvertrag durch, ist der Arbeitskampf um einen weiteren, sich mit diesem durchsetzenden Tarifvertrag überschneidenden Tarifvertrag unverhältnismäßig. Ein Arbeitskampf für einen Tarifvertrag, der niemals zur Anwendung kommen kann, also nur des Organisationsinteresses wegen geführt wird, ist von der Koalitionsfreiheit nicht geschützt. Eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit muss diese beiden Elemente der Tarifautonomie, die Ordnungsfunktion der Arbeitsbeziehungen und die Friedensfunktion des Tarifvertragssystems als einer durchgreifenden Friedensordnung, sichern. Dies kann durch eine klarstellende Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes geschehen, wie sie BDA und DGB ursprünglich gemeinsam vorgeschlagen haben.
Der Vorschlag sichert die Friedens ordnung des Tarifvertragssystems Nach dem Vorschlag sollte das Tarifvertragsgesetz durch zwei schlanke Regelungen ergänzt werden.
Bei sich überschneidenden, konkurrierenden Tarifverträgen soll derjenige Vorrang haben, an den die meisten Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb gebunden sind. Schon bisher ist dieses Repräsentativitätsprinzip von der Rechtsprechung dann angewendet worden, wenn mehrere Tarifverträge sich in ihrem Geltungsbereich überschnitten haben und das zur Ermittlung des vorrangigen Tarifvertrags als primäres Kriterium angewendete Spezialitätsprinzip kein befriedigendes Ergebnis gebracht hat.
Ergänzt wird diese Klarstellungs- und Ordnungsfunktion durch eine gesetzliche Regelung der Friedenspflicht, wie sie seit jeher von der Rechtsprechung anerkannt ist. Während der Laufzeit eines Tarifvertrags, der für den Betrieb und die in ihm beschäftigten Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der Tarifeinheit maßgeblich ist, gilt Friedenspflicht für alle Tarifverträge und Tarifforderungen. Nach Ablauf der Friedenspflicht des repräsentativeren Tarifvertrags kann jede Gewerkschaft
ihre Forderungen geltend machen und ggf. um diese Ziele auch einen Arbeitskampf führen. Wie bisher bedeutet dieser Vorschlag kein Monopol für bestimmte Tarifvertragsparteien. Er schafft vielmehr Rechtsklarheit für den Fall einer Kollision unterschiedlicher Tarifverträge. Tarifeinheit hat nie bedeutet und wird auch künftig nicht bedeuten, dass Monopole für Tarifverhandlungen geschaffen werden. Es wird auch in Zukunft unterschiedliche Gewerkschaften geben und es wird Konkurrenz und Wettbewerb zwischen Gewerkschaften geben. Es soll lediglich sichergestellt sein, dass entsprechend bisherigen Grundsätzen Klarheit darüber besteht, welcher Tarifvertrag angewendet wird, und dass während der Laufzeit des vorrangigen Tarifvertrags Friedenspflicht besteht. Der Regelungsvorschlag zur Tarifeinheit steht einer vereinbarten Tarifpluralität ebenfalls nicht entgegen. Wenn Tarifverträge sich in ihrem Anwendungsbereich nicht überschneiden, können beide Tarifverträge im Betrieb angewendet werden. Einvernehmlich können mit unterschiedlichen Gewerkschaften für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen Tarifverträge vereinbart werden. Die Rechtslage für solch eine vereinbarte Tarifpluralität bleibt völlig unverändert. Das gilt auch für die Bildung von Tarifgemeinschaften verschiedener Gewerkschaften, die unverändert möglich sind. Der Vorschlag verhindert allein, dass die Tarifautonomie durch eine Vielzahl sich überschneidender Tarifverträge beliebig zerlegt werden kann. Der Vorschlag verhindert damit, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit damit rechnen müssen, Arbeitskämpfen einzelner Spartenorganisationen ausgesetzt zu werden. Solche Spartenarbeitskämpfe tragen den Streik in die Betriebe hinein, aus denen ihn das höchst erfolgreiche System des deutschen Branchen- und Flächentarifvertrags gerade heraushalten soll.
dass Tarifverhandlungen mit unterschiedlichen Gewerkschaften und daraus resultierende etwaige Arbeitskämpfe synchronisiert werden. Die Kooperation unterschiedlicher Tarifakteure wird durch die Tarifeinheit gestützt und durch ihre gesetzliche Regelung zunehmen.
Vorschlag für gesetzliche Rege lung sichert Koalitionsfreiheit Da es arbeits- oder tarifrechtliche Gründe gegen die Tarifeinheit nicht gibt, hat sich die Diskussion über eine gesetzliche Regelung immer stärker auf das Verfassungsrecht verlagert. Auch dabei zeigt sich: Die gegen die Tarifeinheit erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind unbegründet. Das hat zuletzt auch ein umfangreiches Gutachten von Herrn Prof. Papier, das mittlerweile in der Zeitschrift für Arbeitsrecht (ZfA) erschienen ist, nachdrücklich bestätigt. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts kommt vor dem Hintergrund seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Rechtsprechung dieses Verfassungsorgans zu Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie über viele Jahrzehnte zu dem Ergebnis, dass die vorgeschlagene gesetzliche Regelung der Tarifeinheit kein Eingriff in die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG ist. Der Vorschlag beschränkt sich vielmehr auf deren Ausgestaltung und ist damit als Beitrag für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie in vollem Umfang durch das Grundgesetz gedeckt. Dem Gesetzgeber kommt ein großer Entscheidungsspielraum zu, wie er das Tarifvertragssystem funktionsfähig halten will. Mit einer entsprechenden gesetzlichen Regelung füllt er diesen Entscheidungsspielraum in verfassungsmäßiger Weise aus. Keine Spartengewerkschaft wird in ihrer Existenz in Frage gestellt werden. Sämtliche großen Spartenorganisationen haben sich in der Zeit der Rechtsprechung des BAG zur Tarifeinheit gebildet.
Über 50 Jahre hat dies die Tarifeinheit verhindert. Ohne sie wäre das bestehende System einer tariflichen Friedensordnung, wie sie der Branchentarifvertrag verkörpert, nicht möglich. Diese Friedensordnung führt im Ergebnis dazu,
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Tarifeinheitswidrige Streiks unter graben erfolgreiche Tarifordnung Die Gefahren für die Tarifautonomie unterstreichen nachdrücklich die beiden Arbeitskämpfe der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die diese seit Herbst des vergangenen Jahres bei den kommunalen Verkehrsbetrieben in Bayern geführt hat und seit dem Sommer dieses Jahres bei den Privatbahnen des öffentlichen Nahverkehrs führt. Die GDL nutzt mit diesen Streiks die Möglichkeiten aus, die sich ihr durch die Änderung der Rechtsprechung des BAG bieten. Sie überzieht die Privatbahnen mit Streiks, um für einen Teil der Belegschaften Sonderkonditionen zu erreichen, obwohl dort für alle Arbeitnehmer – also auch für die Lokomotivführer – ein Tarifvertrag mit der Mehrheitsgewerkschaft gilt. Das Muster für solche Streiks ist immer dasselbe. Der Arbeitgeber oder der Arbeitgeberverband bietet den beteiligten Gewerkschaften Verhandlungen an. Teilweise kommt es – wie bei den Privatbahnen – nach langwierigen Verhandlungen zu einem Schlichtungsverfahren, zu dem die Spartengewerkschaft sogar ausdrücklich eingeladen wird. Diese Möglichkeit des Mitwirkens lehnt die Spartenorganisation aber von vorneherein ab oder sie zieht sich im Laufe der Verhandlungen – teilweise kurz vor deren Abschluss – zurück. Der Tarifvertrag wird dann nur von der Mehrheitsgewerkschaft und dem Arbeitgeber oder dem Arbeitgeberverband unterschrieben. Im Anschluss stellt die Spartengewerkschaft für die von ihr vertretene Klientel eine über die für die Mehrheit der Arbeitnehmer geltenden Beschäftigungsbedingungen hinausgehende Tarifforderung, die sie mit einem Streik durchzusetzen versucht. Da die Spartenorganisation trotz ihrer häufig geringen Gesamtmitgliederzahl aufgrund der Stellung ihrer Arbeitnehmer im Unternehmen ein hohes Druckpotenzial hat, wird der Arbeitgeber sehr genau abwägen müssen, ob er der Forderung aus wirtschaftlichen Gründen nachkommt. Kommt es zu einem solchen zweiten Abschluss, bestehen mehrere sich teilweise überschneidende Tarifverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten
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nebeneinander – und es ist unklar, welcher Tarifvertrag für wen gilt. Wie von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft für die Privatbahnen angekündigt, besteht darüber hinaus die große Gefahr, dass im Anschluss an den Abschluss mit der Spartengewerkschaft die Mehrheitsgewerkschaft Nachforderungen stellt, weil sie ihre Mitglieder benachteiligt sieht. Das kann eine Spirale aufeinanderfolgender Streiks und Arbeitskämpfe mit allen negativen Konsequenzen für die Betriebe und Kunden auslösen. Die GDL geht diesen Weg schon das zweite Mal. Bereits im Herbst 2010 hatte sie die bayerischen kommunalen Verkehrsbetriebe bestreikt, um nach Tarifvereinbarungen mit der Mehrheitsgewerkschaft Sonderabschlüsse für die U-Bahn-, Straßenbahn- und Busführer in Bayern zu erzwingen. Hierbei hat sie einen ergänzenden Tarifvertrag erstreikt, obwohl auch in den Unternehmen der kommunalen Verkehrsbetriebe bereits ein Tarifvertrag für alle Arbeitnehmer gegolten hat. Dieses Verhalten untergräbt die friedenstiftende Wirkung des Branchentarifvertrags und trägt den Arbeitskampf für einzelne Berufsgruppen mitten in die Unternehmen hinein. Hat mit diesem Verhalten erst einmal eine Gewerkschaft Erfolg, werden sich weitere Gewerkschaften bilden, die versuchen, den erfolgreich agierenden Spartengewerkschaften nachzueifern. Ein besonders nachdrückliches Beispiel für die Gründung einer solchen neuen Spartenorganisation ist die Deutsche Feuerwehrgewerkschaft, die sich am 1. Mai 2011 gegründet hat und für die Gruppe der Feuerwehrleute eigenständige Tarifverträge anstrebt. Ohne Betriebsfeuerwehren können große Industrieanlagen schon aus feuerpolizeilichen Gründen nicht mehr betrieben werden. Das Streikverhalten bestehender Spartengewerkschaften und die dadurch gesetzten Anreize für die Gründung neuer Spartenorganisationen zeigen den erheblichen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Tarifeinheit“
Arbeitnehmerdatenschutz – ein wichtiges Anliegen der Betriebe Arbeitnehmerdatenschutz braucht rechtssichere Regelungen. Zu Recht haben sich die Koalitionspartner im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, die geltenden Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes zum Beschäftigtendatenschutz durch praxisgerechte Regelungen für Arbeitnehmer und Bewerber zu ersetzen, die Arbeitgebern eine verlässliche Grundlage z. B. für den Kampf gegen Korruption an die Hand geben. Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf vom Sommer 2010 hat dieses Ziel aber verfehlt. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass im federführenden Innenausschuss des Bundestags jetzt über Formulierungsvorschläge nachgedacht wird, die den Gesetzentwurf in wesentlichen Punkten nachbessern. Der Arbeitnehmerdatenschutz regelt die datenschutzrechtlichen Beziehungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, er betrifft ebenso vielfältige betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen. Unstreitig ist der Datenschutz auch im öffentlichen Arbeitsschutzrecht verortet. Dies darf aber nicht dazu führen, die vielfältigen arbeitsvertragsbezogenen Elemente dieses Rechtsgebiets zu wenig zu berücksichtigen. Die ambivalente Einordnung dieses komplexen Rechtsgebiets führt zu einer großen Zahl von Fragen, die nicht angemessen gelöst werden können, wenn ausschließlich der öffentlich-rechtliche Charakter des Datenschutzes in den Vordergrund gestellt wird. Nach der Struktur des Datenschutzes steht der Arbeitgeber als speichernde Stelle einer staatlichen Behörde in vielem gleich. Das ist nicht falsch. Im Beschäftigungsverhältnis treten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer allerdings nicht gegenüber wie der Polizeibeamte dem Falschparker. Beide Partner des Arbeitsvertrags begegnen sich, anders als im Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger, auf derselben Ebene. Für beide sind daher rechtssichere und überschaubare Vorgaben zur Regelung ihrer Beziehung unverzichtbar, die für ergänzende Vereinbarungen Raum schaffen.
Das wesentliche Gestaltungsinstrument im Arbeitsrecht ist der Arbeitsvertrag, modifiziert und weiterentwickelt durch kollektivrechtliche Vereinbarungen wie Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge. Zu Recht sehen die Formulierungsvorschläge vor, diesen Vereinbarungen mehr Spielräume zu belassen. Passgenaue Regelungen zum Datenschutz, sei es auf betrieblicher, sei es auf individueller Grundlage, sind für die Praxis dieser schwierigen und nur von wenigen Arbeitsrechtswissenschaftlern vollständig durchdrungenen Materie unerlässlich. Der Arbeitnehmerdatenschutz benötigt zwingend weiter gehende Erlaubnistatbestände, auf deren Grundlage jenseits gesetzlicher Bestimmung Datenerhebung, -nutzung und -verarbeitung möglich sind. Nach den nun diskutierten Vorschlägen sollen Betriebsvereinbarungen und Einwilligungen als Ermächtigungsgrundlagen – neben tariflichen Bestimmungen – für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten zu Recht in weitem Umfang bestehen bleiben. Da tarifliche Regelungen zum Datenschutz selten sind, bleiben als Gestaltungsinstrumente faktisch die Betriebsvereinbarungen und die arbeitsvertragliche oder später erteilte Einwilligung. Beide Instrumente werden durch die jetzt diskutierten Vorschläge nochmals als Ermächtigungsgrundlagen bestätigt.
Bekämpfung von Korruption und Kriminalität unterstützen Arbeitgeber und Betriebe sind durch vielfältige gesetzliche Vorschriften zur Überprüfung der Einhaltung von Gesetzen verpflichtet. Hierzu benötigen sie im Einzelfall auch Daten, die sie ohne Kenntnis des Beschäftigten erheben müssen. Die hierfür entscheidende Norm des Gesetzentwurfs bedarf der Anpassung an diese betrieblichen und gesetzlichen Anforderungen. Es ist richtig, dass Daten grundsätzlich beim Betroffenen direkt erhoben werden. In der betrieblichen Praxis ist es jedoch so, dass auch Zufallsfunde, die ursprünglich nur Verstöße von geringerem Gewicht betreffen, immer wieder Pflichtverstöße, auch schweren Umfangs, aufdecken helfen.
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Die Voraussetzung für die Erhebung von Daten auch nach den Formulierungsvorschlägen ist demgegenüber, dass der Verdacht einer Straftat oder eine besonders schwere Pflichtverletzung vorliegt. Die Begründung spricht sogar von einer Pflichtverletzung, die eine Kündigung im Sinne des § 626 BGB – also eine außerordentliche Kündigung – rechtfertigen kann. Das ist zu eng; werden Regelverstöße erkennbar, muss der Arbeitgeber, unabhängig von der Schwere der Verstöße, weitere Aufklärungsmaßnahmen ergreifen können. Zumindest aber muss klargestellt werden, dass Daten ohne Kenntnis des Beschäftigten auch dann erhoben werden dürfen, wenn der Arbeitgeber zur Überprüfung der Einhaltung von Rechtsvorschriften dazu verpflichtet ist und hierfür entsprechende Daten benötigt, wie dies z. B. nach dem Aktiengesetz der Fall ist. Ebenso unverzichtbar ist für die Bekämpfung und Vermeidung von Korruption und Kriminalität häufig ein Datenabgleich. Zu Recht gestatten die Formulierungsvorschläge den Datenabgleich auch zur Verhinderung von Straftaten. Wegen der damit möglicherweise verbundenen Berührung des Persönlichkeitsrechts kann man erwägen, zur Vorbereitung der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten, einem personalisierten Datenabgleich einen pseudonymisierten Datenabgleich vorauszuschicken. Ein solcher pseudonymisierter Datenabgleich wahrt die Interessen und Rechte der Arbeitnehmer ausreichend und stellt keine übermäßigen Anforderungen an Arbeitgeber dar, effektiv Auffälligkeiten nachzugehen. Eine dem noch vorgeschaltete Anonymisierung würde demgegenüber keinen Mehrwert bringen, faktisch aber den Datenabgleich als Mittel der Tatverhinderung und der Tataufklärung erheblich erschweren. Daher sollte, wenn der Datenabgleich an eine vorgeschaltete Pseudonymisierung geknüpft wird, eine weitere Bürokratisierung durch eine vorgeschaltete Anonymisierung unbedingt unterbleiben. Die Aufklärung von Straftaten und Delikten durch eine gezielte nicht öffentlich gemachte Videoüberwachung in für die Allgemeinheit nicht zugänglichen Bereichen eines Unternehmens muss möglich bleiben. Für diesen engen Bereich bestehen schon heute klare und restriktive Regelungen, die nach der Rechtsprechung befolgt werden
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müssen. Diese restriktiven Regelungen schützen die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Sie zu kodifizieren, wäre sinnvoll. Warum der Gesetzgeber den Weg geht, gezielte nicht öffentliche Video überwachung vollständig auszuschließen, ist daher nicht verständlich. Er muss dies überdenken und eine gezielte nicht öffentlich gemachte Videoüberwachung zulassen. Zu begrüßen ist, dass mit den Formulierungsvorschlägen der Versuch unternommen werden soll, das Verhältnis des Datenschutzes zum Telekommunikationsrecht klarzustellen. Der Arbeitgeber ist auch dann nicht vergleichbar mit großen internationalen Telekommunikationsanbietern, wenn er seinen Beschäftigten die Nutzung seiner Telekommunikationsanlagen ausnahmsweise auch zum privaten Gebrauch erlaubt, und kann daher schon sinnlogisch nicht Anbieter im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sein. Eine entsprechende Klarstellung wird schon lange in Literatur und Rechtsprechung gefordert. Auch Landesarbeitsgerichte gehen bereits heute davon aus, dass die Rolle als Diensteanbieter im Sinne von TKG und Telemediengesetz nicht zur Position des Arbeitgebers passt. Daher sind die Klarstellung und Bestätigung dieser Rechtsprechung besonders wichtig.
Datenschutz betriebspraktisch ausgestalten Durch die betriebliche Praxis geboten sind ebenfalls Regelungen, den Datenaustausch im Konzern und in Unternehmensverbänden zu erleichtern. Eine solche Ergänzung des Datenschutzes bedeutet eine praxisgerechte Fortentwicklung. Der Datenaustausch zwischen verbundenen Unternehmen darf nicht so langwierig und bürokratisch erfolgen wie zwischen völlig unverbundenen Dritten. Die Erwägungen des Innenausschusses gehen in die richtige Richtung, sie müssen weiter verbessert und für die betriebliche Praxis, für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber noch nachgearbeitet werden. Die Berichterstatter haben erste wichtige Schritte eingeleitet. Diese eingeleiteten Wege unterstützt die BDA in vollem Umfang.
Datenschutz ist den Arbeitgebern ein ebenso wichtiges Anliegen wie die Sicherheit der Unternehmensdaten. Daher ist es widersprüchlich, zwischen Compliance, also der Einhaltung von Gesetzen, auf der einen Seite und der Einhaltung von Datenschutzvorschriften auf der anderen Seite einen Widerspruch zu konstruieren. Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen gehört zur guten Unternehmensführung. Ebenso darf sich aber der Datenschutz nicht in Widerspruch zur Einhaltung sonstiger gesetzlicher Vorschriften setzen. Er nimmt vielmehr Anteil an ihr und unterstützt sie.
Dies machen die Formulierungsvorschläge des Bundesinnenministeriums und die Anstrengungen der Berichterstatter der Koalitionsfraktionen weit besser deutlich als der ursprüngliche Gesetzentwurf, auch wenn die jetzt auf dem Tisch liegenden Erwägungen in Fragen des Datenabgleichs, der Datenerhebung im Beschäftigungsverhältnis und der Videokontrolle an verschiedenen Stellen weiterer Nachbesserung bedürfen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Arbeitnehmerdatenschutz“
Der Fall Heinisch – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unverständlich Die Klägerin war als Altenpflegerin beschäftigt. Sie hat gegenüber ihrer Arbeitgeberin Mängel bei der Pflege geltend gemacht. Nachdem es zu keiner Einigung hinsichtlich der Bewertung dieser Mängel gekommen war, erstattete die Klägerin Strafanzeige wegen besonders schweren Betrugs. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Klägerin wiederholte diesen Vorwurf und verteilte mit ver.di Flugblätter. Dadurch erfuhr die Arbeitgeberin von der Strafanzeige und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Da die Klägerin keine belastbaren Tatsachen für ihre Vorwürfe vortragen konnte, war die Kündigung wirksam. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sieht in der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Er hat der Klägerin einen Schadensersatzanspruch zugesprochen, da im Pflegebereich – so das einzige Argument des EGMR – ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehe. Der EGMR hat dabei die bisherige Rechtsprechung und die geltende Rechtslage in Deutschland grundsätzlich gebilligt. Er hat den Grundsatz des Vorrangs eines innerbetrieblichen Klärungsversuchs bekräftigt und auch die Möglichkeit von Sanktionen für eine missbräuchliche oder leichtfertige Anzeige bestätigt. Diese Sanktionsmöglichkeit ist unverzichtbar, da Anzeigen mit dem Willen, dem eigenen Arbeitgeber zu schaden oder sich an diesem zu rächen, nicht nur den Achtungsanspruch des Arbeitgebers beschädigen, sie greifen vielfach auch tief in die Rechte von Kollegen im Unternehmen ein. Es ist eine Frage des Respekts und der Achtung gerade auch von Mitarbeitern untereinander, dass betriebliche Regelungen eingehalten werden und zuerst eine innerbetriebliche Klärung gesucht wird. Die Entscheidung des EGMR vom 21. Juli 2011 ist somit kein Freibrief für Whistleblower; sie ist vielmehr als Einzelfallentscheidung anzusehen. Auch künftig gilt: Haltlose Anschuldigungen sind nicht zulässig. Eine missbräuchliche oder leichtfertige Benachrichtigung von Dritten ist nicht ohne weiteres möglich. Die Bundesregierung hat ihre Möglichkeit zur Einlegung einer Rechtsbeschwerde bei der Großen Kammer des EGMR zu Unrecht nicht genutzt.
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Whistleblowing – neue Gesetze überflüssig Vielfach wird im Kontext des Arbeitnehmerdatenschutzes eine Regelung zum sog. Whistleblowing diskutiert. Als Whistleblower versteht man im Arbeitsrecht einen Hinweisgeber, der Dritte über tatsächliche oder angebliche Missstände informiert, von denen er an seinem Arbeitsplatz erfährt. Unzweifelhaft berührt solches Whistleblowing die Daten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Es aber alleine in den Kontext zum Datenschutz zu stellen, greift zu kurz. Vor allem wird durch diesen künstlichen Kontext verschleiert, dass es längst in verschiedenen Gesetzen, wie z. B. dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder dem Arbeitsplatzschutzgesetz, entsprechende gesetzliche Vorschriften gibt. Darüber hinaus gilt das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) schon seit vielen Jahren enthaltene Maßregelungsverbot. Kein Arbeitnehmer darf von seinem Arbeitgeber gemaßregelt werden, weil er seine Rechte in gesetzmäßiger Form wahrnimmt. Der Arbeitnehmer darf also schon heute gutgläubig tatsächliche Fehlentwicklungen im Unternehmen anzeigen, und, soweit z. B. hochrangige Rechtsgüter betroffen sind, dies auch unmittelbar und ohne Einhaltung des innerbetrieblichen Beschwerdewegs gegenüber staatlichen Stellen. Er darf ein solches Beschwerderecht – auch dies ist gesichert und richtig – aber nicht dazu missbrauchen, seinen Arbeitgeber zu belasten, ohne tatsächlich die Rechtsordnung wahren zu wollen. Ziel von Whistleblowing muss immer die Bewahrung der Rechtsordnung sein. Das Motiv, dem Arbeitgeber oder anderen Arbeitnehmern zu schaden, darf nicht durch gesetzliche Regelungen privilegiert werden. Die Beweislast hierfür trägt der Arbeitnehmer. Diese Beweislastverteilung ist angemessen und muss gesichert bleiben. Alles andere liefe darauf hinaus, dem Arbeitgeber den Entlastungsbeweis aufzuerlegen. Dies widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Beweislast für häufig schwerwiegende Anschuldigungen trägt der Anschuldigende, nicht derjenige, der beschuldigt wird. Kann der Arbeitnehmer daher nicht
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darlegen, dass seine Beschuldigungen den Tatsachen entsprechen und dass er diese auch im Bewusstsein abgebeben hat, die Rechtsordnung zu bewahren und nicht Dritte zu schädigen, gibt es keinen guten Glauben in die Rechtmäßigkeit des eigenen Tuns. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > argumente > „Whistleblowing“
Frauenquote – Selbstverpflich tung macht gesetzliche Regelun gen überflüssig Eine Steigerung des Anteils von Frauen in Führungspositionen ist unverzichtbar. Dies wird auch in der Selbstverpflichtung der Dax-30-Unternehmen vom 17. Oktober 2011 auf der Basis der gemeinsamen Erklärung zu Frauen in Führungspositionen vom 30. März nochmals deutlich. Die BDA begrüßt, dass die Unternehmen sich zu einem verbindlichen Fahrplan für mehr Frauen in Führungspositionen entschieden haben. Der Anteil von Frauen in Leitungsfunktionen wird in den nächsten Jahren – dies zeigen die Entwicklungen der vergangenen Jahre – deutlich an Breite und Tiefe gewinnen. Bei den Dax-30-Unternehmen wurden bereits 2011 bei den Nachwahlen der frei gewordenen Stellen in den Aufsichtsräten mehr als 40 % von Frauen eingenommen. Diese Steigerung des Frauenanteils in Aufsichtsräten darf nicht durch gesetzliche Regelungen mit bürokratischen neuen Berichts- und Meldepflichten überfrachtet werden. Aufsichtsräte können für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren in ihr Amt gewählt werden. Daher sind Berichtspflichten im Jahresrhythmus nicht sinnvoll. Ein fünfjähriger Betrachtungszeitraum ist auch deswegen unverzichtbar, weil ein erfahrener und qualifizierter Aufsichtsrat nicht allein deswegen ausgetauscht werden darf, weil er das „falsche Geschlecht“ hat. Voraussetzung für eine signifikante Steigerung des Frauenanteils in Aufsichtsräten muss sein, dass es sich um eine echte Neubesetzung eines Postens handelt. Der vom Bundesfamilienministerium vorgelegte vorläufige Arbeitsentwurf, der bisher weder mit der Leitung des Hauses noch mit anderen
Ministerien abgestimmt ist, erfüllt diese Voraussetzungen noch nicht, auch wenn er keine starre gesetzliche Frauenquote vorsieht. Er bezieht vielmehr sogar Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit ein, die keinen Zugang zum Aktienmarkt suchen. Er bedarf daher einer umfassenden Überarbeitung und ist in der vorliegenden Form in keiner Weise geeignet, Grundlage für ein Gesetz oder auch nur einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu sein.
Das hat auch die für das Gesellschaftsrecht zuständige Bundesjustizministerin nochmals klar unterstrichen; es bedarf keiner gesetzlichen Regelung für mehr Frauen in Aufsichtsräten. Eine solche Regelung darf sich schon gar nicht auf die Geschlechterquote im Vorstand beziehen.
Jedes fünfte Familienunternehmen hat eine Chefin in %
20,1
14,2
11,1
9,4
9,6
19,5
543.241
27.731
3.014
1.839
307
576.132
weniger als 1
1 bis 5
5 bis 10
10 bis 50
50 und mehr
Insgesamt
Umsatz in Mio. €
Anteil an allen Familienunternehmen Frauengeführte Familienunternehmen Ein Unternehmen gilt als Familienunternehmen, wenn sich mindestens 50 % des stimmberechtigten Kapitals im Eigentum einer natürlichen Person oder einer oder mehrerer verwandter Familien befinden und wenn diese Person bzw. Personen auch die Geschäfte führen oder einen kontrollierenden Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. Mit rd. 3 Mio. Betrieben sind Familienunternehmen die dominierende Wirtschaftsform in Deutschland, wobei hier auch umsatzsteuerpflichtige Einzelunternehmen mitgezählt werden. In frauengeführten Familienunternehmen hat eine Frau – oder mehrere – die maßgebliche Führungsposition inne und besitzt innerhalb der aktiven Gesellschafter den größten Eigentumsanteil. Stand: 2006 Quellen: Institut für Mittelstandsforschung Bonn, 2010; IW Köln, 2011
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Familienpflege – Betriebe leisten bereits in vielfältiger Weise Unterstützung Das Familienpflegezeitgesetz wird am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Das Gesetz sieht vor, dass der Beschäftigte über einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren seine Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden verringern kann, wenn er einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen pflegt. Während dieser Zeit bekommt er die Hälfte der Differenz zwischen seinem bisherigen und seinem reduzierten monatlichen Entgelt als Aufstockungsleistung. Nach Beendigung der Pflegephase kehrt der Arbeitnehmer wieder zu seiner ursprünglichen Arbeitszeit zurück und erhält dann seinen um die monatliche Rückzahlungsrate geminderten Anteil des Gehalts, bis das zusätzliche Gehalt zurückgeflossen ist. Gegen das Risiko des Todes sowie der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit hat der Beschäftigte eine Familienpflegezeitversicherung abzuschließen. Während des Gesetzgebungsverfahrens hat die BDA wiederholt deutlich gemacht, dass vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung, eines zunehmenden Fachkräftemangels und der damit einhergehenden Belastung der Sozialversicherungssysteme Pflege eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht einseitig auf Betriebe und Arbeitsplätze verlagert werden darf. Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Familienpflegezeit hätte diese einseitige Belastung verstärkt. Es erhöht daher die betriebliche Flexibilität und erweitert die Gestaltungsoptionen für pflegende Arbeitnehmer, dass dieser verhindert werden konnte. Auch wenn das Gesetz primär als Leistungsgesetz ausgestaltet worden ist, belastet es Arbeitsplätze mit zusätzlicher Bürokratie und dehnt das Beschäftigungshindernis Kündigungsschutz noch aus, indem ein Sonderkündigungsschutz geschaffen wird. Der Arbeitgeber trägt darüber hinaus die wirtschaftlichen Risiken der Familienpflegezeit dann allein, wenn er das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen oder persönlichen Gründen kündigen muss. Das ist systematisch falsch und muss bei einer zukünftigen Revision des Gesetzes geändert werden. Nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Deutschen Bundestag am 20. Oktober 2011 konnte eine erneute Verschärfung des Gesetzes vor der Abstimmung des Bundesrats am 25. November 2011 verhindert werden. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales hatte empfohlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Mehrheit seiner Mitglieder hatte für
Betriebe unterstützen Vereinbarkeit von Beruf und Pflege Etwa 2,4 Mio. Menschen sind pflegebedürftig. Bis 2030 wird vom Statistischen Bundesamt ein Anstieg der Zahl der Pflegefälle auf 3,0 bis 3,4 Mio. prognostiziert. Unternehmen haben auf diese Entwicklung reagiert und entlasten die Mitarbeiter in Pflegesituationen bereits heute durch verschiedene personalpolitische Maßnahmen. Im Fokus stehen insbesondere Instrumente der flexiblen Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung. Hier besteht ein besonderer Bedarf seitens der Beschäftigten, die nach Eintritt einer Pflegesituation ihren beruflichen Alltag mit Pflegeverantwortung reorganisieren müssen. Als hilfreich haben sich in der Praxis auch Serviceangebote erwiesen, die den Beschäftigten mit Pflegever antwortung bei fachlichen und organisatorischen Fragestellungen unterstützen. Informationshinweise zu internen und externen Ansprechpartnern (z. B. Pflegeeinrichtungen, Altenhilfen oder Krankenkassen) entlasten den Beschäftigten zusätzlich.
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einen einklagbaren Anspruch votiert. Diese Empfehlung, die sich an ursprünglichen interministeriellen Entwürfen orientierte, hätte einen deutlichen Rückschritt bedeutet. Sie fand keine Mehrheit im Plenum des Bundesrats. Die BDA wird weiter für notwendige Korrekturen im Familienpflegezeitgesetz eintreten. Bereits im Vorfeld hatten wir gemeinsam mit dem DGB ein Positionspapier verfasst, das nochmals den gesamtgesellschaftlichen Auftrag für die Pflege insbesondere älterer Menschen in den Vordergrund stellt. Darüber hinaus betonen BDA und DGB, dass die Konstruktion des
Pflegezeitgesetzes zur Aufstockung des Arbeitsentgelts während der Pflegezeit nicht zukunftsfähig ist. Sie ist mit einem großen wirtschaftlichen Risiko für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und darüber hinaus für den Arbeitgeber mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Um die Details der Gesetzesänderung praktikabel darzulegen, hat die BDA einen Leitfaden zu dem neuen Gesetz erstellt. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Beruf und Pflege
Immer mehr Pflegebedürftige Anzahl Pflegebedürftige
in Mio. 5 4,5
3,9
4 3,4
2,9
3 2,4 2,1
2 2005
2010
2020
2030
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2050
Modellrechnung, Stand Ende 2010 Quellen: IW Köln, Statistisches Bundesamt, 2011
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Befristungsrecht modernisieren – Beschäftigung unterstützen Befristete Arbeitsverhältnisse sind ein unverzichtbarer Jobmotor des deutschen Arbeitsmarkts. Die Möglichkeit, Befristungen zu vereinbaren, auch wenn für deren Vereinbarung ein Sachgrund nicht vorhanden ist, wurde gerade mit dem Ziel eingeführt, Beschäftigung zu fördern und Arbeitslosigkeit abzubauen. Diesen Auftrag hat das Instrument erfolgreich erfüllt. Befristete Arbeitsverhältnisse bieten insbesondere für Arbeitssuchende einen Weg für einen Erst- oder Wiedereinstieg in Arbeit. Daher sind Befristungen gerade für jüngere Menschen unverzichtbar. Die positive Entwicklung zeigt sich auch an der besonders niedrigen Quote beschäftigungsloser junger Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu anderen Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union. Die Bundesrepublik erreicht hier immer wieder einen Spitzenplatz unter den ersten Nationen. Der dauerhafte Effekt für den Arbeitsmarkt ist bemerkenswert. Mehr als jedes zweite befristete Arbeitsverhältnis wird in ein unbefristetes umgewandelt. Dies belegt nachdrücklich die Chancen, die dieses Arbeitsmarktinstrument für Berufseinsteiger und Arbeitslose bietet. Sehr zu begrüßen und ein vor dem Hintergrund einer verfehlten rechtspolitischen Diskussion mutiger und wichtiger Schritt zur Beschäftigungsförderung ist daher die Entscheidung des BAG vom Frühjahr 2011, nach der das von einigen Stimmen in der Literatur und der Rechtsprechung einiger Instanzgerichte als lebenslanges Beschäftigungsverbot ausgelegte sog. Ersteinstellungserfordernis für befristete Arbeitsverhältnisse zeitlich begrenzt werden muss. Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig. Er verbietet aufgrund einer Änderung der Gesetzeslage, die im Jahr 2001 in Kraft gesetzt wurde, den Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses dann, wenn „zuvor“ bereits ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber als Vertragspartner bestanden hat. Der unbestimmte Begriff „zuvor“ wurde dabei von Stimmen in der Literatur und teilweise in der Rechtsprechung so verstanden, als hätte der Gesetzgeber formuliert, „jemals zuvor“. Das ist aber gerade nicht der Fall. Das BAG hat dies nun
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klargestellt und vor dem Hintergrund der dem Gericht möglichen Interpretation des Begriffs „zuvor“ auf der Grundlage des im bürgerlichen Recht geltenden Verjährungsrechts von drei Jahren diesen Zeitraum auf drei Jahre festgelegt. Das BAG hat damit den ihm im Spannungsverhältnis zwischen europäischem und nationalem Recht eröffneten Auslegungsspielraum sinnvoll ausgeschöpft. Der Gesetzgeber kann aber auch vor dem Hintergrund des europäischen Rechts viel mehr für den Arbeitsmarkt tun. So lässt der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits einen Zeitraum von drei Monaten ausreichen, um dem Arbeitnehmer den Abschluss mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund in Folge zu ermöglichen. Dies entspricht in etwa der Rechtslage, wie sie vor 2001 in Deutschland gegolten hat, nach der ein Vorbeschäftigungsverbot von vier Monaten gesetzlich geregelt gewesen ist. Entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP muss daher das Recht der befristeten Arbeitsverhältnisse so ausgestaltet werden, dass die sachgrundlose Befristung nach einer Wartezeit von einem Jahr auch dann möglich wird, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diese Vereinbarung schöpft zwar die Handlungsmöglichkeiten bei Weitem nicht aus, die auf der Grundlage der Befristungsrichtlinie für den deutschen Gesetzgeber bestehen. Der Gesetzgeber würde damit aber einen Teil seines Entscheidungsermessens nutzen und den Einsatz befristeter Arbeitsbeziehungen z. B. zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit erleichtern. Es kann daher – anders als im Beschluss der CDU auf ihrem Parteitag im November festgestellt – nicht nur darum gehen, ausreichende gesetzliche Möglichkeiten für befristete Beschäftigung zu erhalten. Diese sind gerade nicht ausreichend, sondern sie müssen ausgebaut werden. Die dafür notwendige Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kann nur der Gesetzgeber sicherstellen. Das BAG hat seinen Auslegungsspielraum weitgehend ausgeschöpft. Die Umsetzung des Koalitionsvertrags ist daher vor dem Hintergrund, dass nach europäischen Vorgaben mehr möglich wäre und bis 2000 in Deutschland auch flexiblere Regelungen gegolten haben, ein erster Schritt, der bald angegangen werden sollte.
Befristungsmöglichkeit in Deutschland verhindert hohe Jugendarbeitslosigkeit Arbeitslosenquote der unter 25Jährigen in Europa (Auswahl)
23,7 21,0
BE
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BG
27,9
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CZ 12,9 12,7
DK DE
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IE
31,3 40,9 44,2
ES 23,6 20,3
FR
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IT 15,6 16,1
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MT NL
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April 2010 April 2011 Quelle: Eurostat, 2011
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Eine weitere effektive Maßnahme, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, stellt die Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten der sachgrundlosen Befristung dar. Hierzu muss der sinnvolle Ansatz bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitnehmern im Teilzeit- und Befristungsgesetz weiterentwickelt werden. Danach kann ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer, der das 52. Lebensjahr vollendet hat, ohne sachlichen Grund dann abgeschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar vorher mindestens vier Monate beschäftigungslos gewesen ist. Dieses Erfordernis einer bereits bestehenden Beschäftigungslosigkeit ist kontraproduktiv, weil es erst den Eintritt eines Zustands erfordert, der eigentlich bekämpft werden soll. Sinnvoll wäre eine Regelung, wonach drohende Arbeitslosigkeit ausreicht, um eine sachgrundlose Befristung einzugehen. So kann Arbeitslosigkeit vermieden werden. Verstärkt werden kann diese Wirkung noch, wenn die Regelung unabhängig vom Alter des Arbeitnehmers gilt. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Befristungen“
Arbeitszeitflexibilität erhalten – Arbeitszeitkonten stärken Die Bundesregierung ist gem. § 7g SGB IV verpflichtet, dem Bundestag bis zum 31. März 2012 über die Auswirkungen des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 (kurz: Flexi-II-Gesetz) zu berichten und ggf. Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Insolvenzschutzes zu machen. Hierzu wurde die BDA um eine Einschätzung gebeten, welche Erfahrungen die Praxis mit den Änderungen durch Flexi II gemacht hat. Die BDA hat diese Gelegenheit erneut dazu genutzt, die zentrale Bedeutung flexibler Arbeitszeiten für den Standort Deutschland zu betonen. Durch Flexi II ist nach einem langwierigen Gesetzgebungsprozess sichergestellt worden, dass Arbeitszeitflexibilität auf der Grundlage sog. Flexikonten, die zu Recht von den bürokratischen und schwer umsetzbaren Regelungen des Gesetzes
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ausgeklammert werden, für die Betriebe erhalten bleibt. Arbeitszeitkonten, mit denen schwankende Arbeitszeiten ausgeglichen werden können, sind heute in kaum einem Betrieb mehr wegzudenken. Sie haben – zusammen mit Kurzarbeit – vielfach geholfen, gerade in der Finanzkrise Beschäftigung zu erhalten und den Abbau von Arbeitsplätzen zu verhindern. Ohne diese Arbeitszeitflexibilität ist eine große Zahl von Arbeitsplätzen gerade auch im industriell-gewerblichen Bereich gefährdet. Mit unserer Positionierung zur Vorbereitung des Erfahrungsberichts der Bundesregierung haben wir weitere problematische Regelungen im Gesetz, aber auch in der Auslegung des Gesetzes durch die Spitzenverbände der Sozialversicherung aufgegriffen. Mit einem wesentlichen Kritikpunkt hatten wir bereits unmittelbar nach Abgabe unserer Stellungnahme Erfolg. Die Bundesregierung hat das 4. SGB-IV-Änderungsgesetz genutzt, um eine fehlerhafte Interpretation von § 7 Abs. 1a Satz 1 SGB IV durch die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zu revidieren. Danach sollte bei einer entgeltlichen Freistellung für einen Zeitraum von mehr als einem Monat, die nicht aus einem Wertguthaben erfolgte, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (nach einem Monat) enden (sog. Ein-Monats-Grenze). Diese Auslegung, die in der betrieblichen Praxis verschiedener Branchen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor erhebliche Probleme stellte, war rechtlich unzutreffend und zog sozialpolitisch problematische Folgen nach sich. In dem vom Bundestag Anfang Dezember 2011 beschlossenen Gesetz wird die Frist auf drei Monate angehoben. Dies bietet eine praktikable Möglichkeit für die Lösung der damit aufgeworfenen Probleme. Über das Problem mit der Ein-Monats-Grenze hinaus gibt es weiteren Klarstellungsbedarf in den für Wertguthaben geltenden Vorschriften des SGB IV. So muss z. B. sichergestellt werden, dass der Arbeitgeberanteil am Sozialversicherungsbeitrag nicht als Teil des Wertguthabens eingeordnet wird. Zumindest muss der Arbeitgeberanteil auf die beim Anwachsen des Wertguthabens geltende Beitragsbemessungsgrenze beschränkt werden. Die derzeitig geltende Interpretation von § 7d Abs. 1 SGB IV durch die
Sozialversicherungsträger führt im Ergebnis dazu, dass der Arbeitnehmer bei Inanspruchnahme seines Wertguthabens entweder aus seinem Arbeitsentgelt Arbeitgeberbeitragsanteile finanzieren muss oder durch die Zuteilung „nicht benötigter“ Arbeitgeberbeitragsanteile mehr Arbeitsentgelt erhält, als ihm arbeitsvertraglich zusteht. Insgesamt nimmt die Bedeutung von Wertguthaben gerade auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Anstiegs des gesetzlichen Regelrenteneintrittsalters zu. Die komplexen und bürokratischen Regelungen schrecken Betriebe und Arbeitnehmer aber vielfach ab, Wertguthaben einzuführen und gemeinsam zu nutzen. Besonders für mittelständische Unternehmen ist dieser Aufwand nicht zu bewältigen. Das geltende Konzept einer klaren Abgrenzung von Konten, die dazu bestimmt sind, betriebliche Auftragsschwankungen abzufedern, und Konten für Langfristfreistellungen muss daher unbedingt erhalten bleiben. Die komplexen, in weiten Teilen nicht praxistauglichen, zumindest aber sehr bürokratischen Vorschriften zu Wertguthaben passen nicht auf Sachverhalte, in denen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kurzfristig reagieren müssen, um Flexibilität und damit Arbeitsplätze zu erhalten. Vor dem Hintergrund der bestehenden gesetzlichen Regelungen ist diese Trennung unverzichtbar und an ihr muss ohne Abstriche festgehalten werden.
Urlaubsansprüche auch bei lang andauernder Erkrankung sach gerecht gestalten Mit der Entscheidung des EuGH in den verbundenen Rechtssachen „Schultz-Hoff/Stringer“ am 20. Januar 2009 und ihm folgend des BAG am 24. März 2009 hat sich die Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei lang andauernder Erkrankung grundlegend geändert. Demnach verfällt ein Urlaubsanspruch bei lang andauernder Erkrankung nicht mehr, soweit der Arbeitnehmer nicht die Gelegenheit hatte, tatsächlich von seinem Urlaubsanspruch Gebrauch zu machen. Dabei wurde aber insbesondere die wichtige Folgefrage, ob der Urlaubsanspruch auch bei lang
andauernder Erkrankung gänzlich unbegrenzt ist, durch die Rechtsprechung bislang noch nicht geklärt. Der EuGH hat nicht beachtet, dass Arbeitnehmern, selbst wenn sie bereits über mehrere Jahre hinweg erkrankt sind, bislang nicht gekündigt wurde. Um die möglicherweise weitere Ansammlung von Urlaubsabgeltungsansprüchen und die sich daraus ergebenden erheblichen wirtschaftlichen Belastungen zu vermeiden, werden Arbeitgeber gezwungen, diese Arbeitsverhältnisse zu beenden. Der EuGH hatte nun die Gelegenheit, in dieser Sache eine für Arbeitnehmer und Arbeitgeber angemessene Lösung zu finden. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat am 15. April 2010 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Urlaubsansprüche auch bei lang andauernder Erkrankung begrenzt sind (Rechtssache „KHS“). In seinem Urteil vom 22. November 2011 hat der EuGH klargestellt, dass eine zeitliche Begrenzung von Urlaubsansprüchen auch bei Langzeiterkrankten mit dem europäischen Recht vereinbar ist. Er hat dabei die in der Rechtssache „KHS“ geltende tarifvertragliche Regelung zum Urlaub bei erkrankten Arbeitnehmern für zulässig erklärt. Diese sieht vor, dass ein Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres erlischt, wenn er aufgrund von Krankheit nicht genommen werden kann. Bis der Gesetzgeber tätig wird, muss die Rechtsprechung die durch die Entscheidung des EuGH im Fall Schultz-Hoff/Stringer entstandene Regelungslücke durch Auslegung schließen. § 7 Abs. 3 BUrlG sollte jetzt dahingehend ausgelegt werden, dass auch bei lang andauernder Krankheit der Urlaub auf 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres begrenzt ist. In jedem Fall ist es jedoch nach der Entscheidung des EuGH im Fall KHS rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) und damit unzulässig, wenn der Arbeitnehmer Urlaub verlangt, der nach Anwendung der Frist von 15 Monaten verfallen wäre. Die BDA hat seit der Rechtsprechungsänderung durch den EuGH immer wieder deutlich gemacht, dass mit dem Urteil eine Fehlentwicklung zum Nachteil von Arbeitnehmer und Arbeitgeber
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zum 31. Dezember bzw. 31. März, wenn der Arbeitnehmer nach lang andauernder Erkrankung genesen an den Arbeitsplatz zurückgekehrt ist. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer tatsächlich innerhalb dieser Zeiträume die Möglichkeit hatte, von seinem Urlaubsanspruch Gebrauch zu machen. Das BAG hat hier allerdings die Frage offengelassen, ob und ggf. in welcher Höhe sich bei lang andauernder Erkrankung Urlaubsansprüche ansammeln können. In einem weiteren Urteil hat das BAG am 20. September 2011 die Klage einer Erbengemeinschaft abgewiesen, die den
in Gang gesetzt wurde. Sie hat ihre Mitglieder u. a. durch die Entwicklung eines Leitfadens und bei besonderen Einzelfragen unterstützt. Das BAG hat sich inzwischen mit weiteren Folgefragen befasst. Es hat am 9. August 2011 entschieden, dass einzel- und tarifvertragliche Ausschlussfristen auch auf Urlaubsabgeltungsansprüche Anwendung finden. Ferner hat es klargestellt, dass Urlaubsansprüche, ggf. auch aus früheren Urlaubsjahren, nach den Regeln des aktuellen Urlaubsjahres verfallen können, d. h.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: so viel wie nie So viel gaben Unternehmen für die Fortzahlung von Löhnen und Gehältern im Krankheitsfall aus
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Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber Bruttoentgelte Entgeltfortzahlung einschließlich des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs; Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber; einschließlich der gesetzlichen Unfallversicherung; 2009: vorläufig; 2010: Schätzung; Ursprungsdaten: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Deutsche Rentenversicherung Bund Quelle: IW Köln, 2011
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vermeintlichen Urlaubsabgeltungsanspruch eines im bestehenden Arbeitsverhältnis verstorbenen Arbeitnehmers geltend gemacht hatte. Zur Begründung führte das BAG u. a. an, dass mit dem Tod des Arbeitnehmers dessen Urlaubsanspruch erlöschen und somit kein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehen könne. Im Rahmen der anstehenden Revision der Arbeitszeitrichtlinie setzt sich die BDA auf europäischer Ebene dafür ein, dass Urlaubsansprüche künftig auch bei lang andauernder Erkrankung praxisgerecht und dem Sinn und Zweck des Urlaubs entsprechend begrenzt werden können. Unserer Auffassung nach ist dafür – wie auch bisher im deutschen Recht – ein Übertragungszeitraum von drei Monaten ausreichend. Grundsätzlich muss aber der Urlaubsanspruch, um dem Arbeitnehmer im entsprechenden Kalenderjahr Erholung zu verschaffen, strikt an das Urlaubsjahr geknüpft sein.
Arbeitszeitgesetz – Autonomie von Arbeitnehmern und Arbeit gebern stärken Unabhängig von der geplanten Revision der Arbeitszeitrichtlinie sollte auch auf nationaler Ebene eine Reform des Arbeitszeitgesetzes angestrebt werden. Deutschland selbst hat das nach der Arbeitszeitrichtlinie mögliche Flexibilisierungspotenzial nicht ausgeschöpft. Die Arbeitszeitrichtlinie sieht eine wöchentliche Höchstarbeitszeit vor. Sie ermöglicht damit Arbeitnehmern und Arbeitgebern eine flexible und beschäftigungsfreundliche Arbeitszeitgestaltung. Der deutsche Gesetzgeber sollte dies zum Anlass nehmen, auch im Arbeitszeitgesetz von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umzustellen. Insbesondere Produktionsspitzen würden sich dadurch besser abbilden lassen. Die BDA hat das Bundesarbeitsministerium auf diese Verbesserungsmöglichkeit im deutschen Arbeitszeitrecht mehrfach hingewiesen. Sie wird die Revision der Arbeitszeitrichtlinie auch dazu nutzen, um auf eine Reform des Arbeitszeitgesetzes hinzuwirken. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Arbeitszeitgesetz
Rechtssicherheit beim Betriebs übergang schaffen Die Rechtsprechung zum Betriebsübergang (§ 613a BGB) ist in ständigem Fluss. Zuletzt beschäftigten sich EuGH und BAG mit dem Fall „Klarenberg“. Der EuGH hatte entschieden, dass für einen Betriebsübergang nicht erforderlich ist, dass eine selbstständige organisatorische Einheit beim Erwerber erhalten bleibt. Das BAG hat jetzt in dieser Sache entschieden, dass es auf diese Frage überhaupt nicht ankommt, da Voraussetzung für einen Betriebsübergang ist, dass eine organisatorisch abgrenzbare wirtschaftliche Einheit vorliegt, die vom Erwerber übernommen werden kann. Dies sei aber bei „Klarenberg“ nicht der Fall. Der EuGH hat in der Rechtssache „Albron“ in einer Sonderkonstellation entschieden, dass auch bei Neuvergabe des Auftrags an ein konzernexternes Unternehmen ein Betriebsübergang vorliegen kann. Diese Beispiele zeigen, dass es kaum noch möglich ist, einen Betriebsübergang rechtssicher zu gestalten. Der Gesetzgeber sollte daher seine Möglichkeiten nutzen, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Im Rahmen des Betriebsübergangs sind Veräußerer bzw. Erwerber dazu verpflichtet, die Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs über den Betriebsübergang und dessen Folgen zu unterrichten. Der Arbeitnehmer kann dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung widersprechen. Diese Widerspruchsfrist beginnt erst mit vollständiger Information des Arbeitnehmers. Im extremsten Fall widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses erst Jahre später. Der Arbeitgeber muss dann beweisen können, dass er den Arbeitnehmer ausreichend informiert hat. Dazu muss er ggf. die entsprechenden Unterlagen und Informationen faktisch unbegrenzt aufbewahren. Dies bedeutet einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Zudem führt es zu Rechtsunsicherheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, weil keine der beiden Parteien sicher sagen kann, ob das Arbeitsverhältnis auf den Erwerber endgültig übergegangen ist. Die Rechtsprechung des BAG zur Verwirkung des Widerspruchsrechts hilft hier nicht weiter. Sie beendet die Rechtsunsicherheit nicht, sondern schafft nur neue.
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Die BDA hat vielfach darauf hingewiesen, dass beim Betriebsübergangsrecht der Gesetzgeber dringend tätig werden muss. Bereits im Gesetzgebungsverfahren 2002, mit dem das Widerspruchsrecht gesetzlich festgeschrieben wurde, ist eine absolute Ausschlussfrist für das Widerspruchsrecht diskutiert worden. Dieser Gedanke muss wieder aufgegriffen werden. Dabei ist eine Ausschlussfrist von drei Monaten ausreichend. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Betriebsübergang
Freiwillige Basis für Europäische Betriebsräte wurde erhalten Am 18. Juni 2011 ist das neue Gesetz über Euro päische Betriebsräte (EBRG) in Kraft getreten. Damit wurden die durch die europäische Richtlinie im Jahr 2009 vorgegebenen Änderungen umgesetzt. Dabei wurde der erfolgreiche Grundsatz der EBR-Richtlinie, der Vorrang für unternehmensindividuelle Lösungen, erhalten. Es ist ein Erfolg der BDA, dass durch die Überarbeitung der EBR-Richtlinie keine neue Bürokratie in die Betriebe getragen wurde und der Spielraum für betriebliche Lösungen erhalten geblieben ist. Obwohl der Europäische Gewerkschaftsbund die Aufnahme eines Sozialen Dialogs über die Reform der Richtlinie verweigerte, gelang es im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses in Brüssel, eine gemeinsame Stellungnahme der europäischen Sozialpartner zu dem Kommissionsvorschlag zu erarbeiten, in der eine geringe Anzahl von Änderungen vorgeschlagen wurde. Die Neufassung der Richtlinie ist so gestaltet worden, dass die Unternehmen und ihre Arbeitnehmervertreter über praxistaugliche Rahmenbedingungen verfügen. Auch zukünftig wird der Spielraum der Betriebe bei der Erarbeitung unternehmensindividueller Lösungen nicht durch neue bürokratische Auflagen unnötig eingeschränkt. Der Bestandsschutz für bereits abgeschlossene EBR-Vereinbarungen wird weitgehend gewährleistet. Es ist festgelegt, dass bestehende Vereinbarungen auch bei Veränderungen der Unternehmensstruktur und Fusionen auf Basis der geltenden Vereinbarung weiterentwickelt werden können, wenn beide Seiten dies wünschen und
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entsprechende Vorkehrungen getroffen haben, so dass nicht automatisch eine komplette Neuverhandlung erforderlich wird. Für Unternehmen mit bereits bestehenden EBR-Vereinbarungen gibt es keine allgemeine Verpflichtung zur Neuverhandlung. Die BDA hat gemeinsam mit Gesamtmetall und dem Bundesarbeitgeberverband Chemie eine ausführliche Broschüre zu den gesetzlichen Neuerungen verfasst. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Europäische Betriebsräte“
Europa-GmbH weiter vorantreiben Das vorläufige Scheitern der Einführung einer Europa-GmbH (Europäische Privatgesellschaft – EPG) zeigt einmal mehr die Inkompatibilitäten der Mitbestimmungssysteme in Europa auf. Die Wirtschaft hat sich für eine einheitliche Gesellschaftsform als Alternative z. B. zur deutschen GmbH eingesetzt. So könnten Gesellschaften, auch Tochtergesellschaften von großen Unternehmen, europaweit nach denselben Regeln gegründet werden. Kenntnisse des jeweiligen nationalen Gesellschaftsrechts wären dafür nicht erforderlich. Dass in Deutschland ein solcher Bedarf an europäischen Gesellschaften besteht, hat der Erfolg der Europäischen Aktiengesellschaft gezeigt. Bei der Mitbestimmung zeigt sich aber immer wieder die Kluft zwischen dem deutschen System und den Systemen in allen anderen europäischen Staaten. Die BDA hat gemeinsam mit dem BDI und dem DIHK immer wieder betont, dass die Einführung der EPG nicht an dem grundsätzlichen Reformbedarf der Mitbestimmung scheitern darf. Eine Ausdehnung kommt aber ebenso wenig in Betracht. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Unternehmensmitbestimmung“ und „Europäische Privatgesellschaft“
Fünf Jahre Allgemeines Gleich behandlungsgesetz – Rückblick ernüchternd
Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Antidiskriminierung“
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz belastet die deutsche Wirtschaft nach wie vor mit Bürokratie und hohen Kosten. Hinzu kommen erhebliche Rechtsunsicherheiten durch Ungenauigkeiten des Gesetzes, die auch nach einer Vielzahl ergangener Entscheidungen bis heute nicht abschließend geklärt werden konnten. Zusätzliche Rechtsunsicherheiten bringen die Urteile des EuGH mit sich. Die EuGH-Rechtsprechung ist häufig unklar und inkompatibel mit der Rechtsprechung nationaler Gerichte. Dies setzt sich leider in verschiedenen Urteilen des BAG fort. Vor dem Hintergrund der eingetretenen Rechtsunsicherheit, der extre men Kostenbelastung sowie einer nicht vorhersehbaren und Rechtsunsicherheit fördernden Rechtsprechung setzt sich die BDA daher dafür ein, dass die diskutierte Ausweitung der Antidiskriminierungsrichtlinien verhindert wird. Die Bundesregierung muss an ihrem berechtigten Widerstand gegen eine weitere Richtlinie festhalten. Auch die zuletzt eingestellten von der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland betriebenen Vertragsverletzungsverfahren zeigen, dass die erhobene Behauptung einer mangelhaften Umsetzung der bereits bestehenden Antidiskriminierungsrichtlinien durch die deutschen Gesetze falsch ist.
Gebiete, die in alle Rechtsbereiche hineinwirken, sind Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung. Der „leidige Papierkram“ ist für jedes Unternehmen ein Gräuel. Den Unternehmen darf durch überflüssige Regelungen nicht die Luft zum Atmen genommen werden. Sie dürfen nicht gezwungen werden, Ressourcen, die sie für Investitionen verwenden könnten, für die Bewältigung bürokratischer Belastungen einzusetzen. Bürokratie muss daher konsequent auf das absolut notwendige Maß begrenzt bleiben.
Vielfalt und Bekämpfung von Diskriminierung sind wichtige gesellschaftspolitische Ziele. In den Betrieben in Deutschland ist beides eine Selbstverständlichkeit. Die BDA wehrt sich aber gegen unsachgemäße Stimmungsmache und Verbreitung von Zerrbildern ohne Fakten, wie sie in der vergangenen Zeit, insbesondere von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, betrieben wurden. Unter dem Stichwort „Jugenddiskriminierung“ werden erfolgreiche Beschäftigungschancen diskreditiert, obwohl Deutschland innerhalb der EU die drittniedrigste Jugendarbeitslosigkeitsquote hat. In keinem anderen EU-Land ist der Unterschied zwischen der Jugendarbeitslosigkeit und der allgemeinen Arbeitslosigkeit so gering wie in Deutschland. Das liegt neben dem guten System dualer Berufsausbildung mit daran, dass Unternehmen den Berufseinstieg auch zunächst befristet ermöglichen.
Bürokratie konsequent abbauen
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem Nationalen Normenkontrollrat (NKR) – dessen Einrichtung einer langjährigen Forderung der Wirtschaft entspricht – der deutsche Bürokratie-TÜV weiter gestärkt wurde. Nunmehr wird nicht nur die Belastung durch Informationspflichten gemessen, sondern der gesamte Erfüllungsaufwand. Dieser umfasst den gesamten messbaren Zeitaufwand und die Kosten, die durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Vorschrift für Bürgerinnen und Bürger der Wirtschaft sowie der öffentlichen Verwaltung entstehen. Dadurch wird es möglich, künftig die Kostenfolgen eines Gesetzes noch umfassender und transparenter abzuschätzen. Seit der Einrichtung des NKR sind Erfolge im Bürokratieabbau deutlich sichtbar. Die Zahlen zeigen aber, dass das von der Bundesregierung gesetzte Ziel verfehlt wird. 2006 wurde eine bürokratische Belastung für die Unternehmen durch Informationspflichten von rd. 50 Mrd. € gemessen. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2011 25 % bzw. 12,5 Mrd. € der gemessenen Belastungen abzubauen. Das bislang erreichte Entlastungsvolumen wird von der Bundesregierung mit 10,9 Mrd. € angegeben. Damit hat die Bundesregierung eine deutlich zu hohe Zahl angesetzt. Sie nimmt auch solche Entlastungsmaßnahmen auf, die lediglich vom Kabinett beschlossen, aber noch gar nicht bei den Unternehmen angekommen sind. Die aktuelle Entwicklung zeigt zudem, dass die Bundesregierung sogar gravierende Rückschritte beim Bürokratieabbau
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BürokratieTÜV erweist sich als wirkungsvolles Instrument Zahl der Regelungen, die der Nationale Normenkontrollrat seit 2006 im Auftrag der Ministerien erhalten hat, um sie auf Vereinfachung der Informationspflichten zu überprüfen Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
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Finanzen
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Wirtschaft und Technologie
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Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
202
Arbeit und Soziales
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Inneres
156
Justiz
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Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
103
Gesundheit
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Verteidigung
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Familie, Senioren, Frauen und Jugend
25
Bildung und Forschung
23
Auswärtiges Amt
21
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Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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Insgesamt
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Stand: 18. Mai 2011 Quellen: Nationaler Normenkontrollrat, IW Köln, 2011
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Arbeitsrecht
macht. Beispiel dafür ist nicht nur die Einstellung des ELENA-Verfahrens, in das die deutschen Unternehmen einen dreistelligen Millionenbetrag investiert hatten, sondern auch das geplante Arbeitnehmerdatenschutzgesetz, mit dem neue bürokratische Hürden aufgebaut werden. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Gesetzes zur Optimierung der Geldwäscheprävention hat die BDA deutlich gemacht, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf eine nicht erforderliche Überregulierung und überflüssige Bürokratie darstellt. Zunächst war eine Ausweitung des Kreises der zur Bestellung eines Geldwäschebeauftragten Verpflichteten vorgesehen (u. a. für nahezu alle Personen, die gewerblich mit Gütern handeln). Mit Erfolg hat die BDA darauf hingewiesen, dass eine solche pauschale Verpflichtung nicht erforderlich ist, um Geldwäsche zu verhindern, sondern allenfalls eine Anordnung bei einem begründeten Einzelfall. Der Aufbau neuer Bürokratie konnte somit auch durch das Engagement der BDA verhindert werden. Die BDA hat die drohende Zielverfehlung der Bundesregierung beim Bürokratieabbau zum Anlass genommen, ihren umfassenden Forderungskatalog mit über 50 Vereinfachungsvorschlägen zum Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht zu aktualisieren und der Bundesregierung zukommen zu lassen. Sie weist auch stetig darauf hin, dass die Bundesregierung beim Bürokratieabbau bereits in der Anfangsphase entscheidende strukturelle Fehler gemacht hat, indem sie das Arbeits- und Sozialrecht nicht in die Bestandsmessung mit einbezogen hat. Gerade in diesem Bereich existieren zahlreiche Informationspflichten z. B. gegenüber dem Betriebsrat, die vereinfacht werden könnten. Die BDA wird sich weiterhin für eine deutliche Entbürokratisierung einsetzen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver zu machen.
Pfändungsschutzkonto: Neue Regelung zur Zwangsvoll streckung tritt in Kraft Zum 1. Juli 2010 wurde der Kontopfändungsschutz reformiert. Ein Kontoinhaber kann von seiner Bank oder Sparkasse verlangen, dass sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto (P-Konto) geführt wird. Das P-Konto bietet einen automatischen Basispfändungsschutz in Höhe des Pfändungsfreibetrags unabhängig von der Art der Einkünfte, so dass auch für Selbstständige ein Pfändungsschutz für ihr Kontoguthaben besteht. Der Freibetrag kann erhöht werden, wenn der Kontoinhaber anderen Personen Unterhalt gewährt oder für Dritte bestimmte Sozialleistungen entgegennimmt. Für den Nachweis der Angaben aus der Lohnsteuerkarte kann der Arbeitgeber auf die Gehaltsabrechnung verweisen, für die eine Richtigkeitsgewähr besteht. Durch intensive Bemühungen konnte verhindert werden, dass bürokratische Belastungen der Arbeitgeber, die durch Erstellung gesonderter Bescheinigungen oder die Berechnung des Pfändungsfreibetrags für die Bank entstanden wären, im Gesetz verankert werden. Das P-Konto kann einen Beitrag dazu leisten, unnötige Belastungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu reduzieren. Bisher dominiert in vielen Fällen der Gläubigerbefristung der „quellennahe“ Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegenüber dem Arbeitgeber. Die damit verbundenen Kosten können sich durch die neuen Regelungen zur Kontenpfändung verringern. Der bisherige Kontopfändungsschutz entfällt zum 31. Dezember 2011.
Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Bürokratieabbau
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Arbeitsrecht
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Allgemeinverbindlicherklärungen Flexibilisierungsmöglichkeiten Gewerkschaft Verantwortungspartn Differenzierungsklauseln Arbeitszeitvolumen Lohnabschlüsse Branchenspezifische Lohnpolitik Arbeitnehmer-Ent Tarifpartner Tarifvertragsgesetz Branchenmindestlöhne Überstundenzuschlag Betriebsvereinbarung Lohnun Zeitarbeitsrichtlinie Branchenkonjunktur Entgeltanhebung Equal Pay Urlaubsgeld Verhandlungsergebnisse Tarifj Tarifjahr 2011 Einmalzahlung Sonderzahlungen Tariflandschaft Tarifautonomie Laufzeit Sonderleistungen Diff Urlaubsgeld Tarifrunden Tarifpolitik Arbeitnehmer-Entsendegesetz Branchenspezifische Lohnpolitik Urlaubsgeld Z Flexibilisierungsmöglichkeiten Sonderzahlungen Betriebsvereinbarung Arbeitszeitvolumen Mindestlohn Sond Tarifvertragsgesetz Differenzierungsklauseln Branchenkonjunktur Zeitarbeitsrichtlinie Verantwortungspartn Überstundenzuschlag Allgemeinverbindlicherklärungen Branchenmindestlöhne Equal Pay Zeitarbeit Differenziertheit Tarifpolitik Tarifpartner Verhandlungsergebnisse Tarifautonomie Entgeltanhebung Tarifrunden Gewerkschaft Lohnabschlüsse LohnuntergrenzeTarifpartner Einmalzahlung Urlaubsgeld Tariflandschaft Arbeitszeitvolumen Laufzeit Betriebsvereinbarung Differenziertheit Verantwortungspartnerschaft Branchenmindestlöhne Equal Pay Tarifrunden Lohnabschlüsse Branchenkonjunktur Flexibilisierungsmöglichkeiten Tarifvertragsgesetz Arbeitnehmer-Entsendegesetz Lohnuntergrenze Entgeltanhebung Tarifpolitik Sonderzahlungen Tarifautonomie Branchenspezifische Lohnpolitik Sonderleistungen Verhandlungsergebnisse
nerschaft
tsendegesetz
ntergrenze
jahr 2011
ferenziertheit
Zeitarbeit
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nerschaft
Tarifjahr 2011 – zwischen Aufschwung und unsicheren Erwartungen Das Tarifjahr 2011 stand in der Wechselwirkung eines bereits 2010 begonnenen sehr erfreulichen Wirtschaftsaufschwungs auf der einen und unsicherer Erwartungen über das weitere wirtschaftliche Wachstum auf der anderen Seite. Letzteres wurde hervorgerufen durch zahlreiche Risiken, die insbesondere ab der zweiten Jahreshälfte immer deutlicher wurden. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Tarifpartner auch in den kommenden Tarifrunden an ihrem äußerst verantwortungsvollen Handeln festhalten. Trotz überzogener Tariflohnforderungen, mit denen die Gewerkschaften, nicht zuletzt beeinflusst durch entsprechende Äußerungen aus Teilen der Politik, in die Tarifrunden gestartet sind – die Bandbreite der Forderungen lag überwiegend zwischen 5 % und 6 %, in der chemischen Industrie sogar bei 7 % –, standen am Ende differenzierte, produktivitätsorientierte und oftmals auch flexible Lohnabschlüsse. Die Differenziertheit der Tariflandschaft wird in der Bandbreite der in den diesjährigen Tarifrunden für 2011 vereinbarten Entgeltsteigerungen deutlich. Die Lohnanhebungen liegen insgesamt in einer Spanne zwischen 1,5 % bis 4,1 %, mehrheitlich zwischen 2 % und 3 %. Damit tragen die Abschlüsse den sehr unterschiedlichen Branchensituationen Rechnung, die mit wachsender Globalisierung neben der Wirtschaftslage im Inland zunehmend vom konjunkturellen Umfeld ausländischer Kunden, Wettbewerber und Produktionsstandorte abhängig sind. Während die chemische Industrie Entgeltsteigerungen um 4,1 % verkraften kann, sind bei den Zeitungsverlagen vor dem Hintergrund völlig anderer Wirtschaftsbedingungen Erhöhungen um 1,5 % angemessen. Die differenzierten Tarifabschlüsse beweisen, dass die Zeiten der Geleitzüge in der Tarifpolitik endgültig vorbei sind. Eine Orientierung der Verhandlungsergebnisse eines Tarifjahres an dem ersten großen Tarifabschluss, die es
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Tarifpolitik
jahrzehntelang häufig gegeben hat, wird den unterschiedlichen Notwendigkeiten der Branchen und Betriebe heute nicht mehr gerecht. Aber nicht nur die Branchenkonjunkturen sind äußerst unterschiedlich. Auch innerhalb einzelner Branchen können die Situationen der Unternehmen und Betriebe sehr voneinander abweichen. Dem tragen zahlreiche Flexibilisierungsmöglichkeiten innerhalb der Branchen Rechnung, die in diesem Jahr vor allem für den Entgeltbereich vereinbart wurden. Sie bieten den Betrieben die notwendigen Spielräume, um die Belastungen an ihre betriebsspezifische Situation anzupassen. So sehen z. B. die Tarifvereinbarungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie, der chemischen Industrie, in Regionen der kunststoffverarbeitenden Industrie, der Kautschukindustrie und der papiererzeugenden Industrie vor, dass Betriebe je nach wirtschaftlicher Situation Tariflohnanhebungen bzw. Einmalzahlungen verschieben oder kürzen können. Aber Flexibilität ist keine Einbahnstraße: Der Tarifabschluss der chemischen Industrie belegt, dass Anhebungen bei entsprechender wirtschaftlicher Lage auch vorziehbar sind. Die Vereinbarung von Einmalzahlungen in Kombination mit Nullmonaten vor Einsatz einer tabellarischen Entgeltanhebung war für die Tarifvertragsparteien auch in diesem Jahr wieder ein häufig genutztes Instrument, um die dauerhafte Belastung der Betriebe zu mindern. Planungssicherheit bieten zudem die mehrheitlich langen Laufzeiten. Meist betragen diese über 20 Monate, teilweise sogar 36 Monate. Eine branchenspezifische Lohnpolitik sichert die Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg. Es gilt der Grundsatz: Wenn es den Unternehmen gut geht, geht es auch den Arbeitnehmern gut. Dies beweisen die aktuellen Zahlen zur Lohnentwicklung in Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt sind die Bruttostundenlöhne und -gehälter im zweiten Quartal 2011 gegenüber dem Vorquartal um 4,1 % – im verarbeitenden Gewerbe sogar um 7,3 % – gestiegen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung prognostiziert für 2011 eine durchschnittliche Bruttolohnentwicklung von 4,6 %. Darin schlagen sich auch die vereinbarten Tariflohnerhöhungen nieder. Hinzu kommen der mit der
Arbeitnehmer werden am Aufschwung beteiligt Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
10 8
7,3
5,7
6 4,4
4
4,1 3,2
2,6
2,4
2
1,4
2,3
2,1
1,7
0,8
0 –0,4
–2 –4
–3,6
–6 2006
2007
2008
2009
2010
1. Q. 2011
2. Q. 2011
Wirtschaft insgesamt Verarbeitendes Gewerbe Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.2, 2. Q. 2011
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deutlich besseren Auslastung der Betriebe verbundene Anstieg des Arbeitszeitvolumens sowie Sonderzahlungen und Überstundenzuschläge. Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland wird jedoch zunehmend durch die Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum belastet. So rechnen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute zwar nicht mit einer Rezession für Deutschland. Sie befürchten jedoch, dass sich die Unsicherheiten und die verschlechterten internationalen Rahmenbedingungen in der Produktion niederschlagen werden. Der Kurs einer differenzierten und produktivitätsorientierten Tariflohnpolitik muss in den kommenden Tarifrunden fortgesetzt werden, um den Betrieben auch in konjunkturell unsicheren Zeiten gerecht werden zu können und damit die positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt nicht zu gefährden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Tarifpolitik
Tarifrunde 2011 – differenzierte, branchenkonforme Tarifland schaft Die produktivitätsorientierte Lohnentwicklung der letzten Jahre hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Deutschland die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 besser gemeistert hat als viele andere europäische Staaten. Aber auch nach dem unerwartet schnell folgenden Aufschwung, der bereits 2010 begonnen hat, haben die Tarifpartner Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Sie haben neben mehrheitlich langen Laufzeiten von bis zu 36 Monaten der jeweiligen Branchenkonjunktur angemessene und für die Betriebe passgenaue Tarifergebnisse vereinbart. Diese sehen nicht nur unterschiedliche Tariflohnanhebungen vor, sondern vielfach Flexibilisierungsmöglichkeiten, die den Betrieben je nach wirtschaftlicher Lage die Möglichkeit bieten, Tarifleistungen zu senken oder zu verschieben, aber auch zu erhöhen oder vorzuziehen. Dass diese Differenzierung und Flexibilisierung der Tarifabschlüsse auch für die Zukunft wichtig sind, wird nicht nur in der aktuellen
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Tarifpolitik
Konjunkturlage deutlich. Auch der neueste internationale Arbeitskostenvergleich des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) zeigt, dass trotz der maßvollen Lohnentwicklung der Vergangenheit das Arbeitskostenniveau des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland noch immer fast 25 % über dem Durchschnitt der anderen Industrienationen liegt. Den Auftakt in der diesjährigen Tarifrunde machte die Deutsche Bahn AG. Nachdem zunächst Mitte Januar gemeinsam mit den sechs größten Wettbewerbern (den sog. G6) und der aus der Verkehrsgewerkschaft GDBA (Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten und Anwärter) und Transnet entstandenen Eisenbahnund Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens die Verständigung auf einen Branchentarifvertrag für den regionalen Schienen- und Personenverkehr erzielt worden war, konnte am 25. Januar 2011 ein Tarifabschluss für die Unternehmen der Deutsche Bahn AG erzielt werden. Dieser sieht bei einer Laufzeit von 29 Monaten für die ersten sieben Monate statt einer tabellarischen Entgeltanhebung zunächst eine Einmalzahlung von 500 € vor, gefolgt von Lohnanhebungen um 1,8 % zum 1. März 2011 und um 2 % zum 1. Januar 2012. Ein vergleichbarer Abschluss war Mitte April auch mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) möglich – allerdings erst, nachdem diese auch die Deutsche Bahn AG wegen der Forderung nach einem Bundes-Rahmen-Lokomotivführertarifvertrag für Lokführer im Nah-, Fern- und Güterverkehr auf dem Niveau der Deutsche Bahn AG bestreikt hatte. Fortgesetzt wurde die Auseinandersetzung mit tarifeinheitswidrigen Streiks bei den Wettbewerbern der Deutsche Bahn AG. In der privaten Entsorgungswirtschaft einigten sich die Tarifpartner am 1. Februar 2011 nach neun Monaten Verhandlung auf einen Abschluss mit 20 Monaten Laufzeit. Für die ersten acht Monate ist eine Einmalzahlung i. H. v. 350 € vorgesehen. Zum 1. Januar 2011 wurden die Entgelte um 2 % angehoben. Bereits im August 2010 hatten sich die Tarifpartner einschließlich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände auf eine Erhöhung des Mindestlohns auf 8,24 € verständigt. Seit dem 1. November 2011 liegt der Mindestlohn bei 8,33 €.
Tarifabschlüsse 2011 – differenziert, branchenkonform und flexibel Tarifbereich Laufzeit
Eckpunkte Tarifabschluss
Deutsche Bahn AG (Aug. 2010 bis Dez. 2012)
500 € Einmalzahlung, 1,8 % ab Mrz. 2011, 2,0 % ab Jan. 2012
Entsorgungswirtschaft (Mai 2010 bis Dez. 2011)
350 € Einmalzahlung, 2,0 % ab Jan. 2011
Textil- und Bekleidungsindustrie, West (Mrz. 2011 bis Okt. 2012)
2 Nullmonate Mrz. bis Apr. 2011, 250 € Einmalzahlung (kann aus wirtschaftlichen Gründen gekürzt, gestrichen oder bis Sep. 2011 verschoben werden), 3,6 % ab Okt. 2011 (kann aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu 1,5 % bis Apr. 2012 abgesenkt oder um bis zu 7 Monate vorgezogen werden)
Öffentlicher Dienst, Länder (ohne Hessen u. Berlin) (Jan. 2011 bis Dez. 2012)
360 € Einmalzahlung, 1,5 % ab Apr. 2011, 1,9 % plus 17 € Sockelbetrag ab Jan. 2012
Feinkeramische Industrie, Ost (Jan. 2011 bis Sep. 2012)
3 Nullmonate Jan. bis Mrz. 2011, 3,0 % ab Apr. 2011, 1,2 % ab Apr. 2012
Textil- und Bekleidungsindustrie, Ost (Apr. 2011 bis Mrz. 2013)
2 Nullmonate Apr. bis Mai 2011, 2,5 % ab Jun. 2011, 2,3 % ab Apr. 2012
Deutsche Telekom AG + Servicegesellschaften (Jan. 2011 bis Jan. 2012)
3 Nullmonate Jan. bis Mrz. 2011, 3,15 % (mind. 75 €) ab Apr. 2011 Servicegesellschaften: 2,0 % ab Jan. 2011, 3,15 % ab Apr. 2011
Chemische Industrie (Mrz., Apr., Mai 2011 bis Mai, Jun., Jul. 2012)
1 Nullmonat, 4,1 % ab Apr. 2011, regional angepasst (kann aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu 2 Monate verschoben oder um 1 Monat vorgezogen werden)
Baugewerbe (Apr. 2011 bis Mrz. 2013)
West: 1 Nullmonat Apr. 2011, 3,0 % ab Mai 2011, 2,3 % ab Jun. 2012 Ost: 2 Nullmonate Apr. bis Mai 2011, 3,4 % ab Jun. 2011, 2,9 % ab Aug. 2012
Süßwarenindustrie (Apr. 2011 bis Apr. 2013)
1 Nullmonat Apr. 2011, 3,0 % ab Mai 2011, 2,8 % ab Mai 2012
Groß- und Außenhandel (Apr. 2011 bis Mrz. 2013, regional angepasst)
1 Nullmonat, 3,0 % ab Mai 2011, 2,4 % ab Mai 2012
Einzelhandel (Apr. 2011 bis Mrz. 2013, regional angepasst)
2 Nullmonate Apr. bis Mai 2011, 3,0 % ab Jun. 2011, 2,0 % ab Jun. 2012
Holz- und kunststoffverarbeitende Industrie (Jul. 2011 bis Dez. 2012, regional angepasst)
270 € bis 360 € Einmalzahlung (regional differenziert), 4,0 % ab Nov. 2011
Druckindustrie (Apr. 2011 bis Dez. 2013)
430 € Einmalzahlung, 2,0 % ab Aug. 2012
Versicherungswirtschaft, Innendienst (Apr. 2011 bis Mrz. 2013)
350 € Einmalzahlung, 3,0 % ab Sep. 2011, 2,2 % ab Okt. 2012
Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (Sep. 2011 bis Okt. 2013)
1 Nullmonat Sep. 2011, 3,2 % ab Okt. 2011, 2,4 % (West), 2,9 % (Ost) ab Nov. 2012
Zeitungsverlage, Redakteure (Aug. 2010 bis Jul. 2013)
200 € Einmalzahlung, 1,5 % ab Mai 2012
Systemgastronomie (Dez. 2011 bis Nov. 2014)
West: 3,0 % ab Dez. 2011, 2,8 % ab Jun. 2013 Ost: Der Absolutbetrag der Entgeltanhebung West wird dem jeweiligen Stundenlohn hinzugerechnet.
Stahlindustrie, West (Nov. 2011 bis Feb. 2013)
1 Nullmonat Nov. 2011, 3,8 % ab Dez. 2011
Quelle: BDA-Tarifarchiv, 2011
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Tarifpolitik
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Tarifjahr 2011/2012 – Kurs einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik fortsetzen Kündigungs termine
Branche
Tarifgebiete
Beschäftigte in 1.000
Gewerkschaft
Deutsche Post AG Deutsche Lufthansa AG – Boden + Kabine Deutsche Lufthansa AG – Kabine Energieversorgung – AVEU-Bereich Feinkeramische Industrie Kali- und Steinsalzindustrie Kunststoffverarbeitende Industrie Versicherungen (Vermittlerbetriebe) Entsorgungswirtschaft
West + Ost West + Ost West + Ost Ost West West + Ost Ost West + Ost West + Ost
130 50 16 20 25 9 31 50 20
ver.di ver.di UFO IG BCE IG BCE IG BCE IG BCE ver.di ver.di
Saarländische Stahlindustrie Energieversorgung Deutsche Telekom AG – Servicegesellschaften Metallhandwerk
West Vattenfall-Bereich West + Ost
15 16 100
IGM IG BCE/ver.di/IGM ver.di
West
15
IGM
Februar
Glasindustrie Banken Öffentlicher Dienst (Bund + Gemeinden)
Ost West + Ost West + Ost
11 260 2.000
IG BCE ver.di ver.di/dbb-Tarifunion
März
Metall- und Elektroindustrie Zuckerindustrie
West + Ost West + Ost
3.350 6
IGM NGG
April
Kfz-Gewerbe
West + Ost
280
IGM
Mai Mai bis Juli
Volkswagen AG Chemische Industrie
West West + Ost
100 550
IGM IG BCE
Juni
Zeitarbeit (AMP + BVD) Deutsche Bahn AG (Lokführer)
West + Ost West + Ost
400 20
CGB GDL
Juli
Genossenschaftsbanken Dachdeckerhandwerk
West + Ost West + Ost
166 60
DBV/DHV IG BAU
August
Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie, Energieversorgung
West TG Bayern GWE-Bereich
90 8,5
ver.di ver.di ver.di/IG BCE
September
Energieversorgung Feinkeramische Industrie
Ba-Wü Ost
8
IG BCE/ver.di/IGM IG BAU
Oktober
Landwirtschaft Textil- und Bekleidungsindustrie Energieversorgung
West + Ost West EWE-Gesellschaft
170 130
IG BAU IGM ver.di
Dezember
Zigarettenindustrie Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Deutsche Bahn AG Steinkohlebergbau Öffentlicher Dienst (Länder o. He u. Bln) Öffentlicher Dienst Holz- und kunststoffverarb. Ind. Energieversorgung
West West + Ost West + Ost West + Ost West + Ost Hessen West + Ost TG Energie AVE
10 70 135 29 700 55 170 30
NGG IG BAU/ver.di EVG IG BCE ver.di/dbb-Tarifunion ver.di/dbb-Tarifunion IGM ver.di/IG BCE
2011 Dezember
2012 Januar Januar bis März
Quelle: BDA-Tarifarchiv, 2011
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Tarifpolitik
Anfang Februar vereinbarte die Volkswagen AG bereits in der zweiten Verhandlungsrunde mit der IG Metall einen neuen Haustarifvertrag. Die 16-monatige Laufzeit begann mit einer Einmalzahlung von 1 % des tariflichen Grundgehalts bzw. von mindestens 500 €. Zum 1. Mai dieses Jahres wurden die Tariflöhne um 3,2 % erhöht. Bereits nach zwei Verhandlungsrunden schloss der Gesamtverband textil+mode mit der IG Metall Ende Februar eine Entgeltvereinbarung für die Textil- und Bekleidungsindustrie West ab. Bei einer Laufzeit von 20 Monaten sieht der Tarifabschluss zwei Nullmonate, eine Einmalzahlung von 250 € für den Zeitraum Mai bis September 2011 sowie eine tabellarische Entgeltanhebung von 3,6 % ab Oktober 2011 vor. Sowohl die Einmalzahlung als auch die Entgelt anhebung können aus wirtschaftlichen Gründen durch freiwillige Betriebsvereinbarung variabilisiert werden. So kann die Einmalzahlung gekürzt bzw. gestrichen oder bis 30. September 2011 verschoben werden. Die Entgeltanhebung kann um bis zu 1,5 % bis 30. April 2012 abgesenkt oder um bis zu sieben Monate vorgezogen werden. Des Weiteren haben sich die Tarifvertragsparteien darauf geeinigt, Gespräche zur Bewältigung des demografischen Wandels zu führen. Eine Koordinierungsgruppe soll zu diesem Thema die Empfehlungen ausarbeiten. Die Tarifgemeinschaft der Länder (ohne Berlin und Hessen) erzielte mit den Gewerkschaften ver.di, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Gewerkschaft der Polizei (GdP) und dbb beamtenbund und tarifunion Mitte März einen Tarifabschluss, der bei einer Laufzeit von 24 Monaten für die ersten drei Monate statt Tabellenanhebungen eine Einmalzahlung von 360 € vorsieht. Es folgen zwei Entgeltanhebungen von 1,5 % zum April 2011 und 1,9 % zum Januar 2012 zuzüglich eines Festbetrags von 17 €. Darüber hinaus einigten sich die Tarifvertragsparteien, dass mit Beginn des Jahres 2012 der erste Schritt der Tarifeinigung vom 1. März 2009 umgesetzt werden soll, der die Bereinigung veralteter sowie die Eingruppierung früherer Vergütungsgruppen in die neuen 15 Entgeltgruppen des Tarifvertrags der Länder vorsieht. Nachdem der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit Ende letzten Jahres ausgelaufen war, wurde nun vereinbart, dass auf
landesbezirklicher Ebene Tarifverhandlungen zur Alterssicherheit im Rahmen des Altersteilzeitgesetzes geführt werden können. Im Rahmen einer Schlichtung wurde am 25. März 2011 für die Deutsche Telekom AG und deren Servicegesellschaften ein Tarifergebnis mit folgenden Eckpunkten erzielt: Die 13-monatige Laufzeit beginnt mit drei Nullmonaten, gefolgt von einer Entgeltanhebung von 3,15 % zum 1. April dieses Jahres bzw. einer Mindestanhebung von 75 € monatlich. Die Beschäftigten der Servicegesellschaften erhalten eine zusätzliche Entgeltanhebung von 2 % zum 1. Januar 2011, da sie sich 2007 Entgeltabsenkungen und Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich gegenübersahen. Darüber hinaus erhalten sie drei individuelle Weiterbildungstage. Der Tarifabschluss in der chemischen Industrie am 31. März 2011 ist der besonders guten Konjunkturlage weiter Teile der Chemieindustrie geschuldet. Bei einer vergleichsweise kurzen Laufzeit von 15 Monaten sieht der Tarifabschluss nach einem Nullmonat eine Entgeltanhebung von 4,1 % vor. Diese kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung aus wirtschaftlichen Gründen um einen Monat vorgezogen oder um bis zu zwei Monate verschoben werden. Damit wird den unterschiedlichen Ertragslagen der Betriebe Rechnung getragen. Darüber hinaus wird das Ausbildungsprogramm START für benachteiligte Jugendliche zum „START PLUS-Programm“ ausgeweitet. So erhöht der Unterstützungsverein der chemischen Industrie (UCI) die monatliche Förderung von bisher 205 € pro Teilnehmer auf künftig 430 €. Mitte April dieses Jahres konnte im Bauhauptgewerbe im Rahmen der Schlichtung ein Tarifergebnis erzielt werden. Bei einer 24-monatigen Laufzeit sieht der Abschluss für das Tarifgebiet West nach einem Nullmonat Entgelt anhebungen von 3 % zum 1. Mai 2011 und von 2,3 % zum 1. Juni 2012 vor. Hinzu kommt eine befristete Komponente zur Alterssicherung von 0,3 % für 2012. Im Tarifgebiet Ost werden die Entgelte nach zwei Nullmonaten um 3,4 % zum 1. Juni 2011 und um 2,9 % zum 1. August 2012 angehoben. Insgesamt wird damit eine weitere Angleichung der Ost- an die Westlöhne erreicht. Die stärkere Anpassung des Mindestlohns in
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Tarifpolitik
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Ostdeutschland an den Mindestlohn I in Westdeutschland ist zudem ein weiterer Schritt zu einem einheitlichen Tarifgebiet im Bauhauptgewerbe. Für den Groß- und Außenhandel haben sich die Tarifvertragsparteien in Baden-Württemberg in der vierten Verhandlungsrunde am 20. Mai 2011 auf einen für die Branche richtungsweisenden Tarifabschluss verständigt. Nach einem Nullmonat werden die Entgelte zum 1. Mai 2011 um 3 % sowie zum 1. Mai 2012 um 2,4 % erhöht. Der Tarifvertrag hat eine Gesamtlaufzeit von 24 Monaten. In der Folge wurde dieses Ergebnis Grundlage für weitere Abschlüsse im Tarifgebiet des Groß- und Außenhandels. In den Tarifgebieten des Einzelhandels wurden im Juni und Juli Tarifergebnisse erzielt, die bei einer 24-monatigen Laufzeit nach zwei Nullmonaten regional differenziert einsetzende Entgeltanhebungen von 3 % in diesem und – nach einer Einmalzahlung von 50 € – 2 % im nächsten Jahr vorsehen. Die Abschlüsse orientieren sich dabei an dem Ergebnis, das am 10. Juni 2011 in BadenWürttemberg erzielt wurde. Je nach Tarifgebiet wurden zudem Änderungen im Manteltarifvertrag vorgenommen. Einen der Situation der Branche geschuldeten äußerst maßvollen Tarifabschluss vereinbarte Ende Juni der Bundesverband Druck und Medien mit ver.di für die Druckindustrie. Bei einer 33-monatigen Laufzeit erfolgt nach 16 Monaten eine tabellarische Entgeltanhebung um 2 % im August 2012. Zum September 2011 und Juli 2013 erhalten die Beschäftigten Einmalzahlungen von 280 € bzw. 150 €. Am 21. Juli 2011 einigte sich der Arbeit geberverband der Versicherungswirtschaft mit den Gewerkschaften ver.di, Gewerkschaft der Finanzdienstleister (DBV) und der „DHV – Die Berufsgewerkschaft“ für die Innendienstmitar beiter auf ein Tarifergebnis mit einer 24-monatigen Laufzeit. Die Beschäftigten erhalten im August 2011 eine Einmalzahlung von 350 €, bevor im September 2011 die Entgelte um 3 % und im Oktober 2012 um 2,2 % angehoben werden. Die von den Gewerkschaften geforderten Regelungen zur Beschäftigungssicherung und zum
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Tarifpolitik
Gesundheitsschutz bleiben außerhalb der Verhandlungen Gesprächsthema zwischen den Tarifpartnern. Im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau wurde am 16. August 2011 ein Tarifabschluss erzielt, der während der 26-monatigen Laufzeit zunächst einen Nullmonat vorsieht, gefolgt von einer Entgeltanhebung um 3,2 % im Oktober 2011 sowie einer nach West und Ost differenzierten Lohnerhöhung im November 2012 um 2,4 % (West) bzw. 2,9 % (Ost). Die unterste Lohngruppe wurde individuell auf 8,70 € (West), 8,20 € (Ost) und 8,45 € (Berlin-West) erhöht. Nach schwierigen und lang andauernden Tarifverhandlungen kamen die Tarifpartner der Zeitungsverleger am 18. August 2011 zu einem Ergebnis. Der neue Gehaltstarifvertrag, der Einmalzahlungen von je 200 € im Oktober 2011 und Februar 2013 sowie eine Entgeltanhebung von 1,5 % zum Mai 2012 vorsieht, bietet mit einer Laufzeit von insgesamt drei Jahren den Unternehmen ein hohes Maß an Planungssicherheit. Zudem ermöglicht eine Öffnungsklausel im Manteltarifvertrag bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch freiwillige Betriebsvereinbarung die Absenkung der Jahresleistung oder des Urlaubsgelds auf bis zu 50 % des Monatsgehalts. Wenn dies nicht ausreicht, können mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien die Jahresleistungen und/oder das Urlaubsgeld ganz oder teilweise entfallen. Am 24. August 2011 kam es zu einer Einigung im Gebäudereinigerhandwerk. Der Tarifabschluss sieht bei einer 22-monatigen Laufzeit für das Tarifgebiet West Entgeltanhebungen von 3,1 % zum Januar 2012 und 2,05 % zum Januar 2013 vor. Mit der Vereinbarung, die Löhne in Ostdeutschland in zwei Stufen auf dann 84 % des West-Lohns anzuheben, ist das Tarifergebnis der angestrebten West-Ost-Angleichung einen wichtigen Schritt näher gekommen. Der Systemgastronomie gelang Ende September ein Tarifabschluss. Im Tarifgebiet West werden die Entgelte zum Dezember dieses Jahres um 3 % und aller Tarifgruppen zum Juni 2013 um 2,8 % angehoben. Die erste Entgeltgruppe (West) wird für die 18-monatige Laufzeit der ersten Erhöhungsstufe eingefroren. Die Laufzeit
beträgt 36 Monate. Zudem wird durch die Anhebung der Ostgehälter um die Absolutbeträge der prozentualen Erhöhung der Westgehälter anstelle einer prozentualen Erhöhung der Ostgehälter eine weitere Angleichung der Ost- an die West gehälter erreicht. Einen Schritt zur Bewältigung des demografischen Wandels ist die nordostdeutsche chemische Industrie gegangen. Am 2. November schlossen die Tarifpartner einen DemografieTarifvertrag ab. Im Mittelpunkt steht ein 2013 einzurichtender betrieblicher Fonds, der jährlich mit 2,5 % der tariflichen Entgeltsumme des Vorjahres gespeist werden soll. Mit Hilfe dieser DemografieFonds sollen verschiedene Wege des gleitenden Übergangs in die Rente finanziert werden. Zur Gestaltung einer lebensphasengerechten betrieblichen Arbeitszeitentlastung können die Betriebsparteien aus verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten wählen, wie z. B. altersgerechtes Arbeiten, tarifliche Pflegezeiten, tarifliche Erziehungszeiten, Langzeitkonten. In der Stahlindustrie kam es am 22. November zu einem neuen Tarifvertrag. Das Tarifergebnis sieht bei einer Laufzeit von 16 Monaten nach einem Nullmonat eine Tariflohnanhebung von 3,8 % vor. Des Weiteren wurde eine grundsätzliche unbefristete Übernahme von Ausgebildeten vereinbart, von der nach Unterrichtung bzw. mit Zustimmung des Betriebsrats unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden kann. Darüber hinaus wurden die Tarifverträge zum demografischen Wandel sowie zur Altersteilzeit verlängert, Letzterer verbunden mit einer Aufstockung der zusätzlichen Beiträge zur Rentenversicherung von derzeit 90 % auf 100 %. Den letzten größeren Tarifabschluss im Tarifjahr 2011 erzielte die papiererzeugende Industrie am 6. Dezember. Für den ersten Monat des sich auf eineinhalb Jahre erstreckenden Tarifvertrags erhalten die Beschäftigten eine Einmalzahlung von 70 €, dessen Auszahlungszeitpunkt durch Betriebsvereinbarung bis spätestens März 2012 verschoben werden kann. Die Einkommensanhebungen folgen zum Januar 2012 mit 3 % und 1,6 % ab Januar 2013.
Die im März 2012 beginnenden Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie werfen ihre Schatten voraus. Auch hier gilt es, den Kurs einer verantwortungsvollen Lohnpolitik fortzusetzen, insbesondere vor dem Hintergrund der unsicheren konjunkturellen Aussichten. Bereits jetzt Forderungen nach beträchtlichen Einkommenssteigerungen anzukündigen, ist verfehlt. Wichtig ist, dass auch im kommenden Tarifjahr für die Betriebe wieder passgenaue Tarifergebnisse erzielt werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Tarifverhandlungen
Nein zum allgemeinen gesetz lichen Mindestlohn Die Diskussion über gesetzliche Mindestlöhne hat dazu geführt, dass sich die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig für eine allgemeine Lohnuntergrenze für Bereiche ausgesprochen hat, in denen kein tarifvertraglich festgelegter Lohn existiert. Die Lohnuntergrenze soll durch eine Kommission der Tarifpartner festgelegt werden und sich an den für allgemeinverbindlich erklärten Lohnuntergrenzen orientieren. Damit verbunden ist die Absage an einen allgemeinen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Für Bereiche, in denen es keine tariflichen Mindestlöhne gibt, wurde 2009 unter CDU/CSU-Führung das Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG) novelliert. Einer gesetzlichen Neuregelung aufgrund des Parteitagsbeschlusses bedarf es damit nicht. Die Versprechen, die die Befürworter eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns geben, sind nicht einzuhalten. Ein solcher gesetzlicher Mindestlohn wird Arbeitsplätze kosten und dabei insbesondere die Schwächsten am Arbeitsmarkt treffen. Gering Qualifizierten und Langzeitarbeitslosen werden wertvolle Chancen auf Einstieg in Arbeit geraubt. Damit einher ginge eine Be- und keine Entlastung der öffentlichen Kassen. Ein Blick ins Ausland beweist: Alle Länder mit einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn haben eine deutlich höhere Jugendarbeitslosigkeit als Deutschland. Auch in einem anderen Punkt müsste uns das Ausland ein warnendes Beispiel
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Allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn – Mehrbelastungen für den Staat Eine aktuelle Studie des IW Köln zeigt, dass die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns zu großen Belastungen des Staats führen würde. Gegenteilige Behauptungen ignorieren die Tatsache, dass durch höhere Löhne auch höhere Lohnkosten verursacht werden, die zu Arbeitsplatzabbau und damit zu weiteren Belastungen der Sozialkassen führen. Das IW Köln legte seiner Studie drei unterschiedliche Szenarien zugrunde. Das erste Szenario ohne Auswirkungen eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € auf die Beschäftigung – was das IW Köln für unwahrscheinlich hält – ergab Mehreinnahmen des Staats von 5 Mrd. €. Wahrscheinlicher ist aus Sicht der Wissenschaftler jedoch das zweite Szenario, nach dem vor allem gering Qualifizierte und geringfügig Beschäftigte von einem Arbeitsplatzabbau aufgrund zu hoher Lohnkosten betroffen wären. In diesem Fall würden die Einnahmen des Staats durch die Einkommensteuer nicht so stark steigen wie im ersten Szenario, allerdings würden staatliche Mehrausgaben von 1 Mrd. € an Arbeitslosengeld und anderen Transferleistungen anfallen sowie Mindereinnahmen an Unternehmensteuern von 5,4 Mrd. € drohen. Insgesamt hätten die Staatskassen damit ein Minus von 1 Mrd. € zu verzeichnen. Berücksichtigt man jedoch, dass bei einem Mindestlohn von 8,50 € auch fast ein Viertel aller Vollzeitbeschäftigten von Arbeitslosigkeit bedroht wären (Szenario 3), müsste der Staat aufgrund von Mehrausgaben für Transferzahlungen von insgesamt 5,7 Mrd. € und sinkender Unternehmensteuereinnahmen von 4,7 Mrd. € mit einem Finanzloch von 6,6 Mrd. € rechnen.
Mindestlohn: nicht ohne Risiko für die Staatskasse Sofern mit der Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € die Zahl der Arbeitsplätze zurückgeht, zahlt der Staat drauf. in Mrd. €
Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3
Erwerbseinkommen steigen um
19,2
17,1
15,6
Einkommensteuer
2,3
1,4
0,8
Sozialbeiträge
5,4
4,1
3,1
3,7
–1,0
–5,7
Unternehmensteuern
–6,4
–5,4
–4,7
Gesamteffekt
5,0
–0,8
–6,6
Mehreinnahmen des Staats
Einsparungen des Staats (+), Mehrausgaben (–) Arbeitslosengeld und andere Transferleistungen
Mindereinnahmen des Staats
Stand: 2009; Szenario 1: keine Beschäftigungseffekte; Szenario 2: negative Beschäftigungseffekte mit einem hohen Anteil an arbeitslosen geringfügig Beschäftigten (43 %); Szenario 3: negative Beschäftigungseffekte mit einem hohen Anteil an arbeitslosen Vollzeitbeschäftigten (20 %) Quelle: Statistisches Bundesamt, 2011
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Ausländische Mindestlöhne kaum miteinander vergleichbar
SI
47,5
4,32
FR
46,3
9,00
LU
45,9
10,16
NL
44,1
8,74
PT
42,8
2,92
GR
40,4
4,28
PL
1,85
HU
1,61
39,7 38,8
UK
38,2
6,91
BE
36,8
8,58
SK
1,82
EE
1,73
ES
36,6 35,6 35,3
3,89
CZ
33,4
1,82
RO
33,3
0,93
US
32,1
5,47
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
Mindestlohn in % des Durchschnittslohns Mindestlohn in € pro Stunde Mindestlohn in % des Durchschnittslohns: Stand: 2010; Niederlande, Polen, Rumänien 2009; Frankreich 2008 Quellen: IW Köln; Mindestlöhne: WSI, 2011
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sein: In keinem Land mit allgemeinem gesetzlichem Mindestlohn spielt die Tarifautonomie eine so große Rolle, wie sie es in Deutschland zum Wohle aller tut. Jedes staatliche Lohndiktat ist ein Angriff auf die seit mehr als 60 Jahren bewährte und erfolgreiche Tarifautonomie.
Differenzierte Lösungen durch Branchenmindestlöhne
Wir haben derzeit eine äußerst erfreuliche Lage am Arbeitsmarkt: Die Unternehmen in Deutschland haben in den letzten beiden Jahren über 1 Mio. neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen. Bei der Erwerbstätigkeit bewegen wir uns mit mehr als 41 Mio. auf Rekordniveau. Die Arbeitslosenzahl ist mit 2,7 Mio. so niedrig wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Die Politik gefährdet fahrlässig alle diese Erfolge, wenn sie nun auf allgemeine gesetzliche Mindestlöhne setzt.
Der Weg differenzierter Branchenmindestlöhne über Allgemeinverbindlicherklärungen nach dem Tarifvertragsgesetz bzw. dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz wurde 2011 fortgesetzt. Erstmals trat mit Wirkung ab dem 1. Juni 2011 ein bundesweiter Mindestlohn für die Sicherheitsdienstleistungen in Kraft, nachdem der Tarifausschuss im März einstimmig für den Antrag votiert hatte. Zuvor war nach entsprechenden Einwänden sichergestellt worden, dass der Geltungsbereich des Tarifvertrags auf alle Sicherheitsdienstleistungen, einschließlich Geld- und Wertdienste, Sicherungsdienste an Gleisanlagen sowie Flughafenbewacher, ausgedehnt wurde.
Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Mindestlohn sowie kompakt > „Mindestlohn“ und argumente > „Mindestlohn – vom Ausland lernen“, „Tarifautonomie – Säule der Sozialen Marktwirtschaft“
Auf seiner Sitzung im August hat der Tarifausschuss einstimmig den Mindestlohnanträgen des Baugewerbes, der Abfallwirtschaft und der Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken zugestimmt. Mit der Beteiligung des Tarifausschusses
Vergabespezifischer Mindestlohn – allgemeiner Mindestlohn durch die Hintertür Immer mehr Bundesländer verknüpfen die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Tarifstandards durch die Auftragnehmer. Zwar kann durch das Vergaberecht aufgrund europarechtlicher Vorgaben nur die Einhaltung allgemeinverbindlicher Tarifstandards verlangt werden. Immer mehr Bundesländer folgen aber dem Beispiel Berlins, Tariftreueregelungen mit einem vergabespezifischen Mindestlohn zu verbinden. Für die Auftragsvergabe wird die Erklärung des Auftragnehmers verlangt, dass mindestens der staatlich festgesetzte Lohn gezahlt wird. Dieser beträgt z. B. in Berlin derzeit noch 7,50 €, soll aber auf 8,50 € erhöht werden, und in Bremen und Rheinland-Pfalz bereits 8,50 €. An den unterschiedlichen Höhen der vergabespezifischen Mindestlöhne wird zudem die politische Beliebigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns plastisch. Verbunden wird die Verpflichtung zur Abgabe der entsprechenden Erklärung z. T. sogar mit einer sog. Nachunternehmerklausel, d. h. der Verpflichtung des Auftragnehmers, auch für die Einhaltung der Tariftreueregelungen bei ggf. an der Durchführung des öffentlichen Auftrags beteiligten Nach- und Subunternehmern Sorge zu tragen. Spätestens über diese Festlegung droht mit dem vergabespezifischen Mindestlohn faktisch zumindest im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe die Einführung eines bundesweiten allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns.
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Aktuelle bundesweite Branchenmindestlöhne sehr differenziert
Abfallwirtschaft, inkl. Straßenreinigung und Winterdienst
8,33 8,33 11,05
Bauhauptgewerbe ML I Bauhauptgewerbe ML II
13,40
10,00
Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken ML I Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken ML II
11,53 11,53 12,81 12,81 10,80 10,80
Dachdeckerhandwerk Elektrohandwerk
8,65
Gebäudereinigerhandwerk ML I Gebäudereinigerhandwerk ML II Maler- und Lackiererhandwerk ML I Maler- und Lackiererhandwerk ML II
9,80
8,55
7,00
11,33
8,88 9,75 9,75
11,75 11,75
Pflegedienste (Altenpflege)
7,75
Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft Sicherheitsdienstleistungen (regional differenziert)
6,75
7,80
von 6,53 ...
0
2
4
6
8
8,75
... bis 8,60
10
12
14
16
in € pro Stunde
West Ost Quelle: BDA-Tarifarchiv, 2011
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auch bei diesen Folgeanträgen auf Erlass einer Mindestlohnverordnung trägt die Regierungskoalition ihrem Bekenntnis zur Tarifautonomie Rechnung. Die Zustimmung zum Bau-Mindestlohn, der im Westen weiterhin zwischen einem Mindestlohn für Hilfskräfte und einem für Fachkräfte differenziert, erfolgte insbesondere mit Blick auf das von den Tarifvertragsparteien erklärte Ziel eines zukünftig einzigen Mindestlohns. Zuletzt bekamen im Dezember der Verlängerungsantrag des Gebäude reinigerhandwerks sowie der Vorschlag für eine Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit grünes Licht im Tarifausschuss. Keine die Festsetzung eines Branchenmindestlohns rechtfertigenden sozialen Verwerfungen konnten für die Call-Center-Branche festgestellt werden. Für diese Branche hat die Gewerkschaft dbb beamtenbund und tarifunion im November 2009 einen Antrag auf Festsetzung von Mindestentgelten nach dem MiArbG gestellt. Trotz umfassender Ermittlungen konnte der für die Entscheidung über das Ob von Mindestlöhnen nach dem MiArbG zuständige Hauptausschuss keine
Bedingungen feststellen, die eine solche Festsetzung gerechtfertigt hätten. Nähere Informationen unter www.arbeit ge ber.de > Themen A–Z > Arbeitnehmer-Entsende gesetz und Allgemeinverbindlicherklärung sowie kompakt > „Allgemeinverbindlichkeiten von Tarifverträgen“
Flexibilitäts- und Beschäftigungs motor Zeitarbeit erhalten Die großen arbeitsmarktpolitischen und wirtschaftlichen Erfolge in Deutschland, an denen die Zeitarbeitsbranche einen beachtlichen Anteil hat, werden durch die anhaltende politische Diskussion über die Branche in den Hintergrund gedrängt. Dabei hatte die Zeitarbeit nicht nur Einfluss darauf, dass die deutsche Wirtschaft die Krise vergleichsweise glimpflich überstanden hat. Die Zeitarbeitsbranche hat auch maßgeblichen Anteil daran, dass die deutsche Wirtschaft nach der Krise wieder durchstarten und sich wachsende
Qualifizierte Differenzierungsklauseln bleiben unzulässig Qualifizierte Differenzierungsklauseln (Bonusregelungen), die nicht oder anders gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer ausdrücklich von bestimmten Leistungen ausschließen bzw. dafür sorgen, dass die organisierten Arbeitnehmer auf jeden Fall mehr bekommen, bleiben unzulässig. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 23. März 2011 entschieden, dass eine sog. Spannensicherungsklausel, wonach Leistungen des Arbeitgebers an nicht oder anders organisierte Arbeitnehmer jeweils zwingend einen entsprechenden – zusätzlichen – Zahlungsanspruch für Gewerkschaftsmitglieder begründen, unzulässig ist. Eine solche Klausel überschreite die Tarifmacht der Koalition und schränke die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers unzulässig ein. Problematisch sind solche Klauseln zudem, weil sie zu einer Spaltung der Belegschaft führen und der Arbeitgeber zur gewerkschaftlichen Mitgliederwerbung instrumentalisiert wird. Einfache Differenzierungsklauseln, die eine Übertragung der Sonderleistungen für Gewerkschaftsmitglieder auf nicht oder anders organisierte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht verwehren, wurden vom BAG dagegen bereits 2009 für zulässig erklärt. Daran hält das BAG auch weiterhin fest.
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Auftragseingänge sehr schnell in neuer Beschäftigung niederschlagen konnten. Einen Austausch von Stammbelegschaften durch Zeitarbeitnehmer hat es dabei nicht gegeben. Das Gegenteil ist der Fall: Mit zunehmender Stabilisierung der Auftragslage haben die Unternehmen auf eigene Belegschaft gesetzt und zahlreiche Zeitarbeitnehmer wurden von den Einsatzbetrieben übernommen. Inzwischen kommt der Zeitarbeit eine immer größere Rolle zu, bestehende Beschäftigungsreserven auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu heben und so zur Fachkräftesicherung beizutragen.
sind. Sie belegen zugleich, dass auch die DGBGewerkschaften anerkennen, dass die gesetzliche Equal-Pay-/Equal-Treatment-Regelung für die Praxis untauglich ist. Für eine tarifautonome Lösung ist es von großer Bedeutung, dass mit der Fusion der beiden der BDA angehörenden Arbeitgeberverbände Bundesverband Zeitarbeit und Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister zum BAP im April 2011 ein schlagkräftiger Arbeitgeberverband der Zeitarbeitsbranche entstanden ist.
Die Tarifpartner sind allerdings gefordert, mit Blick auf die zunehmende Diskussion über Equal Pay in der Zeitarbeit die bestehenden Tarifverträge weiterzuentwickeln. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt hat auf dem Deutschen Arbeitgebertag am 22. November den Gewerkschaften ausdrücklich das Angebot unterbreitet, bereits vor dem Ablauf der bis Oktober 2013 geltenden Tarifverträge der Zeitarbeit Verbesserungen für die Zeitarbeitnehmer zu vereinbaren. Erste Gespräche haben darüber bereits insbesondere zwischen dem Bundesverband der Personaldienstleister (BAP) und der IG Metall stattgefunden. Zwischen BAP und IG BCE konnte sogar eine erste Vereinbarung getroffen werden, die auf Basis des bestehenden Tarifvertrags der Zeitarbeit eine stufenweise Angleichung an Equal Pay vorsieht.
Im Vermittlungsverfahren zur Neugestaltung der Grundsicherung für Arbeitslose hat sich die Regierungskoalition Anfang des Jahres darauf verständigt, dass der in Deutschland bereits faktisch flächendeckend geltende Mindestlohn der Zeitarbeit auch auf Zeitarbeitnehmer aus dem EUAusland erstreckt werden kann. Die BDA hatte die entsprechenden Bestrebungen der Zeitarbeitsbranche unterstützt. Anderenfalls hätte die Gefahr einer erneuten Diskreditierung der Branche gedroht, die durch den Einsatz osteuropäischer Zeitarbeitnehmer vor dem Hintergrund der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Mitgliedsstaaten Mittel- und Osteuropas ab Mai 2011 entstanden wäre. Zum Ende des Jahres hat sich der Tarifausschuss mit dem Vorschlag auf Festsetzung der Lohnuntergrenze befasst, so dass diese zum 1. Januar 2012 in Kraft treten kann.
Im Ergebnis werden die Tarifpartner der Zeitarbeit beweisen, dass sie eine Regelung zu Equal Pay praxisgerechter ausgestalten können, als es der Gesetzgeber kann. In sprichwörtlich letzter Minute konnte zu Beginn des Jahres eine im Vermittlungsverfahren zur Neugestaltung der Grundsicherung für Arbeitslose (Hartz IV) drohende Festlegung auf eine gesetzliche Ausweitung des bestehenden Equal-Pay-Grundsatzes abgewendet werden. Das Einlenken der Politik erkennt die Tarifautonomie der Zeitarbeitsbranche an. Ein gesetzlich zwingendes Equal Pay mit nur noch befristeter tarifvertraglicher Abweichungsmöglichkeit hätte dem Flexibilitäts- und Beschäftigungsmotor Zeitarbeit erheblich geschadet. Mit einer Vielzahl vergleichbarer unternehmensbezogener Regelungen haben die Tarifund Sozialpartner bereits bewiesen, dass sie zu einer Lösung in Sachen Equal Pay in der Lage
Die Europäische Zeitarbeitsrichtlinie 2008/ 104/EG vom 19. November 2008 musste bis zum 5. Dezember 2011 in den einzelnen Ländern der EU in nationales Recht umgesetzt werden. Die vom deutschen Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes traten zum 1. Dezember 2011 in Kraft. Eine damit einhergehende Verunsicherung in der Praxis hat ihre Ursache vor allem darin, dass einzelne klarstellende Änderungen sogleich zum Anlass genommen wurden, diese als weiter gehende Einschränkung des Rechts der Zeitarbeit zu interpretieren. Dies gilt insbesondere für den in das Gesetz aufgenommenen Hinweis, dass bei erlaubnispflichtiger Zeitarbeit die Überlassung „vorübergehend“ ist. Der vorübergehende Einsatz des Zeitarbeitnehmers im Einsatzbetrieb ist dem deutschen System der Zeitarbeit jedoch immanent. Dies hängt mit der besonderen Ausgestaltung
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der Zeitarbeit in Deutschland zusammen. Der Arbeitsvertrag wird zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Zeitarbeitnehmer geschlossen. Endet der Einsatz des Zeitarbeitnehmers im Einsatzbetrieb, endet nicht automatisch das Vertragsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und seinem Arbeitgeber, dem Zeitarbeitsunternehmen. Hinsichtlich anderer Änderungen im Recht der Zeitarbeit ist vieles offen, so z. B. die nähere Ausgestaltung des Anspruchs auf Zugang des Zeitarbeitnehmers zu den Gemeinschaftseinrichtungen des Einsatzbetriebs. Das BAG hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 gegenwartsbezogen festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) nicht tariffähig ist. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Tariffähigkeit einer solchen Spitzenorganisation nur gegeben sei, wenn die sich zusammenschließenden Gewerkschaften ihre Tariffähigkeit vollständig an diese vermitteln. Dies sah das Gericht bei der CGZP nicht als gegeben an. Zudem dürfe der Organisationsbereich einer Spitzenorganisation nicht über den ihrer Mitglieder hinausgehen. Trotz eindeutigen Gegenwartsbezugs dieser Entscheidung gehen die Sozialversicherungsträger sowohl von einer Tarifunfähigkeit als auch der Unwirksamkeit der von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge auch für die Vergangenheit aus. Sie sehen betroffene Zeitarbeitsunternehmen in der Pflicht, Sozialversicherungsbeiträge auf die Lohndifferenz zwischen der tatsächlich gezahlten und dem gesetzlich geschuldeten Equal Pay nachzuzahlen. Aber auch Einsatzbetriebe würden wie selbstschuldnerische Bürgen für diese Beiträge haften, wenn das jeweilige Zeitarbeitsunternehmen diese nicht zahlt. Bereits Ende 2010 wurden Zeitarbeitsunternehmen, bei denen von einer Anwendung der CGZP-Tarifverträge ausgegangen wurde, aufgefordert, von sich aus auf Grundlage angenommener Equal-Pay-Ansprüche Beiträge nachzuzahlen. Trotz bestehender Rechtsunsicherheit über die Ansprüche der Sozialversicherungsträger hat sich die Deutsche Rentenversicherung Bund am 23. Juni 2011 auf eine Handlungsanleitung für die Betriebsprüfungen verständigt. Sofern es nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem
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Aufwand gelingt, die Differenz zwischen gezahltem Lohn und Equal Pay individuell für jeden Zeitarbeitnehmer oder zumindest auf Basis von Vergleichsgruppen zu ermitteln, soll eine Pauschale von 24 % auf die Gesamtbruttolohnsumme fällig werden. Die Sozialversicherungsträger haben darüber hinaus deutlich gemacht, dass sie Stundungsersuchen berücksichtigen und Beitragsbescheide bei Widersprüchen zunächst nicht vollziehen wollen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Zeitarbeit sowie > kompakt > „Zeitarbeit“
Duale Studiengänge Ausbildungsförderung Lehrkräfte Bildungsstandards Diplom Europäischer Bildungsraum SchuleWirtschaft Bewerbermangel Betreuungsgeld Deutscher Evangelischer Kirchentag Hochschulfinanzierung MINT Bildungspolitik www.wirtschaft-kirchentag.de Ausbildungspakt Hauptschulabschluss 4ING Fachkräftemangel Nachwuchs Kindertageseinrichtungen Qualifikation Hochschule Jugendwohnen Migration.Qualifikation.Integration Schulen Unterrichtsqualität Starke Schulen Ausbildungsordnungen Tag der Ehrenämtler Bildung Deutscher Qualifikationsrahmen Kultusminister Bacheloringenieure
Qualität und Nachhaltigkeit der Bildungsreformen verbessern Die Arbeitgeber setzen sich für das Ziel einer brei ten und nachhaltigen Verbesserung der Leistung unseres Bildungssystems ein. Denn Bildung ist ein Standortfaktor ersten Ranges, eine wesent liche Grundlage des Wohlstands und der sozialen Sicherheit unserer Gesellschaft und ein entschei dender Faktor für die Chancen eines jeden, sich zu qualifizieren, die eigenen Potenziale zu entfal ten und seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Der Bildungsbereich gehört zu den dynamischs ten Segmenten unserer Gesellschaft. Gerade in den letzten zehn Jahren hat sich im Bildungswe sen mehr verändert als in den Jahrzehnten zuvor und als in vielen anderen Bereichen. Der Wille der Politik zur Qualitätsverbesserung und die Be reitschaft zu Reformen mit diesem Ziel sind vor handen. Allerdings zeigt sich die Kehrseite dieser Entwicklung, wenn Reformen nicht zielführend gestaltet werden, ständig wieder selbst reformiert werden müssen und deshalb den Betroffenen eher als Ergebnis von Aktionismus als von wohl überlegten Strategien erscheinen. Auch die Bil dungspolitik muss sich daher die Frage nach ihrer Qualität und Qualitätsverbesserung gefallen las sen. Viele innovative, aktive und hochwertige Bil dungseinrichtungen arbeiten zielgerichtet und mit Erfolg, aber die eigentliche Herausforderung für die Politik ist es, weit über diese Leuchttürme hi naus flächendeckend Qualität sicherzustellen: Es sind längst nicht in jeder Kindertageseinrichtung ausreichende und angemessene Bildungsange bote sichergestellt. Schulen fühlen sich mit ihren wachsenden Aufgaben nicht selten alleingelas sen und wenig unterstützt. Zu viele Jugendliche verlassen die Schulen ohne die für eine Ausbil dung notwendigen Voraussetzungen. Viele Hoch schulen sind durch hohe Studierendenzahlen bei gleichzeitiger Unterfinanzierung überfordert. Wir setzen auf ein Bildungssystem, in dem von den bildungspolitisch Verantwortlichen, auch über die Grenzen der Bundesländer hinweg, gemeinsam klare Ziele gesetzt und gemeinsam angegangen werden. Dazu gehören Kontinuität und Konsis tenz ebenso wie Kooperation und Kritikfähigkeit. Erst so sind Reformen nachhaltig und können die gesteckten Ziele erreicht werden: Im Fokus steht die kontinuierliche und individuelle Förderung
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Bildung
jedes Kindes und Jugendlichen auf allen Stufen und in allen Bereichen. Dazu ist eine hochwerti ge Qualifikation der Fach- und Lehrkräfte ebenso notwendig wie die Selbstständigkeit und Verant wortlichkeit der Schulen und Hochschulen.
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik (MINT): Nachwuchs sichern, Netzwerke stärken Die MINT-Lücke, die Differenz zwischen offe nen Stellen im MINT-Segment und der Zahl der Arbeitssuchenden mit einer entsprechenden Qualifikation, erreichte im November 2011 ei nen Stand von 172.000 und liegt damit nur noch knapp unter dem Allzeithoch vom Oktober 2000 (180.900). Aus Sicht der Unternehmen ist der Fachkräftemangel ein Hauptrisiko für die wirt schaftliche Entwicklung. Denn wenn Mitarbeiter fehlen, können Aufträge nicht angenommen wer den und Projekte verzögern sich. Die Folge sind Wertschöpfungsverluste in Milliardenhöhe. Die große Bedeutung der MINT-Qualifikationen für den Wirtschaftsstandort Deutschland bestätigte auch das im Frühjahr 2011 erstmalig vorgeleg te MINT-Reporting des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). Danach stieg die Zahl der erwerbstätigen MINT-Akademiker zwischen 2000 und 2008 um knapp 0,5 Mio. auf 2,2 Mio. an. In den vergangenen Jahren ist zwar aufgrund einer insgesamt höheren Studierneigung und ei ner Verringerung der Studienabbruch- und Fach wechselquote die Zahl der MINT-Hochschulab solventen deutlich gestiegen, kaum Fortschritte wurden allerdings bei der angestrebten Steige rung des Frauenanteils erreicht. Hier gilt es, spe zielle Fördermaßnahmen für Mädchen im Bereich MINT wie z. B. den Girls’ Day und Mentoring-Pro gramme weiter auszubauen. Der Fachkräftemangel ist nicht nur für Deutschland, sondern für die europäische Wirt schaft insgesamt eine Wachstumsbremse. Dies ist das Ergebnis eines im Mai 2011 von BUSINESSEUROPE vorgelegten Berichts. In Österreich berichten 77 % der Unternehmen von Schwierigkeiten bei der MINT-Stellenbesetzung, 28 % der Unternehmen in Belgien stellen auch
weniger geeignete Bewerber ein, um ihre Stellen überhaupt zu besetzen. Die Autoren empfehlen, Qualität und Quantität der MINT-Bildung in allen Bildungsinstitutionen deutlich anzuheben, den Austausch zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen zu intensivieren und Zuwanderung bedarfs- und qualifikationsorientiert zu steuern. Ziel der 2008 ins Leben gerufenen BDA/BDIInitiative „MINT Zukunft schaffen“ ist es, die MINTAktivitäten der Unternehmen und Verbände besser sichtbar zu machen und Netzwerke für mehr und bessere MINT-Bildung in Schulen und Hochschulen
zu initiieren und zu stärken. Der MINT-Navigator unter www.mintzukunftschaffen.de bietet Zugriff auf aktuell mehr als 1.000 Einzelprojekte und -ini tiativen. Fast 6.000 MINT-Botschafter vermitteln in Schulen und Hochschulen Interesse und Begeisterung für MINT. Sie laden zu Betriebsbesichtigungen ein, stellen ihre beruflichen Tätigkeiten vor und engagieren sich als Mentoren für Schüler und Studierende. Damit sind sie das menschliche Gesicht von „MINT Zukunft schaffen“. Innerhalb der MINTCommunity bieten der MINT-Tag sowie die MINTBotschafterkonferenz die Plattform für eine bessere Vernetzung. Der MINT-Tag 2011 fand im April
MINT-Fachkräftelücke weiter stark gewachsen Arbeitskräftelücke im MINT-Segment
Anzahl fehlende Fachkräfte 200.000
160.000
120.000
80.000
40.000
0 Okt. 2000
Okt. 2001
Okt. 2002
Okt. 2003
Okt. 2004
Okt. 2005
Okt. 2006
Okt. 2007
Okt. 2008
Okt. 2009
Okt. 2010
Okt. 2011
MINT gesamt Ingenieure Datenverarbeitungsfachleute Techniker Mathematiker/Naturwissenschaftler Quellen: IW Köln, Bundesagentur für Arbeit, 2011
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Bildung
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im Deutschen Museum München statt. Unter dem Motto „Talentschmiede MINT“ zeigten junge Men schen, wie sie auf ihrem individuellen Bildungs weg MINT entdeckten und zu welchen Berufen sie dieser Weg führte. Gastgeber der MINT-Botschaf terkonferenz 2011 mit dem Titel „Unternehmen machen MI(N)T“ war die Siemens AG. Die Veran staltung im November in Berlin zeichnete mit dem Botschafterpreis herausragende Botschafteraktivi täten aus und bot Möglichkeiten für einen intensi ven Austausch zwischen den Botschaftern.
Die deutsche Wirtschaft hat sich zum Ausbau der Kindertageseinrichtungen als erster Stufe des Bildungssystems bekannt. Mit dem Positionspapier „Frühkindliche Bildung voranbringen“ hat die BDA im Juli 2011 einen Acht-Punkte-Katalog vorgelegt: 1.
Jedes Kind wird in den Kindertageseinrich tungen umfassend und individuell gefördert. Ziel ist die frühe Entwicklung von Lebens kompetenzen wie der Bildungsbefähigung des Kindes.
Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „MINT Zukunft schaffen“ sowie unter www.mintzukunftschaffen.de
2.
Jedes Kind wird begleitet, beobachtet und unterstützt. Förderung beginnt mit einer sys tematischen Diagnose. Ein Portfolio doku mentiert kontinuierlich die Entwicklungs schritte des Kindes.
3.
Jedes Kind hat das Recht zu lernen. Die Kultusminister tragen Verantwortung für die Kindertages- als Bildungseinrichtungen der ersten Stufe. Es ist ihre Aufgabe, Bildungs standards zu vereinbaren und flächende ckend umzusetzen.
4.
Jedes Kind entfaltet Basiskompetenzen. Bil dungsstandards zielen vor allem auf sprach liche Kommunikationsfähigkeit, den ersten Umgang mit mathematischen Größen und Verfahren sowie mit forschendem Experi mentieren.
5.
Jedes Kind braucht professionelle Unterstüt zung. Das Qualifikationsprofil orientiert sich an den veränderten Anforderungen für Früh pädagogen und ist in Aus- und Fortbildung zügig umzusetzen. Bewertung und Bezah lung der Arbeit sind anzupassen.
6.
Jedes Kind braucht ausreichende und vielfäl tige Betreuung. Die Qualität der Kindertages einrichtung ist nicht von der Betreuungsrela tion zu trennen. Mehr Frühpädagogen, auch mit vielfältigen Hintergründen, sind gefragt.
7.
Jedes Kind profitiert frühzeitig von einer Kin dertageseinrichtung. Ziel muss es sein, dass alle Kinder ihrem Bedarf entsprechend früh zeitig die Kindertageseinrichtung besuchen. Qualitätssicherung hat Vorrang vor Kosten freiheit.
Acht-Punkte-Katalog zur frühkindlichen Bildung Die frühkindliche Bildung ist ein Thema von wach sender Bedeutung, zu dem sich die Arbeitgeber – wie kaum ein anderer Partner der Bildungspolitik – bereits vielfach mit Vorschlägen und Forderungen geäußert haben. Gute Bildungssysteme zeichnen sich allen Studien zufolge dadurch aus, dass die Förde rung der Kinder weit vor der Schule beginnt. Der in Deutschland besonders enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg kann und muss durch eine frühe Förderung ent koppelt werden. Dies ist inzwischen Konsens in der Bildungspolitik. Angesichts knapper Kassen und starker Anstrengungen zum Aufbau von Be treuungs- und Bildungskapazitäten für Kinder un ter drei Jahren droht die qualitative Verbesserung der Tageseinrichtungen vernachlässigt zu wer den. Kinder erfahren die so wichtige Förderung oft erst zu spät. Bildungspläne der Länder sind noch nicht umgesetzt, Bildungsangebote nicht in jeder Einrichtung sichergestellt. Dabei fragen auch Eltern über Betreuung und Erziehung ihrer Kinder hinaus zunehmend nach mehr Qualität und Bildung. Die frühzeitige Förderung kann nur erfolgreich und nachhaltig gelingen, wenn Kindertagesstätte und Elternhaus eng und auf Augenhöhe zusammenwirken. Dies gilt insbesondere für die Sprachförderung, gerade bei Migrantenfamilien.
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Bildung
8.
Jedes Kind braucht Qualität – je früher, desto besser. Statt Kindergeld und Kinderfreibetrag zu erhöhen oder ein Betreuungsgeld einzu führen, sind Investitionen in die Bildungsein richtungen zielführender.
Die Positionierung der BDA fand eine breite positive Resonanz in der Presse. Auch die Reak tionen der zuständigen Ministerien der Bundes länder, der Landtagsfraktionen und der Parteien waren von hohem Interesse und fast durchweg großer Zustimmung gekennzeichnet. Die Forde rung nach einer Umsteuerung der Finanzströme von direkten Transfers zur Infrastruktur, um die Investitionen zielsicherer in die Bildung der Kinder zu lenken, fand breite Akzeptanz. Kritik kam von Bayerns Sozialministerin Haderthauer als Ver fechterin des geplanten Betreuungsgelds, die der BDA zudem vorwarf, die Erziehungsverantwor tung der Eltern „auszuhöhlen“ und zu „entwerten“, den Bildungsort Familie „komplett auszublenden“ und eine „schleichende Verstaatlichung der Erzie hung“ zu propagieren. Dass Eltern für die Bildung ihrer Kinder eine entscheidende und unverzicht bare Rolle spielen und nur gemeinsam mit ihnen Bildungserfolge zu erzielen sind, hatte die BDA im Positionspapier – wie im Antwortschreiben an die Ministerin – deutlich gemacht. Das Thema „Bil dungs- und Erziehungspartnerschaft von Eltern und Bildungseinrichtungen“ werden wir mit Auf merksamkeit weiterverfolgen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Frühkindliche Bildung“
1.
Finanzierung sichern
Die notwendige Verbesserung des Bildungs standorts Deutschland muss dauerhaft finan ziert werden. Investitionen in die Bildung sind effizienter und zielführender als die Steige rung von Transferleistungen an die Eltern.
2.
Eltern am Bildungsprozess beteiligen
Die öffentliche Bildung kann und soll die Familie nicht ersetzen, sie soll deren Rolle aber unterstützen.
3.
Fundamentale Bedeutung der frühkindlichen Bildung
Der Ausbau der Bildungsanteile in den Kin dertageseinrichtungen für Kinder im gesam ten Vorschulbereich ist essenziell und muss sich auch in der Aus- und Fortbildung von Erzieher/-innen niederschlagen. Die Koope ration von Kindertageseinrichtung und Grund schule ist auszubauen und in ländlichen Regionen die Zusammenführung in „Bildungs häusern“ für Kinder von drei bis zehn Jahren zu prüfen.
4.
Kommunale Bildungslandschaften ausbauen
Vor Ort ist das partnerschaftliche Miteinan der von Schule, Kindertageseinrichtung, Kinder- und Jugendhilfe, Kultureinrichtungen und dem Sport in kommunalen Bildungsland schaften zu verstärken. Die Wirtschaft vor Ort beteiligt sich an diesen kommunalen Bil dungslandschaften z. B. durch Praktika oder Schulkooperationen.
5.
Selbstständigkeit der Schule stärken
Mehr Selbstständigkeit von Schulen ist ent scheidend, um eigene Profile zu entwickeln, Handlungsfähigkeit zu gewinnen und geziel ter auf die Bedürfnisse der Schüler eingehen zu können. Die Länder müssen den Schulen größere Gestaltungsspielräume bei der Pro filbildung einräumen. Der Ausbau der Ganz tagsschulen muss weiter vorangetrieben werden.
Kommunen als Bildungsstandorte stärken Die Kommunen gewinnen für die Bildungsquali tät vor Ort weiter an Bedeutung: als Schulträger und Kindergartenträger, als Standorte für Betrie be, als Koordinatoren von Bildungspartnerschaf ten vor Ort und vor allem beim Übergang in die Ausbildung. Im Dezember präsentierten die BDA und der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) eine gemeinsame Stellungnahme zu den zentralen Herausforderungen der Bildungs politik in Deutschland. Sie betonten übereinstim mend:
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6.
Informations- und Kommunikations technologie in Schulen nutzen
Schüler müssen die modernen Informationsund Kommunikationstechniken beherrschen. Dazu gehört neben einer IT-Ausstattung der Schulen auch eine entsprechende Fortbil dung der Lehrkräfte.
7.
Übergang Schule – Ausbildung
Der Übergang von der Schule in die Ausbil dung ist für zu viele Jugendliche nach wie vor problematisch. Sie brauchen gezieltere Unter stützung und Begleitung und eine umfas sende Berufsorientierung für eine bewusste Berufswahl. Förderangebote müssen mög lichst praxisnah und passgenau zugeschnit ten sein. Insgesamt muss eine regionale Koordinierung und Steuerung Transparenz schaffen und Anschlussfähigkeit sichern z. B. durch den Arbeitsmarktmonitor der Bundes agentur für Arbeit (BA) als Kommunikations plattform vor Ort.
MINT in Schulen verankern Die nachhaltige Verbesserung der Qualität und Quantität des MINT-Unterrichts an Schulen ist ein wichtiges Anliegen der Arbeitgeber. Dazu ist es notwendig, dass viele Schulen einen Schwer punkt auf die MINT-Bildung legen. Im Jahr 2011 startete die Auszeichnung von MINT-freundlichen Schulen durch „MINT Zukunft schaffen“ in Zu sammenarbeit mit verschiedenen Landesarbeit geberverbänden und bundesweiten Partnern wie z. B. der Telekom Stiftung und der Robert Bosch Stiftung. Ziel ist es, im MINT-Bereich engagierte Schulen zu würdigen, ihnen Unterstützung und Vernetzungsmöglichkeiten zu bieten. Die MINTfreundlichen Schulen sollen als solche für Schü ler, Eltern und Unternehmen erkennbar sein. Die weit gestreute Markierung von MINT-freundlichen Schulen ist dabei ebenso wichtig wie die Aus zeichnung und Förderung exzellenter LeuchtturmSchulen, wie sie z. B. im Rahmen der Initiative MINT-EC erfolgt. Die Bewertung der Schulbewerbungen und damit die Anerkennung und Auszeichnung als MINT-freundliche Schule richtet sich nach
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14 festgelegten Kriterien. Im Juli 2011 wurden in Baden-Württemberg in enger Kooperation mit dem dortigen Landesarbeitgeberverband und SCHULEWIRTSCHAFT Baden-Württemberg 31 Schulen ausgezeichnet. Im September folgten mit Aus zeichnungen in Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie im November mit Bayern und Thüringen vier weitere Bundesländer. Der Prozess wird im Jahr 2012 fortgesetzt.
Checkliste für gelungene Berufsorientierung auch für Schulen der Sekundarstufe II Im letzten Jahr entwickelte die BA in Zusam menarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT die Checkliste „Gelunge ne Berufsorientierung an Schulen der Sekundar stufe I“. Mit dieser Checkliste wurde den Schulen ein Arbeitsmittel an die Hand gegeben, mit dem sie Projekte zur Berufsorientierung besser ein schätzen können. Gleichzeitig ermöglicht dieses Arbeitsmittel den Lehrkräften einen übersichtli chen und gut handhabbaren Zugang zu Aspekten der Qualitätssicherung ihres eigenen Berufsorien tierungskonzepts. Aufgrund der vielen positiven Rückmel dungen haben die Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT und die BA ein vergleich bares Arbeitsmittel nun auch für Schulen der Se kundarstufe II konzipiert. Die Checkliste wurde von Fachberatern der Agenturen für Arbeit, Pä dagogen, Ausbildungsleitern und Vertretern aus den Kultusministerien der Länder entwickelt und von Lehrkräften bundesweit erprobt. Über die Regionaldirektionen und örtlichen Arbeitsagentu ren sowie über die Landesarbeitsgemeinschaf ten SCHULEWIRTSCHAFT soll das Arbeitsmittel jeder Schule mit Sekundarstufe II zur Verfügung gestellt werden. Beide Checklisten können von den Internetseiten der BA und SCHULEWIRTSCHAFT heruntergela den werden:
www.arbeitsagentur.de www.schulewirtschaft.de
Auf Erfolgskurs: das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT in Zahlen (Stand: 2009) SCHULEWIRTSCHAFT – bundesweit 15
Landesarbeitsgemeinschaften koordinieren die Arbeit auf Landesebene, die in der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT zusammengeschlossen sind.
432
regionale Arbeitskreise bilden die lokale Basis der Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft.
22.365
ehrenamtliche Akteure aus Schule, Wirtschaft, Politik und anderen Institutionen arbeiten in den regionalen Arbeitskreisen.
51.514
Kontakte hatten die regionalen Arbeitskreise, Landesarbeitsgemeinschaften und die Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT zusammengenommen.
6.069
Veranstaltungen wurden mit 158.204 Teilnehmern im Netzwerk durchgeführt.
46 %
der Veranstaltungsteilnehmer waren Schüler.
3.424
Mal wurde in den Medien über die Arbeit im Netzwerk berichtet.
SCHULEWIRTSCHAFT – vor Ort 4.139
Veranstaltungen führten die regionalen Arbeitskreise durch. Davon waren 44 % Betriebserkundungen.
97.109
Teilnehmer konnten die regionalen Arbeitskreise bei ihren Veranstaltungen begrüßen.
22.161
Kontakte bestanden zu Schulen, Unternehmen, Kindertagesstätten und weiteren Institutionen.
1.873
Mal wurde über die Arbeit der regionalen Arbeitskreise in den Medien berichtet.
Täglich insgesamt 11
Veranstaltungen der regionalen Arbeitskreise
5
Medienberichte über die regionale SCHULEWIRTSCHAFT-Arbeit
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SCHULEWIRTSCHAFT-Jahres tagung mit „Tag der Ehrenämtler“ Zum ersten Mal gab es im Rahmen der Jahres tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFT am 24. Oktober in Potsdam einen „Tag der Ehrenämtler“. Damit soll das Engage ment der ehrenamtlichen Mitglieder der Bundes arbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT ge würdigt werden. Unter dem Motto „Wie ticken Jugendliche heute?“ widmete sich der Thementag folgenden
Aspekten: Wie sieht die Lebenswelt der Jugend lichen aus? Wie können sie von Schule, Eltern und Unternehmen erreicht werden? Welche Funktion kann hierbei das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT übernehmen? Wie können wir Jugendliche mit unseren Aktivitäten erreichen? Prof. Dr. Hurrelmann, Leiter der Shell-Jugendstu die, und Frau Dr. Borgstedt, Mitverfasserin der SINUS-Milieustudie U27 „Wie ticken Jugendli che?“, beleuchteten das Thema aus wissenschaft licher Sicht. Die Ergebnisse einer Schülerumfrage durch Schüler des JUNIOR-Ehemaligennetzwerks und eine Podiumsdiskussion rundeten den The menschwerpunkt ab.
Stiftung der Deutschen Wirtschaft stiftet Chancen Mit dem neuen Leitsatz „Wir stiften Chancen!“ startete die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) in das Jahr 2011. Der Slogan drückt die große Bandbreite der Stiftungsarbeit aus: Die Bildungspro gramme der sdw richten sich an leistungsorientierte Schülerinnen und Schüler von der Hauptschule bis zum Gymnasium, an Auszubildende, Studierende und Promovierende. Hinter allem steht: Wichtig ist nicht, was junge Menschen bereits erreicht haben – wichtig ist, was sie in Zukunft zu leisten vermögen. 4.500 Programmteilnehmerinnen und -teilnehmer verzeichnete die Stiftung im Jahr 2011. Ihre indivi duelle Gestaltungskraft für einen erfolgreichen Bildungs- und Berufsweg zu stärken, ist gemeinsamer Nenner aller Programme. Um ihre operative Arbeit noch bekannter zu machen und praktische Erfahrungen weiterzugeben, wandte sich die sdw im Februar 2011 erstmals mit einem bildungspolitischen Forum an die Öffentlichkeit. Über schrieben war es mit dem hochaktuellen Thema „Herausforderung Bildungsgerechtigkeit – zum fairen Umgang mit dem Leistungsprinzip“. Hierzu hat die sdw auch einen Essayband herausgegeben, der bei der Stiftung unter www.sdw.org online bestellt werden kann. Für die Folgejahre sind weitere Veranstal tungen ähnlichen Formats geplant. Als neu eingerichtete Transferstelle unterstützt die sdw seit Juli 2011 das Projekt „Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland“. Drei Ziele hat sich das Netzwerk auf die Fahnen geschrieben: den Jugendlichen in Ostdeutschland Berufsperspektiven in der eigenen Region aufzuzeigen, Jugendliche mit schwierigen Startchancen zu fördern und junge Menschen für MINT-Themen zu begeistern. Hierbei unterstützt die sdw die beteiligten Landesarbeitsgemeinschaften SCHULEWIRTSCHAFT und ihre regi onalen Arbeitskreise in ihrem Engagement, die Kooperationen zwischen Wirtschaft und Schulen bzw. Hochschulen auszubauen. Einen Generationswechsel gab es an der Spitze der sdw. Dr. Schnöring trat die Nachfolge von Herrn Brackmann als Generalsekretär an, der in den Ruhestand gegangen ist, aber im Stiftungsvorstand aktiv bleibt.
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Zunehmender Bewerbermangel auf dem Ausbildungsmarkt Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt hat sich 2011 für die Ausbildungsbewerber weiter verbes sert. Während ihre Chancen auf Ausbildung gut sind, haben die Ausbildungsbetriebe zunehmend Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden. Umso bemerkenswerter ist es, dass sie ihr Ausbil dungsangebot 2011 noch weiter gesteigert haben. So steht laut der Statistik der BA dem Zuwachs bei den gemeldeten betrieblichen Ausbildungsplätzen
gegenüber dem Vorjahr von 10,2 % ein Minus bei den gemeldeten Bewerbern von 2,5 % ge genüber. Die Zahl der zum 30. September noch unvermittelt gemeldeten Bewerber ist weiter auf 11.600 gesunken, das sind nur rd. 2 % aller im Jahr 2011 gemeldeten Bewerber. Ihnen stehen noch deutlich mehr unbesetzte Ausbildungsplät ze gegenüber (29.700). Dieses Lehrstellenplus hat sich damit gegenüber dem Vorjahr deutlich vergrößert (2010: +7.300; 2011: +18.100). Die Chancen für die Nachvermittlung sind dement sprechend sehr gut.
Zunehmender Bewerbermangel auf dem Ausbildungsmarkt Unbesetzte Ausbildungsstellen und unversorgte Bewerber
35.000 29.689
30.000
25.000
20.000
19.605 17.255 15.679
15.000
12.255
11.550
10.000
5.000
0 2009
2010
2011
Unbesetzte Ausbildungsstellen Unversorgte Bewerber Stand: jeweils 30. September Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2011
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Diese positiven Zahlen der BA werden auch von Daten zu den neu abgeschlossenen Ausbil dungsverträgen bestätigt. Insgesamt wurden laut Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) bis Ende September 570.140 Ausbildungs verträge abgeschlossen. Das ist ein Plus von 1,8 % gegenüber dem Vorjahr. Die betrieblichen Ausbildungsverträge haben sogar um 4 % zuge nommen. Angesichts des bei der BA verzeichne ten Bewerberrückgangs ist dieses Ergebnis sehr bemerkenswert. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Ausbildungsmarkt“
Ausbildungspakt zieht positive Zwischenbilanz Der Lenkungsausschuss Ausbildungspakt hat auf seiner Sitzung am 7. November 2011 eine positive Zwischenbilanz für den Ausbildungsmarkt gezo gen. Die Umsetzung der Zusagen der Wirtschaft aus dem Ausbildungspakt ist auf einem guten Weg: Bis Ende Oktober wurden 63.100 Ausbil dungsplätze neu eingeworben (Zusage: 60.000), 38.100 Betriebe wurden neu für Ausbildung ge wonnen (Zusage: 30.000) und 22.700 Plätze für Einstiegsqualifizierungen (EQ) von den Betrie ben bereitgestellt, davon 3.710 Plätze für beson ders förderungsbedürftige Jugendliche, sog. EQPlus-Plätze (Zusage: 40.000 EQ-Plätze, davon 10.000 EQ-Plus-Plätze). Die endgültige Bilanz für 2011 wird im Februar 2012 am Ende der Nachver mittlung gezogen. Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten der Betriebe bei der Besetzung von Aus bildungsplätzen bestand Einigkeit, dass weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Ausbil dungsreife und Berufsorientierung sowie zur Erschließung weiterer Potenziale, vor allem schwächerer Jugendlicher und junger Menschen mit Migrationshintergrund, erforderlich sind. Be sonders wichtig sind dabei die Übergänge von der Schule in Ausbildung; Angebote müssen hier möglichst frühzeitig ansetzen sowie praxisnah, bedarfsgerecht und transparent gestaltet wer den. Zudem sind Anstrengungen erforderlich, um das duale Ausbildungssystem auch für leis tungsstärkere Schulabgänger attraktiv zu halten.
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Die Arbeitgeber bringen sich mit einem großen Engagement für Berufsorientierung, Berufsvor bereitung und Ausbildung in den Pakt ein. Insbe sondere gehört dazu der aktuelle Schwerpunkt des Netzwerks SCHULEWIRTSCHAFT bei der Berufsorientierung junger Menschen mit Migrati onshintergrund. Um auch künftig leistungsstarke Schulab gänger für die duale Ausbildung zu gewinnen, wurde Anfang November zudem eine im Ausbil dungspakt verabredete Kampagne unter dem Motto „Berufliche Bildung – praktisch unschlag bar“ gestartet. Sie wird von Bundesbildungs- und Bundeswirtschaftsministerium finanziert und von der Wirtschaft begleitet. Sie illustriert die Stärken des dualen Systems, indem sie insbesondere über die vielfältigen und interessanten Berufe und die guten weiteren Entwicklungsmöglichkeiten z. B. durch Fortbildung informiert. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Ausbildungspakt“ sowie unter www. arbeitgeber.de > argumente > „Wir bilden aus!“
Attraktivität der Ausbildung durch moderne Berufe sichern Die Modernisierung von Ausbildungsordnungen, die den Standard jeder Ausbildung in anerkannten Berufen vorgeben, ist ein Kernbereich der BDATätigkeit in der Berufsbildungspolitik. Die duale Ausbildung zeichnet sich durch ihre Betriebsnä he aus. Betriebe sind Hauptverantwortliche in der Ausbildung und daher durch die Sozialpartner bei der Entwicklung bzw. Modernisierung der Aus bildungsordnungen maßgeblich beteiligt. Sobald sich Berufsbilder verändern und neue Anforde rungen im Arbeitsalltag entstehen, soll dies in der Ausbildung möglichst unmittelbar nachvollzogen werden. Durch regelmäßige Überprüfungen der Verordnungen auf ihre Aktualität wird gewährleis tet, dass die Absolventen der dualen Ausbildung alle Voraussetzungen für einen direkten Berufs einstieg mitbringen. Mit Beginn des Ausbildungsjahres 2011 konn ten wieder in 16 Berufen modernisierte Ausbil dungen angeboten werden. Ein Schwerpunkt lag dabei diesmal auf der Druck- und Medienbranche
sowie dem Konstruktionsbereich. Schon die ge änderte Berufsbezeichnung in der Druck- und Medienbranche macht deutlich, dass sich die Be rufsbilder teilweise gravierend verändert haben. So heißt der ehemalige „Drucker“ nun „Medien technologe Druck“. Um den verschiedenen Druck verfahren, mit denen Betriebe umgehen müssen, Rechnung zu tragen, können zusätzlich zu den
Mindestvorgaben der Ausbildung weitere Verfah ren ausgebildet und als Zusatzqualifikation geprüft werden. Insgesamt überarbeitet wurden auch die Konstruktionsberufe. Die modernen Ausbildungen zum Technischen Produktdesigner und Techni schen Systemplaner bieten nun durch ein überar beitetes Angebot an Fachrichtungen differenzierte und flexible Ausbildungsmöglichkeiten.
Modernisierung der Ausbildungsberufe fortgesetzt Neu geordnet wurden die Berufe: Augenoptiker/-in, Bootsbauer/-in, Buchbinder/-in, Buchhändler/-in, Fachkraft für Lederverarbei tung (zweijährig, ehemals Schuh- und Lederwarenstepper/-in), Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice (Überführung der Erprobungsverordnung), Mediengestalter/-in Flexografie (ehemals Flexograf/-in), Medientechnologe/-technologin Druck (ehemals Drucker/-in), Medientechnologe/-tech nologin Siebdruck (ehemals Siebdrucker/-in), Medientechnologe/-technologin Druckverarbeitung (neu), Packmitteltechnologe/-technologin, Technische(r) Produktdesigner/-in, Technische(r) Systemplaner/-in, Textilgestalter/-in im Handwerk, Tourismuskaufmann/-frau (Kaufmann/-frau für Privat- und Geschäftsreisen; ehemals Reiseverkehrskaufmann/-frau), Schifffahrtskaufmann/-frau Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2012 befinden sich die Berufe: Fachangestellte(r) für Arbeitsmarktdienstleistungen (öD), Pharmazeutisch-kaufmännische(r) Angestellte(r), Schilder- und Lichtreklamehersteller/-in, Schornsteinfeger/-in, Verfahrensmechaniker/-in für Kunst stoff- und Kautschuktechnik In der beruflichen Fortbildung wurden im Berichtsjahr folgende Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG/§ 42 HwO): Betriebswirt/-in Handwerk, Fachagrarwirt/-in Klauenpflege, Fachwirt/-in im Gesundheits- und Sozial wesen, Klauenpfleger/-in, Personaldienstleistungsfachwirt/-in, Sportfachwirt/-in Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen: Fachberater/-in für Finanzdienstleistungen, Fachkaufmann/-frau für Büromanagement, Fachwirt/-in für Finanzberatung, Fachwirt/-in für Personenverkehr/Mobilitätsdienstleistungen, Fachwirt/-in Güterverkehr und Logistik, Fachwirt/-in im Gastgewerbe, Industriemeister/-in Schuhfertigung, Kraftverkehrsmeister/-in, Logistiker/-in, Meister/-in für Bild- und Tonproduktion, Polier/-in, Tourismusfachwirt/-in
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In Vorbereitung ist die Neuordnung der Bü roberufe (Bürokaufmann, Kaufmann für Büro kommunikation). Nach Diskussionen, an denen die BDA intensiv beteiligt war, ist es gelungen, gemeinsam mit den Gewerkschaften ein Konzept für die Modernisierung dieser branchenübergrei fenden Berufe vorzulegen. Dies sieht zukünftig die Ausbildung in einem einzigen Beruf vor, der auch die entsprechende Ausbildung im öffentli chen Dienst umfasst. Wahlqualifikationseinheiten sollen den Betrieben eine den unterschiedlichen Anforderungen entsprechende Ausbildung er möglichen.
3.
Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Moderne Strukturen in der dualen Ausbildung“
Mehr Flexibilität in der Ausbildungsförderung
Die Berufsschule der Zukunft: das Leitbild der Arbeitgeber
Angesichts der für Bewerber günstigen Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist es besonders wich tig, Förderinstrumente noch gezielter auf die Un terstützung schwächerer Jugendlicher zu fokussie ren. Dabei muss eine größtmögliche Praxis- und Betriebsnähe sichergestellt werden, da so die bes ten Chancen auf Beschäftigung eröffnet werden. Sehr zu begrüßen ist, dass entsprechende Schritte im Rahmen der aktuellen SGB-III-Reform („Ge setz zur Verbesserung der Eingliederungschan cen am Arbeitsmarkt“) unternommen wurden. So bleiben die EQ – nach scharfer Kritik der BDA an der ursprünglichen Absicht, die betrieblichen EQ zugunsten eines trägergestützten Instruments auf zugeben – in ihrer bisherigen Form erhalten. Auch eine zwischenzeitlich geplante Befristung der EQ konnte letztendlich abgewendet werden. Dies ist sehr zu begrüßen, denn die EQ ist eine erfolgrei che Brücke in Ausbildung, die dauerhaft erhalten bleiben muss, um schwächere Jugendliche auch zukünftig an Ausbildung heranführen zu können.
Der Erfolg des dualen Ausbildungssystems und seine Attraktivität basieren auf der Leistungsfähig keit und Kooperation der beiden Lernorte B etrieb und Berufsschule. Dementsprechend kommt den Berufsschulen als Partnern der Betriebe in die sem System eine große Bedeutung zu. Mit ih rem neuen Leitbild richten die Arbeitgeber ihren Blick auf die Berufsschulen und legen dar, welche Rahmenbedingungen von der Politik geschaffen werden müssen und welche Handlungsfelder zu bearbeiten sind, damit Berufsschulen optimal auf gestellt sind. Aus Sicht der Arbeitgeber müssen die An forderungen und Bedarfe der Praxis wichtigster Maßstab für die Arbeit der Berufsschulen und die Ausgestaltung des dualen Systems insgesamt sein. Die Berufsschulen sind leistungsstarke, attraktive und verlässliche Dienstleister, die ge meinsam und auf gleicher Augenhöhe mit den Betrieben für eine hochwertige Ausbildung sor gen. Eine enge Kooperation zwischen beiden ist essenziell. Die zehn Handlungsfelder, die das Leitbild „Be rufsschule der Zukunft“ beschreibt, sind: 1. 2.
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Selbstständigkeit der Berufsschulen stärken Qualität umfassend sichern
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Wettbewerb zwischen Berufsschulen ermöglichen 4. Berufsschulen modern und bedarfsgerecht ausstatten 5. Berufsschullehrernachwuchs sicherstellen und praxisgerecht qualifizieren 6. Flexibilität für Modernisierungen sicherstellen 7. Unterrichtsqualität und individuelle Förde rung sicherstellen 8. Leistungen der Auszubildenden transparen ter machen 9. Lernortkooperation stärken 10. Externe Kooperationen ausbauen
Darüber hinaus wurde mit dem Gesetz der Forderung der BDA gefolgt, die Begrenzung von betrieblichen Praxisphasen bei Berufsvorberei tungsmaßnahmen (BVB) und außerbetrieblicher Ausbildung (BaE) aufzuheben. Die Dauer dieser Phasen kann nun je nach Bedarf und Möglichkeiten gestaltet werden. Dies garantiert mehr Betriebsnä he und damit größere Chancen auf eine reguläre Ausbildung oder Beschäftigung. Mehr Flexibilität ermöglicht auch die Abschaffung der Pflicht, vor einer BaE immer eine BVB durchzuführen.
Eine bessere, wenn auch noch nicht aus reichende Finanzierungsgrundlage schafft die SGB-III-Reform für das Jugendwohnen. Träger von Jugendwohnheimen können nun wieder durch Darlehen und Zuschüsse für den Aufbau, die Erweiterung, den Umbau und die Ausstattung von Wohnheimen gefördert werden. Darüber hin aus werden die Entgelte für die sozialpädagogi sche Begleitung für Auszubildende unter 18 Jah ren in Wohnheimen übernommen, wenn diese Kosten nicht von Dritten erstattet werden. Richtig und wichtig wäre allerdings gewesen, dies auch bei volljährigen Auszubildenden vorzusehen, da auch bei ihnen die Begleitung oft einen erhebli chen Beitrag dazu leistet, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden.
Umsetzung des Deutschen Quali fikationsrahmens zukunftsoffen gestalten Die langjährige Entwicklung des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) zeigt, dass ein bil dungsbereichsübergreifender Dialog immer noch nicht selbstverständlich ist. Dennoch waren die mühsamen Diskussionen insofern erfolgreich, als der DQR im Ergebnis alle Voraussetzungen ge schaffen hat, um Qualifikationen des deutschen Bildungssystems untereinander vergleichbar zu machen. Die Kompetenzbeschreibungen des DQR ermöglichen eine lernortunabhängige Beur teilung von Qualifikationen und ihre Einordnung auf den Niveaus des Qualifikationsrahmens. Die Diskussionen über die Zuordnung von Qualifika tionen zeigen jedoch, dass die Möglichkeiten des DQR nicht in vollem Umfang genutzt werden. Bei der Zuordnung dominieren teilweise Kriterien, die sich nicht an Lernergebnissen orientieren, son dern überkommene Strukturen abbilden. Dies zeigt sich insbesondere bei der Frage der Einordnung der Hochschulreife in den DQR. Die Bestrebungen der KMK, den höchsten all gemeinbildenden Schulabschluss auf einem hö heren Niveau einzustufen als die meisten dua len Ausbildungsberufe, lassen sich nicht auf der Basis der Beschreibungen des DQR begründen. Vielmehr bietet der DQR die einmalige Gelegen heit, deutlich zu machen, dass eine berufliche Ausbildung zwar andersartig qualifiziert als eine
allgemeinbildende schulische Ausbildung, dass Absolventen des dualen Systems aber mindes tens gleichwertige Kompetenzen erwerben. Dies erlangt nicht zuletzt im Hinblick auf den europäi schen Vergleich von Qualifikationen eine erhebli che Bedeutung. Die BDA setzt sich gemeinsam mit den üb rigen Spitzenorganisationen der Wirtschaft, den Gewerkschaften, den beteiligten Bundesminis terien und der Wirtschaftsministerkonferenz da für ein, dass drei- und dreieinhalbjährige Ausbil dungsberufe auf einem Niveau mit dem Abitur eingeordnet werden. Die BDA tritt darüber hinaus dafür ein, dass mit dieser erstmaligen Einordnung abweichende Zuordnungen von Ausbildungsbe rufen für die Zukunft keinesfalls ausgeschlos sen sind. Vielmehr muss bei der Gestaltung von kompetenzbasierten Ausbildungsordnungen in jedem Einzelfall auf der Grundlage der DQR-Be schreibungen geprüft werden, welches Niveau die Qualifikation erreicht. Ein starres System, das die Entwicklung zukünftiger Ausbildungsordnungen auf wenige Niveaus des DQR beschränkt, wäre hingegen kontraproduktiv und würde den Mehr wert des DQR gefährden. Denn die Akzeptanz der Unternehmen kann nicht mehr gewährleistet werden, wenn aufgrund formaler Erwägungen Zu ordnungen getroffen werden, die von erfahrenen Praktikern nicht nachvollziehbar sind.
Vielfalt der europäischen Berufsbildungssysteme beachten In den letzten Jahren wurden auf europäischer Ebene mehrere Instrumente entwickelt, die eine bessere Vergleichbarkeit der Berufsbildung in Europa zum Ziel haben – angefangen beim Eu ropäischen Qualifikationsrahmen (EQR) über das Europäische Leistungspunktesystem für die Ausund Weiterbildung (ECVET) bis hin zum Referenz rahmen für Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung (EQARF). Auch wenn alle Instrumente be rechtigte Ziele verfolgen und deshalb von den Sozi alpartnern größtenteils unterstützt wurden, besteht die Gefahr, dass die Anzahl und die Komplexität der verschiedenen Instrumente dazu führen, dass deren Nutzen nicht bei der Berufsbildungspraxis ankommt bzw. nicht als solcher erkannt wird.
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Insbesondere im Hinblick auf die Qualitäts sicherung muss berücksichtigt werden, dass in Europa verschiedene Berufsbildungssysteme be stehen, die unterschiedliche Anforderungen an Qualitätssicherung stellen, und dass eine Har monisierung weder sinnvoll noch beabsichtigt ist. Einheitliche Vorgaben sind daher wenig zweck dienlich. Die BDA setzt sich als Vertreter der Ar beitgeber im Europäischen Netzwerk für Quali tätssicherung in der beruflichen Bildung dafür ein, dass gemeinsame Grundsätze und Kriterien und in erster Linie ein gemeinsames Verständnis über das Ziel einer Berufsbildung entwickelt werden, dass gleichzeitig aber die Unterschiede der Sys teme angemessen berücksichtigt werden. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Instrumen te müssen so offen und flexibel sein, dass sie in jedem Kontext umgesetzt werden können. Die EU-Kommission wird sich in Zukunft ver stärkt dem Thema „Ausbildung von Ausbildern“ widmen. Die BDA fordert, dass an der Entwick lung entsprechender Empfehlungen Vertreter von ausbildenden Betrieben aktiv beteiligt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Emp fehlungen die Realität in den Betrieben abbilden und berücksichtigen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Bildung > Europäischer Bildungsraum
ESF-Sozialpartnerprogramm „weiter bilden“ auf erfolgreichem Kurs Die Sozialpartner unternehmen seit jeher vielfältige Initiativen zur Stärkung der Weiterbildung. Zur Un terstützung solcher Initiativen hatte das Bundesar beitsministerium gemeinsam mit der BDA und dem DGB die Förderrichtlinie „weiter bilden“ erarbeitet, die seit April 2009 in Kraft ist. Gefördert werden Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedin gungen für betriebliche Weiterbildung (z. B. Bera tungsstrukturen, Bedarfsermittlungen) sowie Wei terbildungsmaßnahmen in Betrieben. Grundlage für die Förderung ist eine Vereinbarung der jeweils zuständigen Sozialpartner zur Weiterbildung. Nach über zwei Jahren Laufzeit des Pro gramms kann eine positive Zwischenbilanz gezo gen werden. Bisher wurden gut 100 Projekte auf
100
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den Weg gebracht. Sie decken eine breite Palette von Branchen, Zielsetzungen und Maßnahmen ab. Am häufigsten beinhalten die Projekte den Aufbau von Personalentwicklungsstrukturen in Betrieben und die Durchführung von konkreten Qualifizierungsmaßnahmen. Von größerer Be deutung sind zudem Maßnahmen zur Motivation bestimmter Zielgruppen, zum Aufbau vernetzter Strukturen sowie zur Ermittlung des branchenspe zifischen Qualifizierungsbedarfs. Interessierte sollten sich zwecks Antragsbera tung an die Regiestelle „weiter bilden“ wenden. Im Internet stehen verschiedene Leitfäden für die An tragstellung zur Verfügung. Projektanträge müssen zu einem bestimmten Stichtag bei der Regiestelle eingereicht werden. Die noch ausstehenden Abga betermine für Anträge sind der 31. Dezember 2011 sowie der 31. März 2012. Anträge mit einer För dersumme unter 100.000 € können laufend bei der Regiestelle eingereicht werden. Projekte können bis maximal 31. Dezember 2014 laufen. Nähere Informationen unter www.initiative-weiterbilden.de
Bachelor etabliert sich auf dem Arbeitsmarkt Mehr als 80 % der Studiengänge in Deutsch land sind inzwischen auf die neuen Abschlüs se Bachelor und Master umgestellt. Rund drei Viertel der Studienanfänger immatrikulieren sich in einem Bachelorstudiengang. Auch unter den Absolventen machen die Bachelors bereits ein Drittel aus. Alle Studien ergeben: Den Bachelorabsol venten gelingt der Berufseinstieg gut. Nur ein minimaler Anteil ist ohne Erwerbstätigkeit. Die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation ist für alle Abschlussgruppen hoch, wobei fach- und hochschulartspezifisch Bachelorabsolventen z. T. deutlich zufriedener sind als die Absolventen des traditionellen Systems. Die Suche nach dem ers ten Arbeitsplatz nach dem Hochschulabschluss dauert bei Diplomabsolventen durchschnittlich 2,9 Monate, Bachelorabsolventen suchen im Mit tel nur drei Tage länger.
Bereits 25 % der kleinen, 36 % der mittleren und 69 % der Großunternehmen beschäftigen Ba chelorabsolventen. Wer sich nach dem Studium für den direkten Berufseintritt entscheidet, übt ein Jahr nach dem Abschluss im Allgemeinen eine reguläre ausbildungsadäquate Erwerbstätigkeit aus. Bachelorabsolventen starten meist auf den gleichen Positionen wie andere Hochschulab solventen und erzielen vergleichbare Gehälter. Grundsätzlich können die Bachelorabsolventen alle Führungspositionen erreichen. Wie für die herkömmlichen Studiengänge se hen die Personalverantwortlichen auch bei den Ba chelorstudiengängen Verbesserungsbedarf hinsichtlich des Praxisbezugs. Die Unternehmen wünschen sich praxisorientierte Lehrinhalte, eine
bessere Vermittlung sozialer und kommunikativer Kompetenzen und längere Praxisphasen. Daher muss die Umsetzung der im Bologna-Prozess vereinbarten Ziele, insbesondere die Verbesse rung der Beschäftigungsfähigkeit der Absolven ten, weiter vorangetrieben werden. Insgesamt aber hat sich der Bachelor allen Unkenrufen zum Trotz geräuschlos und gut auf dem Arbeitsmarkt etabliert. Die Unternehmen bieten den Absolven ten attraktive berufliche Einstiegs- und Entwick lungsmöglichkeiten. Nicht Abschlüsse, sondern die erworbenen Kompetenzen entscheiden über die Arbeitsmarktperspektiven von Akademikern. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > argumente > „Bachelor kommt in den Unterneh men an“
Bachelor kommt in den Unternehmen an Beschäftigung von Akademikern nach Abschlussart; Unternehmen in % Gesamt
Branche
Mitarbeitergrößenklasse
Industrie
Dienstleistungen
1–49
50–249
ab 250
Bachelor
26,0
18,7
28,4
25,0
35,6
68,8
Master
14,7
9,5
16,4
14,1
18,2
50,3
Diplom
94,8
96,2
94,3
94,8
93,3
97,0
Nur Unternehmen berücksichtigt, die Akademiker beschäftigen Quelle: Studie des Stifterverbands „Mit dem Bachelor in den Beruf“, 2011
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Ingenieurwissenschaftliche Ausbildung verbessern Mit Blick auf den MINT-Fachkräftemangel in Deutschland sind die Qualität ingenieurwissen schaftlicher Studiengänge und die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit von Bacheloringenieuren von herausragender Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Die BDA führt daher einen intensiven Dialog mit den Technischen Universitäten und technisch ausgerichteten Fachhochschulen, um die Anforderungen der Wirtschaft an die Absol venten und die Erwartungen an ein hochwertiges Studium deutlich zu machen, sich über erfolgrei che Konzepte auszutauschen und gemeinsame Forderungen an die Politik zu formulieren. Als ein Ergebnis dieses Dialogs haben BDA, BDI und die Fakultätentage der Ingenieurwissen schaften und Informatik an Universitäten (4ING) im Februar 2011 eine gemeinsame Erklärung zur Umsetzung des Bologna-Prozesses in den Ingenieurwissenschaften verabschiedet. Die in 4ING zusammengeschlossenen Fakultäten re präsentieren rd. 2.500 Professoren, 15.000 Mit arbeiter und 130.000 Studierende. Nach gemein samer Auffassung müssen Studiengänge in den Ingenieurwissenschaften auf Bachelor- wie auch Masterniveau die Anforderungen des Arbeits markts konsequent berücksichtigen und zur Be schäftigungsfähigkeit der Absolventen führen. Die neuen Abschlüsse Bachelor und Master sind in ih rem Renommee weiter zu stärken. Die Hochschu len benötigen Freiraum für Profilbildung und Flexi bilität bei der Planung ihrer Studienkapazitäten und bei der Entwicklung innovativer Studienfor men. Sie streben eine bestmögliche Ausbildung für alle, Durchlässigkeit und die Vereinbarkeit von Studium, Familie und Beruf an. Derzeit starten etwa drei von zehn ingenieur wissenschaftlich ausgebildeten Bachelorabsol venten der Universitäten direkt ins Berufsleben. Allerdings tun sich nach wie vor viele Technische Universitäten schwer, den Bachelorabschluss als arbeitsmarktrelevant anzuerkennen und die Studienprogramme entsprechend zu gestalten. Im Mai 2011 hat die BDA ein Positionspapier vorgelegt, in dem sie das von der Wirtschaft er wartete Kompetenzprofil von forschungsorientiert
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ausgebildeten Bacheloringenieuren des Maschi nenbaus, der Verfahrenstechnik und der Elektro technik exemplarisch beschreibt und Einsatzfel der in Unternehmen nennt. Bacheloringenieure zeichnen sich demnach durch ein breites techni sches Grundverständnis, Problemlösungsfähig keit und Lernfähigkeit aus und finden vor allem in den immer wichtiger werdenden Tätigkeiten an der Schnittstelle zwischen Produkt, Dienst leistung und Kunde Beschäftigung, wo neben der technischen Kompetenz ausgeprägte Schlüssel kompetenzen gefragt sind. Dass die übergroße Mehrheit der Bacheloringenieure ihre beruflichen Tätigkeitsfelder als ausbildungsadäquat erlebt, belegt eindrücklich, dass mit den gestuften Stu dienabschlüssen ein gutes Matching zwischen dem Kompetenzprofil der Absolventen und den Anforderungen des Arbeitsmarkts möglich ist und die Unternehmen den Absolventen attraktive Be schäftigungsmöglichkeiten bieten. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Bologna-Prozess
Keine Rückkehr zu alten Titeln Seit eh und je ist die Qualitätsmarke der ingenieur wissenschaftlichen Ausbildung in Deutschland der „deutsche Ingenieur“. „Engineering made in Ger many“ ist weit über die Grenzen hinaus bekannt und nachgefragt. Durch den Bologna-Prozess profitiert der Wissenschaftsstandort Deutschland zusätzlich von der internationalen Vergleichbar keit und Lesbarkeit der neuen Abschlüsse Bache lor und Master. Die BDA ist sich mit der großen Mehrheit der Hochschulen und Studierendenver bände einig, dass für eine Rückkehr zu den alten Diplomtiteln im Rahmen der neuen Studienstruk tur kein Anlass besteht. Vielmehr sind Diplom abschlüsse mit der gestuften Bachelor-MasterStruktur unvereinbar, entsprechen nicht dem von den Ländern einstimmig vereinbarten Strukturrah men und würden zu Verwirrung bei Absolventen und Arbeitgebern führen. Ein von der BDA in Auftrag gegebenes Rechts gutachten belegt eindeutig, dass eine Wiederein führung von Diplomtiteln als Abschlussbezeich nungen für Bachelor- bzw. Masterstudiengänge in einzelnen Bundesländern fatale Konsequenzen insbesondere für die Absolventen hätte. Solche
Hochschulen weiter internationalisieren
Studiengänge mit Diplomabschluss erfüllen nicht die bundesweiten Qualitätsstandards und können daher nicht akkreditiert werden. Mangels Akkredi tierung und aufgrund der Missverständlichkeit des Diplomgrads müssen Absolventen mit Problemen bei der Aufnahme in den öffentlichen Dienst ande rer Länder oder des Bundes sowie bei der Zulas sung zur Promotion an europäischen Hochschulen rechnen. Auch die meisten Unternehmen haben sich mittlerweile auf die neuen Abschlüsse Bache lor und Master eingestellt.
Die Wirtschaft benötigt mehr denn je hervorra gende Fachkräfte. Ausländische Studierende sind hierfür ein wertvolles Potenzial: hoch qualifiziert, interessiert an Land und Kultur und oft bereits weitgehend integriert in die Gesellschaft. Dieses Potenzial wird bisher allerdings kaum genutzt. 180.000 Bildungsausländer studieren hierzulande, über 25.000 machen jährlich ihren Abschluss – aber nur wenige tausend bleiben danach in Deutschland.
Eine Rückkehr zum Diplom würde sich als gefährliche Sackgasse erweisen. Die BDA setzt sich daher dafür ein, dass Hochschulen und Po litik die notwendigen Verbesserungen bei der Umsetzung der Bologna-Reform auf den Weg bringen und den Reformprozess nicht durch un nötige Debatten über Abschlussbezeichnungen blockieren.
Die BDA macht sich dafür stark, dass aus ländischen Absolventen deutscher Hochschu len eine dauerhafte Bleibeperspektive eröffnet wird, wenn sie eine adäquate Beschäftigung ge funden haben. Um deutlich mehr ausländische
Immer mehr junge Menschen nehmen ein Studium auf Studienanfängerquote des jeweiligen Altersjahrgangs
in % 50 46,0 43,3
45 40,3 38,9
40 36,1
37,1
37,1
37,0
37,1 35,7
33,5
35 31,3
30
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Quelle: Statistisches Bundesamt, 2011
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Hochschulabsolventen in Deutschland zu halten als bisher, bedarf es darüber hinaus noch wei terer Schritte. Schon die Hochschulen müssen für die Möglichkeit eines dauerhaften Verbleibs in Deutschland sensibilisieren, dafür werben und den Übergang in eine anschließende Beschäfti gung durch Zusammenarbeit mit der Wirtschaft erleichtern. Die überwältigende Mehrzahl der ausländischen Studierenden wünscht sich Be rufs- und Karriereorientierung durch die Hoch schule und studienbezogene Arbeitserfahrung in Deutschland. Es bedarf hierfür einer stärkeren Einbeziehung des wirtschaftlichen Um felds in die Internationalisierungsstrategien der Hoch schulen. Auch deutsche Studierende profitieren von einer Internationalisierung der Hochschulen. Un ternehmen benötigen vermehrt Fachkräfte mit ausgeprägten interkulturellen Kompetenzen und Fremdsprachenkenntnissen. Auslandsaufenthalte tragen maßgeblich zu deren Entwicklung bei und werden von Arbeitgebern daher hoch geschätzt. Mehr Studienphasen oder Praktika im Ausland sind ein zentrales Ziel des Bologna-Prozesses und sollen durch die neue Studienstruktur unter stützt werden. Hochschulen sind dann besonders erfolgreich bei ihrer Internationalisierung, wenn sie Curricula flexibel gestalten, Studierende zu Auslandsaufenthalten ermutigen und im Ausland erbrachte Studienleistungen fair und angemessen anerkennen. Unternehmen leisten einen wich tigen Beitrag zur Internationalisierung des Stu diums, indem sie internationale Bezüge auch in studienbegleitende Praktika integrieren und den Stellenwert internationaler Erfahrungen für die Berufswelt deutlich machen.
Mehr Studierende als je zuvor: Hochschulfinanzierung sichern Deutschland hat in den vergangenen Jahren ei nen deutlichen Akademisierungsschub erlebt. Während 1999 nur rd. 31 % eines Altersjahrgangs ein Studium aufnahmen, waren es 2010 bereits 46 %. Diese erfreuliche Entwicklung wird aller dings durch die unzureichende Finanzierung der neuen Studienplätze konterkariert. Der Hoch schulpakt I (2007–2010) sah eine Steigerung der Studienanfängerzahlen um insgesamt 91.000
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vor. Es erfolgte jedoch ein Anstieg um 183.000. In der Fortführung sieht der Hochschulpakt II (2011–2015) nach wie vor eine Steigerung der Stu dienanfängerzahlen um 275.000 vor, obwohl be reits jetzt davon ausgegangen werden kann, dass diese Zahl weit überschritten wird. Mit Beginn des Studienjahres 2011/2012 strömten 515.800 Stu dienanfänger an die Hochschulen – 16 % mehr als im Vorjahr. Grund dafür sind vor allem die doppelten Abitur-Jahrgänge: 60.000 zusätzliche Abiturienten schlossen dieses Jahr in Bayern und Niedersachsen die Schule ab, im nächsten Jahr kommen 30.000 aus Baden-Württemberg und Berlin hinzu. 2013 folgt Nordrhein-Westfalen mit zusätzlich 60.000 Abiturienten. Angesichts des schon heute spürbaren Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung haben BDA, BDI und die Hochschulrektorenkonferenz an Hoch schulen und Politik appelliert, diese Situation als Chance wahrzunehmen. Dies setzt voraus, aus reichend Studienplätze bereitzustellen und ange messene Studienbedingungen zu sichern. Bund und Länder sind daher aufgefordert, das Finanz volumen für den Hochschulpakt II kurzfristig zu erhöhen. Das Centrum für Hochschulentwicklung hat berechnet, dass bis zum Jahr 2015, einen anhaltend hohen Übergang von Schule in Hoch schule vorausgesetzt, bis zu 500.000 zusätzliche Studienanfänger an die Hochschulen strömen werden. Damit fehlt eine Finanzierung für mehr als 200.000 Studienanfänger. Die bereits vollzogene bzw. beschlossene Abschaffung von Studienbeiträgen in BadenWürttemberg, Hessen, Hamburg, NordrheinWestfalen und dem Saarland in diesem und in den vergangenen Jahren verschlechtert die fi nanzielle Situation der Hochschulen noch wei ter. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Länder entsprechende Kompensations zahlungen aus den Landeshaushalten dauerhaft vornehmen und die zukünftige Steigerung der Studierendenzahlen bei der Kalkulation berück sichtigen werden. Selbst bei einer vollständigen Kompensation der durch eine Abschaffung von Studiengebühren wegfallenden Einnahmen wür den die über finanzielle Effekte hinausgehenden Steuerungswirkungen der Gebühren nicht mehr wirksam werden. Die Wirtschaft spricht sich daher für Studienbeiträge (wie sie noch in Bayern und Niedersachsen erhoben werden) und damit für
Deutsche Hochschulen im internationalen Vergleich unterfinanziert Anteil der Ausgaben für Hochschulen am Bruttoinlandsprodukt
US
1,7
1,0
CA
1,0
1,5
DK
1,6 0,1
NL
1,1
OECD
1,0
JP
0,5
FR RU
1,5
0,5
1,5
1,0
1,5
1,2 0,2
1,4
0,5
1,4
0,9
AT
0,4
1,2 0,1 1,0 0,2
1,2
ES
1,0 0,2
1,2
0,8 0,2
0
0,5
2,5
1,7
1,3
DE
IT
2,7
1,0
1
1,5
2
2,5
3
3,5
in %
öffentlich privat insgesamt Quelle: OECD, 2011
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eine angemessene Beteiligung der Studierenden an den Kosten des Studiums aus. Studienbeiträge sind sozialverträglich gestaltet worden. Stipendi en wie insbesondere das in diesem Jahr einge führte Deutschland-Stipendium unterstützen die Studienfinanzierung. Damit wird niemand, der für ein Hochschulstudium qualifiziert und motiviert ist, aus finanziellen Gründen davon ausgeschlossen. Durch Studienbeiträge konnten zahlreiche Maß nahmen zur Verbesserung von Studium und Leh re an den Hochschulen finanziert und damit ein Beitrag zur Senkung der Abbruchquoten geleis tet werden. Die Erhebung von Studienbeiträgen sollte in der Entscheidungsmacht der jeweiligen Hochschule liegen. Nähere Informationen unter www.arbeit geber.de > kompakt > „Hochschulfinanzierung“ sowie unter www.arbeitgeber.de > argumente > „Studiengebühren zeigen Wirkung“
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Erfolgsmodell duale Studiengänge Duale Studiengänge sind bei Studierenden, Hoch schulen, Berufsakademien und Unternehmen au ßerordentlich beliebt. In Deutschland sind derzeit über 60.000 Studierende in mehr als 900 dualen Studiengängen eingeschrieben. Über 26.000 Un ternehmen nehmen hieran teil. Die Tendenz ist steigend: Seit 2005 nahm das Angebot an dua len Studiengängen um über 70 % zu. Allein 2011 stieg die Teilnehmerzahl in dualen Studiengängen um gut 20 %. Auch die Zahl der beteiligten Unter nehmen wächst kontinuierlich. Mit dem Angebot einer kombinierten be rufspraktischen Ausbildung mit einem Studium an einer Hochschule oder einer Berufsakademie gewinnen viele Unternehmen qualifizierte Nach wuchskräfte und machen sie bereits während des Studiums mit den betrieblichen Arbeitsab läufen vertraut. Duale Studiengänge sind daher für Unternehmen ein wichtiges Instrument der frühzeitigen Fachkräftesicherung für anspruchs volle Zielpositionen. Um gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen den Einstieg in das duale Studium zu erleichtern, erarbeitet die BDA gemeinsam mit dem Stifterverband eine Handreichung, die Ende 2011 erscheinen wird. Sie enthält allgemeine Informationen zum dualen Studium, einen Leitfaden für die Zusammenarbeit mit Hochschulen sowie Hinweise zu den arbeits rechtlichen Besonderheiten bei der Beschäfti gung dual Studierender.
Duale Studieng채nge bei Unternehmen und Studierenden immer beliebter Anzahl der Studieng채nge
in Tsd.
1.000
70.000 929
60.000
900
800
50.000
776 712
700
666
687
40.000
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30.000
600 545
20.000
500
10.000
400 2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Studierende Angebote von Unternehmen Quelle: www.ausbildungplus.de, 2011
BDA | Gesch채ftsbericht 2011 | Bildung
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Schuldenbremse Maastricht II Mitgliedsstaaten der EU
www.csrgermany.de Deutscher Nachhaltigkeitskodex EU-Präsidentschaft G20 – B20 – L20 Haushaltsdisziplin Internationaler Arbeitgeberverband Pensionsfondsrichtlinie Flexicurity-Mitteilung Lissabon-Strategie „Euro Plus Pakt“ Entsendung von Drittstaatsangehörigen OECD-Leitsätze Europa & Internationales Europäischer Gewerkschaftsbund EIOPA
Corporate Social Responsibility Binnenmarktakte Maastricht II Finanzrahmen 2014–2020 Saisonarbeitnehmer BUSINESSEUROPE Six Pack Corporate Social Responsibility Europäischer Gewerkschaftsbund G20 – B20 – L20 EU-Präsidentschaft EIOPA Schuldenkrise
Lissabon-Strategie EU-2020-Strategie BUSINESSEUROPE Flexicurity-Mitteilung
Pensionsfondsrichtlinie Binnenmarktakte Euroraum Internationaler Arbeitgeberverband
EU-2020-Strategie Six Pack Maastricht II Gemeinsame Währung des EU-Wirtschaftsraums Stabilitätspakt Mutterschutzrichtlinie Haushaltsdisziplin Trilogverhandlungen Deutscher Nachhaltigkeitskodex Finanzrahmen 2014–2020 EU-Präsidentschaft 2011 Euroraum www.csrgermany.de Mitgliedsstaaten der EU Gemeinsame Währung des EU-Wirtschaftsraums Mutterschutzrichtlinie Europa & Internationales EIOPA Sozialer Dialog Entsendung von Drittstaatsangehörigen Sozialer Dialog OECD-Leitsätze Trilogverhandlungen „Euro Plus Pakt“ Saisonarbeitnehmer Schuldenbremse „Euro Plus Pakt“ Stabilitätspakt G20 – B20 – L20 EU-Präsidentschaft 2011 Europäischer Gewerkschaftsbund Binnenmarktakte Maastricht II Entsendung von Drittstaatsangehörigen BUSINESSEUROPE Schuldenkrise Euroraum Flexicurity-Mitteilung Haushaltsdisziplin Saisonarbeitnehmer Deutscher Nachhaltigkeitskodex
Europäische Union vor ihrer größten Bewährungsprobe Noch nie in der Geschichte der EU gab es ein Jahr wie dieses. Das ganze Ausmaß der Schuldenkrise hat die EU mit immer neuen und noch dramatischeren Hiobsbotschaften überrollt. Wiederholt standen die politischen Akteure vor einer komplett neuen Situation, auf die reagiert werden musste. Allerdings: Diese Schuldenkrise ist nicht quasi schicksalhaft über Nacht gekommen, sie ist Ergebnis notorischen, hemmungslosen Schuldenmachens in den Mitgliedsstaaten der EU und wurde durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 und die daraufhin aufgelegten Konjunkturprogramme erheblich beschleunigt. Nun hat sie schonungslos zutage gefördert, was schon lange bekannt war. Erstens: Die Regeln für das Funktionieren der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion reichen nicht aus, der Stabilitätspakt bedarf einer wirksamen Verschärfung mit Sanktionsmechanismen bei Nichteinhaltung. Und zweitens: Die baldige Rückkehr zu ausgeglichenen Haushalten und dann der konsequente Abbau der Verschuldung in den EU-Mitgliedsstaaten sind unerlässlich. Im analytischen Rückblick muss dabei klar sein: Versagt haben die Staaten, nicht zuletzt auch Deutschland und Frankreich, die den Stabilitätspakt wiederholt gebrochen und die Regeln aufgeweicht haben. Einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Krise und Fortentwicklung der EU hat die BDA im Sommer dieses Jahres vorgelegt: Arbeit geberpräsident Prof. Dr. Hundt hat im August den Fünf-Punkte-Plan für Maastricht II präsentiert, mit dem nächsten großen Schritt zur Vertiefung der Integration. Wer an einer europäischen Währung teilhat, muss auch bereit sein, nationale Souveränität zu übertragen und ein höheres Maß an Vergemeinschaftung durch die europäische Politik zulassen. Dazu gehört z. B. eine stärkere Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik, wie sie jetzt im Rahmen des „Six Pack“ beschlossen wurde. Und dazu gehört ein Stabilitätspakt „mit Zähnen“, der bei Verstößen automatisch zu Sanktionen führt.
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Dass es gelungen ist, nun weitgehend einen solchen Automatismus zu verankern, ist ein großer Erfolg und zeigt, dass derzeit ein grundsätzlicher Prozess der Umorientierung in der Europapolitik stattfindet. Wie tiefgreifend dieses Umdenken ist, haben die Staats- und Regierungschefs auf dem Europäischen Rat am 8./9. Dezember 2011 deutlich gemacht. Mit ihren Beschlüssen haben sie klare Weichen für den nächsten Integrationsschritt hin zu einer Fiskalunion gestellt. Die jüngsten Beschlüsse aus Brüssel enthalten z. B. die – auch von der BDA – lange geforderte Selbstverpflichtung zu nationalen Schuldenbremsen, die Kontrolle der Einhaltung dieser Bremsen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH), die Festlegung auf ausgeglichene oder leicht positive Haushalte und die Begrenzung struktureller Defizite auf 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Zudem sind Defizitländer jetzt zu wachstumsfördernden Strukturreformen verpflichtet, deren Fortschritt von der Kommission überwacht wird. Ein weiterer Erfolg ist es, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) keine Banklizenz erhalten wird; dies wäre ein irreversibler Schritt in eine indirekte Staatsfinanzierung gewesen. Offen geblieben ist jedoch das Gesamtvolumen von Europäischer Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und ESM in der Überlappungsphase. Dennoch sind die Ergebnisse dieses letzten Gipfels von 2011 insgesamt ein bedeutender Fortschritt, auch wenn die rechtliche Umsetzung noch viele Fragen aufwirft, nicht zuletzt die der Weiterentwicklung der institutionellen demokratischen Legitimierung. Die BDA hat stets weitere Schritte zur Fiskalunion gefordert. So bedauerlich das freiwillige Zurückbleiben Großbritanniens auch ist, zeichnen sich jetzt doch Möglichkeiten zu wirksameren Mechanismen und effektiveren Entscheidungsstrukturen ab. Zudem ist die europapolitische Diskussion in Großbritannien dadurch belebt worden und nun in vollem Gange. Angesichts dieser großen grundsätzlichen Themen ist die europäische Sozialpolitik in den Hintergrund getreten, verharrte deshalb aber nicht im Stillstand oder wurde gar nicht weiter
bearbeitet. Im Gegenteil, die Kommission hat zahlreiche Themen in Bearbeitung, die für die deutsche Wirtschaft von zentraler Bedeutung sind, sei es mit ihrem Weißbuch Pensionen, sei es bei der Zuwanderung, dem Arbeits- und Gesundheitsschutz oder der Corporate Social Responsibility (CSR). Bemerkenswert ist zudem, dass auch die internationale Sozialpolitik immens an Dynamik und an unmittelbarer Bedeutung für die Unternehmen gewinnt. Diese Entwicklung manifestiert sich z. B. in der fortschreitenden Institutionalisierung des G20-Prozesses, bei dem nun B20 (Business), also die Wirtschaft, und L20 (Labour), die Gewerkschaften, als feste Bestandteile eingebunden sind. Zudem ist durch die Revision der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein Prozess in Gang gesetzt worden, der auch Länder wie China und Brasilien einbindet. Die Globalisierung wirkt somit zunehmend auch in internationale sozialpolitische Prozesse hinein und betrifft die Unternehmen in ihren globalen HumanResources-Strategien.
Makroökomische Überwachung muss sich an den Besten und nicht am Durchschnitt orientieren Das unter dem Namen „Six Pack“ bekannte Gesetzespaket trat am 13. Dezember 2011 in Kraft. Es besteht aus insgesamt sechs einzelnen Gesetzen (fünf Verordnungen und einer Richtlinie) und kann in zwei unterschiedliche Themenbereiche unterteilt werden. Vier Gesetze dienen der Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die zwei übrigen regeln das neue Instrument der makroökonomischen Überwachung. Es geht bei diesem Gesetzespaket um die Zukunftsfähigkeit der gemeinsamen Währung und des EU-Wirtschaftsraums. Beides ist gerade für Deutschland von vitalem Interesse. Über 60 % der deutschen Exporte gehen in die EU und über 40 % in den Euroraum. Zudem stärkt der grenzüberschreitende Austausch von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Ideen auch solide mittelständische Unternehmensstrukturen.
Six Pack: sechs neue Rechtsinstrumente für einen verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken
Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit
Verordnung über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet
Richtlinie über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedsstaaten
Makroökonomische Überwachung
Verordnung über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte
Verordnung über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euroraum
BDA | Geschäftsbericht 2011 | Europa & Internationales
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Hieraus wird ein wesentlicher Teil unseres wirtschaftlichen Wohlstands, der Arbeitsplätze in den Unternehmen und damit letztlich auch der sozialen Sicherheit gespeist. Dass es möglich ist, dass ein kleines Land wie Griechenland zum Tropfen wird, der das Fass zum Überlaufen bringt und den Bestand des ganzen Wirtschaftsraums gefährdet, hätte sich vor zehn Jahren niemand träumen lassen. Umso mehr geht es darum, die Krisensituation als Chance zu nutzen, die Geburtsfehler der Währungsunion entschlossen zu beseitigen und endlich neue und vor allem verbindliche Regeln zu schaffen, mit denen derartige Krisen in Zukunft vermieden werden können. In diesem Sinne hat sich die BDA während der Verhandlungen zwischen Rat, EU-Kommission und Europäischem Parlament (Trilog) öffentlich an die Seite des Europäischen Parlaments (EP) gestellt. Sie hat sich für die Einrichtung eines weitgehenden Automatismus bereits im präventiven Arm des Stabilitätspakts ausgesprochen und den Rat aufgefordert, hier den nun erforderlichen Mut aufzubringen, die notwendige Souveränitätsverschmelzung auf Gemeinschaftsebene auf den Weg zu bringen. Zu oft wurden in der Vergangenheit notwendige Entscheidungen der tagespolitischen Opportunität geopfert. Nachdem die Verhandlungen schon beinahe als gescheitert galten, ist es buchstäblich in letzter Minute gelungen, einen Kompromiss zu erzielen, der dem notwendigen Automatismus sehr nahe kommt und eine klare Verbesserung gegenüber den bisherigen Entscheidungsmechanismen darstellt. Verbindliche Regeln zum Schuldenabbau sind ein wichtiger und notwendiger Schritt, nicht minder wichtig ist aber die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder und damit der Eurozone bzw. der EU insgesamt. Die Schuldentragfähigkeit eines Landes steht in einem direkten Zusammenhang zu seiner Wettbewerbsfähigkeit. Die BDA hat sich mehrfach öffentlich dafür starkgemacht, dass das zukünftige Instrument der makroökonomischen Überwachung dazu genutzt werden soll, die Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt zu stärken. Dazu ist eine klare Orientierung an den wettbewerbsstarken Mitgliedsstaaten notwendig. Europa muss sich an den Besten und nicht am Durchschnitt orientieren, wenn es im globalen Wettbewerb bestehen will. Die BDA begrüßt
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daher den asymmetrischen Ansatz der Überwachung, bei dem Länder, deren gute Wettbewerbsfähigkeit sich u. a. in einem Leistungsbilanzüberschuss ausdrückt, nicht das Ziel von Sanktionen sein dürfen. Dieser Ansatz muss nun bei der konkreten Ausgestaltung der Überwachung durch die Festlegung entsprechender Schwellenwerte im „Scoreboard“ umgesetzt werden. Die BDA begleitet diesen Prozess mit hoher Priorität. Zudem hat die BDA während der Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und EP erfolgreich darauf gedrungen, dass im Hinblick auf die Einbeziehung der Lohnentwicklung in die Indikatoren des Scoreboards als Grundlage der Überwachung die Tarifautonomie und die Unabhängigkeit der Sozialpartner ausdrücklich im endgültigen Verordnungstext verankert wurden.
Zielvorgaben der EU-2020-Strategie entschlossen umsetzen Die im vergangenen Jahr verabschiedete EU2020-Strategie spielt für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft die Schlüsselrolle. Das ambitionierte Ziel, bis 2020 eine Beschäftigungsquote i. H. v. 75 % zu erreichen, ist richtig. Aufgrund der alternden Gesellschaft muss das Arbeitskräftepotenzial in Zukunft sehr viel besser ausgeschöpft werden als bisher. Das FlexicurityKonzept, das durch eine Optimierung des Zusammenwirkens von aktiver Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsrecht, sozialer Sicherung und lebenslangem Lernen die Beschäftigungschancen maximiert, spielt für die Erreichung des Beschäftigungsziels eine Schlüsselrolle. Es ist daher erfreulich, dass dem Flexicurity-Konzept in der EU-2020-Strategie entsprechende Priorität eingeräumt wird. Jetzt geht es darum, dass die bereits 2007 vom Europäischen Rat beschlossenen Flexicurity-Grundsätze tatsächlich umgesetzt werden. Die EU-Kommission hat angekündigt, im ersten Halbjahr 2012 eine neue Flexicurity-Mitteilung vorzulegen. Die BDA hat gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden der laufenden und kommenden EU-Präsidentschaftsländer Ungarn, Polen und Dänemark frühzeitig Vorschläge erarbeitet, um die Debatte wie auch die Mitteilung selbst in die richtige Richtung zu lenken.
Die EU-2020-Strategie wird von den Mitgliedsstaaten mittels nationaler Reformprogramme umgesetzt, die in diesem Jahr erstmals im Rahmen des neuen „Europäischen Semesters“ erstellt werden. In dieser sechsmonatigen Phase intensiver wirtschaftspolitischer Koordinierung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten übermitteln sie ihre Reformprogramme inhaltlich abgestimmt mit den Konvergenzprogrammen, die im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu erstellen sind. Rat und Kommission geben dazu länderspezifische Empfehlungen ab, die von den Mitgliedsstaaten innerhalb von 12–18 Monaten umgesetzt werden sollen. Deutschland und die übrigen Mitgliedsstaaten haben ihre nationalen Reformprogramme zur Umsetzung der EU-2020-Ziele im April 2011 vorgelegt. Die BDA hat in ihrer Stellungnahme an das Bundeswirtschaftsministerium deutlich gemacht, dass Deutschland seine Wachstumspotenziale entschlossener ausbauen muss. Die im Rahmen der europäischen Wachstumsstrategie „Europa 2020“ formulierten Kernziele werden von der Bundesregierung im vorgelegten „Nationalen Reformprogramm Deutschland 2011“ noch zu zaghaft verfolgt. Rat und Kommission haben in ihren Empfehlungen vom Juni 2011 zu Recht darauf hingewiesen, dass Deutschland seinen Arbeitsmarkt durch Entlastung der Arbeit von Personalzusatzkosten stärken sollte. Das kann dazu beitragen, die sog. stille Reserve, vor allem die vielen hoch qualifizierten, aber nicht erwerbstätigen Frauen, für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Das ist gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wichtig. Die Umsetzung der Programme und Empfehlungen wird dann im Laufe des kommenden Jahres mit Hilfe eines Verfahrens zur gegenseitigen Prüfung von der Kommission und den Mitgliedsstaaten überwacht. Die Kommission bewertet die Fortschritte auf EU-Ebene in ihrem nächsten Jahreswachstumsbericht Ende 2011 und die Fortschritte in den einzelnen Mitgliedsstaaten in ihren nächsten länderspezifischen Empfehlungen im Juni 2012.
dabei entschlossen wahrnehmen, wenn die EU2020-Strategie nicht ein zahnloser Papiertiger bleiben und genauso scheitern soll wie seinerzeit die Lissabon-Strategie. Auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zielt auch der „Euro Plus Pakt“, der beim Frühjahrsgipfel 2011 von den Staats- und Regierungschefs der Eurozone verabschiedet wurde. Die Inhalte des Pakts entsprechen den Forderungen der BDA: So wird z. B. ausdrücklich auf eine Schuldenbremse als Instrument zur Umsetzung der Haushaltsvorschriften verwiesen. Der Angleichung der Rentensysteme an die demografische Entwicklung soll besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Lohnbildungsregelungen einschließlich Indexierungsverfahren sollen überprüft werden, unter Wahrung der Zuständigkeit der Tarifpartner. Bei den Reformen der Arbeitsmärkte werden Flexicurity und die Reform der Bildungspolitik als entscheidende Politikfelder benannt. Die Entwicklung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer soll Transparenz beim Steuerwettbewerb schaffen. Mit dem Pakt ist es gelungen, die Staatsund Regierungschefs mit einer Selbstverpflichtung zu entscheidenden Reformschritten zu binden. Dieser Weg über eine intergouvernementale Vereinbarung war deshalb so wichtig, weil die meisten der im Pakt enthaltenen Maßnahmen bisher nicht in EU-Kompetenz, sondern in rein nationaler Zuständigkeit liegen. Zwischenzeitlich sind auch fast alle Nicht-Euro-Mitgliedsstaaten dem Pakt beigetreten. Insgesamt muss in der makroökonomischen Koordinierung mehr Druck auf tatsächliche Konvergenz erreicht werden, wofür allein intergouvernementale Zusammenarbeit allerdings nicht ausreicht. Perspektivisch muss die Gemeinschaftskompetenz auch durch Vertragsanpassung mit einer Stärkung der Rolle der EU-Kommission ausgebaut werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > EU-2020-Strategie
Die BDA hat sich seit langem dafür eingesetzt, dass die EU-Kommission die Reformdefizite der Mitgliedsstaaten sehr viel ungeschminkter aufzeigen muss, als sie das bisher getan hat. Die EU-Kommission muss ihre Rolle
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EU-Haushalt darf bei Sparanstrengungen nicht ausgenommen werden Die EU-Kommission hat am 29. Juni 2011 ihren Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2014–2020 veröffentlicht. Im Mittelpunkt des Vorschlags steht eine an solchen Prioritäten ausgerichtete EU-Ausgabenpolitik, die vor allem der Durchführung der Wachstumsstrategie „Europa 2020“ und der Verwirklichung ihrer Ziele dienen soll. Was das Gesamtvolumen des EU-Haushalts betrifft, müssen die gleichen Anforderungen hinsichtlich Sparanstrengungen gelten wie für die EUMitgliedsstaaten. Die BDA unterstützt deshalb die Bundesregierung, die bereits im Dezember 2010 zusammen mit den EU-Nettozahlerländern Frankreich, Großbritannien, Finnland und den Niederlanden in einem gemeinsamen Schreiben an die EU-Kommission appellierte, bei der Ausgestaltung des MFR 2014–2020 die nationalen Haushalte bei ihren Konsolidierungsanstrengungen durch einen sparsamen EU-Haushalt zu unterstützen. Wenn die EU ihre in der Strategie „Europa 2020“ gesetzten Ziele ernsthaft angehen will, muss sie nicht nur ihre öffentlichen Ausgaben begrenzen, sondern auch die ihr zur Verfügung stehenden Mittel effizienter und zukunftsgerichteter als bisher verteilen. Die BDA begrüßt deshalb den Vorschlag der Kommission, die Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung zu erhöhen. Mit diesem Vorschlag sendet sie ein richtiges Signal an die EU-Mitgliedsstaaten und Unternehmen. Der Vorschlag der Kommission für ein neues Eigenmittelsystem setzt leider ein völlig falsches Signal (Einnahmenaufwuchs statt Ausgabenreduktion), das zu Recht in den Mitgliedsstaaten auf Unverständnis stößt. Die Verhandlungen zum MFR sollen etwa 18 Monate andauern. Unter der polnischen Ratspräsidentschaft führen die EU-Mitgliedsstaaten, das EP und Fachexperten zurzeit erste Diskussionen zum Vorschlag der Kommission. Die BDA begleitet in enger Zusammenarbeit mit dem europäischen Arbeitgeberverband BUSINESSEUROPE
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BDA | Geschäftsbericht 2011 | Europa & Internationales
den Gesetzgebungsprozess zum MFR und wirkt darauf hin, dass die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und das Wirtschaftswachstum oberste Priorität bei der Ausgestaltung des MFR 2014–2020 erhalten.
Binnenmarktakte – Motor für Wachstum und Beschäftigung ankurbeln und nicht abwürgen Die EU-Kommission hat im April 2011 die Mitteilung „Binnenmarktakte: zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen“ vorgelegt. Diese Mitteilung ist das Ergebnis eines umfangreichen Konsultations- und Meinungsbildungsprozesses, den die BDA von Beginn an intensiv begleitet hat: angefangen beim Bericht des ehemaligen Binnenmarkt- und Wettbewerbskommissars Mario M onti (Mai 2010) über die Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ (Oktober 2010) bis zu der sich daran anschließenden Konsultation der Öffentlichkeit und der anderen EU-Institutionen. Ausgehend von den Ergebnissen der Konsultation identifiziert die EU-Kommission in der nun vorgelegten Mitteilung in zwölf Bereichen Maßnahmen, die „als Hebel für die Förderung des Wachstums und für die Stärkung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger“ fungieren sollen. Die EU-Kommission schlägt zu jedem dieser Bereiche eine Leitaktion sowie ergänzende Maßnahmen vor und verpflichtet sich, geeignete Vorschläge zu unterbreiten, die bis Ende 2012 – zum 20-jährigen Bestehen des Binnenmarkts – vom EP und vom Rat verabschiedet werden sollen. Die BDA begrüßt, dass die EU-Kommission zur Neubelebung des Binnenmarkts besonderen Nachdruck auf Maßnahmen legen will, die Wachstum und Arbeitsplätze schaffen und Bürgern und Unternehmen greifbare Ergebnisse bringen. In sozialpolitischer Hinsicht werden die vorgeschlagenen Maßnahmen diesen Ansprüchen jedoch nicht gerecht. Gerade die Vorschläge zur Portabilität von Betriebsrenten und zur Überprüfung der Pensionsfondsrichtlinie, zur Mitteilungspflicht über CSR-Aktivitäten sowie zur Regelung des Verhältnisses von Grundfreiheiten und sozialen Grundrechten werden für den Binnenmarkt schädlich sein und damit gerade nicht zu mehr Wachstum und Beschäftigung beitragen.
Zu einem sozialpolitisch besonders relevanten Thema – der Entsendung von Arbeitnehmern – ist es nicht zuletzt dank der intensiven Bemühungen von BUSINESSEUROPE und BDA gelungen, die endgültige Fassung der Binnenmarktakte zu verbessern. Die EU-Kommission wird sich darauf konzentrieren, die Umsetzung der Entsenderichtlinie zu verbessern, statt die gesamte Entsenderichtlinie zu überarbeiten. Bei der angekündigten Vorschrift zum Verhältnis von Grundfreiheiten und sozialen Rechten konnte zumindest die Klarstellung erreicht werden, dass bei der Wahrnehmung kollektiver Rechte nicht nur nationale Rechtsvorschriften und Praktiken, sondern auch das EURecht eingehalten werden muss. Dennoch ist die Gefahr nicht gebannt, dass die sinnvolle und ausgewogene Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Laval“ und „Viking“, die den Binnenmarkt stärkt, weitgehend ausgehebelt wird. Eine neue Vorschrift könnte letztlich darauf hinauslaufen, die Grundfreiheiten zu beschränken. Dies ist völlig kontraproduktiv, gefährdet ein solcher Ansatz doch gerade soziale Errungenschaften. Denn sozialer Fortschritt realisiert sich nur auf Basis wirtschaftlichen Erfolgs. Niemand sollte daher soziale Grundrechte und Grundfreiheiten des Binnenmarkts gegeneinander auszuspielen versuchen. Die von der
EU-Kommission angekündigte Rechtsvorschrift ist auch nicht dazu geeignet, die praktische Umsetzung der Entsenderichtlinie zu verbessern. Selbstverständlich berührt die Entsenderichtlinie nicht das Recht, Tarifverträge auszuhandeln, abzuschließen und durchzusetzen sowie Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen. Der EuGH hat in den Rechtssachen „Viking“, „Laval“, „Rüffert“ und „Kommission gegen Luxemburg“ die Autonomie der Mitgliedsstaaten bei der Rechtsetzung im Bereich der kollektiven Rechte anerkannt und einen angemessenen Ausgleich zwischen der Ausübung kollektiver Rechte und den Grundfreiheiten des Binnenmarkts vorgenommen. Die mit „Transparenz“ bezeichnete neue Berichterstattungspflicht über CSR-Aktivitäten ist abzulehnen. Entgegen dem von allen beteiligten Gruppen gemeinsam im Europäischen Multistake holder-Forum (EMSF) zu CSR beschlossenen freiwilligen Charakter von CSR will die EU-Kommission die Veröffentlichung sozialer und ökologischer Informationen von Unternehmen verbindlich regulieren. Die Ausführungen der EU-Kommission zur Portabilität von Betriebsrenten implizieren, dass Betriebsrentenansprüche ein ernsthaftes Mobilitätshindernis seien. Dabei gilt schon heute, dass
Binnenmarktakte: zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen
Finanzierungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen Mobilität der Arbeitskräfte im Binnenmarkt Rechte des geistigen Eigentums Verbraucher als Akteure des Binnenmarkts Dienstleistungen: Normung ausweiten Energie-, Verkehrs- und elektronische Kommunikationsnetze Digitaler Binnenmarkt Soziales Unternehmertum Steuern Sozialer Zusammenhalt Regulierungsumfeld der Unternehmen Öffentliches Auftragswesen
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Betriebsrentenansprüche völlig unabhängig vom Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestehen. Zumindest in Deutschland gibt es keine einzige Regelung im Betriebsrentenrecht, die einen EU-weiten Arbeitsplatzwechsel gegenüber einem inländischen Arbeitsplatzwechsel erschweren würde. In Bezug auf die Überprüfung der Pensionsfondsrichtlinie muss sichergestellt sein, dass die Eigenmittelvorgaben für Versicherungsunternehmen aus der EU-Richtlinie zum Aufsichtsrecht für Lebensversicherungsunternehmen (Solvency II) nicht auf die Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) übertragen werden. Die BDA wird die sozialpolitisch relevanten Maßnahmen, die die EU-Kommission bis Ende 2012 umsetzen will, weiter intensiv begleiten und sich dafür einsetzen, dass die Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen dem von der EU-Kommission vorgegebenen Ziel von mehr Wachstum und Arbeitsplätzen tatsächlich entspricht. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Europäische Gesetzgebung: Arbeit und Soziales
Sozialpartner verhandeln über Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie Die EU-Kommission hatte Ende 2010 im Rahmen des zweistufigen Anhörungsverfahrens gem. Art. 154 AEUV die zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner zur Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie eingeleitet. Dabei hatte die EU-Kommission die Sozialpartner über die grundsätzliche Frage einer eng oder einer weit gefassten Überarbeitung konsultiert. Außerdem sollten die Sozialpartner der EU-Kommission mitteilen, ob sie beabsichtigen, gem. Art. 155 AEUV in Sozialpartnerverhandlungen einzutreten. Vor dem Hintergrund der jahrelangen erfolglosen politischen Bemühungen um eine Neufassung der Arbeitszeitrichtlinie erscheint es als das einzig realistische Vorgehen, einen pragmatischen Ansatz zu verfolgen, der auf eine Überarbeitung der Richtlinie zum Bereitschaftsdienst und zum bezahlten Jahresurlaub begrenzt ist. Dabei geht es darum, die Entscheidungen des EuGH in
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den Fällen Simap und Jaeger bzw. Schultz-Hoff/ Stringer zu korrigieren, die im Ergebnis sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer negative Folgen hatten und zu Rechtsunsicherheit geführt haben. Anderenfalls droht ein weiteres Scheitern der Richtlinienüberarbeitung. Die BDA verschließt sich nicht Sozialpartnergesprächen auf der Grundlage von Art. 154 AEUV. Über die Korrektur der EuGH-Rechtsprechung hinausgehende Verhandlungen, die auf eine umfassende Überarbeitung der Richtlinie abzielen, wären allerdings völlig unrealistisch und sind auch nicht durch das Verhandlungsmandat von BUSINESSEUROPE gedeckt. Der Rat der Präsidenten von BUSINESSEUROPE als oberstes Entscheidungsgremium von BUSINESSEUROPE hat im Juni 2011 nämlich ein Mandat angenommen, das mögliche Verhandlungen der Sozialpartner eindeutig auf die Punkte Bereitschaftsdienst und bezahlter Jahresurlaub beschränkt. Im Hinblick auf die äußerst umstrittene Regelung zur Abweichung von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit („Opt-out“) unterstützt die BDA den Ansatz der EU-Kommission. Es ist sinnvoller, die Notwendigkeit der Nutzung des „Opt-out“ durch eine Flexibilisierung der Richtlinie langfristig zu verringern, als die Debatte über eine Abschaffung des „Opt-out“ neu aufzurollen, die kaum zu einer Einigung im Rat führen würde. Dies haben die jahrelangen Diskussionen unter den Mitgliedsstaaten gerade zum „Opt-out“ hinreichend bewiesen. Im Gegensatz zu BUSINESSEUROPE war der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) bisher für eine umfassende Überarbeitung der Richtlinie eingetreten, die alle denkbaren Themen im Zusammenhang mit der Arbeitszeitrichtlinie angehen soll. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Positionen zum Gegenstand der Verhandlungen hatte der EGB ursprünglich gefordert, vor Beginn der offiziellen Verhandlungen formelle Vorverhandlungen zu führen, um zu klären, ob die gemeinsame Basis für Sozialpartnerverhandlungen ausreichend groß sei. Diese Forderung hat BUSINESSEUROPE abgelehnt. Daraufhin hat der EGB ein Mandat an seine Mitglieder geschickt, das nach langwierigen internen Diskussionen im November 2011 angenommen worden ist. Aufbauend auf diesem Mandat hat der EGB entschieden, mit den Arbeitgebern Sozialpartnerverhandlungen
zu führen. Wie in Art. 154 AEUV vorgesehen haben die europäischen Sozialpartner die EUKommission in einem gemeinsamen Schreiben darüber informiert, dass sie im Dezember 2011 Verhandlungen über die Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie aufnehmen. Ziel der Verhandlungen ist es, eine Vereinbarung gem. Art. 155 AEUV abzuschließen, die durch einen Beschluss des Rats umgesetzt wird. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Europäische Gesetzgebung: Arbeit und Soziales
EU-Umstrukturierungsinitiative: Kommission gibt Idee für erneute Konsultation der Sozialpartner auf Ursprünglich hatte die EU-Kommission angekündigt, die Sozialpartner 2011 zu einem europäischen Rahmen für die Antizipation von Umstrukturierungen zu konsultieren. Interne Vorentwürfe zu dem entsprechenden Konsultationsdokument ließen erkennen, dass die EU-Kommission dabei einen sehr unausgewogenen Ansatz verfolgte. Nicht zuletzt auf Intervention von BDA und BUSINESSEUROPE hatte die EU-Kommission daraufhin angekündigt, die Vorentwürfe grundlegend zu überarbeiten. Dazu hatte die EU-Kommission die ursprünglich bereits für Juli 2011 angekündigte Konsultation mehrfach verschoben. Offensichtlich hat die entschiedene Kritik der Arbeitgeber an dem Konsultationsdokument Wirkung gezeigt: Die EU-Kommission hat nun entschieden, die Sozialpartner nicht zu konsultieren. Vielmehr wird die EU-Kommission 2012 ein „Grünbuch zur Umstrukturierung und wirtschaftlichen Anpassung“ vorlegen. Dieses Grünbuch soll erfolgreiche Praktiken und Strategien im Bereich der Umstrukturierung und Anpassung an Veränderungen, mit denen Beschäftigung, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit gefördert werden sollen, aufzeigen. Berücksichtigt werden sollen darin aktuelle Arbeiten der EU-Kommission, der Sozialpartner, der Mitgliedsstaaten und anderer Beteiligter. Ziel des Grünbuchs soll es sein, die Lehren, die aus der Wirtschaftskrise in den Jahren 2009/2010 gezogen wurden, in der politischen Debatte angemessen zu berücksichtigen.
Es ist als Erfolg der Arbeitgeber zu werten, dass die EU-Kommission nach den mehrfachen, unergiebigen Sozialpartnerkonsultationen der vergangenen Jahre nicht erneut eine Konsultation der Sozialpartner zu einem EU-Umstrukturierungsrahmen durchführen wird. Das angekündigte Grünbuch soll nunmehr die Möglichkeit bieten, eine objektive Bestandsaufnahme zum Thema „Umstrukturierungen“ in Europa vorzunehmen. Aus Sicht der Arbeitgeber wird es darauf ankommen, dass die EU-Kommission bei der Erarbeitung des Grünbuchs einen ausgewogenen Ansatz verfolgt, der berücksichtigt, dass Umstrukturierungen ein notwendiger Prozess für Unternehmen sind, um ihre Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Grundlage für das Grünbuch müssen die „Orientations for reference in managing change and its social consequences“ sein, mit denen die Sozialpartner bereits im Jahr 2003 wichtige Leitlinien für Unternehmen und ihre Arbeitnehmer zum Thema „Umstrukturierungen“ erarbeitet hatten. Dabei kann es sinnvoll sein, aktuelle Beispiele von „best practices“ zum verantwortungsvollen Umgang mit Umstrukturierungen aufzuzeigen. Die BDA wird jeden Versuch strikt ablehnen, den Boden für die Einführung von europaweit einheitlichen Prinzipien zu Umstrukturierungen zu bereiten. Solche Prinzipien würden der Vielfältigkeit von Umstrukturierungsprozessen nicht gerecht. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Europäische Gesetzgebung: Arbeit und Soziales
Konzerninterne Entsendung von Drittstaatsangehörigen praxis gerecht ausgestalten Nachdem die EU-Kommission im Juli 2010 einen Richtlinienvorschlag zur konzerninternen Entsendung von Drittstaatsangehörigen (Intra-Corporate Transferees, ICTs) vorgelegt hatte, hat die BDA sich im vergangenen Jahr intensiv dafür eingesetzt, dass die Richtlinie für die Unternehmen einen echten Mehrwert beim unternehmensinternen Transfer von „Schlüsselpersonal“ aus Drittstaaten bietet.
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Die BDA begleitet die derzeitigen Beratungen im Rahmen der ersten Lesung im EP und Rat und unterstreicht dabei vor allem die Notwendigkeit einer praxisgerechten Ausgestaltung der Richtlinie für die Unternehmen. So sind insbesondere die dort aufgeführten Personengruppen (Führungs- und Fachkräfte, Trainees) viel zu eng definiert. So erfordert der Begriff der „Fachkraft“ im Richtlinienvorschlag sog. branchenspezifische Kenntnisse. Dies würde in der Konsequenz zu dem absurden Ergebnis führen, dass ein IT-Experte nicht vom Automobilhersteller zum Programmieren einer Automationsanlage über die Richtlinie entsendet werden könnte, da er im Zweifel über keine Expertenkenntnisse in der Automobilindustrie verfügt. Die BDA konnte durch intensive Gespräche mit dem EP und der Bundesregierung erreichen, dass auf Änderungen hingewirkt wird, die anstatt auf branchenspezifische Kenntnisse auf die für die Niederlassung wichtigen Kenntnisse abstellen. Auch die Frage, welche Unternehmen von der Richtlinie profitieren können, hat die BDA in die Diskussion gebracht. Die im Entwurf vorhandene Definition der Unternehmensgruppe ist zu eng. Danach würden nur solche Unternehmen einer Unternehmensgruppe zugerechnet werden, die aufgrund einer Mehrheitsanteilseignerschaft miteinander verbunden sind. Nicht erfasst sind dagegen durch rechtliche Verbindungen verbundene Unternehmen oder solche, die unter einer einheitlichen Leitung stehen. Die BDA hat hier einen Formulierungsvorschlag erarbeitet, der alle Konstellationen abdeckt und damit sicherstellt, dass alle deutschen Unternehmen in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen sind. Weitere wichtige Punkte für ICTs, sich für einen mehrjährigen Einsatz im Ausland zu entscheiden, sind die Frage nach dem Recht auf Familienzusammenführung und die Möglichkeit der Partner für einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Der Richtlinienentwurf sieht zwar ein Recht auf Familienzusammenführung vor, klammert aber gerade den Punkt des erleichterten Zugangs zum Arbeitsmarkt für Partner aus. Die Hauptgeschäftsführung der BDA konnte erreichen, dass in dem aktuellen im Rat diskutierten Entwurf nun ein erleichterter
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Arbeitsmarktzugang zumindest für den antragsbewilligenden Mitgliedsstaat vorgesehen ist. Die BDA setzt sich dafür ein, dass diese Regelung auch auf die anderen Mitgliedsstaaten, zu denen der ICT aufgrund seiner Genehmigung weiterwandern kann, ausgedehnt wird. Die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Weitersendung des ICT in weitere Mitgliedsstaaten ohne ein erneutes Antragsverfahren stellt aus Sicht der BDA einen zentralen Mehrwert der Richtlinie für die Unternehmen dar. Gerade an diesem Punkt gestalten sich aber insbesondere die Verhandlungen im Rat schwierig. Aus Angst vor einem Missbrauch dieser Regelung beharren viele Mitgliedsstaaten auf weitgehenden Kontrollrechten, die das Verfahren nicht mehr praktikabel für die Unternehmen machen. Die BDA schlägt eine möglichst flexible Handhabung dieser Regelung vor und begegnet Bedenken hinsichtlich einer Missbrauchsgefahr für das nichtstationäre Gewerbe (Bausektor und verwandte Wirtschaftszweige) mit dem Vorschlag einer Anwendungsbereichsausnahme. Dieser ist von zahlreichen Abgeordneten im EP positiv aufgenommen worden, u. a. auch anlässlich eines Pressefrühstücks mit der Abgeordneten Nadja Hirsch (FDP) am 21. September 2011. Die Richtlinie könnte nach derzeitigem Beratungsstand voraussichtlich im ersten Halbjahr 2012 verabschiedet werden.
Richtlinienvorschlag zu Saisonarbeitnehmern: Gestaltungsspielraum für Mitgliedsstaaten erhalten Die EU-Kommission verfolgt mit ihrem im Juli 2010 vorgelegten Richtlinienvorschlag das Ziel, einheitliche Mindeststandards für die Einreise und den Aufenthalt von Saisonarbeitnehmern aus Drittstaaten festzulegen, Rechte für diese Personengruppe festzuschreiben sowie Ausbeutung von Saisonarbeitskräften vorzubeugen. Die BDA hatte den Richtlinienvorschlag im Grundsatz begrüßt, jedoch von Anfang an betont, dass bei der Ausgestaltung der Richtlinie sowohl den Bedürfnissen der Unternehmen aus ihrer Betriebspraxis als auch denen der Mitgliedsstaaten
nach einer gewissen Flexibilität hinsichtlich der Bedürfnisse des nationalen Arbeitsmarkts genügend Rechnung getragen werden muss. Hierzu gehört etwa die Definition der Saisonarbeitsbranchen. Der Richtlinienentwurf lässt in seiner ursprünglich vorgelegten Version hier zu viel Spielraum, Branchen in die Richtlinie einzubeziehen, die in Wahrheit keine saisonabhängige Beschäftigung vorsehen. Ein Beispiel ist das nichtstationäre Gewerbe (Bausektor und verwandte Wirtschaftszweige). Nach deutschem Recht ist es nicht als Saisonarbeitsbranche klassifiziert. Durch eine Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Richtlinie könnte hier eine gewisse Missbrauchsgefahr bestehen. Die BDA hat die am Gesetzgebungsprozess beteiligten Parteien hierauf aufmerksam gemacht und konnte erreichen, dass in den aktuell vorliegenden Beratungstexten klargestellt wird, dass es den Mitgliedsstaaten anhand ihrer nationalen Regelungen und Praxis überlassen ist, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Branchen zu definieren.
Nach aktuellem Beratungsstand könnte die Richtlinie bereits Anfang 2012 verabschiedet werden.
Grünbuch Pensionen – belastende Forderungen für die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland Die Kommission hat am 7. März 2011 die Ergebnisse der im Juli 2010 eingeleiteten Konsultation zum Grünbuch Pensionen veröffentlicht. Die BDA hat sich an der Konsultation beteiligt und sich in einer ausführlichen Stellungnahme zum Grünbuch positioniert. Insgesamt sind fast 1.700 Antworten von verschiedenen Institutionen und Interessenvertretern eingegangen.
Ein weiterer Punkt ist die durch den Richt linienvorschlag vorgesehene verpflichtend maximale Höchstaufenthaltsdauer der Arbeitnehmer von sechs Monaten. Es ist klar, dass saisonale Beschäftigung sinngemäß keinen unbefristeten Aufenthalt bedeuten kann. Allerdings müssen hier die Interessen der unterschiedlichen Branchen genügend Berücksichtigung finden können. Hierzu brauchen die Mitgliedsstaaten einen gewissen Spielraum für die nationale Umsetzung der Richtlinie. Gerade im Zusammenspiel mit den zwei möglichen Berechnungszeiträumen zwölf Monate oder Kalenderjahr können sich hierdurch für einzelne Branchen in der Praxis Probleme ergeben. Die BDA setzt sich daher aktiv dafür ein, dass auf eine starre Regelung zur Höchstaufenthaltsdauer auf EU-Ebene verzichtet wird und den Mitgliedsstaaten entsprechend Spielraum eingeräumt wird.
Zu begrüßen ist zwar, dass im Ergebnis die Verantwortung für Pensionen und Renten vorrangig bei den Mitgliedsstaaten und den Sozialpartnern gesehen wird. Auch wird die Anpassung der Rentensysteme an die verlängerte Lebens erwartung richtigerweise als allgemein notwendig anerkannt. Kritisch ist allerdings vor allem die beabsichtigte Übertragung wesentlicher Teile von Solvency II auf Einrichtungen der bAV in der Pensionsfondsrichtlinie zu sehen, die das in Deutschland gewachsene und lang bewährte System der bAV in seinem Bestand gefährdet. Auch werden EU-weite einheitliche Regelungsstandards der bAV für erforderlich gehalten, was in Anbetracht der höchst unterschiedlichen Bedingungen der Alterssicherungssysteme in den Mitgliedsstaaten nicht sinnvoll ist und wofür auch gar kein Regelungsbedarf besteht. Für solche bürokratisch belastenden Forderungen für die bAV hat sich auch die Mehrheit des EP in seiner Stellungnahme zum Grünbuch Pensionen am 16. Februar 2011 ausgesprochen. Die BDA hat in Gesprächen mit Vertretern der Kommission und mit europäischen Abgeordneten immer wieder auf die Gefahren dieser Vorhaben und negativen Konsequenzen für die bAV in Deutschland hingewiesen.
Die BDA hat sich bereits erfolgreich dafür eingesetzt, die mit der Richtlinie möglicherweise einhergehenden Belastungen für die Systeme der sozialen Sicherheit weitgehend zu vermeiden. So konnte erreicht werden, dass im aktuell im Rat diskutierten Entwurf ein weitgehender Ausschluss für Familienleistungen festgelegt wurde.
Anknüpfend an das Grünbuch Pensionen arbeitet die Kommission jetzt an einem Weißbuch, das – nachdem es eigentlich im November 2011 veröffentlicht werden sollte – nun auf 2012 verschoben wurde. Offensichtlich konnten die Argumente der Wirtschaft auch innerhalb der Kommission zumindest einige überzeugen,
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Renteneintrittsalter: Deutschland im EU-Vergleich vorn Gesetzliches Renteneintrittsalter in der EU
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Gesetzliches Renteneintrittsalter: M채nner Gesetzliches Renteneintrittsalter: Frauen Stufenweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 bis 2030 * Malta: Renteneintrittsalter f체r Personen geboren zwischen 1952 und 1955: 62; 1956 und 1958: 63; 1959 und 1961: 64; nach 1962: 65 ** Finnland: flexibles Renteneintrittsalter nach eigener Wahl (zwischen 62 und 68) Quelle: BUSINESSEUROPE, 2011
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so dass nun eine kommissionsinterne Einigung über die einzelnen Eckpunkte erreicht werden muss. Dem Vernehmen nach geht es um konkrete legislative und nicht legislative Vorschläge, die auch die Einrichtungen der bAV betreffen. So soll aller Voraussicht nach eine EU-weite Regelung für Mindeststandards für die Wahrung und den Erwerb von bAV-Ansprüchen und die Einrichtung eines Aufzeichnungsdienstes von bAV-Anwartschaften („tracking services“) vorgeschlagen werden. Die BDA hat gegenüber der EU-Kommission deutlich gemacht, dass für eine EU-weite Regelung für Mindeststandards der bAV kein Bedarf besteht. Solche Regelungen sollten auch in Zukunft allein den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, zumal eine Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die bAV angesichts der höchst unterschiedlichen Betriebsrentensysteme in der EU nahezu unmöglich ist. Jeder Harmonisierungsversuch birgt die Gefahr, dass damit – zumindest in einem Teil der Mitgliedsstaaten – die Betriebsrentensysteme verteuert und mit mehr Bürokratie belastet werden. Auch für einen EUweiten Aufzeichnungsdienst („tracking service“) besteht aufgrund der vergleichsweise sehr wenigen grenzüberschreitenden Fälle kein Bedarf. Ein EU-weiter Aufzeichnungsdienst würde zusätzliche Bürokratie verursachen. Soweit die Informationslage für den Überblick über Betriebsrentenansprüche verbesserungsbedürftig ist, sollte diese in den Mitgliedsstaaten geprüft werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Betriebliche Altersvorsorge
Europäische Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz betriebsgerecht ausgestalten Voraussichtlich für das erste Halbjahr 2012 plant die EU-Kommission die Fusion der sog. Bildschirmrichtlinie, der sog. Lastenhandhabungsrichtlinie sowie von Teilen der Vibrations- und Rahmenrichtlinie zu einer umfassenden Ergonomierichtlinie. Dieses Richtlinienvorhaben ist von besonderer Bedeutung für die Unternehmen, weil es über die oben genannten Texte hinaus einen neuen Regelungsbereich zum Schutz vor
Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) beinhalten soll. Zudem steht zu befürchten, dass es durch die Verquickung der verschiedenen Rechtsakte zu ganz neuen Verpflichtungen für die Unternehmen kommen könnte, so etwa für die psychische Belastung der Arbeitnehmer. Daher setzt sich die BDA bereits jetzt im Vorfeld der Vorlage eines Entwurfs aktiv dafür ein, dass durch das neue Richtlinienvorhaben die Pflichten und Belastungen der Unternehmen nicht ausgeweitet werden. Die von der Kommission geplante europäische horizontale, nicht nach Tätigkeiten differenzierende Regelung zum Schutz vor MSE lehnt die BDA in diesem Zusammenhang strikt ab und hat dies in allen vorbereitenden Beratungen u. a. im Beratenden Ausschuss für Arbeitsschutz bei der EU-Kommission deutlich gemacht.
Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme VO 883/2004: effektive Homebase-Regelung notwendig Die Kommission hat am 20. Dezember 2010 einen Vorschlag für die Überarbeitung der Verordnungen zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme vorgelegt. Die Verordnungen regeln u. a. auch, welches Sozialversicherungsrecht auf Personen anwendbar ist, die in mehreren Mitgliedsstaaten beschäftigt sind. Dabei ist es gelungen, die Akteure im Rat zu überzeugen, dass für Flugpersonal zukünftig nur noch an die sog. Homebase angeknüpft werden soll, um die einschlägige nationale Sozialversicherung zu ermitteln. Die EU-Kommission hatte in ihrem Vorschlag dagegen zusätzlich an einer Tätigkeitsbemessungsgrenze festgehalten, welche in der Praxis für Unternehmen und Sozialversicherungen einen enormen Bürokratieaufwand bedeuten würde. Die von der Kommission vorgeschlagene Regelung wäre zudem anfällig für das Unterlaufen sozialversicherungsrechtlicher Standards. Im Rat wurden die dagegen erhobenen Einwände der BDA aufgenommen und die Weichen für eine entsprechende Anpassung der Verordnung gestellt. Die Beratungen im EP hierzu wurden am 5. Dezember 2011 aufgenommen. Die BDA steht in engem Kontakt mit dem Berichterstatter Milan Cabrnoch (Europäische Konservative und
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Reformisten – ECR, Tschechische Republik) und weiteren Abgeordneten des federführenden Beschäftigungsausschusses.
Mutterschutzrichtlinie – Rat erteilt Forderungen des Europäischen Parlaments klare Absage Der Vorschlag zur Revision der Mutterschutzrichtlinie, den die EU-Kommission Anfang Oktober 2008 vorgelegt hat und der seitdem in Rat und EP beraten wird, sieht eine Aktualisierung und Ausweitung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften vor. Die EU-Kommission verfolgt mit der Revision das Ziel, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen zu verbessern. Das EP hatte in der ersten Lesung gefordert, die Mutterschutzfrist über die von der Kommission vorgeschlagene Ausweitung auf 18 Wochen hinaus auf 20 Wochen bei voller Lohnfortzahlung zu verlängern und zusätzlich zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub einzuführen. Nun regt sich zunehmend Widerstand: Immer mehr Mitgliedsstaaten lehnen den Bericht des EP als Grundlage für die weiteren Beratungen zur Revision der Mutterschutzrichtlinie ab. Die BDA hat von Anfang an vehement die Position vertreten, dass die bestehende Regelung mit 14 Wochen Mutterschutz einen umfassenden Gesundheitsschutz von Müttern gewährleistet und keiner Änderung bedarf. Darüber hinaus wird das vom EP angestrebte Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf hierzulande bereits durch die Elternzeit erfüllt. Hier liegt Deutschland an der Spitze und gehört zu den Ländern mit den großzügigsten Regelungen in der EU. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Dauer als auch in Bezug auf die Höhe der finanziellen Unterstützung der Familien. Auch die Forderung des EP nach einem zweiwöchigen bezahlten Vaterschaftsurlaub lehnt die BDA ab. In Deutschland haben Frauen und Männer durch die Elternzeit bereits heute das Recht auf einen im Gesamtumfang von bis zu 14 Monaten bezahlten Urlaub nach der Geburt ihres Kindes. Die Zahlen beweisen, dass auch
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Väter zunehmend diesen Elternurlaub in Anspruch nehmen: Seit 2008 ist die Anzahl von Vätern, die Elternzeit wahrnehmen, von rd. 3 % auf 25 % gestiegen. Diese Kritikpunkte der BDA spiegeln die edenken vieler Mitgliedsstaaten über die fehB lende Berücksichtigung der vielfältigen Regelungen und die jeweiligen finanziellen Folgen der Ausweitung der Mutterschutzfrist wider. Allein für Deutschland würden sich im Falle einer Umsetzung der Forderungen des EP die Mehrkosten auf rd. 1,2 Mrd. € jährlich belaufen. Es ist ein großer Erfolg, dass die viel zu weitreichende Forderung des EP nach einer Ausweitung der Mutterschutzfrist auf 20 Wochen bei voller Lohnfortzahlung von der Mehrheit der Mitgliedsstaaten – darunter Deutschland – abgelehnt wird. Auch in Beantwortung der mündlichen Anfrage des EP an den Rat zum Stand der Mutterschutzrichtlinie vom August 2011 gab die polnische Ratspräsidentschaft den EP-Abgeordneten deutlich zu verstehen, dass es im Rat keine Bereitschaft gebe, eine Einigung auf der Basis der völlig unrealistischen EP-Forderungen anzustreben. In persönlichen Gesprächen hat die polnische Ratspräsidentschaft der BDA gegenüber zu erkennen gegeben, dass ihr die von vielen Mitgliedsstaaten geäußerten Bedenken bekannt seien. Sie hat daher, u. a. auf Anregung von BUSINESSEUROPE, angekündigt, zunächst die verschiedenen nationalen Regelungen und Problemstellungen analysieren zu wollen. Beim Beschäftigungsrat Anfang Dezember 2011 legte die polnische Ratspräsidentschaft einen Fortschrittsbericht zum Thema „Mutterschutz“ vor. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Mutterschutz-EU-Richtlinie
Europäische Gleichstellungs politik: Gesetzliche Frauenquoten sind falscher Weg Entsprechend den im Zusammenhang mit der „Europäischen Gleichstellungsstrategie 2010–2015“ angekündigten Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern wird die Vizepräsidentin der Kommission Viviane Reding im März 2012 überprüfen, ob es den Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt gelungen ist, den
Frauenanteil in Aufsichtsräten durch freiwillige Initiativen deutlich anzuheben. Sollte dies nicht der Fall sein, will Frau Reding prüfen, ob sie regulierend tätig wird. In diesem Zusammenhang hat sie das Selbstverpflichtungsschreiben „Women on the Board Pledge for Europe“ auf ihrer Homepage veröffentlicht, mit dessen Unterzeichnung sich die Unternehmen dazu verpflichten, den Frauen anteil in Aufsichtsräten bis 2015 auf 30 % und bis 2020 auf 40 % anzuheben. Eine gesetzliche Quote ist der falsche Weg, um die Ursachen für den geringen Frauenanteil in Führungspositionen
Gesetzliche Regelungen für Frauen in Führungspositionen nehmen europaweit zu Frauenquote in Europa Land
Geltungsbereich
Ziele
Belgien
Verwaltungsräte aller staatlichen und börsennotierten Unternehmen sowie die Nationallotterie
Mindestens ein Drittel der Mitglieder des Verwaltungsrats muss dem „unterrepräsentierten Geschlecht“ angehören (Gesetz findet Anwendung ab der ersten Neubesetzung des Verwaltungsrats nach Inkrafttreten des Gesetzes im September 2011).
Frankreich
Verwaltungsräte (im monistischen System) und Aufsichtsräte (im dualistischen Sys tem) von börsennotierten Unternehmen
Quote von 40 % für beide Geschlechter ab 1. Januar 2017
Italien
Verwaltungsräte börsennotierter und staatlicher Unternehmen
Quote soll in zwei Schritten erreicht werden: Bei der ersten Neuwahl des Verwaltungsrats (vrs. 2013) muss mindestens ein Fünftel der Mitglieder des Verwaltungsrats dem „unterrepräsentierten Geschlecht“ angehören, bei der zweiten und dritten Neuwahl beträgt die Quote mindestens ein Drittel.
Norwegen
Verwaltungsräte aller Aktiengesellschaften in Privatbesitz mit einem Verwaltungsrat von über 10 Mitgliedern und aller staatlichen und kommunalen Betriebe
Quote von mindestens 40 % für Frauen und Männer (ab Januar 2004 für alle staatlichen und kommunalen Betriebe und ab 2008 für Aktiengesellschaften in Privat besitz verbindlich)
Spanien
Verwaltungsräte von öffentlichen Unternehmen und börsennotierten Firmen mit mehr als 250 Angestellten
Frauenquote von mindestens 40 % bis 2015
Quelle: BUSINESSEUROPE, Juli 2011
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anzugehen. Die Unternehmen in Deutschland fördern schon seit langem gezielt Frauen durch eine Vielzahl von freiwilligen Initiativen und Weiterbildungsmaßnahmen. Es ist die Aufgabe der Mitgliedsstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Bemühungen zu unterstützen, z. B. die mangelhafte Infrastruktur für eine qualifizierte Kinderbetreuung zu verbessern. In einem persönlichen Gespräch zwischen BDA-Präsidiumsmitglied Frau Suckale, Vorsitzende des BDA-EU-Ausschusses und Vorstandsmitglied der BASF SE, Frau Stachelhaus, Arbeitsdirektorin der E.ON AG, und EU-Kommissions-Vizepräsidentin Reding im Juli 2011 gelang es, Frau Reding von der Notwendigkeit zu überzeugen, das Thema branchendifferenziert anzugehen. Die Kommissarin zeigte sich von den freiwilligen Initiativen in Deutschland beeindruckt und äußerte großes Interesse daran, die konkreten Fortschritte in Deutschland seitens der EU-Kommission positiv zu begleiten. Frau Reding bestätigte ihre Position auch bei der Sitzung des BDA-Präsidiums in Brüssel im September 2011, bei welcher sie als Gastrednerin auftrat. Darüber hinaus hat sich die BDA zusammen mit dem BDI an der Konsultation zu dem am 5. April 2011 veröffentlichten Grünbuch „Europäischer Corporate Governance Rahmen“ beteiligt. Das Grünbuch, veröffentlicht von BinnenmarktKommissar Michel Barnier, enthält eine Vielzahl von Themen der Corporate Governance, wie etwa zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats, und thematisiert auch hier die Geschlechterzusammensetzung. BDA und BDI haben in ihrer Stellungnahme die Einführung einer gesetzlichen Quotenregelung abgelehnt. Gemeinsam mit BUSINESSEUROPE ist die BDA mit den europäischen Entscheidungsträgern im engsten Dialog, damit hier praxisorientierte Lösungen anstatt einer gesetzlichen Quote gefunden werden und den Frauen der Zugang zu Führungspositionen erleichtert wird. Dem Vernehmen nach ist nun für 2012 eine Empfehlung zur Beteiligung von Frauen in Führungspositionen geplant – dies wäre zumindest ein Teilerfolg, weil damit von dem wesentlich schärferen Rechtsinstrument einer Richtlinie abgesehen würde.
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Sozialer Dialog: neues Arbeits programm nach 2011 auf Beschäftigung ausrichten Gegenwärtig werden die Verhandlungen für die Erarbeitung des nächsten Arbeitsprogramms des Sozialen Dialogs nach 2011 vorbereitet. Die Prioritäten des nächsten gemeinsamen Arbeitsprogramms werden zwischen BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB verhandelt. Die europäischen Arbeitgeber gestalten das Arbeitsprogramm proaktiv mit: BUSINESS EUROPE hat mit den internen Überlegungen und Vorschlägen zum neuen Arbeitsprogramm begonnen. Hierbei zeigte sich große Einigkeit darüber, dass das künftige Arbeitsprogramm Beschäftigung als Schlüsselthema haben soll, wofür sich die BDA starkgemacht hat. Erste Reaktionen von Seiten der Gewerkschaften waren positiv. BUSINESSEUROPE wird sich in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften für Arbeitsmarktreformen, die zu Beschäftigungs- und Produktivitätswachstum führen, einsetzen. Ziel ist, das Arbeitsprogramm insgesamt auf eine beschränkte Zahl klarer Prioritäten zu begrenzen, um Raum für Reaktionen auf mögliche Initiativen der EU-Kommission zu lassen. Zudem gilt es, auch bisher noch nicht durchgeführte bzw. nicht abgeschlossene Arbeiten des laufenden Arbeitsprogramms 2009–2011 zu Ende zu bringen. Dazu gehören:
Wirtschaftsmigration, Mobilität und Integration: Die positive Darstellung von Migration und Integrationspolitik am Arbeitsplatz ist hierbei Ziel der Arbeitgeber.
Autonome Rahmenvereinbarung über integrative Arbeitsmärkte („inclusive labour markets“): jährliche nationale Umsetzungsberichte bis 2014.
Da die gemeinsamen Projekte des letzten Arbeitsprogramms zu Klimawandel und Flexicurity abgeschlossen sind, sollen neue Projekte als Teil des künftigen Arbeitsprogramms in Betracht gezogen werden.
Die BDA wird sich mit BUSINESSEUROPE dafür einsetzen, dass das künftige Arbeitsprogramm für einen Zeitraum von drei Jahren (2012–2014) abgeschlossen wird. Es soll möglichst anlässlich des dreigliedrigen Sozialgipfels im Frühjahr 2012 vorgelegt werden. Weitere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Europäischer Sozialer Dialog“
Transnationale Unternehmens vereinbarungen: EU-Kommission hält an europäischem Referenzrahmen fest Die EU-Kommission hat 2008 – nicht zuletzt auf intensives Drängen der BDA und von BUSINESS EUROPE – ihre ursprünglichen Überlegungen aufgegeben, aufbauend auf der von ihr in Auftrag gegebenen Studie von Prof. Ales einen optionalen Rechtsrahmen für transnationale Kollektivvereinbarungen auf europäischer Ebene vorzulegen. Es hat sich damals gezeigt, dass ein solches eigenständiges Rechtsinstrument angesichts der unterschiedlichen nationalen Traditionen der industriellen Beziehungen nicht realisierbar ist und den Unternehmen darüber hinaus keinen Mehrwert bringt. Trotzdem scheint die EU-Kommission – fünf Jahre nach der intensiven Diskussion über die Ales-Studie aus dem Jahr 2006 – unbeirrt an der Idee festzuhalten, einen europäischen „Referenzrahmen zu transnationalen Unternehmensvereinbarungen“ zu entwickeln. Die EUKommission versucht dabei offensichtlich auch, die europäischen Sozialpartner in die Verantwortung für dieses aussichtslose Unterfangen zu nehmen. Diesen Schluss lassen die gegenwärtigen Diskussionen in der Expertengruppe aus Vertretern nationaler Regierungen und der Sozialpartner zu, die die EU-Kommission 2009 eingesetzt hat, um die Entwicklung zu transnationalen Unternehmensvereinbarungen zu verfolgen und zum Erfahrungsaustausch beizutragen. Dieses Expertengremium, in dem auch die BDA vertreten ist, debattiert gegenwärtig den Entwurf eines Abschlussberichts, der auch Schlussfolgerungen für das weitere Vorgehen enthalten wird.
Dabei haben zahlreiche Beispiele von transnationalen Unternehmensvereinbarungen, die Vertreter von Unternehmen und Arbeitnehmern in der Expertengruppe vorgestellt haben, klar gezeigt, dass kein Bedarf an einem europaweit einheitlichen Rahmen besteht. Dieser Befund wird auch durch die Seminarreihe des International Training Center der Internationalen Arbeitsorganisation (ITC-ILO) gestützt, das u. a. auf Initiative der BDA untersucht hat, aus welchen Gründen Unternehmen transnationale Unternehmensvereinbarungen abschließen bzw. sich gezielt dagegen entscheiden. Daneben haben die von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen rechtlichen Gutachten gezeigt, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Umsetzung von transnationalen Unternehmensvereinbarungen auf nationaler Ebene nach wie vor erhebliche rechtliche Probleme bestehen, für die es keine schlüssigen Lösungen gibt. Vor diesem Hintergrund sehen die Arbeitgeber keine Veranlassung, im Rahmen des Sozialen Dialogs einen wie auch immer im Einzelnen ausgestalteten „Referenzrahmen“ zu entwickeln. Die Arbeitgeber haben gegenüber der EU-Kommission ausdrücklich unterstrichen, dass die Expertengruppe kein Gremium zur politischen Konsultation der europäischen Sozialpartner war und deshalb auch nicht als Legitimierung für zukünftige politische Initiativen herangezogen werden kann. Auch wenn die EU-Kommission – wie angekündigt – den Entwurf für den Abschlussbericht und die Schlussfolgerungen grundlegend überarbeiten wird, steht zu befürchten, dass sie ihre Idee für einen „Referenzrahmen“ nicht völlig aufgeben wird. Angesichts der nicht vorhandenen Unterstützung der nationalen Regierungen ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass eine solche Initiative realistische Chancen auf Verabschiedung im Rat hätte.
Corporate Social Responsibility: Kommission stellt Prinzip der Freiwilligkeit zur Disposition Das freiwillige gesellschaftliche Engagement von Unternehmen hat die BDA weiterhin sehr beschäftigt. Initiativen auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene versuchen CSR zu
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regulieren, reglementieren und standardisieren sowie mit bürokratischen und unrealistischen Anforderungen zu überfrachten. Auf deutscher Ebene hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) Mitte Oktober den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) verabschiedet. Der DNK deckt die Bereiche Strategie, Prozessmanagement, Umwelt und Gesellschaft (u. a. auch Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Beschäftigungsfähigkeit) ab. Unternehmen sollen, vergleichbar mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex, eine Entsprechenserklärung zu den Vorgaben des Kodex abgeben und gemäß den im Kodex aufgeführten Indikatoren regelmäßig berichten. Die Arbeitgeber unterstützen selbstverständlich das wichtige Anliegen möglichst nachhaltigen Wirtschaftens. Der DNK als neuer Kodex für die ganze Wirtschaft ist aber der falsche Weg. Wenn die großen börsennotierten Unternehmen gemeinsam mit den Finanzmarktinstitutionen ein Instrument zur Stärkung der Transparenz für sich selbst entwickeln, ist dies nachvollziehbar und legitim. Problematisch aber am DNK ist sein Anspruch, für alle Unternehmen gültig zu sein. Der DNK des RNE ist aufgrund seiner komplexen und bürokratischen Vorgaben für viele Unternehmen problematisch und nicht mittelstandstauglich. Darüber hinaus widerspricht der DNK dem Konsens aller beteiligten Gruppen im CSR-Forum der Bundesregierung: Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Unternehmen und Wirtschaftsverbände hatten im Juni 2010 den freiwilligen Charakter von CSR bestätigt und nach intensiven Diskussionen zur Frage der Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen darauf verzichtet, ein standardisiertes Instrument vorzuschlagen. Im CSR-Arbeitskreis der BDA wurde das Vorhaben intensiv mit dem Geschäftsführer des RNE, Dr. Bachmann, diskutiert. Die BDA führte zahlreiche Gespräche mit der Leitung des RNE und kommentierte jeden der vier Entwürfe schriftlich. Durch das intensive Engagement konnte erreicht werden, dass der RNE der Bundesregierung empfiehlt, den DNK als freiwilliges Instrument umzusetzen.
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Auf europäischer Ebene gibt es gleich zwei Initiativen, die sich mit dem Thema befassen: Im Oktober hat der Vizepräsident der EU-Kommission, Industriekommissar Tajani, eine Mitteilung zu CSR vorgelegt. Er hat dabei zwar Vorschläge, die die BDA ihm in einem gemeinsamen Gespräch mit dem italienischen Wirtschaftsverband Confindustria gemacht hatte, aufgegriffen: Einrichtung eines europäischen CSR-Preises, um die Anerkennung des CSR-Engagements von Unternehmen zu fördern, sowie Unterstützung und Hilfestellung für Unternehmen und ihre CSR-Aktivitäten. Jedoch wird dieser richtige praxisbezogene Ansatz durch die Ankündigung einer CSR-Berichterstattungspflicht in der Mitteilung völlig konterkariert. Die Wirtschaft hat von Beginn an das Vorhaben der EU-Kommission abgelehnt, Unternehmen eine Berichterstattungspflicht über ihr gesellschaftliches Engagement aufzubürden. Die Kommission würde damit massiv in die Gestaltungsfreiheit von Unternehmen eingreifen. Deshalb haben die vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft auch sofort nach Vorlage dieser Mitteilung die EUKommission aufgefordert, den breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens zur Freiwilligkeit von CSR auch weiterhin zu respektieren und den bewährten Kurs der vergangenen zehn Jahre engagiert und konstruktiv fortzusetzen. Auch die in der Mitteilung formulierte Erwartung der EU-Kommission, dass Unternehmen sich bis 2014 zur Umsetzung einer der internationalen Initiativen oder eines der internationalen Instrumente verpflichten, geht an der betrieblichen Wirklichkeit vorbei: Nicht nur widerspricht dies gerade dem freiwilligen Charakter dieser Texte und Initiativen, sondern insbesondere für Mittelständler mögen keine der aufgeführten Initiativen und Instrumente wirklich hilfreich sein. Die EU-Kommission droht mit der Mitteilung, den von ihr selbst und dem europäischen sowie dem deutschen CSR-Multistakeholder-Forum propagierten freiwilligen Ansatz zu CSR zu verlassen. Die Arbeiten an einem Vorschlag für eine Berichterstattungspflicht werden dabei von dem Binnenmarktkommissar Michel Barnier als zweite EU-Initiative vorangetrieben. Mitte des Jahres wurde eine Expertengruppe eingerichtet, um Vorschläge zu erarbeiten. Die Wirtschaft ist in der Gruppe durch den europäischen Arbeitgeber- und
Wirtschaftsverband BUSINESSEUROPE vertreten. Die BDA hatte bereits im April in einem gemeinsam mit Confindustria ausgerichteten Workshop in Brüssel das Thema „Berichterstattungspflicht“ intensiv mit Vertretern der EU-Kommission und des EP diskutiert und sich klar gegen jede Berichterstattungspflicht ausgesprochen. Rückendeckung hat sie dabei vom EP erhalten, das im Rahmen der Diskussionen zum Falbr-Bericht eine CSR-Regulierung abgelehnt hat. Wörtlich sagte der Vizepräsident des Beschäftigungsausschusses des EP, Thomas Mann: „Das EP unterstreicht mit Nachdruck, dass auf der EU-Ebene keine Richtlinie zur Regelung der sozialen Verantwortung der Unternehmen angenommen werden sollte.“ Die EU-Kommission will den Vorschlag für eine Berichterstattungspflicht im Frühjahr 2012 vorlegen. Die BDA ist sowohl in Berlin wie auch in Brüssel aktiv, um hier gegenzusteuern.
OECD-Leitsätze: durch Revision nun als globales Instrument angelegt Einen großen Erfolg hat die BDA gemeinsam mit dem Wirtschaftsverband bei der OECD, BIAC, bei der Überarbeitung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen erreicht. Die OECDLeitsätze enthalten anerkannte Grundsätze für verantwortliches unternehmerisches Verhalten bei Auslandsinvestitionen u. a. in den Bereichen Menschenrechte, Soziales, Umwelt, Antikorruption und Verbraucher. Ihren besonderen Status erhalten die auf Freiwilligkeit basierenden OECDLeitsätze dadurch, dass sich die Regierungen der OECD-Mitglieder zu ihrer Förderung verpflichtet und nationale Kontaktstellen zur Kontrolle der eingegangenen Verpflichtungen eingerichtet haben. Auch Nicht-OECD-Staaten, wie z. B. Brasilien, haben die OECD-Leitsätze übernommen. In dem einjährigen Überarbeitungsprozess, der im Mai abgeschlossen wurde, drängten Gewerkschaften, NGOs und auch einige OECDStaaten darauf, die Leitsätze inhaltlich deutlich zu verschärfen, die Anwendungsbestimmungen über Auslandsinvestitionen hinaus voll auch auf die Zulieferketten auszudehnen und Sanktionen für die Unternehmen einzuführen. Bis zuletzt wurde insbesondere um die Aufnahme der Zulieferkette
in die Leitsätze gerungen. Durch das persönliche Engagement von Prof. Rodenstock, Vizepräsident der BDA und Vorstandsmitglied bei BIAC, der sich direkt an Bundeskanzlerin Dr. Merkel gewandt hatte, wurde eine entscheidende Wende erreicht. Der BDA ist es so gelungen, darauf hinzuwirken, dass die neuen Leitsätze zum Ausdruck bringen, dass die Unternehmen sich künftig auch bemühen, bei den Geschäftspartnern in der Zulieferkette für die Einhaltung der Maßstäbe zu werben, ohne aber für deren mögliches Fehlverhalten formal in Haftung genommen zu werden. Damit bringen die OECD-Leitsätze noch deutlicher als bisher ihren Anspruch zum Ausdruck, auf globale Verbreitung angelegt zu sein. Nun kommt es darauf an, die weltweite Verbreitung voranzutreiben. Insbesondere wirtschaftlich bedeutende Länder wie China, Indien, Russland oder Südafrika sollten für die Annahme der Leitsätze gewonnen werden. Die OECD-Leitsätze bieten erstmalig einen sehr konkreten und praktikablen Ansatz, Bedingungen für fairen globalen Wettbewerb zu befördern. Die BDA hat sich durch viele Gespräche, z. B. mit dem chinesischen Vizearbeitsminister, stark für die Verbreitung der Leitsätze eingesetzt. Weitere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“
Unterstützung für Unternehmen: Leitfaden zu CSR und OECD- Leitsätzen Eine zentrale Säule der Aktivitäten der BDA war die Unterstützung der Unternehmen bei ihrem Engagement: Gemeinsam mit dem niederländischen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband VNO-NCW hat die BDA einen Leitfaden zur Unterstützung der Unternehmen bei der Umsetzung der OECD-Leitsätze erarbeitet. Darüber hinaus hat die BDA den CSR-Leitfaden der BDA komplett überarbeitet und aktualisiert sowie eine neue Handreichung für Unternehmen zum Thema „International Framework Agreements und Global Campaigning“ vorgelegt. Durch die Einrichtung eines Ad-hoc-Arbeitskreises zu „International Framework Agreements und Global Campaigning“ hat die BDA zudem den direkten Erfahrungsaustausch zwischen
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Unternehmen weiter gefördert. Schließlich wurde das CSR-Internetportal der deutschen Wirtschaft „CSR Germany“ (www.csrgermany.de) neu gestaltet. Seit dem Relaunch im Mai sind neben der BDA und dem BDI auch der DIHK und der ZDH Träger des Portals. Gemeinsam werden die Verbände auf der internationalen CSR-Konferenz der Bundesregierung am 15. und 16. Dezember 2011 Flagge zeigen und mit einem eigenen Stand informieren sowie für ihr Anliegen werben, Unternehmen weiterhin die Möglichkeit zu geben, passgenau jeweils die besten CSR-Ansätze frei zu entwickeln und umzusetzen.
Unternehmen zunehmend globalen Gewerkschaftskampagnen ausgesetzt Der Prozess der Globalisierung hat nicht nur Unternehmensstrukturen grundlegend verändert, sondern auch zu einem Wandel bei der Gestaltung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen geführt. Unternehmen müssen mit Blick auf die Arbeitsbedingungen an allen globalen Standorten ihre Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen weltweit ausrichten. Auch die Gewerkschaften vernetzen sich zunehmend weltweit. Ein wichtiges Instrument für die Arbeit der Gewerkschaften auf internationaler Ebene sind die sog. International Framework Agreements (IFAs). Diese internationalen Rahmenabkommen werden zwischen einem multinationalen Unternehmen und einer internationalen Branchengewerkschaft geschlossen und behandeln in der Regel Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen sowie Grundsätze des Unternehmens im Bereich CSR. Parallel dazu greifen Gewerkschaften auf internationaler Ebene auf aggressivere Techniken, wie die des Global Campaigning, zurück. Verstärkt werden Global Campaigns gegen einzelne multinationale Unternehmen durchgeführt. Auch deutsche Unternehmen sind davon zunehmend betroffen. Die BDA hat vorbeugend schon einen Adhoc-Arbeitskreis zu IFAs und Global Campaign ing eingerichtet, in dem über aktuelle Trends und Entwicklungen informiert wird und Unternehmen
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sich über ihre Erfahrungen austauschen können. Zudem bietet die BDA Unternehmen durch Broschüren und Leitfäden, Veranstaltungen und Seminare, die CSR-Webseite „CSR Germany“ (www.csrgermany.de), durch individuelle Beratung sowie über ihre internationalen Netzwerke Hilfestellung bei allen Fragen zu IFAs, Global Campaigning, internationalen Sozialstandards und CSR an. Das Global Industrial Relations Network (GIRN), auf Initiative der BDA vom Internationalen Arbeitgeberverband (International Organisation of Employers, IOE) als internationale Plattform zum Erfahrungsaustausch für multinationale Unternehmen gegründet, hat sich auf seiner Tagung im Oktober 2011 in Bonn ebenfalls mit den Themen „IFAs“ und „Global Campaigning“ beschäftigt.
G20: soziale Fragen im Fokus Auf internationaler Ebene wird die G20 zunehmend zu einem neuen globalen GovernanceSystem. Dieser Prozess ist Ausdruck und Folge der immer stärker werdenden globalen Abhängigkeiten, die gerade während der Schuldenkrise vieler Länder besonders deutlich wurden und die eine stärkere weltweite Koordinierung über die Finanzpolitik hinaus auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik verlangen. 2011 hat die französische G20-Präsidentschaft diesem Prozess Rechnung getragen und mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der besseren Um- und Durchsetzung der grundlegenden Arbeits- und Sozialrechte sowie dem weltweiten Aufbau von Sozialschutzsystemen wichtige sozialpolitische Prioritäten gesetzt. Die BDA ist in den Prozess sowohl direkt wie auch über die IOE und den Wirtschaftsverband bei der OECD (BIAC) eng eingebunden und hat u. a. in der Konsultation mit den G20-Arbeitsministern im September 2011 ihre Position in den Prozess direkt eingebracht. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt selbst nahm am B20-Gipfel im Vorfeld des Treffens der Staats- und Regierungschefs in Cannes teil. Für die deutschen Arbeitgeber geht es darum, dass man sich auf internationaler Ebene auf Politikansätze verständigt, die Wachstum und Beschäftigung fördern, die informelle Beschäftigung
zurückdrängen, die in vielen Ländern über 90 % beträgt, und die vor allem dazu beitragen, die gemeinsamen Grundlagen für ein „level playing field“, also gleiche, faire Bedingungen, zu schaffen. Für deutsche Unternehmen ist es ein wichtiges Anliegen, weltweit unter fairen Wettbewerbsbedingungen zu operieren. Genau dafür braucht man aber ein gemeinsames Verständnis über grundlegende Regeln, Prinzipien und Werte. Kernforderungen der BDA diesbezüglich sind die bessere weltweite Um- und Durchsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen sowie die Übernahme der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen durch die wichtigen Nicht-OECD-Mitgliedsländer, die diese Leitsätze bisher noch nicht unterzeichnet haben.
Internationale Arbeitsorganisation: Bedeutung wächst kontinuierlich Aufgrund der engen weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen einerseits und über ihre starke Beteiligung am G20-Prozess hat die Bedeutung der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization, ILO) weiter zugenommen. Dies spiegelt sich in den sozialpolitischen Prioritäten der französischen G20-Präsidentschaft (Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, bessere Um und Durchsetzung der grundlegenden Arbeitsund Sozialrechte sowie der weltweite Aufbau von Sozialschutzsystemen) wider, die die aktuellen Kernanliegen der ILO sind. Auf der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) im nächsten Jahr wird in etwa eine Empfehlung zur weltweiten Stärkung sozialer Schutzsysteme erarbeitet werden. Dabei gelang es den Arbeitgebern, schon in diesem Jahr einige wichtige Pflöcke für die Diskussionen im nächsten Jahr einzuschlagen: Die Bekämpfung der informellen Beschäftigung ist die Grundlage für den Aufbau und die Finanzierung sozialer Sicherungssysteme. Die Einbeziehung der Sozialpartner beim Aufbau und bei der Verwaltung der Sozialschutzsysteme ist essenziell. Die Sozialschutzsysteme müssen nachhaltig eigenstaatlich finanzierbar sein. Einen „One-size-fits-all-Ansatz“ kann es beim Aufbau sozialer Schutzsysteme nicht geben. Die ILO hat diesen Juni mit der 100. IAK ein wichtiges Jubiläum begangen, aufgrund dessen die diesjährige IAK von zahlreichen prominenten
Staats- und Regierungschefs, u. a. Dr. Merkel und Putin, besucht wurde. In ihrer Rede würdigte Bundeskanzlerin Dr. Merkel die deutsche Sozialpartnerschaft – insbesondere während der Krise. Deutschland habe gute Erfahrungen mit der Sozialpartnerschaft gemacht, sagte Merkel. „Die Lehre der Welt aus der Krise sollte sein, mehr in Sozialpartnerschaft auch in Zeiten des Aufschwungs zu investieren, um in Zeiten der Krise eine belastbare Partnerschaft zu haben“, so die Kanzlerin. Die BDA ist in den Arbeiten der ILO sowohl als Vertretung der Arbeitgeber in der deutschen Delegation wie auch über die IOE aktiv beteiligt. Frau Hornung-Draus, Geschäftsführerin der BDA, wurde dabei auf der im Rahmen der IAK stattfindenden Generalversammlung der IOE als deren Vizepräsidentin wiedergewählt. Sie wird für weitere drei Jahre die europäisch-zentralasiatische Region für die IOE vertreten. Im Rahmen der IAK hat die BDA zudem den inzwischen traditionellen deutschen „Employers Lunch“ ausgerichtet. Arbeitsminister, Staatssekretäre, Botschafter und Arbeitgeberkollegen aus aller Welt wurden vom Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA Clever zum 60. „Employers Lunch“ begrüßt. Seit der Wiederaufnahme Deutschlands in die ILO nach dem Zweiten Weltkrieg 1951 ist die BDA Gastgeberin dieser hochrangigen Veranstaltung während der IAK in Genf, die der globalen Netzwerkbildung, Kontaktpflege und dem informellen Austausch über aktuelle sozialpolitische Themen dient. In seiner Rede konzentrierte sich Herr Clever insbesondere auf den Beitrag, den die überarbeiteten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen für die Durchsetzung internationaler Arbeitsnormen und zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen leisten können.
BDA übermittelt Erwartungen der deutschen Arbeitgeber an EU-Präsidentschaft 2011 Wie zu jeder neuen EU-Ratspräsidentschaft hat die BDA auch 2011 Gespräche mit hochrangigen Vertretern der EU-Ratspräsidentschaft geführt. Zu diesem Zweck traf sich BDA-Hauptgeschäftsführungsmitglied Clever in Budapest und Warschau mit ungarischen und polnischen
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Regierungsvertretern, die im ersten bzw. zweiten Halbjahr 2011 die Präsidentschaft innehatten. Ziel der BDA-Präsidentschaftsreisen ist es, den Forderungen der deutschen Arbeitgeber gegenüber der jeweiligen Präsidentschaft Nachdruck zu verleihen. Gespräche mit der nachfolgenden dänischen EU-Ratspräsidentschaft 2012 fanden am 13. Dezember statt.
Besuchsprogramme: BDA-Expertise bei zahlreichen ausländischen Delegationen hoch im Kurs Auch in diesem Jahr waren wieder zahlreiche Delegationen aus der ganzen Welt zu Gast bei der BDA, darunter Gäste aus Asien, Amerika, Australien, West- und Osteuropa. Die Vertreter von Botschaften, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Universitäten, Unternehmen und internationalen Organisationen informierten sich über die Arbeit der BDA. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Art und Weise, wie die deutsche Wirtschaft die Krise ohne große Verluste für den Arbeitsmarkt überwinden konnte, aber auch folgende Themen: europäische Wirtschaftspolitik, Soziale Marktwirtschaft, Sozialer Dialog, Tarifverhandlungen, Mitbestimmung, Arbeitsmarktpolitik, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Migration, CSR und Bildungspolitik.
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Konjunkturentwicklung Wirtschaftswachstum Finanzverwaltung Schulden- und Vertrauenskrise Mitarbeiterkapitalbeteiligung Wirtschaftspolitische Koordinierung Europäische Finanzmarktstabilitäts-Fazilität ELStAM Einkommensteuerfestsetzung Wirtschaftsentwicklung Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale Aufschwung Schwellenländer Haushaltskonsolidierung Lohnsteuerbescheinigungen Privater Konsum Staatsfinanzen Weltkonjunktur Arbeitnehmerpauschbetrag Öffentliche Schulden Rekapitalisierung Bürokratiekosten Stimmungsindikator Volkswirtschaft Herbstgutachten Lohnsteuer Frühwarnsystem Euro Stabilitätsmechanismus Exportüberschuss Frühwarnsystem Finanzmarktdaten Konjunkturentwicklung ELStAM Volkswirtschaft Wirtschaftspolitische Koordinierung Arbeitnehmerpauschbetrag Stimmungsindikator Stabilitätsmechanismu Schwellenländer Euro Einkommensteuerfestsetzung
ELStAM Staatsfinanzen
Öffentliche Schulden
Lohnsteuer Finanzverwaltung Exportüberschuss ELStAM Frühwarnsystem Herbstgutachten
Wirtschaftswachstum Euro
s
t
us
Wirtschaftsentwicklung: Dynamik flacht ab Immer mehr machen sich die abflauende Weltkonjunktur sowie die Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum negativ in der deutschen Wirtschaft bemerkbar. Die schwierige Wirtschaftslage wichtiger europäischer Handelspartner und die von ihnen eingeleitete Konsolidierung mit z. T. rigiden Sparmaßnahmen dämpfen die deutschen Ausfuhren. Die Wachstumsverlangsamung in Deutschland im Laufe des Jahres 2011 ist daher wenig überraschend. Der private Konsum wirkt weiter stützend, was vor allem der
günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu verdanken ist. Aufgrund der kräftigen Expansion zu Jahresbeginn dürfte das Wirtschaftswachstum im Gesamtjahr nahezu 3 % erreichen, rund zweieinhalb Mal mehr als das Durchschnittswachstum der letzten zehn Jahre. Damit wächst Deutschland in diesem Jahr stärker als jede andere große europäische Volkswirtschaft und rund doppelt so schnell wie die Eurozone. Zu Jahresbeginn 2011, als infolge der Natur- und Umweltkatastrophe in Japan Lieferketten zeitweise unterbrochen wurden, gaben die Vertrauensindikatoren weltweit nach. Ein regelrechter Vertrauenseinbruch setzte im Juli ein, als
Konjunktur schwächt sich ab Bruttoinlandsprodukt 2006–2012 (preisbereinigt, verkettet)
Veränderung gegenüber Vorjahr in % 4,5
3,7
3,7 3,3
3,0
3
1,5
1,1
0,9
0
–1,5
–3
–4,5 –5,1
–6 2006
2007
2008
2009
2010
Quellen: Statistisches Bundesamt, 2011; *Prognose des Sachverständigenrats, 2011
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2011*
2012*
zeitgleich in den USA die Obergrenze für öffentliche Schulden angehoben und in der Europäischen Union um ein weiteres Hilfspaket für Griechenland sowie eine Reform des Rettungsfonds gerungen wurde. Die von der Politik präsentierten Ergebnisse wurden an den Märkten nicht als Lösung der Schuldenprobleme aufgefasst mit der Folge, dass sich der Vertrauensverlust fortsetzte. Ein weiterer Belastungsfaktor war und ist der kräftige Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise. Anders als in den USA und Europa war die Nachfrage in den meisten Schwellenländern weiter hoch. Die dort einsetzende leichte konjunkturelle Verlangsamung ist wirtschaftspolitisch
beabsichtigt und soll der Überhitzung der heimischen Volkswirtschaften entgegenwirken. Angesichts der insgesamt weiter günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in den Schwellenländern dürfte der Welthandel laut Herbstgutachten in diesem Jahr um 6 % und 2012 um 5 % zunehmen. Nach dem schwungvollen Jahresauftakt hat sich die Dynamik der deutschen Wirtschaft deutlich abgekühlt. Nach 1,3 % im ersten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal 2011 nur noch um 0,3 %. Diese Diskrepanz beim Wachstum der beiden Quartale erklärt sich zum einen aus dem witterungsbedingten Produktionsrückgang Ende 2010. Der dadurch ausgelöste
Welthandel nimmt weiter zu Entwicklung des Welthandels
Index 2005 = 100 160
145
130
115
100
85 2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011*
2012*
Quellen: CPB, Den Haag; * Prognose des DIW Berlin, 2011
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Gesamtwirtschaft übertrifft Vorkrisenniveau Gesamtwirtschaft: Produktion, Effektivverdienste und Beschäftigung
Index 1. Q. 2008 = 100 108
106
104
102
100
98
96
94
92 1. Q. 2008
2. Q. 2008
3. Q. 2008
4. Q. 2008
1. Q. 2009
2. Q. 2009
3. Q. 2009
4. Q. 2009
1. Q. 2010
BIP, real, saisonbereinigt Bruttolöhne und -gehälter monatlich je Arbeitnehmer, saisonbereinigt Erwerbstätige, saisonbereinigt Quelle: Statistisches Bundesamt, 2010; eigene Berechnungen der BDA
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2. Q. 2010
3. Q. 2010
4. Q. 2010
1. Q. 2011
2. Q. 2011
kräftige Nachholeffekt hatte zu Jahresbeginn 2011 einen steilen Produktionsanstieg zur Folge. Zum anderen haben Sonderfaktoren das Wachstum der Binnenwirtschaft im Frühjahr geschwächt. Zu den negativen Sonderfaktoren zählt auch der überstürzte Atomausstieg. Der sich abzeichnende Wandel vom Stromexportland zum Stromimportland hat im zweiten Quartal bis zu 0,2 Prozentpunkte Wachstum gekostet. Der wirtschaftliche Aufschwung setzte sich im dritten Quartal zunächst fort. Nach einem kräftigen Anstieg der industriellen Produktion in den Monaten Juli und August sank sie im September gegenüber dem Vormonat um 3 %. Im gleichen Monat brachen die Aufträge so stark ein wie seit drei Jahren nicht mehr. Der Hauptgrund dafür lag in der Zurückhaltung der Kunden in den Euroländern. Bestellungen von dort fielen um 12 %, aus Deutschland um 3 % und aus dem Rest der Welt um 0,3 %. Insgesamt erreichte das dritte Quartal aber immer noch ein Wachstum von 0,5 %. Für das Schlussquartal zeichnen sich eine schwache Entwicklung der Industrieproduktion und ein Rückgang des BIP ab. Der Sachverständigenrat rechnet in seinem Jahresgutachten damit, dass die Ausrüstungsinvestitionen im Jahr 2011 um 8,8 % gegenüber dem Vorjahr steigen. Die Exporte nehmen im Vergleich zu 2010 um 7,8 % zu und die Bauinvestitionen verzeichnen einen kräftigen Zuwachs i. H. v. 5,2 %. Der private Konsum, der seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres kontinuierlich gestiegen war, ist im zweiten Quartal 2011 spürbar gesunken. Maßgeblich hierfür war der Rückgang der Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit und Vermögen. In der zweiten Jahreshälfte dürfte der private Konsum wieder anziehen und im Gesamtjahr um 1,0 % steigen. Für das Jahresendquartal deutet sich eine leichte Abnahme der gesamtwirtschaftlichen Aktivität an. Die deutsche Wirtschaft hat zur Jahresmitte 2011 wieder das Niveau von vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise erreicht. Die großen makroökonomischen Aggregate weisen inzwischen Werte oberhalb des Vorkrisenniveaus vom ersten Quartal 2008 auf. Nahezu alle Wirtschaftszweige konnten zu einem Zustand von vor Ausbruch der Krise zurückkehren. Die Kapazitätsauslastung lag zuletzt mit 86,7 % in der Größenordnung des Gesamtjahres 2008.
Konjunkturentwicklung: Chancen auf rasche Besserung Die Risiken für die weltweite Konjunkturentwicklung bleiben groß. Neben der weiterhin möglichen Zuspitzung der Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum besteht die Gefahr von Ansteckungseffekten in Teilbereichen des Finanzsystems. Nicht zu unterschätzen sind aber auch die Chancen auf ein rasches Anziehen der Konjunktur. Bislang deuten hauptsächlich Stimmungsindikatoren und Finanzmarktdaten auf eine Eintrübung der Konjunktur hin. Die Stimmung der Verbraucher steht dem jedoch weiter entgegen: Bis vor kurzem hat sich das Konsumklima verbessert. Auch Daten aus der Realwirtschaft waren bis zuletzt überwiegend gut. Hinzu kommt, dass die deutschen Unternehmen über ein attraktives Produktportfolio verfügen, das sie weltweit zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten können. Die Finanzierungsbedingungen bleiben günstig und eine Kreditklemme besteht derzeit nicht. Gelingt es der Politik, einen glaubhaften Ausweg aus der Schuldenkrise zu beschreiten und Vertrauen zurückzugewinnen, besteht eine reelle Chance, dass die deutsche Wirtschaft schneller und kräftiger aus dem Konjunkturtal herauskommt als zurzeit vermutet.
Wirtschaftspolitische Koordinierung in der Europäischen Union: an Bestleistungen orientieren Die dramatischen Entwicklungen um die öffentlichen Haushalte einiger Mitgliedsstaaten im Euroraum haben die Europäische Union auf ihre bislang größte Belastungsprobe gestellt. Hohe Haushaltsdefizite bilden jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Die eigentlichen Ursachen für das fehlende Vertrauen in die langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen dieser Länder liegen in strukturellen Fehlentwicklungen, geringer Wettbewerbsfähigkeit sowie mangelnder Reformbereitschaft. Durch die Staatsschuldenkrise wurden Defizite und Schwächen der bisherigen wirtschaftspolitischen Koordinierung in Europa offengelegt. Als Reaktion darauf gibt es sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene Bestrebungen, die bestehende wirtschaftspolitische Koordinierung zu intensivieren. Im Rahmen
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der makroökonomischen Überwachung der EU, aber auch auf Ebene der G20 sollen volkswirtschaftliche Entwicklungen auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden.
Staatsfinanzen in Deutschland: 60%-Staatsschuldenobergrenze nicht aus den Augen verlieren
In der Europäischen Union ist ein Überwachungsverfahren mit Frühwarnsystem vorgesehen. Für ausgewählte makroökonomische Indikatoren werden dazu Schwellenwerte bestimmt, die als Richtwerte für eine tragfähige außenwirtschaftliche Position herangezogen werden. Verdichten sich in einer vertieften Länderanalyse Hinweise auf bestehende oder drohende Ungleichgewichte, werden wirtschaftspolitische Empfehlungen ausgesprochen. Setzt ein Land die in einem Aktionsplan zusammengefassten Maßnahmen nicht um, können Strafzahlungen bis zu 0,1 % des BIP verhängt werden. Ziel dieses Verfahrens ist es, EU-Mitgliedsstaaten schneller auf Reformkurs zu bringen. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn die EU-Mitglieder ihre Wirtschaftspolitik künftig besser aufeinander abstimmen, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Subsidiarität und Eigenverantwortung sind aber auch zukünftig strikt zu wahren. Wirtschaftspolitische Koordinierung darf keine Detailsteuerung von Einzelmaßnahmen der Mitgliedsstaaten durch EU-Vorgaben bedeuten. Falsch und gefährlich wäre es, mit diesem Instrument erfolgreiche EU-Länder zu bestrafen. Dies widerspricht nicht nur dem Wettbewerbs- und Leistungsprinzip, sondern schadet auch langfristig dem Wirtschaftsraum Europa. Das Ziel, zu den dynamischsten Regionen der Welt aufzuschließen, wird nicht erreicht, wenn Wettbewerb und Leistung durch Plan und Dirigismus abgelöst werden. Europa muss sich an Bestleistungen orientieren, nicht am Durchschnitt. Deutschlands – im Ausland bisweilen kritisierter – Leistungsbilanzüberschuss ist kein Hinweis auf eine Fehlentwicklung und darf durch das Überwachungsverfahren auch nicht als ein solches diskreditiert werden. Zum einen nicht, weil die im internationalen Vergleich hohen deutschen Nettoersparnisse keine Zahlungsverpflichtungen ergeben, deren Nichterfüllung Risiken für andere Länder oder die Stabilität der Währungsunion birgt. Zum anderen darf es in Europa nicht so weit kommen, dass Länder, die sich aus wirtschaftlicher Vernunft heraus zurücknehmen, investieren und Arbeitsplätze schaffen, für Fehlentwicklungen ihrer Nachbarn in Haftung genommen werden.
Die BDA sieht – trotz Kritik im Detail – in der von der Bundesregierung eingeleiteten Doppelstrategie zur Haushaltskonsolidierung, die auf Einsparungen und gleichzeitige Stärkung der Wachstumsdynamik setzt, einen richtigen Ansatz. Mit dem mittelfristigen Haushaltsplan der Bundesregierung bis 2015 wird der Konsolidierungspfad konsequent fortgeführt. Dabei profitiert auch die öffentliche Hand von der bislang guten wie stabilen konjunkturellen Entwicklung – durch zusätzliche Steuereinnahmen. Bis 2015 plant die Bundesregierung die Nettokreditaufnahme (strukturelle Verschuldung inklusive konjunkturell bedingter Kreditaufnahme) auf 15 Mrd. € zu senken. Damit rückt die verfassungsrechtliche Vorgabe der Schuldenbremse mit einer strukturellen Neuverschuldung des Bundes von maximal 0,35 % des BIP im Jahr 2016 in greifbare Nähe. Denn nach jüngsten Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln könnte dieses Ziel fast schon 2015 erreicht und 2016 gar um 4 Mrd. € unterschritten werden. Dies bedeutet keineswegs, dass die verfassungsrechtlich gebotenen Konsolidierungsanstrengungen gelockert werden können. Denn die mittelfristige Finanzplanung und damit die Rückführungspläne des strukturellen Defizits sind unverändert mit Finanzierungsrisiken verbunden. So hat das Bundesfinanzministerium in den Jahren 2014 und 2015 die globalen Minderausgaben von jeweils fast 5 Mrd. € immer noch nicht ausfinanziert.
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Gesamtwirtschaftlich kann allerdings nach Einschätzung der Bundesregierung bereits 2013 ein ausgeglichener Haushalt der öffentlichen Finanzen erreicht werden. Vor diesem Hintergrund ist die vom Kabinett am 7. Dezember 2011 beschlossene der Höhe nach begrenzte Steuerentlastung i. H. v. rd. 6 Mrd. € vertretbar. Diese Steuerentlastung soll erreicht werden, indem der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer in zwei Stufen in den Jahren 2013 und 2014 um insgesamt 4,4 % von 8.004 auf 8.355 € und auch die anderen Tarifeckwerte prozentual in gleicher Höhe angehoben werden. Im Wesentlichen sind diese Entlastungsschritte schon deshalb erforderlich,
um damit die verfassungsrechtliche Vorgabe der Steuerfreistellung des Existenzminimums zu gewährleisten. Deutlicher Handlungsbedarf besteht bei den öffentlichen Finanzen jedoch noch bei der Rückführung der Schuldenstandsquote: Die Maastrichter Schuldenstandsquote ist von 65 % des BIP im Jahr 2007 auf über 80 % des BIP im Jahr 2010 gestiegen, wobei dies vor allem der Finanzmarktkrise und den Abwicklungsgesellschaften, den Bad Banks, der Hypo Real Estate und der WestLB zuzurechnen ist. Allein die beiden Bad Banks sind nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums vom August 2011 für 9,5 Prozentpunkte der deutschen Staatsschulden verantwortlich; durch einen Buchungsfehler bei der Bad Bank der Hypo Real Estate ist dieser Wert allerdings um ca. 2,5 Prozentpunkte zu hoch ausgewiesen worden. Für den Zeitraum 2011–2015 erwartet das Bundesfinanzministerium – aufgrund einer deutlichen Verbesserung der Finanzierungssalden aller Gebietskörperschaften und eines unterstellten kräftigen BIP-Wachstums – eine Rückführung der Maastrichter Staatsschuldenquote auf 71 %. Dies erfordert gleichwohl eine konsequent auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik wie auch ein Fortführen der vorrangig ausgabenseitigen Konsolidierungspolitik. Deutschland sollte zugleich entschlossen die Rückführung der Staatsschuldenquote auf die Maastrichter Obergrenze von 60 % des BIP in Angriff nehmen, so wie es der novellierte europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt vorschreibt.
Staatsschuldenkrise in der Eurozone – aber keine Krise des Euro Die vergangenen zwölf Monate standen in Europa ganz im Zeichen der Staatsschuldenkrise und ihrer Bewältigung. Es handelt sich dabei nicht um eine Krise des Euro. Im Gegenteil, die gemeinsame europäische Währung ist im Innenund Außenverhältnis stabil und erfolgreich. Der Euro erfreut sich als Reservewährung steigender Verbreitung und tritt zunehmend in Konkurrenz zum US-Dollar. Damit dies auch künftig so bleibt, sind allerdings in der Eurozone gravierende
Veränderungen dringend notwendig. Denn in 12 der 17 Staaten der Eurozone übersteigt die Staatsschuldenquote die Maastrichter 60%-Obergrenze, teils sogar sehr deutlich. Der Eurogipfel Ende Oktober 2011 hat daher richtigerweise nicht nur Strukturreformen für Wachstum und die Sicherstellung langfristig tragfähiger Staatsfinanzen adressiert. Vielmehr stehen auf der politischen Agenda der kommenden Wochen und Monate auch der Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Koordination und Überwachung, die Verankerung von Schuldenbremsen in den nationalen Verfassungen und eine vertiefte Integration. Die immer mal wieder erhobene Forderung nach einer ungeordneten Insolvenz Griechenlands ist brandgefährlich. Das damit verbundene politische wie wirtschaftliche Chaos in Griechenland würde zu nicht absehbaren Ansteckungseffekten auf andere Eurostaaten und Finanzinstitute führen. Vielmehr ist der eingeschlagene Weg, Griechenland, Irland und Portugal an strenge Konditionen geknüpfte Hilfen über die Europäische Finanzmarktstabilitäts-Fazilität (EFSF) zu gewähren, politisch wie wirtschaftlich zielführend. Auch wenn durch die Ende September 2011 vom Bundestag beschlossene Erweiterung des Rettungsschirms allein die Schuldenkrise und die daraus entstandenen Probleme nicht gelöst werden können, so drohen doch ohne sie unkalkulierbare Folgen für die Europäische Union und die gemeinsame Währung. Mit der Erweiterung kann die EFSF bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorsorgliche Maßnahmen in Form der Bereitstellung einer Kreditlinie ergreifen, Kredite an Euro-Mitgliedsstaaten mit dem Zweck der Rekapitalisierung von Finanzinstituten vergeben sowie Staatsanleihen kaufen. Das EFSFErweiterungsgesetz hält dabei ausdrücklich fest, dass diese Maßnahmen nur unter der Voraussetzung der Vermeidung von Ansteckungsgefahren für die Eurozone erfolgen dürfen. Immerhin konnte im Rahmen des eingeschlagenen Weges im Juli 2011 und im Oktober 2011 für Griechenland ein sanfter Schuldenschnitt durch eine freiwillige Gläubigerbeteiligung erreicht werden. Diese Form der Umschuldung vermeidet die unausweichlich negativen Konsequenzen einer ungeordneten Insolvenz, nicht allein für Griechenland selbst, sondern auch für andere Staaten der Eurozone und den Finanzsektor.
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Mit der Oktober-Vereinbarung soll die griechische Gesamtverschuldung nachhaltig gesenkt werden – von 160 % des BIP auf 120 % bis 2020. Zugleich wurde vereinbart, dass die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds für Griechenland ein neues mehrjähriges Programm vorlegen werden, aus dem bis zu 100 Mrd. € bereitgestellt werden können. Gleichzeitig sollen die in Griechenland durchzuführenden Reformen stärker überwacht werden. Die Beschlüsse des Eurogipfels vom Oktober sind ein wichtiger Schritt zur langfristigen Stabilisierung der Währungsunion. Mit verabredeter Bankenrekapitalisierung, EFSF-Optimierung durch Versicherungslösung (bei gleichzeitiger Aufgabe einer für die Zentral unabhängigkeit schädlichen Banklizenz für die EFSF), Gläubigerbeteiligung und Stärkung der Haushaltsdisziplin sind die notwendigen Maßnahmen adressiert und vor allem auch direkt mit einem zeitlichen Fahrplan verknüpft. Dies schafft wieder Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik, zumal Defizitsünder mit Einschnitten in ihre Souveränitätsrechte rechnen müssen. Unverändert sind jedoch die Mitgliedsstaaten in der Pflicht, die dringend erforderliche Konsolidierung ihrer Staatsfinanzen wirksam umzusetzen. Dies wird zu Recht durch den von der Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union getragenen Beschluss auf dem Gipfel des Europäischen Rats im Dezember 2011 verstärkt eingefordert: Zu den bisherigen fiskalischen Regeln soll damit ein verbindlicher Haushaltspakt treten, in dessen Zentrum eine Schuldenbremse sowie ein automatischer Korrekturmechanismus stehen. Die konkreten Bestimmungen zu den neuen zwischenvertraglich geregelten Vorgaben sollen im März 2012 vorliegen. Dieser neue Pakt zu mehr Haushaltsdisziplin ist ein wichtiges Signal der Europäischen Union, die ausgeuferten Staatsschulden konsequent zurückzuführen. Ziel muss dabei bleiben, dass alle Euro-Mitgliedsstaaten ihre Staatsschuldenquote unter die Maastrichter 60%-Obergrenze bringen.
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Europäischer Stabilitätsmechanismus: zentrales Instrument für Gläubigerbeteiligung Die bereits Mitte Dezember 2010 in Eckpunkten und dann Ende März 2011 von den EU-Staatsund Regierungschefs beschlossene Ergänzung des Lissabon-Vertrags zur Stabilisierung der Europäischen Währungsunion ist unverzichtbar: Diese Vertragsergänzung unterstreicht das gemeinsame europäische Interesse an einem dauerhaften „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ (ESM) unter strengen Bedingungen: als UltimaRatio-Maßnahme bei Einstimmigkeit in der Eurozone und ausschließlich bei der Gefährdung der gesamten Eurozone. Die auf dem Dezember-Gipfel beschlossene Ergänzung, dass eine 85%ige Zustimmung reicht, wenn es sich um einen von der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank als dringlich angesehenen Notfall handelt, sollte tatsächlich nur in Ausnahmefällen Anwendung finden. Der auf Juli 2012 vorgezogene Ersatz der zeitlich befristeten EFSF durch diesen dauerhaften Präventionsmechanismus ESM ist zielführend und erforderlich für die Währungsunion. Zudem sind in dem ESM die zentralen Stellschrauben für eine Privatgläubigerbeteiligung bzw. geordnete Staatsresolvenz bereits enthalten. Alles, was derzeit im Falle Griechenlands mühsam und langwierig auf dem Verhandlungswege zwischen Griechenland, den europäischen Institutionen und den Finanzinstitutionen geklärt werden muss, soll künftig im Prinzip mit Hilfe der „Collective Action Clause“ (d. h. Umschuldungsklausel) – also in den künftigen Vertragsbedingungen der öffentlichen Anleihen – im Falle fehlender Solvenz erreicht werden können. Der Vorteil solcher Umschuldungsklauseln – im Vergleich zu den derzeitigen Anstrengungen einer Privatgläubigerbeteiligung im Falle Griechenlands – besteht darin, dass die privaten Investoren sich hierauf einstellen können und daher ihre Kreditvergabeentscheidung sehr viel überlegter als bisher fällen werden. Dies ist neben dem geschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt ein zentrales Instrument, um der EU-Staatsschuldenkrise wirksam Herr zu werden.
Steuerliches Reisekostenrecht vereinfachen Die hohe Komplexität des steuerlichen Reisekostenrechts führt zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand der Arbeitgeber für Reisekostenabrechnungen. Die BDA hat zusammen mit sieben anderen Spitzenverbänden der Wirtschaft gegenüber dem Bundesfinanzministerium die Initiative ergriffen und ihre zentralen Forderungen für eine durchgreifende Reform des steuerlichen Reisekostenrechts eingebracht. Auf dieser Grundlage führte das Bundesfinanzministerium Mitte August einen Workshop durch, in dessen Mittelpunkt die Forderungen der Wirtschaft standen. Dabei ist nochmals klar herausgestellt worden, dass eine spürbare Vereinfachung des Reisekostenrechts vor allem bedeutet, dass höchstens eine regelmäßige Arbeitsstätte je Arbeitnehmer künftig bestehen muss. Zugleich sollte bei einer Reform sichergestellt werden, dass die Änderungen bei den Unternehmen keine höheren Reisekostenausgaben oder eine Erhöhung der Sozialabgabenbelastung bewirken oder zu einer Schlechterstellung auswärts tätiger Personen führen. Da auch die Abrechnungsprogramme angepasst werden müssen, hat sich die BDA vor allem auch dafür eingesetzt, dass neue Regelungen vor Inkrafttreten einem Praxistest im kleinen Rahmen unterzogen werden, damit Umstellungsprobleme möglichst frühzeitig erkannt und beseitigt werden können. Spätestens bis Anfang 2012 wird die Finanzverwaltung einen Bericht mit Vorschlägen zur Reform des Reisekostenrechts vorlegen. Hierauf aufbauend wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2012 ein eigenes Gesetz vorgelegt werden. Die zwischenzeitlich veröffentlichten Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Juni 2011 haben der Forderung nach einer Reform des Reisekostenrechts nochmals großen Nachdruck verliehen. Die Vorgaben des BFH zur regelmäßigen Arbeitsstätte unterstützen dabei die Forderungen der Wirtschaft nach höchstens einer regelmäßigen Arbeitsstätte je Arbeitnehmer. Bei der Bestimmung des „Mittelpunkts der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers“ wird von der BDA ein primäres Anknüpfen an die Zuordnung des Arbeitgebers
(Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Festlegung der regelmäßigen Arbeitsstätte, Indiz Arbeitsvertrag) gefordert. Ein möglicher Maßstab zur Prüfung des Vorliegens einer regelmäßigen Arbeitsstätte ist z. B. „ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen“. Eine derartige Regelung und Vereinfachung sollte sich nunmehr auch im Reformansatz des Bundesfinanzministeriums niederschlagen und im Mittelpunkt einer gesetzlichen Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts stehen. Insbesondere sollten auch die Kriterien zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte eindeutig gesetzlich definiert werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer benötigen künftig eine höhere Rechtssicherheit. Deshalb ist ein Gesamtkonzept mit aussagekräftigen, verständlichen gesetzlichen Regelungen dringend erforderlich, um Änderungen durch Rechtsprechung und Finanzverwaltung auf ein Minimum zu beschränken. Folgende Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden:
Jeder Arbeitnehmer sollte im steuerrechtlichen Sinn künftig höchstens eine regelmäßige Arbeitsstätte haben. Zudem sollten künftig nicht mehr am Ende eines Jahres die Reisekostenabrechnungen rückabgewickelt werden müssen, falls sich unterjährig die Voraussetzungen für eine regelmäßige Arbeitsstätte ändern sollten.
Die derzeitigen Regelungen zum steuerfreien Ersatz von Verpflegungsmehraufwendungen sollten ebenfalls vereinfacht werden. Hierzu sollte u. a. die Handhabung der Dreimonatsfrist vereinfacht, auf die Prüfung von Abwesenheitszeiten im Falle von Übernachtungen verzichtet, eine Option eines steuerfreien Jahrespauschbetrags – alternativ zur tageweisen Erstattung von Verpflegungspauschalen – eingeführt, die Besteuerung von Sachbezugswerten bei Mahlzeitengestellung anlässlich von Auswärtstätigkeiten vereinfacht sowie die Möglichkeiten zur Pauschalversteuerung ausgeweitet werden.
Die Regelungen zur doppelten Haushaltsführung sollten zudem an die Bestimmungen zum steuerfreien Ersatz von Reisekosten bei Auswärtstätigkeiten angeglichen werden.
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Die Bundesregierung hat nunmehr im Dezember 2011 im Kabinettsbeschluss zum weiteren Bürokratiekostenabbau zugesagt, eine Reform des steuerlichen Reisekostenrechts anzugehen.
Lohnsteuer: ungerechtfertigte Bürokratiekosten für Arbeitgeber verhindert Die BDA hat die mit dem Entwurf eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011 beabsichtigte Entlastung von Bürgern und Unternehmen von unnötiger Bürokratie begrüßt – insbesondere auch die zum 1. Januar 2012 vorgesehene Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags von jährlich 920 € auf 1.000 €. Nachdrücklich hat sich die BDA jedoch in einem Schreiben an das Bundesfinanzministerium und in Gesprächen mit Abgeordneten gegen die in der ersten Januarhälfte 2011 intensiv von der Politik diskutierte Frage einer rückwirkenden Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags von 920 € auf 1.000 € zum 1. Januar 2011 ausgesprochen. Da das Steuervereinfachungsgesetz erst im Laufe des Jahres 2011 in Kraft treten könnte, würde jede rückwirkende Anhebung zum 1. Januar 2011 die Lohn- und Gehaltsabrechnung unverhältnismäßig mit Mehraufwand (bürokratische Rückrechnungen, Korrekturen von Meldungen, Neuausstellungen von Verdienstbescheinigungen etc.) belasten. Hinzu kämen Mehraufwendungen der Sozialleistungsträger für die Neuberechnung von nettolohnbezogenen Sozialleistungen (z. B. Arbeitslosengeld, Elterngeld). Dieser Aufwand steht in keinem Verhältnis zur Entlastung der Arbeitnehmer i. H. v. 300 Mio. € und stünde in diametralem Gegensatz zum richtigen Ziel, die Steuerpraxis zu vereinfachen und zu entbürokratisieren. Erfreulicherweise hat die Bundesregierung die Einwände der BDA berücksichtigt und im Kabinettsbeschluss auf eine rückwirkende, zeitanteilige Anhebung verzichtet. Stattdessen wird für 2011 im Rahmen einer Sonderregelung der gesamte Erhöhungsbetrag von 80 € in der Dezemberabrechnung 2011 berücksichtigt. Ab 2012 wird dann der höhere Arbeitnehmer-Pauschbetrag wieder zeitanteilig auf die zwölf Monate verteilt. Die BDA hat sich erfolgreich auch gegen die Inanspruchnahme der Arbeitgeber zur Korrektur fehlerhafter Lohnsteuerbescheinigungen 2010
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eingesetzt. Einige Softwarehäuser hatten das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 23. August 2010 zur Ausstellung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen 2010 in Bezug auf die korrekte Angabe der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für freiwillig Versicherte anders verstanden, als es von der Finanzverwaltung gemeint war. Dies hatte sich allerdings erst nach der Versendung der Bescheinigungen durch die Arbeitgeber an ihre Beschäftigten herausgestellt. Dabei war nicht die Lohnsteuerberechnung an sich falsch, sondern „nur“ der Ausweis der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bei freiwillig versicherten Beschäftigten. Gegen die zwischenzeitlich angestrebte Belastung der Arbeitgeber, die Korrektur der fehlerhaften Bescheinigungen durch Neuausstellung vorzunehmen, hat sich die BDA in zahlreichen Gesprächen mit dem Bundes finanzministerium, mit Bundestagsabgeordneten und mit der Geschäftsstelle Bürokratieabbau des Bundeskanzleramts ausgesprochen. Die BDA konnte erreichen, dass fehlerhaft erstellte Lohnsteuerbescheinigungen für das Jahr 2010, die sich bei einem Teil der freiwillig Kranken-/ Pflegeversicherten ergeben hatten, automatisch im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung durch die Finanzverwaltung korrigiert werden. Hierbei wird im Rahmen der Einkommensteuer veranlagung eine insoweit fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigung durch die Finanzbehörde erkannt und die zutreffende Höhe der Krankenund Pflegeversicherungsbeiträge berücksichtigt. Damit konnte die aufwändige und teure Neuausstellung und Neuversendung einer aktualisierten Lohnsteuerbescheinigung 2010 durch die Arbeitgeber vermieden werden.
Lohnsteuerabzugsverfahren: BDA-Forderung nach frühzeitiger Information aufgegriffen Die BDA begrüßt das neue elektronische, vollautomatisierte Lohnsteuerverfahren mit elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM), mit dem ab 2013 die papiergebundene Lohnsteuer karte endgültig ersetzt werden soll. Dieses neue Verfahren entlastet sowohl Arbeitgeber als auch Finanzverwaltung. Ab Ende 2012 stehen für die Arbeitgeber die ELStAM ihrer Arbeitnehmer (u. a.
Steuerklasse, Kinderfreibeträge, andere Freibeträge) in der sog. Elster-Datenbank der Finanzverwaltung zum elektronischen Abruf bereit. Der taggenaue Starttermin für den Abruf wird vom Bundesfinanzministerium noch bekannt gegeben. Der Zugriff der Arbeitgeber bzw. ihrer Dienstleister im Rahmen der Entgeltabrechnung erfolgt dann über das ElsterOnline-Portal. Eine Registrierung für dieses Portal besteht in der Regel bereits heute (entweder für den Arbeitgeber selbst oder für den beauftragten Dienstleister), da für die Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigungen dieses elektronische Verfahren schon gesetzlich vorgeschrieben ist. Die BDA hat sich dafür eingesetzt, dass von der Finanzverwaltung umfassende Informationen für die praktische Umsetzung bereitgestellt werden. Mittlerweile stehen diesbezügliche Informationen u. a. im ElsterOnline-Portal zur Verfügung. Im September 2011 hatte die BDA zudem z. B. über den Informationsflyer des Bundesfinanzministeriums informiert, der auf zwei Seiten die wichtigsten Aspekte der elektronischen Lohnsteuerkarte und der ELStAM beschreibt, und eine Weitergabe an die Beschäftigten empfohlen. Auch der BDA-Forderung, dass die Finanzverwaltung – und nicht die Arbeitgeber – die notwendige Erstinformation der Steuerpflichtigen über die beim Bundeszentralamt für Steuern hinterlegten ELStAM übernimmt, wurde entsprochen. In der ersten Oktoberwoche hat die Finanzverwaltung in allen Bundesländern begonnen, die Steuerpflichtigen über die ELStAM zu informieren. Die dabei zutage getretenen Fehler unterstreichen, dass es richtig war, dass nicht die Arbeitgeber, sondern die Finanzverwaltung selbst mit den Steuerpflichtigen abklärt, ob die hinterlegten ELStAM richtig erfasst sind. Nachdem sich Ende Oktober 2011 abzeichnete, dass der von der Finanzverwaltung bereits den Steuerpflichtigen in den ELStAM-Informationsschreiben genannte Start des neuen Verfahrens zum 1. Januar 2012 aufgrund technischer Probleme seitens der Finanzverwaltung nicht zu halten ist, hat sich die BDA für eine zeitnahe Information von Arbeitgebern und Arbeitnehmern wie auch für praxistaugliche Übergangsregelungen eingesetzt. Dies hat die Finanzverwaltung aufgegriffen.
Darüber hinaus hat sich die BDA im Rahmen gesetzlicher Ergänzungen zur Flankierung des neuen elektronischen Lohnsteuerabzugsverfahrens – die im sog. Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz enthalten sind – dafür eingesetzt, dass der den Unternehmen in Aussicht gestellte Mitteilungsservice über geänderte ELStAM ihrer Beschäftigten im ElsterOnline-Portal bereits zum Start des gesamten neuen vollautomatisierten elektronischen Lohnsteuerabzugsverfahrens zur Verfügung gestellt werden muss.
Mitarbeiterkapitalbeteiligung: keine Begünstigung zu Lasten der betrieblichen Altersvorsorge Das Bundeswirtschaftsministerium hat eine Initiative zur Fortentwicklung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung ergriffen. Ziel soll dabei sein, den Anteil der Unternehmen, die die Mitarbeiterkapitalbeteiligung nutzen, von derzeit 1 % deutlich zu erhöhen. Die BDA hat im Rahmen eines vom Bundeswirtschaftsministerium durchgeführten Workshops vor allem ihre kritische Position zur Ausweitung der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung bekräftigt, auch weil damit die Mitarbeiterkapitalbeteiligung gegenüber der betrieblichen Altersvorsorge bevorzugt würde. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte zuvor im Rahmen einer umfassenden Darstellung der aktuellen Ausgangslage bezüglich Verbreitung und rechtlicher Rahmenbedingungen zur Förderung als mögliches Hemmnis für eine stärkere Verbreitung die eingeschränkte Förderung bei der Entgeltumwandlung angeführt. Fakt ist dagegen, dass bereits heute die Mitarbeiterkapitalbeteiligung gegenüber der betrieblichen Altersvorsorge bevorzugt wird, denn anders als Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge bleiben Beiträge zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Rahmen der Fördergrenzen sowohl im Zeitpunkt der Einzahlung als auch bei der späteren Entnahme steuerfrei. Eine zusätzliche Entlastung der Beiträge von der Sozialversicherung würde diese asymmetrische Behandlung weiter verschärfen. Da der privaten und damit auch der betrieblichen Altersvorsorge vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine immer größere Bedeutung
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zukommt und sie neben der Teilnahme am Unternehmenserfolg zusätzlich biometrische Lebensrisiken absichert, wird sich die BDA auch künftig gegen Regelungen einsetzen, die die betriebliche Altersvorsorge mit ihren ohnehin viel strengeren Anforderungen im Verhältnis zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung weiter benachteiligen sollten. Durch die überwiegend von den Arbeitgebern mit jährlichen Beträgen i. H. v. 33 Mrd. € finanzierte betriebliche Altersvorsorge, die arbeitnehmerfinanzierten Beiträge belaufen sich auf rd. 5,7 Mrd. €, leisten die Arbeitgeber bereits einen erheblichen Beitrag für ihre Beschäftigten. Angesichts der demografischen Entwicklung und des sinkenden Leistungsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung ist es wichtig, den bereits eingeschlagenen Weg der Förderung des Aufbaus der betrieblichen und privaten Altersvorsorge weiterzuverfolgen und nicht durch eine Ausweitung der öffentlich geförderten Vermögensbildung zu konterkarieren. Fakt ist zudem, dass die Mitarbeiterkapitalbeteiligung zwar für viele, aber nicht für alle Unternehmen ein sinnvoller Weg ist. Denn auf einfache Weise lässt sich die Bereitstellung von echtem Eigenkapital nur durch Aktien und damit nur bei Aktiengesellschaften erreichen. Auch deshalb hat sich nach dem IAB-Betriebspanel mit 9 % der Unternehmen eine weitaus größere Anzahl von Unternehmen für die Mitarbeitererfolgsbeteiligung entschieden. Kritisch ist auch die Forderung zu sehen, dass nicht nur die Beteiligung am eigenen Unternehmen, sondern auch Mitarbeiterbeteiligungen an anderen Unternehmen gefördert werden sollen. Mitarbeiterkapitalbeteiligungen können nur dann die ihnen zugeschriebenen positiven Wirkungen entfalten (u. a. Stärkung der Motivation und Identifikation der Mitarbeiter, Förderung unternehmerischen Denkens und Handelns), wenn Arbeitnehmer durch ihre Investition eng mit ihrem Arbeitgeber verbunden werden. Diese Verbindung ist bereits durch die Zulassung von überbetrieblichen Mitarbeiterbeteiligungsfonds aufgeweicht worden und würde durch geringere Mindestanforderungen weiter verringert werden. Da eine Entkoppelung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zudem langfristig den Grundsatz der gegenseitigen Freiwilligkeit gefährden könnte, wird sich die BDA weiterhin gegen Bestrebungen in diese Richtung einsetzen.
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Eine Möglichkeit, die Mitarbeiterbeteiligung zu stärken, ohne den Grundsatz der beidseitigen Freiwilligkeit zu verletzen, sieht die BDA in der stärkeren Differenzierung bei den zur Teilnahme berechtigten Mitarbeitern. Zurzeit muss ein förderfähiger Mitarbeiterbeteiligungsplan allen Arbeitnehmern offenstehen, die ein Jahr oder länger im Unternehmen beschäftigt sind, was sachlich begründete Unterscheidungsmöglichkeiten nach Arbeitnehmerstatus ausschließt. Zugleich begrüßt die BDA Überlegungen des Bundeswirtschaftsministeriums, durch eine breiter angelegte Informationskampagne – nicht nur mit Persönlichkeiten aus der Politik, sondern auch mit Unternehmerpersönlichkeiten – den bereits erfolgreich in zahlreichen Unternehmen umgesetzten Ansatz der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu stärken. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Mitarbeiterkapitalbeteiligung“
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Deutscher Arbeitgebertag im Zeichen der EU-Staatsschuldenkrise
Der Deutsche Arbeitgebertag am 22. November 2011 in Berlin stand in diesem Jahr stark unter dem Eindruck der europäischen Staatsschuldenkrise. Dieses Thema zog sich wie ein roter Faden durch mehrere Reden, Foren und andere Wortbeiträge. Entsprechend groß war das Interesse an dieser Veranstaltung, die längst fester Bestandteil des politischen Eventkalenders in der deutschen Hauptstadt ist. Rund 1.500 Gäste aus dem In- und Ausland waren zu Gast, darunter 120 akkreditierte Medienvertreter. Livesendungen im Fernsehen und Hörfunk sowie Beiträge in allen überregionalen Tageszeitungen waren ein deutlicher Beleg für die Bedeutung der Veranstaltung. Wer nicht selbst vor Ort sein konnte, besaß die Möglichkeit, den kompletten Arbeitgebertag auf der Internetseite der BDA per Livestream zu verfolgen. Besonderes Interesse fanden die Reden von Bundeskanzlerin Dr. Merkel, Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt, EU-Vizepräsident Dr. Rehn und Bundesbankpräsident Dr. Weidmann. Aber auch die Auftritte von Bundeswirtschaftsminister Dr. Rösler, Bundesfinanzminister a. D. Steinbrück sowie vom Vorsitzen den von Bündnis 90/Die Grünen Özdemir und der Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe Hasselfeldt fanden viel Beachtung. Auf breite Resonanz stießen außerdem die hochkarätig besetzten Podiumsdiskussionen, die sich mit der Staatsschuldenkrise, mit Bildungsfragen und der Alterssicherung beschäftigten. Abgerundet wurde der Deutsche Arbeitgebertag mit der traditionellen Verleihung des Deutschen Arbeitgeberpreises für Bildung in Kooperation mit der Deutschen Telekom und der Deutschen Bahn.
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Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung 2011 verliehen Die deutschen Arbeitgeber engagieren sich seit Jahrzehnten mit eigenen Konzepten für eine bessere Bildung in Deutschland. Der Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung spielt dabei eine herausragende Rolle. Im Jahr 2011 wurde er bereits zum zwölften Mal an vorbildliche Bildungseinrichtungen vergeben. In erneuter Kooperation mit Deutscher Telekom und Deutscher Bahn stand der Preis in diesem Jahr unter dem Motto „Integration leben – Potenziale entfalten“. Die Expertenjury hatte hervorragende Konzepte ausgewählt, die junge Menschen mit Migrationshintergrund und die interkulturellen Kompetenzen aller Kinder und Jugendlichen gezielt fördern. Wie dies gelingen kann, zeigen die vier Preisträger: Kategorie „Frühkindliche Bildung“: Städtische Tageseinrichtung für Kinder Daimlerstraße 103 c, Stuttgart, Baden-Württemberg Kategorie „Schulische Bildung“: Philipp-Reis-Schule, Grund- und Hauptschule, Gelnhausen, Hessen Kategorie „Berufliche Bildung“: Atelier La Silhouette, Junge Frauen und Beruf e. V., München, Bayern Kategorie „Hochschulische Bildung“: Europaeum, Ost-West-Zentrum der Universität Regensburg, Regensburg, Bayern Nähere Informationen unter www.arbeitgeberpreis-fuer-bildung.de
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Aktuelle sozialpolitische Fragen diskutieren, den Zusammenhalt weiter stärken: Geschäftsführerkonferenz 2011 Unterschiedliche Standpunkte diskutieren, mit Entscheidungsträgern der Politik ins Gespräch kommen, das eigene Netzwerk in den Arbeitgeberverbänden stärken und neue Kontakte knüpfen – die Geschäftsführerkonferenz der BDA ist dazu seit Jahren ein wichtiges Forum. Die diesjährige Konferenz fand auf Einladung der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände am 14. und 15. Juni 2011 in Frankfurt am Main statt. Der erste Konferenztag stand im Zeichen aktueller Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. In seiner Eröffnungsrede nahm Ministerpräsident Bouffier Stellung zu den Herausforderungen, denen Deutschland insbesondere bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gegenübersteht. Dass fiskalpolitische Disziplin in der Europäischen Union keine rein nationale Angelegenheit ist, wurde in der anschließenden Diskussion „Starkes Europa – stabiler Euro“ deutlich. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen/EFAFraktion Bütikofer MdEP und der Europaabgeordnete Chatzimarkakis, Fraktion Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, tauschten ihre Standpunkte zur Zukunft der Währungsunion und zur Situation in Griechenland aus. Unter der Leitfrage „Sind Strukturveränderungen unerlässlich?“ diskutierten der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Spahn MdB und der Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion Prof. Dr. Dr. Lauterbach MdB über eine demografiefeste Ausgestaltung und Finanzierung der Pflegeversicherung. Eine Diskussion zur Zukunft der Arbeitgeberverbände bestimmte den zweiten, internen Konferenztag. Den Auftakt bildete ein Impulsreferat des ver.di-Vorsitzenden Bsirske. In seiner Rede gab er Antworten auf die Frage, wo die Arbeitgeberverbände aus gewerkschaftlicher Perspektive besser werden müssen. Die Hauptgeschäftsführerin von Gesamtmetall Sons erläuterte in ihrem Vortrag, wie sich die Sozial- und Tarifpartnerschaft weiterentwickeln kann und was die Attraktivität der Arbeitgeberverbände ausmacht. In der Rede von BDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Göhner kamen entscheidende Zukunftsfragen der Arbeitgeberverbände zur Sprache, die Anstoß gaben für eine lebendige Diskussion der Teilnehmer der Geschäftsführerkonferenz mit den drei Rednern. Die Rede von Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt zu aktuellen wirtschafts- und sozialpolitischen Themen bildete den Schlusspunkt der Geschäftsführerkonferenz. Als ausgezeichneter Gastgeber zeigte sich die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände bei der Ausrichtung der Abendveranstaltung. Im Frankfurter Römer konnten sich die Konferenzteilnehmer an einem hessischen Spezialitätenbuffet stärken und ihren Meinungsaustausch vertiefen. Mit der Geschäftsführerkonferenz wurde auch in diesem Jahr deutlich: Der Zusammenhalt in der BDA-Familie ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der gemeinsamen Arbeit.
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Parlamentarischer Abend – Wirtschaft und Politik im Gespräch Am 6. September 2011 trafen sich Vertreter aus Wirtschaft, Verbänden und Politik zum alljährlichen Austausch im Haus der Deutschen Wirtschaft. Der Parlamentarische Abend von BDA, BDI und DIHK wurde in diesem Jahr federführend von der BDA organisiert und war wieder ein großer Erfolg mit rd. 1.000 Gästen. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt und EU-Kommissar Oettinger hielten die Grußworte.
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BDA-Kongress befasste sich mit Zukunft der Printmedien Am 1. Februar 2011 veranstaltete die BDA im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin einen Medienkongress. Dieser stand unter der Überschrift: „Wirtschaftsberichterstattung im Zeitalter von Web 2.0 – haben die Printmedien ausgedient?“ Medien haben großen Einfluss auf den Zustand unserer Gesellschaft und eine besondere Verantwortung für die politische Kultur einer Demokratie. Strukturelle Umbrüche, technische Neuerungen, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen verändern die Medienlandschaft nachhaltig. Vor diesem Hintergrund diskutierten Vertreter aus Unternehmen und Medienschaffende über die Zukunft der Printmedien. Dabei gingen sie auch der Frage nach, was eine gute Wirtschaftsberichterstattung auszeichnet und wie qualitativ hochwertiger Journalismus in Zukunft bezahlt werden soll. Zu den Referenten zählten ZDF-Intendant Prof. Schächter, der Vorstandsvorsitzende der METRO AG Dr. Cordes, der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger Heinen sowie der Präsident der UVNord Wachholtz und WAZ-Geschäftsführer Nienhaus. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt. Ausschnitte des Kongresses sind in der Mediathek der BDA unter www.arbeitgeber.de oder direkt unter www.mediathek.arbeitgeber.de abrufbar.
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„PISA 2000–2009: Bilanz der Reformen“ – Reformkurs in der Schule fortsetzen Seit PISA 2000 hat sich im Schulbereich viel getan. Die Bildungspolitik hat an Dynamik gewonnen, die Schülerleistungen wurden deutlich gesteigert. Welche Verbesserungen erreicht wurden, welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren und wie die Entwicklung weitergehen muss, thematisierte die BDA mit einer schulpolitischen Tagung unter dem Titel „PISA 2000–2009: Bilanz der Reformen“ am Montag, 7. November 2011, im Haus der Deutschen Wirtschaft. Leitmotiv der Tagung war die Frage nach der Kompetenzorientierung des Lernens und Lehrens. Sie ist für die Arbeitgeber besonders wichtig und Ziel vieler Reformen im Schulbereich. Es bestand Konsens unter den Experten, dass PISA die empirische Grundlage und daher unverzichtbarer Teil der neuen Schulpolitik ist, die sich durch ein Leistungs- und Evaluationssystem mit zentralen Prüfungen, Vergleichsarbeiten und Schulinspektionen auszeichnet. Lernbereitschaft und Bildungswille der Schüler sind gewachsen, mehr Lernzeit wurde durch den Ausbau der frühkindlichen Bildung, der Ganztagsschulen und besseres Unterrichtsmanagement gewonnen. Vor einer weiteren Umsetzung der selbstständigen Schule schreckten die politischen Vertreter dagegen zurück. Leistungsverbesserungen insbesondere bei den schwächeren Schülern und Migrantenkindern wurden erzielt, reichen aber bei Weitem noch nicht aus. Dass die Lehrerbildung entscheidend ist, aber an den Hochschulen sehr unterschiedlich gehandhabt wird und nur z. T. die Bildungsstandards mit ihrer Kompetenzorientierung widerspiegelt, wurde in der Diskussion mit den Experten aus Wissenschaft, Politik, Schule und Lehrerbildung ebenfalls deutlich. Die Erkenntnisse aus der Tagung wird die BDA in die politische Arbeit einbringen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Schulpolitik“
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SCHULEWIRTSCHAFT koordiniert das Netzwerk Berufswahl-SIEGEL Mit dem Berufswahl-SIEGEL werden Schulen mit besonderem Engagement für gute Berufsorientierung ausgezeichnet. Das Qualitätssiegel wurde vor zehn Jahren entwickelt und wird inzwischen in vielen Regionen in Deutschland in Kooperation mit dem jeweiligen Kultusministerium und mit vielen Partnern und Förderern auch aus der Wirtschaft erfolgreich umgesetzt. Mittlerweile sind zehn Bundesländer an dem Netzwerk beteiligt. Die Bertelsmann Stiftung, die bisher für die Vernetzung der Regionen gesorgt hatte, übertrug im Dezember 2010 die Koordination des Netzwerks Berufswahl-SIEGEL auf SCHULEWIRTSCHAFT. Im Juni 2011 wurde erstmals die jährliche Tagung des SIEGEL-Netzwerks auf Einladung der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT in Berlin ausgerichtet. Dabei standen Fragen zu Qualitätsstandards, Evaluierung des Siegels, Zukunftsszenarien, Umgang mit bestimmten Schulformen, mögliche Angebote für SIEGEL-Schulen sowie die Weiterentwicklung der Öffentlichkeitsarbeit im Vordergrund. Ziel von SCHULEWIRTSCHAFT ist es, das Netzwerk Berufswahl-SIEGEL zu einem bundesweiten Netzwerk systematisch auszubauen und die SIEGEL-Standards zu bundesweiten Qualitätsstandards zur Berufsorientierung zu entwickeln. Gefördert wird das Projekt vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband und der Siemens AG. Nähere Informationen unter www.berufswahl-siegel.de
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„Starke Schulen“ auszeichnen und fördern
„Starke Schule – Deutschlands beste Schulen, die zur Ausbildungsreife führen“ wird gemeinsam von der BDA, der Hertie-Stiftung, der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Deutsche Bank Stiftung ausgerichtet und ist inzwischen der größte Schulwettbewerb in Deutschland. „Starke Schule“ will:
hervorragende schulische Gesamtkonzepte auszeichnen Schulen miteinander vernetzen das Innovationspotenzial von Schulen fördern Lehrkräfte zu ausgewählten Themen fortbilden
2011 fanden die Auswahl und Prämierung der Siegerschulen in allen 16 Bundesländern sowie auf Bundesebene statt. Die Preisträger zeichnen sich durch systematische individuelle Förderung ihrer Schüler, erfolgreiche Berufsvorbereitung und hohe Übergangsquoten in Ausbildung aus. Höhepunkt war die feierliche Verleihung der Bundespreise durch Bundespräsident Wulff am 11. Mai 2011 in Schloss Bellevue. Drei Schulen erhielten Preise, sieben weitere Schulen Ehrungen. Der zweite Preis wurde von Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt überreicht. An den Landesverleihungen waren die Landesarbeitgeberverbände mit Laudationes oder Grußworten beteiligt. Am Wettbewerb nahmen Hauptschulen, integrierte und teilintegrierte Schulformen und Förderschulen, die zum Hauptschulabschluss führen, teil. Alle Preisträgerschulen sind für mindestens vier Jahre in das Netzwerk „Starke Schule“ aufgenommen und werden zu verschiedenen Veranstaltungen und Fortbildungsangeboten eingeladen. Die Schulen können sich im Netzwerk austauschen, fortbilden und innovative Projekte finanzieren lassen. Größte Veranstaltung ist die jährliche Netzkonferenz aller Preisträgerschulen, die die BDA am 10. und 11. Mai 2011 ausrichtete.
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In einer begleitenden wissenschaftlichen Evaluation durch die Universität Dortmund-Essen wurden zudem die Erfolgsfaktoren der Schulen ausgewertet. Diese Ergebnisse wurden auch in den BDA-Gremien diskutiert, um daraus bildungspolitische Schlussfolgerungen ziehen zu können. Nähere Informationen unter www.starkeschule.ghst.de Bundessieger im Wettbewerb „Starke Schule“ 1. Platz: GTHS Hakemickeschule, Olpe, Nordrhein-Westfalen (15.000 €) 2. Platz: Grund- und Werkrealschule in der Taus, Backnang, Baden-Württemberg (10.000 €) 3. Platz: Erich Kästner Realschule plus, Ransbach-Baumbach, Rheinland-Pfalz (5.000 €) 4. Platz: Integrierte Ganztagsschule Kelsterbach, Hessen 5. Platz: GTS 2001, Syke, Niedersachsen 6. Platz: Regionale Schule „Heinrich Heine“, Ostseebad Karlshagen, Mecklenburg-Vorpommern 7. Platz: Volksschule Eching, Eching, Bayern 8. Platz: Staatliche Regelschule Stadtilm, Thüringen 9. Platz: Sekundarschule „A. Diesterweg“, Sandersdorf-Brehna, Sachsen-Anhalt 10. Platz: Heinz-Brandt-Schule, Berlin Sonderpreis „Stark durch Vielfalt“: Förderzentrum Herderschule, Weimar, Thüringen
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Erfolgreiche Zwischenbilanz: SCHULEWIRTSCHAFT-Jahres thema „Migration.Qualifika tion.Integration“ Die kulturelle Vielfalt am Arbeitsplatz sowie die globale Vernetzung nehmen weiter zu. In der Folge sind Strategien gefragt, die diese Entwicklungen in berufliche Chancen für Jugendliche umwandeln. Um junge Erwachsene mit Migrationshintergrund beim Einstieg in den Beruf zielführend unterstützen zu können, müssen herkunftsbedingte Faktoren bei der Berufsorientierung stärker berücksichtigt werden. Mit dem Jahresschwerpunkt „Migration.Qualifikation.Integration“ greift SCHULEWIRTSCHAFT den Aspekt der interkulturellen Berufsorientierung auf und setzt Impulse für einen offenen bildungspolitischen Dialog. Effektive Vorschläge und Maßnahmen sollen gebündelt werden, um Bildungsungleichheit abzubauen und das gesellschaftliche Miteinander zu stärken. Auf Basis langjähriger Kooperation zwischen Schulen und Unternehmen sowie enger Kontakte zu den Ausbildungsverantwortlichen entwickelt, vermittelt und gestaltet SCHULEWIRTSCHAFT praxiserprobte Angebote, von denen alle Beteiligten profitieren. Den Auftakt bildete die Tagung „Migration.Qualifikation.Integration – kulturelle Vielfalt und berufliche Perspektiven“ am 30. Mai 2011 in Berlin. Auf dem Podium diskutierten Staatsministerin Prof. Dr. Böhmer, Herr Burgbacher, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, BDA-Vizepräsident Dr. Braun, Prof. Dr. Hüther, Direktor des IW Köln, Herr Becker, Mitglied des Vorstands der BA, sowie Herr Can, Geschäftsführer der ROFOBOX GmbH. Migrationsforscher Prof. Dr. Bade gab Orientierungshilfen in der aktuellen Debatte. Um das Thema in den Regionen umzusetzen, erhalten die Arbeitskreise vor Ort eine Toolbox mit Materialien und Handreichungen. Flankiert wird das Jahresthema durch Aktivitäten und Projekte in den Landesarbeitsgemeinschaften SCHULEWIRTSCHAFT. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Integration durch Bildung“ sowie unter www.schulewirtschaft.de
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Netzwerk SCHULE WIRTSCHAFT beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden Seit über 60 Jahren ist der Deutsche Evangelische Kirchentag ein wichtiges Ereignis nicht nur für die Kirche, sondern für die ganze Gesellschaft. Beim diesjährigen Kirchentag vom 1. bis 5. Juni 2011 in Dresden war auch das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT mit Mitarbeitern der BDA und der Landesarbeitsgemeinschaften SCHULEWIRTSCHAFT in Ostdeutschland auf dem „Markt der Möglichkeiten“ beim Kirchentag vertreten. Großen Zulauf erhielt der Messestand nicht zuletzt durch ein Quiz mit Fragen rund um das Thema „Soziale Marktwirtschaft“. Zum aktuellen SCHULEWIRTSCHAFT-Jahresthema „Migration.Qualifikation.Integration – kulturelle Vielfalt und berufliche Perspektiven“ fand am 4. Juni 2011 eine Marktplatzveranstaltung auf dem Messegelände statt. Diakoniepräsident Stockmeier, Herr Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA, Herr Wiethaup, Vorsitzender Schule der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT, und Frau Dr. Stange, bildungs- und kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, wirkten daran mit. Die Podiumsteilnehmer waren sich einig: Die Versäumnisse der Vergangenheit führen heute zu enormen Herausforderungen für die Bildungs- und Sozialpolitik. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels müssen dringend Rahmenbedingungen verbessert werden, damit Jugendlichen mit Migrationshintergrund der Übergang in Ausbildung, Studium und Beruf besser gelingt. Nähere Informationen unter www.wirtschaft-kirchentag.de
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Internationaler Arbeitsmarkt – internationale Hochschulen
Die BDA hat die Frage, wie Wirtschaft und Hochschulen auf dem Feld der Internationalisierung stärker zusammenarbeiten können, in einer gemeinsamen Tagung mit dem BDI und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aufgegriffen. Unter dem Titel „Internationaler Arbeitsmarkt – Internationale Hochschule“ kamen am 12. Mai 2011 etwa 100 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammen, um Beispiele guter Praxis auszutauschen und Konzepte einer vertieften Kooperation zu erarbeiten.
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Schuldenkrise und Governance der Europäischen Union 49. Kolloquium der WalterRaymond-Stiftung
Die Walter-Raymond-Stiftung wurde 1959 von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als rechtlich unselbstständige Institution gegründet. Die Stiftung ist dem regen Gedankenaustausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik verpflichtet und steht allen gesellschaftlichen Themen offen gegenüber. Sie leistet einen Beitrag zu einer auf Freiheit, Eigenverantwortung und Solidarität beruhenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Die Verantwortung für die Tätigkeit der Stiftung trägt der Vorstand. Sprecherin des Stiftungsvorstands ist die Vorstandsvorsitzende der Randstad Stiftung und Geschäftsführerin Corporate Affairs von Randstad Deutschland, Frau Franken. Im Jahr 2011 wurde das Thema „Schuldenkrise und Governance der Europäischen Union: Legitimität, Funktionalität, Pluralität“ intensiv im Rahmen des Kolloquiums diskutiert. Den Auftakt gaben Vorträge von Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Di Fabio, vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesfinanzminister Kampeter MdB, vom Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Born, vom ersten stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa Graf Lambsdorff MdEP und den Wissenschaftlern Prof. Dr. Münkler und Prof. Dr. Vaubel. Geprägt war der Diskurs von der Eingangsfrage, mit welchen wirksamen Sicherungssystemen die Europäische Währungsunion nachgerüstet werden sollte, um das Funktionieren der Staatengemeinschaft zu flankieren und die ausgeuferten Staatsschulden wieder zurückzuführen. Angesprochen waren damit auch die Gründe für das bedrohliche Anwachsen der Staatsverschuldung und das Versagen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Intensiv diskutiert wurde auch die Frage nach den rechtlichen Grundlagen wie den Wirkungen der verschiedenen Rettungsmechanismen. Zudem wurde in Bezug auf die Europäische Union die „Finalitätsfrage“ aufgeworfen: Auf Dauer wird sich nicht vermeiden lassen, eine Entscheidung darüber zu fällen, ob der Integrationsprozess weiter vertieft und intensiviert wird oder nicht. Die Vorträge und Ergebnisse des Kolloquiums liegen im Band 51 der Großen Reihe der Walter-Raymond-Stiftung vor. Das nächste Kolloquium der Stiftung findet im März 2012 unter dem Titel „Virtuelle Öffentlichkeiten, soziale Netzwerke, plebiszitäre Kampagnen – der Veränderungsdruck auf Politik und Gesellschaft“ statt. Inhaltlich soll den Fragen nachgegangen werden, welche Auswirkungen die neuen Medien auf Politik, Gesellschaft ausüben und inwieweit durch die neuen Medien das Bewusstsein der Bürger und ihr Handeln beeinflusst werden und welche anderen Formen der gesellschaftlichen Teilhabe und der politischen Partizipation damit verbunden sind.
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Internet und Social Media immer populärer Wer sich möglichst schnell über die aktuellen Positionen der deutschen Arbeitgeber informieren möchte, besucht am besten die Homepage der BDA. Unter www.arbeitgeber.de finden interessierte Besucher hier nicht nur die neuesten Pressemitteilungen und ausführliche Hintergrundinformationen, sondern auch aktuelle Veranstaltungstipps und wichtige Links zu Partnern und Initiativen der BDA. Die Akzeptanz des BDA-Auftritts im Internet ist unumstritten: Auch im Jahr 2011 hat sich der kontinuierliche Anstieg der Nutzerzahlen seit dem Relaunch von 2008 deutlich fortgesetzt. Besonderer Beliebtheit erfreut sich der Servicebereich: Hier kann der Nutzer nicht nur auf wichtige Formulare und Checklisten zurückgreifen, sondern auch Fotos herunterladen und den BDA-Newsletter bestellen. Regen Zuspruch findet auch der elektronische Broschürenshop, der eine Vielzahl von Publikationen anbietet, wie z. B. auch den aktuellen Geschäftsbericht. Dieser kann im Übrigen – wie auch alle anderen Broschüren – seit neuestem bequem online durchgeblättert werden. Neben den klassischen Instrumenten der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nutzt die BDA natürlich auch die modernen Kommunikationswege wie Twitter oder Facebook, um die politischen Botschaften an den Mann und an die Frau zu bringen. Auch hier wächst die Zahl unserer „Freunde“ und „Follower“.
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Die Wirtschaft im Fernsehen – n egativ, selektiv, wenig vielfältig Der Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft hat unter dem Vorsitz der BDA die Hamburg Media School (HMS) beauftragt, aktuelle Forschungsergebnisse zu der Frage zusammenzufassen, wie in den Medien über Wirtschaft und wirtschaftliche Entwicklungen berichtet wird. Gegenstand sollte die Wirtschaftsberichterstattung in allen TV-Formaten sein, also sowohl in Nachrichten- und Magazinsendungen als auch in Unterhaltungs- und Verbraucherprogrammen. Aus den bisherigen Forschungsergebnissen zur Wirtschaftsberichterstattung und -darstellung im Fernsehen konnten drei zentrale Erkenntnisse gewonnen werden:
Die Wirtschaftsberichterstattung hat einen Hang zur negativen Darstellung. Die Wirtschaftsberichterstattung konzentriert sich auf wenige Komponenten (z. B. Arbeitslosenzahlen) und entkoppelt diese von komplexen Zusammenhängen. Medien haben die Tendenz, gemeinsam und mit der gleichen kritischen Richtung zu berichten. Darunter leidet die Vielfalt der dargestellten Meinungen und Perspektiven.
Nähere Informationen finden Sie unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Medien
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BDA-Mitgliedsverbände 52 Bundesfachverbände*
Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e. V. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe) Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V. Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e. V. Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V. Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrsbetriebe – Arbeitgeberverband Luftverkehr e. V. (AGVL) Arbeitgeberverband Pflege e. V. Arbeitgeberverband Postdienste e. V. Arbeitgeberverband Stahl e. V. Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß e. V. Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. Wirtschafts- und Arbeitgeberverband BdKEP Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e. V. Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) Bundesarbeitgeberverband Glas und Solar e. V. Bundesverband Briefdienste e. V. Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V. Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ) Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. Bundesverband Druck und Medien e. V. Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V. Bundesverband Keramische Industrie e. V. DER MITTELSTANDSVERBUND ZGV Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V. Deutscher Bühnenverein Bundesverband der Theater und Orchester Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA) DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V. Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund – Gesamtverband Steinkohle e. V. (GVSt) Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. Hauptverband der Deutschen Holzindustrie und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industrie- und Wirtschaftszweige e. V. Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V. Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Telekommunikation (ArgeTel) Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV) Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH) Verband Deutscher Reeder e. V. Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ) Verein der Zuckerindustrie Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V. Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU) VKS - Verband der Kali- und Salzindustrie e. V. Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V.
*Stand: 31. Dezember 2011
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Landesvereinigungen*
UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.
Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern e. V.
Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V. Unternehmerverbände Niedersachsen e. V. Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e. V.
unternehmer nrw – Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e. V.
Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW) Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.
Verband der Wirtschaft Thüringens e. V.
Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU)
Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände e. V. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Arbeitgeber Baden-Württemberg – Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e. V.
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BDA-Präsidium** Präsident
Prof. Dr. Dieter Hundt Präsident Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Aufsichtsratsvorsitzender Allgaier Werke GmbH
Ehrenpräsident
Prof. Dr. Klaus Murmann Ehrenpräsident Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vorm. Vorstandsvorsitzender Sauer- Danfoss Inc.
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Dr. h. c. Josef Beutelmann Vorsitzender Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland Vorsitzender der Vorstände Barmenia Versicherungen Dr. Gerhard F. Braun Präsident Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz Geschäftsführender Gesellschafter Karl Otto Braun GmbH & Co. KG Martin Kannegiesser Präsident GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie Geschäftsführender Gesellschafter Herbert Kannegiesser GmbH Otto Kentzler Präsident Zentralverband des Deutschen Handwerks Geschäftsführender Gesellschafter Kentzler GmbH & Co. KG Ingo Kramer Präsident Die Unternehmensverbände im Lande Bremen Geschäftsführender Gesellschafter Firmengruppe J. Heinr. Kramer
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Elke Strathmann Vorstandsmitglied Continental AG Dr. h. c. Eggert Voscherau Präsident Bundesarbeitgeberverband Chemie Aufsichtsratsvorsitzender BASF SE
Präsidiumsmitglieder
Vizepräsidenten
Prof. Randolf Rodenstock Präsident Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft Geschäftsführender Gesellschafter Optische Werke G. Rodenstock GmbH & Co. KG
Dr. Frank Appel Vorstand Arbeitgeberverband Postdienste Vorstandsvorsitzender Deutsche Post AG Werner M. Bahlsen Präsident Unternehmerverbände Niedersachsen Vorsitzender der Geschäftsführung Bahlsen GmbH & Co. KG Dr. Bernhard Beck Vorsitzender Vereinigung der Arbeitgeber verbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen Vorstandsmitglied EnBW Energie Baden-Württemberg AG Hans-Dieter Bremer Präsident Vereinigung der Unternehmens verbände für Mecklenburg-Vorpommern Geschäftsführer Beton-Service GmbH Wolfgang Brinkmann Vizepräsident Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie Geschäftsführender Gesellschafter bugatti GmbH Dr. Jürgen Deilmann Ehrenmitglied im Präsidium der Bundesver einigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Gesellschafter Deilmann Montan GmbH
Dr. Rainer V. Dulger Vorstandsmitglied Arbeitgeber Baden- Württemberg – Landesvereinigung BadenWürttembergischer Arbeitgeberverbände Geschäftsführender Gesellschafter ProMinent Dosiertechnik GmbH Brigitte Ederer Vorstandsmitglied Siemens AG Martin Empl Präsident Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände Brigitte Faust Vorsitzende Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß HR Director Employee & Industrial Relations Coca-Cola Erfrischungsgetränke AG Bodo Finger Präsident Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft Geschäftsführender Gesellschafter Chemnitzer Zahnradfabrik GmbH & Co. KG Heide Franken Vorstandssprecherin Walter-Raymond-Stiftung Geschäftsführerin Randstad Deutschland GmbH & Co. KG Wolfgang Goebel Präsident Bundesverband der Systemgastronomie Vorstandsmitglied McDonald’s Deutschland Inc.
Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Dr. Rüdiger Grube Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG Helmut Heinen Präsident Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Geschäftsführer Heinen-Verlag GmbH
Dr. Fritz-Heinz Himmelreich vorm. Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Ingrid Hofmann Vizepräsidentin Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister Geschäftsführende Gesellschafterin I. K. Hofmann GmbH Burkhard Ischler Präsident Vereinigung der Unternehmens verbände in Berlin und Brandenburg Leiter Berliner Büro der Leitung Siemens AG Dr. Eckart John von Freyend Präsident Institut der deutschen Wirtschaft Köln Aufsichtsratsvorsitzender GSW Immobilien AG Arndt G. Kirchhoff Vorsitzender der Geschäftsführung KIRCHHOFF Automotive GmbH Helmut F. Koch Vorsitzender Arbeitgeberverband Stahl Aufsichtsratsmitglied MannesmannröhrenWerke GmbH Dr. Walter Koch Ehrenmitglied im Präsidium Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Gesellschafter Dillinger Fabrik gelochter Bleche GmbH Harald Krüger Vorstandsmitglied BMW AG Stefan H. Lauer Präsident Arbeitgeberverband Luftverkehr Vorsitzender Sozialpolitische Arbeits gemeinschaft Verkehr Vorstandsmitglied Deutsche Lufthansa AG Horst-Werner Maier-Hunke Präsident unternehmer nrw – Landes vereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen Geschäftsführer DURABLE Hunke & Jochheim GmbH & Co. KG
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Dr. Wilhelm von Moers Vizepräsident Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen Geschäftsführer Handelshof Management GmbH Dr. Arend Oetker Geschäftsführender Gesellschafter Dr. Arend Oetker Holding GmbH & Co. KG Wilfried Porth Vorstandsmitglied Daimler AG Vorstandsvorsitzender Hanns Martin Schleyer-Stiftung
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Dr. Wolfgang Pütz Vizepräsident Bundesverband Druck und Medien Geschäftsführender Gesellschafter J. F. Ziegler KG Josef Sanktjohanser Präsident Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel Vorstandsmitglied REWE-Zentral-AG Thomas Sattelberger Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG Andreas Schmieg Vizepräsident Hauptverband der Deutschen Bauindustrie Vorstandsvorsitzender TORKRET AG Jürgen Schulte-Laggenbeck Vizepräsident Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel Vorstandsmitglied Otto (GmbH & Co. KG) Ulrich Sieber Vorsitzender Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes Vorstandsmitglied Commerzbank AG Dr. Heinrich Spies Präsident Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung Geschäftsführender Gesellschafter May + Spies GmbH
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Margret Suckale Vorstandsmitglied BASF SE Bernd Tönjes Präsident Gesamtverband Steinkohle Vorstandsvorsitzender RAG Aktiengesellschaft Uli Wachholtz Präsident UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein Geschäftsführer Karl Wachholtz Verlag GmbH & Co KG Prof. Dieter Weidemann Präsident Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände Wolfgang Zahn Präsident Verband der Wirtschaft Thüringens Geschäftsführer Robert Bosch Fahrzeug elektrik Eisenach GmbH
BDA-Vorstand**
Vorsitzende der Ausschüsse**
Gemeinsames Präsidium von BDA und BDI**
Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören folgende Damen und Herren dem Vorstand an:
Dr. Gerhard F. Braun BDA/BDI-Fachausschuss Bildung | Berufliche Bildung
Alternierende Vorsitzende
Prof. Thomas Bauer Michael Behrendt Dr. Rolf Bender Oswald Bubel Ulrich Alfred Büchner Frank Dupré Volker Enkerts Ernst Fischer August Forster Florian Gerster Rainer Göhner Thomas Greiner Klemens Gutmann Jörg Hagmaier Wilfried Hollmann Olaf Junge Franz-Bernd Köster Thomas Kretschmann Peter Kurth Dr. Johannes F. Lambertz Rainer J. Marschaus Ulrich C. Nießen Dr. Christoph E. Palmer Eberhard Potempa Jürgen Schitthelm Karl-Heinz Schneider Birgit Schwarze Johannes Schwörer Dr. Theo Spettmann Norbert Steiner Dr. Sven Vogt Ulrich Weber Dietmar Welslau Michael Wenzel Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia
Hans-Dieter Bremer Ausschuss Arbeitssicherheit Prof. Dr. Michael Heise Ausschuss für Volkswirtschaft liche Fragen
Weitere Mitglieder des Präsidiums
Klaus Hofer Ausschuss Betriebliche Altersvorsorge
Ingrid Hofmann Ausschuss Betriebliche Personalpolitik
Michael Klein Ausschuss Arbeitsmarktfragen
Stefan H. Lauer Ausschuss Arbeitsrecht
Dr. Wolfgang Pütz Ausschuss Lohn- und Tarifpolitik
Prof. Dr. Dieter Hundt Prof. Dr. Hans-Peter Keitel
Dr. h. c. Josef Beutelmann Dr. Gerhard F. Braun Dr. Klaus Engel Ulrich Grillo Dr. Heinrich Hiesinger Martin Kannegiesser Prof. Dieter Kempf Otto Kentzler Ingo Kramer Dr. Thomas Lindner Friedhelm Loh Dr. Arend Oetker Prof. Randolf Rodenstock Elke Strathmann Jürgen R. Thumann Dr. h. c. Eggert Voscherau Matthias Wissmann
Prof. Randolf Rodenstock Haushaltsausschuss
Prof. Randolf Rodenstock Ausschuss Soziale Sicherung Margret Suckale Ausschuss Sozialpolitik in der EU
** Stand: 1. Januar 2012
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In memoriam Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in langjähriger Mitarbeit verbunden und hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer Sozialpolitik. Wir gedenken ihrer.
Hermann Habich
Ehemaliger Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Chemie des Landes Hessen Ehrenpräsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände 7. Januar 2011
Assessor Gert Nachtigal
Ehemaliger Vorsitzender im Verwaltungsrat des AOK Bundesverbands, des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) Stellvertretender Abteilungsleiter der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1. Februar 2011
Dr. Adolf Freiherr Spies von Büllesheim
Präsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gesamtverbands Steinkohle (GVSt) 12. Februar 2011
Erich Sennebogen
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Ehrenpräsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft 21. März 2011
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Dr. Günther Meisterling
Geschäftsführer Gesellschaft für Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik Geschäftsführer Bildungswerk der Wirtschaft Hamburg 19. April 2011
Senator e. h. Helmut Eberspächer
Ehemaliges Mitglied im Präsidium und Vorstand Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Ehrenvorsitzender Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände 19. Juni 2011
Erich Gerard
Ehemaliges Mitglied im Präsidium und Vorstand Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Ehrenpräsident der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg 4. September 2011
Ulf Berger-Delhey
Mitglied Gesprächskreis Arbeitsrecht Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 14. Oktober 2011
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organigramm
Präsident Prof. Dr. Dieter Hundt sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau t -1004 f -1005
Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Göhner
Mitglied der Hauptgeschäftsführung Alexander Gunkel**
sekretariat Nadja Boborowski t -1008 f -1015
sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau Marina Reikowski t -1007/1006 f -1005
hgf.mail@arbeitgeber.de
hgf.mail@arbeitgeber.de
Verwaltung und Verbandsorganisation
Soziale Sicherung
Volkswirtschaft | Finanzen | Steuern, WalterRaymond Stiftung
Arbeitsrecht
Lohn und Tarifpolitik
Abteilungsleitung
Abteilungsleitung
Abteilungsleitung
Abteilungsleitung
Abteilungsleitung
sekretariat
sekretariat
sekretariat
sekretariat
sekretariat
organisation@arbeitgeber.de
soziale.sicherung@arbeitgeber.de
volkswirtschaft@arbeitgeber.de
arbeitsrecht@arbeitgeber.de
tarifpolitik@arbeitgeber.de
kaufmännische Assistenz Katrin Altmann*
referenten (m/w)
referenten (m/w)
referenten (m/w)
referenten (m/w)
Arbeitswissenschaft
organisation Kornelia Wendt
redaktion sAe Barbara Braun
tarifarchiv Astrid Bohn Michaela Grebasch
sekretariat
Institut für Sozial und Wirtschaftspolitische Ausbildung
Ulrich Hüttenbach** Martin Pulm
Janet Wiecker t -1100 f -1105
Adressverwaltung Hanka Köppen Manuel Schiller
Dr. Volker Hansen Saskia Osing
Ingrid Schramm Heike Bozan t -1600 f -1605
Stefan Haussmann Dr. Martin Kröger Dominik Naumann Anne Scholz Florian Swyter*
Ottheinrich Freiherr von Weitershausen Dr. Oliver Perschau* Cornelia Hentschel t -1950 f -1955
Monika Kerekes Dr. Hans-Jürgen Völz
Roland Wolf Thomas Prinz*
Manuela Hahn Beate Murtezani Simone Scharf t -1200 f -1205
Nora Braun Martin Eckstein Dr. Anita Schmitz-Witte Riccy Simon
Rainer Huke*
Marina Fahrentholtz Katrin Franz t -1300 f -1305
Andre Müller Natalia Stolz
Einkauf und Services
Sven Kochanowski einkauf.mail@arbeitgeber.de Bibliothek Anke Beyer-Stamm service Frank Halup Astrid Leu
Finanzen
Martin Pulm Gudrun Häntsch Sirpa Ohm Viola Rieche finanzen.mail@arbeitgeber.de
Informations und Kommunikationstechnik Martin Brüning Thomas Hyrbaczek Christian Seipp Hans-Jürgen Tunze iuk.mail@arbeitgeber.de
Personal
Astrid Zippel Katrin Rennicke personal.mail@arbeitgeber.de
Norbert Breutmann
Carola Wünsche t -1604 f -1605 soziale.sicherung@arbeitgeber.de
ottheinrich freiherr von weitershausen
sekretariat
Ellen Dumschat t -1954 f -1955 info@iswa-online.de
T +49 30 2033-0 F +49 30 2033-2105 bda@arbeitgeber.de www.arbeitgeber.de Stand: 31. Dezember 2011 ** Qualitätsmanagementkoordinator * Qualitätsmanagementbeauftragte
Mitglied der Hauptgeschäftsführung Peter Clever
Sekretariat Manuela Poniwaß T -1009 F -1015 hgf.mail@arbeitgeber.de
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Planung | Koordination | Grundsatzfragen
Arbeitsmarkt
Bildung | Berufliche Bildung
Europäische Union und Internationale Sozialpolitik
Abteilungsleitung
Abteilungsleitung
Abteilungsleitung
Abteilungsleitung
Abteilungsleitung
Sekretariat
Sekretariat
Sekretariat
Sekretariat
Sekretariat
presse@arbeitgeber.de
grundsatz@arbeitgeber.de
arbeitsmarkt@arbeitgeber.de
bildung@arbeitgeber.de
europa@arbeitgeber.de
Referenten (m/w)
Referenten (m/w)
Referenten (m/w)
Referenten (m/w)
Referenten (m/w)
Internet Andreas Timm
Büro des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers
Betriebliche Personalpolitik
Sekretariat
Sekretariat
Maria Scheibner T -1410 F -1405
Organisation Astrid Schwarz T +32 2 792 10 50 F +32 2 792 10 55
bph.mail@arbeitgeber.de
arbeitsmarkt@arbeitgeber.de
bruessel@arbeitgeber.de
Dr. Viktor Otto* Jörg Swane
Claudia Jungkowski Claudia Kurschat T -1800 F -1805
Arne Franke Franziska Caroline Lerch
Christina Ramb** Kristian Schalter
Kati Hildebrandt T -1070 F -1075
Denis Suarsana
Kristian Schalter Benjamin Koller
Sabrina Paul T -1020 F -1025
Dr. Jürgen Wuttke Alexander Wilhelm*
Andrea Unger Marion Blumauer T -1400 F -1405
Dr. Christian Dorenkamp Torsten Petrak Dr. Anna Robra Oliver Schmale
Dr. Alexander Böhne Jana Schimke
Dr. Barbara Dorn Dr. Donate Kluxen-Pyta Tanja Nackmayr Katja Rasch Allmuth Rudolf Sevim Ünal T -1500 F -1505
Henning Dettleff Petra Gießler Yvonne Kohlmann Susanne Müller* Dr. Irene Seling
Renate Hornung-Draus Antje Gerstein* Matthias Thorns Bianca Voyé* Marion Hirte Janine Spolaczyk Eva Strykowski T -1900 F -1905
Anton Bauch Julia Kaute Frauke Klein Dr. Wiebke Siegerist Stefan Sträßer
BDI/BDA The German Business Representation Antje Gerstein* Brigitte De Vita Andrés Rojas del Río
BDA | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Mitglied von BUSINESSEUROPE Hausadresse: Breite Straße 29 | 10178 Berlin Briefadresse: 11054 Berlin T +49 30 2033-1070 F +49 30 2033-1075 grundsatz@arbeitgeber.de www.arbeitgeber.de Redaktionsschluss: 19. Dezember 2011 Fotografie: Thomas Köhler, Thomas Imo | www.photothek.net Tobias Koch | www.fotostudio-koch.de Christian Kruppa | www.christiankruppa.de Martin Joppen | www.martinjoppen.de Andreas Timm | www.arbeitgeber.de
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