BDA Geschäftsbericht 2012

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Sehr geehrte Damen und Herren, das Jahr 2012 stand erneut ganz im Zeichen der europäischen Staatsschuldenkrise und der Stabilisierung der Eurozone. Die zentralen Herausforderungen lagen insbesondere in der konsequenten Haushaltskonsolidierung und der nachhaltigen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Bei diesen Aufgaben sind die Krisenstaaten zwar unterschiedlich schnell vorangekommen – aber die Richtung stimmt: Die nationalen Budgetdefizite gehen zurück, die Leistungsbilanzdefizite verringern sich und die Lohnstückkosten sinken. Die bisher eingeleiteten Konsolidierungsbemühungen und Restrukturierungsmaßnahmen zeigen in den Krisenländern also erste spürbare Erfolge. Deutschland schneidet im europäischen Vergleich auch 2012 verhältnismäßig gut ab. Die Entwicklung des Arbeitsmarkts war zwar weniger dynamisch als im Vorjahr, dennoch können wir weiterhin Rekordbeschäftigung verzeichnen. Nirgendwo in Europa ist die Jugendarbeitslosigkeit so gering wie bei uns, die Erwerbsbeteiligung Älterer ist deutlich gestiegen und viele Geringqualifizierte haben den Einstieg in Arbeit geschafft. Zwar hat sich die Konjunktur spürbar abgeschwächt, aber dennoch bleibt Deutschland beim Wachstum auf einem Spitzenplatz in Europa. Den meisten deutschen Unternehmen ging es in den vergangenen zwölf Monaten entsprechend gut, wovon die Arbeitnehmer durch teils kräftige Lohnerhöhungen profitiert haben. Dennoch gilt auch für Deutschland: Weitere Strukturreformen und eine konsequente Haushaltskonsolidierung sind unerlässlich. Trotz sprudelnder Staatseinnahmen ist es noch immer nicht gelungen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dass Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist, hat verschiedene Ursachen: Politisch richtige Weichenstellungen wie die arbeitsmarktpolitischen Reformen der Agenda 2010, wettbewerbsfähige Unternehmen und eine produktivitätsorientierte Tarifpolitik. Auf diesen Erfolgen darf sich unser Land jedoch nicht ausruhen.

Schon jetzt prägt der anstehende Bundestagswahlkampf die Politik. Deutschland kann sich in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten allerdings weder politischen Stillstand noch eine Abkehr vom übergeordneten Ziel der Haushaltskonsolidierung leisten. Deshalb wird es für uns in den nächsten Monaten auch darum gehen, Bundesregierung und Opposition daran zu erinnern, dass teure Wahlgeschenke in Zeiten leerer öffentlicher Kassen nicht finanzierbar sind. Neben diesen Themen hat sich die BDA in den zurückliegenden zwölf Monaten mit zahlreichen weiteren sozialpolitischen Themen befasst. Der vorliegende Geschäftsbericht gibt einen umfassenden Überblick über die inhaltlichen Schwerpunkte und Tätigkeitsbereiche der BDA im Jahr 2012.

Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer der BDA Dezember 2012 | Berlin



Inhalt Inhalt 6

Besch채ftigung

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Soziale Sicherung

50

Arbeitsrecht

72

Tarifpolitik

92

Bildung

112

Europa und Internationales

132

Volkswirtschaft

150

Die BDA




Signale auf dem Arbeitsmarkt ­erkennen – Fachkräfte sichern Die Arbeitsmarktlage in Deutschland ist trotz konjunktureller Eintrübung weiter robust. Allerdings hat die positive Entwicklung im zweiten Halbjahr 2012 mit der deutlich schwächeren Konjunktur spürbar an Schwung verloren. Viele Unternehmen sehen sich mit schrumpfenden Auftragseingängen konfrontiert. Die Bundesregierung rechnet für 2013 mit einer Eintrübung am Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarkt steht Ende 2012 vor zwei großen Herausforderungen: Zum einen gilt es, Vorsorge zu treffen, damit im Falle eines exogenen Schocks mit der Folge eines kräftigen Wirtschaftseinbruchs sofort gegengesteuert werden kann. Die BDA setzt sich deshalb vor allem dafür ein, jetzt die Grundlagen zu schaffen, damit die Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld, wie sie in der letzten Krise erfolgreich Anwendung fanden, ohne jeglichen Zeitverzug wieder aktiviert werden und Fachkräfte in den Unternehmen gehalten werden können. Zum anderen müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, um den durch den demografischen Wandel wachsenden strukturellen Fachkräfteengpässen entgegenzuwirken. Die Fachkräftesicherung hat auch im Jahr 2012 die politischen Diskussionen und die Arbeit der BDA insgesamt bestimmt. Die Bundesregie-

Migrationshintergrund, Älteren und Menschen mit Behinderung sind aber weitere Anstrengungen dringend notwendig. Die BDA hat mit ihrem Fachkräftekonzept konkrete Handlungsfelder aufgezeigt, die sie weiter in die politische Diskussion, auch im Rahmen der Demografiestrategie der Bundesregierung, einbringen wird.

Beim Kurzarbeitergeld frühzeitig die richtigen Weichen stellen Die BDA hat sich gegenüber der Bundesregierung mehrfach dafür ausgesprochen, so schnell wie möglich eine gesetzliche Verordnungsermächtigung zu schaffen, damit die Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld (sog. Kurzarbeitergeld plus), wie sie bis zum 31. Dezember 2011 bestanden haben, bei Bedarf umgehend wieder aktiviert werden können. Momentan gibt es zwar keine Notwendigkeit für eine unmittelbare Inkraftsetzung des Kurzarbeitergelds plus. Die Bundesregierung sollte aber für plötzlich auftretende Krisensituationen gewappnet sein. Denn angesichts der Risiken für die Beschäftigung kann überraschend schnell branchenübergreifender Bedarf für die Anwendung der alten Regelungen entstehen. Es ist entscheidend, dass im Falle eines gravierenden wirtschaftlichen Einbruchs bei Kurzarbeit die Sozial­ versicherungsbeiträge erstattet

„ Kurzarbeit hat in der größten Finanz- und Wirtschaftskrise Deutschlands nach

dem Zweiten Weltkrieg mehrere hunderttausend Arbeitsplätze insbesondere im Mittelstand gesichert. Diese positive Erfahrung gilt es, auch künftig zur Stabilisierung von Beschäftigung zu nutzen. Die Bundesregierung muss deshalb sofort handlungsfähig sein, wenn konjunkturelle Schwächephasen auf den Arbeitsmarkt durchschlagen.

Prof. Dr. Dieter Hundt | Präsident der BDA, Aufsichtsratsvorsitzender Allgaier Werke GmbH

rung hat – auch auf Drängen der BDA – wichtige Erleichterungen für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte auf den Weg gebracht. Nicht nur hier, sondern auch mit Blick auf die Potenziale vor allem von Frauen, Menschen mit

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werden. Wenn der Arbeitgeber den doppelten Sozialversicherungsbeitrag neben den weiteren, ohnehin hohen Remanenzkosten bei Kurzarbeit tragen muss, steht er im Falle einer Wirtschaftskrise schnell vor der Entscheidung, zur Vermeidung


dieser Belastungen Personal abzubauen. Das aber soll durch das Kurzarbeitergeld plus gerade verhindert werden. Die letzte Krise hat bewiesen, dass das schnelle Zusammenwirken von Politik, Sozial- und Betriebspartnern in der Beschäftigungspolitik entscheidend ist, um die Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt abzufedern und eine zügige Erholung der Wirtschaft zu begünstigen. Die BDA wird sich weiter dafür einsetzen, dass ein Gesetzgebungsverfahren für das Kurzarbeitergeld plus nicht erst beginnt, wenn der Bedarf für den Einsatz schon vorhanden ist. Schon vor einem Wirtschaftseinbruch sollte zudem der Bezug von Kurzarbeitergeld in der Zeitarbeitsbranche grundsätzlich ermöglicht werden. Hierzu bedarf es einer Gesetzesänderung,

wie sie bereits in den Jahren 2009 bis 2011 in Kraft war. Denn auch Arbeitsplätze von Zeitarbeitnehmern müssen durch Kurzarbeit stabilisiert werden können. Schließlich handelt es sich um normale Arbeitsverhältnisse in einer Branche, bei der konjunkturelle Auswirkungen besonders spürbar sind. Die BDA hat es begrüßt, dass die Bundesregierung die Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds auf zwölf Monate verlängert hat. Die derzeitige wirtschaftliche Situation in einigen Wirtschaftszweigen rechtfertigt eine Verlängerung der Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld von sechs auf zumindest zwölf Monate. Die Alternative zu einer verlängerten Bezugsfrist ist im häufigsten Fall die Entlassung der aktuellen Kurzarbeiter spätestens nach Ablauf des sechsten Monats mit Kurzarbeit.

Kurzarbeitergeld-plus-Regelungen zur Erleichterung des Einsatzes von Kurzarbeit

hälftige Erstattung der – vom Arbeitgeber allein zu tragenden – Sozialversicherungsbeiträge für die Ausfallzeit in den ersten sechs Monaten sowie vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nach sechsmonatiger Kurzarbeit bzw. bei Qualifizierung der Kurzarbeiter vom ersten Tag an

keine neue Anzeige der Kurzarbeit nach dreimonatiger Unterbrechung der Kurzarbeit

Verzicht auf das Erfordernis, dass mindestens ein Drittel des Betriebs von einem Entgeltausfall i. H. v. mehr als 10 % betroffen sein muss

Verzicht auf negative Arbeitssalden (Aufbau von Minusstunden auf Arbeitszeitkonten)

Kurzarbeit auch in der Zeitarbeitsbranche

Berechnung des Kurzarbeitergelds und des Arbeitslosengelds im Anschluss an eine Beschäftigungssicherungsvereinbarung auf Grundlage des ungekürzten Entgelts (Diese Berechnungsvorschrift wurde bereits für das Kurzarbeitergeld dauerhaft in das SGB III übernommen.)

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Mehr Teilhabe durch flexibleren Arbeitsmarkt

alle Kraft darauf konzentriert werden, die Voraussetzungen für Verstetigung und Aufstieg zu schaffen.

Trotz der bisher erfreulichen Beschäftigungsentwicklung wird in der Öffentlichkeit immer wieder der Versuch unternommen, Ängste vor einer angeblichen „Prekarisierung“ des Arbeitsmarkts und einem massenhaften gesellschaftlichen Abstieg zu schüren.

Beschäftigungsformen wie Befristungen oder Zeitarbeit sind unverzichtbar für mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt, aber sie sind keineswegs ein Massenphänomen. Der mit weitem Abstand größte Teil der Beschäftigten hat einen unbefristeten, sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplatz. Die Zahl dieser Arbeitsplätze ist seit 2006 um 1,5 Mio. gestiegen, während die flexiblen Beschäftigungsformen nur um rd. 450.000 zugelegt haben.

Die BDA weist immer wieder darauf hin, dass hier ein Zerrbild der Wirklichkeit gezeichnet wird. Richtig ist, dass in den letzten Jahren zahlreiche zum großen Teil seit längerer Zeit arbeitslose Menschen den Einstieg in Arbeit geschafft haben:

Von dem jahrelangen Aufschwung am Arbeitsmarkt haben viele hunderttausend Geringqualifizierte und längerfristig Arbeitslose profitiert. Demgegenüber war die gesamte Nachkriegsgeschichte der ­ Bundesrepublik Deutschland von permanent steigender Sockelarbeitslosigkeit geprägt, die nach jedem Konjunkturzyklus höher war als nach dem vorhergehenden. Immer mehr Menschen blieben so vom Arbeitsmarkt regelrecht ausgesperrt. Die Sockelarbeitslosigkeit betrug im Jahr 2004 4,4 Mio. Arbeitslose, der höchste Stand seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Anfang dieses Jahrtausends wurde mit der Agenda 2010 dieser Trend nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt: Die Arbeitslosigkeit ist seitdem spürbar auf nunmehr unter 3 Mio. zurückgegangen. Allein die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist seit 2005 um mehr als 1 Mio. gesunken. Der (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt hat den Betroffenen gesellschaftliche und soziale Teilhabe ermöglicht sowie die Chance, wieder unabhängig von staatlichen Transferleistungen zu werden.

Wenn die wichtige Reintegration teilweise jahrelang arbeitsloser Menschen in den Arbeitsmarkt gelingt, ist es normal, dass dies oft nicht mit hoch bezahlten, unbefristeten Arbeitsplätzen erfolgen kann. In einer gewissen Phase von Unsicherheit, die gerade für die Problemgruppen im Reintegrationsprozess unvermeidbar ist, sollte

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Insgesamt sind die Arbeitsplätze für die breite Masse der Arbeitnehmerschaft in den letzten Jahren sogar stabiler geworden: Wie sonst ließe sich erklären, dass die durchschnittliche Dauer der Betriebszugehörigkeit sich nach Angaben der OECD in den letzten zehn Jahren von 9,9 Jahren auf nunmehr elf Jahre erhöht hat? Nicht einmal jeder zehnte abhängig Beschäftigte in Deutschland hat einen befristeten Arbeitsvertrag – diese Größenordnung ist seit Jahren in etwa konstant. Deutlich erhöht hat sich hingegen die Übernahme­ quote aus befristeter Beschäftigung, die mittlerweile bei mehr als 50 % liegt. Nicht von ungefähr bewerten knapp 90 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren eigenen Arbeitgeber insgesamt positiv, und nicht von ungefähr steht Deutschland wirtschaftlich auch dank der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, die auf Auftragsspitzen und -flauten zu reagieren hilft, derzeit so gut da wie kaum ein anderes Land. Auch die Zeitarbeit stellt – anders als oft behauptet – keine Gefährdung für Stamm­ arbeitsplätze dar: In Deutschland sind gerade einmal 2 % der Erwerbstätigen in der Zeitarbeit beschäftigt. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen ist die Beschäftigung in der Zeitarbeit im Jahr 2012 sogar leicht gesunken. Kein Wirtschaftszweig hat mehr Teilhabemöglichkeiten für Langzeitarbeitslose geschaffen als gerade die Zeitarbeit. Sie erleichtert Arbeitslosen die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt: Zwei Drittel der neu eingestellten Zeitarbeitnehmer waren vorher arbeitslos, jeder Sechste hiervon sogar länger als ein Jahr.


Harter Kern der Arbeitslosigkeit schmilzt endlich Entwicklung der Sockelarbeitslosigkeit

in Mio.

2003: Beginn der Agenda 2010

5 Platzen der „New-Economy“-Blase (2000) 4

Einführung von Hartz IV (2005)

4,39

3,86 3,62 3,26 2,98

3

Wiedervereinigung (1990) 2

1,88

1

0,88 Beginn der 1. Ölkrise 0,15

0 1960

1970

1979

1990

1995

2001

2004

2008

2011

Zahl der Arbeitslosen Sockelarbeitslosigkeit Sockelarbeitslosigkeit: harter Kern der Arbeitslosigkeit, der auch in konjunkturell guten Zeiten bestehen bleibt; Zahl der Arbeitslosen: bis 1990 nur Westdeutschland Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2012; eigene Darstellung

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Jugendliche in Deutschland haben europaweit das geringste Arbeitslosigkeitsrisiko Saisonbereinigte Arbeitslosenquoten der 15- bis 24-Jährigen (Oktober 2012) *

EU-27 23,4 %

SE 23,2 %

DK 13,7 %

UK 20,6 %

9,8 %

8,1 %

NL

DE 8,5 % AT

GR 57,0 %

FR 25,5 %

ES 55,9 %

* UK, GR: Werte für August 2012 Quelle: Eurostat, 2012

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Die BDA wird sich auch weiterhin gegen alle Versuche einsetzen, flexible Beschäftigungsverhältnisse zu diffamieren und zurückzudrängen, damit gerade Geringverdienern und Langzeit­ arbeitslosen wichtige Chancen auf Teilhabe nicht genommen werden.

Kombilöhne kein Beleg für Lohndumping Ein weiteres Beispiel für die verzerrte Darstellung der Arbeitsmarktlage ist die Diskussion über die sog. Aufstocker, also Beschäftigte, die neben ihrem Einkommen ergänzendes Arbeitslosengeld II erhalten. Die 1,2 Mio. erwerbstätigen Aufstocker werden als „Beleg“ für angeblich massenhaftes Lohndumping angeführt. Tatsächlich üben jedoch mehr als die Hälfte der Aufstocker lediglich einen Minijob mit höchstens 400 € Einkommen aus, weitere 20 % sind teilzeitbeschäftigt.

In der Regel wird also nicht ein zu geringer Lohn mit Arbeitslosengeld II aufgestockt, sondern genau umgekehrt: Die fast ungeschmälerte Grundsicherungsleistung wird mit geringem Arbeitseinsatz durch ein „Taschengeld“ aus einem Minijob aufgebessert. Ursächlich dafür sind vor allem nach wie vor bestehende Fehlanreize bei der sog. Freibetragsregelung für eigenes Erwerbseinkommen von Arbeitslosengeld-II-Beziehern, die kleine und kleinste Hinzuverdienste besonders attraktiv machen. Die BDA hat sich daher wiederholt dafür eingesetzt, dass diese Fehlanreize abgebaut und die Freibetragsregelung entsprechend überarbeitet wird. Zudem begrüßt die BDA Ansätze der Bundesagentur für Arbeit (BA), minijobbende Aufstocker gezielt zu aktivieren und verstärkt in sozialversicherungspflichtige (Vollzeit-)­Tätigkeiten zu vermitteln. Wenn dagegen Vollzeitbeschäftigte „aufstocken“, dann regelmäßig wegen

Junge Menschen gezielt fördern – Bildungs- und Beschäftigungschancen für alle verbessern Die BDA und der Deutsche Caritasverband haben in einer gemeinsamen Erklärung verdeutlicht, dass jeder Jugendliche Talente und Stärken besitzt, die frühzeitig systematisch und individuell gefördert werden müssen. Die Schaffung von Lebensbedingungen, die allen Kindern und Jugendlichen unabhängig von Herkunft und Status ihrer Familien Teilhabe und Chancengerechtigkeit für ihre persönliche Entwicklung ermöglichen, ist eine große Herausforderung. Leitmotiv für alle staatlichen und gesellschaftlichen Akteure muss sein: Jedes Kind und jeder Jugendliche erhält die Chance, seine Potenziale zu entfalten, und die notwendige Förderung, um seine Chancen selbstbestimmt und eigenverantwortlich nutzen zu können. Ziel ihrer gemeinsamen Erklärung ist es, in den Bereichen Bildung und Arbeitsmarktpolitik die notwendigen Handlungsfelder zu identifizieren, um vor allem jungen Menschen mit Förderbedarf ein eigenverantwortliches, selbstbestimmtes und aktives Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Die notwendigen Maßnahmen reichen von der Verbesserung der frühkindlichen Bildung bis hin zur gezielten Förderung benachteiligter Jugendlicher und ihrer Familien im Fürsorgesystem. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Jugendarbeitslosigkeit

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Beschäftigung legt weiter zu Allein die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich 2012 im Vergleich zum Vorjahr um über 500.000 erhöht. Seit 2006 sind damit insgesamt mehr als 2 Mio. neue Arbeitsplätze entstanden. Die Zahl der Erwerbstätigen, zu der neben den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch Beamte, Selbstständige oder Minijobber zählen, hat mit rd. 41,5 Mio. im Jahr 2012 sogar ein neues Allzeithoch erreicht. Besonders deutlich gestiegen ist in der letzten Zeit die Erwerbstätigkeit unter den älteren Arbeitnehmern (55- bis 64-Jährige). Ihre Erwerbstätigenquote hat sich seit 2001 um mehr als die Hälfte erhöht. Insgesamt hat die Beschäftigung im Jahr 2012 in vielen Branchen kräftig zugelegt, z. B. im verarbeitenden Gewerbe, dem Gesundheits- und Sozialwesen oder im Bereich der wirtschaftlichen Dienstleistungen. Die Beschäftigtenzahl in der Zeitarbeit, welche im Anschluss an die Überwindung der Wirtschaftsund Finanzkrise noch rasch gestiegen war, ist hingegen zuletzt leicht zurückgegangen.

Die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer steigt seit Jahren deutlich an

in % 75

72,5

70 65

65,3

59,9

60 55 50 45 40

37,0

35 30 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Erwerbstätigenquote insgesamt Quelle: Eurostat, 2012

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2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen


familienbedingter Mehrbedarfe und nicht wegen geringer Löhne: Rund 80 % aller vollzeitbeschäftigten Arbeitslosengeld-II-Bezieher leben in Mehrpersonen-Bedarfsgemeinschaften. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Flexible Beschäftigungsformen

Fachkräftesicherung bleibt von höchster Priorität Die Sicherung der Fachkräftebasis hat auch im Jahr 2012 die politischen Diskussionen und die Arbeit der BDA maßgeblich bestimmt. Besonders im MINT-Bereich haben sich die seit einigen Jahren zu verzeichnenden Stellenbesetzungsprobleme weiter verschärft. Hier fehlten im Oktober 2012 etwa 120.000 Fachkräfte. Besonders groß ist weiterhin der Mangel an Ingenieuren, vor allem in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik und bei Elektroingenieuren. Hier gibt es in nahezu allen westlichen Bundesländern sowie in Thüringen einen Expertenmangel, wie auch Berechnungen der BA bestätigen. Anzeichen für Engpässe sind danach auch in Sachsen zu erkennen. Zugenommen haben aber nicht nur die Stellenbesetzungsprobleme im Bereich akademisch gebildeter Experten, sondern auch bei beruflich Qualifizierten insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie. Vor allem in Baden-Württemberg,

Bayern, Hamburg, Niedersachsen und Hessen sind Facharbeiter in der Metallerzeugung und -­ bearbeitung ebenso Mangelware wie Mechatroniker oder Spezialisten in Energie- und Elektroberufen. Besonders ausgeprägt ist nach wie vor auch der Mangel an Gesundheits- und Krankenpflegefachkräften und Altenpflegern. Auch auf Drängen der BDA hat die Politik im Jahr 2012 wichtige Maßnahmen zur Fachkräftesicherung, insbesondere von der Wirtschaft seit langem geforderte Erleichterungen für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte, auf den Weg gebracht. Am 5. Juni 2012 haben Bundesregierung und Sozialpartner beim zweiten „Zukunftsgipfel“ in Meseberg die bisher erreichten Ziele bilanziert und weitere nötige Handlungsansätze diskutiert. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt hat hier erneut deutlich gemacht, dass trotz richtiger Weichenstellungen weitere Schritte zur Fachkräftesicherung erforderlich sind. Die Wirtschaft hat ihr Engagement zur besseren Erschließung aller inländischen Potenziale verstärkt. Um die Potenziale vor allem von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Älteren und Menschen mit Behinderung noch besser zu erschließen, wird die BDA weiterhin gezielt die Themen und Handlungsfelder aus ihrem Fachkräftekonzept in politischen Diskussionen und Entscheidungsprozessen platzieren. Zudem bringt die BDA die von den Mitgliedsverbänden angeregten

BDA zeichnet Unternehmen für Altersvielfalt aus Gemeinsam mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der BA hat die BDA am 26. November 2012 in Berlin jeweils einen „Good Practice Award“ für kleine (bis 50 Mitarbeiter) sowie mittlere Unternehmen (bis 500 Mitarbeiter) vergeben, um deren umfangreiches Engagement im Bereich altersvielfältiger Belegschaften sowie demografiefester Personalpolitik stärker nach außen sichtbar zu machen. Zielsetzung aus Sicht der BDA war es, den Fokus von einer zu Unrecht behaupteten Diskriminierung Älterer durch die Unternehmen auf die vielen guten Beispiele aus der betrieblichen Praxis zu lenken. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Broschüren > Beschäftigung

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Schwerpunkte „Sicherung der Fachkräftebasis“ und „Bewältigung des demografischen Wandels“ auch in die Gespräche mit dem Bundesarbeits­ ministerium zur Neuausrichtung der EU-Strukturförderung ab 2014 ein. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Fachkräftesicherung“

Dialogprozess zur Demografiestrategie gestartet Am 4. Oktober 2012 wurde mit dem ersten Demografiegipfel der Startschuss für den Dialogprozess zur Demografiestrategie „Jedes Alter zählt“ der Bundesregierung gegeben. Ziel des Dialogprozesses ist es, in insgesamt neun Arbeitsgruppen und weiteren Unterarbeitsgruppen gemeinsam mit Ländern, Kommunen, Verbänden, Sozialpartnern und weiteren Akteuren die mit dem demografischen Wandel einhergehenden Herausforderungen zu diskutieren und Lösungsvorschläge zu einzelnen Themenschwerpunkten zu erarbeiten. Mit der Konstituierung der Arbeitsgruppen wurde auch das Arbeitsprogramm für die nächsten Monate verabschiedet, das auf Arbeitsebene bis zum nächsten Demografiegipfel im ersten Halbjahr 2013 abgearbeitet wird. Die gebildeten Arbeitsgruppen orientieren sich an den in der Demografiestrategie der Bundesregierung benannten Handlungsfeldern. Wesentlicher Kritikpunkt der BDA an der Demografiestrategie ist, dass entscheidende Fragen nicht explizit behandelt werden, u. a. wie die Sozialversicherungssysteme demografiefest gestaltet werden können. Die BDA wird sich dafür einsetzen, dass konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet und die richtigen Weichenstellungen zur Bewältigung der zunehmenden demografischen Herausforderungen vorgenommen werden. Dazu gehören z. B. eine Gesamtstrategie zur Sicherung der Fachkräftebasis, die noch ungenutzte Erwerbspotenziale stärker in den Blick nimmt, Verbesserungen im Bildungssystem sowie Strukturreformen in allen Zweigen der Sozialversicherung, die auf der Ausgabenseite ansetzen und die Finanzierung so auf langfristig tragfähige Fundamente setzen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Demografischer Wandel

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Zuwanderung ausländischer Fachkräfte erleichtert – ­Willkommenskultur schaffen Zum 1. August 2012 sind dringend notwendige Änderungen im Zuwanderungsrecht in Kraft getreten. Wichtige Erleichterungen sind insbesondere die Blaue Karte EU und die dort geregelten Gehaltsgrenzen. Die bisherige Gehaltsgrenze war – vor allem mit Blick auf Berufsanfänger und kleine Unternehmen – viel zu hoch angesetzt. Auch das neue Visum zur Arbeitsplatzsuche ist ein wichtiges Signal an Hochqualifizierte aus dem Ausland, dass sie in Deutschland gebraucht werden und willkommen sind. Dies gilt ebenfalls für die beschlossenen Verbesserungen für ausländische Fachkräfte, die erfolgreich in Deutschland studiert oder eine Ausbildung absolviert haben. Wichtig sind außerdem die Regelungen zur Beschleunigung des Zulassungsverfahrens. In Verbindung mit der bereits seit 2011 praktizierten Aussetzung der Vorrangprüfung in Mangelberufen ist Deutschland damit auf dem Weg hin zu einer offeneren und flexiblen Zuwanderung von Fachkräften. Mittelfristig ist jedoch darüber hinaus eine Potenzialzuwanderung über ein Punktesystem notwendig, das die Zuwanderung durch Kriterien steuert, die sich am Arbeitsmarkt orientieren. Zudem müssen weitere Lücken im Zuwanderungsrecht geschlossen werden. Die BDA begrüßt, dass das Bundesarbeitsministerium vorschlägt, die Zuwanderung von Fachkräften in Mangelberufen unterhalb des akademischen Niveaus ohne Vorrangprüfung zu ermöglichen. Die BDA hat jedoch darauf verwiesen, dass durch die Einführung einer „Blanket-Petition“ der internationale Personalaustausch erheblich vereinfacht und beschleunigt werden sollte. Damit die Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen auch ihre Wirkung entfalten können, ist in Deutschland vor allem eine gelebte Willkommenskultur entscheidend. Hierzu müssen alle ihren Beitrag leisten. Vor allem muss es jetzt klare Signale aus der Politik an die im Rahmen der Zuwanderung einzubeziehenden Behörden und deren Spitzen geben, die zu einem dringend notwendigen Mentalitätswechsel weg von der Abschottungs- hin zur Willkommenskultur führen. Zu


Demografiestrategie: BDA ist intensiv eingebunden Die BDA ist in fünf von insgesamt neun Arbeitsgruppen und deren Unterarbeitsgruppen aktiv (grün hervorgehobene Quadrate):

A Familie als Gemeinschaft stärken Unterarbeitsgruppen: 1. Zeitsouveränität erhöhen – zeitpolitische Initiativen in der Arbeitswelt 2. Zeitkonflikte entschärfen – zeitpolitische Initiativen auf kommunaler Ebene 3. Zeitgestaltung erleichtern – familienunterstützende und haushaltsnahe Dienstleistungen

B Motiviert, qualifiziert und gesund arbeiten Unterarbeitsgruppen: 1. Gesundheit und Arbeitsgestaltung 2. Weiterbildung

A

C.2 Allianz für Menschen mit Demenz D Entwicklung eines Nationalen Koordinierungsrahmens zur Sicherung der Daseinsvorsorge und Stärkung der regionalen Wirtschaft

C.2

E.2

B

D

E.3

C.1

E.1

F

C.1 Selbstbestimmtes Leben im Alter

E.1 Mobilisierung ­aller Potenziale zur ­Sicherung der ­Fachkräftebasis F Der öffentliche Dienst als attraktiver und moderner Arbeitgeber

E.2 Ausländisches Arbeitskräftepotenzial erschließen und Willkommenskultur schaffen Unterarbeitsgruppen: 1. Werben um Fachkräfte im Ausland 2. Willkommenskultur in Unternehmen 3. Weitere Maßnahmen zur Integration ausländischer Fachkräfte

E.3 Bildungsbiografien fördern Quelle: BDA, 2012

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begrüßen ist vor diesem Hintergrund, dass die Bundesregierung unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums im Dialogprozess zur Demografiestrategie das Thema „Willkommenskultur“ mit allen relevanten Akteuren umfassend diskutieren und bearbeiten will. Die BDA ist hier u. a. im Vorsitz einer Unterarbeitsgruppe aktiv, die Empfehlungen dazu erarbeiten soll, wie insbesondere mittelständische Unternehmen dabei unterstützt werden können, fehlende Fachkräfte auch aus dem Ausland zu gewinnen und zu beschäftigen. Weitere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Zuwanderung

Potenziale von Frauen am ­Arbeitsmarkt besser nutzen Die Erwerbstätigkeit von Frauen in Deutschland hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Seit Jahren steigt die ­Frauenerwerbstätigenquote kontinuierlich an und lag 2011 bei 67,7 % und

damit deutlich über dem Durchschnitt der EU27-Staaten von 58,5 % (Eurostat, 2012). Noch immer liegen hier aber ungenutzte Arbeitsmarkt­ potenziale brach. Dies gilt vor allem für diejenigen, die Beruf und Familie vereinbaren wollen und müssen. Nach wie vor arbeitet fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen in Teilzeit. Frauen stellen damit mehr als 80 % der Teilzeitbeschäftigten in Deutschland. Deutschland befindet sich beim durchschnittlichen Arbeitszeitvolumen von Teilzeit mit 18,3 Wochenstunden im europäischen Vergleich am unteren Ende (OECD, 2010). Die Gründe dafür sind vielfältig, leiten sich oft aber daraus ab, dass viele Eltern Familie und Beruf durch die unzureichende Kinderbetreuungsinfrastruktur nur schwer miteinander vereinbaren können. Um mehr Frauen Vollzeit- oder vollzeitnahe Tätigkeiten zu ermöglichen, muss vor allem der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur höchste Priorität erhalten. Im internationalen Vergleich hat Deutschland hier noch großen Nachholbedarf. Nicht umsonst ist gerade

Initiativen zur Fachkräftesicherung in der Pflegebranche Wirtschaft, Gewerkschaften, Politik und öffentliche Verwaltung haben sich im Rahmen einer Ausbildungsund Qualifizierungsoffensive in der Altenpflege am 13. Dezember 2012 auf gemeinsame Maßnahmen zur Sicherung der Fachkräftebasis geeinigt. Die BDA hat sich in diesem Zusammenhang seit langem dafür eingesetzt, dass seitens der zuständigen Bundesländer Möglichkeiten zur Verkürzung der Umschulungsdauer bei bereits beruflich qualifizierten Bewerbern konsequent genutzt werden. Immerhin konnte erreicht werden, dass die Bundesländer hier zukünftig die Umschulungszeiten im Altenpflegebereich bei von der BA geförderten Weiterbildungen auf zwei Jahre verkürzen „sollen“ (bisher Kann-Vorschrift). Gleichzeitig wurde vereinbart, dass die BA bei Nichtverkürzung – zunächst auf drei Jahre befristet – wieder das dritte Ausbildungsjahr finanzieren soll. Zur Ergänzung der Offensive sollte zudem die gezielte Anwerbung von Pflegefachkräften aus dem Ausland zumindest in weiteren Pilotprojekten erprobt werden. Die BDA hat sich gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband Pflege dafür eingesetzt, dass ein Modellprojekt mit 150 chinesischen Pflegekräften auf den Weg gebracht wird.

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„ Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen wir dafür sorgen, dass

mehr Frauen berufstätig sind. Maßnahmen wie das Betreuungsgeld bewirken das Gegenteil. Um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, benötigen Familien keine neue Sozialleistung, sondern Unterstützung durch bedarfsgerechte Kinder­ betreuungs- und Ganztagsschulangebote.

Ingrid Hofmann | Vorsitzende BDA-Ausschuss Betriebliche Personalpolitik, Vizepräsidentin Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister, Geschäftsführende Gesellschafterin I.K. Hofmann GmbH

in skandinavischen Ländern wie Dänemark oder Schweden, in denen die Betreuungsinfrastruktur traditionell gut ausgebaut ist, die Erwerbstätigkeit von Frauen größer als in Deutschland. Allerdings wirkt sich auch die Ausgestaltung der familienpolitischen Instrumente in Deutschland auf die Erwerbsintegration gerade von Frauen aus. Vielfach werden Anreize zum Rückzug aus der Erwerbstätigkeit nach der Familiengründung gesetzt. Dauerhafte Erwerbsunterbrechungen

führen zu Qualifikationsverlusten, erhöhen das Risiko von Altersarmut und verhindern vielfach Selbstentfaltung, Eigenverantwortung und die Teilhabe am beruflichen und damit gesellschaftlichen Leben. Das Steuer- und Sozialversicherungsrecht begünstigt z. T. noch immer die sog. Alleinverdienerehe. Insgesamt sollten alle steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen auf den Prüfstand gestellt werden, die dazu beitragen,

Willkommenskultur – Leitfaden für Unternehmen veröffentlicht Die BDA hat einen Leitfaden für Unternehmen zur „Willkommenskultur“ veröffentlicht. Damit will sie dazu beitragen, die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland weiter zu steigern und hochqualifizierte Menschen aus aller Welt anzuziehen. Der Leitfaden zeigt, dass viele Unternehmen bereits aktiv sind, um ihren Beitrag dazu zu leisten, dass sich ausländische Fachkräfte in Deutschland willkommen fühlen. Anhand konkreter Beispiele aus der Praxis werden in dem Leitfaden unternehmerische Handlungsmöglichkeiten für einen Beitrag zur Etablierung einer Willkommenskultur in Deutschland aufgezeigt, um noch mehr Unternehmen für dieses wichtige gemeinsame Anliegen zu sensibilisieren und Wege zur gezielten Erschließung der Potenziale ausländischer Fachkräfte aufzuzeigen. Notwendig und unabdingbar ist über das Engagement der Unternehmen hinaus aber eine in der Gesellschaft verankerte Willkommenskultur. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Publikationen > Broschüren > Beschäftigung

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dass sich die Berufstätigkeit für einen Partner, meist die Ehefrau, weniger oder gar nicht mehr lohnt. Kontraproduktiv sind neben dem derzeit bestehenden Ehegattensplitting die beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenund Pflegeversicherung und die Hinterbliebenen­ versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung. All diese Regelungen setzen falsche Anreize zur Berufstätigkeit beider Ehepartner. Um Frauen dauerhaft bessere Chancen im Rahmen ihrer Erwerbsbiografie einzuräumen, müssen diese Fehlanreize abgebaut und neue Fehlanreize – wie durch das milliardenteure Betreuungsgeld – vermieden werden. Die BDA setzt sich dafür ein, dass alle rd. 150 familienpolitischen Leistungen anhand klar definierter Ziele konsistent aufeinander abgestimmt werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Gesellschaftspolitik > Familienpolitik/ Chancengleichheit

Betreuungsgeld ist arbeitsmarktund bildungspolitischer Fehler Trotz der Warnungen und einer geschlossenen Ablehnung aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft, Teilen der Regierungs- und aller Oppositionsfraktionen hat der Bundestag am 9. November 2011 die Einführung des bildungs-, arbeitsmarkt- und haushaltspolitisch falschen Betreuungsgelds beschlossen. Die Einführung des Betreuungsgelds ist gleich in mehrfacher Weise ein Fehler. So setzt das Betreuungsgeld Anreize, öffentlich geförderte, professionelle Kinderbetreuungsangebote nicht zu nutzen. Es schadet damit den Bildungs- und Entwicklungschancen gerade derjenigen Kinder, die von einer Kinderbetreuung besonders profitieren würden: Kinder von Eltern mit geringem Bildungsstand bzw. mit Migrationshintergrund.

Herausforderung familienbewusste Arbeitszeitorganisation Die BDA verfolgt das Ziel, mehr Frauen eine Vollzeit- oder vollzeitnahe Beschäftigung zu ermöglichen und so die Potenziale von Frauen am Arbeitsmarkt stärker nutzbar zu machen. Sie wirbt für flexible, familienbewusste Arbeitszeiten und deren beständigen Ausbau. Innovative Arbeitszeitmodelle in Form von Gleitzeit oder Telearbeit spielen dabei eine große Rolle. Dazu hat die BDA im Jahr 2012 gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium die Veranstaltung „Familienbewusste Arbeitszeitorganisation der Zukunft“ im Haus der Deutschen Wirtschaft durchgeführt. Vertreter von Arbeitgeberverbänden, Forschungsinstituten und Bundesregierung diskutierten über aktuelle und künftige Herausforderungen einer familienbewussten Arbeitszeitorganisation. Deutlich wurde, dass die Instrumente für eine familienbewusste Arbeitszeitgestaltung schon heute umfangreich in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen verankert sind. Dies zeigt, dass die Sozial- und Tarifpartner sich in hohem Maße für bessere Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen.

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Beschäftigung


Das Betreuungsgeld wirkt zudem der Erwerbstätigkeit von Eltern, meist der Frauen, entgegen und kann damit ihren beruflichen Entwicklungschancen schaden. In der Konsequenz drohen Qualifikationsverluste, Karriereeinbrüche oder sogar Altersarmut, wenn die Frauen nicht mehr in den Beruf zurückkehren (können). Auch die Möglichkeit, das Betreuungsgeld in die private Altersvorsorge zu investieren, ändert daran nichts. Es ist absurd, das Betreuungsgeld mit Anreizen zur privaten Altersvorsorge zu verknüpfen, obwohl es Erziehende von der Erwerbstätigkeit abhält und damit von der nachhaltigsten und effektivsten Form, für das Alter vorzusorgen. Arbeitsmarktpolitisch verschärft das Betreuungsgeld den zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangel. Es fördert zudem die soziale Ungleichheit. Studien bestätigen, dass sich vor allem Eltern mit geringem Einkommen durch das Betreuungsgeld von einer Erwerbstätigkeit abhalten lassen würden. Schließlich widerspricht die Einführung einer neuen, milliardenteuren Sozialleistung der dringenden Notwendigkeit und dem Versprechen der Bundesregierung, den Bundeshaushalt zu konsolidieren und neue Schulden zu vermeiden. Zugesagt war auch, neue soziale Leistungen nur bei einer nachhaltigen Gegenfinanzierung einzuführen. Diese ist bis heute nicht sichergestellt. Statt solcher bildungs-, arbeitsmarkt- und haushaltspolitisch fragwürdiger Maßnahmen müsste alles darangesetzt werden, dass Frauen möglichst bald und vollzeitnah wieder in den Beruf einsteigen können und Kindern frühzeitig beste Bildungschancen geboten werden. Wichtigste Voraussetzung dafür ist der flächendeckende Ausbau der Kinderbetreuung und der schulischen Ganztagsangebote durch Länder und Kommunen. Die BDA wird weiterhin auf die arbeitsmarkt- und bildungspolitisch negativen Effekte des Betreuungsgelds hinweisen. Sie wird sich deshalb dafür einsetzen, dass die Wirkungen des Betreuungsgelds möglichst zeitnah evaluiert und daraufhin entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Gesellschaftspolitik > Familienpolitik/ Chancengleichheit

Teilhabe von Menschen mit ­Behinderung fördern Die BDA setzt sich aktiv für die Inklusion von Menschen mit Behinderung ein. Die bessere Erschließung des Arbeitskräftepotenzials von Menschen mit Behinderung, die Förderung und der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und die Bewahrung des bestehenden Wissens sowie der Erfahrung der einzelnen Mitarbeiter durch Wiedereingliederung nach Unfällen oder längerer Krankheit sind vor dem Hintergrund der bestehenden Fachkräfte­engpässe im ureigenen Interesse der Unternehmen. Das Bundesarbeitsministerium plant voraussichtlich für das nächste Jahr eine neue ­Initiative für Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Diese zielt darauf, Menschen mit Behinderung mehr Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erschließen. Die BDA und alle anderen maßgeblichen Akteure sollen darlegen, welchen Beitrag sie in diesem Zusammenhang leisten (können). Dabei sollen die Handlungsfelder Prävention, Ausbildung und Beschäftigung in den Blick genommen werden. Die BDA wird sich hier sehr konstruktiv einbringen, sich jedoch gegen gesetzliche Regulierungen und starre Vorgaben aussprechen. Sie wird auf das vielfältige Engagement der Wirtschaft verstärkt aufmerksam machen und mit eigenen Aktionen, z. B. einer neuen Publikation mit Praxis­beispielen zur Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, verdeutlichen, dass von einer erfolgreichen Inklusion von Menschen mit Behinderung im Betrieb alle Beteiligten profitieren. Entscheidend für eine erfolgreiche Teilhabe von Menschen mit Behinderung am allgemeinen Arbeitsmarkt ist zudem eine nach den Grundsätzen von Wirkung und Wirtschaftlichkeit ausgerichtete Rehabilitation. Schon jetzt geben die Reha-Träger rd. 29 Mrd. € im Bereich Rehabilitation aus. Das gegliederte System der Rehabilitation mit insgesamt sieben Reha-Trägern und weiteren am Rehabilitationsprozess Beteiligten führt zu einer Vielzahl von Schnittstellen, die einer trägerübergreifenden Koordination und Kooperation bedürfen. Zur Überwindung der im System angelegten Probleme

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Beschäftigung

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Ausgaben für Rehabilitation steigen deutlich Angaben in Mio. € 2008

2009

Veränd. in %

2010

Veränd. in %

Krankenversicherung (GKV)

2.557

2.589

1,3

2.655

2,5

Rentenversicherung (GRV)

5.116

5.434

6,2

5.559

2,3

17,6

16,8

–4,5

17,1

1,8

3.275

3.453

5,4

3.676

6,5

301

308

2,3

311

1,0

2.297

2.392

4,1

2.414

0,9

337

334

–0,9

370

10,8

Sozialhilfe (GSH) – Eingliederungshilfe

12.455

13.287

6,7

13.842

4,2

Ausgaben insgesamt

26.356

27.814

5,5

28.844

3,7

Altersversicherung der Landwirte Unfallversicherung (GUV) Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften Bundesagentur für Arbeit Integrationsämter

Abweichungen im Summenverhältnis ergeben sich durch das Runden der Zahlen. Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) e. V., 2012

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Beschäftigung


haben die Reha-Träger vor mehr als 40 Jahren auf Initiative der Sozialpartner die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) gegründet. Unter dem alternierenden Vorstandsvorsitz der Sozialpartner sollen die Reha-Träger die BAR als Plattform und Dienstleister zur Verbesserung der Koordination und Kooperation nutzen und Schnittstellen abbauen. Die BDA ist hier im Vorstand und in Arbeitskreisen aktiv und wird sich insbesondere für eine deutlich verstärkte Ausrichtung nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit einsetzen. Um die aufgewendeten Finanzmittel mit höchstmöglichem Nutzen einzusetzen, ist es entscheidend, dass im gegliederten System mehrerer verantwortlicher Kostenträger trägerübergreifend Ansätze zur Effizienzsteigerung, zum Vergleich von Wirkungserfolgen, zur Identifikation erfolgversprechender Wege in der beruflichen Rehabilitation und zur Optimierung der Schnittstellen an den Übergängen einzelner Kostenträger entwickelt werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Berufliche Rehabilitation

Weiter enge Einbindung der Sozial­partner in die Umsetzung der EU-Strukturförderung ­gewährleisten In der laufenden EU-Strukturförderperiode (2007 bis 2013) konnten im Rahmen der aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanzierten Sozialpartnerprogramme „weiter bilden“ und „gleichstellen“ viele erfolgversprechende betriebliche Handlungsansätze zur Unterstützung des lebenslangen Lernens und zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im Erwerbsleben identifiziert und umgesetzt werden. Beide Programme wurden unter enger Beteiligung von BDA und DGB geplant und durchgeführt. Das für die Umsetzung des ESF auf Bundesebene verantwortliche Bundesarbeitsministerium strebt an, auch in der neuen EU-Strukturförderperiode (2014 bis 2020) aus dem ESF geförderte Sozialpartnerprogramme zu ermöglichen. Das Bundesarbeitsministerium hat 2012 mit BDA, ZDH und DGB Gespräche aufgenommen, um bis Anfang 2013 mögliche Förderansätze für solche Programme zu identifizieren. Die BDA setzt sich

dafür ein, erfolgreiche Ansätze aus den bisherigen Sozialpartnerprogrammen weiterzuentwickeln und die Förderung stärker auf die Sicherung der Fachkräftebasis und die Bewältigung des demografischen Wandels auch in den Betrieben auszurichten. Die BDA hat mit ZDH und DGB Vorschläge erarbeitet, wie diese Ziele im Rahmen künftiger Sozialpartnerprogramme umgesetzt werden können, und gegenüber dem Bundesarbeitsministerium eingebracht. Danach sollen insbesondere Ansätze zur Stärkung der betrieblichen Weiterbildung und Gesundheitsförderung sowie zur besseren Erschließung des Fachkräftepotenzials von Frauen unterstützt werden. Um eine möglichst konsistente Förderpolitik auf Bundes- und Landesebene zu erreichen, unterstützt die BDA zudem die Landesvereinigungen der Arbeitgeberverbände beim Informationsaustausch zur Umsetzung der EU-Strukturförderung auf Bundes- und Landesebene.

Eingriffe des Bundes bedrohen Handlungsfähigkeit der BA in einer Krise Auch im Jahr 2012 bediente sich die Bundesregierung zum Zweck der Haushaltskonsolidierung der Beitragsmittel zur Arbeitslosenversicherung in Milliardenhöhe. Bereits im Vermittlungsverfahren zur Neubemessung der Regelsätze im SGB  II und SGB XII war beschlossen worden, der BA die ihr bis dato allein für eine zusätzliche Beitragssenkung zufließenden Mittel aus einem kompletten „Mehrwertsteuerpunkt“ ab 2012 hälftig um bis zu 4 Mrd. € jährlich zu kürzen. Der Bund hatte damals versprochen, einen Beitrag zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen zu leisten. Zur „Gegenfinanzierung“ hatte er der Arbeitslosenversicherung die Mehrwertsteuermittel in gleicher Höhe entzogen. Im Frühjahr 2012 wurde mit dem Eckwertebeschluss zum Bundeshaushalt schließlich der komplette Entzug der Mehrwertsteuermittel ab dem Jahr 2013 festgelegt. Gemäß der ursprünglichen Entscheidung des Gesetzgebers werden die Mittel aus dem Mehrwertsteuerpunkt allein dazu genutzt, den Beitragssatz zur

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Arbeitslosenversicherung um einen zusätzlichen Prozentpunkt zu reduzieren, um damit die gesetzlichen Lohnzusatzkosten zu senken. Ihr nunmehr kompletter Entzug wird die Finanzstruktur der BA nachhaltig beschädigen. Die von der Bundesregierung ebenfalls beschlossene Streichung des nach Auffassung der BDA verfassungswidrigen Eingliederungsbeitrags ab 2013 ist richtig. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den vergangenen Jahren massiv Mittel der Beitragszahler in den Bundeshaushalt umgelenkt wurden: Allein über den Eingliederungsbeitrag und seinen Vorgänger, den Aussteuerungsbetrag, hat die BA in den Jahren 2005 bis 2012 insgesamt rd. 33,3 Mrd. € Beitragsmittel an den Bundeshaushalt abführen müssen, um in dieser Höhe das – grundsätzlich steuerfinanzierte – staatliche Grundsicherungssystem mitzufinanzieren. Weitere Eingriffe in den BA-Haushalt waren die Vereinnahmung der Überschüsse aus der rein arbeitgeberseitig finanzierten Insolvenz­geldumlage i. H. v. fast 1,2 Mrd. € im Jahr 2010 oder die Übertragung der Finanzierungsverantwortung der eindeutig gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der rentenrechtlichen Absicherung behinderter Menschen in Werkstätten auf die BA, die sich 2012 erstmals auswirkt. Das Bundes­arbeitsministerium hatte zunächst versucht, auf Basis der geltenden gesetzlichen Regelungen seine jahrzehntelange Praxis zu ändern und der BA ohne Rechtsänderung die Finanzierung der Rentenbeiträge für Menschen mit ­ Behinderung in Werkstätten zu übertragen. Gegen die entsprechende rechtsaufsichtliche Weisung hatte die BA auf Veranlassung des Verwaltungsrats erfolgreich geklagt. Das Vorhaben, die daraufhin geänderte gesetzliche Grundlage rückwirkend zum Jahr 2008 in Kraft zu setzen, konnte dank massiver Intervention auf dem parlamentarischen Wege verhindert werden. Dies hatte der BA im Haushalt 2011 noch eine einmalige Rückerstattung bereits gezahlter Beiträge für die Altersvorsorge von behinderten Menschen in Werkstätten i. H. v. 469 Mio. € beschert. Leider hat der Gesetzgeber die sachwidrige Verschiebung der rentenrechtlichen Absicherung für behinderte Menschen in Werkstätten für die Zukunft durch die Rechtsänderung erzwungen. Allein dies belastet den BAHaushalt 2012 mit voraussichtlich 143 Mio. €.

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Beschäftigung

Am 12. Dezember 2012 hat das bayerische Landessozialgericht die vom Verwaltungsrat initiierte Klage der BA gegen die missbräuchliche Vereinnahmung der Überschüsse aus der zweckgebundenen Insolvenzgeldumlage des Jahres 2010 in den Bundeshaushalt aus Formgründen abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Auf Druck des Bundesfinanzministers waren die Überschüsse i. H. v. 1,1 Mrd. € aus der allein arbeitgeberfinanzierten Insolvenzgeldumlage mit dem krisenverursachten Defizit im allgemeinen Haushalt der BA für 2010 verrechnet worden. Der für dieses Jahr zugesagte Bundeszuschuss konnte so um diesen Betrag gekürzt werden. Die BA prüft nach Vorlage der Urteilsbegründung, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg verspricht. Der vom Gericht angeführte Formfehler hat alle Prozessbeteiligten überrascht und scheint der BDA konstruiert. Das Gericht hat sich auf § 71a Abs. 4 SGB IV berufen, den es aus Sicht der BDA dahingehend fehlinterpretiert, dass die BA der Bundesregierung einen gegenüber dem ursprünglichen eigenen und nicht gegenüber dem von der Bundesregierung gewünschten Entwurf geänderten Haushaltsplan zur Genehmigung hätte vorlegen müssen, nachdem diese den Genehmigungsbescheid mit der Auflage der Verrechnung mit dem Bundeszuschuss erlassen hatte. Die BA war und ist infolge derartiger Eingriffe nicht in der Lage, trotz der guten Beschäftigungsentwicklung und eines wirtschaftlichen Mitteleinsatzes die für künftige wirtschaftliche Schwächephasen dringend notwendige angemessene Rücklage aufzubauen, um massiv den Arbeitsmarkt stabilisieren zu können. Dabei hat die BA mit ihrer vor der Finanzkrise aufgebauten Rücklage von rd. 17 Mrd. € einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland den stärksten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg besser überstanden hat als fast alle anderen Länder in Europa. Wenn die Bundesregierung gleichwohl bei ihren Beschlüssen bleibt und den Rücklagenaufbau dadurch faktisch unmöglich macht, setzt sie sich politisch und moralisch in die Pflicht, künftig bei Konjunkturschwächen mit Bundesmitteln in die Defizithaftung einzutreten. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Arbeitslosenversicherung


Eingliederungsbeitrag erneut vor dem Bundesverfassungsgericht Nach Überzeugung der BDA verstoßen der Eingliederungsbeitrag und dessen Vorgängerregelung, der Aussteuerungsbetrag, eindeutig gegen das verfassungsrechtliche Verbot, Beitragsmittel für aus Steuern zu finanzierende Aufgaben zu verwenden. Ziel der BDA war es, dazu eine verfassungsrechtliche Klärung herbeizuführen. Dafür ist jetzt der Weg frei, auch wenn das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 29. Februar 2012 die Auffassung vertreten hat, der Gesetzgeber habe die äußersten Grenzen des zulässigen Einsatzes von Beitragsmitteln eingehalten. Damit setzt sich das Bundessozialgericht in Widerspruch zur herrschenden Meinung in der Fachliteratur und zu einem von BDA und DGB in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten. Die Befassung der Sozialgerichte mit dem Eingliederungsbeitrag und dem Aussteuerungsbetrag war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2010 die von der BDA unterstützten direkten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, sondern die Beschwerdeführer zwei Jahre nach Einlegung der Verfassungsbeschwerde auf den Fachgerichtsweg verwiesen hatte. Nach den Urteilen des Bundessozialgerichts wurden mit Unterstützung der BDA Mitte August Verfassungsbeschwerden erhoben, damit das Bundesverfassungsgericht die 2010 zunächst noch offengelassene Frage der Verfassungswidrigkeit der Zweckentfremdung von Beitragsmitteln i. H. v. jährlich 4 bis 5 Mrd. € beantwortet.

Vorfinanziertes Insolvenzgeld in Steuerfinanzierung überführen Ab 1. Januar 2013 beträgt der Umlagesatz für das allein arbeitgeberfinanzierte Insolvenzgeld dauerhaft 0,15 %. Für den Fall, dass durch den verstetigten Umlagesatz eine Rücklage oder ein Fehlbestand größer als die durchschnittlichen jährlichen Insolvenzgeldaufwendungen entsteht, soll der Umlagesatz per Verordnung des Bundesarbeitsministeriums abgesenkt oder erhöht werden. Diese Neuregelung der Insolvenzgeldumlage wurde

vom Bundestag am 25. Oktober 2012 beschlossen, ohne dass zuvor eine Sachverständigenanhörung oder anderweitige Verbandsbeteiligung stattgefunden hatte. Die BDA hat initiativ gegenüber dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales eine Stellungnahme abgegeben. Hierin hat sie einmal mehr unterstrichen, dass es notwendig ist, das vorfinanzierte Insolvenzgeld aus der Umlage- in die Steuerfinanzierung zu überführen. Denn das vorfinanzierte Insolvenzgeld ist eine faktische Liquiditätshilfe zugunsten eines zahlungsunfähigen Unternehmens, mit der der Betrieb weitergeführt und somit die Insolvenzmasse angereichert werden soll. Soweit das Ziel verfolgt wird, mit dem vorfinanzierten Insolvenzgeld ein geordnetes Insolvenzverfahren zum Zwecke der möglichst weitgehenden Erhaltung von Betrieben bzw. des Gläubigerschutzes anzustreben, ist dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss als solche richtigerweise aus Steuern finanziert werden. Diese Forderung nach einer sachgerechten Finanzierung des vorfinanzierten Insolvenzgelds wurde bei der Neuregelung der Insolvenzgeldumlage jedoch nicht aufgegriffen. Die Verstetigung des Umlagesatzes ist richtig, um die erheblichen Schwankungen bei der Höhe des Umlagesatzes abzumildern, die bisher aus der prozyklischen Festsetzung des Umlagesatzes entstanden sind. Besonders deutlich wurde das in der letzten Wirtschaftskrise, als sich die Insolvenz­ geldumlage im Jahr 2010 auf 0,41 % vervierfacht hat und Unternehmen, die unter zunehmenden Liquiditätsengpässen litten, noch krisenverschärfend zusätzlich belastet wurden. Aus betrieblicher Sicht hat der verstetigte Insolvenzgeldumlagesatz zudem den Vorteil der besseren Kalkulierbarkeit für die Arbeitgeber.

Initiative Neue Qualität der Arbeit erfolgreich neu aufgestellt Im April 2012 hat das Bundesarbeitsministerium die seit 2002 bestehende Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) inhaltlich und organisatorisch neu aufgestellt. Grund hierfür war, dass die BDA die Initiative zuvor unter Protest gegen die bisherigen Strukturen verlassen hatte. Die BDA hat beim

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Beschäftigung

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Neustart von INQA erfolgreich darauf hingewirkt, dass die Vertreter der Wirtschaft künftig wirksame und nachhaltige Instrumente in der Hand haben, um die Arbeit der Initiative im Sinne der Arbeitgeber zu gestalten. Dementsprechend ist die BDA in die Initiative zurückgekehrt. Sie wirkt im Steuerkreis der Initiative mit, der als zentrales Lenkungsgremium fungiert und grundlegende Entscheidungen für die zukünftige Arbeit der Initiative trifft. Bezogen auf die inhaltlichen Schwerpunkte ist die INQA nun breiter aufgestellt und nimmt ergänzend zur bisherigen Ausrichtung auf gesundheitserhaltende und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen (Arbeitsfähigkeit und Gesundheit) die Themen „Personalführung“ (u. a. Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung), „Chancengleichheit und Diversity“ sowie „Wissen und Kompetenz“ (u. a. Personalentwicklung, lebenslanges Lernen, Wissenstransfer) in den Blick.

Ein Meilenstein von INQA war im Jahr 2012 die Implementierung des Förderprogramms „Unternehmen der Zukunft – Mitarbeiterorientierte Personalpolitik als Schlüssel für wettbewerbsfähige Unternehmen der Zukunft“. Dieses Förderprogramm hat das Ziel, die Gestaltung des strukturellen und demografischen Wandels in der Wirtschafts- und Arbeitswelt zu unterstützen. Dementsprechend sollen Projekte gefördert werden, die einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten, die Arbeitsfähigkeit der Erwerbstätigen in kleinen und mittleren Unternehmen zu erhalten und deren Beschäftigungsfähigkeit zu stärken. In einer Gutachtersitzung im August 2012 wurden u. a. unter Beteiligung der BDA und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln aus den zahlreich eingegangenen Projektskizzen erfolgversprechende Projekte identifiziert. Diese wurden vom Steuerkreis angenommen.

„unternehmensWert: Mensch“ unterstützt Mittelstand bei personal­ politischen Fragestellungen Um Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung einer demografieaktiven und lebensphasenorientierten Personalpolitik zu unterstützen, hat das Bundesarbeitsministerium das ESF-Programm „unternehmensWert: Mensch“ auf den Weg gebracht. Dazu wurden in einem ersten Schritt unter Beteiligung der BDA 27 regionale Beratungsstellen ausgewählt, die in Zukunft bei interessierten KMU den konkreten betrieblichen Beratungs- und Unterstützungsbedarf herausarbeiten und die formalen Voraussetzungen für eine anschließende Förderung klären werden. Die BDA hatte sich in den Verhandlungen mit dem Bundesarbeitsministerium über die genauen Fördervoraussetzungen entschieden dafür eingesetzt, dass neben Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern auch Arbeitgeberverbände und ihre Organisationen die Aufgaben der regionalen Beratungsstellen übernehmen können. Mit Erfolg: Ein Drittel aller Beratungsstellen wurde an BDA-nahe Einrichtungen bzw. Initiativen vergeben.

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Beschäftigung


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Wichtige Weichenstellungen ­blieben 2012 aus 2012 sind grundlegende und erforderliche Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen ausgeblieben. Weder in der Renten- und Unfallversicherung noch in der Kranken- und Pflegeversicherung sind entscheidende Weichenstellungen zur Sicherung der künftigen Finanzierbarkeit und Leistungsfähigkeit – insbesondere auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung – erfolgt. Im Gegenteil: Die aktuellen vorübergehenden Überschüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung wurden für dauerhafte Mehrbelastungen verwendet. Besonders ärgerlich ist die Mehrbelastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch höhere Ärztehonorare in Höhe von rd. 2 Mrd. €, wie sie infolge der Abschaffung der Praxisgebühr eintritt. Dies gilt auch deshalb, weil dadurch das in Deutschland ohnehin viel zu geringe Niveau der Zuzahlungen noch weiter reduziert wird. In der sozialen Pflegeversicherung sind erneut umlagefinanzierte Leistungen ausgeweitet und über eine weitere Anhebung des Beitragssatzes finanziert worden. Die staatlich geförderte kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung ist keine Lösung zur Entlastung der sozialen Pflegeversicherung, da sie nicht die Umlagefinanzierung reduziert. In der Unfallversicherung blieben sowohl die überfällige Reform des Leistungsrechts als auch bereits auf den Weg gebrachte Verbesserungen für die Arbeitgeber im Meldewesen aus. Einzig in der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es einen ­ Lichtblick. Mit der Senkung des Beitragssatzes von 19,6 auf 18,9 % wurde eine Entlastung der Beitragszahler von 6,3 Mrd. € erreicht und die Rücklagen damit einer drohenden Zweckentfremdung entzogen.

Sozialbeiträge: Rentenbeitragssatzsenkung sorgt 2012 für ­Entlastung Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz ist zum 1. Januar 2012 um 0,3 Prozentpunkte gesunken. Er überschreitet mit jetzt 40,1 % aber immer noch die 40%-Marke. Zumindest die überaus starke Beitragssatzerhöhung des Vorjahres (2010: 39,6 %, 2011: 40,4 %) konnte damit im

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Soziale Sicherung

Ergebnis teilweise rückgängig gemacht werden. Die BDA fordert seit langem, die Beitragssatzsumme durch ausgabensenkende Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen unter 40 % zu halten – und zwar dauerhaft. Durch die „Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2012“ vom 21. Dezember 2011 ist der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung zum 1. Januar 2012 von 19,9 auf 19,6 % gesenkt worden. Damit ist der Verordnungsgeber einer Kernforderung der Arbeitgeberverbände gefolgt. Die BDA hatte sich mit Nachdruck für eine spürbare Beitragssatzsenkung in der Rentenversicherung eingesetzt. Seit Inkrafttreten des „GKV-Finanzierungsgesetzes“ am 1. Januar 2011 ist der allgemeine Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 15,5 % festgeschrieben. Ausgabensteigerungen, die über den durchschnittlichen Lohn- und Gehaltsanstieg hinausgehen, müssen die Krankenkassen seitdem vor allem über kassenindividuelle Zusatzbeiträge ihrer Mitglieder abdecken, was bislang aber noch nicht in nennenswertem Umfang notwendig war. Auch in der Arbeitslosen- und Pflegeversicherung hat es zum 1. Januar 2012 keine Beitragssatzveränderung gegeben: Seit Auslaufen der Rechtsverordnung zur befristeten Absenkung des Beitragssatzes zur Bundesagentur für Arbeit (BA) auf 2,8 % zum 31. Dezember 2010 beträgt der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung unverändert 3,0 %. In der Pflegeversicherung müssen weiterhin durchschnittlich 2,0 % des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts verbeitragt werden (inklusive Sonderbeitrag der Kinderlosen). Das Ziel, die Beitragsbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter 40 % zu senken, ist im kommenden Jahr erreichbar, wenn die Bundesregierung den Rentenbeitragssatz – wie im Entwurf eines „Gesetzes zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2013“ vorgesehen – zum 1. Januar 2013 von 19,6 auf 18,9 % reduziert. Die damit verbundene Entlastung der Versicherten und Betriebe wird allerdings durch die mit dem „Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz“ beschlossene Anhebung des


Beitragsbelastung sinkt unter 40 % Entwicklung des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes

in % 45 41,1 40

1,7 35,8

35

3,0 26,5

25

42,0

1,8

1,8

6,5

6,5

4,3

32,4 30

6,5

42,0

12,8

13,6

14,2

14,2

40,7

40,4

40,1

39,5

2,0

2,0

3,0

2,1

3,0

3,0

14,9

15,5

15,5

15,5

39,9

40,2

1,8

2,0

2,0

3,3

2,8

2,8

14,8

14,9

15,5

1,8 4,2

39,6

11,4

1,3 8,2

20

15

17,0

18,0

18,7

19,3

19,5

19,5

19,9

19,9

19,9

19,9

19,9

19,6

18,9

1990

2000

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

10

5

0 1970

1980

Pflegeversicherung Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung Rentenversicherung Jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt Quellen: Deutsche Rentenversicherung Bund, Bundesministerium f체r Gesundheit, 2012; eigene Zusammenstellung der BDA

BDA | Gesch채ftsbericht 2012 | Soziale Sicherung

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durchschnittlichen Pflegebeitragssatzes von 2,0 auf 2,1 % abgeschwächt. Unter dem Strich wird 2013 ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 39,5 % (–0,6 Prozentpunkte) stehen. Damit hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Chance, die Beitragsbelastung leicht unter das Niveau vom Beginn der Legislaturperiode zurückzuführen. Denn vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2010 lag der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz bei 39,6 %. Zusätzlichen Belastungen in der Krankenversicherung (+0,6 Prozentpunkte), in der Arbeitslosenversicherung (+0,2 Prozentpunkte) und in der Pflege­ versicherung (–0,1 Prozentpunkte) steht dann eine Entlastung in der Rentenversicherung (–1,0 Prozentpunkte) gegenüber. Das im Koalitionsvertrag vom 24. Oktober 2009 gegebene Versprechen, für „mehr Netto vom Brutto“ zu sorgen, würde dann bei den Sozialbeiträgen zumindest ansatzweise erreicht.

Gesetzliche Rentenversicherung: Beitragssatzsenkung ist ­unverzichtbar Am 25. Oktober 2012 hat der Deutsche Bundestag den Entwurf eines „Gesetzes zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2013“ in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Nachdem das Gesetz am 23. November 2012 auch den Bundesrat passiert hat, sinkt der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung zum 1. Januar 2013 von 19,6 auf 18,9 %. Die Senkung des Rentenbeitragssatzes, für die sich die BDA intensiv eingesetzt hat, ist sehr zu begrüßen. Sie bedeutet nicht nur eine

deutliche Entlastung der Beitragszahler, sondern wirkt auch der Gefahr entgegen, dass der Gesetz­ geber vor dem Hintergrund hoher Rücklagen der Rentenversicherung Leistungsausweitungen beschließt, so wie dies in den vergangenen Jahren mehrfach geschehen war, z. B. durch das zweimalige Aussetzen der „Riester-Treppe“ und den Ausschluss von Rentenkürzungen („Rentengarantie“). Die Beitragssatzsenkung leistet damit einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Gesetzliche Rentenversicherung“

Alterssicherungsstärkungs­gesetz: Zuschussrente erfolgreich ­verhindert Das Bundesarbeitsministerium hat am 7. August 2012 den innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmten Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Alterssicherung“ (Alterssicherungsstärkungsgesetz, auch „Rentenpaket“) vorgelegt. Er geht in seinen Grundzügen auf den Entwurf des „RV-Lebensleistungsanerkennungsgesetzes“ aus dem März 2012 zurück. Wichtigster Bestandteil des „Rentenpakets“ war die Einführung der sog. Zuschussrente, mit der die Altersrenten von Personen aufgestockt werden sollten, die viele Jahre gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt und dennoch nur eine Altersrente von unter 850 € im Monat zu erwarten haben. Zudem sieht der Referentenentwurf eine Erhöhung des Leistungsniveaus der Erwerbsminderungsrente, eine Erweiterung der Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten (sog. Kombirente) sowie eine Anhebung

„ Die Überschüsse in der Sozialversicherung gehören den Beitragszahlern. Des-

halb war es die richtige Entscheidung, dass die Koalition den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung gesenkt hat. Zu hohe Rücklagen verführen die Politik immer zu Wahlgeschenken und unnötigen Leistungsausweitungen.

Prof. Randolf Rodenstock | Vizepräsident der BDA, Vorsitzender BDA-Ausschuss Soziale Sicherung, Präsident Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Geschäftsführender Gesellschafter Optische Werke G. Rodenstock GmbH & Co. KG

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Soziale Sicherung


des Reha-Budgets vor. Außerdem soll die Möglichkeit freiwilliger Beitragszahlungen an die Rentenversicherung geschaffen werden. Aufgrund anhaltender Differenzen innerhalb der Koalition in Sachen Zuschussrente war monatelang nicht absehbar, wann und in welcher Form das Bundeskabinett das Alterssicherungsstärkungs-

gesetz beschließen würde. Die Spitzen der Koalition haben sich nun am 4. November 2012 darauf verständigt, das ursprüngliche Konzept der Zuschussrente fallen zu lassen und durch die sog. Lebensleistungsrente zu ersetzen. An den übrigen Regelungsvorhaben des „Rentenpakets“ soll dagegen offenbar unverändert festgehalten werden.

Warum der Rentenbeitragssatz zum 1. Januar 2013 gesenkt werden muss 1.

Die Entlastungswirkung einer neuerlichen Beitragssatzsenkung ist erheblich. Durch die Absenkung von 19,6 auf 18,9 % werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber um rd. 6,3 Mrd. € pro Jahr entlastet. Anders als bei einer Steuersenkung profitieren davon alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, also auch Geringverdiener.

2.

Eine Beitragssatzsenkung ist ein wichtiger Beitrag zur Begrenzung der Arbeits- und Lohnzusatzkosten. Sie verbessert die Aussichten auf eine Fortsetzung der erfreulichen Arbeitsmarktentwicklung der letzten Jahre.

3.

Durch eine Senkung des Beitragssatzes auf 18,9 % wird die Sozialversicherungsbeitragsbelastung auf 39,5 % reduziert. Sie fällt damit geringfügig niedriger aus als zu Beginn der Legislatur­periode (39,6 %).

4.

Eine Beitragssatzsenkung erleichtert die Haushaltskonsolidierung bei Bund, Ländern und Gemeinden, weil diese selbst Arbeitgeber sind und damit entlastet werden. Ein niedrigerer Beitragssatz führt zudem automatisch dazu, dass der Bund weniger Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung zahlen muss.

5.

Auch die Rentner profitieren von der Beitragssatzsenkung. Sinkt der Beitragssatz zur Rentenversicherung, wirkt sich dies über die Rentenanpassungsformel positiv auf die Rentenanpassung im Folgejahr aus.

6.

Die Nachhaltigkeitsrücklage bleibt auch bei einer Beitragssatzsenkung im kommenden Jahr mit voraussichtlich mehr als 27 Mrd. € nahe dem bisherigen Rekordniveau. Die Rücklagen der Rentenversicherung werden also weder „angezapft“ noch „verpulvert“.

7. Die für 2013 vorhergesagte Beitragssatzsenkung um 0,7 Prozentpunkte beruht auf vorsichtigen Annahmen. Sie ist nicht nur kurzfristig möglich, sondern kann auch mittelfristig bestehen bleiben. 8.

Eine Beitragssatzsenkung trägt dazu bei, dass sich in der Rentenkasse keine unnötigen Rücklagen bilden, die zu teuren, langfristig nicht zu bezahlenden Leistungsausweitungen verleiten. Sie hilft damit, die langfristige Finanzierbarkeit der Rentenversicherung zu erhalten.

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Die BDA hat das im August vom Bundesarbeitsministerium vorgelegte Konzept der Zuschussrente abgelehnt und steht auch der Lebensleistungsrente, deren genaue Ausgestaltung offen ist, kritisch gegenüber. Zu begrüßen ist allerdings, dass die Koalition mit ihren Festlegungen zur Lebensleistungsrente zwei wichtigen Kritikpunkten der BDA Rechnung trägt. Zum einen soll die Lebensleistungsrente – anders als die Zuschussrente – vollständig aus Steuermitteln finanziert werden. Das ist richtig, da eine armutsvermeidende Fürsorgeleistung wie die Lebensleistungsrente nicht aus Beiträgen finanziert werden darf. Die BDA hatte sich deshalb wiederholt dafür starkgemacht, dass die geplante Aufstockung von Altersrenten nicht zu erhöhten Belastungen der Beitragszahler führt. Allein durch die Einführung der Zuschussrente wäre die Rentenversicherung bis 2016 jedoch um rd. 1 Mrd. € zusätzlich belastet worden. Richtig ist zum anderen, die Lebensleistungsrente eng auf den Kreis derjenigen zu begrenzen, die mindestens 40 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und privat für das Alter vorgesorgt haben. Die Anspruchsvoraussetzungen der Lebensleistungsrente sind damit enger gefasst als bei der Zuschussrente, die in der Einführungsphase zunächst 30 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten und ab dem Jahr 2023 dann 35 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten vorsah. Mit diesen beiden Festlegungen sind – nicht zuletzt aufgrund des Einsatzes der BDA – zumindest zwei gravierende Mängel der früheren Zuschussrente korrigiert worden. Die im „Rentenpaket“ vorgesehenen Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sind nachvollziehbar, müssen aber beitragsneutral finanziert werden. Mit der Senkung des Rentenniveaus sinkt zugleich das Leistungsniveau der Erwerbsminderungsrente, ohne dass dies im gleichen Maße wie bei der Alterssicherung durch private oder betriebliche Altersvorsorge ausgeglichen wird. Nicht zuletzt deshalb liegt der Anteil der Erwerbsminderungsrentner, die auf ergänzende Grundsicherung angewiesen sind, heute um ein Vielfaches höher als der der Altersrentner. Die geplanten Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente können dem entgegenwirken. Sie stellen zielgenau diejenigen besser, die nicht mehr in der Lage sind, bis zum vollen Rentenalter zu arbeiten. Die Ausgestaltung der Verlängerung der

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Zurechnungszeit – stufenweise, parallel zur Anhebung der Regelaltersgrenze – ist sachgerecht, weil damit der erwarteten Verlängerung der Lebens­ arbeitszeit Rechnung getragen wird. Die geplanten Leistungsausweitungen bei der Erwerbsminderungsrente sind aber nur dann vertretbar, wenn an anderer Stelle entsprechende Einsparungen erfolgen, z. B. durch die Abschaffung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Die BDA wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass Mehrbelastungen der Beitragszahler unterbleiben bzw. zumindest eng begrenzt werden. Die geplante Lockerung der Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten kann in Einzelfällen helfen, den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu gestalten und die notwendige Verlängerung der Lebensarbeitszeit sinnvoll zu flankieren. Besser wäre allerdings, gleich ganz auf die überflüssigen und in der Anwendung bürokratischen Hinzuverdienstgrenzen zu verzichten. Die BDA begrüßt die vorgesehene Berücksichtigung der demografischen Entwicklung bei der jährlichen Anpassung des Reha-Budgets. Bislang bestimmt sich die jährliche Fortschreibung des Reha-Budgets ausschließlich nach der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer. Das ist jedoch wenig sachgerecht. Denn damit bleibt die sich demografisch ergebende Veränderung des Reha-Bedarfs unberücksichtigt. Deshalb ist es erfreulich, dass nach dem vorliegenden Entwurf die von der BDA vorgeschlagene „Demografiekomponente“ mit Wirkung ab 1. Juli 2013 in die jährliche Fortschreibungsregelung zum Reha-Budget aufgenommen werden soll. Die vorgesehene Option, freiwillige Zusatzbeiträge an die Rentenversicherung zu leisten, ist kritisch zu bewerten. Die geplante Ausgestaltung der freiwilligen Zusatzbeiträge ist zu weit gefasst und bietet zudem Gestaltungsmöglichkeiten zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung und damit der Beitragszahler. Sie kann sich negativ auf die weitere Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge auswirken und somit den notwendigen Ausbau ergänzender kapitalgedeckter Altersvorsorge schwächen. Zudem spricht gegen eine Option freiwilliger Rentenbeiträge, dass durch sie – nicht anders als durch gesetzlich


vorgeschriebene Rentenbeiträge – die von den künftigen Generationen zu finanzierende Rentenlast steigt. Die BDA hat sich daher dafür eingesetzt, die Option freiwilliger Rentenbeiträge zumindest eng zu begrenzen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Soziale Sicherung > Gesetzliche Rentenversicherung

Betriebliche Altersvorsorge ­gewinnt an Aufmerksamkeit der Politik In der Diskussion über die künftige Ausgestaltung der Alterssicherung in Deutschland hat die betriebliche Altersvorsorge in den letzten Monaten spürbar an Aufmerksamkeit der Politik gewonnen.

Betriebliche Altersvorsorge wächst weiter Anzahl der Betriebsrentenanwartschaften, einschließlich Mehrfachanwartschaften

in Mio. 20 19,58 19

18,65

18,75

2007

2009

18,33 18

17

16,91

16

15 14,56 14 2001

2003

2005

2011

Quellen: TNS Infratest Sozialforschung, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2012

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Zu Recht, denn die betriebliche Altersvorsorge steht für sehr hohe Sicherheit und Kosteneffizienz zugunsten der Arbeitnehmer und Betriebsrentner. So haben die betrieblichen Versorgungswerke auch in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld ihre Leistungsfähigkeit und Sicherheit unter Beweis gestellt. Trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase sind die Betriebsrentenzahlungen und -anwartschaften nicht gefährdet. Die Ergebnisse einer 2012 im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums durchgeführten Erhebung zur Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge bestätigen, dass – trotz der Finanzkrise – weiterhin ca. 17 Mio. Beschäftigte über mindestens eine Betriebsrentenanwartschaft verfügen. Allerdings stehen die Unternehmen und ihre Einrichtungen aufgrund dieser außergewöhnlichen Bedingungen und der immer komplexer werdenden gesetzlichen Rahmenbedingungen vor großen Herausforderungen. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass das Bundesarbeitsministerium einen „Arbeitskreis betriebliche Altersversorgung“ einberufen hat, an dem die BDA mitwirkt. Dieser Arbeitskreis hat am 22. August 2012 erstmals getagt. Zunächst sollen der Handlungsbedarf zur weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge analysiert und konkrete Schritte verabredet werden. Die BDA wird dabei insbesondere darauf drängen, unnötige bürokratische Belastungen zu verhindern bzw. zu beseitigen und die steuerlichen Rahmenbedingungen zu verbessern.

EU-Pensionsfondsrichtlinie: ­milliardenschwere Belastung ­verhindern Die EU-Kommission hat in ihrem Weißbuch Pensionen vom 15.  Februar  2012 angekündigt, die Pensionsfondsrichtlinie zu überarbeiten. Ziel dieser Maßnahme soll u. a. die Herstellung „einheitlicher Rahmenbedingungen“ nach dem Aufsichtsregime Solvency II sein, das auf Versicherungsunternehmen wohl frühestens ab 2016 Anwendung finden soll. Entsprechend den geplanten Eigenmittelvorgaben nach Solvency II müssten die Träger­ unternehmen von Pensionskassen und Pensionsfonds ihren Einrichtungen zusätzliches Kapital in Milliardenhöhe zuführen. Somit würden die für

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Versicherungsunternehmen konzipierten Vorgaben die betriebliche Altersvorsorge über Pensionskassen und Pensionsfonds unnötig verteuern, aber nicht sicherer machen. Dieser Mehrbedarf wäre nur durch Leistungskürzungen zulasten der Berechtigten oder durch höhere Beiträge der Trägerunternehmen aufzubringen. Beides würde dem notwendigen Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge diametral entgegenstehen. Dabei wäre mit der Übertragung von Solvency II auf Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (EbAV), d. h. Pensionsfonds und Pensionskassen, auch für die Arbeitnehmer und Rentner aufgrund der ohnehin bestehenden Subsidiärhaftung des Arbeitgebers nichts – nicht einmal zusätzliche Sicherheit – gewonnen. EbAV verfügen bereits heute über eine Mehrfachsicherung aus aufsichtsrechtlichen Vorgaben, aus Arbeitgeberhaftung und für Pensionsfonds darüber hinaus aus der bestehenden Einstandspflicht des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSV). Es besteht auch kein Bedarf, für die private Altersvorsorge und die betriebliche Altersvorsorge ein sog. „Level Playing Field“, d. h. gleiche Wettbewerbsbedingungen, herzustellen, wie es teilweise gefordert wird. Denn EbAV stehen aufgrund ihrer Zielstellung und Ausgestaltung nicht im Wettbewerb zu sonstigen Altersvorsorgeprodukten. So handelt es sich bei einer Betriebsrentenzusage eben nicht einfach um ein „Finanzdienstleistungsprodukt“, sondern um eine grundsätzlich freiwillige Sozialleistung, die an das Arbeitsverhältnis geknüpft ist. Zudem besteht für eine kurzfristige Änderung der EU-Pensionsfondsrichtlinie keine dringende Notwendigkeit, auch nicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise. Denn weder waren die EbAV hierfür ursächlich noch stellen sie ein systemisches Risiko dar. Die BDA hat ihre grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben der EU-Kommission in allen bisher durchgeführten umfangreichen Konsultationen der EU geäußert. In den bisherigen Beratungen wurde deutlich, dass die EU-Kommission unverändert an Solvency II als Grundlage für die überarbeitete Pensionsfondsrichtlinie festhalten will. So basieren die Überlegungen des sog. Call for Advice, in dem die Kommission die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) um Stellungnahme gebeten hatte, inhaltlich nahezu vollständig auf Solvency II. Entsprechend geht auch


EIOPA in ihrer Antwort vom 15. Februar 2012 an die EU-Kommission davon aus, dass Solvency II grundsätzlich auf EbAV angewendet werden soll. Auch die von EIOPA im Juli 2012 durchgeführte Konsultation über die technischen Spezifikationen einer Auswirkungsstudie basiert nahezu ausschließlich auf Vorgaben nach Solvency II. Mit der Auswirkungsstudie, die vom 29. Oktober bis zum 17. Dezember 2012 in Deutschland sowie sieben weiteren Mitgliedstaaten und Norwegen durchgeführt wurde, sollen die Folgen einer Anwendung von Solvency II für die EbAV quantifiziert werden.

Den Besonderheiten der EbAV soll insbesondere durch Anrechnung ihrer Sicherungsmechanismen der Arbeitgeberhaftung und des Insolvenzschutzes im Rahmen einer sog. holistischen Bilanzierung Rechnung getragen werden. Die BDA lehnt diesen Vorschlag ab, weil er nicht geeignet ist, den Besonderheiten der deutschen betrieblichen Altersvorsorge adäquat Rechnung zu tragen und zusätzliche Belastungen zu verhindern. Außerdem hat bereits die Durchführung der Auswirkungsstudie gezeigt, dass die EbAV und deren Trägerunternehmen allein schon zur Ermittlung

Solvency II für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge ungeeignet Das Aufsichtsregime Solvency II wurde 2009 für Versicherungsunternehmen konzipiert und sollte ursprünglich auf diese ab 2013 angewendet werden. Solvency II ist insgesamt sehr komplex und seine Folgen sind – gerade in dem derzeitig unsicheren Umfeld der Kapitalmärkte – nur schwer abschätzbar. Nicht zuletzt deshalb wurde die Anwendung von Solvency II mehrfach von der EU verschoben. Sogar der aktuell geplante Termin für das Inkrafttreten zum 1. Januar 2016 ist ungewiss. Dessen ungeachtet plant die EU-Kommission, das Regelwerk von Solvency II als Ausgangspunkt einer überarbeiteten Pensionsfondsrichtlinie zu nehmen. Solvency II würde damit grundsätzlich auch für EbAV gelten.

Die Architektur von Solvency II besteht aus drei Aufsichtssäulen. Die erste Säule enthält die Eigenmittelvorgaben, den relevantesten Teil des Regelwerks. Die zweite Säule enthält Vorgaben z. B. für das Risikomanagement, die interne Kontrolle und Anforderungen für das Management. Die dritte Säule enthält Vorgaben für die Aufsichtspraxis und das Berichtswesen.

Die Eigenmittelvorgaben folgen einem sog. risikobasierten Ansatz. Zum einen werden die Risiken der Verpflichtungen bewertet, die bei EbAV aufgrund der langen Zeiträume von Betriebsrentenverpflichtungen relativ hoch angesetzt werden. Zum anderen werden die einzelnen Anlageklassen nach ihren jeweiligen Risiken bewertet. Im Ergebnis müssen die Trägerunternehmen diese Risiken durch zusätzliche Zuführung in Milliardenhöhe zum Eigenkapital abdecken.

Da aber die betriebliche Altersvorsorge über weitere Schutzmechanismen, wie insbesondere die Arbeitgeberhaftung und bei Pensionsfonds die Insolvenzsicherung, verfügt, wären höhere Eigenmittelanforderungen unnötig. Daher schlägt EIOPA vor, diesen zusätzlichen Schutz im Rahmen einer sog. holistischen Bilanz zu berücksichtigen. Diese „Korrektur“ ist aber sehr komplex und unausgereift.

Im November und Dezember 2012 hat EIOPA eine Auswirkungsstudie (QIS) durchgeführt, um die Folgen einer Anwendung von Solvency II abschätzen zu können. Die QIS soll in acht Mitgliedstaaten durchgeführt werden. In Deutschland werden voraussichtlich rd. 30 EbAV über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in die Studie einbezogen.

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der Voraussetzungen der hochkomplexen holistischen Bilanz mit kaum vertretbarem bürokratischem Aufwand belastet werden. Hinzu kommt der weitere hohe Aufwand zur Risikobewertung nach Solvency II. Angezeigt wäre dagegen ein auf die betriebliche Altersvorsorge zugeschnittenes europäisches Aufsichtsrecht, das sich vor allem an Mindeststandards und dem Subsidiaritätsgrundsatz orientiert. Das Präsidium der BDA hat daher am 16. April 2012 die EU-Kommission aufgefordert, von ihren Plänen zur Pensionsfondsrichtlinie Abstand zu nehmen. Zu begrüßen ist, dass die zuständigen Bundesministerien und der Bundestag in seinem Beschluss vom 26. April 2012 dieser Kritik folgen und die Pläne der Kommission ebenfalls klar ablehnen. Die deutschen Sozialpartner ziehen bei diesem Thema an einem Strang: In einer gemeinsamen Erklärung haben BDA und DGB am 6. Juni 2012 die EU-Kommission aufgefordert, von einer Anwendung von Solvency II auf die betriebliche Altersvorsorge abzusehen. Aufgrund des unerwartet heftigen Widerstands, auch aus anderen Mitgliedstaaten, wird sich der ursprüngliche Zeitplan der EU-Kommission zum Gesetzgebungsverfahren der Pensionsfondsrichtlinie verzögern. Vor dem Sommer 2013 ist nicht mit der Vorlage eines Richtlinienvorschlags zur Überarbeitung der Pensionsfondsrichtlinie zu rechnen.

PSV-Beitragsstruktur: Akzeptanz des PSV auch künftig sichern Am 6. März 2012 hat die BDA einen Konzept­ entwurf für eine stärker risikoorientierte Beitragsstruktur des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSV) vorgestellt. Damit kam sie dem Auftrag des BDA-Ausschusses Betriebliche Altersvorsorge nach, eine Änderung der PSV-Beitragsstruktur zu prüfen und Vorschläge zu unterbreiten, die den veränderten Strukturen der betrieblichen Altersvorsorge, insbesondere der zunehmenden Ausfinanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen und der weiteren Verbreitung rückgedeckter Unterstützungskassen, gerecht werden. Der Konzeptentwurf sieht im Wesentlichen vor, die PSVBeitragsstruktur nicht mehr nur nach Durchführungswegen zu differenzieren, sondern auch am

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Soziale Sicherung

Vorhandensein von separierten Sicherungsmitteln, vor allem Treuhandvermögen (Contrac­tual Trust Arrangements, CTA), Rückdeckungsversicherungen und Pensionsfondsvermögen. Trotz intensiver Diskussion und der Prüfung weiterer Änderungsvorschläge zum Konzeptentwurf hat sich gezeigt, dass eine stärker risikoorientierte PSV-Beitragsstruktur zwar wünschenswert, aber in der konkreten Umsetzung schwierig ist. Insbesondere lassen sich die an eine stärker risikoorientierte Beitragsstruktur gestellten Anforderungen, wie z. B. eine verlässliche Feststellung der risikosenkenden Faktoren bei gleichzeitig unbürokratischer Beitragserhebung, kaum alle ­vollumfänglich erfüllen. Vor diesem Hintergrund hat der BDA-Ausschuss Betriebliche Altersvorsorge in einer Sondersitzung am 22. November 2012 empfohlen, bis auf weiteres nicht für eine gesetzliche Änderung der PSV-Beitragsstruktur einzutreten. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Soziale Sicherung > Betriebliche ­Altersvorsorge

Pflegereform ist nicht nachhaltig Die 2011 vom damaligen Bundesgesundheitsminister Dr. Rösler angekündigte Reform der sozialen Pflegeversicherung hat dessen Nachfolger, Bundesgesundheitsminister Bahr, mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) umgesetzt. Mit dem am 29. Oktober 2012 im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Gesetz werden die Leistungen der Pflegeversicherung erneut ausgeweitet. Zur Finanzierung wird der Beitragssatz zur Pflegeversicherung ab 2013 um 0,1 Prozentpunkte angehoben, wodurch die Beitragszahler um etwa 1,2 Mrd. € mehr belastet werden. Zudem wird eine Förderung der privaten Pflegevorsorge eingeführt. Die BDA hat sich frühzeitig in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht und die geplanten Mehrbelastungen der Beitragszahler als wachstums- und beschäftigungsfeindlich entschieden abgelehnt. Immerhin ist es dadurch gelungen, die jetzt beschlossene Beitragssatzsteigerung zu begrenzen. Forderungen sowohl aus der Opposition wie auch aus Teilen der Regierungskoalition sahen deutlich höhere Steigerungsraten vor.


Auch die im PNG vorgesehenen Leistungsausweitungen verschärfen die ohnehin zu erwartenden Finanzierungsprobleme der Pflegeversicherung und erhöhen die Belastungen der Beitragszahler und damit insbesondere die Personalzusatz- und Arbeitskosten. Die BDA hat konsequent darauf hingewiesen, dass es unverantwortlich ist, neue Leistungen einzuführen, obwohl noch nicht einmal die Finanzierung des heutigen gesetzlichen Leistungskatalogs dauerhaft gesichert ist. Wie die Bundesregierung selbst im Gesetzgebungsverfahren ausgeführt hat, werden die zusätzlichen Leistungen trotz der Erhöhung des Beitragssatzes um 0,1 ­Prozentpunkte nur bis Ende 2015 finanziert werden können. Damit wird mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz bereits die Notwendigkeit für eine weitere Reform der Pflegeversicherung in wenigen Jahren geschaffen. Daran ändert auch die eingeführte Förderung der privaten Pflegevorsorge nichts. Denn anders als bei der Riester-Rente, die gezielt parallel zum Ausgleich des sinkenden Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt wurde, werden mit ihr keine Leistungsbestandteile aus der Umlagefinanzierung herausgenommen und in die Eigenverantwortung des Einzelnen überführt. Die Chance, durch einen umfassenden Ausbau privater Vorsorge das besonders demografieanfällige Umlageverfahren der Sozialversicherung zu entlasten, bleibt damit anders als in der Rentenversicherung ungenutzt. Immerhin konnte der zwischenzeitlich intensiv diskutierte Aufbau einer Demografierücklage innerhalb der sozialen Pflegeversicherung verhindert werden. Eine solche Rücklage wäre völlig ungeeignet gewesen, um kapitalgedeckt vorzusorgen. Denn wie alle Erfahrung zeigt, bleiben Rücklagen in den Sozialkassen niemals längere Zeit unangetastet, sondern verleiten

nur dazu, für andere Zwecke genutzt zu werden oder Leistungsausweitungen kurzfristig vorzunehmen, die dauerhaft nicht finanzierbar sind. Statt steigende Pflegekosten vor allem über immer höhere Belastungen von Löhnen und Gehältern zu finanzieren, sollte die Finanzierung der Pflegeversicherung auf einkommensunabhängige Pflegeprämien umgestellt werden, kombiniert mit der Auszahlung des Arbeitgeberanteils in den Bruttolohn und einem steuerfinanzierten Sozialausgleich für Einkommensschwache. Eine solche Pauschale erfüllt die Kriterien der Zukunftssicherheit und Arbeitskostenneutralität, der Solidarität und Belastungsgerechtigkeit.

Krankenversicherung: Abschaffung der Praxisgebühr und Senkung des Bundeszuschusses der falsche Weg Die gesetzlichen Krankenkassen bauen nach der Prognose des Schätzerkreises bis Ende 2012 ihre Reserven um 3,9 Mrd. € auf 13,9 Mrd. € aus. Die Reserven des Gesundheitsfonds steigen bis Ende 2012 um 3,2 Mrd. € auf insgesamt 12,7 Mrd. €. Hauptursache der hohen Überschüsse bei vielen Krankenkassen und im Gesundheitsfonds ist die gesetzliche Beitragssatzanhebung zum 1. Januar 2011 von 14,9 auf 15,5 %. Damit wurde der allgemeine Beitragssatz auf einem viel zu hohen Niveau festgelegt. Die BDA hatte gefordert, die aus den Überschüssen gebildeten Rücklagen, die zu großen Teilen gesetzlich vorgeschrieben sind, bei den Kassen und dem Gesundheitsfonds zu belassen. Vor diesem Hintergrund sind die im Assistenzpflegebedarfsgesetz beschlossene Abschaffung

„ Reformen im Gesundheitswesen, die das duale System weiter stärken, sind not-

wendig. Die Einführung einer Bürgerversicherung wäre allerdings kein Beitrag, um die langfristige Finanzierbarkeit der Gesundheitsversorgung zu sichern. Sie würde im Gegenteil zu milliardenschweren zusätzlichen Belastungen für die Arbeitgeber führen.

Dr. h. c. Josef Beutelmann | Vizepräsident der BDA, Vorsitzender Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland, Vorsitzender der Vorstände Barmenia Versicherungen

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zeigt erneut, dass sich die Politik je nach Haushaltslage am Geld der Beitragszahler bedient und damit der Sicherung einer soliden Finanzierung zuwiderhandelt.

der Praxisgebühr, in deren Folge die von den Krankenkassen zu finanzierenden Ärztehonorare steigen, und die Senkung des steuerfinanzierten Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds der falsche Weg. Hierdurch werden dem Gesundheitsfonds dauerhaft 2 Mrd. € und einmalig 2,5 Mrd. € im Jahr 2013 sowie 2 Mrd. € im Jahr 2014 entzogen. Die weitere Kürzung des Bundeszuschusses

Ein schwerer Fehler war insbesondere die Abschaffung der Praxisgebühr von 10 € je Quartal. Die BDA hatte sich dafür ausgesprochen, diese

Einführung der Praxisgebühr entlastet 1 seit 2004 die Beitragszahler Leistungsausgaben für ärztliche Behandlung 2 in der gesetzlichen Krankenversicherung

in Mrd. € 29 28

27,6 27,0

27

26,3

26 25

24,6

24

23,5

23,3 23 22,4

22,8

22,6

22

21,8

21,9

2004

2005

21 20 2001

2002

2003

2007

2008

2009

2010

1

mit Einführung der Praxisgebühr 2004 deutliche Niveauverschiebung nach unten

2

Angaben ohne Dialysesachkosten und Soziotherapie, mit Belegärzten und Ausgaben für ärztliche Behandlung bei Empfängnis­verhütung etc.

Quelle: Bundesgesundheitsministerium, 2012

40

2006

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Soziale Sicherung

2011


Gesundheitswesen ohne Zuzahlungen. Ausgerechnet Arztbesuche von Zuzahlungen auszunehmen ist auch deshalb ein besonders schwerwiegender Fehler, weil diese über Verschreibungen auch in anderen Versorgungsbereichen Ausgaben verursachen.

zu einem Zuzahlungsinstrument mit wirklicher Steuerungswirkung (5 € je Arztbesuch) auszugestalten. Obwohl Deutschland im internationalen Vergleich schon weit unterdurchschnittliche Eigenbeteiligungen im Gesundheitswesen aufweist, wird das bisherige Niveau von rd. 5 Mrd. € um mehr als ein Drittel gekürzt. Ambulante ärztliche Behandlungen sind damit der einzige Bereich im

Wenig Eigenbeteiligung im deutschen Gesundheitswesen Selbstzahlungen der privaten Haushalte der laufenden Gesundheitsausgaben

in % 40

35

34,2 30,5

30

26,9

26,2

25

24,3 23,8 21,1 20,9 20,7 20,1 20,0

20

17,4

16,6 14,9

15

13,8 13,7 13,4 12,9 12,3

10 7,5

6,2

5

0 KR

CH

SK

LT

HU

PL

EE

RO

ES

FI

BE

SE

IS

CZ

SI

DK

NZ

US

DE

FR

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Aktuellste Werte für 2009 Quelle: Eurostat, 2012

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Arzneimittelmarkt liberalisieren Am 19. September 2012 hat das Bundeskabinett die zweite Verordnung zur Änderung der Arzneimittelpreisverordnung verabschiedet. Einziger Inhalt ist die Anhebung des Apotheken-Festzuschlags. Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln sind zur Berechnung des Apothekenabgabepreises ein Festzuschlag von 3 % zuzüglich 8,10 € sowie die Umsatzsteuer zu erheben. Der Zuschlag soll durch das Gesetz zum 1. Januar 2013 von 8,10 € auf 8,35 € erhöht werden, nachdem er seit Anfang 2004 unverändert ist. Die Kosten von 190 Mio. € pro Jahr tragen die gesetzlichen Krankenkassen (162 Mio. €), privaten Krankenkassen (21 Mio. €) sowie Beihilfestellen (7 Mio. €) und damit größtenteils Versicherte und Arbeitgeber. Die BDA hat kritisch zur Anhebung des Festzuschlags Stellung genommen. Die Apotheken profitieren durch den Festzuschlag in Kombination mit dem prozentualen Aufschlag von 3 % des Apothekeneinkaufspreises sowohl von Mengenausweitungen als auch von Preiserhöhungen. Nach Berechnungen des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen gingen beide Effekte in den vergangenen acht Jahren über die allgemeine Preissteigerung hinaus. Vor dem Hintergrund der aktuell guten Finanzlage der Krankenversicherung darf sich die Politik nicht zu Ausgabenerhöhungen verleiten lassen. Anstatt in der Arzneimittelpreisverordnung den Festzuschlag anzuheben, sollte der Arzneimittelvertrieb liberalisiert und Preiswettbewerb zwischen den Apotheken ermöglicht werden.

Geringfügige Beschäftigung: ­Änderungen unnötig bürokratisch Am 23. November 2012 wurde das „Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügig entlohnten Beschäftigung“ verabschiedet, welches zum 1. Januar 2013 in Kraft tritt. Mit dem Gesetz werden die seit 2003 unveränderten Verdienstgrenzen für Minijobs von 400 € auf 450 € und für Midijobs von 800 € auf 850 € erhöht. Entsprechend wird auch die monatliche Hinzuverdienstgrenze für Bezieher einer vorgezogenen Altersrente von 400 € auf 450 € ausgeweitet. Die Anhebung der Verdienstgrenzen ist sachgerecht, weil mit ihr in etwa die

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Soziale Sicherung

durchschnittliche Lohn- und Gehaltsentwicklung seit Einführung der Minijobs nachvollzogen wird. Dabei dürfte die praktische Bedeutung jedoch gering sein, da das durchschnittliche Arbeitsentgelt eines geringfügig Beschäftigten ca. 220 € beträgt und derzeit nur rd. 10 % der geringfügig entlohnten Beschäftigten ein Arbeitsentgelt von annähernd 400 € erzielen. Nur diese werden vermutlich als Folge der Neuregelung in den Bereich der erweiterten Minijobzone bis 450 € aufrücken. Außerdem wird ab 1. Januar 2013 für geringfügig Beschäftigte eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen, wobei auf Antrag eine Befreiung von der Versicherungspflicht möglich ist. Diese Neuregelung ist mit Blick auf die angestrebte Verbesserung der Altersversorgung für diesen Personenkreis und die vorgesehene Befreiungsmöglichkeit vertretbar. Die BDA hat im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens insbesondere die bürokratische Gestaltung der Neuregelungen und die überflüssigen Übergangsregelungen, z. B. für Beschäftigte mit einem derzeitigen Bruttogehalt von 800,01 € bis 850 €, kritisiert. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Minijobs“

Standardisierte Entgelt­ bescheinigung ist Chance für Bürokratieabbau Mit der Entgeltbescheinigungsverordnung werden ab 1. Juli 2013 der Mindestinhalt und die Begrifflichkeiten des Arbeitgebernachweises zur Lohnabrechnung verbindlich geregelt. Diese Standardisierung eröffnet die Möglichkeit, andere Arbeitgeberbescheinigungen zu ersetzen oder zumindest in ihrem Umfang zu reduzieren. Nach § 108 Gewerbeordnung hat jeder Arbeitgeber seinen Beschäftigten eine Entgeltabrechnung in Textform zu erteilen, die mindestens Angaben über den Abrechnungszeitraum und die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthält. Diese Entgeltbescheinigung dient nicht allein der Information des Beschäftigten, sondern wird vielfach zum Nachweis des Arbeitsentgelts – z. B.


gegenüber öffentlichen Stellen – verwendet. Durch eine bislang in der Praxis unterschiedliche inhaltliche Ausgestaltung der Entgeltbescheinigungen wird die Nutzung der Bescheinigungen erschwert. Im Jahr 2009 hatte das Bundesarbeitsministerium daher unter Mitarbeit der BDA eine Richtlinie zur Erstellung der Entgeltbescheinigung erlassen. Mit der Umsetzung der Richtlinie in eine Entgeltbescheinigungsverordnung wird eine verpflichtende Standardisierung der Entgeltbescheinigungen der Arbeitgeber erreicht, die weiter reichende Möglichkeiten für den Bürokratieabbau eröffnet. Die BDA setzt sich dafür ein, umfassend zu überprüfen, welche für die Gewährung staatlicher Leistungen erforderlichen Arbeitgeberbescheinigungen in Zukunft durch Vorlage der standardisierten Entgeltbescheinigungen ersetzt oder dem Umfang nach deutlich reduziert werden können. Ziel der BDA ist, dass der erforderliche Nachweis des Arbeitsentgelts in Zukunft – soweit elektronische Meldeverfahren nicht bestehen – grundsätzlich durch Vorlage der von den Arbeitgebern zu erstellenden Entgeltbescheinigung erfolgt. Die BDA wird ihre diesbezüglichen Vereinfachungsvorschläge gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung (AWV) gegenüber dem Bundesarbeitsministerium und den bescheinigungsempfangenden Stellen einbringen. Weiterhin setzt sich die BDA für eine praxisgerechte und möglichst unbürokratische Umsetzung der Entgeltbescheinigungsverordnung ein. So arbeitet die BDA an der Erstellung einer Kommentierung der Verordnung als Umsetzungshilfe für die betriebliche Praxis mit, die von der AWV im Frühjahr 2013 vorgelegt werden soll.

Meldewege zwischen Arbeit­ gebern und Sozialversicherungsträgern optimieren Jährlich werden in Deutschland etwa 400 Mio. Meldungen im Arbeitgebermeldewesen übermittelt. Obwohl die durchschnittliche Fehlerquote im Arbeitgebermeldewesen sehr niedrig ist, sind viele der – zunehmend elektronisch erfolgenden – Meldeverfahren sehr kompliziert. Gerade im Arbeitgebermeldewesen besteht ein erhebliches Optimierungs- und Bürokratieabbaupotenzial.

Daran knüpft das im Februar 2012 gestartete Projekt „Optimiertes Meldeverfahren in der Sozialen Sicherung (OMS)“ des Bundesarbeitsministeriums an. Der Start des OMS-Projekts beruht maßgeblich auf einer Initiative der BDA, die im vergangenen Jahr mit einem entsprechenden Vorschlag an die zuständigen Bundesministerien herangetreten war. Zielsetzung für die BDA ist eine spürbare Verringerung der hohen bürokratischen Belastungen für die Arbeitgeber, die durch die Meldungen und Bescheinigungen an die Sozialversicherungsträger hervorgerufen werden. Dies gilt insbesondere nach dem Scheitern des elektronischen Entgeltnachweisverfahrens (ELENA), das diesen bürokratischen Aufwand verringern sollte. Im Gegensatz zu ELENA soll durch OMS aber kein neues Verfahren etabliert werden. Stattdessen sollen die bestehenden Meldeverfahren untersucht und vereinfacht werden. In einem ersten Projektschritt wurden ca. 40 Melde-, Bescheinigungs- und Antragsverfahren inhaltlich, technisch, datenschutzrechtlich und kostenmäßig erfasst und beschrieben. Im zweiten Projektschritt wurden konkrete Optimierungsvorschläge erarbeitet. Dazu hat die BDA gemeinsam mit Unternehmensvertretern Vorschläge der betrieblichen Praxis eingebracht. Diese zielen z. B. auf eine Vereinfachung der GKV-Monatsmeldung, der U1- und U2-Verfahren, des Zahlstellenmeldeverfahrens und der Künstlersozialabgabe. In den Arbeitsgruppen des Projekts, in denen die BDA gemeinsam mit Unternehmensvertretern mitwirkt, werden die Optimierungsvorschläge ausgearbeitet und geprüft. Die Beratungen sollen bis Juli 2013 in einen Zwischenbericht münden. Die abschließende Ergebnisdokumentation, die Grundlage für mögliche gesetzliche Änderungen sein kann, soll bis Dezember 2013 vorliegen.

Ausstellung von Arbeitsbeschei­ nigungen vereinfachen Mit dem im Oktober 2012 vom Bundesarbeitsministerium vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze“

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(BUK-Neuorganisationsgesetz) wird auch die rechtliche Grundlage für eine optionale elektronische Übermittlung von Arbeits- und Nebeneinkommensbescheinigungen sowie für eine bedarfsgerechte Ausstellung von Arbeitsbescheinigungen geschaffen. Damit werden konkrete Forderungen der BDA nach Vereinfachung des Bescheinigungswesens umgesetzt. Das Ziel des Bürokratieabbaus wird aber mit dem vorgesehenen Recht der Arbeitnehmer, der elektronischen Übermittlung zu widersprechen, teilweise in Frage gestellt. Nach bislang geltender Rechtslage müssen Arbeitgeber die Arbeits- und Nebeneinkommensbescheinigungen nach §§ 312, 312a und 313 SGB III auf den Vordrucken der BA erstellen. Die Bearbeitung dieser papiergebundenen Bescheinigungen stellt im Vergleich zur elektronischen Datenübermittlung einen Medienbruch dar

und kann einen nicht unerheblichen Aufwand auslösen. Die elektronische Übermittlung auf freiwilliger Grundlage ist daher grundsätzlich ein richtiger Schritt zur Verfahrensvereinfachung. Dabei wird die von der BDA geforderte optionale Regelung insbesondere kleineren und mittleren Unternehmen gerecht, die nur wenige Arbeits- und Nebeneinkommensbescheinigungen erstellen. Für sie kann die Bearbeitung von Papierbescheinigungen effizienter sein als die Implementierung eines neuen elektronischen Meldewegs. Einer unbürokratischen und effizienten Umsetzung der elektronischen Bescheinigungen steht jedoch das vorgesehene Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer entgegen. Es hätte zur Folge, dass Unternehmen, die sich für den elektronischen Meldeweg entscheiden, zwei unterschiedliche Prozesse (die elektronische Übermittlung aus Abrechnungsprogrammen und die

Unternehmen betreiben erfolgreichen Arbeitsschutz Arbeitsunfälle im Bereich der gewerblichen Wirtschaft

in Mio. 2,5

2,26

2,0

2,01 1,54

1,5 1,0 0,5 0 1960

Meldepflichtige Fälle im Bereich der gewerblichen Wirtschaft Hinweis: bis 1990 nur alte Bundesländer berücksichtigt Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 2012

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1970

1980


papiergebundene Bescheinigung) vorhalten müssen. Diese Etablierung von unnötigen und bürokratischen Doppelstrukturen lehnt die BDA ab und setzt sich dafür ein, das Widerspruchsrecht ersatzlos zu streichen. Sehr zu begrüßen ist die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für eine bedarfsgerechte Ausstellung von Arbeitsbescheinigungen nach § 312 Abs. 1 SGB III. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Arbeitgeber diese bislang jährlich millionenfach erstellte Bescheinigung bei Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses nur auf Verlangen des Arbeitnehmers oder der BA ausstellen müssen. Nach bisheriger Rechtslage hat der Arbeitgeber bei jeder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung zu erstellen. Diese viel zu weitgehende Verpflichtung führt dazu, dass die Unternehmen in vielen Fällen Bescheinigungen ausstellen, die nicht gebraucht

1,33

1,27

werden, da der Anspruch auf Arbeitslosen- oder Übergangsgeld gar nicht geprüft werden muss (z. B. Wechsel in eine andere Beschäftigung). In diesen Fällen entsteht für die Betriebe ein hoher bürokratischer Aufwand, der durch die zukünftige bedarfsgerechte Ausstellung spürbar verringert werden kann.

Unfallversicherung: unnötige Bürokratie durch Doppelmeldungen Im Oktober 2012 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Siebten Buches Sozialgesetzbuch verabschiedet. Das Gesetz sieht vor, die gesetzliche Übergangsfrist, innerhalb deren die Arbeitgeber die für die Beitragsberechnung zur gesetzlichen Unfallversicherung relevanten Daten in doppelter Weise melden müssen, ein weiteres Mal zu

1,14 0,83

1990

1996

2000

2011

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verlängern. Grund für die Notwendigkeit der Verschiebung seien Mängel bei der Datenqualität im elektronischen Meldeweg. Der Starttermin für das alleinige elektronische Meldeverfahren soll auf das Jahr 2016 verschoben werden. Diese erneute Verlängerung der Übergangsfrist hat die BDA als weder sinnvoll noch notwendig kritisiert. Die eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität im elektronischen Meldeweg werden bereits zum Meldejahr 2013 – und somit rechtzeitig vor dem bislang geplanten Einführungstermin 1. Januar 2014 – wirksam. Zudem läuft die technische Erstellung der e ­ lektronischen Lohnnachweise mit der rechnerischen Zusammenfassung der elektronischen Arbeitgebermeldungen durch die Datenstelle der Träger der Rentenversicherung bereits jetzt problemlos. Eine weitere Verschiebung des Starttermins für den alleinigen elektronischen Meldeweg wird die Arbeitgeber mit erheblichen zusätzlichen Bürokratiekosten von mehr als 30 Mio. € belasten. Daher tritt die BDA dafür ein, das alleinige elektronische Verfahren nach Beseitigung der Problem- und Fehlerquellen so schnell wie möglich, d. h. auch vor dem nunmehr geplanten Start zum 1. Januar 2016, einzuleiten. Diese Forderung wird vom Nationalen Normenkontrollrat unterstützt. Des Weiteren sieht das Gesetz eine Nachfolgeregelung für die Abgrenzung der Zuständigkeit von gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand für öffentliche Unternehmen (sog. Moratoriumsregelung) vor. Dieser Regelungsvorschlag zur Neuregelung der Zuständigkeit leistet zwar eine rechtssichere und nachvollziehbare Abgrenzung zwischen Unfallkassen und Berufsgenossenschaften, ändert aber nichts an der nach wie vor in Teilen bestehenden Wettbewerbsverzerrung zwischen Unternehmen, die den Unfallkassen bzw. den Berufsgenossenschaften zugeordnet sind. Daher hat die BDA im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens einen klaren Fahrplan gefordert, um bestehende Wettbewerbsverzerrungen abzubauen und möglichst zu beenden. Wie von der BDA gefordert, hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) nunmehr den gesetzlichen Auftrag bekommen, dem Bundesarbeitsministerium bis zum 31. Dezember 2013

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einen Bericht über die wettbewerblichen Auswirkungen der Neuordnung der Zuständigkeit für öffentliche Unternehmen vorzulegen. Dabei soll die DGUV die Auswirkungen der Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der Länder und Kommunen auf die Belastung der betroffenen Unternehmen durch Unfallversicherungsbeiträge im Verhältnis zu gleichartigen Unternehmen, für die die gewerblichen Berufsgenossenschaften zuständig sind, prüfen. Bestehen nach dieser Prüfung wettbewerbsrelevante Unterschiede, soll der Bericht Vorschläge zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen der Unternehmen der betroffenen Gewerbezweige enthalten.

Psychische Gesundheit: Arbeit hat positiven Effekt Die Diskussion über die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz hat 2012 weiter zugenommen. Die BDA weist immer wieder mit Nachdruck darauf hin, dass Arbeit in der Regel keine negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat. Im Gegenteil: Berufstätigkeit als wichtiger Bestandteil des Lebens schafft Selbstbestätigung und Anerkennung und ist damit eine fundamentale Ressource für psychische Gesundheit. Die positiven Wirkungen von Arbeit übersteigen die mit ihr in Verbindung gebrachten gesundheitlichen Risiken in aller Regel sehr deutlich. Nichterwerbstätige sind öfter und Arbeitslose sogar viermal so häufig psychisch krank wie Berufstätige. Vermehrte Fehltage, Behandlungen und Erwerbsminderungsrenten aufgrund psychischer Erkrankungen sind vor allem Folgen eines gewandelten Diagnoseverhaltens, einer erhöhten Aufmerksamkeit für psychische Störungen und einer Enttabuisierung psychischer Erkrankungen. Obwohl die Ursachen von psychischen Erkrankungen vorrangig im familiären Umfeld, im Lebensstil, im Freizeitverhalten, in genetischen und entwicklungsbedingten Faktoren liegen, sind dennoch auch die Betriebe bei diesem Thema gefordert. Denn psychisch bedingte Fehlzeiten und Leistungseinschränkungen der Mitarbeiter schlagen unmittelbar auf das Betriebsergebnis durch: sei es durch eine geringere Produktivität der Betroffenen oder durch vermehrte Fehltage. Viele Unternehmen fördern deshalb bereits heute die


psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter mit passgenauen Strategien. Hinzukommen muss aber vor allem eine Verbesserung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. Die meist monatelangen Wartezeiten bis zu einem Ersttermin bei einem Psychotherapeuten sind weder für die Betroffenen noch für die Betriebe akzeptabel. Durch lange Wartezeiten auf eine p ­ sychotherapeutische Behandlung werden Leiden verlängert oder sogar verschlimmert und die Genesung erschwert. Völlig widersinnig ist es, dass wegen unzureichender Psychotherapieangebote viele Erkrankte in stationäre Rehabilitationsmaßnahmen eingewiesen werden, in denen sie dann erstmals eine psychotherapeutische Behandlung erfahren, die sehr viel früher und kostengünstiger hätte ambulant erfolgen können. Ärzte, Therapeuten, Bundesgesundheitsministerium und Sozialversicherungsträger sind gefordert, eine bessere Versorgung psychisch Erkrankter zu gewährleisten. Die BDA hat einen Forderungskatalog entwickelt, um hier zu effektiven Lösungen in absehbarer Zeit zu kommen. Mit dem GKV-Spitzenverband werden Gespräche über die Schließung von Versorgungslücken im Gesundheitssystem (Wartezeiten) und zur Verbesserung der Koordination zwischen den Sozialversicherungsträgern geführt. Die hierzu ausgearbeiteten Vorschläge des GKV-Spitzenverbands fanden bei ersten Beratungen breite Zustimmung. Auf Vorschlag der Versichertenvertreter wurde jedoch vereinbart, die Positionierung hierzu breiter abzusichern. Die endgültige Beschlussfassung wurde deshalb auf das erste Quartal 2013 vertagt, um die abschließenden Positionen hierzu durch Abstimmungsprozesse in den einzelnen Kassenverbänden abzusichern. Zur Versachlichung der Debatte und um Unternehmen die erforderliche Unterstützung zu geben, hat die BDA im Februar 2012 mit dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Die wachsende Bedeutung einer guten Kooperation der Betriebs- und Werksärzte mit den Unternehmensverantwortlichen wird hiermit unterstrichen und der Handlungsrahmen für gemeinsame Aktivitäten aufgezeigt. Wesentliche Punkte des Papiers sind die multikausale Verursachung von psychischen Störungen. Zudem legen sich die Unterzeichner auf den Einsatz möglichst objektiver Belastungserhebungsverfahren zur Überprüfung der

Arbeitsprozesse im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach dem geltenden Arbeitsschutzgesetz fest, das den Anwender direkt zu konkreten und sinnvollen Gestaltungsänderungen leitet, wenn Handlungsbedarf erkannt wird. Ungeachtet der Faktenlage und der in der Entwicklung befindlichen Strategien der Verantwortlichen nutzen die Gewerkschaften die Stimmungslage der öffentlichen Diskussion, um die moderne Arbeitswelt als erste und einzige Ursache für diesen Trend zu brandmarken und gesetzgeberisches Handeln zu fordern. Die IG Metall hat am 27. Juni 2012 den Entwurf einer „Anti-Stress-Verordnung“ vorgelegt. Die BDA hat wiederholt erklärt, dass im geltenden Arbeitsschutzrecht ausreichende Regelungen zur Behandlung der psychischen Belastung getroffen sind. Der Entwurf der „Anti-Stress-Verordnung“ wird dem erklärten Ziel der IG Metall, eine praktikable verbindliche Regelung für die Betriebe im Umgang mit psychischen Belastungen zu schaffen, nicht gerecht. Am 29. November 2012 wurde von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) ein Beschluss zu verschiedenen die Gewerbeaufsicht betreffenden Themen hinsichtlich des Handlungsbedarfs zu arbeitsbedingten psychischen Belastungen gefasst. Der Beschluss gipfelt in der Bitte an die Bundesregierung, Rechtsgrundlagen für eine angemessene Überwachung und Beratung der Betriebe zu arbeitsbedingten psychischen Belastungen zu schaffen. Der ASMK-Beschluss geht damit sogar über die Vorschläge der IG Metall hinaus. Er ist nicht nur detaillierter in den Vorgehensweisen, sondern fordert zusätzlich die Einrichtung eines staatlichen Ausschusses. Die BDA lehnt deshalb auch den ASMK-Beschluss als nicht zielführend ab. Keine Unterstützung für die Betriebe beim Umgang mit psychischen Belastungen schafft die vorgeschlagene Ergänzung des Arbeitsschutzgesetzes, welche in dem Gesetzentwurf für ein Neuorganisationsgesetz der Bundesunmittelbaren Unfallkassen (BUK) vorgesehen ist. Mit ihr soll klargestellt werden, dass Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen auch Gefährdungen der psychischen Gesundheit einbeziehen müssen. Gesetzliche

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Arbeit stärkt psychische Gesundheit Psychisch bedingte Krankheitstage pro Person im Jahr 2010

in Tagen 9 8,32 8 6,98

7

5,88

6 5 4 3 2,24

2

1,78

1,36

1 0 Beschäftigte

Gesamt Frauen Männer Basis: Pflichtmitglieder Quelle: BKK Bundesverband, 2011

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Arbeitslose (ALG-I-Empfänger)


Regelungen – wie jetzt vorgeschlagen – helfen nicht weiter, da nach wie vor Erkenntnisse und Instrumente fehlen, ob und wie psychische Belastungen zu negativen Beanspruchungsfolgen führen und damit die Gesundheit gefährden können. Sinnvoller ist dagegen die Fortführung zielgerichteter Aktivitäten im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) sowie weiter gehende praxis­orientierte Forschung. Hierzu zählen in erster Linie Schulungsmaßnahmen der Aufsichtspersonen und der betrieblichen Experten, die Entwicklung praxistauglicher Erfassungsinstrumente und Aufklärungen von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, aus denen dann effektive Gestaltungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Psychische Gesundheit“

BDA und DGB kritisieren ­gemeinsam Sozialwahlbericht Die BDA hat gemeinsam mit dem DGB eine Stellungnahme zum Bericht des Bundeswahlbeauftragten für die Sozialversicherungswahlen zu den Sozialwahlen 2011 abgegeben. In diesem Bericht wird eine Vielzahl von Reformvorschlägen für die Sozialversicherungswahlen unterbreitet: Insbesondere schlägt der Bundeswahlbeauftragte vor, die sog. Friedenswahlen abzuschaffen. Diesem Ansinnen sind BDA und DGB nachdrücklich entgegengetreten. Die Friedenswahl, bei der im Fall nur einer einzigen eingereichten Wahlliste auf eine Wahl verzichtet wird, ist ein sinnvolles und gesetzlich vorgesehenes Instrument, mit dem eine ausgewogene regionale und branchenmäßige Repräsentation der Arbeitgeber und Versicherten herbeigeführt werden kann. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten bewährt, ist kostengünstig und spart insoweit den Sozialversicherungsträgern und damit den Versicherten und Arbeitgebern Beitragsmittel.

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Soziale Sicherung

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Im Fokus von Arbeits- und Tarifrecht: Tarifautonomie und flexible Beschäftigung Die Sorge um die Tarifautonomie prägte auch im Jahr 2012 die Diskussion über das Arbeits- und Tarifrecht in Deutschland. Die Entwicklung belegt: Die Tarifautonomie kann ohne die Tarifeinheit nicht funktionieren. Die Streiks der Flugbegleiterorganisation UFO und der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) für die Vorfeldmitarbeiter am Flughafen Frankfurt am Main machen nachdrücklich deutlich, dass die Tarifautonomie ohne Tarifeinheit ihre beiden wichtigsten Ziele nicht erfolgreich erfüllen kann: die Arbeitsbeziehungen zu ordnen und zu befrieden. Die BDA wird daher auch 2013 aktiv für einen Erhalt von Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie durch eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit werben. Im Fokus des Individualarbeitsrechts steht aktuell die Nutzung flexibler Beschäftigungsformen, wie z. B. Zeitarbeit und Befristung. Ebenso dazu gehören Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeitszeitregelungen, wie die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationsmittel, die Nutzung betrieblicher Arbeitszeitkonten zum Ausgleich von Arbeitszeitschwankungen und zur Gewährung von Arbeitsfreistellungen bis hin zu Lebensarbeitszeitkonten, die einen fließenden Übergang aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Ein Baustein für Spezialisierung und Arbeitsteilung sind Werkdienstverträge. Sie unterstützen Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität und sind so ein Beitrag, Wertschöpfung in Deutschland zu halten. Moderne Beschäftigungsformen und flexible Bedingungen für den Einsatz von Arbeitnehmern bieten damit Chancen für Beschäftigungssuchende und Arbeitslose. Flexible Arbeitszeiten unterstützen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und helfen insbesondere Beschäftigten mit Erziehungspflichten, den Kontakt zum Berufsleben zu halten. Diese Formen der modernen Gestaltung von Arbeit sind ein wichtiger Baustein für Wachstum, Beschäftigung und Arbeitsplatzsicherheit.

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Arbeitsrecht

Tarifeinheit – Tarifautonomie braucht Rechtssicherheit Zu Recht haben die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Dr. Frank-Walter Steinmeier auf dem Deutschen Arbeitgebertag 2012 ein klares Bekenntnis zur Tarifeinheit abgegeben. Dieses wichtige ­ Signal zeigt, dass das Anliegen der deutschen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Tarifautonomie vor ihrer Zerfaserung zu bewahren, in Deutschland breite politische Unterstützung erfährt: Die Tarifeinheit bedarf der gesetzlichen Regelung. Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie benötigen Rechtssicherheit. Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens als Markenzeichen der Tarifverträge (insbesondere der Branchentarifverträge) in Deutschland sind ohne Tarifeinheit nicht denkbar. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen wissen, was für sie gilt und woran sie sind. Das sichert die Tarifeinheit. Ohne eine gesetzliche Regelung der im Jahr 2010 von der Rechtsprechung aufgegebenen Tarifeinheit als Ordnungsprinzip des Tarifvertragssystems droht die Tariflandschaft zu zersplittern. Das jüngste Beispiel dafür ist im Jahr 2012 die Arbeitskampfsituation in der Luftverkehrsbranche. Anfang 2012 fanden am Frankfurter Flughafen Streiks statt: Keine 200 Vorfeldmitarbeiter versuchten dort, gegen die Interessen von 20.000 beim Flughafen beschäftigten Arbeitnehmern das größte Flugdrehkreuz Deutschlands lahmzulegen – und das, obwohl am Frankfurter Flughafen ein Tarifvertrag mit der Mehrheitsgewerkschaft für alle Arbeitnehmer, also auch für die Vorfeldmitarbeiter, gilt. Die Auswirkungen dieser Streiks beschränkten sich dabei nicht auf einzelne Flughäfen, sondern erfassten fast alle anderen nationalen Flughäfen und auch internationale Routen. Zu den Verlusten des bestreikten Flughafenbetreibers kamen die hohen Verluste der Airlines. Darüber hinaus hatte die Lahmlegung des Flughafenbetriebs Auswirkungen auf den Transport von Gütern für Industrieunternehmen. Der dadurch entstandene gesamtwirtschaftliche Schaden bewegt sich im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich.


Der Arbeitskampf der Vorfeldmitarbeiter sowie der Unterstützungsarbeitskampf der Fluglotsen wurden gerichtlich untersagt. Der Unterstützungsarbeitskampf war nach den Regelungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für solche Streiks unverhältnismäßig. Der Streik der Vorfeldmitarbeiter scheiterte schließlich daran, dass die GdF vergessen hatte, eine bestehende Regelung in einem Ergänzungstarifvertrag zu kündigen, der für die Vorfeldmitarbeiter galt und Friedenspflicht erzeugen konnte. Nach den Regeln der Tarifeinheit hätte man die Arbeitsgerichte überhaupt nicht einschalten müssen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber hätten hinlängliche Rechtssicherheit gehabt. Die eingetretenen erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden wären zu verhindern gewesen. Die Tarifautonomie ist ein so hohes Gut, dass Arbeitgebern, Arbeitnehmern und auch Gewerkschaften nicht zugemutet werden kann, erst Gerichtsentscheidungen zu ganz anderen tarifrechtlichen Fragen abzuwarten, bevor klar wird, ob der Arbeitskampf durchgeführt werden kann.

Am Ende der Sommerferien in Deutschland begann die UFO bei der Lufthansa einen Streik. Auch hier war das Ergebnis schließlich der Abschluss eines neuen Spartentarifvertrags. Dieser Arbeitskampf unterstreicht erneut, dass durch das Auftreten von immer neuen, für kleine Arbeitnehmergruppen agierenden Gewerkschaften die Tarifautonomie zu zerfasern droht. Es drohen immer neue Tarifforderungen mit immer neuen Arbeits- und Verteilungskämpfen, die am Ende dazu führen, dass es viele sich überschneidende Tarifverträge gibt und die Friedenspflicht des Tarifvertragssystems schlussendlich leerläuft. Das unterhöhlt die Akzeptanz von Tarifverträgen. Diese Entwicklung ist kein Spezifikum der Luftverkehrsbranche. Schon im Jahr 2011 trafen tarifeinheitswidrige Streiks den öffentlichen Nahverkehr in Bayern (im Besonderen in München und Nürnberg) sowie die Privatbahnen des Personennahverkehrs im gesamten Bundesgebiet. Hier war es die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die zweimal einen Arbeitskampf

Spartengewerkschaften – immer mehr neue Organisationen

Neue Assekuranz Gewerkschaft: neue Gewerkschaft in der Versicherungsbranche Gewerkschaft der Servicekräfte (GDS): im Bereich von Serviceunternehmen unter Beteiligung der öffentlichen Hand, speziell in Krankenhäusern Technik Gewerkschaft Luftfahrt (TGL): früher bei der Lufthansa als A.R.T.E. organisierte Berufsgruppe Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) Vereinigung Boden e. V.: unabhängiger Berufsverband der Bodenmitarbeiter im Luftverkehr Arbeitnehmergewerkschaft im Luftverkehr e. V. (AGiL)

Haben Spartengewerkschaften mit ihrer Strategie weiterhin Erfolg, werden sich immer neue Organisationen formieren und die Zahl der friedenspflichtwidrigen Streiks zunehmen. Das bedroht die gesamte Tarifautonomie. Was Vorfeldlotsen am Frankfurter Flughafen gelingt, können auch Feuerwehrleute in Chemie- oder Stahlfabriken erreichen, die die Möglichkeit haben, mit wenigen Mitarbeitern ganze Großbetriebe lahmzulegen. Entsprechendes gilt für andere Berufsgruppen, wie z. B. IT-Fachleute oder Ingenieure. Letztlich kann die ganze deutsche Industrie von solchen Minderheitenarbeitskämpfen erfasst und die friedenserhaltende Wirkung des Tarifvertragssystems zum Einsturz gebracht werden.

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Arbeitsrecht

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für einen eigenen Tarifvertrag geführt hat, obwohl schon für alle Arbeitnehmer ein Tarifvertrag mit der Mehrheitsgewerkschaft in den betroffenen Unternehmen bestand. Dieser Tarifvertrag fand auch auf die Lokführer Anwendung. Die volkswirtschaftlichen Schäden waren erheblich. Fast alle Privatbahnen sahen sich gezwungen, einen Haustarifvertrag abzuschließen. Das Muster solcher Streiks ist immer das gleiche: Obwohl ein Tarifvertrag mit der Mehrheitsgewerkschaft für alle Arbeitnehmer gilt, erzwingt die Minderheitsgewerkschaft den Abschluss eines weiteren Tarifvertrags – häufig verbunden mit einem Streik. Das gefährdet die Friedensordnung des Tarifvertragssystems. Die Unternehmen werden immer wieder und von immer neuer Seite Tarifforderungen und Arbeitskämpfen ausgesetzt. Belastbare Alternativen zur Tarifeinheit gibt es nicht. Andere Vorschläge, wie z. B. die Einführung von Quorenregelungen, würden die Wirkungen der verfehlten Rechtsprechungsänderung

noch verstärken, weil sie einen „Dauerwahlkampf“ um Mitglieder mit sich bringen. Zu Recht hatte daher die Rechtsprechung des BAG bis zum Jahr 2010 die Tarifautonomie durch den Grundsatz der Tarifeinheit gesichert und die Befriedungs- und Ordnungsfunktion von Tarifverträgen gestützt. Die Tarifautonomie ist kein deutsches Spezifikum, sie hat aber in Deutschland spezifische Merkmale, die sie erfolgreich machen. Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie sind durch den Flächentarifvertrag geprägt. Der Flächentarifvertrag hält Verteilungskämpfe aus den Betrieben heraus. In vielen Branchen sind die Tarifverträge in den letzten Jahren grundlegend modernisiert worden. Durch Öffnungsklauseln und Abweichungsmöglichkeiten haben Betriebe die Möglichkeit erhalten, auf tariflicher Grundlage den betrieblichen Verhältnissen angepasste Vereinbarungen zu treffen. Diese Ordnungs- und Befriedungsfunktion hat der Tarifvertrag nur, wenn er Rechtssicherheit schafft. Es muss klar sein, für wen welche

Tarifeinheit verfassungsgemäß Das Ziel der Tarifeinheit ist es, die Tarifautonomie bei der Ordnung und Befriedung der Arbeitsbeziehungen zu unterstützen. Sie gehört damit zu den Grundprinzipien des Tarifvertragsrechts. Eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit schließt das Tätigwerden von Spartengewerkschaften nicht aus. Es führt aber zu einer stärkeren Koordinierung und einem stärkeren Miteinander der Tarifakteure auch auf Gewerkschaftsseite und verhindert damit die Zersplitterung und Atomisierung von Tarifverhandlungen und damit die Zunahme von Arbeitskämpfen. An der Vereinbarkeit der Tarifeinheit mit dem Grundgesetz bestehen keine begründeten Zweifel. Alle von ausgewiesenen Verfassungsrechtsexperten erstellten Aufsätze belegen, dass die Tarifeinheit als Ausgestaltung der Tarifautonomie mit der Gewährleistung der Koalitionsfreiheit im Grundgesetz vereinbar ist. Dem Gesetzgeber kommt bei der Einschätzung dessen, was nötig ist, um das Tarifvertragssystem zukunftssicher zu machen, ein weiter Prognosespielraum zu. Dieser wird durch eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit, wie sie von BDA und DGB gemeinsam vorgeschlagen worden ist, nicht überschritten. Die Ausgestaltung und Bewahrung der Tarifautonomie sind vielmehr die notwendige Folge der verfassungsrechtlich verankerten Koalitionsfreiheit. Es geht nicht darum, durch Tarifeinheit Gewerkschaftsmonopole herzustellen, es geht um einen überschaubaren Rechtsrahmen, der Koalitionsfreiheit erst möglich macht.

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Arbeitsrecht


„ Die Tarifautonomie hat sich in der Krise und im Aufschwung bewährt. Um sie zu-

kunftsfähig zu machen, brauchen wir die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen wissen, woran sie sind. Während der Laufzeit eines repräsentativen Tarifvertrags muss in jedem Betrieb Friedenspflicht bestehen. Das ist eine Existenzbedingung für eine funktionierende Tarifpartnerschaft.

Stefan H. Lauer | Vorsitzender Arbeitsrechtsausschuss der BDA, Präsident Arbeitgeberverband Luftverkehr, Vorsitzender Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr, Vorstandsmitglied Deutsche Lufthansa AG

tarifvertragliche Regelung gilt, und für die Zeit ihrer Geltung muss ebenso klar sein, dass es keinen neuen Arbeitskampf um vereinbarte tarifliche Regelungen geben darf. Das gewährleistete mehr als 50 Jahre die Tarifeinheit. Weil das BAG den Grundsatz der Tarifeinheit vor gut zwei Jahren aufgegeben hat, ist es jetzt die unverzichtbare Aufgabe des Gesetzgebers, die Ordnungs- und Friedenswirkung des Tarifvertragssystems im Fall der Tarifpluralität gesetzlich zu sichern und so die Akzeptanz der Tarifautonomie in Deutschland zu wahren. Nach dem von BDA und DGB vorgeschlagenen Konzept zur gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit soll im Betrieb im Überschneidungsbereich zweier Tarifverträge der Tarifvertrag zur Aussetzung gelangen, der mit der Mehrheitsgewerkschaft abgeschlossen ist. Damit verwirklicht sich das auch aus dem Arbeitnehmerentsende­ gesetz bekannte Repräsentationsprinzip als Grundlage für die Tarifeinheit. Die unbestritten von Tarifverträgen ausgehende Friedenspflicht soll zur Ergänzung klarstellend im Tarifvertragsgesetz gesetzlich bestätigt werden. Auch zukünftig soll gelten, dass der Arbeitskampf um einen Tarifvertrag dann unzulässig ist, wenn ein Mehrheitstarifvertrag für die betroffenen Arbeitnehmer gilt. In diesem Fall würde der von einer Minderheit angestrebte Tarifvertrag nie zur Anwendung kommen. Diese beiden Kernelemente von Tarifverträgen – Ordnung des Arbeitslebens und Sicherung der Friedenspflicht – waren in der Vergangenheit und müssen auch in Zukunft durch das Tarifvertragssystem gewährleistet bleiben, soll sich der Tarifvertrag auch künftig bewähren und ein hohes Maß an Akzeptanz behalten.

Die BDA wird sich weiterhin mit Nachdruck für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit einsetzen. Ohne Tarifeinheit ist die Vertrauenspartnerschaft im Tarifverhandlungsrecht existenziell in Frage gestellt – ohne Tarifeinheit kann es zu einer Deindustrialisierung in Deutschland kommen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Tarifeinheit“

Befristungen – Beschäftigungs­ potenzial ausbauen In der öffentlichen Wahrnehmung kursiert vielfach ein verzerrtes Bild von flexiblen Beschäftigungsformen. Die Diskussion über „Normalarbeitsverhältnisse“ und vermeintlich „atypische“ Beschäftigung verstellt den Blick auf die Erfolge und Chancen, die diese Beschäftigungsformen vor allem auch für Beschäftigungssuchende eröffnen. Das gilt ganz besonders für befristete Arbeitsverhältnisse, die in der öffentlichen Diskussion vielfach als „atypisch“ dargestellt werden. Wer will, dass Arbeitsuchende Teilhabechancen am Arbeitsmarkt erhalten, muss Lösungen bereithalten, die einen erleichterten Einstieg in Arbeit ermöglichen. Gerade der überreglementierte Kündigungsschutz wird häufig zu einem Beschäftigungshindernis, da Kündigungsschutzprozesse lange Rechtsunsicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedeuten. Befristete Arbeitsverhältnisse sind eine Möglichkeit, solche Beschäftigungshemmnisse zu überwinden und den Einstieg in Arbeit zu erleichtern. Gerade Arbeit suchende junge Menschen finden so einen Ersteinstieg in den Arbeitsmarkt. Ebenso können befristete

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Arbeitsverhältnisse den Wiedereinstieg aus langer Arbeitslosigkeit erleichtern. Damit sind Befristungen keine Einbahnstraße: Mittlerweile werden gut 60 % aller befristet Beschäftigten unmittelbar in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen (IAB-Betriebspanel, 2011). Auch sind befristete Arbeitsverhältnisse kein Massenphänomen: Ihr Anteil liegt seit Jahren konstant unter 9 %. Befristete Arbeitsverhältnisse ermöglichen Unternehmen, auf eine schwankende Auftragslage zu reagieren und neue Beschäftigung aufzubauen. Die Anforderungen der Rechtsprechung an solche beschäftigungsschaffenden befristeten Arbeitsverträge sind – wie sich im Jahr 2012 erneut gezeigt hat – dabei kaum vorherzusehen. So hat das BAG überraschend den Befristungsgrund des gerichtlichen Vergleichs erheblich eingeschränkt. Ein solcher Prozessvergleich soll nach Auffassung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts nur dort ausreichen, wo der Vergleichsvorschlag vom Gericht und nicht von den Parteien unterbreitet wird – obwohl der Vergleich in jedem Fall vom Gericht protokolliert wird. Diese Unterscheidung ist dem Gesetz fremd. Gesetzliche Klarstellungen und Rechtssicherheit bleiben daher eine zentrale Herausforderung.

Das gilt ganz besonders auch für den Beschäftigungsmotor der sachgrundlosen Befristung. Bereits der Koalitionsvertrag von 2009 sieht eine Präzisierung vor. Sogar die rot-grüne Parlamentsmehrheit hatte 2005 bereits ein vergleichbares Gesetz verabschiedet, das aber wegen der Neuwahl des Bundestags nicht mehr in Kraft treten konnte. Der Gesetzgeber sollte die mehrfach angekündigte Präzisierung endlich umsetzen und letzte Rechtsunsicherheiten bei dem sog. Ersteinstellungsgebot abschaffen. Dazu muss gesetzlich festgelegt werden, dass eine Erst- (besser: Neu-) Einstellung immer dann vorliegt, wenn zwischen dem befristeten und einem vorhergehenden Arbeitsverhältnis ein Zeitraum von mindestens einem Jahr liegt. Gesetzlicher Handlungsbedarf besteht auch bei Befristungsmöglichkeiten für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit Bedrohte. Gegenwärtig kann ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer, der das 52. Lebensjahr vollendet hat, ohne sachlichen Grund auch dann abgeschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar vorher mindestens vier Monate beschäftigungslos gewesen ist. Diese Regelung ist kontraproduktiv, weil sie Beschäftigungslosigkeit

Ersteinstellungsgebot muss klargestellt werden Nach den Vorschriften im Teilzeit- und Befristungsgesetz darf ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer bereits „zuvor“ bei demselben Arbeitgeber beschäftigt gewesen ist. Die Rechtsprechung interpretiert dieses Kriterium dann als erfüllt, wenn zwischen einem befristeten Arbeitsverhältnis und einem vorhergehenden Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber ein Zeitraum von mindestens drei Jahren verstrichen ist. Damit setzt das Gericht einen berechtigten Kontrapunkt zu anderen Stimmen, die hierin ein lebenslanges Beschäftigungsverbot sehen. Zu Recht haben auch die Koalitionsparteien vereinbart, dieses Beschäftigungsverbot auf einen Zeitraum von einem Jahr weiter zu begrenzen. Dies geben sowohl die dem deutschen Befristungsrecht zugrunde liegende europäische Richtlinie wie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) her. Der EuGH akzeptiert einen Zeitraum von drei Monaten. Bis zum Jahr 2000 galt in Deutschland ein Zeitraum von vier Monaten.

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Arbeitsrecht


voraussetzt. Die erleichterte Befristung Älterer sollte vielmehr Arbeitslosigkeit, den häufigsten Fall von Beschäftigungslosigkeit, verhindern. Deshalb muss eine erleichterte sachgrundlose Befristung möglich sein, wenn Arbeitslosigkeit im Sinne des Arbeitsförderungsrechts droht. Darüber hinaus sollte die Vorschrift vom Alter des Arbeitsuchenden entkoppelt werden, damit auch junge Arbeitsuchende von ihr Gebrauch machen können. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Befristungen“

Werk- und Dienstverträge – ­Wertschöpfung in Deutschland erhalten Am 23. April 2012 fand im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales eine Anhörung zu den Anträgen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE statt, die gesetzliche Vorschriften fordern, um den Einsatz von Werk- und Dienstverträgen einzuschränken und damit ein entscheidendes Element der Wirtschaftsleistung in Deutschland zu untergraben. Trotz eindeutiger

Zahl der Befristungen unverändert, aber steigende Übernahmequote

in % 60

56,0 52,0

50

45,0

42,0

48,0

52,0 45,0

39,0

40

30

20

10

7,0

6,6

6,8

6,9

8,3

8,9

8,8

8,9

8,6

8,9

8,9

0 2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

Übernahmequote Anteil der Befristungen Quellen: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Statistisches Bundesamt, 2012

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gesetzlicher Bestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch soll die Wertschöpfung durch Werk- und Dienstverträge faktisch eingeschränkt werden. Die BDA tritt solchen Versuchen, Wertschöpfung zu beschädigen, mit Nachdruck entgegen. Arbeitsteilung und Spezialisierung sind für Unternehmen und für das Wirtschaftssystem unverzichtbar und schaffen Beschäftigung. Das gilt für typische Handwerksarbeiten. Es gilt ebenso für die Nutzung produktionsintegrierter Wertschöpfung durch sog. Inhousing. Werkdienstverträge unterstützen solche Arbeitsteilung und Spezialisierung und sichern Arbeitsplätze bei Auftraggebern und Auftragnehmern. Forderungen nach gesetzlichen Vorschriften, die den Einsatz von Werk- und Dienstverträgen behindern, sind daher höchst kontraproduktiv. Es gibt klare gesetzliche Regelungen, auf deren Grundlage jeder Einzelfall sinnvoll gewichtet werden kann. Pauschale Regelungen werden der Vielfalt der Nutzungen von Werkdienstverträgen nicht gerecht, schwächen die Wettbewerbsposition der deutschen Unternehmen und führen

damit beschäftigungspolitisch in eine Sackgasse. Die Bewertung, ob der vereinbarte Werk- oder Dienstvertrag den gesetzlichen Vorgaben folgt, bedarf der Einzelfallprüfung. Daher ist eine gesetzliche Änderung überflüssig, gefährlich und zurückzuweisen, die solche Pauschalisierungen vorsieht. Die Verhinderung von „Scheinwerkdienstverträgen“ ist ein berechtigtes Anliegen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien hierfür bieten eine hinreichend sichere Grundlage, Missbrauch entgegenzuwirken. Die Folgen nur zum Schein vereinbarter Werk- oder Dienstverträge sind rechtlich weitreichend. Teilweise wird vertreten, dass ein Arbeitsverhältnis zum Auftraggeber fingiert wird. Der Auftragnehmer haftet für erhöhte Entgeltansprüche, die dem Arbeitnehmer entgangen sind. Sehr gefährlich und verfassungsrechtlich auch hoch fragwürdig ist die ebenfalls losgetretene Diskussion über eine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Neue Mitbestimmungsrechte, die faktisch eine Ausweitung

Abgrenzung „Werkdienstvertrag – Arbeitnehmerüberlassung“ ist ­eindeutig Im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrags übernimmt der Auftragnehmer eine vertragliche Verpflichtung, die er auch mit eigenen Arbeitnehmern erfüllen kann. Er haftet seinem Auftraggeber für den vereinbarten Erfolg und organisiert daher die zur Erreichung dieses Erfolgs notwendigen Maßnahmen nach selbstgesetzten betrieblichen Maßgaben. Er bleibt für die Erfüllung des nach dem Vertrag geschuldeten Werks oder der geschuldeten Dienstleistung gegenüber dem auftraggebenden Unternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Werk- oder Dienstvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen seinen Weisungen und sind seine Erfüllungsgehilfen; sie werden nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung im Sinne der Arbeitnehmerüberlassung hingegen liegt z. B. vor, wenn ein Personaldienstleister Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, die in den Einsatzbetrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des „Entleihers“ und in dessen Interesse ausführen. Die Vertragspflicht des „Verleihers“ gegenüber dem „Entleiher“ besteht demnach primär darin, den Arbeitnehmer auszuwählen und ihn dem „Entleiher“ zur Verfügung zu stellen.

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der Mitbestimmung auf die Entscheidung bedeuten, wie der Betrieb produziert, greifen in den Kernbereich unternehmerischer Gestaltungsfreiheit ein. Das ist mit den Strukturen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht vereinbar und von der Verfassung nicht gedeckt. Es verstößt gegen die grundgesetzlich verbrieften Prinzipien einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Werkverträge sind für die Wirtschaft ein übliches und bewährtes Instrument im Geschäftsverkehr. Sie sind für Handwerk und Dienstleister der gesamten Wirtschaft eine gewohnte und faire Vertragsform. Ein erheblicher Teil der Wertschöpfung erfolgt im Rahmen von Werkverträgen. Werkverträge sind innerhalb der Betriebe und produktionsintegriert keineswegs ein neues Instrument, um im Rahmen zunehmender Arbeitsteilung und Spezialisierung effizient zu arbeiten. Beispiele für solche Arbeitsteilung und Spezialisierung gibt es im Bereich der Logistik, in der Informationstechnologie und in vielen anderen Bereichen, in denen Unternehmen die Übernahme von Dienstleistungen oder Werkleistungen anbieten.

Für die Arbeitnehmer der Werkunternehmen gilt selbstverständlich das gesamte Arbeits- und Tarifrecht. Die Vergütung der Arbeitnehmer richtet sich nach den beim Werkunternehmen geltenden Bedingungen – soweit dieses tarifgebunden ist, gelten die tariflichen Arbeitsbedingungen. Eine rechtsmissbräuchliche Anwendung von Werk- und Dienstverträgen kann mit dem geltenden Recht unterbunden werden. Werkverträge sichern so Arbeitsplätze bei den Werkunternehmen und den Einsatzbetrieben. Industrienahe Dienstleistungen sind Ausdruck dieser Entwicklung. Es besteht keinerlei Grund, das Instrument der Werkverträge zu diskreditieren, in Frage zu stellen oder durch gesetzliche Regelungen zu verändern.

Praktika bieten vielfältige Chancen Die Europäische Kommission führte im Juli 2012 eine öffentliche Konsultation zu einem geplanten „Qualitätsrahmen für Praktika“ durch. Diese Konsultation ist Teil einer Initiative, um Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen zu reduzieren.

„Generation Praktikum“ existiert nicht Das in der öffentlichen Diskussion vielfach behauptete Szenario einer „Generation Praktikum“ gibt es nicht. Lediglich 9 % der FH-Absolventen traditioneller Abschlüsse bzw. 11 % der Uni-Absolventen haben nach dem Studium ein Praktikum absolviert (HIS 2011). Und nur knapp 3 % aller Absolventen eines Prüfungsjahrgangs haben mehr als ein Praktikum absolviert. Auch eine Studie des Bundesarbeitsministeriums bestätigte diese Ergebnisse. Praktika nach Studienabschluss werden vor allem von Absolventen der Geisteswissenschaften genutzt, die während des Studiums keine Praxiserfahrungen gesammelt haben und dies nach dem Abschluss nachholen wollen. Hier werden Ausbildungen ergänzt und fehlender Praxisbezug kompensiert.

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Keine „Generation Praktikum“ Von Hochschulabgängern mit Praktikumserfahrung absolvierten …

… mehr als zwei Praktika

6

…zwei Praktika

17

… ein Praktikum

77

Durchschnittliche Dauer eines Praktikums: 14 Wochen

Angaben in % Quelle: Hochschul-Informations-System, 2011

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Das dazu erstellte Arbeitspapier geht an der Wirklichkeit des deutschen Arbeitsmarkts vorbei und ist höchst kritisch zu bewerten. So wird behauptet, dass Praktikanten teilweise ohne Vertrag beschäftigt seien, was unzutreffend ist. Gemeint sein kann höchstens, dass nicht immer ein schriftlicher Vertrag besteht. Darüber hinaus behauptet die Studie, dass immer häufiger reguläre Beschäftigung durch Praktikanten ersetzt werde. Die in Deutschland existierenden Studien belegen, dass dies nicht der Fall ist. Die BDA hat an der Konsultation teilgenommen und die gesicherte Situation von Praktikanten in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt. Neue Regelungen auf europäischer Ebene sind überflüssig. Die Bedingungen für Praktika sind gut, so lautet die Einschätzung der Praktikanten selbst. Rund zwei Drittel von ihnen schätzen z. B. das Niveau der Arbeitsaufgaben sowie den Lerngehalt ihres Praktikums als sehr gut oder gut ein. Dies ergab bereits 2007 die erste und mit über 12.000 Befragten bis heute empirisch umfangreichste und damit valideste Studie, die von der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS)

vorgelegt wurde. HIS schlussfolgerte, dass „die Bewertung des Praktikums nach dem Studium im Wesentlichen positiv ausfällt und die Absolventen das Praktikum nicht als Ausbeutung empfunden haben“. Freiwillige Praktika im Anschluss an eine Ausbildung dürfen nicht eingeschränkt werden, da sie für eine große Zahl von Absolventen die Möglichkeit bieten, in das Erwerbsleben einzusteigen und somit den Übergang von der Ausbildung oder dem Studium in eine Berufstätigkeit zügig zu bewältigen. Die BDA hat in Zusammenarbeit mit anderen Verbänden, mit dem Bundesarbeitsministerium sowie dem Bundesbildungsministerium den Leitfaden „Praktika – Nutzen für Praktikanten und Unternehmen“ erstellt. Dieser erläutert die Rechte und Pflichten der Praktikanten und dient somit als Hilfestellung sowohl für Unternehmen als auch für Praktikanten. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Praktika in der Wirtschaft“

Praktika bieten Einstieg in Arbeit Praktika sind häufig Sprungbretter in Beschäftigung. Der Vorwurf, Praktika würden als „Quelle billiger oder gar kostenloser Arbeitskraft missbraucht“ und so reguläre Beschäftigung verdrängen, ist nicht haltbar. Insbesondere Praktika während der Ausbildung können nicht einheitlich auf europäischer Ebene geregelt werden, da die national geltenden Besonderheiten der einzelnen Ausbildungsgänge stets berücksichtigt werden müssen. Eine Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ermittelte, dass in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt rd. 300.000 Arbeitsuchende eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung über ein Praktikum gefunden haben. Dementsprechend schlussfolgert das IAB, dass „Praktika keine Sackgasse sind und in vielen Fällen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung führen, oft auch aus der Arbeitslosigkeit heraus“. Dieses Sprungbrett in Beschäftigung darf nicht durch gesetzliche Überregulierung beschädigt werden.

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Datenschutz angemessen ­aktualisieren Auf europäischer und nationaler Ebene wird eine intensive Diskussion über den Datenschutz geführt. Die BDA setzt sich beim europäischen Gesetzgebungsverfahren für eine Datenschutzgrundverordnung wie beim nationalen Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz für praxis­ nahe Regelungen ein. Die von der EU-Kommission angestrebte Harmonisierung des Datenschutzes kann zu Synergieeffekten führen. Einheitliche Regelungen können auch für den Arbeitnehmerdatenschutz positiv wirken. Deshalb geht der Stellungnahme­ entwurf des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments in die falsche Richtung, denn er sieht vor, dass der Flickenteppich von 27 verschiedenen Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz bestehen bleibt. Der Datenschutz muss klar geregelt und einfach zu handhaben sein. Der Vorschlag für eine Datenschutzgrundverordnung genügt diesen Anforderungen in seiner vorliegenden Fassung nicht. Er bedarf daher der Weiterentwicklung. Kollektivvereinbarungen wie Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen stehen in Deutschland staatlich gesetztem Recht gleich und können somit Grundlage für eine rechtmäßige Datenverarbeitung sein. Die BDA macht sich für die Klarstellung stark, dass solche Regelungen auch in Zukunft Basis für den Datenschutz sein können. Daneben besteht die große Gefahr, dass durch eine Datenschutzgrundverordnung die Möglichkeit, Daten aufgrund einer Einwilligung des Arbeitnehmers zu verarbeiten, ausgeschlossen wird. Die BDA setzt sich dafür ein, die Privatautonomie zu stärken und hierzu die Einwilligung auch weiterhin im Beschäftigungsverhältnis zu erlauben. Bürokratie fördert nicht den Datenschutz, sondern Rechtsunsicherheit und bewirkt dadurch Anwendungsfehler. Daher müssen z. B. die vielfältigen Informations- und Auskunftspflichten für Unternehmen und die umfangreichen Dokumentationspflichten überdacht werden. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren muss – gerade auf europäischer Ebene – eine Regelung

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zum konzerninternen Datentransfer geschaffen werden. Der Datenaustausch zwischen Konzernen darf nicht so langwierig und bürokratisch erfolgen wie zwischen unverbundenen Dritten. Die BDA begrüßt, dass die Koalitionsfraktionen einen Antrag für eine Stellungnahme in den Bundestag eingebracht haben, der diese Kernforderungen der BDA berücksichtigt. Vergleichbare Diskussionen werden in Deutschland über den Gesetzentwurf für den Arbeitnehmerdatenschutz geführt. Die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vom Bundesinnenministerium vorgelegten Formulierungsvorschläge verbessern den vorliegenden Gesetzentwurf in wesentlichen Punkten. Weitere Ergänzungen bleiben aber nötig. Neben den Bereichen von „Einwilligung“, „Kollektivvereinbarungen“ und „Konzerndatenschutz“, die eine positive Entwicklung genommen haben, bleibt ein wesentliches Anliegen, Datenschutz als Teil der unternehmensinternen Compliance zu verstehen. Dazu muss die Bekämpfung von Rechtsverstößen und Korruption möglich bleiben und die rechtlichen Grundlagen hierfür verbessert werden. Die Aufklärung von Straftaten und Delikten durch eine gezielte Videoüberwachung in für die Allgemeinheit nicht zugänglichen Bereichen eines Unternehmens muss ebenso möglich bleiben. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Arbeitnehmerdatenschutz“

Mobile Kommunikationsmittel unterstützen Vereinbarkeit von Familie und Beruf Ein wichtiges Hilfsmittel, um Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren und Arbeitszeitflexibilität zu unterstützen, sind mobile Arbeits- und Kommunikationsmittel. Sie ermöglichen es, betriebliche und persönliche Zeitbedürfnisse aufeinander abzustimmen. Soweit eine Anwesenheit am betrieblichen Arbeitsplatz nicht notwendig ist, können Aufgaben auch von zuhause wahrgenommen werden. Mobile Arbeits- und Kommunikationsmittel stellen damit eine Chance für den Ausgleich der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern dar.


Selbstverständlich gilt auch bei der Nutzung moderner Arbeits- und Kommunikationsmittel das Arbeitszeitgesetz. Wird der Arbeitnehmer auf Anforderung seines Arbeitgebers unter Nutzung solcher Kommunikationsmittel tätig, greifen die Bestimmungen des Gesetzes in vollem Umfang,

sondern auch dazu beitragen, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Dafür setzt sich die BDA bereits seit langem ein. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Publikationen > kompakt > „Arbeitszeit“

„ Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, ist für die Wirtschaft von hoher Bedeutung, schließlich will und kann sie auf gut ausgebildete Mitarbeiter nicht verzichten. Deshalb haben die Unternehmen zahlreiche maßgeschneiderte Lösungen entwickelt, die betrieblichen und familiären Bedürfnissen gerecht werden. Gesetzliche Initiativen wie Betreuungsgeld, Frauenquote und Großelternzeit sind nicht zielführend.

Elke Strathmann | Vizepräsidentin der BDA, Vorstandsmitglied Continental AG

also auch die Vorschriften zur Höchstarbeitszeit und Mindestruhezeit. Ein Tätigwerden aus eigener Initiative fällt zwar nicht unter die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, allerdings kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Hinweise zum richtigen Gebrauch mobiler Arbeits- und Kommunikationsmittel bei der Vereinbarkeit beruflicher und privater Anforderungen unterstützen. Es ist jedoch weder im Interesse von Arbeitgeber noch Arbeitnehmer, pauschale Lösungen anzuordnen. Die BDA erstellt aktuell zum Thema „Mobile Arbeits- und Kommunikationsmittel“ und dessen Bewertung aus arbeitsrechtlicher Sicht einen Praxisleitfaden. Eine Flexibilisierung des deutschen Arbeitszeitrechts, die durch die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union (RL 2003/88/EG) möglich wird, kann ein Beitrag sein, um die Arbeitszufriedenheit und die Entzerrung von Arbeitszeiten besser zu gewährleisten. Die Arbeitszeitrichtlinie lässt eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu, demgegenüber bestimmt das deutsche Arbeitszeitgesetz eine tägliche Höchstarbeitszeit. Dadurch entsteht eine Komprimierung der Arbeit auf einen täglichen Höchstarbeitszeitraum, der eine wöchentliche Bemessung der Arbeitszeit mit einer Verteilung der möglichen Einsatzzeit über einen Zeitraum von sechs Tagen nachhaltig entgegenwirken würde. Eine solche Regelung würde nicht nur helfen, Auftragsspitzen besser zu bewältigen,

Arbeitszeitkonten: Attraktivität von Wertguthaben steigern Die Bundesregierung war verpflichtet, dem Bundestag bis zum 31. März 2012 über die Auswirkungen des „Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen“ (sog. Flexi-II-Gesetz) und zur Änderung anderer Gesetze einen Evaluationsbericht vorzulegen. Das Bundesarbeitsministerium hatte zur Vorbereitung des Berichts TNS Infratest Sozialforschung mit der Durchführung eines Forschungsvorhabens beauftragt und untersuchen lassen, in welchem Umfang die Möglichkeiten der neuen Regelungen genutzt werden. Der Bericht der Bundesregierung wurde Bundestag und Bundesrat zugeleitet. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Wertguthaben mit dem Flexi-II-Gesetz verbessert wurden. Dennoch kommt die von ihr in Auftrag gegebene Evaluation zu dem Ergebnis, dass Wertguthaben bisher nicht umfassend verbreitet sind. So bieten erst 2 % aller Betriebe Wertguthaben an. Die Verbreitung hängt dabei signifikant von der Betriebsgröße ab. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der Kritik der BDA, dass die Einrichtung von Wertguthaben insbesondere für kleine und mittlere Betriebe aufgrund der damit

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Fast jeder zweite Betrieb nutzt Arbeitszeitkonten Verbreitung flexibler Arbeitszeitregelungen auf betrieblicher Ebene, in %

26

keine

56 16

2

Quelle: TNS Infratest, 2012

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Arbeitszeitkonten mit ­Ausgleichszeitraum bis 1 Jahr

Arbeitszeitkonten mit Ausgleichszeitraum über 1 Jahr oder ohne fest definierten Ausgleichszeitraum

Wertguthaben


zusammenhängenden Bürokratie kaum zu leisten ist. Zu begrüßen ist daher, dass die Bundesregierung das Gesetz jetzt auf Bürokratie prüfen will. Zudem will das Bundesarbeitsministerium gemeinsam mit den Sozialpartnern eruieren, welche Hilfestellungen angeboten werden könnten, um die Verbreitung gerade in den kleinen und mittleren Betrieben zu steigern.

Das zentrale Anliegen bleibt, die Verrechtlichung der Flexikonten in den Betrieben zu verhindern. Die BDA wird weiter jedem Versuch massiv entgegentreten, durch Vorschriften, wie sie für Wertguthaben gelten, den Einsatz solcher Flexi­ konten zu erschweren. Die flexible Gestaltung der Arbeitszeit ist ein unverzichtbares Element deutscher Wettbewerbsfähigkeit.

Die Evaluation unterstreicht die Unterscheidung zwischen sog. Flexikonten und Wertguthaben. Während Flexikonten dazu dienen, Arbeitszeit betrieblichen und persönlichen Anforderungen anzupassen und so z. B. schwankende Auftragslagen auszugleichen, sollen Wertguthaben helfen, langfristige Ziele, insbesondere die individuelle und betriebliche Gestaltung des Erwerbslebens, zu planen. Erfreulich ist, dass die Bundesregierung sich zur eindeutigen Abgrenzung des Wertguthabenbegriffs und damit zum Anwendungsbereich von Flexi II bekennt. Die Flexikonten sind vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Diese sind mit einem Vorkommen von 44 % in den Betrieben weitaus mehr verbreitet als Wertguthaben und ein entscheidender Baustein für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Die am häufigsten genannten Gründe gegen die Einführung von Wertguthaben sind dabei organisatorische Probleme (66 %), die bilanzrechtliche Verpflichtung zu Rückstellungen (60 %) sowie das Fehlen erkennbarer Vorteile gegenüber den Flexikonten (54 %).

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Arbeitszeitkonten“

Die BDA setzt sich weiterhin für eine betriebstaugliche, den praktischen Erfordernissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern angepasste Weiterentwicklung des Flexi-II-Gesetzes und die Nutzung von Wertguthaben ein. Zentrale Punkte hierfür bleiben die Korrektur der bürokratischen Vorschriften zum Insolvenzschutz und zu den Anlagebeschränkungen ebenso wie die fehlerhafte Verzahnung mit der Sozialversicherung. So muss der gesamte Sozialversicherungsbeitrag ohne Berücksichtigung einer Beitragsbemessungsgrenze ausfinanziert werden. Außerdem wurde die Möglichkeit der sinnvollen beitragsfreien Übertragung von Wertguthaben als Baustein der betrieblichen Altersvorsorge abgeschafft.

Energiewende arbeitsrechtlich unterstützen Die Bundesregierung hat am 1. August 2012 den Gesetzentwurf zum Seearbeitsgesetz beschlossen, mit dem das Seearbeitsübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 2006 umgesetzt werden soll. Der Gesetzesvorschlag enthält daneben spezielle Regelungen für die Offshore-Industrie. Tätigkeiten in der Offshore-Industrie sind durch lange Anfahrtswege und – bedingt durch Wind und Wetter – begrenzte Einsatzzeiten gekennzeichnet. Um effiziente Einsätze offshore zu bewerkstelligen, die durch entsprechend lange Landaufenthalte ausgeglichen werden, ist insbesondere für die Errichtung und Wartung der für die Energiewende wichtigen Windparks das derzeitige Arbeitszeitgesetz nicht flexibel genug. In die richtige Richtung geht daher der im Gesetzentwurf enthaltene Vorschlag, die Bundesregierung zu ermächtigen, durch eine Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats für die Offshore-Industrie das Arbeitszeitgesetz zu ­flexibilisieren. Änderungen z. B. bei der täglichen Höchstarbeitszeit und dem Ausgleichszeitraum würden damit möglich. Intensive Arbeitseinsätze in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und entsprechende Ausgleichszeiten an Land würden zulässig. Gleichzeitig sieht der Gesetzentwurf vor, das Arbeitszeitgesetz auf die AWZ auszuweiten. Die BDA setzt sich daher mit Nachdruck dafür ein, dass diese Verordnung parallel zum Inkrafttreten des Seearbeitsgesetzes Wirkung erlangt. In der Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags am 26. November 2012 hat die BDA dies

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nochmals deutlich unterstrichen. Dies ist unerlässlich, um eine Verzögerung der Energiewende zu verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Offshore-Industrie sicherzustellen. Alternativ ist zu erwägen, die vorgesehene Flexibilisierung unmittelbar im Arbeitszeitgesetz selbst umzusetzen.

Urlaubsrecht: Gesetzliche ­Regelung bleibt notwendig Der EuGH hat mittlerweile seine Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankten in seinem Urteil vom 22. November 2011 dahingehend präzisiert, dass der Urlaub auch bei Langzeiterkrankten spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfallen kann. Das BAG ist diesem Urteil am 7. August 2012 gefolgt und hat das Bundesurlaubsgesetz dahingehend ausgelegt, dass der Urlaubsanspruch auch bei lang anhaltender Erkrankung auf längstens 15 Monate befristet ist. Die BDA setzt sich weiter für eine klarstellende Regelung im Bundesurlaubsgesetz ein. Regierung und Gesetzgeber sind aufgefordert, die Rechtsprechung im Bundesurlaubsgesetz umzusetzen. Der EuGH hat ferner zu Recht am 7. November 2012 entschieden, dass während der Kurzarbeit keine Urlaubsansprüche entstehen müssen. Arbeitgebern solle es nicht zum Nachteil werden, wenn sie Transfergesellschaften gründen, um Entlassungen abzufedern. Insofern sollen sie nicht noch möglichen Urlaubsabgeltungsansprüchen ausgesetzt sein, soweit es sich nicht um Urlaub handelt, der vor Einführung der Kurzarbeit entstanden ist.

Entgeltfortzahlungspflicht bei ­Organspende praxistauglich ­ausgestalten Am 1. August 2012 ist das Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes in Kraft getreten. Damit ist auch eine Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) verbunden. In der neu eingefügten Regelung (§ 3a EFZG) wird ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Spende von

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Organen oder Geweben geregelt. Der Arbeitgeber hat einen Erstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse des Organempfängers. Damit hat sich die Rechtslage geändert. Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung zählte der Verdienstausfall des Organspenders zu den Kosten der Krankenhilfe bzw. der Heilbehandlung des Organempfängers und war von dessen Krankenkasse bzw. Berufsgenossenschaft zu tragen. Der Organspender erhält mit der Neuregelung nach wie vor seinen Verdienstausfall ersetzt, während für den Arbeitgeber zusätzlicher Aufwand entsteht. Das vom GKV-Spitzenverband geplante Rundschreiben zur praktischen Handhabung der Neuregelung muss dazu genutzt werden, die Handhabung praxistauglich zu gestalten. Der Gesetzestext selbst lässt viele Fragen zur Umsetzung der Erstattungspflicht unbeantwortet. Die BDA hat frühzeitig beim GKV-Spitzenverband notwendigen Klarstellungsbedarf vorgetragen und wird sich dort weiterhin für eine praxistaugliche Ausgestaltung der Erstattungspflicht des Arbeitgebers im Falle der Organspende eines Arbeitnehmers einsetzen.

Aktuelle Entwicklungen im ­Elternzeitrecht Um die langen Wartezeiten auf die Elterngeldleistung zu verkürzen, ist am 18. September 2012 das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs in Kraft getreten. Dieses geht auf einen Entwurf der Länder zurück und soll die Berechnung des dem Elterngeld zugrunde liegenden Nettoeinkommens mittels pauschaler Abgabensätze und fiktiver Steuern erleichtern. Infolge der Neuregelungen soll eine deutliche Verringerung der aus den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen zu bewertenden und zu übernehmenden Positionen erreicht werden. Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung auch den Wortlaut des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) an die Rechtsprechung des EuGH zum Verhältnis von Mutterschutz und Elternzeitrecht angepasst. Der EuGH hatte entschieden, dass eine Arbeitnehmerin eine bereits angemeldete Elternzeit ohne Zustimmung des


Arbeitgebers vorzeitig beenden können muss, um die Mutterschutzfristen und die damit verbundenen Rechte nach dem Mutterschutzgesetz in Anspruch zu nehmen. Dies widerspricht der klaren und eindeutigen gesetzlichen Regelung in Deutschland, ist aber trotzdem von den zuständigen Arbeitsgerichten zu befolgen gewesen. Die Gesetzesänderung greift dies auf und stellt es faktisch klar. Die vom Bundesfamilienministerium in einem Referentenentwurf vom September 2012 geplante Ausweitung des Anspruchs auf Großelternzeit und die vorgeschlagene „Modernisierung“ des Elternzeitrechts sind überflüssig. Zahlreiche gesetzliche, tarifvertragliche und betriebliche Regelungen unterstützen bereits heute umfassend die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Darüber hinaus tragen die Arbeitgeber mit der organisatorischen und finanziellen Bewältigung der Ansprüche auf Teilzeit, Elternzeit und Pflegezeit schon erhebliche Lasten. Eine neue Belastung in Form eines auf alle Groß­eltern erweiterten Elternzeitanspruchs ist auch deshalb unzumutbar, weil bestehende Ansprüche ausreichend sind, um Betreuungsengpässe abzufedern. Hilfreicher als eine Großelternzeit wäre es, die Eltern mit einer ausreichenden und qualifizierten staatlichen Kinderbetreuung zu unterstützen. Die geplante Ausweitung der Übertragbarkeit der Elternzeit bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Ein 13-jähriges Kind ist nicht annähernd so betreuungsbedürftig wie ein Neugeborenes. Für den Arbeitgeber ist die Übertragung eines Anteils der Elternzeit auf einen Zeitraum nach Vollendung des dritten Lebensjahres mit großer personalplanerischer Unsicherheit verbunden. Deshalb müssen die Übertragungsmöglichkeiten auf ein Mindestmaß – d. h. wie bisher auf die Vollendung des achten Lebensjahres – beschränkt bleiben. Das Elternzeitrecht sollte dadurch modernisiert werden, dass es praxistauglich ausgestaltet wird. Dazu gehören zum einen, dass das Verfahren zur Antragstellung bei der Elternteilzeit vereinfacht und unterschiedliche Begrifflichkeiten vereinheitlicht werden. Zum anderen sollte – vorausgesetzt, der qualitative und

quantitative Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuung ist gewährleistet – die Elternzeit stufenweise auf zwölf Monate abgesenkt werden, um eine schnelle Rückkehr aus der Elternzeit attraktiv zu machen. Die in Deutschland mit bis zu drei Jahren im europäischen Vergleich längsten Elternzeiten haben sich negativ auf die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Außerdem sollte auch die Finanzierung der familienpolitischen Leistungen grundlegend neu geordnet werden. Alle Leistungen vor und nach der Geburt eines Kindes sollten deshalb zu einer vom Bund aus Steuermitteln finanzierten Transferleistung zusammengefasst und von einer Stelle ausgezahlt werden.

Kein Auskunftsanspruch für ­abgelehnte Bewerber Abgelehnte Bewerber haben grundsätzlich keinen Auskunftsanspruch gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber, ob und aufgrund welcher Kriterien ein anderer Bewerber eingestellt wurde. Das gilt auch dann, wenn der Bewerber die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt. Dies hat der EuGH bestätigt. Zu Recht lehnt er eine generelle Ausforschungsmöglichkeit für abgelehnte Bewerber ab, welche von den EU-Richtlinien nicht bezweckt wird. Erst recht gibt es keinen allgemeinen Anspruch darauf, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Auch nach diesem Urteil besteht keine Notwendigkeit, Absageschreiben regelmäßig zu begründen. Zudem bleibt es dabei, dass private Arbeitgeber in ihrer Entscheidung frei sind, z. B. auch einen weniger qualifizierten Bewerber einzustellen. Ausschließlich in sehr wenigen Ausnahmefällen kann es sinnvoll sein, der Vermutungswirkung einer Diskriminierung durch Nennung von Auswahlkriterien oder Herausgabe der anonymisierten Daten des schlussendlich erfolgreichen Bewerbers entgegenzutreten. Weitere Hinweise, wie die nicht ganz eindeutigen Vorgaben des EuGH in die Praxis umzusetzen sind, wird die noch ausstehende Umsetzungsentscheidung des BAG geben. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Antidiskriminierung“

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Gesetzliche Regelungen zum Whistleblowing überflüssig

Mitbestimmung bleibt reform­bedürftig

Eine überraschende und falsche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus dem Jahr 2011 hat auch im Jahr 2012 erneut vereinzelt zu der Forderung geführt, eine gesetzliche Regelung für Informanten aus Unternehmen einzuführen. Eine weitere gesetzliche Regelung zum Schutz von sog. Whistle­ blowern ist überflüssig; die geltende Rechtslage gewährleistet einen ausreichenden Schutz. Neben den bereits existierenden Anzeigerechten ist ein ungeschriebenes Anzeigerecht schon heute von der Rechtsprechung anerkannt.

Das Betriebsverfassungsgesetz ist im Laufe seines 60-jährigen Bestehens zum „Grundgesetz“ des betrieblichen Miteinanders von Arbeitgeber und Betriebsrat geworden. Die betriebliche Mitbestimmung ist überwiegend geprägt von der vom Gesetz gewollten vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebspartner. Dies hat zuletzt die Krisenbewältigung in den Jahren 2008 und 2009 eindrucksvoll bewiesen. Arbeitgeber und Betriebsräte haben, wenn es darauf ankam, unterstützt durch die Tarifvertragsparteien gemeinsam und zum Wohl des Betriebs gewirkt.

Eine Vielzahl von Unternehmen hat sich dafür entschieden, Whistleblowing betrieblich zu regeln. Manche Unternehmen haben zusätzlich zu einer betriebsinternen Kontrollstelle einen Ombudsmann bestellt, der allen Mitarbeitern für Verdachtsfragen und für unverbindliche Vorgespräche bereitsteht. Andere Unternehmen haben eine Telefon-Hotline installiert, die über eine externe Kanzlei oder eine interne Abteilung läuft. Über diese können Mitarbeiter anonym Vorgänge mitteilen, die sie für fragwürdig oder rechtlich bedenklich halten.

Seit 1952 haben sich die Wirtschaft und damit auch die betrieblichen Anforderungen stark verändert. Diesen neuen Anforderungen ist die letzte Novellierung 2001 nicht gerecht geworden. Stattdessen wurden Gremien aufgebläht und mit sog. erleichterten Wahlvorschriften und neuen Mitwirkungsrechten der Versuch unternommen, statische Regelungen zu zementieren, anstatt sie weiterzuentwickeln und durch Öffnungsklauseln Arbeitgeber und Betriebsrat ein Mehr an Handlungsspielräumen zu eröffnen. So wurde der Reformbedarf zum Reformstau und der Gesetzgeber bleibt gefordert. Das gilt für die Mitwirkung im Betrieb ebenso wie für die Mitbestimmungsregeln auf Unternehmensebene. Das Ziel heißt nicht Abbau, sondern Umbau, mehr Flexibilität und mehr Vereinbarungslösungen. Hierfür wird die BDA sich auch in der kommenden Legislaturperiode einsetzen.

Die BDA hat in vielen Podiumsgesprächen und Anhörungen klar auf die Überflüssigkeit und Gefährlichkeit einer gesetzlichen Regelung hingewiesen. Die geltende Rechtslage unterstützt betriebliche, jeweils auf die Unternehmen maßgeschneiderte Regelungen. Durch pauschalisierende gesetzliche Regelungen gerät die Differenziertheit der bestehenden Vereinbarungen und innerbetrieblichen Regelungen in Gefahr. Dies belastet Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit neuer und vor allem überflüssiger Rechtsunsicherheit. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > argumente > „Whistleblowing“

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Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Betriebliche Mitbestimmung“ und „Mitbestimmung auf Unternehmensebene“


Neues Mediationsgesetz in Kraft getreten Am 26. Juli 2012 trat das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung in Kraft. Kernstück ist das Mediationsgesetz (­MediationsG), das die verschiedenen Anforderungen an das außergerichtliche Mediationsverfahren sowie die Aufgaben und Pflichten von Mediatoren regelt. Darüber hinaus werden im Zuge der Novelle die bisher praktizierten länderspezifischen Modelle der gerichtsinternen Mediation bis August 2013 in ein sog. erweitertes Güterichterkonzept überführt. Ergänzt wurde auch das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), insbesondere um eine Möglichkeit zur Verweisung der

Güteverhandlung an den Güterichter. Der Güterichter darf alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen. Die Bezeichnung „Mediator“ bleibt außergerichtlichen Streitschlichtern vorbehalten.

Leistungsschutzrecht für ­Presseverleger Den Gesetzentwurf eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger verabschiedete das Bundeskabinett am 29. August 2012. Mit dem Gesetz soll ein bereits seit Jahrzehnten immer wieder unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiertes und im Koalitionsvertrag 2009 vereinbartes Schutzrecht für Presseerzeugnisse eingeführt werden.

Mediationsgesetz: Überblick über wesentliche Neuregelungen

Das Mediationsverfahren wird legal definiert (§ 1 MediationsG). Die Aufgaben des Mediators, einzelne Verfahrensanforderungen sowie die Verschwiegenheitspflicht werden in §§ 2 und 4 MediationsG geregelt.

Anforderungen an die Aus- und Fortbildung zum zertifizierten Mediator werden in den §§ 5 und 6 MediationsG festgeschrieben. Nähere Bestimmungen kann das Bundesjustizministerium durch Rechtsverordnung regeln.

Im Arbeitsgerichtsverfahren kann der vorsitzende Richter die Parteien für die Güteverhandlung an den sog. Güterichter verweisen (§ 54 Abs. 6 ArbGG) – laut Gesetzesbegründung jedoch nur im Einverständnis mit den Parteien (BT-Dr. 17/8058, S. 22).

Das Gericht kann den Parteien zudem jederzeit eine außergerichtliche Mediation vorschlagen. Bei Annahme des Vorschlags ruht das Verfahren (§ 54a ArbGG).

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Der Schutz von Eigentumsrechten ist für die Wirtschaft unverzichtbar. Das gilt auch für das geistige Eigentum von Presseverlagen. Der Entwurf zur Einführung eines Leistungsschutzrechts ist daher grundsätzlich berechtigt und notwendig. Er schließt eine Lücke im Urheberrecht und gewährt Presseverlegern einen ähnlichen Schutz wie anderen Werkmittlern. Die künftige Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts darf jedoch nicht zu unkalkulierbaren Mehrkosten für Unternehmen bei der täglichen Nutzung von Presseerzeugnissen führen. Erforderlich ist ein fairer Interessenausgleich zwischen Schutzrechtsinhabern, also Verlegern und Autoren, und der Wirtschaft. Es ist daher zu begrüßen, dass der Entwurf keine pauschalen Abgaben für die Wirtschaft vorsieht und damit freiwillige Lizenzmodelle ermöglicht.

Bürokratieabbau im Austausch mit der Wirtschaft erfolgreich ­fortsetzen Wie von der BDA seit langem gefordert, werden bei zukünftigen Gesetzesvorhaben nicht nur die Kosten für Informationspflichten gemessen, sondern der gesamte Aufwand, der durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Norm entsteht (sog. Erfüllungsaufwand). Damit ist ein wichtiger Schritt getan, um die Kosten, die durch Rechtsetzung entstehen und der Wirtschaft als Investitionskapital für die Schaffung von Arbeitsplätzen entzogen werden, aufzudecken. Die gesetzliche Regelung allein entbindet die Bundesregierung aber nicht davon, ihre Bemühungen im Bürokratieabbau zu verstärken. So ist nach wie vor unklar, wie die Bundesregierung das 2006 gesetzte Ziel, 25 % der damals gemessenen Kosten durch Informationspflichten abzubauen, erreichen will. Die in ihrem Beschluss vom 14. Dezember 2011 festgesetzten Eckpunkte sind zum größten Teil noch nicht umgesetzt bzw. beim Normanwender angekommen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Grundsätzlich positive Akzente hat die Bundesregierung mit ihrem am 28. März 2012 beschlossenen „Arbeitsprogramm bessere Rechtsetzung“ gesetzt. Sie hat sich nicht nur das Ziel gesteckt, den Erfüllungsaufwand dauerhaft

70

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Arbeitsrecht

niedrig zu halten, sondern auch beschlossen, gemeinsam mit der Wirtschaft Vereinfachungen bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern zu erarbeiten. Im Rahmen der Projektgruppe „Einfacher beschäftigen“ tauschen sich Vertreter der Bundesministerien, der Geschäftsstelle Bürokratieabbau, des Sekretariats des Normenkontrollrats und der Wirtschaft seit Februar 2012 regelmäßig dazu aus, in welchen Bereichen Vereinfachungen und Abbau bürokratischer Belastungen herbeigeführt werden können. In diesem Rahmen wird sich die BDA weiterhin für eine spürbare Entlastung von überflüssiger Bürokratie einsetzen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Publikationen > kompakt > „Bürokratieabbau“


Milliarden für die Bürokratie Bearbeitungskosten der Unternehmen für die zehn teuersten gesetzlichen Regelungen im Jahr 2012, in Mio. €

3.469

Abgabe der Umsatzsteuererklärung Jahres- und Konzernabschluss­ erstellung für Kapitalgesellschaften

3.271 3.218

Allgemeine Buchführung 2.892

Aufbewahrung von Rechnungen 2.287

Ausstellung von Rechnungen Stichtagsinventur große Einzelkaufleute

1.780 1.464

Gewerbesteuererklärungspflicht Körperschaftsteuer­erklärungspflicht

1.207

Beratungs- und Dokumentationspflicht für Versicherungen Erklärung innergemeinschaft­licher Lieferungen im Besteuerungs­verfahren (ohne Gelangensbestätigung)

893

854 0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

in Mio. €

Quellen: Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2012

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Arbeitsrecht

71




Tarifabschlüsse 2012 – ­Spiegelbild einer robusten ­Wirtschaftslage Das Tarifjahr 2012 spiegelt in erster Linie den stabilen Wachstumspfad der deutschen Wirtschaft in den ersten zwei Quartalen wider. Die anhaltenden Risiken der europäischen Staatsschuldenkrise und die daraus folgende merkliche Abschwächung der konjunkturellen Dynamik auch im deutschen Wirtschaftsraum erfordern zwingend die Beibehaltung einer produktivitätsorientierten und differenzierten Tarifpolitik.

tabellarischer Entgeltanhebungen oder auch Nullmonate, um die langfristige Belastung für die Betriebe zu mindern. Im Mittelpunkt des tarifpolitischen Interesses standen im Frühjahr 2012 die Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der chemischen Industrie. Den Auftakt der Tarifrunden bildeten die Tarifabschlüsse der Deutsche Post AG und der Deutsche Telekom AG sowie die Tarifvereinbarung für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes im Bund und in den Kommunen.

„ Dass wir heute in Deutschland ein Rekordniveau bei der Anzahl der Beschäftigten haben, ist vor allem auch das Resultat einer branchendifferenzierten, flexiblen und produktivitätsorientierten Tarifpolitik in den letzten Jahren.  “ Ingo Kramer | Vizepräsident der BDA, Präsident Die Unternehmensverbände im Lande Bremen, Geschäftsführender Gesellschafter Firmengruppe J. Heinr. Kramer

Der deutliche Schwerpunkt dieses Tarifjahres waren die Tarifabschlüsse der ersten Jahreshälfte. Fast durchgängig lagen die Tariflohnforderungen der Gewerkschaften auf einem überaus hohen Niveau. Da vor allem die ersten zwei Quartale durch einen wirtschaftlichen Aufwind gekennzeichnet waren, konnten die Arbeitnehmer vielfach am Erfolg der Unternehmen beteiligt werden. Damit bestätigte sich der richtige Grundsatz: Wenn es den Unternehmen gut geht, muss es auch den Arbeitnehmern gut gehen. So lagen die Abschlussraten der diesjährigen Tarifvereinbarungen mehrheitlich über 3 %, wobei die Spannbreite der tarifvertraglich vereinbarten Lohnsteigerungen zwischen 2 und 4,5 % variierte. Dies zeigt, dass die Erwartungen hinsichtlich Auftragseingängen, Produktivitätsentwicklung sowie Auswirkungen der Eurokrise in den Branchen ganz unterschiedlich ausfielen. Trotz der durchaus differenzierten Bandbreite an Lohnsteigerungen wurde ein tarifpolitisches Instrument auch dieses Jahr mehrheitlich von den Tarifvertragsparteien genutzt: Oftmals stehen zu Beginn der Laufzeit der Entgeltvereinbarung Einmalzahlungen statt

74

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik

Die Deutsche Post AG und ver.di schlossen am 12. Januar 2012 einen Tarifvertrag ab, der für die ersten drei Monate der 15-monatigen Laufzeit eine Einmalzahlung von 400 € vorsieht. Es erfolgt eine Entgeltanhebung von 4 %, von denen 0,5 % in den im Herbst 2011 vereinbarten Demografiefonds fließen, der eine Erhöhung der Zuzahlungen an die Mitarbeiter während der Altersteilzeit ermöglicht. Am 31. März 2012 einigten sich die Tarifparteien im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen auf eine dreistufige Entgeltanhebung bei einer 24-monatigen Laufzeit. So wurden bzw. werden die Tarifentgelte zum März 2012 um 3,5 %, zum Januar 2013 um 1,4 % sowie zum August 2013 um 1,4 % erhöht. Nach einem Schlichtungsergebnis für die Deutsche Telekom AG und der Einigung für die Telekom Deutschland GmbH mit ihren Servicegesellschaften wurden die dreigliedrigen Tarifverhandlungen im Konzern Deutsche Telekom AG mit dem Verhandlungsergebnis zwischen ­ ver.­ di und T-Systems im Mai 2012 beendet. Für die drei


Bereiche wurden dreistufige Entgeltanhebungen von insgesamt 6,5 % vereinbart. Die Laufzeit bei der Deutsche Telekom AG sowie der Telekom Deutschland GmbH/Servicegesellschaften beträgt 24 Monate und bei T-Systems 27 Monate. Die variable Entgeltsystematik wird in allen Segmenten auf ein System des ergebnisbezogenen Entgelts umgestellt.

Prof. Dr. Hundt als angemessen und der Situation in der Branche gerecht werdend begrüßte. Die Entgelte wurden nach einem Nullmonat bei einer Gesamtlaufzeit von 13 Monaten um 4,3 % erhöht. Die in der chemischen Industrie am 24. Mai 2012 vereinbarte Entgeltanhebung von 4,5 % nach einem Nullmonat ist vor allem aufgrund der langen Laufzeit von 19 Monaten und der betrieblichen Abweichungsmöglichkeiten vertretbar.

Für die Metall- und Elektroindustrie wurde am 19. Mai 2012 in Baden-Württemberg ein Pilotabschluss erzielt, den Arbeitgeberpräsident

Arbeitnehmer werden am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt Veränderungen der monatlichen Tarifverdienste gegenüber Vorjahresmonat

in % 3,5 3,2 3,0

2,5 2,1 2,0

1,8 1,5

1,5

1,0

2,2 2,0

0,9

0,5

0 Januar 2011

April 2011

Juli 2011

Oktober 2011

Januar 2012

April 2012

Juli 2012

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2012

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik

75


Tarifabschlüsse 2012 – branchenkonform und differenziert Tarifbereich (Laufzeit)

Eckpunkte Tarifabschluss

Deutsche Post AG (Jan. 2012 bis Mrz. 2013)

400 € Einmalzahlung, 4,0 % ab Apr. 2012

Eisen- und Stahlindustrie (Feb. 2012 bis Mai 2013)

160 € Einmalzahlung, 3,8 % ab Mrz. 2012

Deutsche Lufthansa AG, Boden (Jan. 2012 bis Jan. 2013)

3,5 % ab Jan. 2012

Kunststoff verarbeitende Industrie (Jan. 2012 bis Apr. 2013, regional angepasst)

240 € Einmalzahlung (regional differenziert, Mitteldtl. keine EZ), 3,5 % ab Mai 2012 (Mitteldtl. ab Feb. 2012)

Feinkeramische Industrie, West (Dez. 2011 bis Mrz. 2013)

3,1 % ab Feb. 2012

Kali- und Steinsalzindustrie (Jan. 2012 bis Mrz. 2013)

150 € Einmalzahlung, 3,8 % ab Feb. 2012

Zuckerindustrie (Apr. 2012 bis Mrz. 2013)

3,6 % ab Apr. 2012

Öffentlicher Dienst, Bund + Gemeinden (Mrz. 2012 bis Feb. 2014)

3,5 % ab Mrz. 2012, 1,4 % ab Jan. 2013, 1,4 % ab Aug. 2013

Deutsche Telekom AG (Feb. 2012 bis Jan. 2014)

2,3 % ab Mai 2012, 2,1 % ab Jan. 2013, 2,1 % ab Aug. 2013

Metall- und Elektroindustrie (Mrz. 2012 bis Apr. 2013)

4,3 % ab Apr. 2012

Chemische Industrie (Mai 2012 bis Dez. 2013, regional angepasst)

4,5 % ab Jun. 2012 (kann durch BV aus wirtschaftlichen Gründen um zwei Monate verschoben oder auf den ersten Monat der Gesamtlaufzeit vorgezogen werden)

Private Abfallwirtschaft (Jan. 2012 bis Dez. 2013)

275 € Einmalzahlung, 2,7 % ab Apr. 2012, 2,1 % ab Jan. 2013

Volkswagen AG (Jun. 2012 bis Jun. 2013)

4,3 % ab Jun. 2012

Banken (Mrz. 2012 bis Apr. 2014)

350 € Einmalzahlung, 2,9 % ab Jul. 2012, 2,5 % ab Jul. 2013

Deutsche Bahn AG, Lokführer (Jul. 2012 bis Jun. 2014)

3,8 % ab Jul. 2012, 2,4 % ab Nov. 2013

Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie (Sep. 2012 bis Aug. 2014)

3,1 % ab Nov. 2012, 3,0 % ab Nov. 2013

Textil- und Bekleidungsindustrie (Nov. 2012 bis Okt. 2014)

240 € Einmalzahlung*, 3,0 % ab Mai 2013*, 2,0 % ab Jun. 2014 (*können durch BV aus wirtschaftlichen Gründen mit Beschäftigungszusage flexibilisiert werden)

Quelle: BDA-Tarifarchiv, 2012

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik


Die Tarifvertragsparteien im Bankengewerbe einigten sich am 6. Juni 2012 auf einen Tarifabschluss, der bei einer 26-monatigen Laufzeit für die ersten vier Monate eine Einmalzahlung von 350 € vorsieht. Die Entgelte werden abschließend in zwei Stufen um 2,9 % im Juli 2012 und um 2,5 % zum Juli 2013 angehoben. Das am 24. Juli 2012 bei der Deutsche Bahn AG vereinbarte Tarifergebnis für die Lokomotivführer ist als fairer Abschluss zu bewerten. Bereits in der zweiten Verhandlungsrunde einigte sich der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister (Agv MoVe) mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) auf eine zweistufige Erhöhung der Entgelte sowie eine Erhöhung der betrieblichen Altersvorsorge. So wurden die Tariflöhne rückwirkend zum Juli 2012 um 3,8 % und im November 2013 um weitere 2,4 % angehoben. Darüber hinaus zahlt der Arbeitgeber ab November 2013 1 % des tarifreagiblen Entgelts mehr in einen Pensionsfonds für die Lokomotivführer der Deutsche Bahn AG ein. Die Laufzeit von insgesamt 24 Monaten bietet die notwendige Planungssicherheit in konjunkturell unsicheren Zeiten. Der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie gelang bereits in der zweiten Verhandlungsrunde mit ver.di ein Ergebnis. So wurden zum November 2012 die Entgelte um 3,1 % und werden zum November 2013 um 3 % angehoben. Auch dieser Abschluss stellt durch seine lange Laufzeit von 24 Monaten und die zwei Nullmonate zu Beginn der Laufzeit des Tarifvertrags ein ausgewogenes Ergebnis dar. Am 7. November 2012 einigten sich der Gesamtverband textil+mode und die IG Metall auf einen Tarifabschluss für die Beschäftigten der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie. Bei einer Laufzeit von insgesamt 24 Monaten wurden zwei Nullmonate sowie darauf folgende Einmalzahlungen von insgesamt 240 € vereinbart. Die erste tabellarische Tariflohnanhebung von 3 % setzt erst nach sechs Monaten im Mai 2013 ein, die nächste Stufe mit 2 % folgt im Juni 2014. Sowohl die Einmalzahlung als auch die erste Tabellenanhebung sind betrieblich abdingbar.

Insgesamt knüpfen die vereinbarten Tariflohnsteigerungsraten aufgrund der bis zum jeweiligen Zeitpunkt stabilen wirtschaftlichen Situation hierzulande mehrheitlich an das Niveau aus dem Jahr 2011 an. Aufgrund des verhaltenen Konjunkturausblicks ist es jedoch umso entscheidender, auch bei künftigen Tariflohnverhandlungen die Orientierungsmarke der branchenspezifischen Produktivitätsentwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. Denn die künftige Verfassung der deutschen Wirtschaft und deren Auswirkungen auf eine weiterhin positive Arbeitsmarktentwicklung hängen nicht allein von den Entwicklungen in den EU-Krisenstaaten, sondern vor allem auch von der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens­ standorts Deutschland ab.

Tarifliche Differenzierungs­ möglichkeiten sind weiterhin wichtiges Instrument Die Vereinbarung von tariflichen Öffnungsklauseln in den letzten Jahren hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland und damit der hiesige Arbeitsmarkt insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut aufgestellt ist. Die betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten bieten den Unternehmen die Flexibilität und die Freiräume, die sie brauchen, um auf Auftragsschwankungen reagieren zu können und so selbst in konjunkturell schwierigen Zeiten wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch im Jahr 2012 wurden vereinzelt wieder Öffnungsklauseln vor allem im Bereich der Entgeltgestaltung ausgehandelt. So können z. B. vereinbarte Einmalzahlungen verschoben oder reduziert bzw. tabellarische Entgeltanhebungen verschoben, aber auch vorgezogen werden. Die Tarifvertragsparteien der chemischen Industrie vereinbarten z. B. wiederholt eine Öffnungsklausel im Entgeltbereich, wonach durch eine Betriebsvereinbarung die Tariflohnanhebung aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu zwei Monate verschoben werden kann. Im Fall einer besonders positiven Wirtschaftsentwicklung können Arbeitgeber und Betriebsrat durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung die vereinbarte Entgeltsteigerung auf den ersten Monat der Gesamtlaufzeit vorziehen. Diese Vereinbarung zeigt deutlich,

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik

77


dass Flexibilität für die Betriebe keine Einbahnstraße ist, sondern bei guter wirtschaftlicher Lage auch zu einem Plus für die Arbeitnehmer führt. In der Textil- und Bekleidungsindustrie können aus wirtschaftlichen Gründen rein betrieblich unter der Bedingung einer Beschäftigungszusage sowohl die Einmalzahlungen gekürzt, um vier Monate verschoben werden oder vollkommen entfallen als auch die erste Tarifsteigerungsrate um einen Prozentpunkt bis einschließlich Ende November 2013 teilweise oder vollständig abgesenkt werden. Bei guter wirtschaftlicher Lage können die monatlichen Einmalzahlungen auch bis auf das Doppelte angehoben sowie die Tariferhöhung um bis zu sechs Monate vorgezogen werden. Auch der im Januar vereinbarte Tarifabschluss der Kunststoff verarbeitenden Industrie in Hessen sah Flexibilisierungsmöglichkeiten im Bereich der Einmalzahlung vor: Sie konnte aus wirtschaftlichen Gründen durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung bis Ende Juni 2012 verschoben werden oder vollkommen entfallen; außerdem konnte die Auszahlung in vier Teilbeträgen oder als Gesamtsumme erfolgen.

akzeptable Lösung zu finden. Die Entscheidung über den betrieblichen Bedarf und damit die Zahl der unbefristet zu Übernehmenden bleibt danach beim Arbeitgeber. Nach wie vor besteht kein individueller Anspruch auf unbefristete Übernahme der Ausgebildeten. Begrüßenswert sind die besonderen Anstrengungen, die die Metall- und Elektroindustrie mit den tariflichen Vereinbarungen zur Förderung ausbildungsschwacher Jugendlicher übernimmt. So sollen mit dem Tarifvertrag „Förderjahr“ verbunden mit einer Sozialpartnervereinbarung mittels verschiedener Unterstützungs- und Fördermaßnahmen neue Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven geboten werden. Dabei regelt der Tarifvertrag die Bedingungen solcher Maßnahmen, die Entscheidung für die Durchführung liegt jedoch beim Betrieb, was eine Orientierung an den Gegebenheiten und Bedürfnissen vor Ort ermöglicht. Auch für die Angestellten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen wurde im Rahmen der Tarifvereinbarung von Ende März 2012 eine Regelung zur Übernahme von Ausgebildeten getroffen. So werden die Ausgebildeten vorerst al-

„ Der Flächentarifvertrag ist keine Konfektionsware von der Stange mehr, sondern

hat sich in den zurückliegenden Jahren zu dem entwickelt, was man heute „Maßkonfektion“ nennt. Weil diese Maßkonfektion an wichtigen Stellen flexibilisiert werden kann, ergibt sich auf betrieblicher Ebene eine nahezu optimale Passform. Das war ein wichtiger erster Schritt zur Anpassung des Flächentarifvertrags an konjunkturelle und betriebliche Herausforderungen.

Dr. Rainer V. Dulger | Vizepräsident der BDA, Präsident GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, Geschäftsführender Gesellschafter ProMinent Dosiertechnik GmbH

Auch das Thema „Übernahme von Ausgebildeten“ spielte in den Tarifrunden eine erhebliche Rolle. Insbesondere die IG Metall forderte in den Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie eine entsprechende generelle tarifvertragliche Verpflichtung. Es ist jedoch im Interesse der Ausbildungsbereitschaft gelungen, diese inakzeptablen Forderungen der Gewerkschaften abzuwehren und mit der IG Metall eine für die Betriebe

78

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik

lein im Falle eines dienstlichen bzw. betrieblichen Bedarfs für die Dauer von einem Jahr übernommen. Nur wenn sich der Ausgebildete bewährt, wird diese Übernahme anschließend entfristet. Die Tarifvertragsparteien im Bankengewerbe unterzeichneten im Rahmen des Tarifabschlusses vom Juni 2012 eine Ausbildungserklärung, in der sie den seit Jahren gemeinsam vertretenen


Tarifjahr 2012/2013 – Kurs einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik fortsetzen Kündigungsmonat

Branche

Tarifgebiete

Beschäftigte in 1.000

Gewerkschaft

Zigarettenindustrie Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Deutsche Bahn AG Steinkohlebergbau Öffentlicher Dienst (Länder ohne HE und BE) Öffentlicher Dienst Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie Energieversorgung

West West + Ost West + Ost West + Ost West + Ost

10 70 135 29 700

NGG IG BAU/ver.di EVG IG BCE ver.di/dbb-Tarifunion

HE West + Ost

55 170

ver.di/dbb-Tarifunion IG Metall

AVE TG Energie RWE-Bereich West + Ost

30 25 55

ver.di/IG BCE ver.di/IG BCE MB

2012 Dezember

Öffentlicher Dienst – Ärzte kommunaler KH Schuhindustrie

West + Ost

IG BCE

2013 Januar

Deutsche Lufthansa AG – Boden + LSG

West + Ost

33

ver.di

Februar

Elektrohandwerk Spedition und Logistik Stahlindustrie Öffentlicher Dienst TdL – Ärzte an Unikliniken Energieversorgung

West NW West + Ost West + Ost

35 140 93 22

IG Metall ver.di IG Metall MB

AVE-Bereich Vattenfall-Bereich

5 15

ver.di IG BCE

März

Baugewerbe Textil- und Bekleidungsindustrie Zuckerindustrie Kunststoff verarbeitende Industrie Versicherungswirtschaft – Innendienst Deutsche Post AG Feinkeramische Industrie Kali- und Steinsalzindustrie Groß- und Außenhandel Einzelhandel

West + Ost Ost West + Ost HE, Mitteldtl. West + Ost West + Ost West West + Ost West + Ost West + Ost

700 18 6 40 160 130 25 9 1.600 2.900

IG BAU IG Metall NGG IG BCE ver.di/DBV/DHV ver.di IG BCE IG BCE ver.di ver.di

April

Süßwarenindustrie Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie Kautschukindustrie Elektrohandwerk Metall- und Elektroindustrie

West + Ost HE

50 11

NGG IG Metall

West + Ost BW West + Ost

66 39 3.300

IG BCE IG Metall IG Metall

Mai

Papierindustrie Stahlindustrie Deutsche Seehafenbetriebe Kfz-Handwerk

West + Ost SL West + Ost BW, HE

50 15 15 100

IG BCE IG Metall ver.di IG Metall

Juni

Volkswagen AG

West

100

IG Metall

Juli

Zeitungsverlage

West + Ost

14

DJU in ver.di/DJV

September

Maler- und Lackiererhandwerk

West + Ost

140

IG BAU

Oktober

Zeitarbeit (BZA [BAP] + iGZ) GaLaBau Gebäudereinigerhandwerk

West + Ost West + Ost West + Ost

150 80 800

DGB-TG IG BAU IG BAU

Dezember

Druckindustrie Entsorgungswirtschaft Chemische Industrie

West + Ost West + Ost West + Ost

160 20 550

ver.di ver.di IG BCE

Quelle: BDA-Tarifarchiv, 2012

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik

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Grundsatz „Ausbildung vor Übernahme“ betonen. Man setzt sich gemeinsam für die Übernahme von Ausgebildeten ein, ohne jedoch die Betriebe zu verpflichten oder ihnen eine fixe Quote aufzuerlegen. Regelungen zur unbefristeten Übernahme von Ausgebildeten mit betrieblichen Abweichungsmöglichkeiten wurden zudem in Regionen der Eisen- und Stahlindustrie getroffen. In Teilen der Ernährungsindustrie sowie in Regionen des KfzHandwerks wurden Regelungen zu befristeten Übernahmen vereinbart. Mehrheitlich wurde bei diesen Regelungen eine gute Kompromisslinie gefunden. Entscheidend ist, die Betriebe nicht in ihrer notwendigen Flexibilität einzuschränken und die Ausbildungsbereitschaft zu beschränken. Die

unternehmerische Entscheidung, ob und wie viele Ausgebildete endgültig übernommen werden, muss beim Arbeitgeber bleiben.

Zentrales Thema des Tarifjahres: Zeitarbeit Ein dominierendes Thema der Tarifrunden war 2012 die Zeitarbeit. In der Metall- und Elektroindustrie stand die Forderung der IG Metall nach mehr Mitspracherechten von Betriebsräten beim Einsatz von Zeitarbeit im Raum. Ursprünglich wollte die IG Metall auch die Bezahlung der Zeitarbeitnehmer im Branchentarifvertrag der Metallund Elektroindustrie regeln. Gesamtmetall wehrte diese Forderung erfolgreich ab und verwies auf die

Die Hälfte aller Zeitarbeitnehmer arbeitet im verarbeitenden Gewerbe Anteil der Zeitarbeitnehmer nach ausgeübter Tätigkeit, in % (im Dez. 2011)

Verkehr, Logistik

Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung (u. a. M+E, chemische Industrie)

17,5

49,5

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2012

80

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik

8,7

Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht, Verwaltung

5,9

Schutz und Sicherheit

5,3

Kaufmännische Dienstleistungen, Handel, Vertrieb, Tourismus

4,7

Gesundheit, Soziales, Lehre, Erziehung

4,4

Bau, Architektur, Vermessung, Gebäudetechnik

1,8

Naturwissenschaft, Geografie, Informatik

1,4

Geisteswissenschaften, Natur, Gestaltung

0,4

Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau

0,3

Keine Zuordnung möglich


parallel laufenden Verhandlungen der Zeitarbeitgeberverbände mit der IG Metall. Im Branchentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie wurde zudem eine vertretbare Lösung gefunden, die den betrieblichen Bedürfnissen nach Flexibilität und unternehmerischer Entscheidungsfreiheit Rechnung trägt. So bleibt der Einsatz von Zeitarbeit innerhalb der ersten zwei Jahre nahezu unverändert möglich. Nach 24 Monaten hat der Zeitarbeitnehmer einen Anspruch auf ein Übernahmeangebot, soweit kein Sachgrund für den weiteren Einsatz als Zeitarbeitnehmer besteht. Im Fall betrieblicher Regelungen gelten die tariflichen Einschränkungen nicht. Insgesamt bildet dieses Regelungswerk zur Zeitarbeit weitgehend die betriebliche Praxis ab und gewährleistet, die Zeitarbeit den Betrieben als notwendiges Flexibilitätsinstrument zu erhalten.

Flexibilitätsmotor Zeitarbeit stellt sich den Herausforderungen Das Instrument Zeitarbeit hat insbesondere während der Krise nachweislich zum arbeitsmarktpolitischen und wirtschaftlichen Erfolg in Deutschland beigetragen. Gleichwohl steht dieses Flexibilitätsinstrument weiter in der Kritik. Dabei ist Zeitarbeit für die deutsche Wirtschaft unverzichtbar: Sie schafft den Unternehmen Ersatz für Vertretungszeiten, stabilisiert bei Konjunkturschwankungen den Personaleinsatz und sichert zugleich die nötige Flexibilität in der Personalpolitik. Auch die Arbeitnehmer profitieren davon. Insbesondere für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose ist Zeitarbeit ein unverzichtbares Sprungbrett in den Arbeitsmarkt.

Zeitarbeit eröffnet Chancen auf dem Arbeitsmarkt Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte insgesamt und in der Zeitarbeit

68 mit Berufsausbildung

52

13 ohne Berufsausbildung

29

18 ohne Zuordnung

19

0

10

20

30

40

50

60

70

80

in %

Insgesamt Zeitarbeit Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2012

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik

81


Deshalb begrüßt die BDA ausdrücklich, dass es mit der Weiterentwicklung der Zeitarbeitstarifverträge durch die Vereinbarung von Branchenzuschlagstarifverträgen hin zu einsatzbranchenspezifischen Regelungen gelungen ist, dieses Flexibilitätsinstrument für den Standort Deutschland zu sichern. In zentralen Branchen wird die Tarifdifferenz zwischen Zeit- und Stammarbeitnehmern stufenweise über Branchenzuschläge ausgeglichen. Auf dem Deutschen Arbeitgebertag 2011 hatte Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt den Gewerkschaften bereits das Angebot unterbreitet, noch vor dem Ablauf der bis Oktober 2013 geltenden Tarifverträge der Zeitarbeit Verbesserungen für die Zeitarbeitnehmer zu vereinbaren. Die nun getroffenen und einem einheitlichen ­Muster folgenden Branchenzuschlagstarifverträge

wer­den zwar zu einer deutlichen Verteuerung des Einsatzes von Zeitarbeit führen. Sie sind aber wichtig, um auch künftig Zeitarbeit als Flexibilitätsinstrument für die betriebliche Personalwirtschaft und damit als Jobmotor für den deutschen Arbeitsmarkt zu erhalten. Die bisherigen Branchenzuschlagstarifverträge sowie die weiteren Verhandlungen und Sondierungsgespräche berücksichtigen, dass in jeder Branche verschiedene Gegebenheiten vorherrschen und deshalb ein unterschiedlicher Bedarf an Branchenzuschlägen besteht. Dass ein branchendifferenziertes Modell möglich ist, haben die Tarifpartner der Zeitarbeit mit den Branchenzuschlagsregelungen gezeigt und damit ihre Handlungsfähigkeit und die Eigenständigkeit ihrer

Branchenzuschlagsregelungen für immer mehr Einsatzbranchen ­gefunden Am 22. Mai 2012 einigte sich die aus dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) bestehende Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ) mit der IG Metall auf den „Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie“. Es folgte am 14. Juni 2012 der „Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Chemischen Industrie“ zwischen VGZ und IG BCE, die zudem am 2. August 2012 jeweils den „Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Kautschukindustrie“ sowie den „Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Kunststoff verarbeitenden Industrie“ vereinbarten. VGZ und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) einigten sich am 9. August 2012 auf den „Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in den Schienenverkehrsbereich“. Am 25. Oktober 2012 vereinbarten VGZ und die IG Metall den „Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie“ und den „Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie“. Am 14. Dezember hat die VGZ einen Branchenzuschlagstarifvertrag mit ver.di für die Papier, Pappe und Kunstoff verarbeitende Industrie abgeschlossen. Aktuell finden Gespräche zwischen der VGZ und der jeweils zuständigen DGB-Gewerkschaft über Branchenzuschläge für weitere Einsatzbranchen statt. Dabei wird deutlich, dass es nicht überall einer Branchenzuschlagsregelung bedarf, da in einigen Bereichen die Entgelte der Zeitarbeitnehmer bereits annähernd denen der Stammarbeitnehmer entsprechen.

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Tarifpolitik


Branche unter Beweis gestellt. Eine so differenzierte Lösung für die einzelnen Einsatzbranchen hätte vom Gesetzgeber nicht getroffen werden können. Er wäre gezwungen, eine allgemeingültige Regelung für alle Branchen zu finden, was erhebliche negative Folgen für den Jobmotor Zeitarbeit gehabt hätte. Die BDA sieht sich nach diesen tarifpolitischen Erfolgen darin bestätigt, dass eine weitere Regulierung der Zeitarbeit durch den Gesetzgeber, insbesondere eine Verschärfung des Gleichstellungsgrundsatzes, überflüssig ist. Mit den Branchenzuschlagstarifverträgen für Zeitarbeit in der Metall- und Elektroindustrie und in der chemischen Industrie, die jeweils am 1. November 2012 in Kraft traten, haben die Tarifpartner der Zeitarbeitsbranche

für die Einsatzbereiche Vereinbarungen getroffen, in denen die Unterschiede zwischen den Entgelten der Stammarbeitnehmer und der Zeitarbeitnehmer am höchsten sind. Die Regelungen belegen zugleich, dass auch die DGB-Gewerkschaften anerkennen, dass die gesetzliche Equal-Pay-Regelung nicht den Bedürfnissen der Praxis entspricht. So zeigen die Branchenzuschlagstarifverträge, dass sich die Tarifpartner grundsätzlich darin einig sind, dass die Unterschiede zwischen Stamm- und Zeitarbeitnehmern insbesondere bei betrieblicher Erfahrung und Produktivität beachtet werden müssen. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass eine in den Tarifverträgen geregelte Obergrenze sicherstellt, dass Zeitarbeitnehmer infolge des Zuschlags nicht höher vergütet werden als vergleichbare Stammarbeitnehmer der Einsatzbetriebe.

Immer mehr Branchenzuschlagstarifverträge gleichen Entgelte von Zeit- und Stammarbeitnehmern an Tarifabschlüsse über Branchenzuschläge für Zeitarbeitnehmer 2012

Mai

22. Mai

Juni

Metall- und Elektro­ industrie

Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie

Schienen­ verkehrsbereich

Chemische Industrie

Juli

14. Juni

2. August

August

Kautschuk­ industrie

September

9. August

Kunststoff ­verarbeitende Industrie

Januar 2013

25. Oktober November

Oktober

Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie

Dezember

14. Dezember

Textil- und Bekleidungsindustrie

Quelle: BDA, 2012

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Durch die Änderung der bestehenden Tarif­ verträge der Zeitarbeit gilt für immer mehr der knapp 900.000 Zeitarbeitnehmer bei Einsätzen in den entsprechenden Branchen verbindlich ein Zuschlag, der Teil ihres festen Tarifentgelts nach den bisherigen Tarifverträgen ist. Denn die Branchenzuschlagstarifverträge machen den Branchenzuschlag zu einem Teil der ursprünglichen Tarifverträge. Bei den Branchenzuschlagsvereinbarungen handelt es sich in Verbindung mit den bereits bestehenden Zeitarbeitstarifverträgen um Tarifverträge im Sinne der im Arbeitnehmer­ überlassungsgesetz geregelten Tariföffnungsklausel, mit denen vom gesetzlichen Gleichstellungsgrundsatz (Equal Treatment) abgewichen werden kann. Ausschließlich durch Gewährung der Branchenzuschläge ist ein Abweichen vom gesetzlichen Equal Pay in den betreffenden Einsatzbranchen möglich, denn der Zeitarbeitnehmer hat für die Zeit der Überlassung an einen

Einsatzbetrieb Anspruch auf Equal Pay. Nur wenn ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag von diesem Grundsatz abweichende Regelungen enthält, bezieht sich der Anspruch des Zeitarbeitnehmers auf das in diesem Tarifvertrag geregelte Arbeitsentgelt. In den Einsatzbranchen mit Branchenzuschlägen gilt für die eingesetzten Zeitarbeitnehmer daher entweder Equal Pay oder der jeweilige Branchenzuschlags­ tarifvertrag. In den Branchen, in denen aufgrund der Höhe der tariflichen Zeitarbeitsentgelte keine Branchenzuschlagsregelungen notwendig sind, gelten wie bisher die mit den DGB-Gewerkschaften vereinbarten Vergütungstarifverträge. Diese sehen mit insgesamt neun Entgeltgruppen und Entgelten von 8,19 € bis 18,75 € (West) bzw. 7,50 € bis 16,39 € (Ost) selbst eine differenzierte Vergütungsstruktur vor.

Struktur der Branchenzuschlagsregelungen In den Branchenzuschlagstarifverträgen ist vereinbart, dass Zeitarbeitnehmer für ihren ununterbrochenen Einsatz in demselben Kundenbetrieb der betreffenden Branche einen prozentualen Zuschlag auf ihren Zeitarbeitstarif in der einschlägigen Lohngruppe erhalten. Die einzelnen Branchenzuschläge sind in ihrer Höhe an das jeweilige Branchenlohnniveau angepasst und steigen bei ununterbrochener Tätigkeit in einem Einsatzbetrieb in fünf Stufen (nach vier bzw. sechs Wochen, drei, fünf, sieben und neun Monaten). Unterbrechungen des Einsatzes unter drei Monaten bleiben unberücksichtigt. Der prozentuale Branchenzuschlag weist zwischen den Einsatzbranchen, aber auch innerhalb eines Einsatzbereichs zwischen den einzelnen Entgeltgruppen deutliche Unterschiede auf. Entscheidend für die differenzierte Gestaltung des Branchenzuschlags sind die z. T. sehr unterschiedlichen Abstände zwischen den Entgelten von Zeitund Stammarbeitnehmern in den Einsatzbranchen. So steigt z. B. der Branchenzuschlag für Einsätze in der Metall- und Elektroindustrie über alle Entgeltgruppen hinweg in gleichen Stufen an und beträgt nach neun Monaten 50 %. Demgegenüber sind die Zuschläge in anderen Branchen abhängig von der Entgeltgruppe unterschiedlich ausgestaltet. Für einige Entgeltgruppen, wie z. B. für E6 bis E9 in der chemischen Industrie, sind keine Zuschläge vorgesehen.

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Erste Sozialversicherungsbeiträge infolge der CGZP-Tarifunfähigkeit nachgefordert Infolge der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) erwartet die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund Betriebsprüfungen bei ca. 3.200 Zeitarbeitsunternehmen, von denen Ende Oktober 2012 etwa 2.000 abgeschlossen waren. 1.257 Beitragsbescheide zur Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen wurden dabei erlassen. Die Beitragsforderungen betragen aktuell rd. 88,3 Mio. €. Allerdings sind die Zahlen der DRV Bund nur eine Momentaufnahme und lassen nicht auf die endgültigen Ergebnisse der Nachprüfungen schließen.

Wie zu befürchten war, können nicht alle im Rahmen der Betriebsprüfungen ermittelten Beitragsschulden bei den Zeitarbeitsunternehmen selbst geltend gemacht werden. Gemäß der gesetzlich geregelten Haftung des Einsatzbetriebs wie ein selbstschuldnerischer Bürge richten die Einzugsstellen nun die Beitragsnachforderungen in einer zunehmenden Anzahl auch an die Einsatzbetriebe. Dabei kam es zunächst vor, dass betroffene Unternehmen keine Möglichkeit erhalten hatten, vor Erlass der Beitragsnachforderungen im Rahmen der Beitragsfeststellung angehört zu werden. Die BDA betonte gegenüber dem GKV-Spitzenverband, dass dieses Vorgehen von Einzugsstellen dem rechtsstaatlichen Grundsatz widerspricht, dass eine Behörde jeden anhören muss, bevor sie durch Verwaltungsakt in dessen Rechte eingreift. Der GKV-Spitzenverband teilte die Auffassung der BDA und wies am 5. Juni 2012 die Krankenkassen darauf hin, dass sie von dem

BAG stellt Tarifunfähigkeit der CGZP auch für die Vergangenheit fest Ende 2010 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) zum damaligen Zeitpunkt tarifunfähig gewesen sei. Am 22. Mai 2012 hatte das BAG auch über die Tariffähigkeit der CGZP in zurückliegenden Zeiträumen zu urteilen. In der zugrunde liegenden Entscheidung hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Januar 2012 die fehlende Tariffähigkeit der CGZP für drei zurückliegende Zeitpunkte festgestellt und die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung nicht zugelassen. Das BAG wies die gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerden zurück, womit der Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg rechtskräftig wurde. Die Frage, ob die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP auch Wirkung für die Vergangenheit hat, erachtet das BAG durch den CGZP-Beschluss aus 2010 für ausreichend geklärt. Die Wirkung der dabei zum Tragen kommenden Rechtssätze sei nicht auf die Zukunft beschränkt. Die Tarifunfähigkeit der CGZP bestehe daher seit dem 8. Oktober 2009. Die im Zusammenhang mit Vertrauensschutz gegenüber gerichtlichen Entscheidungen stehenden Rechtsfragen seien durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BAG als hinreichend geklärt anzusehen. So sei nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG die Änderung einer bestehenden Rechtsprechung auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet sei und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung halte. Das BAG habe durch seinen CGZP-Beschluss seine bisherige Rechtsprechung nicht geändert. Die den Sozialgerichten obliegenden einzelnen sozialrechtlichen Fragestellungen wurden mit der Entscheidung des BAG nicht geklärt. Insbesondere die Fragen des Vertrauensschutzes und die der Rechtmäßigkeit rückwirkender Beitragsnachforderungen blieben unbeantwortet. So erkennen einige Sozialgerichte einen Vertrauensschutz insbesondere bei Betriebsprüfungen in der Vergangenheit zumindest teilweise an.

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einem belastenden Beitragsbescheid vorgeschalteten Anhörungsverfahren nur dann absehen dürfen, wenn hierfür Gründe im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB X vorliegen.

Tarifvertragliche versus ­gesetz­liche Mindestlöhne Das Thema „Allgemeiner Mindestlohn“ hatte 2012 – sicher auch im Vorgriff auf die kommende Bundestagswahl – eine fragwürdige Konjunktur. Auf Bundesebene wurden selbst aus der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Eckpunkte für eine Lohnuntergrenze vorgelegt, die von Initiativen aus einzelnen Bundesländern in Richtung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns begleitet werden. Die Thüringer Landesregierung entwickelte einen Gesetzentwurf zur Einführung eines bundesweiten allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, der kurzfristig in den Bundesrat eingebracht wurde und dort auch aus anderen Bundesländern mit CDU-Beteiligung Unterstützung erfuhr. Daneben zeigte sich auf Länder­ ebene eine weitere bedenkliche Entwicklung in Sachen Mindestlohn: Dieser hielt nicht nur bei der öffentlichen Auftragsvergabe in immer mehr Ländern Einzug. Als erstes Bundesland weitete Bremen den Mindestlohn auf den gesamten öffentlichen Sektor aus, was als beispielhaft für entsprechende Bestrebungen in anderen Bundesländern gilt. Nach dem von einer Arbeitsgruppe der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion am 25. April 2012 vorgelegten Eckpunktepapier soll sich eine Kommission der Sozialpartner jährlich auf eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze verständigen. Dabei soll sie die Möglichkeit haben, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen bei der Festlegung der Lohnuntergrenze vorzunehmen, sich aber im Übrigen an bestehenden bundesweit für allgemeinverbindlich erklärten Branchenmindestlöhnen orientieren. Erfolgt keine Einigung, soll ein Schlichter mit Stimmrecht hinzugezogen werden, über den ggf. das Los entscheidet. Die BDA hat sich entschieden gegen diesen Vorschlag ausgesprochen. Im Ergebnis zielt er nämlich auf die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, den die BDA vehement ablehnt. Ein solcher Mindestlohn würde zum Spielball der

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Politik – insbesondere vor Wahlen. Hierbei wäre es unerheblich, ob eine Kommission vorgeschaltet wird oder nicht. Die allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze soll nach dem Eckpunktepapier der CDU/CSUBundestagsfraktionsarbeitsgruppe überall dort gelten, wo kein Tarifvertrag Anwendung findet (sog. weiße Flecken). In Gesprächen mit der Politik betonte die BDA immer wieder, dass dafür keine neue gesetzliche Regelung notwendig ist. Für solche Fälle gibt es bereits das Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG), das bis heute jedoch noch nicht angewandt wurde mangels der vom MiArbG vorausgesetzten „sozialen Verwerfungen“. Ziel der Lohnuntergrenze ist daher nur ein politisch motivierter Mindestlohn, was nicht zuletzt in den Überlegungen zum Schlichtungsmechanismus und der Verpflichtung deutlich wird, jährlich über die Lohnuntergrenze neu zu befinden. Die Beteiligung der Sozialpartner hat dabei nur eine Alibifunktion und – entgegen aller Behauptung – mit Tarifautonomie nichts zu tun. Die BDA bleibt deshalb bei ihrem Nein zu einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, unabhängig von der Frage, ob dieser von der Politik oder einer Kommission festgesetzt wird. Im Ergebnis steht immer ein politischer Mindestlohn, der Beschäftigung in Deutschland gefährden und insbesondere die Schwächsten am Arbeitsmarkt treffen würde. Diesen Menschen durch einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt und damit am gesellschaftlichen Leben zu verbauen, ist sozial ungerecht. Ein Blick ins Ausland zeigt: Alle Länder mit einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn haben eine deutlich höhere Jugendarbeitslosigkeit als Deutschland. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt warnte daher die Koalition, den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion für eine gesetzliche Lohnuntergrenze weiterzuverfolgen. Ein weiterer Grund, warum Deutschland keinen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn benötigt, ist die Tatsache, dass es auf Branchen­ ebene im Falle drohender sozialer Verwerfungen bzw. bei einer Entsendeproblematik bereits heute schon die Möglichkeit gibt, tariflich vereinbarte Mindestlöhne auf eine gesamte Branche zu erstrecken. Der Weg dieser differenzierten


Mindestlöhne im Vergaberecht in immer mehr Bundesländern

MV 8,50 €/Std. HB 8,50 €/Std.

BB 8,00 €/Std. NW 8,62 €/Std.

BE 8,50 €/Std.

RP 8,70 €/Std. (ab 2013)

Quelle: BDA, 2012

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Branchenmindestlöhne auf Tarifbasis wurde 2012 fortgesetzt. In verantwortungsvoller Weise befasste sich der Tarifausschuss beim Bundesarbeitsministerium mit den Verlängerungsanträgen des Bauhauptgewerbes, des Dachdecker-, des Gebäudereiniger- und des Maler- und Lackiererhandwerks sowie der Abfallwirtschaft und votierte einstimmig für die Anträge. Noch Ende 2011 wurde der Vorschlag auf Festsetzung einer Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit befürwortet, so dass seit dem 1. Januar 2012 in der Zeitarbeitsbranche eine Lohnuntergrenze von 7,01 € (Ost) bzw. 7,89 € (West) galt, die sich am 1. November 2012 auf 7,50 € (Ost) bzw. 8,19 € (West) erhöhte. Da-

warnten allerdings vor den mit einem Erlass verbundenen erheblichen rechtlichen Risiken. Davon unbeeindruckt ließ die Bundesregierung am 1. August 2012 die erste Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder SGB III in Kraft treten. Hintergrund dürfte die bereits Anfang 2011 im Vermittlungsausschuss zu Hartz IV getroffene Vereinbarung gewesen sein, die Voraussetzungen für den Mindestlohn neu prüfen zu wollen, nachdem er 2010 bereits einmal abgelehnt worden war. Für die Arbeitnehmer im pädagogischen Bereich der vom Geltungsbereich erfassten Betriebe mit Ausnahme von Praktikan-

„ Gesetzliche Mindestlöhne sind ein Schlag gegen die Tarifautonomie und gegen die soziale Gerechtigkeit. Sie bedeuten für mich nichts anderes, als die Schwächsten der Gesellschaft vom Arbeitsmarkt auszugrenzen.  “

Dr. Wolfgang Pütz | Vorsitzender BDA-Ausschuss für Lohn- und Tarifpolitik, Vizepräsident Bundesverband Druck und Medien, Geschäftsführender Gesellschafter J. F. Ziegler KG

mit ist jedem in Deutschland eingesetzten Zeitarbeitnehmer mindestens dieses Stundenentgelt zu zahlen, gleichgültig ob er in einem Einsatzbetrieb eingesetzt wird oder nicht. Mit Blick auf die möglichen Gefahren einer erneuten Diskreditierung der Zeitarbeit durch die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Arbeitnehmer aus den osteuropäischen EU-Beitrittsstaaten hatte sich die BDA für eine solche Lohnuntergrenze eingesetzt und entsprechende Bestrebungen der Branche unterstützt. Problematisch war der Entwurf einer Mindestlohnverordnung für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II/III, mit dem sich der Tarifausschuss zuletzt am 10. Mai 2012 befasste. Die BDA hatte vorab in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Berechnungen zur Zahl der von diesem Mindestlohn betroffenen Beschäftigten nicht plausibel sind. Zu einer Klärung der offenen Fragen kam es jedoch nicht, so dass es an einer rechtssicheren Entscheidungsgrundlage fehlte. Wie bereits im Februar 2012 verzichtete daher der gesamte Tarifausschuss auf eine Stellungnahme. Die Arbeitgebervertreter

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ten ist nun ein Mindeststundenentgelt von 12,60 € (West) bzw. 11,25 € (Ost) zu zahlen. Darüber hinaus gilt bei einer Fünf-Tage-Woche ein Mindesturlaub von 26 Arbeitstagen. Immer mehr Bundesländer koppeln die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung allgemeinverbindlicher Tarifstandards und an vergabespezifische Mindestlöhne. In Nordrhein-Westfalen gilt seit Mai 2012 das Vergabegesetz mit dem anfangs höchsten Mindestlohn von 8,62 €. Rheinland-Pfalz erhöht aber ab 2013 seinen vergabespezifischen Mindestlohn von bisher 8,50 € auf 8,70 € und wird diesen wie gesetzlich vorgesehen ein Jahr später erneut überprüfen. Vergabemindestlöhne und sonstige vergabefremde Kriterien widersprechen dem Zweck der öffentlichen Auftragsvergabe. So stellen bereits jetzt die Umsetzung der zahlreichen neuen Vorgaben für die Auftragsdurchführung und die Vielzahl von neuen Prüfungs-, Nachweis- und Dokumentationspflichten öffentliche Auftraggeber und Bieter vor unzählige Probleme. In Bremen trat zudem im Herbst 2012 ein allgemeiner Mindestlohn i. H. v. 8,50 €


nicht nur für das öffentliche Beschaffungswesen, sondern für den gesamten öffentlichen Sektor in Kraft. Danach müssen nicht nur öffentliche Arbeitgeber und Unternehmen in mehrheitlich öffentlicher Hand, sondern auch Einrichtungen, Institutionen und Vereine, die öffentliche Zuwendungen bzw. Aufträge erhalten, ihren Beschäftigten einen Mindeststundenlohn zahlen. Die BDA lehnt auch diese Formen von allgemeinen flächendeckenden Mindestlöhnen vehement ab und unterstützt ihre Mitgliedsverbände in der Auseinandersetzung mit den entsprechenden Gesetzgebungsvorhaben. Wenn der Versuch Bremens, sich über das öffentliche Beschaffungswesen hinaus allgemein in die Lohnfindung der Tarifparteien einzumischen, Schule macht, steht die Tarifautonomie vor einer weiteren folgenschweren Belastungsprobe.

Tarifpartner stellen sich der ­demografischen Entwicklung Die demografische Entwicklung stellt die Arbeitswelt und damit auch die Tarifpolitik vor immer größere Herausforderungen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels ist die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer von wachsender Bedeutung. Um der demografischen Entwicklung zu begegnen, ist in erster Linie die Politik gefordert, die notwendigen Rahmenbedingungen zu setzen. Aber auch für die Tarifpartner ist das Thema „Demografie“ wichtig und hat sich seit längerem z. B. in tariflichen Regelungen zur Förderung von Aus- und Weiterbildung, in familienfreundlichen bzw. lebensphasenorientierten Arbeitszeitmodellen sowie in gesonderten

Tarifliche Arbeitszeit in Deutschland immer noch unter EU-Durchschnitt Insgesamt zeigen die aktuellen Zahlen der Europäischen Beobachtungsstelle für die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen (EIRO), dass es zwar eine langsame Annäherung der Arbeitszeiten innerhalb Europas gibt, Unternehmen in Deutschland aber vor allem mit Blick auf die tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten immer noch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen vieler EU-Mitgliedstaaten haben. Zwar lag die tatsächliche Arbeitszeit 2011 deutlich über der tariflich vereinbarten Arbeitszeit, dies ist aber in Deutschland regelmäßig mit hohen Überstundenzuschlägen verbunden und daher für die betroffenen Unternehmen ein großer Kostenfaktor. Umso wichtiger ist es deshalb, die Ausweitung der tarifvertraglichen und betrieblichen Gestaltungsspielräume im Bereich der Arbeitszeitgestaltung fortzusetzen, um vor allem in Zeiten anhaltender Konjunkturrisiken Arbeitsplätze langfristig sichern zu können. In Deutschland lag die tatsächliche Arbeitszeit mit durchschnittlich 40,6 Stunden pro Woche zwar über dem EU-Durchschnitt, die tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten lagen hierzulande jedoch mit durchschnittlich 37,7 Wochenstunden 0,4 Stunden unter dem EU-Durchschnitt (38,1 Stunden). Darüber hinaus hat Deutschland nach wie vor im EU-Vergleich die meisten arbeitsfreien Tage zu verzeichnen. Zwar haben auch die dänischen und französischen Arbeitnehmer wie die Deutschen einen Urlaubsanspruch von durchschnittlich 30 Arbeitstagen im Jahr, allerdings kommen in Deutschland noch im Schnitt zehn Feiertage pro Jahr hinzu. Hier wird Deutschland nur von Italien (elf Feiertage) und Spanien (14 Feiertage) übertroffen, die jedoch mit 28 bzw. 22 Tagen weniger Jahresurlaub haben. Im Durchschnitt der EU-27 hatten die Arbeitnehmer 2011 25,3 Urlaubstage und 8,9 Feiertage pro Jahr.

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Demografie-Tarifverträgen niedergeschlagen. Mit branchenbezogenen Lösungen unterstützen die Tarifpartner die Betriebe bei der Bewältigung des demografischen Wandels. Dabei zeigt sich, dass die tariflichen Konzepte vielfältig sind und sich die Tarifpartner den Herausforderungen im Interesse von Beschäftigten und Betrieben auf sehr unterschiedliche Weise stellen. Auch hier gilt es, die für die jeweilige Branche richtige Lösung zu finden. Ein allgemeingültiger Ansatz scheidet wegen der verschiedenen Anforderungen und Bedürfnisse der einzelnen Wirtschaftsbereiche aus. So reagierten z. B. die Tarifpartner der chemischen Industrie frühzeitig mit dem innovativen Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ auf die anstehenden Herausforderungen. Die Weiterentwicklung dieses Tarifvertrags war ein zentraler Bestandteil des Tarifabschlusses im Jahr 2012. Damit wurde der zukunftsweisende Kurs in der Chemiebranche fortgesetzt. Kernstück der Regelung sind Modelle zur flexiblen Anpassung der Arbeitszeit im Hinblick auf die mit den demografischen Auswirkungen verbundenen Bedürfnisse von Betrieben und Beschäftigten. Ein zunächst bis Ende 2015 befristeter „DemografieKorridor“ ermöglicht eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit: Durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder mit anschließender individueller Regelung kann befristet eine Wochenarbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden vereinbart werden. Der Ausgleich von Arbeitsstunden über die regelmäßige Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden hinaus erfolgt grundsätzlich in Zeit, eine entsprechende Vergütung ist aber möglich. Die Möglichkeit einer längeren Wochenarbeitszeit von bis zu 40 Stunden ist ein beachtenswerter Schritt, der auch für andere Branchen Vorbild sein kann. Für die Jahre 2013, 2014 und 2015 stellen die Arbeitgeber zudem einen zusätzlichen Demografiebeitrag von 200 € pro Tarifarbeitnehmer des jeweiligen Betriebs zur Verfügung. Der Beitrag kann im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung wie bisher für Langzeitkonten, Altersteilzeit und jetzt auch für eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung verwendet werden. Für die lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung können die Betriebsparteien künftig zusätzlich das Modell RV 80 (reduzierte Vollzeit mit 80 % Arbeitszeit) vereinbaren. Dafür kann der Arbeitnehmer seine Ansprüche auf Altersfreizeiten einbringen. Später

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erhält er eine Arbeitszeitentlastung von 20 % mit Entgeltausgleich, der durch die eingebrachten Altersfreizeiten sowie den zusätzlichen Demografiebeitrag finanziert wird. Damit ermöglicht das Modell eine flexible Arbeitszeitgestaltung in bestimmten Lebensphasen und einen flexiblen Übergang in den Ruhestand. Auch in der Kunststoff verarbeitenden Industrie Bayerns wurde mit dem Tarifergebnis vom 25. Oktober 2012 der bereits bestehende Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ um einen zusätzlichen, für mehrere Zwecke einsetzbaren Demografiebeitrag i. H. v. jährlich 200 € je Vollzeittarifarbeitnehmer sowie um einen Demografiekorridor mit einer rein betrieblich festlegbaren Wochenarbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden ergänzt. Die Tarifvertragsparteien in der Textil- und Bekleidungsindustrie verständigten sich im Rahmen ihres Tarifabschlusses darauf, die Ergebnisse ihrer bereits bestehenden Koordinierungsgruppe „Demografie“ ab Januar 2013 tarifpolitischen Verhandlungen zuzuführen. Weitere Verhandlungsverpflichtungen zum Thema „Demografie“ nahmen zudem die Schuhindustrie sowie die Metall- und Elektroindustrie in ihre Tarifvereinbarungen auf.





Bildung schafft Zukunft Die BDA setzt sich für ein leistungsfähiges und chancengerechtes Bildungssystem ein. Mit der Publikation „Bildung schafft Zukunft 2012“ hat die BDA zum Jahresanfang eine umfassende bildungspolitische Programmatik vorgelegt. Sie verbindet ein Monitoring des Stands der Reformbemühungen in den verschiedenen Bildungsbereichen – von der frühkindlichen Bildung über Schule und Hochschule bis zur beruflichen Bildung – mit konkreten Zielen, die mit ehrgeizigen, aber machbaren quantitativen Zielgrößen unterlegt sind. Der politische Wille zur breiten Qualitätsverbesserung ist vielerorts da, aber die Umsetzung bleibt oft hinter den Erwartungen zurück und bedarf konzertierter Anstrengungen. Der Föderalismus im Bildungsbereich ist zuletzt stark in die Kritik geraten. In der Tat sind zu wenige gezielte Anstrengungen der Länder erkennbar, untereinander mehr Vergleichbarkeit im Bildungssystem zu erreichen und damit die Mobi-

Steuerung schaffen. Eine Steuerung durch den Bund wäre wenig zielführend, stattdessen muss die Kooperation der Länder in der Kultusministerkonferenz (KMK) dringend verbessert werden. Außerdem sind die Kommunen in ihrer wachsenden Bedeutung als Bildungsstandorte angemessen einzubeziehen.

MINT-Fachkräftenachwuchs ­langfristig sichern Für die Zukunftssicherung des Industriestandorts Deutschland ist ausreichender Nachwuchs im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik (MINT) von essenzieller Bedeutung. Den deutschen Unternehmen fehlten im November 2012 knapp 116.000 hochqualifizierte Fachkräfte. Diese Zahl basiert auf einer neuen Berechnungsmethode, die notwendig wurde, nachdem die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine weitreichende Umstellung der Klassifikation aller Berufe vorgenommen hatte. Deshalb, und weil die BA von den Unternehmen bei offenen Stellen jetzt häu-

„ Wir setzen auf ein Bildungssystem, das kontinuierlich hohe Qualität mit Innova­

tionskraft und Flexibilität verbindet. Wir setzen auf eine Bildungspolitik, die sich der Nachhaltigkeit, Konsistenz, Zielorientierung und Qualitätsverbesserung verpflichtet weiß. Wir setzen auf ein Bildungsklima, das die Bedeutung von Bildung erkennt und alle Anstrengungen in diesem Sinne positiv unterstützt.

Dr. Gerhard F. Braun | Vizepräsident der BDA, Vorsitzender BDA/BDI-Ausschuss Bildung, Berufliche Bildung, Präsident Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz, Geschäftsführender Gesellschafter Karl Otto Braun GmbH & Co. KG

lität zu verbessern. Föderalismus ist jedoch kein Freibrief für Kleinstaaterei. Deutschland braucht ein Mindestmaß an einheitlichen institutionellen Rahmenbedingungen. Ein Umzug in ein anderes Bundesland mit Schulwechsel darf für Familien mit Kindern kein Albtraum sein. Insgesamt nehmen die Länder ihre gemeinsame gesamtstaatliche Verantwortung ungenügend wahr. Allerdings wäre die vielfach geforderte Aufhebung des im Grundgesetz verankerten „Kooperationsverbots“ dabei nur ein Aspekt: Sie würde zwar zusätzliche Finanzierungsanteile des Bundes im Schulbereich erlauben, aber keineswegs eine zentrale

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figer als früher eingeschaltet wird, ergibt sich ein Bruch der Zeitreihe. Der Einschaltungsgrad der BA wurde vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln im Zuge der Umstellung der Berufsklassifikation in einem sehr aufwändigen Verfahren neu erhoben. Die BA-Zahlen werden mithilfe eines Multiplikators auf die Gesamtwirtschaft hochgerechnet. Dieser Multiplikator sinkt entsprechend der Zunahme des Einschaltungsgrads und umgekehrt. Die neue Berufsklassifikation wie auch der aktuell höhere Einschaltungsgrad der BA führen zu einer Korrektur der bisherigen Zahlen um etwa 20 bis 30 % nach unten. Aufgrund der starken


Nachhaltige Hochschul­finan­zierung sichern

Beschäftigungsexpansion im MINT-Bereich und der demografischen Entwicklung dürfte die MINTLücke langfristig leicht zunehmen und auf hohem Niveau bleiben. Erfreulicherweise ist erstmals aber die Zahl der Studienanfänger und Absolventen in diesen Fächern gestiegen. Dies zeigt der MINT-Report von November 2012, der halbjährlich im Auftrag von BDA, Gesamtmetall und der Initiative „MINT Zukunft schaffen“ vom IW Köln veröffentlicht wird. Er belegt, dass die zahlreichen Initiativen der Wirtschaft, die auf einen Ausbau der MINT-Bildung an Schulen und Hochschulen zielen und für MINT-Berufe werben, erste Erfolge zeigen. Die BDA wird mit der Initiative „MINT Zukunft schaffen“ unter Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Dr. Merkel in den nächsten Jahren weiter darauf hinwirken, diese positive Entwicklung zu stabilisieren, um den MINT-Fachkräftemangel nachhaltig zu verringern. Denn trotz steigender Anfängerzahlen wird der jährliche Gesamtbedarf an Absolventen von 115.000 auch zukünftig nicht gedeckt werden können. Insbesondere gilt es, die hohen Abbruchquoten in den MINT-Studiengängen an Universitäten, die jüngst erneut gestiegen sind (in Maschinenbau und Elektrotechnik liegen diese nun bei 53 %, in Mathematik bei 55 %), deutlich zu reduzieren.

Die Zahl der Studienanfänger ist in den vergangenen fünf Jahren um die Hälfte gestiegen. Mit fast 2,4 Mio. Studierenden an deutschen Hochschulen ist 2012 ein historischer Höchststand erreicht worden. Nach Prognose der KMK wird ihre Zahl trotz deutlich sinkender Jahrgangsgrößen auch bis 2025 nur geringfügig zurückgehen. Die BDA begrüßt das starke Interesse junger Menschen an einer hochwertigen Ausbildung und sieht darin eine große Chance für die Bewältigung der demografischen Herausforderungen und des Fachkräftemangels. Sie setzt sich dafür ein, dass den Hochschulen weitere Mittel für den notwendigen Ausbau der Lehrkapazitäten zur Verfügung gestellt werden. Die bisher von Bund und Ländern zusätzlich bereitgestellten Mittel folgen veralteten Planzahlen, die wesentlich hinter der tatsächlichen Entwicklung zurückbleiben, und stehen überdies nur bis 2020 zur Verfügung. Notwendig ist daher ein nachhaltiges Finanzierungsmodell, das den Gegebenheiten an den Hochschulen Rechnung trägt und Anreize zu öffentlichen und privaten Investitionen in die Hochschulbildung setzt.

Vor diesem Hintergrund bedarf es weiterer Anstrengungen und eines noch stärker koordinierten Vorgehens der MINT-Akteure in Deutschland. Deshalb wurde auf Initiative von „MINT Zukunft schaffen“ und der deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) am 4. Juni 2012 das Nationale MINT-Forum als ein Zusammenschluss von überregional tätigen Organisationen, die sich für die Förderung der MINT-Bildung einsetzen, gegründet. Es versteht sich als eine Multiplikationsplattform, um die vielfältigen Aktivitäten und Initiativen besser abzustimmen, die Breitenwirkung zu verstärken und ggf. für eine gemeinsame Schwerpunktsetzung zu bündeln. Ziel ist es, gegenüber Politik und Gesellschaft mit einer Stimme zu sprechen und dem Thema „MINT“ auch in Zukunft hohe Priorität zu sichern – sowohl auf der politischen Agenda als auch in seiner medialen Wahrnehmung.

Die BDA hat bereits 2008 zusammen mit dem BDI, dem IW Köln und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ein Modell für eine investitionsorientierte Finanzierung von Studium und Lehre vorgelegt. Vor dem Hintergrund des rasanten Wachstums der Hochschulen wird dieses Modell derzeit aktualisiert und zudem um Überlegungen einer nachhaltigen Forschungsfinanzierung ergänzt. Kernpunkte der Hochschulfinanzierung sind eine geteilte Finanzierungsverantwortung von Bund und Ländern, eine deutliche Leistungsorientierung bei der Zuteilung staatlicher Mittel, faire Wettbewerbsbedingungen, moderate Studienbeiträge der Studierenden sowie ein sozial gerechtes System der Studienfinanzierung. Die BDA stellt ihr Modell Anfang 2013 der Öffentlichkeit vor und wird bei den politischen Entscheidungsträgern für eine baldige Etablierung nachhaltiger Finanzierungsstrukturen werben.

Nähere Informationen unter www.mintzukunftschaffen.de und www.arbeitgeber.de > ­kompakt > „MINT Zukunft schaffen“

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Hochschulfinanzierung“

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Knapp 116.000 MINT-Fachkräfte fehlen Entwicklung der Fachkräftelücke in Deutschland

Anzahl der fehlenden Fachkräfte 180.000 160.000 140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000

alte Methodik

20.000 0 Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. 2000 2000 2001 2001 2001 2001 2002 2002 2002 2002 2003 2003 2003 2003 2004 2004 2004 2004 2005 2005 2005 2005 2006 2006 2006

Hinweis: im Juni und Juli 2011 Umbruch der Zeitreihe, neue Methodik ab August 2011 Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Bundesagentur für Arbeit, verschiedene Jahre

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alte Methodik

neue Methodik

Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. Feb. Mai Aug. Nov. 2006 2007 2007 2007 2007 2008 2008 2008 2008 2009 2009 2009 2009 2010 2010 2010 2010 2011 2011 2011 2011 2012 2012 2012 2012

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Hochschulen bleiben beliebt – auch nach doppelten Abiturjahrgängen kein schneller Rückgang der Studierendenzahlen zu erwarten Studienanfänger von 2005 bis 2025

Studienanfänger 550.000 518.748 500.000

489.200 492.674

450.000

468.500

471.700

466.800

464.300

459.200

467.800

442.300 430.700

449.500

424.273 444.608

426.400

433.800 421.900

400.000

361.969 350.000 2005 2009 2010

2011

2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025

2005 bis 2011 Ist, 2012 vorläufiges Ergebnis, 2013 bis 2025 vorausberechnete Zahlen Quellen: Statistisches Bundesamt, Kultusministerkonferenz, 2012

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Klare Forderungen der Wirtschaft zum Bologna-Prozess Die deutsche Wirtschaft hat, geleitet von der Überzeugung, dass ein europäischer Arbeitsmarkt einen europäischen Bildungsmarkt braucht, den Bologna-Prozess von Beginn an positiv und konstruktiv begleitet. Europaweit nehmen inzwischen 47 Staaten daran teil. Nachdem die formale Umsetzung der Studienreform in vielen Ländern weit vorangeschritten ist, liegt der Fokus nun auf der inhaltlichen Umsetzung der Reform­ ideen und einer Feinjustierung der einzelnen Reformschritte. Dies bestätigen die Ergebnisse des Bologna-Ministertreffens Ende April 2012 in Bukarest, auf dem – wie auch bei den regelmäßigen Beratungen zum Bologna-Prozess auf europäischer Ebene – BUSINESSEUROPE durch die BDA vertreten wurde. In Deutschland haben sich seit 2004 die Personalvorstände führender Unternehmen im Rahmen der Initiative „Bachelor Welcome!“ im Zweijahresrhythmus mit einer gemeinsamen Erklärung zu der Umstellung auf die gestufte Studienstruktur bekannt und gleichzeitig Zusagen und Forderungen an Politik und Hochschulen formuliert. 85 % aller Studiengänge führen inzwischen zu den Abschlüssen Bachelor oder Master, mehr als drei Viertel aller Studienanfänger immatrikulieren sich in den neuen Studiengängen und 2012 verlässt erstmals die Mehrzahl der Absolventen die Hochschule mit einem Bachelor- oder Mastertitel. Dies ist Anlass genug, den Blick auf neue strategische Fragen an der Schnittstelle von Hochschule und Unternehmen zu richten. Hierzu gehören insbesondere die Profilbildung von Hochschulen als Weiterbildungsanbieter, der Ausbau von berufsbegleitenden Masterangeboten sowie die gezielte Personalentwicklung im Geiste der Bologna-Idee in den Unternehmen. Ende Oktober 2012 wurde daher auf Einladung der BDA und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft unter dem Motto „­ Bologna@Germany 2012“ zum fünften Mal eine hochschulpolitische Erklärung zwischen den Personalvorständen 62 führender Unternehmen in Deutschland mit einer Gesamtzahl von etwa 4,5 Mio. Beschäftigten abgestimmt, unterzeichnet und der Öffentlichkeit vorgestellt. Das klare

Ja der deutschen Wirtschaft zu Bologna ist umso wichtiger, als in den vergangenen Monaten vor allem die neue Spitze der Hochschulrektorenkonferenz deutliche Kritik am Reformprozess, insbesondere im Hinblick auf die Beschäftigungsfähigkeit universitärer Bachelorabsolventen, geäußert hat. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > argumente > „Bachelor kommt in den Unternehmen an“

Wissenschaftliche Weiterbildung durch Kooperationen stärken Hochwertige Weiterbildung nimmt als Teil einer nachhaltigen Personalentwicklung in den Unternehmen einen immer größeren Stellenwert ein. Zunehmend erkennen Hochschulen dies für sich als Chance und Zukunftsmarkt und beginnen damit, Qualifizierungsangebote für Berufstätige zu konzipieren und anzubieten. Die Orientierung auf dem dynamischen und außerordentlich vielfältigen Markt der wissenschaftlichen Weiterbildung fällt gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht immer leicht. Die BDA erstellt daher aktuell eine Handreichung, die interessierten Unternehmen bei der Definition ihres Bedarfs, bei der Suche nach geeigneten hochschulischen Angeboten und dem Aufbau strategischer Kooperationen helfen soll. Hierin enthalten sind sowohl allgemeine Informationen etwa zu Verbreitung und gängigen Formaten wissenschaftlicher Weiterbildung als auch ein Leitfaden für die Anbahnung von Weiterbildungskooperationen mit Hochschulen. Bei allen positiven Entwicklungen entspricht das Weiterbildungsangebot der Hochschulen derzeit bei Weitem noch nicht überall dem Bedarf der Wirtschaft. Gerade in den Ingenieurwissenschaften finden Unternehmen oft nicht die Qualifizierungsmöglichkeiten, die sie für ihre Mitarbeiter benötigen. Die BDA hat dies 2012 in ihrem regelmäßigen Dialog mit den Fakultätentagen der Ingenieurwissenschaften und der Informatik an Universitäten (4Ing) thematisiert. Im Rahmen eines gemeinsamen Workshops im September 2012 haben Hochschullehrer und Personalmanager Möglichkeiten diskutiert, wie

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Stiftung der Deutschen Wirtschaft gewinnt qualifizierte Nachwuchskräfte Begabtenförderung, Berufsorientierung, Studienorientierung: Das sind die Hauptaktionsfelder der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw). Ihr Ziel ist es, qualifizierte Nachwuchskräfte für Deutschland zu gewinnen. Im 1995 gegründeten „Studienförderwerk Klaus Murmann“ vergibt die sdw Stipendien an 1.600 Studierende und Promovierende. Studien belegen, dass die Arbeit Früchte trägt: Bereits rd. 15 % der Absolventen haben Führungspositionen erklommen. Aus dem 2007 gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung gestarteten Programm „Studienkolleg“ für Lehramtsstudierende wiederum schlossen in diesem Jahr die ersten Absolventen das Referendariat ab. Sie haben das Rüstzeug mit auf den Weg bekommen, um später einmal Leitungsfunktionen zu übernehmen. Der „Studienkompass“, eine Gemeinschaftsinitiative mit der Accenture-Stiftung und der Deutsche Bank Stiftung, begrüßte in diesem Jahr seinen 2.000. Teilnehmer. Das Programm unterstützt Schüler aus Familien ohne akademischen Hintergrund dabei, ein Studium aufzunehmen. Besonders in den Fokus genommen wurden im Jahr 2012 die Eltern: Stark nachgefragt wurde eine Informationsbroschüre für Eltern mit Tipps zur Studien- und Berufsorientierung. Der „Elternkompass“ verzeichnete weit über 1.000 Anrufe seiner kostenlosen Service-Hotline für Väter und Mütter, die Fragen zum Thema „Stipendium“ haben. Publizistisch engagiert war auch das Modellprojekt „Zeig, was Du kannst!“. Das kostenlose Handbuch „Erfolgreich von der Schule in die Ausbildung – Handlungsempfehlungen für ein gelungenes Übergangsmanagement“ wendet sich an Schulen, Unternehmen und Politik. Es zeigt, wie der Übergang von Hauptschulabsolventen in die Berufsausbildung gut gelingen kann. Aufgrund dieser Erfolge führt die sdw das Projekt in Kooperation mit der Walter Blüchert Stiftung fort. Weiterentwickelt hat die sdw ihr Know-how aus dem Projekt „MINToring“, das angehende Abiturienten für MINT-Studienfächer begeistert: „Lehramt MINToring“ in Kooperation mit der TÜV SÜD Stiftung motiviert seit Herbst 2012 Schüler speziell zur Aufnahme eines Lehramtsstudiums in den MINT-Fächern. Das neue Projekt ist Teil der von Südwestmetall und sdw getragenen „MINToring“-Initiative Baden-Württemberg. Für ein weiteres sdw-Projekt fiel 2012 der Startschuss: „Universum Wirtschaft“ macht Lehramtsstudierende und junge Lehrkräfte mit Wirtschaftsthemen vertraut. Kooperationspartner ist hier die Commerzbank-Stiftung. Im Projekt „Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland“ unterstützte die sdw als Transferstelle die zahlreichen Einzelprojekte und Initiativen der ostdeutschen Landesarbeitsgemeinschaften SCHULE­ WIRTSCHAFT zur Förderung der Fachkräfte von morgen. Beim diesjährigen Bildungspolitischen Forum der sdw stand das Modellprojekt „Unternehmen:Jugend“ im Zentrum, das von 2009 bis 2012 schuldistanzierte Jugendliche mit Ausbildungsbetrieben zusammenbrachte. Der Kongress „Herausforderung Unternehmertum“ in Kooperation mit der Heinz Nixdorf Stiftung hingegen sprach die Gründerszene und Social Entrepreneurs an. Nähere Informationen unter www.sdw.org

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Wirtschaft und Hochschulen auf dem Feld der wissenschaftlichen Weiterbildung von Ingenieuren und Meistern stärker zusammenarbeiten können – etwa durch einen Ausbau der hochschulischen Qualifizierungsangebote im Technikmanagement. Dabei haben sie gegenseitige Erwartungen und Erfolgsfaktoren für eine gute Zusammenarbeit identifiziert. Die Wirtschaftsvertreter haben insbesondere deutlich gemacht, dass sie von den Universitäten transparente Zugangskriterien, unbürokratische und flexible Studienstrukturen sowie Curricula erwarten, die sich an aktuellen Themen orientieren. Beide Seiten haben eine Fortsetzung des Dialogs angekündigt und streben an, hierbei auch konkrete Leitfäden zur Gestaltung von Weiterbildungsangeboten zu entwickeln. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Quartäre Bildung“

Qualität von Studium und Lehre sichern: Akkreditierung beibehalten und verbessern Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass sie sich auf eine hohe Qualität von Studium und Lehre an den Hochschulen verlassen kann. Um das Vertrauen in Hochschulbildung zu sichern, unterliegen Studienangebote der Pflicht zur Akkreditierung. Die BDA hat sich 2012 intensiv in die Diskussion über eine Weiterentwicklung der Qualitätssicherung an Hochschulen eingebracht. Zusammen mit den Arbeitgebervertretern im Akkreditierungsrat setzt sie sich dafür ein, dass sich deutsche Hochschulen auch zukünftig regelmäßig an transparenten Qualitätsstandards messen lassen, die dem internationalen Standard entsprechen. Vor allem drängt die Wirtschaft darauf, dass die Begutachtung nicht nur Formalitäten prüft, sondern kritisch die Studieninhalte und die Vorbereitung auf eine spätere Beschäftigung in den Blick nimmt und Impulse für eine Weiterentwicklung gibt. Der Akkreditierungsrat hat auf gemeinsamen Antrag der Sozialpartner eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um Vorschläge für eine bessere Berücksichtigung der fachlichen und berufsvorbereitenden Dimension des Studiums in der Qualitätssicherung zu diskutieren.

Die BDA ist in Vertretung für BUSINESS­ EUROPE zudem in die Überarbeitung der europäischen Standards für die Qualitätssicherung von Studium und Lehre eingebunden. Die Bildungsminister aller 47 Staaten des Europäischen Hochschulraums haben sich im Frühjahr 2012 darauf verständigt, die 2005 beschlossenen Standards einer Revision zu unterziehen. Auch hier wird sich die BDA insbesondere dafür einsetzen, dass durch die Revision die Verständlichkeit der Standards erhöht und dadurch eine europaweit einheitliche Auslegung gefördert wird. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass alle relevanten Qualitätsmerkmale erfasst und abgebildet werden. Wichtige Kriterien wie die Kompetenz­ orientierung in den Curricula oder die Beschäftigungsbefähigung der Absolventen kommen derzeit noch viel zu kurz. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Akademische Qualitätssicherung

ProfiLehrer: ein Schlüssel für Schulqualität Bei den aktuellen schulpolitischen Reformen wird viel über Strukturen gesprochen, aber wenig über die Personen, die sie mit Leben erfüllen – die Lehrer. Dabei haben sie eine Schlüsselrolle für die Verbesserung der Bildungsqualität. Werden sie nicht aktiver einbezogen und besser mitgenommen als bisher, drohen die Reformen in den Schulen zu scheitern und Papiertiger zu werden. Die BDA hat dieses Thema aufgegriffen und zeigt in der neuen Position „ProfiLehrer: Ein Schlüssel für Schulqualität“ ihr Leitbild für den Lehrerberuf auf. Damit will sie auch zur besseren Anerkennung dieses wichtigen und verantwortungsvollen Berufs beitragen. Gespräche mit Lehrern und Lehrerverbänden zeigten große Unterstützung für dieses Vorhaben. Dreh- und Angelpunkt des Leitbilds: Lehrer sind Profis mit hoher Führungsverantwortung für Bildung und Erziehung und für die Entwicklung ihrer Schule. Dafür brauchen sie eine exzellente Ausbildung, eine systematische Einführung in den Beruf und eine kontinuierliche Unterstützung durch Schulleitungen, außerschulische Partner und durch eine Bildungspolitik, die Halt und Raum gibt. Schließlich wandeln sich Lehren und Lernen heute erheblich: Inklusion,

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Migration, Ganztagsbetrieb, Individualisierung und die Erziehungspartnerschaft mit den Eltern stellen neue Aufgaben an die Lehrer. Umstrukturierungen aufgrund politischer Entscheidungen und demografischer Entwicklungen kommen hinzu. Der Lehrerberuf stellt hohe Anforderungen – und muss für ausreichend viele und geeignete Bewerber attraktiv sein. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Schulpolitik“

Exzellente Schulen prämieren und fördern: „Starke Schule“ 2013 Schulen arbeiten oft unter schwierigen Bedingungen und erfahren nicht immer die angemessene Wertschätzung ihrer Arbeit. Mit steigenden politischen und gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert, fragen sie zudem nach Anregungen und Anleitung, nach erfolgreichen Konzepten für Unterricht, Organisation und Berufsorientierung. Schulen öffentlich auszuzeichnen, Wertschätzung zu zeigen und zugleich miteinander zu vernetzen, damit sie voneinander lernen können, sind die

Ziele des Wettbewerbs und Netzwerks „Starke Schule“. Mit dem Herausstellen guter Beispiele in allen Bundesländern bietet die BDA mit ihren Partnern Gemeinnützige Hertie-Stiftung, BA und Deutsche Bank Stiftung eine Hilfestellung für Schulen ebenso wie für die Bildungspolitik. Die neue Runde im Wettbewerb „Starke Schule – Deutschlands beste Schulen, die zur Ausbildungsreife führen“ fand in diesem Jahr statt. Der Wettbewerb ist für alle Schulen der Sekundarstufe I offen, die zur Ausbildungsreife führen, auch für Förderschulen und erstmals auch für Realschulen. Mit knapp 700 Anmeldungen haben die Bewerberzahlen einen neuen Rekord erreicht. Dass sich knapp 100 Real- und über 100 Förderschulen beworben haben, zeigt, wie hoch die Anerkennung des Wettbewerbs und des Netzwerks ist. In den Schulen selbst sorgt die Bewerbung regelmäßig für eine kritische Standortbestimmung und dient der Schulleitung als Führungsinstrument. Die Jury begutachtet die Bewerbungen und besucht mögliche Preisträger vor Ort. Im Dezember wurde die Vergabe der Landespreise in den einzelnen Bundesländern entschieden. Die Jury wurde von der BDA gemeinsam mit den

Leitbild Lehrer Lehrerinnen und Lehrer

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sind Profis für die Lern- und Entwicklungsprozesse ihrer Schülerinnen und Schüler sind Experten für ihre Fächer und vermitteln fachliche, methodische und fächerübergreifende Kompetenzen beobachten und diagnostizieren fördern, begleiten, beraten und unterstützen Schülerinnen und Schüler haben Leit- und Vorbildfunktion wirken – gemeinsam mit den Eltern – an der Erziehung und Persönlichkeitsbildung der Kinder und Jugendlichen mit entwickeln sich selbst und ihre Professionalität aktiv weiter arbeiten gemeinsam im Team tragen Mitverantwortung für die Schule, ihre Entwicklung und Erfolge sorgen gemeinsam mit der Schulleitung für Schulqualität bilden den Nachwuchs für Leitungsaufgaben im Schulsystem

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Schulen zusammen und stellt eigene Projekte aus SCHULEWIRTSCHAFT vor. Die Bewerbungen wertet die BDA auch bildungspolitisch aus und bringt dies in ihre politischen Positionen ein.

Landesarbeitgeberverbänden nochmals deutlich erweitert, so dass die Wirtschaft noch besser vertreten ist. Alle Preisträgerschulen werden in ein Netzwerk aufgenommen, das ihnen zur Schul- und Organisationsentwicklung Fortbildungen, Hospitationen und Förderungen bietet. Die BDA führt mit der jährlichen Netzkonferenz alle

Nähere Informationen unter www.starkeschule. ghst.de

Wettbewerb „Starke Schule“: Immer mehr Schulen bewerben sich Anzahl der Schulen 800 699

700 609

594

600 500 400 300 200 100 0 2009

2011

2013

Quelle: Gemeinnützige Hertie-Stiftung, 2012

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Ausbildungsmarkt: Geeignete ­Bewerber fehlen zunehmend Mittlerweile ist es auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen: Auf dem Ausbildungsmarkt werden die Bewerber knapp, die Chancen junger Menschen auf einen Ausbildungsplatz sind gut. Betriebe haben vermehrt Schwierigkeiten, geeignete Bewerber für ihre Ausbildungsstellen zu finden. Die Zahlen der BA bestätigen dies: Ende September 2012 gab es mehr als doppelt so viele unbesetzte Ausbildungsplätze wie unvermittelte Bewerber. Die Zahl der Ausbildungsverträge in Industrie und Handel, Handwerk und freien Berufen

ist um 2 % im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Zur Sicherung des Fachkräftebedarfs und unterstützt durch die stabile konjunkturelle Lage haben die Betriebe ihr Ausbildungsangebot jedoch erneut erhöht. Weiterhin haben zu viele Jugendliche Schwierigkeiten beim Übergang in Ausbildung, weil ihnen die erforderlichen Voraussetzungen fehlen. Erfreulich ist zwar, dass die Zahl der Eintritte in das sog. Übergangssystem in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Allerdings müssen die Anstrengungen weitergehen, in der Schule die Ausbildungsreife und eine fundierte Berufs­ orientierung sicherzustellen und mit praxis­nahen

Bewerbermangel nimmt weiter zu, trotzdem noch zu viele Unversorgte 35.000

33.275 29.689

30.000

25.000

20.000

19.605

17.255

15.000

15.679

15.650 12.255

11.550

10.000

5.000

0 2009

Unbesetzte Ausbildungsstellen Unversorgte Bewerber Quelle: Bundesagentur für Arbeit, verschiedene Jahre

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Angeboten den Übergang dort, wo er noch nicht auf Anhieb gelingt, erfolgreich zu ebnen. Die Partner des Ausbildungspakts haben sich dazu in der Erklärung „Junge Menschen beim Übergang in betriebliche Ausbildung gezielt unterstützen“ auf gemeinsame Ziele verständigt, die sie im Rahmen des Lenkungsausschusses am 5. November 2012 präsentiert haben. So sollen u. a. die vielfältigen Förderinstrumente des Übergangssystems besser aufeinander abgestimmt, die Wirksamkeit der Aktivitäten überprüft und Qualifizierungswege zeitlich anrechnungsfähig gestaltet werden. Es bleibt eine wichtige Aufgabe von Ländern, Bundesregierung und Wirtschaft, diese Ziele im Rahmen des Ausbildungspakts umzusetzen.

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Ausbildungsmarkt“ sowie argumen­ te > „Wir bilden aus!“

Kompetenzorientierung in Ausbildungsordnungen nimmt zu Die Fokussierung auf die Vermittlung von Kompetenzen in der Ausbildung wird sich zukünftig auch verstärkt in den Ausbildungsordnungen wiederfinden, die die Mindeststandards für den betrieblichen Teil der Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen vorgeben. Eine Arbeitsgruppe des Hauptausschusses des Bundesinstituts

Modernisierung der beruflichen Aus- und Fortbildung fortgesetzt Neu geordnet wurden 2012 die folgenden Berufe: Fachangestellte/-r für Arbeitsmarktdienstleistungen, Pharmazeutisch-kaufmännische/-r Angestellte/-r, Schilder- und Lichtreklamehersteller/-in, Schornsteinfeger/-in, Verfahrensmechaniker/-in Kunststoffund Kautschuktechnik In weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2013 befinden sich folgende Berufe: Elektroniker/-in für luftfahrttechnische Systeme, Fachkraft für Metalltechnik (neuer Beruf), Fertigungs­ mechaniker/-in, Fluggerätemechaniker/-in, Kaufmann/-frau für Versicherung und Finanzen, Kfz-Mechatroniker/-in, Klempner/-in, Milchwirtschaftliche/-r Laborant/-in, Notarfachangestellte/-r, Orthopädiemechaniker/-in, Patentanwaltsfachangestellte/-r, Pflanzentechnologe/-technologin, Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte/-r, Rechtsanwaltsfachangestellte/-r, Stanz- und ­Umformmechaniker/­-in (neuer Beruf), Weinküfer/-in, Werkstoffprüfer/-in In der beruflichen Fortbildung wurden 2012 folgende Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG/§ 42 HwO): Fachberater/-in für Finanzdienstleistungen, Fachkaufmann/-frau für Büro- und Projektorganisation, Kraftverkehrsmeister/-in, Meister/-in für Medienproduktion Bild und Ton, Polier/-in, Tourismusfachwirt/-in, Zweirad-Servicetechniker/-in Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die folgenden Fortbildungsverordnungen: Fachwirt/-in Güterverkehr und Logistik, Fachwirt/-in Personenverkehr/Mobilitätsdienstleistung, Indus­ triemeister/-in Fachrichtung Glas, Industriemeister/-in Fachrichtung Schuhfertigung, Logistiker/-in

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für Berufsbildung (BIBB), in der die BDA vertreten ist, wertet die Ergebnisse zweier Projekte des BIBB aus und entwickelt auf dieser Grundlage neue Vorgaben für die künftig kompetenz­ orientierte Darstellung der Ausbildungsinhalte und Prüfungsanforderungen. Die BDA setzt sich dafür ein, dass Ausbildungsordnungen so abstrakt wie möglich, aber so konkret wie nötig formuliert werden. Bei einer zu abstrakten Beschreibung der Kompetenzen besteht die Gefahr, dass einzelne Lernziele weniger detailliert dargestellt werden und den Ausbildern nicht mehr als Leitfaden für den betrieblichen Ausbildungsplan dienen können. Damit auch zukünftig jeder Ausbilder noch weiß, was Bestandteil der Ausbildung sein soll, muss ein gewisser Grad an Konkretisierung erhalten bleiben. Mehr Transparenz entsteht durch die kompetenzorientierte Formulierung bei den Prüfungsanforderungen. Die neue Darstellung soll den Prüfungsausschüssen verständlicher machen, welche Kompetenzen in der Abschlussprüfung tatsächlich nachgewiesen werden müssen.

Lernergebnisorientierung ­entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung des DQR Bei der exemplarischen Zuordnung von Qualifikationen zum Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) setzt sich die BDA weiterhin für eine klare Orientierung an Lernergebnissen statt an Aspekten wie Ausbildungsdauer oder Lernort ein. Nur so kann das Ziel des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR), Qualifikationen europaweit für den Arbeitsmarkt transparent und vergleichbar zu machen, erreicht werden. Erst dann kann auch ein Mehrwert für Arbeitgeber entstehen, da für sie eine lernergebnisorientierte Beschreibung

Voraussetzung dafür ist, das Niveau einer ihnen noch unbekannten Qualifikation sicher einschätzen zu können. Allerdings führt das vom EQR vorgegebene Prinzip der Lernergebnisorientierung weiterhin zu Unstimmigkeiten bei der Zuordnung von Qualifikationen. Die Ausbildungsdauer spielt bei der Entscheidung über Qualifikationsniveaus teilweise immer noch eine dominierende Rolle, obwohl sie nicht mehr als ein Hilfskriterium sein sollte. Die BDA setzt sich gemeinsam mit den anderen Spitzenverbänden der Wirtschaft und den Gewerkschaften dafür ein, mithilfe des DQR sichtbar zu machen, dass an unterschiedlichen Lernorten erworbene Qualifikationen zu einem vergleichbaren Niveau von Lernergebnissen führen können. Dies gilt insbesondere für die berufliche Aufstiegsfortbildung nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. Handwerksordnung, durch die ein vergleichbares Qualifikationsniveau erreicht werden kann wie durch ein Hochschulstudium mit Bachelor- oder Masterabschluss. Entscheidend ist das Kompetenzprofil eines Fortbildungsabsolventen und nicht die Dauer eines Vorbereitungslehrgangs. Es ist gerade das Wesen der beruflichen Aufstiegsfortbildung, dass das Prinzip „Lernen im Beruf“ gilt sowie die mit der Berufserfahrung und begleitender Fortbildung praktisch erworbene Kompetenz entscheidend ist. Dies muss sich auch in der Einordnung im DQR widerspiegeln. Dieses Kompetenzverständnis lässt sich aber nur schwer in Einklang bringen mit dem Verständnis der Hochschulen, für die nach wie vor die Regelstudienzeit ein entscheidendes Kriterium ist. Im Zuge der Diskussionen zur Umsetzung des DQR wird immer deutlicher, dass ein Umdenken in Kompetenzkategorien nur mühsam zu verwirklichen ist. Dies muss sich in Zukunft ändern

„ Der Deutsche Qualifikationsrahmen mit seiner Orientierung an erworbenen Kom­ petenzen macht die Gleichwertigkeit von beruflichen und hochschulischen Bildungs­ wegen sichtbar. Durch die Verknüpfung mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen wird die hohe Qualität insbesondere des deutschen Berufsbildungssystems auch international transparent.

Otto Kentzler | Vizepräsident der BDA, Präsident Zentralverband des Deutschen Handwerks, Geschäftsführender Gesellschafter Kentzler GmbH & Co. KG

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und Verfahren geschaffen werden, die eine ausschließlich an Lernergebnissen orientierte Zuordnung erlauben. Nur dann kann der DQR seinen Zweck erfüllen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > DQR

Harmonisierung von Bildungs­ standards in Europa darf nicht zum Ausbildungshemmnis werden Der Vorschlag der Europäischen Kommission, im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie zur Anerkennung von Berufsqualifikationen die harmonisierten Mindeststandards in der Ausbildung in der allgemeinen Krankenpflege anzuheben, kann fatale Konsequenzen für die deutsche Pflegeausbildung und den Fachkräftenachwuchs haben. Das Erfordernis einer zwölfjährigen Schulbildung als Zulassungsvoraussetzung für eine Ausbildung in der Krankenpflege engt den Personenkreis, der Zugang zu diesem Beruf hat, enorm ein und verschärft den bereits bestehenden Mangel an Pflegekräften. Die BDA hat die Kommission, die zuständigen Ministerien und die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf diese Konsequenzen hingewiesen und gefordert, bei der bisherigen Regelung, die eine zehnjährige Schulbildung erfordert, zu bleiben. Die gestiegenen Anforderungen im Pflegeberuf sind nicht durch eine höhere Schulbildung zu gewährleisten. Viel wichtiger ist eine praxisnahe Ausbildung, die berufliche Handlungskompetenz sichert. Die Erfahrung zeigt, dass auch Jugendliche ohne Abitur für den Beruf ein Profil mitbringen, das für die erfolgreiche Ausübung eines Pflegeberufs entscheidend ist. Hierzu gehören z. B. Belastbarkeit und Einfühlungsvermögen. Die starke Akademisierung der Pflegeberufe in Europa lässt sich vor allem auf die unterschiedlichen Bildungssysteme zurückführen und teilweise auch auf unterschiedliche Berufsprofile von Pflegekräften. Aus der Unterschiedlichkeit der Systeme Schlüsse auf die Qualität der Ausbildung zu ziehen, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil erweist sich gerade das deutsche duale System der Ausbildung als außerordentlich erfolgreich, wie an der niedrigen Jugendarbeitslosigkeit deutlich zu erkennen ist. Ein tragendes Prinzip dieses Systems besteht gerade darin, dass keine formalen

Zugangsvoraussetzungen wie z. B. ein bestimmter Schulabschluss bestehen. Diese Flexibilität darf durch eine europäische Harmonisierung zum Zwecke der erleichterten Anerkennung nicht gefährdet werden.

BUSINESSEUROPE veröffentlicht Handlungsempfehlungen ­„Opportunities for Youth” Viele europäische Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit schauen zurzeit vermehrt auf das deutsche Ausbildungssystem, um duale ­Ansätze in der Berufsbildung in ihren Ländern zu verankern. Um konkrete Handlungsempfehlungen hierfür zu erarbeiten, hatte BUSINESSEUROPE Anfang 2012 die Task Force „Youth“ eingerichtet. Diese erarbeitete unter Beteiligung der BDA das Strategiepapier „Creating Opportunities for Youth – How to Improve the Quality and Image of Apprenticeships“. Die dort formulierten Handlungsempfehlungen richten sich sowohl an die EU als auch an die Mitgliedstaaten, Arbeitgeberorganisationen und Unternehmen. Vorgeschlagen wird darin nicht die Übertragung eines kompletten Ausbildungssystems, sondern einzelne Handlungsstrategien, die angepasst an die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Länder verfolgt werden können. Im Mittelpunkt steht dabei immer die enge Verknüpfung der institutionellen beruflichen Bildung mit der betrieblichen Praxis. Das betrifft zum einen die intensive Zusammenarbeit der Politik mit der Wirtschaft, zum anderen genauso das Engagement der Wirtschaft etwa bei der Bereitstellung von betrieblichen Ausbildungsangeboten. Zentraler Gedanke ist dabei, dass sich duale Strukturen bzw. Ansätze in der beruflichen Bildung ohne die aktive Mitwirkung der Sozialpartner nur schwer verankern lassen. Die Handlungsempfehlungen sind für die BDA auch Grundlage für die Beteiligung an bilateralen Gesprächen der Bundesregierung mit einigen südeuropäischen Mitgliedstaaten.

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Wettbewerbe zur Verbesserung der Berufsorientierung Zu den Erfolgen von SCHULEWIRTSCHAFT gehört die wachsende Zusammenarbeit mit externen Partnern wie z. B. Bundesministerien, Stiftungen und Unternehmen. Gemeinsam werden Initiativen zur Verbesserung des Übergangs der Jugendlichen von der Schule in eine Ausbildung oder ins Studium angestoßen. Um herausragende Beispiele sichtbar zu machen und Jugendliche zu besonderem Engagement zu motivieren, setzt das Netzwerk insbesondere auf Wettbewerbe und die Auslobung von Preisen. Netzwerk Berufswahl-SIEGEL schreibt ersten Schülerwettbewerb für SIEGEL-Schulen aus SCHULEWIRTSCHAFT koordiniert seit Ende 2010 das Netzwerk Berufswahl-SIEGEL. Darin haben sich etwa 40 Träger, darunter auch Arbeitgeberverbände und Bildungswerke der Wirtschaft, zusammengeschlossen, die in vielen Regionen Deutschlands ein Qualitätssiegel für Schulen mit hervorragender Berufs- und Studienorientierung vergeben. Das Netzwerk Berufswahl-SIEGEL hat mit Unterstützung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands und der Deutschen Kinemathek einen Schülerwettbewerb ausgelobt. Gesucht werden Deutschlands beste Filmteams mit Ideen für einen Mobile-Phone-Film zum Thema „Zeig uns Deinen Traumjob!“. Mit dem Wettbewerb soll das besondere Engagement der SIEGEL-Schulen im Bereich der Berufs- und Studienorientierung wertgeschätzt werden. Insgesamt 75 Schülerteams haben sich angemeldet, die bis Mitte Januar ein Storyboard für ihren Mobile-Phone-Film einreichen. Nähere Informationen zu Projekt und Wettbewerb unter www.netzwerk-berufswahlsiegel.de und www.facebook.com/SmartFilmSafari Schülerwettbewerb zum Jahresthema „Migration.Qualifikation.Integration“ Berufsorientierung ist eine notwendige Bedingung für Integration und muss wegen der immer stärker durch Migration geprägten Gesellschaft zunehmend eine interkulturelle Komponente haben. SCHULEWIRTSCHAFT hat als roten Faden zu ihrem Jahresthema „Migration.Qualifikation.Integration“ mit der Bundesbeauftragten für Migration, Dr. Maria Böhmer, den Wettbewerb „Ich habʼs geschafft“ für Jugendliche ausgeschrieben: Schüler sollen in ihrer Region erfolgreiche und gut integrierte Menschen mit Migrationshintergrund finden und porträtieren. So sollen Rollenvorbilder sichtbar und wirksam werden. Jugendliche sollten motiviert werden, aus den guten Beispielen für die Planung des eigenen Lebenswegs zu lernen, die eigene Berufs- und Studienwahl voranzutreiben und Leistungsbereitschaft zu zeigen. Angesprochen werden Schüler der Sekundarstufe I ab Klasse 8. Die Anmeldephase läuft bis zum 15. März 2013. Nähere Informationen zum Wettbewerb unter www.schulewirtschaft.de/ichhabsgeschafft

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Unternehmerisches Engagement im Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT wird erstmals ausgezeichnet Viele Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen sind aktiv im Netzwerk SCHULE­ WIRTSCHAFT tätig – lokal, regional und bundesweit. Aber es sollen noch mehr Unternehmen werden, die sich nachhaltig engagieren. Um solche Aktivitäten zu würdigen und zur Nachahmung anzuregen, wurde mit Unterstützung von Bundeswirtschaftsminister Dr.  Rösler, der die Schirmherrschaft übernommen hat, für Unternehmen ein Preis mit dem Titel „Mein Engagement macht Schule!“ vergeben. Vier Schwerpunktziele wurden verfolgt:

Quantität: Mehr Unternehmen werden für das Engagement für Bildung und für die Mitarbeit im Netzwerk gewonnen.

Qualität und Innovation: Best-Practice-Beispiele und Leuchtturmprojekte für nachhaltiges Engagement von Unternehmen für Bildung werden erfasst und kommuniziert.

Motivation: Das Engagement von Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Schulen wird gewürdigt und ausgezeichnet.

Die Marke SCHULEWIRTSCHAFT wird durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gestärkt.

Von den rd. 100 Unternehmen, die sich beworben hatten, wurden neun prämiert. Preisträger sind: Kleine Unternehmen: 1. RAICO Bautechnik, Pfaffenhausen, Bayern 2. Veltum GmbH, Waldeck, Hessen 3. Jochmann GmbH, Parchim, Mecklenburg-Vorpommern

Große Unternehmen: 1. Aesculap AG, Tuttlingen, Baden-Württemberg 2. Robert Bosch GmbH, Werk Blaiach, Bayern 3. Continental Automotive GmbH, Baben­hausen, Hessen Weitere Informationen zum Wettbewerb unter www.schulewirtschaft.de/unternehmenspreis

Berufsorientierung: Zusammen­ arbeit mit der BA verstetigt Die BA und die Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULE­WIRTSCHAFT haben im März 2012 eine schriftliche Vereinbarung geschlossen, die erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich der Berufsorientierung in den nächsten drei Jahren fortzuführen. Zu den wichtigsten Eckpunkten der Vereinbarung zählen ein Jahrestreffen zwischen den Vorsitzenden von SCHULEWIRTSCHAFT, Ernst Baumann und Ulrich Wiethaup, und dem ressortverantwortlichen Vorstandsmitglied der BA, Raimund Becker, die bedarfsorientierte Einbeziehung der Expertise des jeweiligen Partners sowie die gemeinsame Bearbeitung relevanter Themengebiete z. B. in Workshops. Schon jetzt arbeiten in vielen Regionen Vertreter der Arbeitsagenturen oder Regionaldirektionen in den Arbeitskreisen von SCHULE­WIRTSCHAFT und bei Projekten mit großem Erfolg zusammen. So sind z. B. Checklisten für eine gelungene Berufs- und Studienorientierung an Schulen der Sekundarstufe I bzw. II entstanden. Aktuell wird ein Leitfaden zur Ansprache von Eltern im Berufswahlprozess entwickelt. Nähere Informationen unter www.schulewirtschaft.de > Themen > Berufsorientierung > Instrumente > Checklisten zur Berufs- und Studienorientierung

Mittlere Unternehmen: 1. Schenck Process GmbH, Darmstadt, Hessen 2. LAMILUX Heinrich Strunz Gruppe, Rehau, Bayern 3. BYK-Chemie, Wesel, Nordrhein-Westfalen

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Wettbewerbe zur Stärkung der ökonomischen Bildung Startschuss für bundesweiten Planspielwettbewerb Im Schuljahr 2012/2013 startet der erste bundesweite beachmanager-Planspielwettbewerb für Klassen und Schülerteams. Das computergestützte Planspiel wird allen Schulen der Sekundarstufe I kostenlos angeboten. Ermöglicht wird dies mit Unterstützung des Bundesförderers McDonaldʼs Deutschland. beachmanager wurde von der Landesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT Bayern im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e. V. und den bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbänden (bayme vbm) sowie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) entwickelt und initiiert. Bei beachmanager schlüpfen die Schüler in die Rolle von Geschäftsführern und versuchen im Dreiergespann, mit einem virtuellen Wassersportcenter Gewinne zu erzielen. Neben BWL-Kenntnissen werden auch Schlüsselkompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Denken in Zusammenhängen und Lern- und Arbeitstechniken vermittelt. Da unternehmerisches Handeln nicht nur auf dem Papier stattfindet, spielt praktische Relevanz bei beachmanager eine zentrale Rolle. Der Wettbewerb besteht aus mehreren Etappen: einer Vorrunde an der Schule, einer Zwischenrunde im Internet und dem dreitägigen Bundesfinale im Juni 2013. Nähere Informationen unter www.beachmanager.de Gütesiegel „Bestes Ökonomisches Schulbuch“ vergeben Schulbücher sind nach wie vor Leitmedien der Erziehung und Bildung von Jugendlichen im öffentlichen Schulsystem. Sie vermitteln Wissen und strukturieren den Unterricht. Doch ein Blick in die Schulbücher zur ökonomischen Bildung zeigt, dass darin meist nur ein Ausschnitt der wirtschaftlichen Realität vorkommt und viele Themen nicht sachgerecht behandelt werden. Mit dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Gütesiegel „Bestes Ökonomisches Schulbuch“ hat SCHULEWIRTSCHAFT 2012 folgende herausragende Lehr- und Lernmedien zu Wirtschaftsthemen ausgezeichnet:

Kategorie: Bücher für die Sekundarstufe I „Praxis Wirtschaft Profil“, Verlagsgruppe Westermann

Kategorie: Bücher für die Sekundarstufe II „Grundlagen der Volkswirtschaft“, C.C. Buchner Verlag

Kategorie: Bücher für die berufliche Bildung „Wirtschaftskunde“, Ernst Klett Verlag

Mit dem Gütesiegel sollen gute Beispiele für Lehrkräfte, Eltern und auch Schulbuchverlage sichtbar gemacht werden. Weitere Informationen unter www.schulewirtschaft.de/Schulbuchpreis

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Zusammenarbeit mit der KMK in der Berufsorientierung ausgelotet

Systematische Berufsorientierung ­gegen den Fachkräftemangel

Im Rahmen eines Workshops am 27. Juni 2012 haben Vertreter aus den Kultusministerien der Länder, der KMK sowie Vertreter von SCHULE­ WIRTSCHAFT Vorschläge für die künftige Zusammenarbeit erarbeitet. Diskutiert wurden die Förderung langfristiger Partnerschaften zwischen den Kultusministerien und Landesarbeitsgemeinschaften SCHULEWIRTSCHAFT, Ansatzpunkte der Zusammenarbeit für Jugendliche mit Migrationshintergrund, die Aktivierung von Lehrkräften für SCHULE­WIRTSCHAFT sowie Möglichkeiten der Zusammenarbeit für Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Workshopteilnehmer verständigten sich darauf, das verbesserte Praxislernen in den Mittelpunkt der weiteren Zusammenarbeit zu stellen und dabei alle diskutierten Themen aufzugreifen. Weitere Kooperations­schritte folgen 2013 nach Beratung der Ergebnisse in den Gremien von KMK und SCHULEWIRTSCHAFT.

Bertelsmann Stiftung und SCHULEWIRTSCHAFT haben mit dem Partner MTO Psychologische Forschung und Beratung GmbH im Juli 2012 ihr 2009 gemeinsam entwickeltes und seitdem vielfach erprobtes Praxishandbuch zur Berufs- und Studienorientierung vollständig überarbeitet und erneut veröffentlicht. Der Leitfaden soll auch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. Sinkende Schülerzahlen verschärfen den in vielen Bereichen bereits bestehenden Fach­ kräftemangel noch. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Schüler die Chancen, aber auch die notwendigen Anforderungen der Arbeitswelt kennen und eine fundierte Berufswahlentscheidung treffen können. Der Leitfaden unterstützt die Schulen mit praktischen Anleitungen und Unterrichtsmaterialien dabei, mit einem Qualitätsmanagement ein Gesamtkonzept zur Berufsorientierung zu planen und umzusetzen. Die Neuauflage des Leitfadens ist um die Themenbereiche Inklusion, Kompetenzfeststellung und Elternengagement erweitert worden. Er kann bestellt werden unter www.bertelsmann-stiftung.de.

BDA | Geschäftsbericht 2012 | Bildung

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Bewältigung der Krise bestimmt Europapolitik Die Staatsschuldenkrise blieb auch 2012 die existenzielle Herausforderung für die Europäische Union – Europa steht an einem historischen Scheideweg. Der Euro erfordert als gemeinsame Währung zwingend eine politische Union und eine verbindliche wirtschaftspolitische Koordinierung. Diese Ziele galt und gilt es weiterhin parallel mit den kurzfristigen Notfallmaßnahmen zur Rettung des Euro zu verfolgen. Dabei muss allen Beteiligten bewusst sein: Die gesamte europäische

Integration ist gefährdet, wenn es an angemessener gegenseitiger Rücksichtnahme bei der Bewältigung der aktuellen Notlagen, aber auch bei der Weichenstellung für die politische Union mangelt. Die Rolle der europäischen Sozialpartner gewinnt in dieser Gesamtsituation an Bedeutung, z. B. bei der Mitgestaltung einer europäischen wirtschaftspolitischen Koordinierung. Die BDA setzt sich dafür ein, dass die dringend notwendigen Reformen für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in allen Mitgliedstaaten angeschoben und nicht durch neue schädliche EU-Regulierung für Unternehmen wieder unterlaufen werden.

Die Strategie wirkt – Erfolge in der Haushaltspolitik

Budgetsalden von Eurozone, USA, Japan und Großbritannien in % des BIP in %

in %

0

5

–2

0

–4

–5

–6

–10

–8

–15

–10

–20

–12

–25 2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

* 2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Eurozone

USA

Deutschland

Irland

Griechenland

Japan

Großbritannien

Portugal

Spanien

Italien

Quelle: Eurostat, Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission; 2012

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Budgetsalden von Eurostaaten im Vergleich in % des BIP

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* Irland 2010: –31,2 %


Weichen für dauerhafte Stabilitäts­ union verbindlich stellen Trotz aller Fragen und Zweifel haben sich die Bürger in den jüngsten nationalen Wahlen in Griechenland und in den Niederlanden letztlich proeuropäisch entschieden. Das zeigt, dass die Erkenntnis reift, dass Europa nur als politische Union, ergänzt durch eine auf Stabilität ausgerichtete Wirtschafts- und Währungsunion, zukunftsund wettbewerbsfähig bleiben kann. Dazu hat sicher auch beigetragen, dass noch nie zuvor so intensiv öffentlich über Europa debattiert wurde.

Die BDA hat sich an der Debatte über die Zukunft der Europäischen Union aktiv und dezidiert beteiligt. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt legte im August 2012 in einem Beitrag für „Die Welt“ dar, dass die Hilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) richtige und wichtige Notfallmaßnahmen zur akuten Gefahrenabwehr sind, jedoch befristete und streng konditionierte Nothilfen bleiben müssen. In der öffentlichen Diskussion wird teilweise übersehen, dass die Strukturreformen in den meisten Krisenländern ernsthaft angegangen werden und bereits erste messbare positive Wirkungen zeigen. So ist es z. B. gelungen, die Lohnstückkosten in Griechenland und in Portugal

Die Strategie wirkt – die Wettbewerbsfähigkeit steigt

Leistungsbilanz in % des BIP

Nominale Lohnstückkosten der Gesamtwirtschaft in % (Basisjahr 2000 = 100)

in % 10

145

5

135

0 125 –5 115 –10 105

–15

95

–20 2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Deutschland

Irland

Griechenland

Portugal

Spanien

Italien

2001

2003

2005

2007

2009

2011

2013

Quelle: Eurostat, Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission; 2012

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„ Die europäische Einigung ist notwendiger denn je, damit die Europäische Uni-

on auf internationaler Ebene eine gestaltende Kraft bleibt. Deshalb unterstützen wir als Arbeitgeber den Kurs, der den Euro als gemeinsame Währung sichert, die Währungsunion um die politische Union erweitert und die Krisenländer auf ihrem Reformweg begleitet.

Margret Suckale | Vorsitzende BDA-Ausschuss für Sozialpolitik in der Europäischen Union, Vorstandsmitglied BASF SE

seit Ende 2010 kontinuierlich zu senken. Auch bei den Leistungsbilanzen verzeichnen die Defizitländer inzwischen eine positive Entwicklung. Diese Erfolge sind auch die Kernbotschaft einer gemeinsamen Erklärung, die die BDA zusammen mit dem BDI und den Wirtschaftsverbänden aus Spanien, Italien und Frankreich Anfang September 2012 veröffentlicht hat: „In Europe and the Euro we trust“. Darin bekennen sich BDA, BDI, CEOE (Spanien), Confindustria (Italien) und

MEDEF (Frankreich) ausdrücklich zu der gemeinsamen Währung im Rahmen einer Stabilitäts­ union. Die europäischen Entscheidungsträger und nationalen Parlamente werden aufgefordert, die Maßnahmen zur nachhaltigen Rettung des Euro, zur Rückgewinnung des Vertrauens in die Währungsunion und zur Wiedererlangung von Wettbewerbsfähigkeit schneller voranzutreiben. Es sollten klare Ziele definiert werden, wie die Wirtschaftsund Währungsunion vertieft werden kann. Die EZB und der Europäische Stabilitätsmechanismus

Europäischer Rat fasst richtige Beschlüsse Einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Schuldenkrise und Vertiefung der europäischen Integration stellen die Beschlüsse des EU-Gipfels Ende Juni 2012 dar. Erstmals wurden von den europäischen Staats- und Regierungschefs auf der Grundlage des sog. Van-Rompuy-Berichts wichtige strategische Ansätze für eine vertiefte Wirtschafts- und Währungsunion diskutiert, neue kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone beschlossen und zudem der Wachstumspakt verabschiedet. Die kurzfristigen Maßnahmen – direkte Rekapitalisierung von Banken durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), Rekapitalisierung des spanischen Bankensektors, flexibler Einsatz der bestehenden Instrumente der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und des ESM – sind an klare Auflagen gekoppelt. Die aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) bestehende sog. Troika handelt mit dem betreffenden Mitgliedstaat ein „Memorandum of Understanding“ (MoU) aus, welches im Einzelnen die Auflagen für die Inanspruchnahme jeglicher Art von Finanzhilfe darlegt. Das MoU muss von den Finanzministern der Eurozone beschlossen und vom Stabilitätshilfe suchenden Mitgliedstaat unterzeichnet werden. Die EU-Kommission unterzeichnet das MoU im Namen des ESM. Für eine direkte Bankenrekapitalisierung aus dem ESM ist die Schaffung einer arbeitsfähigen europäischen Bankenaufsicht zwingende Voraussetzung. Mitte Oktober 2012 einigten sich die Staatsund Regierungschefs auf einen Zeitplan zur Einführung der europäischen Bankenaufsicht. Bis zum 1. Januar 2013 soll der rechtliche Rahmen geklärt werden. Erst anschließend soll im Verlauf des Jahres 2013 der Aufbau der bei der EZB angesiedelten Bankenaufsicht erfolgen.

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BDA | Geschäftsbericht 2012 | Europa und Internationales


(ESM) könnten verschiedene, sich ergänzende Rollen einnehmen. Während der ESM am Primärmarkt auftreten könnte, sollte die EZB im Rahmen ihres Mandats zur Unterstützung des ESM auf dem Sekundärmarkt agieren können. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012, die deutsche Beteiligung am Euro-Rettungsschirm ESM grundsätzlich zu erlauben, ist ein weiterer proeuropäischer Schritt, den die BDA begrüßt. Die Interessen der deutschen Wirtschaft können nur im europäischen Kontext mit einem stabilen Euro und einer funktionierenden Währungsunion erfolgreich vertreten werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Standort Europa

EU-2020-Strategie: Wirtschafts­ politische Koordinierung setzt wichtige Impulse Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung am 28./29. Juni 2012 die länderspezifischen Empfehlungen gebilligt, die die Mitgliedstaaten im Zuge der im zweiten Halbjahr 2012 anstehenden beschäftigungs- und haushaltspolitischen Entscheidungen umsetzen sollten, um so das Europäische Semester 2012 abzuschließen. Die BDA hält die Mehrzahl der länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission an Deutschland für zielführend. Sie greifen wichtige Anliegen auf, die auch die BDA in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Nationalen

EU-2020-Strategie: mehr Wettbewerbsfähigkeit für Europa Die EU-2020-Strategie ist die auf zehn Jahre angelegte Wachstumsstrategie der Europäischen Union, die für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft eine Schlüsselrolle spielt. Mittels dieser Strategie soll „intelligentes“ Wachstum geschaffen werden. Wissen und Innovation sollen zu nachhaltigem Wachstum führen, das eine ressourcenschonende, ökologischere und wettbewerbsfähigere Wirtschaft fördert. Zudem sollen Integration, hohe Beschäftigung und ausgeprägter sozialer und territorialer Zusammenhalt erreicht werden. Zur Messung der Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele der EU-2020-Strategie hat sich die EU fünf Kernziele gesetzt, die sie bis Ende des Jahrzehnts erreichen möchte. Die Kernziele umfassen die Bereiche Beschäftigung, Bildung, soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung, Forschung und Innovation sowie Klimawandel und Energie. Konkret soll bis zum Jahr 2020 u. a. die Beschäftigungsrate der 20- bis 64-Jährigen 75 % betragen, die Schulabbrecherquote auf unter 10 % verringert und der Anteil der 30- bis 34-Jährigen mit abgeschlossener Hochschulbildung auf mindestens 40 % gesteigert werden. Die Ziele der EU-2020-Strategie sollen im Zusammenspiel von Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene verfolgt werden. Die Koordinierung erfolgt im Rahmen des 2011 eingeführten sog. Europäischen Semesters, bei dem es sich um einen jährlichen Zyklus der wirtschafts-, beschäftigungs- und haushaltspolitischen Koordinierung handelt. Dieser beinhaltet von Kommission und Rat vorgegebene politische Leitlinien auf EU-Ebene, Verpflichtungen seitens der EU-Länder durch nationale Reformprogramme sowie länderspezifische Empfehlungen, die von der Kommission erarbeitet und vom Europäischen Rat gebilligt werden. Diese Empfehlungen sollen in die Politik- und Haushaltsgestaltung der Mitgliedstaaten einfließen und sind innerhalb von 12 bis 18 Monaten umzusetzen. Die Kommission bewertet die Fortschritte auf EU-Ebene in ihrem Jahreswachstumsbericht und die Fortschritte in den einzelnen Mitgliedstaaten in ihren länderspezifischen Empfehlungen.

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Reformprogramms an die Bundesregierung adressiert hatte. So ist z. B. die Forderung der Europäischen Kommission, die Belastung des Faktors Arbeit zu senken, richtig. Zusätzliche Anstrengungen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung durch Aktivierungs- und Integrationsmaßnahmen hält auch die BDA für wichtig. Sie sollten mit Blick auf die demografische Entwicklung und den Fachkräfte­ mangel aber nicht nur auf Arbeitslose, sondern auf das gesamte Erwerbspersonenpotenzial zielen. Insgesamt bildet das Europäische Semester, das 2012 erstmals vollständig durchlaufen wurde, auch einen Reformkalender für die Sozialpolitik in der EU, auf dem sich die Fortschritte in anderen Mitgliedstaaten ablesen lassen. Es ist damit ein wertvolles Benchmark- und Koordinierungsinstrument für Bürokratieabbau und Reformfähigkeit. Manche Erfolge beim Bürokratieabbau auf nationaler ­ Ebene werden allerdings durch die Europäische Kommission und das Europäische

Parlament konterkariert. Beide präsentieren oder fordern regelmäßig neue Initiativen und Richtlinienvorschläge, die für die Unternehmen wieder mehr Bürokratie und zusätzliche Belastungen aufbauen würden: so z. B. der (auf Druck der Arbeitgeber und mehrerer nationaler Parlamente mittlerweile zurückgezogene) Verordnungsvorschlag „Monti II“, die Forderungen des Europäischen Parlaments nach einer rechtlich bindenden EU-Richtlinie zur Umstrukturierung und die Leitinitiative der EUKommissarin Reding für eine starre Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen. Ein großer Teil der europapolitischen Arbeit der BDA zielte daher 2012 darauf, die europäischen Entscheidungsträger davon zu überzeugen, von solchen schädlichen Initiativen Abstand zu nehmen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Europäische Gesetzgebung: Arbeit und Soziales

Kommission legt Gesetzespaket zu Arbeitnehmerentsendung und Streikrecht vor

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (sog. Monti-II-Verordnung)

Vorschlag für eine Verordnung des Rats über die Ausübung des Rechts auf Durchführung kollektiver Maßnahmen im Kontext der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit (sog. Durchsetzungsrichtlinie)

Das Gesetzespaket ist als Reaktion der Kommission auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Rechtssachen „Viking“, „Laval“, „Rüffert“ und „Kommission/Luxemburg“ zu sehen, in denen der EuGH zu den Grundfreiheiten des Binnenmarkts und zur Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie Stellung genommen und klargestellt hatte, dass die Ausübung sozialer Grundrechte mit den Grundfreiheiten in einer angemessenen Balance stehen muss. Gewerkschaften und Teile des Europäischen Parlaments hatten die Rechtsprechung heftig kritisiert, wohingegen die BDA die Klarstellung des EuGH begrüßt hatte, da dadurch die Entwicklung des Binnenmarkts gefördert und damit auch die soziale Dimension in Europa gestärkt wird.

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Erfolgreiche Interessenvertretung beim Vorschlag für eine Verord­ nung zum Streikrecht Ein beachtlicher Erfolg ist beim Verordnungsvorschlag zum Verhältnis von Grundfreiheiten zu sozialen Grundrechten (sog. Monti-II-Verordnung) gelungen, der in das Arbeitskampfrecht eingegriffen hätte. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Hundt ­ hatte bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorentwürfe massive Kritik an dem Vorschlag der Kommission geübt. Der Forderung der BDA, den Verordnungsvorschlag zurückzunehmen, hatte sich B ­ USINESSEUROPE angeschlossen. Nachdem dann zwölf nationale Parlamente eine erfolgreiche Subsidiaritätsrüge gegen den Vorschlag erhoben hatten, zog die Kommission ihren Vorschlag im September 2012 schließlich zurück. Dies wurde von der BDA sehr begrüßt, denn die EU-Verträge bieten keine tragfähige Rechtsgrundlage zur Regelung des Arbeitskampfrechts. So schließt der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Art. 153 Abs. 5 eine Rechtsetzungsbefugnis zum Streikrecht ausdrücklich aus. Die Kommission hatte aber versucht, diese klare Regelung über eine Art

„Kunstgriff“ auf Art. 352 zu umgehen. Dieser setzt jedoch ein Tätigwerden der EU „im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche“ voraus. Art. 153 Abs. 5 stellt demgegenüber ausdrücklich fest, dass keine EU-Kompetenz im Hinblick auf das Streikrecht besteht. Im Übrigen hat der EuGH die in der P ­ raxis aufgetretenen Fragen des Verhältnisses des gewerkschaftlichen Arbeitskampfrechts zu den Grundfreiheiten des Binnenmarkts so entschieden, dass Rechtsklarheit besteht. Der Verordnungsvorschlag hätte gerade diese Rechtsklarheit beeinträchtigt. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Europäische Gesetzgebung: Arbeit und Soziales

Licht und Schatten im Vorschlag zur besseren Durchsetzung der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie Auch beim zweiten Teil des Gesetzespakets zur Entsendung von Arbeitnehmern ist es gelungen, in intensivem Dialog mit der Kommission vor Veröffentlichung des Vorschlags substantielle Verbesserungen zu bewirken. Im Gegensatz zu ursprünglichen Überlegungen, die auf eine komplette Überarbeitung der

Lissabon-Vertrag stärkt nationale Parlamente durch S­ubsidiaritätsrüge Mit dem Instrument der Subsidiaritätsrüge stärkt der Vertrag von Lissabon die nationalen Parlamente. Unter anderem können die nationalen Parlamente gem. Art. 6 des Subsidiaritätsprotokolls zum LissabonVertrag innerhalb von acht Wochen nach der Übermittlung eines Entwurfs für einen Gesetzgebungsakt eine begründete Stellungnahme abgeben, in der sie darlegen, weshalb der Entwurf mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar ist. Die Stellungnahmen der nationalen Parlamente sind rechtlich nicht bindend, sondern von der Kommission nur zu berücksichtigen. Wenn die Anzahl der ablehnenden Stimmen jedoch mindestens ein Drittel der Gesamtzahl der den nationalen Parlamenten zustehenden Stimmen erreicht, muss die Kommission den Gesetzgebungsakt überprüfen. Jedem nationalen Parlament stehen zwei Stimmen zu (pro Kammer eine; wenn es keine zwei Kammern gibt, dann verbleiben dem jeweiligen Parlament dennoch zwei Stimmen), das ergibt 54 Stimmen insgesamt, ein Drittel ist mit 18 Stimmen erreicht. Die Entscheidung der Kommission für die Beibehaltung, Abänderung oder Rückziehung muss begründet werden und bedarf eines formellen Beschlusses.

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Arbeitnehmer-Entsende­richtlinie hinausliefen, will sich die Kommission nun auf die bessere Durchsetzung der geltenden Richtlinie konzentrieren. Dazu soll u. a. EU-weit eine Generalunternehmerhaftung in der Bauwirtschaft eingeführt und ein abschließender Katalog von Maßnahmen festgelegt werden, den die Mitgliedstaaten zur Kontrolle der Einhaltung der Richtlinie durchführen dürfen. Dass die Kommission ihren Fokus jetzt auf die bessere Durchsetzung der geltenden Richtlinie legt, entspricht einer lange erhobenen Forderung der BDA: Die Mängel im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern sind nicht auf die Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie selbst, sondern auf die ungenügende praktische Umsetzung in den Mitgliedstaaten zurückzuführen. Außerdem wäre eine komplette Überarbeitung der Entsende­ richtlinie mit der Gefahr verbunden gewesen, das immer noch nicht vollendete Binnenmarktprojekt zurückzuwerfen, anstatt es voranzubringen. Allerdings kann das von der Kommission beabsichtigte Ziel einer besseren Umsetzung der Entsenderichtlinie nur erreicht werden, wenn das gegenwärtig praktizierte Niveau an Kontrollen, das die Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Richtlinie durchführen, nicht abgesenkt wird. Der in Art. 9 des Richtlinienvorschlags vorgesehene abschließende Katalog von erlaubten Maßnahmen würde jedoch dazu führen, dass in Deutschland bewährte Kontrollmöglichkeiten zukünftig nicht mehr möglich wären. Damit würde die Effektivität der Prüfungen durch die Zollbehörden erheblich beeinträchtigt und der Katalog genau das Gegenteil von dem bewirken, was von der Kommission eigentlich beabsichtigt ist. Nach dem Richtlinienvorschlag wäre ein ausländischer Bauunternehmer z. B. nur verpflichtet, die „voraussichtliche Zahl“ von „klar identifizierbaren“ Bauarbeitern zu melden, die er zur Durchführung von Bauarbeiten nach Deutschland entsenden will. Wenn sich dann die tatsächliche Anzahl der Arbeiter ändert, müsste er das nicht nachmelden. Nach deutschem Recht ist ein Bauunternehmer dagegen verpflichtet, Änderungen in der Zusammensetzung des Bautrupps unverzüglich zu melden, damit die deutschen Behörden bei Kontrollen den kompletten Überblick über die entsandten Arbeitnehmer haben.

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Dagegen sind bei der Regelung zur Einführung einer Generalunternehmerhaftung inzwischen ausreichende Möglichkeiten zur Haftungsbefreiung vorgesehen. Nach den bekannt gewordenen Vorentwürfen, wonach sich ein Generalunternehmer von der Haftung befreien kann, sofern er nachweist, dass er die erforderliche Sorgfalt angewandt hat, wäre die deutsche Regelung nämlich gefährdet gewesen. Zudem kann das in Deutschland bewährte System der Präqualifizierung von Baubetrieben, mit dem der Generalunternehmer seine Sorgfalt nachweist, wie bisher weiterbetrieben werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Europäische Gesetzgebung: Arbeit und Soziales

Kommissionspläne zur ­Bericht­erstattungspflicht für CSR sind der falsche Weg In der CSR-Mitteilung der EU-Kommission von 2011 wurden zahlreiche Maßnahmen angekündigt, von denen zwischenzeitlich einige angelaufen sind. So erarbeitet die Kommission z. B. derzeit einen Leitfaden speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zum Thema „Menschenrechte“, wobei die International Organisation of Employers (IOE) beratend tätig ist. Angesichts der zunehmenden Anzahl mittelständischer Unternehmen, die als Global Player agieren, ist dies ein sinnvolles Projekt, wenn der Fokus auf eine praktische Hilfestellung für Unternehmen gerichtet ist. Leider arbeitet die Kommission aber auch an der in der Mitteilung angekündigten gesetzlichen Regulierung zur „Offenlegung von Informationen nichtfinanzieller Art durch Unternehmen“. Dies bedeutet die Einführung einer Verpflichtung zu CSRBerichten für Unternehmen, wovon sich nur Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen befreien können. Geplant ist hierfür eine Revision der bestehenden Bilanzierungsrichtlinien, wonach neben Umweltund Arbeitnehmerbelangen nun auch Korruptionsund Bestechungsbekämpfung, Menschenrechte und Sozialbelange Gegenstand „nichtfinanzieller Berichterstattung“ sein sollen. Hinsichtlich dieser


Punkte soll das Unternehmen auch die Unternehmenspolitik, die Ergebnisse dieser Politik und die Risiken darlegen. Wenn ein Unternehmen zu einem dieser Aspekte nicht berichtet, muss es dies mit einer vernünftigen Erklärung begründen. Börsennotierte Unternehmen sollen darüber hinaus Angaben machen zu der Besetzung von Unternehmensorganen hinsichtlich „Diversity“Aspekten. Dieser Ansatz steht nicht nur im Widerspruch zum Prinzip der Freiwilligkeit bei CSR, zu dem sich auch die Kommission in ihrer Mitteilung von 2011 erneut bekannt hat, sondern bedeutet für die Unternehmen auch eine weitere Belastung mit zusätzlichen Rechenschaftspflichten. Auch das nationale CSR-Forum hat sich mit den Entwicklungen auf europäischer Ebene beschäftigt und eine Stellungnahme zur CSR-Mitteilung der EU-Kommission erarbeitet. Die Bundesregierung unterstützt die Linie der BDA und lehnt einen europäisch verordneten Berichterstattungszwang gleichfalls ab.

EU-Weißbuch Pensionen: ­zusätzliche Bürokratie vermeiden Die EU-Kommission hat am 16. Februar 2012 ihr „Weißbuch zu angemessenen, sicheren und nachhaltigen Pensionen und Renten“ veröffentlicht. Bis zum 6. Dezember 2012 wurde im Europäischen Parlament ein Initiativbericht vorbereitet, über den die zwei zuständigen Ausschüsse für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie für Wirtschaft und Währung bis Ende Februar 2013 abstimmen werden. Das Weißbuch enthält vor allem Thesen und Vorschläge zur staatlichen Alterssicherung, zur Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer und zur betrieblichen Altersvorsorge einschließlich einer Neuregelung zur Pensionsfondsrichtlinie (EbAVRichtlinie). Unter anderem kündigt die Kommission an, einen angepassten Richtlinienvorschlag zur Portabilität von Zusatzrentenansprüchen vorzulegen. Dieser soll an den 2007 gescheiterten

OECD-Leitsätze: Unterstützung für Unternehmen Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sind das wichtigste und umfassendste internationale Instrument zur Förderung verantwortungsbewusster Unternehmensführung. Nach der Überarbeitung der Leitsätze in den Jahren 2010/2011 richtet sich der Fokus auf die praktische Umsetzung. Nun gilt es, die weltweite Verbreitung der Leitsätze über die Grenzen der OECD hinaus voranzutreiben. Außerhalb der OECD sind bereits zehn Länder beigetreten, darunter Brasilien und Argentinien. Wichtige aufstrebende Länder wie China und Indien sollten jetzt ebenfalls für die Annahme der Leitsätze gewonnen werden, um verantwortungsvolle Rahmenbedingungen für den internationalen Handel zu setzen und einen Beitrag zur Herstellung eines globalen „Level Playing Field“ zu leisten. Dazu hat die BDA bereits gemeinsam mit dem niederländischen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband VNO-NCW einen Leitfaden erarbeitet. Zusätzlich veranstaltete die BDA im November 2012 eine internationale Fachtagung in Kooperation mit dem OECD Centre Berlin zum Thema „The OECD Guidelines for Multinational Enterprises – A Benchmark for Responsible Business Conduct in a Globalising Economy“. Im Rahmen dieser Veranstaltung informierten hochrangige Redner aus Wirtschaft und Politik über die Anforderungen der überarbeiteten Leitsätze und deren Bedeutung in der Unternehmenspraxis. In praxisnahen Vorträgen und Podiumsdiskussionen wurden zudem die vielfältigen Herausforderungen bei der Umsetzung der OECD-Leitsätze erörtert und praktische Erfahrungen ausgetauscht. Weitere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Unternehmensleitlinien für internationale Geschäftstätigkeiten

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Richtlinienvorschlag anknüpfen und Mindeststandards zum Erwerb und Erhalt von Betriebsrentenansprüchen setzen. Der Zeitplan der Kommission ist noch offen. Ungeachtet dessen hat die zyprische Ratspräsidentschaft aber im November 2012 eine erste Ratsarbeitsgruppe dazu einberufen. Insbesondere die Vorschläge zur Abschaffung der Unverfallbarkeitsfristen und zur Dynamisierung von Betriebsrentenanwartschaften würden die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland erheblich verteuern und mit zusätzlicher Bürokratie überziehen. Die Aussage im Weißbuch, dass Unverfallbarkeitsfristen (in Deutschland fünf Jahre) ein ernsthaftes Mobilitätshindernis für die Arbeitnehmer in der EU dar-

für Umstrukturierungen sind und dass die damit einhergehenden Herausforderungen je nach Unternehmen und konkreter Situation stark variieren. Daher dürfen Strategien für die Bewältigung von Umstrukturierungen kein einheitliches Vorgehen („one size fits all“) vorsehen. Die Kommission hat die Antworten auf das Grünbuch ausgewertet und im September 2012 eine Zusammenfassung vorgelegt. Positiv ist, dass sich aus den Antworten keine Notwendigkeit für eine rechtlich bindende Initiative der EU zur Umstrukturierung von Unternehmen ableiten lässt. Trotzdem hält die Kommission an der Idee einer rechtlich bindenden Initiative auf eu-

„ Die Europäische Kommission darf die für Versicherer geltenden Solvency-II-Vorgaben keinesfalls auf die Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge anwenden. Dies würde die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland erheblich verteuern und ihren Fortbestand gefährden. Das wäre für unser Rentensystem fatal.

Dr. h. c. Eggert Voscherau | Vizepräsident der BDA, Präsident Bundesarbeitgeber­ verband Chemie, Aufsichtsratsvorsitzender BASF SE

stellen, ist in keiner Weise belegt. Zudem muss das gerechtfertigte Interesse der Arbeitgeber, Fachkräfte zu binden und zu halten, ebenfalls berücksichtigt werden. Bereits im Rahmen der Konsultation zum Thema „Renten 2010“ hatte die BDA darauf hingewiesen, dass für einen EU-weiten einheitlichen Regelungsstandard der betrieblichen Altersvorsorge kein Bedarf besteht.

Umstrukturierungen von ­Unternehmen: überflüssige und s ­ chädliche Initiativen Ziel des im Januar 2012 von der Kommission vorgelegten Grünbuchs „Umstrukturierung und Antizipierung von Veränderungen: Lehren aus den jüngsten Erfahrungen“ war es, erfolgreiche Praktiken und Strategien im Bereich der Umstrukturierungen und der Anpassung an Veränderungen zu ermitteln. Die BDA hatte in ihrer Antwort auf die mit diesem Grünbuch eingeleitete öffentliche Konsultation dargelegt, wie vielfältig die Gründe

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ropäischer Ebene fest und bereitet dazu zum wiederholten Mal eine offizielle Konsultation der Sozialpartner vor. Demgegenüber hält die BDA eine erneute Konsultation zum gegenwärtigen Zeitpunkt für völlig überflüssig und setzt sich bei der Kommission dafür ein, zunächst mögliche Schlussfolgerungen aus den Antworten auf das Grünbuch eingehend mit allen europäischen Sozialpartnern zu diskutieren. Bereits vor Auswertung der Antworten auf das Grünbuch hat der spanische sozialistische Europaabgeordnete Alejandro Cercas im Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments den Entwurf eines Initiativberichts zum Thema „Umstrukturierungen“ vorgelegt. Dieser Berichtsentwurf beruht auf der These, dass eine Richtlinie zur Umstrukturierung von Unternehmen unverzichtbar sei, und enthält bereits konkrete „Empfehlungen“, wie eine solche Richtlinie ausgestaltet sein sollte. So sollen z. B. die Evaluierung der psychosozialen Auswirkungen für Mitarbeiter, die von Umstrukturierungen betroffen sind, oder


die Entwicklung von Mechanismen zur Ermittlung des langfristigen Beschäftigungs- und Kompetenzbedarfs, die mit den lokalen und regionalen Behörden abgestimmt werden müssen, vorgeschrieben werden. Dabei verkennt der Berichtsentwurf komplett die Wirklichkeit und impliziert, dass Umstrukturierungen immer eine Bedrohung für Arbeitnehmer seien. Dabei sind Umstrukturierungen ein notwendiger Prozess für Unternehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und hierdurch Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Eine Richtlinie, die EU-weit einheitliche Vorgaben für Umstrukturierungen vorsieht, kann den individuellen betrieblichen Gegebenheiten keinesfalls gerecht werden. Darüber hinaus ist es unverständlich, warum der Berichterstatter nicht zunächst die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation der Kommission zu Umstrukturierungen abgewartet hat, die er bei seiner Initiative hätte berücksichtigen müssen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Europäische Gesetzgebung: Arbeit und Soziales

EU-Richtlinienvorschlag rechtlich fragwürdig und entbehrlich Nachdem EU-Justizkommissarin Reding Anfang März 2012 ihren Fortschrittsbericht „Frauen in wirtschaftlichen Entscheidungspositionen in der EU“ vorgelegt und in der ersten Jahreshälfte eine öffentliche Konsultation zur Wirksamkeit regulativer Maßnahmen durchgeführt hatte, legte sie trotz zunächst erheblichen Widerstands innerhalb der Kommission am 14. November 2012 einen Richtlinienvorschlag „Zur Verbesserung des Geschlechterverhältnisses bei Aufsichtsräten börsennotierter Gesellschaften und damit zusammenhängenden Maßnahmen“ vor. Auch wenn sich das Europäische Parlament mehrheitlich für eine Quote ausspricht, ist derzeit völlig offen, ob der Rat diesem Vorschlag folgen wird. Schon im September 2012 hatten sich neun Mitgliedstaaten in einem Brief an Kommissionspräsident Barroso gegen die Vorentwürfe Redings gewandt. Daher ist ungewiss, ob der Richtlinienvorschlag überhaupt Gesetzesform erlangt.

Die BDA setzt sich ausdrücklich für die Chancengleichheit der Geschlechter im Berufsleben und die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen ein. Die verbindliche Vorgabe einer einheitlichen Quote für Aufsichtsräte auf EU-Ebene geht aber die Ursachen für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen nicht an. Der Vorschlag ignoriert die höchst unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen EU-Staaten und vor allem den äußerst ungleichen Frauenanteil in den verschiedenen Branchen. Das verpflichtende strukturierte Auswahlverfahren zur Erreichung der verbindlichen 40%-Zielquote wäre zudem ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff in die grundrechtlich geschützte Autonomie der Unternehmen und das Besetzungsrecht ihrer Anteilseigner. Erhebliche Zweifel bestehen zudem mit Blick auf die Rechtsetzungskompetenz der EU nach Art. 157 Abs. 3 AEUV, da Maßnahmen der umgekehrten Diskriminierung den Mitgliedstaaten vorbehalten (Art. 157 Abs. 4 AEUV) und zudem Fragen des Gesellschafts- und nicht des Arbeitsrechts betroffen sind. Dass freiwillige Maßnahmen der richtige Weg sind, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, beweisen die positiven Entwicklungen gerade in der deutschen Wirtschaft. Fast alle großen börsennotierten Unternehmen setzen sich ehrgeizige konkrete Ziele und besetzen frei werdende Aufsichtsratsmandate zu einem großen Teil mit Frauen: Der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten der DAX30-Unternehmen bei den Anteilseignern konnte binnen eines Jahres von 20 auf 34 erhöht werden. Auch wenn das immer noch zu wenig sind, zeigen die Zahlen, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht: Insgesamt zählt man im Jahr 2012 in den DAX-30-Aufsichtsräten 91 Frauen. Damit liegen die DAX-30-Unternehmen mit einem Frauenanteil von insgesamt 18,2 % in den Aufsichtsgremien über dem EU-Durchschnitt von 13,7 %. Anfang 2011 hatte der Anteil in Deutschland noch bei 13,4 % gelegen. Auch die Ergebnisse, die Schweden und Finnland – also Länder, die beim Frauen­anteil in Führungsgremien von Unternehmen an der europäischen Spitze liegen – mit ähnlichen Maßnahmen der Selbstregulierung erreicht haben, belegen eindeutig, dass Freiwilligkeit der bessere Weg ist. Auch wenn die gesetzten Ziele noch nicht erreicht wurden, sind die Fortschritte bei dem Vorhaben, mehr Frauen

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in Führungspositionen zu bringen, messbar und zeigen sich auch durch eine zunehmende Untermauerung in den Betrieben. Diesen positiven Trend – der ohne Regulierung vonstattengeht – gilt es den politischen Entscheidungsträgern weiter zu vermitteln. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > argumente > „Frauen in Führungspositionen“

Beschäftigungspaket der EUKommission bleibt hinter Erwar­ tungen der Wirtschaft zurück Die Europäische Kommission will mit ihrem im April 2012 vorgelegten sog. Beschäftigungspaket unter Einbindung der Sozialpartner die „Schaffung von Arbeitsplätzen fördern“, die „Dynamik

Deutlich mehr Frauen gegenüber 2011 Anzahl der Frauen in DAX-30-Aufsichtsräten 2011 und 2012

Anzahl der Frauen 100 90 34

80 70 60

20

50 57

40 30

47

20 10 0 2011

Anteilseignerseite Arbeitnehmerseite Quelle: PwC, 2012

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der Arbeitsmärkte wiederherstellen“ und die „wirtschafts- und beschäftigungspolitische Koordinierung auf EU-Ebene verbessern“. Diese ehrgeizigen Ziele, die sich die Kommission selbst gesetzt hat, vor allem im Hinblick auf die Vorlage einer Reformagenda für die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik in den Mitgliedstaaten, spiegeln sich indes in den konkreten Vorschlägen nicht wider. Trotz einiger guter Ansätze setzt die Kommission in ihrem Papier überwiegend auf alte Sichtweisen, die sich bislang nicht durchsetzen konnten. Besonders kritisch sind die Vorschläge, einen gesetzlichen Mindestlohn in allen Mitgliedstaaten einzuführen und EU-weite einheitliche Standards für Praktika zu etablieren. Ein weiterer Mangel ist, dass die besondere Rolle, die KMU bei Ausbildung und Beschäftigung spielen, nicht ausreichend berücksichtigt wird, z. B. im Hinblick auf die Verkraftbarkeit zusätzlicher Bürokratie. Positive Ansätze finden sich in den Vorschlägen zur Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt und zur verbesserten Nutzung des OnlinePortals EURES für die Arbeitnehmermobilität.

Die Erwartungen an die Vorschläge der Kommission für dieses Beschäftigungspaket waren angesichts der in einigen EU-Mitgliedstaaten herrschenden schweren Krise auf dem Arbeitsmarkt sehr hoch. Vor diesem Hintergrund muss das nun vorgelegte Paket jedoch als verpasste Chance der Kommission angesehen werden, ein in sich schlüssiges und umfassendes beschäftigungspolitisches Gesamtkonzept vorzulegen. Die BDA wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass eine Konzentration auf die Maßnahmen im Beschäftigungspaket erfolgt, die das Wachstum und die Integration in den Arbeitsmarkt effektiv fördern und ihre Wirksamkeit in den Mitgliedstaaten bereits unter Beweis gestellt haben wie z. B. die duale Berufsausbildung oder flexible Beschäftigungsformen. Es muss eine Anerkennung der Chancen und Möglichkeiten erfolgen, die flexible Beschäftigungsformen für Unternehmen und Arbeitnehmer in Europa bieten.

Wesentliche Punkte des Richtlinienvorschlags für eine Frauenquote auf EU-Ebene Von dem am 14. November 2012 vorgelegten Richtlinienvorschlag sind Aufsichtsräte aller börsennotierten Unternehmen betroffen mit Ausnahme von KMU mit weniger als 250 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von nicht mehr als 50 Mio. € bzw. einer Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. €. Ausgenommen werden können auch Unternehmen mit weniger als 10 % Frauen in der Gesamtbelegschaft. Das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht soll bis zum 1. Januar 2020 mindestens 40 % der Aufsichtsratsposten innehaben. Börsennotierte Unternehmen der öffentlichen Hand sollen dieses Ziel bereits bis zum 1. Januar 2018 erreichen. Dazu sollen die Mitgliedstaaten den Unternehmen ein strukturiertes Auswahlverfahren vorschreiben, bei dem bei gleicher Qualifikation der Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts – in der Regel eine Frau – vorzuziehen ist. Als von den Mitgliedstaaten festzusetzende Sanktionsmöglichkeiten schlägt die Kommission Bußgelder sowie die Annullierung der Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds vor. Für Vorstände verlangt der Richtlinienvorschlag individuelle Selbstverpflichtungen von Unternehmen ohne fixe Quotenvorgaben.

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­EURES-Reform: innereuropäische ­Mobilität weiter stärken Die Europäische Kommission plant, das europäische Beschäftigungsnetzwerk EURES zu reformieren: Horizontale EURES-Aktivitäten, wie z. B. der Internetauftritt, sollen zwar weiterhin zentral von der EU-Kommission verwaltet werden. Aber es ist angedacht, die nationalen und grenzüberschreitenden EURES-Aktivitäten nicht mehr wie bisher direkt im Rahmen einer eigenen Haushaltslinie bei der EU zu fördern, sondern sie ab 2014 in den Europäischen Sozialfonds (ESF) zu integrieren. Damit können sie dezentral, z. B. über die nationalen ESF-Strukturen, administriert werden. Eine enge Verzahnung und inhaltliche Abstimmung der beiden europäischen beschäftigungspolitischen Instrumente EURES und ESF bewertet die BDA grundsätzlich positiv. Die vollständige administrative und budgetäre Integration der grenzüberschreitenden und nationalen EURES-Aktivitäten in den ESF muss jedoch gut durchdacht sein. Es muss verhindert werden, dass die gut funktionierenden grenzüberschreitenden sog. EURES-T-Partnerschaften zukünftig eingeschränkt werden, weil die Beantragung von finanziellen Mitteln über die nationalen ESFStrukturen viel komplizierter ist und eine angemessene Beteiligung der Sozialpartner gefährdet sein könnte. EURES-T-Partnerschaften bestehen in Regionen, wo große grenzüberschreitende Pendlerströme zu finden sind. Durch Informationen über Lebens- und Arbeitsbedingungen im Nachbarland sowie individuelle Beratung zur Erhöhung der grenzüberschreitenden Mobilität tragen sie dazu bei, einen integrierten grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt in der Region zu entwickeln. Die BDA führt deshalb intensive Gespräche mit den relevanten Entscheidungsträgern auf nationaler und europäischer Ebene und setzt sich dafür ein, dass das EURES-Netzwerk noch effektiver gestaltet wird, insbesondere die Fortführung bewährter EURES-T-Aktivitäten auch in Zukunft gewährleistet bleibt.

Richtlinienvorschlag zur ­konzern­internen Entsendung ­ von Drittstaatsangehörigen praktikabel gestalten Im Grundsatz unterstützt die BDA den von der EU-Kommission im Juli 2010 vorgelegten Richtlinienvorschlag zur konzerninternen Entsendung von Drittstaatsangehörigen (Intra-Corporate-Transfer, ICT). Dadurch soll global agierenden Unternehmen ermöglicht werden, ihr Schlüsselpersonal effektiv und schnell in verschiedenen Unternehmensteilen einzusetzen. Praxisgerecht ausgestaltet, kann die Richtlinie dazu beitragen, die EU für multinationale Unternehmen attraktiver zu machen und den Standort Europa zu stärken. Allerdings besteht noch Änderungsbedarf, der in den Mitte November 2012 begonnenen sog. Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, EU-Kommission und Europäischem Parlament berücksichtigt werden muss. Angesichts des erheblich verzögerten Zeitplans wird die ICT-Richtlinie nicht wie geplant Ende 2012, sondern erst im Jahr 2013 verabschiedet werden. Die BDA wird sich weiter dafür einsetzen, dass die ICT-Richtlinie für Unternehmen einen größtmöglichen Mehrwert liefert und nicht zu unbeabsichtigten negativen Auswirkungen auf die nationalen Arbeitsmärkte in bestimmten Branchen führt. So kann der Gefahr von erheblichen Verwerfungen und Verdrängungseffekten in der Baubranche nur durch eine Baubereichsausnahme wirksam begegnet werden. Dafür haben neben BDA und DGB auch die europäischen Sozialpartner des Baugewerbes geworben. Sollte eine Baubereichsausnahme nicht durchsetzbar sein, muss alternativ zumindest das Recht der Mitgliedstaaten zur Festlegung von branchenspezifischen Nullkontingenten im Richtlinientext festgeschrieben werden. Ohne den Mehrwert der Richtlinie für die anderen Adressaten einzuschränken, kann eine solche Lösung grundsätzlich dieselbe ­Flexibilität wie eine Baubereichsausnahme bieten. Dies hat die BDA in einer Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestags betont. Auch dürfen der Sinn und zentrale Mehrwert der ICT-Richtlinie nicht in Frage gestellt werden. Diese bestehen darin, dass Arbeitnehmer aus

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Drittstaaten bei konzerninternen Entsendungen (sog. ICTs) auf der Grundlage der Zulassung in einem EU-Mitgliedstaat ohne erneutes Antragsverfahren in andere EU-Staaten weiterziehen können. Leider wurde der Richtlinienvorschlag im Verhandlungsverlauf erheblich eingeschränkt. Während die Kommission eine Weiterwanderung von bis zu zwölf Monaten vorgeschlagen hatte, soll nun nur noch eine Weiterwanderung für ­max. drei Monate möglich sein und nur einmalig innerhalb von sechs Monaten erfolgen dürfen. Global agierende Unternehmen müssen ihr Schlüsselpersonal aber oft länger oder für mehrere Projekte hintereinander in verschiedenen Unternehmensteilen einsetzen können. Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels wäre ein verkürztes Weiterwanderungsrecht ein falsches Signal für den Standort Europa.

Mitgliedstaaten, zu denen der ICT aufgrund seiner Genehmigung ohne erneute Antragstellung weiterwandern kann, ausgedehnt wird. Erfolgreich war das Bemühen der BDA, dass der internationale Personaltransfer nicht durch eine zu enge Definition der „Unternehmensgruppe“ in der ICTRichtlinie künstlich und ohne sachlichen Grund eingeschränkt wird. Darüber hinaus setzt sich die BDA dafür ein, dass auch die Vorschläge der Arbeitgeber zur Einführung einer „Blanket-Petition“ zur Vereinfachung des grenzüberschreitenden Personalaustauschs innerhalb multinationaler Unternehmen als vernünftige Option aufgegriffen werden.

Abzulehnen ist der Vorschlag, dass die Mitgliedstaaten eine Sperrzeit zwischen einzelnen Entsendungen für bereits im Rahmen der ICT-Richtlinie zugelassene Arbeitnehmer von bis zu drei Jahren einführen können. Eine solche Sperrfrist würde den intendierten Transfer in die EU und innerhalb der EU behindern und Unternehmen vor noch nicht absehbare bürokratische Hürden stellen. Die von der ICT-Richtlinie allein erfassten Schlüsselfachkräfte müssen mit ihrem Know-how an mehreren Projekten grenzüberschreitend und wiederholt für verschiedene Aufträge im gleichen Land arbeiten können. BDA, BUSINESSEUROPE und mehrere internationale Wirtschaftsverbände haben sich gegen eine Sperrfrist ausgesprochen.

Mit der im Juli 2010 vorgeschlagenen Saison­ arbeitnehmer-Richtlinie will die EU-Kommission einheitliche Mindeststandards für die Einreise und den Aufenthalt von Saisonarbeitnehmern aus Drittstaaten festlegen, bestimmte Rechte für Personengruppen festschreiben sowie Ausbeutung von Saisonarbeitskräften vorbeugen. Die BDA begrüßte den Richtlinienvorschlag im Grundsatz. Für die weiteren Beratungen mahnt sie allerdings an, dass die Bedürfnisse der Unternehmen aus der Betriebspraxis ebenso wie der Wunsch der Mitgliedstaaten nach Flexibilität für die Bedürfnisse des nationalen Arbeitsmarkts ausreichend berücksichtigt werden.

Die im Verhandlungsmandat vorgesehene verbindlich einzuführende Vorbeschäftigungszeit ist völlig praxisfern und zu Recht im deutschen Recht nicht vorgesehen. Um den unterschiedlichen Traditionen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, hat die BDA daher den Vorschlag der Bundesregierung einer lediglich optionalen Vorbeschäftigungszeit unterstützt. Die BDA konnte durchsetzen, dass die Familienzusammenführung bei ICTs verbessert wird, indem Partner einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt des antragsbewilligenden Mitgliedstaats haben. Außerdem tritt die BDA weiter dafür ein, dass diese Regelung auch auf die

Richtlinienvorschlag zu ­Saisonarbeitnehmern

Erfreulicherweise wurde Anfang Oktober 2012 eine Einigung über die Einbeziehung von Kurzaufenthalten unter drei Monaten erzielt, für die sich auch die BDA eingesetzt hatte. Ebenfalls konnte erreicht werden, dass es den Mitgliedstaaten anhand ihrer nationalen Regelungen und ­Praxis überlassen bleibt, die in den Anwendungsbereich fallenden Branchen zu definieren. Abzulehnen ist jedoch die vom Europäischen Parlament vorgeschlagene starre Höchstbeschäftigungsdauer für Saisonarbeitnehmer von sechs Monaten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten. Zwar kann saisonale Beschäftigung sinngemäß keinen unbefristeten Aufenthalt bedeuten. Die Festlegung einer starren Frist auf EU-Ebene verwehrt den Mitgliedstaaten aber die

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Möglichkeit, flexibel auf Bedürfnisse bestimmter Branchen nach längeren Beschäftigungsdauern einzugehen, was z. B. in der Landwirtschaft oder im Gastgewerbe erforderlich sein kann. Kritisch zu sehen ist auch die vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Übernahmeverpflichtung von z. B. Reise-, Visa- und Krankenversicherungskosten durch den Arbeitgeber. Die Kostenübernahme ist Sache des einzelnen Arbeitsvertrags. Darüber hinaus bleiben viele Saisonarbeitnehmer in ihrem Heimatland sozial- und damit auch krankenversicherungspflichtig.

Sozialpartner beenden Verhand­ lungen über Überarbeitung der ­Arbeitszeitrichtlinie ohne Ergebnis Nachdem die jahrelangen politischen Bemühungen um eine Neufassung der Arbeitszeitrichtlinie aufgrund unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten zwischen Rat und Europäischem Parlament gescheitert waren, hatten die europäischen Sozialpartner im Rahmen des Sozialen Dialogs seit Ende 2011 über eine Vereinbarung zur Überarbeitung der EU-Arbeitszeitrichtlinie verhandelt. Ziel der Verhandlungen war es, eine Vereinbarung gemäß Art. 155 AEUV abzuschließen, die durch einen Beschluss des Rats umgesetzt werden sollte. Trotz einer Verlängerung der ursprünglichen Verhandlungsfrist von neun Monaten wurden die Verhandlungen im Dezember 2012 ergebnislos beendet. Letztlich war der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) nach kontroversen internen Beratungen nicht in der Lage, auf das Verhandlungsangebot der Arbeitgeber zu reagieren und somit die Verhandlungen fortzuführen. Die Arbeitgeber hatten den Gewerkschaften einen konkreten und ausgewogenen Lösungsvorschlag angeboten. Dabei hatten sich die Arbeitgeber darauf konzentriert, eine rechtssichere und praxisgerechte Regelung zu entwickeln, um das zentrale Problem zu lösen, das durch die Rechtsprechung des EuGH in den Fällen „Simap“ (2000) und „Jaeger“ (2003) für viele Unternehmen und ihre Arbeitnehmer in der Praxis entstanden ist. Nach dieser Rechtsprechung ist Bereitschaftsdienst komplett als Arbeitszeit anzusehen. Der Lösungsvorschlag der Arbeitgeber sah – ebenso

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wie der Kompromiss von Rat und Europäischem Parlament aus dem Jahr 2008 – vor, dass der Bereitschaftsdienst neben Arbeitszeit und Ruhezeit als zusätzliche Zeitkategorie definiert wird, die aus aktiven und inaktiven Teilen besteht. Der inaktive Teil des Bereitschaftsdienstes sollte nicht als Arbeitszeit gewertet werden müssen, sofern dies das nationale Recht bzw. Tarifverträge der Sozialpartner vorsieht. Die Arbeitgeber hatten sich mit ihrem Lösungsvorschlag gezielt am Kompromiss von Rat und Europäischem Parlament orientiert, um die Einigungschancen mit den Gewerkschaften zu erhöhen. Gleichzeitig waren die Arbeitgeber bei der konkreten Ausgestaltung der Regelung zum Bereitschaftsdienst den Gewerkschaften entgegengekommen. Darüber hinausgehende Wünsche der Arbeitgeber waren in den Verhandlungen gezielt zurückgestellt worden. Die Arbeitgeber bedauern sehr, dass die Gewerkschaften intern keine Einigung herbeiführen konnten, um gemeinsam eine konstruktive und rechtssichere Lösung im Sozialen Dialog auf europäischer Ebene zu entwickeln. Nachdem die Verhandlungen der europäischen Sozialpartner beendet sind, liegt es nun an der Kommission, Lösungsvorschläge zu unterbreiten, die das Problem des Bereitschaftsdienstes lösen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Europäische Gesetzgebung: Arbeit und Soziales

Sozialer Dialog 2012 bis 2014 setzt richtige ­Prioritäten Das Arbeitsprogramm des Europäischen Sozialen Dialogs 2012 bis 2014 wurde am 1. März 2012 beim dreigliedrigen Sozialgipfel unter der Überschrift „Sozialer Dialog als Schlüssel zu mehr Wachstum und Arbeit“ vorgestellt. Die Prioritäten wurden im Rahmen des Sozialen Dialogs zwischen den europäischen Sozialpartnern ­BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) ausgehandelt. Das Arbeitsprogramm dient den Sozialpartnern als gemeinsame Arbeitsgrundlage für den genannten Zeitraum. Im Rahmen der Verhandlungen ist es B ­ USINESSEUROPE gelungen, wichtige Themen wie Jugendarbeitslosigkeit und


Beschäftigung als erste Prioritäten zu platzieren. Eine Verpflichtung zur Verhandlung von Rahmenvereinbarungen konnte von Arbeitgeberseite abgewendet werden, es geht vielmehr um die inhaltsorientierte Analyse der Probleme und die Entwicklung handlungsorientierter Maßnahmen zur Bewältigung der beschäftigungspolitischen Herausforderungen in den EU-Mitgliedstaaten.

der OECD (BIAC) eng eingebunden. Dadurch ist es gelungen, zentrale Forderungen der deutschen Arbeitgeber in den sog. B-20-Prozess („Business“) einzuspeisen. Dies ist nicht zuletzt auf die intensive Begleitung der Beratungen der B-20-Task-Force für Beschäftigung zurückzuführen, bei denen die BDA durch Prof. Rodenstock, Vizepräsident der BDA, vertreten war.

Weitere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > Europäischer Sozialer Dialog

Hauptanliegen der BDA war es, darauf hinzuwirken, dass Ausbildungsplätze und Praktika gefördert werden und die Zusammenarbeit zwischen dem privaten Sektor und Bildungseinrichtungen verbessert wird. Vor allem müssten Studiengänge und Ausbildungsangebote besser auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes abgestimmt werden. Im Rahmen eines gemeinsamen Treffens von Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern, also B-20 und L-20 („Labour“), wurden gemeinsame Erklärungen zur dualen Berufsausbildung sowie zur Bekämpfung der informellen Wirtschaft verabschiedet und der mexikanischen Arbeitsministerin Vélez überreicht.

G-20: Beschäftigungspolitik im Fokus Im Zuge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise gewinnen die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik im G-20-Prozess an Bedeutung. Nachdem die französische G-20-Präsidentschaft 2011 beschäftigungsund sozialpolitische Themen in den Mittelpunkt des G-20-Prozesses gerückt hatte, knüpfte die mexikanische Präsidentschaft daran an: Die Schwerpunktthemen des G-20-Treffens der Staats- und Regierungschefs im Juni 2012 waren die Bewältigung der globalen Beschäftigungskrise und insbesondere die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Die BDA war in diesen Prozess sowohl direkt wie auch über die IOE und den Wirtschaftsverband bei

Auch bei der Konsultation mit den G-20-Arbeitsministern, die dem G-20-Treffen vorangegangen war, hatte die BDA ihre Position in den Prozess direkt einbringen können. So konnte z. B. die Tatsache, dass nur mit strukturellen Reformen

Europäischer Sozialer Dialog: aktive Gestaltung der europäischen ­Sozialpolitik im Sinne der Unternehmen Das gemeinsame Arbeitsprogramm des Sozialen Dialogs 2012 bis 2014 beinhaltet folgende Themen:

Analyse der Funktionsweise der Arbeitsmärkte in Europa Jugendarbeitslosigkeit Gleichbehandlung von Männern und Frauen Bildung und lebenslanges Lernen Mobilität und Wirtschaftsmigration bessere Umsetzung und Auswirkungen der Instrumente des Sozialen Dialogs Aufbau von Kapazitäten der Sozialpartnerorganisationen in Mittel-, Ost- und Südeuropa wirtschaftliche und soziale Governance der EU

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mehr und bessere Arbeitsplätze geschaffen werden können, in den Schlussfolgerungen verankert werden. Den G-20-Prozess wird die BDA auch weiterhin intensiv begleiten und sich dafür einsetzen, dass sowohl die B-20-Task-Force für Beschäftigung als auch die B-20/L-20-Formation ihre Arbeit unter russischer G-20-Präsidentschaft fortsetzen.

Arbeitgeber stoppen ­missbräuchliche Auslegung von ILO-Übereinkommen Schwerpunkte der 101. Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) in Genf waren die weltweite Jugendbeschäftigungskrise, die Ausarbeitung einer Empfehlung zum sozialen Basisschutz, die in allen Ländern die Einrichtung eines Systems für die

grundlegende soziale Sicherheit fördern soll, sowie die weltweite Durchsetzung der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit. Dominiert wurde die IAK jedoch durch äußerst kontroverse Diskussionen im Nor­men­anwendungsausschuss der Internationalen ­Arbeitsorganisation (ILO) über ein für die Arbeitgeber höchst sensibles Thema: das Streikrecht. Zum ersten Mal in der Geschichte der IAK konnten sich die Sozialpartner nicht auf eine Liste mit Fällen verständigen, die der Ausschuss beraten soll. Grund dafür war, dass die Gewerkschaften darauf bestanden, im Ausschuss Fälle zu behandeln, in denen es ausschließlich um einen angeblichen Verstoß gegen das Streikrecht ging, das in den ILO-Übereinkommen gar nicht geregelt ist. In den vergangenen Jahren hatten die Arbeitgeber die Sachverständigen wiederholt erfolglos aufgefordert, in ILO-Übereinkommen nicht ohne Rechtsgrundlage und völlig sachfremd

Normenanwendungsausschuss benötigt ausgewogene ­Entscheidungsgrundlagen Als Überwachungsorgan der IAK untersucht der Normenanwendungsausschuss mögliche Verstöße gegen ratifizierte Arbeitsübereinkommen. Grundlage für die Untersuchung von konkreten Fällen im Ausschuss bildet ein Bericht von Sachverständigen über die Anwendung der ILO-Übereinkommen. Seit mehreren Jahren legen die Sachverständigen beharrlich Übereinkommen 87 zur Vereinigungsfreiheit so aus, dass sich daraus ein allgemeines Streikrecht ableiten lässt. Dies hat weitgehende Konsequenzen für die Arbeitgeber, denn die Auslegung der Sachverständigen wird herangezogen, um die Rechtsprechung des EuGH in den Fällen „Viking“ und „Laval“ komplett in Frage zu stellen. Der EuGH hatte in den beiden Fällen zu den im AEUV garantierten Grundfreiheiten des Binnenmarkts und zur ArbeitnehmerEntsenderichtlinie Stellung genommen und klargestellt, dass die Ausübung sozialer Grundrechte – insbesondere des Streikrechts – mit den Grundfreiheiten in einer angemessenen Balance stehen muss. Nach Ansicht der Sachverständigen führt die Rechtsprechung des EuGH zu einer unangemessenen Begrenzung des Streikrechts und verstößt damit gegen ILO-Übereinkommen 87, das als völkerrechtlich verbindliche Norm vom EuGH bei seiner Rechtsprechung hätte berücksichtigt werden müssen. Dabei lassen weder die Entstehungsgeschichte noch der Wortlaut des ILO-Übereinkommens 87 diese Auslegung der Sachverständigen zu. Im Übrigen ist die Einschätzung der Sachverständigen für die Auslegung von ILO-Übereinkommen nicht verbindlich. Einschätzungen über die Vereinbarkeit eines konkreten Falls mit einem ILO-Übereinkommen trifft die IAK. Für die generelle Auslegung eines ILO-Übereinkommens ist der Internationale Gerichtshof zuständig.

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Regelungen – wie z. B. zum Streikrecht – hineinzuinterpretieren. Deshalb bestanden sie 2012 darauf, eine abschließende Klärung über Rolle und Mandat der Sachverständigen über die Durchführung von Übereinkommen und Empfehlungen herbeizuführen. Dies ist für die Arbeitgeber Voraussetzung dafür, dass der Normenanwendungsausschuss seine Arbeit bei der IAK 2013 wieder aufnehmen kann. Das konsequente Vorgehen der Arbeitgeberseite hat für großes Aufsehen auf internationaler Ebene gesorgt.

insbesondere im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise bis zu konkreten sozialpolitischen Dossiers wie z. B. der Entsenderichtlinie, der Portabilität von Betriebsrenten oder der Datenschutzverordnung. Gespräche mit der nachfolgenden irischen EU-Ratspräsidentschaft 2013 sind bereits in Planung.

BDA übermittelt Arbeitgebererwartungen an EU-Rats­präsident­ schaft­en

Die Expertise der BDA stand auch 2012 bei zahlreichen ausländischen Besuchergruppen hoch im Kurs. Delegationen aus Afrika, Amerika, Asien sowie Nord- und Westeuropa informierten sich über die Aktivitäten der BDA. Schwerpunkt der Gespräche mit den Vertretern von ausländischen Botschaften, Regierungen, Parlamenten, Ministerien, Behörden, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Universitäten und Zeitungsredaktionen waren die Krisenbewältigung Deutschlands durch erfolgreiche Arbeitsmarktreformen, das duale Ausbildungssystem sowie die Lohn- und Tarifpolitik. Interesse zeigten die Gäste zudem für die Themen „Jugendarbeitslosigkeit“, „Arbeitsvermittlung“, „Zeitarbeit“, „Kündigungsschutz“, „Beschäftigung älterer Arbeitnehmer“, „CSR Germany“ und „Minijobs“.

Wie zu jeder neuen EU-Ratspräsidentschaft hat die BDA-Hauptgeschäftsführung auch 2012 Gespräche mit den EU-Ratspräsidentschaften – in diesem Fall Dänemark und Zypern – geführt und die Erwartungen der Arbeitgeber dargelegt. Das Interesse der Regierungen an den Positionen der deutschen Wirtschaft ist sehr hoch, dies zeigte sich u. a. darin, dass die BDA-Delegation in Dänemark auf Staatssekretärsebene empfangen wurde und in Zypern Gespräche mit der Arbeitsministerin und dem Finanzminister führen konnte. Die Bandbreite der dabei angesprochenen Themen reichte von allgemeinen politischen Grundsatzfragen

Ausländische Delegationen zu Gast

Neue Führung bei der ILO und der IOE Im Rahmen der IAK wurden zentrale Personalentscheidungen gefällt, die für die Arbeit der BDA auf internationaler Ebene von Bedeutung sind. Der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wählte den Briten Guy Ryder zum neuen Generaldirektor. Ryder trat die Nachfolge des Chilenen Juan Somavia an, dessen Stellvertreter er zuletzt war. Der langjährige Gewerkschafter setzte sich erst im sechsten Wahlgang gegen den Franzosen Gilles de Robien durch, der auch von den Arbeitgebern unterstützt worden war. Das Management Board des Internationalen Arbeitgeberverbands (IOE) wählte den Neuseeländer Brent Wilton zum neuen Generalsekretär. Er folgt auf Antonio Peñalosa, dessen Stellvertreter er seit 2003 war. Neuer stellvertretender Generalsekretär ist der Spanier Roberto Suárez, der zuvor für die ILO und den spanischen Arbeitgeberverband CEOE tätig war.

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Wirtschaftsentwicklung: Dynamik flacht ab Das Jahr 2012 war geprägt von Bemühungen zur Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise. Aus Sicht der BDA ist hierzu eine Strategie wachstumsfördernder Reformen verbunden mit einer nachhaltigen Konsolidierung öffentlicher Haushalte der richtige Ansatz. Die deutsche Wirtschaft zeigte insgesamt Widerstandskraft und eine robuste

Verfassung. Der Optimismus, dass sie weitgehend unberührt durch die Schuldenkrise kommt, ist allerdings verflogen. Denn auch der Welthandel hat an Fahrt eingebüßt, weil die Hauptmotoren USA und China Wachstumsschwächen zeigen. Die rezessiven Tendenzen in Teilen der Eurozone werden voraussichtlich auch auf die Dynamik des deutschen Exports einwirken. Auf ein solches Szenario haben sich die Unternehmen frühzeitig eingestellt. Seit über anderthalb Jahren

Welthandel legt zu Güter- und Dienstleistungshandel 2006 bis 2013

Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %

Index 2005 = 100 220

6

200

4

180

2

160

0

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–2

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–4

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–6

80

–8

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–10 2006

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Angaben für 2. Halbjahr 2012 und 2013 Prognosen des DIW Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), 2012

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sind die Ausrüstungsinvestitionen von Quartal zu Quartal weniger gewachsen. Im zweiten Quartal 2012 gingen die Ausrüstungsinvestitionen sogar deutlich zurück, und zwar sowohl gegenüber dem Vorquartal als auch im Vergleich zum Vorjahresquartal. Gleiches traf für die Bauinvestitionen zu. Die wachsende Vorsicht der Unternehmen bei Investitionsentscheidungen reflektiert die verbreitete Unsicherheit bei der Krisenbewältigung.

Hier steht unverändert der Euro an erster Stelle. Die Stärkung des Vertrauens in seinen Bestand hat inzwischen auch konjunkturpolitische Bedeutung. Zwei politische Botschaften wirkten dabei positiv. Zum einen war dies die in Deutschland nicht unumstrittene Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), im Rahmen ihres Mandats die Rettungsschirme Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) durch konditionierte Sekundärkäufe von Staatsanleihen zu

Gesamtwirtschaft: im Trend weiter aufwärts Produktion, Effektivverdienste und Beschäftigung in Deutschland 2008 bis 2012

Index 1. Q. 2008 = 100 110 108 106 104 102 100 98 96 94 92 1. Q. 2008

2. Q. 2008

3. Q. 2008

4. Q. 2008

1. Q. 2009

2. Q. 2009

3. Q. 2009

4. Q. 2009

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BIP, real, saisonbereinigt Bruttolöhne und -gehälter monatlich je Arbeitnehmer, saisonbereinigt Erwerbstätige, saisonbereinigt Quelle: Statistisches Bundesamt, 2012; eigene Berechnungen der BDA

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Deutschland weiter auf Wachstumskurs Veränderungen des realen BIP gegenüber dem Vorjahr

in % 6

4

3,7

4,2 3,3

3,0

2 1,1

0,8

1,0

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0

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–4

–6

-5,1 2006

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BIP preisbereinigt und verkettet; Angaben für 2012 und 2013 Prognosen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) Quelle: Statistisches Bundesamt, 2012

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entlasten. Zum anderen beruhigte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Fiskalpakt und den ESM. Diese Entscheidungen schafften eine bessere Grundlage für die Kapitalmärkte, wie die kräftigen Kursanstiege der Börsen unterstrichen. Nach Einschätzung der BDA werden die positiven Effekte länger anhalten und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen wieder wachsen lassen. Dank merklicher Einkommenszuwächse und einer guten Arbeitsmarktlage zeigte sich der Konsum als einziges Aggregat der Binnennachfrage weiterhin mit robustem Wachstum. Die Bruttolöhne und -gehälter lagen im ersten Halbjahr 2012 insgesamt um rd. 4 % über dem Vorjahreszeitraum. Aufgrund des anhaltenden Beschäftigungswachstums – mit 41,6 Mio. Erwerbstätigen erreichte die Beschäftigung ein neues Rekordhoch – belief sich der Zuwachs je Arbeitnehmer auf 2,6 %. Damit lag die Zunahme der Effektivverdienste zur Jahresmitte immer noch spürbar über der der Tarifverdienste. Diese positive Lohndrift schwächte sich im weiteren Jahresverlauf allerdings ab. Der Verbraucherpreisanstieg wird sich aller Voraussicht nach auch 2013 insgesamt abschwächen und etwa bei 2 % liegen. Trotz der großzügigen Bereitstellung von Zentralbankgeld durch die EZB besteht nach Einschätzung der BDA kurzfristig kein Inflationsrisiko. Das langsame Wachstumstempo des Welthandels und die rezessiven Tendenzen in der Eurozone sorgen für eine hohe Wettbewerbsintensität auf den Gütermärkten. Der Spielraum für Preiserhöhungen seitens der Unternehmen bleibt damit eng begrenzt. Auch zeichnen sich von Seiten der Lohn- und Tarifpolitik keine Zweitrundeneffekte ab. Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass die deutsche Wirtschaft an der von der OECD vorhergesagten Rezession im zweiten Halbjahr 2012 vorbeigeschrammt ist. Immerhin nahm das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,2 % zu. Während die von der Schuldenkrise ausgehende Unsicherheit die Investitionstätigkeit (–2,0 %) lähmte, nahmen die Exporte (1,4 %), Bauinvestitionen (1,5 %) und Konsumausgaben (0,3 %) zu. Deutschland belegte damit weiter – wenn auch auf bescheidenem Niveau – beim Wachstum einen Spitzenplatz

in Europa. Allerdings dürfte das vierte Quartal weniger erfreulich verlaufen sein. Darauf deutet der zuletzt zu verzeichnende Auftragsrückgang hin. Alles in allem dürfte das BIP 2012 um rd. 1 % gewachsen sein.

Europäische Wirtschafts- und Währungsunion schreitet auf dem Weg zu mehr Integration voran Die Situation in der Europäischen Wirtschaftsund Währungsunion (EWU) spitzte sich 2012 weiter zu. Die zunächst auf Griechenland, Irland und Portugal begrenzte Staatsschuldenkrise führte zeitweise zu starken Zinsaufschlägen auf spanische und italienische Staatsanleihen und gab Zweifeln an der Stabilität der Währungsunion neuerlichen Auftrieb. Dazu trug das gleichzeitige Auftreten von sich wechselseitig verstärkender Staatsschuldenkrise, Bankenkrise und schrumpfender Wirtschaft vor allem in den Krisenländern bei. Die BDA hat wiederholt öffentlich dargelegt, dass ein Auseinanderfallen der EWU nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft liegt. Denn ein Scheitern des Euro würde Deutschland mit unabsehbaren politischen und monetären Folgekosten belasten. Die politischen Anstrengungen sind deshalb auf eine Stabilisierung und Weiterentwicklung der EWU zu einer Stabilitätsunion auszurichten. Aus dieser übergeordneten Perspektive heraus unterstützte die BDA daher die Ankündigung der EZB, im Rahmen ihres Mandats alles zu unternehmen, um den Euro zu stabilisieren und dafür auch ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen. Die EZB veränderte damit das strategische Kalkül der Kapitalmarktakteure und verringerte die Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung deutlich. Insbesondere die unternehmerisch berechtigte Vorsorge von Banken und Finanzabteilungen EWU-weit tätiger Unternehmen hatte sich zuvor auf den Kapitalmärkten der Krisenländer mit zentrifugalen Wirkungen bemerkbar gemacht. Die Ankündigung der EZB löste heftige Kritik an ihrem Kurs aus. Auch wenn Sorgen um eine Aufweichung des geldpolitischen Kurses der EZB

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„ Deutschland ist gut durch die Krise gekommen. Aber auch bei uns macht sich

die schwache Konjunktur in den meisten anderen Ländern der Eurozone bemerkbar. Umso wichtiger ist es, dass die beachtlichen Reformanstrengungen in den Krisenstaaten jetzt fortgesetzt werden. Die Entwicklung der EU zu einer wirklichen Stabilitätsunion und die Bewältigung der Staatsschuldenkrise durch eine strikte Konsolidierung der Staatsfinanzen dulden keinen Aufschub.

Prof. Dr. Michael Heise | Vorsitzender Ausschuss für Volkswirtschaftliche Fragen der BDA, Leiter der Unternehmensentwicklung Bereich Economic Research and Corporate Development Allianz SE

nachvollziehbar sind, darf dennoch nicht übersehen werden, dass sich die EZB bislang stets auf die unvermeidliche Abwehr von Gefahren für die gesamte Eurozone beschränkt hat. Auch das im September 2012 von der EZB angekündigte Programm „Outright Monetary ­Transactions“ (OMT) zum Kauf von Staatsanleihen verschuldeter Eurostaaten hält diese Linie ein und überlässt die unmittelbare Hilfe für einzelne Mitgliedstaaten den dafür eingerichteten Rettungsschirmen EFSF und ESM. Denn die EZB will nur Anleihen solcher Mitgliedstaaten auf dem Sekundärmarkt aufkaufen, denen Hilfestellungen aus EFSF bzw. ESM zugesagt wurden. Dadurch können die Hilfen mit Auflagen zur Konsolidierung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit verknüpft werden. Die BDA erwartet, dass die Bundesregierung auch in künftigen Fällen geeignete Restrukturierungsmaßnahmen und deren Überwachung mit Konsequenz und Augenmaß einfordert.

Konsolidierung der Staatshaushalte in der EU unausweichlich Die Konsolidierung der europäischen Staatshaushalte ist unausweichlich. Dabei muss auch in Kauf genommen werden, dass dies anfangs die Konjunktur belastet, was bei der Bewertung der Konsolidierungsbemühungen nicht außer Acht gelassen werden darf. Spanien, Portugal, Irland und selbst Griechenland haben bei der Reduzierung ihrer strukturellen Haushaltsdefizite deutliche Fortschritte gemacht. Wegen der starken Wirtschaftseinbrüche spiegeln sich die Sparanstrengungen jedoch bislang nicht in verringerten Staatsschuldenquoten wider. Daraus darf aber nicht auf einen Reform­unwillen der Länder bzw.

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die Unwirksamkeit der Maßnahmen geschlossen werden, denn entgegen der in den Medien porträtierten eher negativen Stimmungslage tragen die Konsolidierungsbemühungen bereits Früchte. Trotz aller Schwierigkeiten verzeichnet die irische Wirtschaft bereits ein leichtes Wachstum. Portugal hat sein Leistungsbilanzdefizit vor allem durch die Steigerung seiner Exporte deutlich reduziert, was auf eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit deutet. Spanien kommt bei der Konsolidierung des Finanzsektors und wichtigen Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt gut voran. In den letzten Monaten sind in diesen Ländern damit wichtige Grundlagen für eine langfristige Gesundung der Wirtschaft geschaffen worden, die allerdings noch von negativen konjunkturellen Einflüssen überlagert werden. Aus Sicht der BDA sind die Verfahren zur makroökonomischen Koordinierung, das verschärfte Stabilitäts- und Wachstumsgesetz und der Fiskalpakt wichtige Schritte auf dem Weg zu einer wirtschaftlichen Revitalisierung der EWU. Um den Regeln eine größere Verbindlichkeit zu geben, spricht sich die BDA aber nach wie vor für die Einführung von echten Automatismen bei der Sanktionierung von Regelverstößen aus. Richtig ist auch die Stoßrichtung des europäischen Wachstumspakts, der auf dem Juni-Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs auf den Weg gebracht wurde. Dieser Pakt zielt auf die Stärkung wachstumsfördernder Strukturen, wie z. B. die Verbesserung der Ausbildung junger Menschen oder die Förderung der Mobilität von Arbeitskräften. Die Europäische Investitionsbank soll zur Überwindung von Kreditklemmen, wie sie derzeit insbesondere in südeuropäischen Ländern zu beobachten sind, beitragen.


Trotz aller Anstrengungen nahmen im Verlauf des Jahres 2012 die Zweifel in den Märkten spürbar zu, ob einige Mitgliedstaaten in der Lage sein würden, den hohen Rekapitalisierungsbedarf der angeschlagenen Banken angesichts der ohnehin schon hohen Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte zu tragen. Die BDA hat die Bundesregierung in der Auffassung bestärkt, die gegenseitige Ansteckung von Bankenkrise und Schuldenkrise wirksam zu bekämpfen. Ende Juni 2012 fassten die europäischen Staats- und Regierungschefs den Beschluss, dass Banken – eine funktionierende europäische Bankenaufsicht vorausgesetzt – grundsätzlich auch direkt von dem ESM rekapitalisiert werden können. Gesunde und kapitalstarke Banken sind für die Finanzierung des Wachstums der Realwirtschaft unentbehrlich. Ein Durchschleppen von Verlustvorträgen in den Bankbilanzen führt nur zu sog. Zombiebanken, die das gesamtwirtschaftliche Wachstum behindern. Japan bietet seit Beginn der 1990er Jahre ein abschreckendes Beispiel für die Wirkung von Zombiebanken.

Kommissionsvorschlag zur ­europäischen Bankenaufsicht: Schnellschuss mit Schwachstellen Eine wirksame europäische Bankenaufsicht ist unabdingbar. Den Vorschlag der Europäischen Kommission, alle Banken im Euroraum durch die EZB direkt beaufsichtigen zu lassen, unterstützt die BDA jedoch nur partiell. Jedenfalls kurz- und mittelfristig fehlen der EZB hierfür die erforderlichen Kapazitäten. Die BDA plädiert deshalb dafür, zunächst nur systemrelevante und national bedeutsame Banken direkt der europäischen Aufsicht zu unterstellen. Lediglich regional tätige Institute sollten bis auf weiteres von den nationalen Aufsichtsbehörden kontrolliert werden. Dabei müssen jedoch einheitliche Regeln und Grundsätze angewendet werden. Hierfür benötigt die EZB entsprechende Weisungskompetenzen. Eine solche Kaskadenarchitektur entspricht dem Subsidiaritätsprinzip. Ob die von der Kommission skizzierte Trennung zwischen formeller Aufsicht (durch die EZB) und De-­facto-Aufsicht (durch die nationalen Behörden) für kleinere Institute diesem Gedanken entspricht, kann erst beurteilt werden, wenn weitere Einzelheiten vorgelegt werden.

Auch ist die Frage des Zusammenspiels der Aufsichtsbehörden innerhalb und außerhalb der EWU zu bedenken. Nicht unproblematisch ist zudem, dass die EZB künftig mit der Doppelaufgabe beauftragt wäre, einerseits die Banken zu beaufsichtigen und auf ihre ausreichende Liquiditätsausstattung zu achten und andererseits die Geldwertstabilität zu gewährleisten. Beide Aufgaben können miteinander in Konflikt geraten. Sofern die EZB dennoch dauerhaft beide Aufgaben wahrnehmen soll, muss daher auf eine strikte organisatorische Trennung beider Aufgabenbereiche geachtet werden. Angesichts der Komplexität der Herausforderungen begrüßt die BDA die Bemühungen der Bundesregierung, einen übereilten Start der neuen Bankenaufsicht, auf den Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien drängen, zu verhindern. Ein Erfolg war es, dass sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel im Oktober 2012 auf einen Zeitplan zur Einführung der europäischen Bankenaufsicht geeinigt haben. Demnach soll zunächst bis zum 1. Januar 2013 eine Einigung über den rechtlichen Rahmen erzielt werden. Die Arbeit an der Umsetzung soll, anders als von den südeuropäischen Staaten gefordert, erst im Laufe des Jahres 2013 aufgenommen werden. Damit hat die Kommission mehr Zeit, um eine von Anfang an funktionsfähige und verbindliche Aufsicht einzurichten. Die BDA begrüßt die Entscheidung der Kommission, auf einen gemeinsamen europäischen Fonds für die Einlagensicherung sowie einen länderübergreifenden Bankenabwicklungsfonds vorläufig zu verzichten. Vielmehr sollten die nationalen freiwilligen Einlagensicherungssysteme gestärkt werden. Ein einheitliches EU-Rahmenwerk zur Abwicklung von Kreditinstituten darf im Krisenfall nicht den ungehinderten Zugriff auf die bestehenden nationalen Fonds erlauben.

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Kommissionsvorschläge für einen einheitlichen Mechanismus zur ­Bankenaufsicht in der Eurozone 1. Im Rahmen eines einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus soll die EZB zusätzlich die Aufsicht über Kreditinstitute in der Eurozone übernehmen. Dazu gehören u. a. Lizenzierung und Zulassung von Kreditinstituten, die Überwachung der Eigenkapitalanforderungen sowie Verhängung von Sanktionen. Rechtsgrundlage für die Übertragung der Aufgaben ist Art. 127 Abs. 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). 2. Die zuständigen nationalen Behörden sollen ein integraler Teil des einheitlichen Aufsichtsmechanismus sein. Sie sollen weiterhin die meisten laufenden Prüfungen und die für die Arbeit der EZB erforderlichen vorbereitenden Aufsichtstätigkeiten vornehmen. Alle nicht der EZB übertragenen Aufgaben sollen ebenfalls bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleiben, z. B. Verbraucherschutz und die Bekämpfung von Geldwäsche. 3. Die EZB soll das Durchgriffsrecht über sämtliche im Euroraum niedergelassenen Banken bekommen. Darunter fallen auch die Niederlassungen externer Banken und EU-Banken, die in der Euro­ zone grenzüberschreitende Dienste anbieten. EU-Mitgliedstaaten außerhalb des Euroraums können ihre Banken freiwillig von der EZB beaufsichtigen lassen. 4. Für die Aufgaben im Rahmen der Bankenaufsicht soll ein neues Aufsichtsgremium eingerichtet werden, dessen Vorsitzender und Stellvertreter vom Rat der EZB gewählt werden. Daneben soll der neue Aufsichtsrat vier Vertreter der EZB sowie je einen Vertreter der nationalen Zentralbanken oder einer anderen zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde umfassen. 5. Die EZB soll bereits ab dem 1. Januar 2013 schrittweise ihre Arbeit als Aufsichtsbehörde aufnehmen. Ab dem 1. Juli 2013 sollen alle großen systemrelevanten Kreditinstitute der unmittelbaren Aufsicht der EZB unterliegen. Spätestens ab dem 1. Januar 2014 sollen alle Banken im Euroraum vom neuen Aufsichtsmechanismus erfasst sein.

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Bankenunion allein nicht ausreichend: Basel III weiterentwickeln Eine einheitliche Bankenaufsicht genügt allerdings nicht, um den Teufelskreis zwischen Banken- und Staatsschuldenkrise endgültig zu durchbrechen. Die sich aufschaukelnden Wechselwirkungen zwischen beiden Krisen liegen nicht zuletzt in der Privilegierung von Staatsanleihen. Diese gelten immer noch als risikolose Anlagen und müssen daher von den Banken nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Dies verleitet besonders eigenkapitalschwache Banken dazu, ihr Geschäft auf die Finanzierung von Staaten, insbesondere des Heimatlands, auszurichten. Damit werden die Banken zum Risiko des Staats und der Staat zum Risiko der Banken. Deshalb fordert die BDA, das Reformpaket Basel III so anzupassen, dass zukünftig auch Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Zwar ist eine Übergangszeit erforderlich, doch sollten die Parameter schon jetzt festgelegt werden, damit die Betroffenen ausreichend Zeit haben, sich darauf einzustellen.

Staatsfinanzen in Deutschland: 60 % Schuldenobergrenze wieder ­einhalten Die BDA unterstützt die Bundesregierung in ihren Bemühungen, bereits 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Damit hält die Bundesregierung drei Jahre früher als verfassungsrechtlich vorgeschrieben das strukturelle Defizit unterhalb der Obergrenze von 0,35 % des BIP. Allerdings wecken einige Entscheidungen der Koalition Zweifel daran, wie ernsthaft dieses Bemühen ist. So ist z. B. die Einführung des Betreuungsgelds nicht nur sozialpolitisch falsch, sondern bedeutet auch neue Ausgaben und damit das Gegenteil einer Haushaltskonsolidierung. Weitere kostenträchtige Entscheidungen wie die geplante Einführung einer steuerfinanzierten Lebensleistungsrente unterminieren die Glaubwürdigkeit der geplanten Haushaltskonsolidierung zusätzlich. Die Ausweitung staatlicher Leistungen erhöht nicht nur die strukturellen Ausgaben, sondern gefährdet auch Deutschlands Vorbildfunktion für den Rest Europas, der teilweise massive Einsparungen leisten muss.

Auch mit den beiden Nachtragshaushalten für 2012 ergriff die Bundesregierung nicht die Chance, ein glaubwürdiges Konsolidierungssignal hin zu einem – nicht nur strukturell – ausgeglichenen Haushalt zu setzen. Zwar wird die Nettokreditaufnahme im laufenden Jahr verglichen mit den ursprünglich geplanten 34,8 Mrd. € auf 28,1 Mrd. € sinken und damit deutlich unterhalb der nach der Schuldenbremse für 2012 zulässigen Nettokreditaufnahme i. H. v. 50,6 Mrd. € bleiben. Allerdings wäre angesichts der stark verbesserten Beschäftigungssituation, auf Rekordniveau sprudelnder Steuer- und Beitragseinnahmen und extrem günstiger Finanzierungsbedingungen eine wesentlich ehrgeizigere Reduzierung der Neuverschuldung möglich gewesen. Diese Auffassung vertritt auch der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Gutachten vom November 2012. Er warnt, dass die gute Haushaltslage ganz wesentlich auch auf positive Sondereffekte wie gesunkene Finanzierungskosten, Minderausgaben der Bundesagentur für Arbeit und unterdurchschnittlichen Rentenzugängen beruht. Da diese Effekte mittelfristig zurückgehen oder sich sogar umkehren werden, müssten die Ausgaben für mittelfristige Konsolidierungserfolge ehrgeiziger und stärker zurückgeführt werden. Eine ähnliche Kritik äußerte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Nach seinen Berechnungen vom März 2012 sind große Teile der im Jahr 2010 vereinbarten Konsolidierungsmaßnahmen bislang nicht rechtsverbindlich umgesetzt worden. Mehr Tempo und mehr Nachhaltigkeit bei der Haushaltskonsolidierung sind auch deshalb unerlässlich, weil Deutschland mit einer Staatsschuldenquote von mehr als 80 % die Maastrichter Obergrenze von max. 60 % des BIP noch immer um gut ein Drittel übersteigt.

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Maastrichter 60%-Schuldenobergrenze deutlich überschritten Anteil der Staatsverschuldung in % des Bruttoinlandsprodukts für 2007 und 2013 (erwartet)

Estland Luxemburg Finnland Slowakei Slowenien Niederlande Österreich Malta Zypern Deutschland Spanien EU Frankreich Eurozone Großbritannien Belgien Portugal Irland Italien Griechenland 0

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Reform des steuerlichen Reisekostenrechts schafft Vereinfachung Die BDA hat sich erfolgreich zusammen mit sieben weiteren Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft gegenüber Finanzverwaltung und

Politik für eine Reform des steuerlichen Reisekostenrechts eingesetzt: Die Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses halten unverändert an der vom Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Reform des steuerlichen Reisekostenrechts fest. Mit dieser wird u. a. die wesentliche Forderung der Wirtschaft nach höchstens einer Tätigkeitsstätte je Arbeitnehmer

Eckpunkte des Gesetzes zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts 1. Der bisherige Begriff „regelmäßige Arbeitsstätte“ wird durch den Begriff „erste Tätigkeitsstätte“ ersetzt und dabei gesetzlich neu definiert, wobei höchstens eine solche je Arbeitnehmer bzw. Dienstverhältnis vorgesehen ist. Die Festlegung einer „ersten Tätigkeitsstätte“ erfolgt vorrangig durch arbeits-/ dienstrechtliche Festlegung durch den Arbeitgeber. Dabei handelt es sich um die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Falls die Festlegung durch den Arbeitgeber nicht eindeutig sein sollte, werden hilfsweise quantitative Kriterien herangezogen (z. B. Umfang der Arbeitszeit an einer Tätigkeitsstätte). 2. Bei den Verpflegungsmehraufwendungen wird die Staffelung der Mindestabwesenheitszeiten reduziert. Künftig ist bei eintägigen Auswärtstätigkeiten ein Pauschbetrag von 12 € bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden vorgesehen. Bei mehrtägigen Auswärtstätigkeiten kann jeweils für den Anreise- und den Abreisetag – ohne Prüfung der Mindestabwesenheit – ein Pauschbetrag von 12 € angesetzt werden, für die „Zwischentage“ (Abwesenheit von 24 Stunden) ein Pauschbetrag von jeweils 24 €. 3. Die Berechnung der Dreimonatsfrist, d. h. die Begrenzung der Abzugsfähigkeit der Verpflegungspauschalen auf drei Monate an derselben Tätigkeitsstätte, soll vereinfacht werden, indem künftig unabhängig vom Anlass eine Unterbrechung von vier Wochen maßgeblich sein soll. 4. Die steuerliche Erfassung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten während einer auswärtigen Tätigkeit soll vereinfacht werden. Vorgesehen ist, dass Mahlzeiten mit einem Preis von bis zu 60 € typisierend mit dem Sachbezugswert erfasst werden. Die mit dem Sachbezugswert bewerteten Mahlzeiten sind generell nicht zu besteuern, wenn dem Arbeitnehmer für eine auswärtige Tätigkeit eine Verpflegungspauschale zustehen würde. Steht dem Arbeitnehmer keine Verpflegungspauschale zu, kann der Sachbezugswert vom Arbeitgeber pauschal mit 25 % versteuert werden. 5. Bei beruflich veranlassten Unterkunftskosten für eine Zweitwohnung können im Rahmen der doppelten Haushaltsführung im Inland die tatsächlich entstehenden Aufwendungen als Werbungskosten angesetzt werden, höchstens jedoch 1.000 € im Monat. Beruflich veranlasste Unterkunftskosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit an ein und derselben Tätigkeitsstätte sind für einen Zeitraum von 48 Monaten unbeschränkt als Werbungskosten abzugsfähig. Danach greift die Regelung der doppelten Haushaltsführung mit der Beschränkung auf 1.000 € im Monat.

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aufgegriffen. Zielführend ist auch die arbeitgeberfreundliche Regelung, wonach sich die Festlegung der „ersten Tätigkeitsstätte“ vorrangig am Arbeits-/Dienstrecht orientiert. Eine deutliche Bürokratieentlastung wird mit der Vereinfachung bei den Unterkunftskosten erreicht, da das aufwändige Heranziehen ortsüblicher Vergleichsmieten entfällt und stattdessen künftig die tatsächlichen Aufwendungen bis höchstens 1.000 € im Monat angesetzt werden können. Erfreulicherweise hat der Vermittlungsausschuss am 12. Dezember 2012 auch der ursprünglich vorgesehenen Reduzierung der bisherigen Dreier-Staffelung bei den Verpflegungsmehraufwendungen und die gleichzeitig vorgesehene Verdopplung des Pauschbetrags von 6 auf 12 € bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden zugestimmt, mit der Steuermindereinnahmen in Höhe von jährlich rd. 220 Mio. € einhergehen. Jetzt kommt es darauf an, dass Bundestag und Bundesrat dem echten Vermittlungsergebnis des Vermittlungsausschusses im Januar 2013 zustimmen. Die BDA wird sich bei der organisatorischen Umsetzung der zum 1. Januar 2014 greifenden Reform des Reisekostenrechts dafür einsetzen, dass es tatsächlich zu einer echten Bürokratieentlastung für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt. Die neuen Regelungen sollten daher vor der eigentlichen Umsetzung noch im Jahr 2013 im Rahmen eines Pilotierungsverfahrens einem Praxis­test unterzogen werden, damit etwaige Umstellungsprobleme möglichst frühzeitig erkannt und beseitigt werden können.

Jahressteuergesetz 2013: Verkürzung der Aufbewahrungsfristen gescheitert Die vom Bundestag beschlossene stufenweise Verkürzung der Aufbewahrungsfristen gemäß Abgabenordnung, Umsatzsteuergesetz und Handelsgesetzbuch zunächst ab 2013 auf acht und in einer weiteren Stufe ab 2015 auf sieben Jahre ist bedauerlicherweise am 12. Dezember 2012 im Vermittlungsausschuss am Widerstand der Bundesländer gescheitert. Damit wurde die Chance zu einem Einstieg in einen wirksamen Bürokratieabbau verpasst. Die Bundesregierung hatte in ihrem Entwurf prognostiziert, dass der aus den Aufbewahrungs- und Prüfungsfristen nach

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Handels- und Steuerrecht für die Wirtschaft resultierende Bürokratie- und Erfüllungsaufwand von insgesamt rd. 24 Mrd. € nach der Umsetzung der zweiten Stufe um gut 10 % bzw. 2,5 Mrd. € hätte verringert werden können. Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen ist notwendig, da die mit den bestehenden langen Aufbewahrungsfristen verbundenen Anforderungen für Unternehmen eine erhebliche Belastung darstellen: Die Unternehmen sind durch die Abgabenordnung verpflichtet, eine maschinelle Auswertbarkeit der Daten seitens der Finanzverwaltung während der gesamten Dauer der Aufbewahrungsfrist zu gewährleisten. Dies bedeutet die Vorhaltung umfangreicher Daten auf veralteten EDV-Anlagen und mittels teilweise längst überholter EDV-Programme. Die Langzeitarchivierung der Originaldaten in elektronisch auswertbarer Form ist folglich sowohl aus technischer als auch bürokratischer Sicht eine erhebliche Belastung für die Wirtschaft. Daher sollte die deutliche Verkürzung der Aufbewahrungsfristen in Kombination mit einer zeitnahen Betriebsprüfung Pflichtprogramm in der nächsten Legislaturperiode sein.

Jahressteuergesetz 2013: Umsatzsteuerbefreiung von privaten Bildungsleistungen abgewendet Entgegen den ursprünglichen Planungen bleiben private Bildungsleistungen umsatzsteuerpflichtig. Die BDA hatte sich nachdrücklich gegen eine überdehnte Ausweitung der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen gewendet, wie sie der Regierungsentwurf zur Umsetzung der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehen hatte. Die Umsatzsteuer­befreiung von privaten Bildungsleistungen hätte vor allem im Business-to-BusinessBereich (B2B-Bereich) zu erheblichen Mehrbelastungen geführt. Die Regierungspläne sahen vor, die U ­ msatzsteuer nicht nur bei Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, sondern auch bei anderen Einrichtungen, deren Leistungen „geeignet sind, dem Teilnehmer spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln“, entfallen zu lassen.


Im Ergebnis hätten nach dem Regierungsentwurf Weiterbildungseinrichtungen zu einem großen Teil steuerfreie Leistungen angeboten und damit weitgehend ihren Vorsteuerabzug verloren. Die Eingangsleistungen der Weiterbildungseinrichtung hätten sich somit verteuert und zu höheren Kosten für die Kunden geführt. Betroffen gewesen wären insbesondere Weiterbildungsdienstleistungen, die von Unternehmen eingekauft werden. Diese hätten sich durch den „versteckten“ Umsatzsteueranteil ebenfalls verteuert. Die Verteuerung von Weiterbildungsdienstleistungen hätte im Widerspruch zur Zielsetzung der Umsatzsteuerbefreiung, nämlich einem günstigen Zugang zu Bildungsleistungen, gestanden. Dies wäre kontraproduktiv gewesen, da der betrieblichen Weiterbildung aufgrund des demografischen Wandels und der Fachkräftesicherung sowie der technischen Entwicklung eine wachsende Bedeutung zukommt – sie sichert die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Vor diesem Hintergrund hatte sich die BDA zusammen mit sieben weiteren Spitzenverbänden der deutschen gewerblichen Wirtschaft dafür eingesetzt, den privaten Weiterbildungsdienstleistern zumindest den Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung zu erlauben. So wären Bildungseinrichtungen des öffentlichen Rechts, die auf die Förderung des Gemeinwohls abzielen, entsprechend der europäischen ­ Mehrwertsteuersystemrichtlinie von der Umsatzsteuer befreit worden. Gewerbliche Seminaranbieter und private Unternehmen, die gewinnorientiert Schulungsleistungen anbieten und durchführen, hätten dagegen weiterhin den Vorsteuerabzug anwenden können. Letztlich hat der Gesetzgeber erfreulicherweise auf eine Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung ganz verzichtet. Dieser Verzicht ist mit der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie vereinbar, da diese ohnehin die Möglichkeit eingeräumt hatte, die Umsatzsteuerbefreiung für private Einrichtungen von einer fehlenden systematischen Gewinnerzielungsabsicht abhängig zu machen.

Jahressteuergesetz 2013: ­Besteuerung von Streubesitz­ dividenden verhindert Die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Einführung einer Steuerpflicht für Streubesitzdividenden konnte erfolgreich abgewendet werden. Sie wurde richtigerweise auch nicht in die Beschluss­ empfehlungen des Vermittlungsausschusses vom 12. Dezember 2012 aufgenommen. Die BDA hatte ebenso wie sieben weitere Spitzenverbände der deutschen gewerblichen Wirtschaft eine ­Steuerpflicht für Streubesitzdividenden entschieden abgelehnt. Die Steuerfreiheit stellt keine Begünstigung von Unternehmen dar, sondern folgt aus dem Teileinkünfteverfahren. Danach werden Gewinne einmal bei der Kapitalgesellschaft und ein weiteres Mal erst bei der Ausschüttung an den Gesellschafter besteuert. Eine Einschränkung der Steuerfreiheit hätte demgegenüber zu systemwidrigen Mehrfachbesteuerungen geführt, da Gewinne bereits vor Ausschüttung an den Gesellschafter mehrmals besteuert worden wären. Hierdurch hätten Steuerbelastungen in erdrückender Höhe gedroht. Die Mehrfachbesteuerung hätte im Ergebnis eine auch im internationalen Vergleich völlig überzogene Steuerlast auf Unternehmensgewinne bedeutet und dem Unternehmensstandort Deutschland schweren Schaden zugefügt. Private und institutionelle Anleger hätten sich als Teilnehmer am inländischen Aktienmarkt möglicherweise in erheblichem Umfang wegen dieser Mehrfachbelastung zurückgezogen. Darüber hinaus hätte die geplante Steuerpflicht den weiterhin dringend notwendigen Ausbau sowie die Rentabilität der betrieblichen Altersvorsorge außerordentlich belastet, weil Anlagen in betriebseigene Pensionsvermögen weniger rentabel geworden wären.

Elektronisches Lohnsteuerabzugs­ verfahren: größere Flexibilität des gestreckten Einstiegs nutzen Als einen wichtigen Beitrag zum Bürokratieabbau bei Unternehmen und in der Finanzverwaltung unterstützt die BDA die Abschaffung der papiergebundenen Lohnsteuerkarte, die Einführung der elektronischen ­Lohnsteuerabzugsmerkmale ­(ELStAM)

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und den gesetzlich verpflichtenden Start des neuen elektronischen Lohnsteuer­ abzugsverfahrens zum 1. Januar 2013. Nachdem Ende 2011 der ursprünglich geplante Verfahrensstart zum 1. Januar  2012 aufgrund unerwarteter technischer Probleme um ein Jahr verschoben werden musste, hatte die Finanzverwaltung im Rahmen einer umfangreichen Pilotierungsphase Gelegenheit, die Weichen für einen erfolgreichen Einstieg in das neue Verfahren zu stellen. Nachdrücklich und erfolgreich hat sich die BDA gegenüber der Finanzverwaltung dafür ausgesprochen, die ursprünglich auf drei Monate begrenzte Nichtbeanstandungsphase, in der weiterhin das bisherige Papierverfahren von der Finanzverwaltung geduldet wird, auf das gesamte Jahr 2013 auszudehnen. Hintergrund ist auch, dass bis Ende 2012 noch nicht alle der rd. 200 Softwarehersteller den Arbeitgebern eine ELStAM-kompatible Software zur Verfügung stellen können. Für den einzelnen Arbeitgeber ist jedoch eine solche Software Voraussetzung für die Teilnahme am neuen elektronischen Verfahren. Die verlängerte Übergangsphase bietet den Personalabteilungen eine größere Flexibilität und organisatorischen Spielraum beim Übergang zum neuen Verfahren. Unternehmen können eventuell auftretende Fehler im elektronischen Verfahren ohne Zeitdruck beheben und durch angemessene Systemprüfungen einen reibungslosen Ablauf des Datentransfers gewährleisten. Die BDA empfiehlt, dass die Finanzverwaltung im Jahr 2013 regelmäßig die Durchdringungs- bzw. Nutzungsdichte des elektronischen Verfahrens erhebt und auswertet. Mithilfe dieser Evaluation können potenzielle Engpässe bei der Nutzung des Verfahrens durch die Arbeitgeber und Belastungen bei der Finanzverwaltung frühzeitig identifiziert und entsprechend beseitigt werden. Aber auch für die Finanzverwaltung ist eine schrittweise ELStAM-Nutzung durch die Arbeitgeber von Vorteil, weil dadurch eine punktuelle Überlastung der Finanzämter vermieden werden kann. Erfreulich ist, dass die Finanzverwaltung mit der BDA und weiteren Spitzenverbänden der deutschen gewerblichen Wirtschaft in einen konstruktiven begleitenden Dialog über die Rahmenbedingungen der gestreckten Einführungsphase eingetreten ist. Wiederholt hat sich die BDA bei

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der Finanzverwaltung von Bund und Ländern dafür eingesetzt, dass die Informationen zum Verfahren für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber auch für Mitarbeiter der Finanzverwaltung rechtzeitig vor dem Start des elektronischen Lohnsteuerabzugsverfahrens intensiviert werden. Diese Forderung griff das Bundesfinanzministerium (BMF) teilweise auf und informierte noch im Oktober 2012 in mehreren BMF-Schreiben über den Start des Verfahrens sowie die Einzelheiten der Einführungsphase 2013. Auch ein Leitfaden für Lohnbüros wurde erstellt. Eine umfassende Information ist notwendig, da diese Umstellung immerhin rd. 2,5 Mio. Arbeitgeber und ca. 29 Mio. Arbeitnehmer betrifft. Da unverändert in erster Linie den Finanzämtern – und nicht den Arbeitgebern – die Beratungspflicht für die Arbeitnehmer obliegt, ist es zudem zwingend erforderlich, dass auch die Mitarbeiter in den Finanzämtern zeitnah und umfassend informiert werden. Bedauerlicherweise lehnte die Finanzverwaltung die gesetzlich gestützte Forderung der BDA ab, flächendeckend durch ein eigenes Informationsschreiben der Finanzverwaltung alle Arbeitnehmer frühzeitig über die mit dem Verfahrensstart zur Verfügung stehenden ELStAMDaten zu informieren (§ 52b Abs. 9 EStG). Damit wurde seitens der Finanzverwaltung die ­Chance verpasst, selbst alle Arbeitnehmer auf ggf. erforderliche Änderungen ihrer ELStAM (z. B. Beantragung des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens für das Jahr 2013 ab dem 1. Oktober 2012) hinzuweisen. Da ab 2013 Lohnsteuerermäßigungen wieder jährlich neu beantragt werden müssen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die ELStAM von den bisher im Lohnkonto enthaltenen Lohnsteuer­abzugsmerkmalen unterscheiden. Potenziell häufiger auftretende Unterschiede bestehen in Bezug auf Steuerklasse, Zahl der Kinderfreibeträge, Freibetrag, Hinzurechnungsbetrag oder das Religionsmerkmal. Ein erstmaliger ELStAM-Abruf im Jahr 2013 durch den Arbeitgeber mit möglicherweise fehlerbehafteten Lohnsteuerabzugsmerkmalen seiner Beschäftigten sollte jedoch vermieden werden, um unnötige Nachfragen in den Unternehmen zu vermeiden. Zwar können seit November 2012 Steuerpflichtige über das Elster-Online-Portal ihre aktuell in der ELStAM-Datenbank gespeicherten


Daten überprüfen, aber aufgrund der technischen Anforderungen werden Steuerpflichtige von dieser Möglichkeit wohl nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen. Umso wichtiger ist es daher, dass die Arbeitgeber selbst aktiv werden und ihre Arbeitnehmer auf die Möglichkeit hinweisen, sich mittels Antrag beim zuständigen Finanzamt die ELStAM mitteilen zu lassen (§ 39e Abs. 6 Satz 4 EStG). Arbeitgeber sollten zudem ihre Beschäftigten darüber informieren, dass es notwendig ist, für 2013 Freibeträge neu zu beantragen, damit sich

diese in den ELStAM niederschlagen. Auch sind die Steuerpflichtigen verpflichtet, Änderungen ihrer Lebensumstände (z. B. Steuerklasse, Kinder) der zuständigen Behörde mitzuteilen. Zuständig für die Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale ist das Finanzamt (§ 39 Abs. 2 EStG) bzw. in den Fällen Familienstand, Kinder, Religionszugehörigkeit die zuständige Meldebehörde (§ 39e Abs. 2 EStG). Um ihre Mitarbeiter über die unternehmensspezifischen Kommunikationswege adäquat zu informieren, können Arbeitgeber auf

Eckpunkte des Anwendungsschreibens des Bundesfinanzministeriums zu den Anforderungen an die Umsatzsteuerbefreiung ehrenamtlicher Tätigkeit 1. Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 UStG ist zunächst eine ehrenamtliche Tätigkeit, die nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung voraussetzt. Nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit soll insbesondere dann ausgegangen werden, wenn der Zeitaufwand auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder sogar Vollzeitbeschäftigung hindeutet. Auch soll ein Entgelt, mit dem eine Leistung vergütet wird, nicht von der Steuerbefreiung umfasst werden. 2. Die Angemessenheit der Entschädigung für Zeitversäumnis soll nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden. Regelmäßig soll jedoch eine Entschädigung von bis zu 50 € je Tätigkeitsstunde als angemessen angesehen werden, sofern die Vergütung für die gesamten ehrenamtlichen Tätigkeiten den Betrag von 17.500 € im Jahr nicht übersteigt (Nichtbeanstandungsgrenze). In Anlehnung an die Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG soll auf die tatsächliche Höhe der Aufwandsentschädigung im Vorjahr sowie die voraussichtliche Höhe der Aufwandsentschädigung im laufenden Jahr abgestellt werden. Echter Auslagenersatz (z. B. Fahrtkostenersatz nach pauschalen Kilometersätzen) bleibt dabei unberücksichtigt. 3. Eine Umsatzsteuerbefreiung bei pauschaler Vergütung soll nicht generell ausgeschlossen werden. Sofern neben einer pauschalen Aufwandsentschädigung auch in einem Vertrag, einer Satzung oder einem Beschluss eines laut Satzung hierzu befugten Gremiums die durchschnittliche Stundenanzahl pro Woche/Monat/Jahr für die fremdnützig bestimmte Einrichtung festgehalten ist und die Nichtbeanstandungsgrenzen nicht überschritten werden, soll die Umsatzsteuerbefreiung nicht ausgeschlossen sein. Aus Vereinfachungsgründen soll zudem eine Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 26b UStG ohne Stundennachweis und Angemessenheitsprüfung gewährt werden, wenn der einkommensteuerliche Ehrenamtsfreibetrag gem. § 3 Nr. 26 EStG von 2.100 € p. a. nicht überschritten wird.

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Musterformulierungen der Finanzverwaltung zurückgreifen. Diese sind unter www.arbeitgeber.de > Service abrufbar.

Aufwandsentschädigung zahlen, ergäbe sich erheblicher zusätzlicher Bürokratieaufwand durch die geforderte zeitbezogene Abrechnung.

Ehrenamt: Anforderungen an ­ die Umsatzsteuerbefreiung ­praxis­tauglich gestalten

Auch wenn das BMF in dem im Dezember vorgelegten Anwendungsschreiben deutlich nachgebessert hat, besteht in Teilbereichen weiterer Klarstellungsbedarf. Folgende Aspekte sind dabei von besonderer Bedeutung:

Die BDA hat sich gegenüber dem Bundesfinanzministerium (BMF) erfolgreich dafür eingesetzt, dass die von der Finanzverwaltung vorgenommene Präzisierung der Anforderungen an die Umsatzsteuerbefreiung ehrenamtlicher Tätigkeit praxistauglicher gestaltet wird. Das Mitte Dezember 2012 vom BMF veröffentlichte steuerliche Anwendungsschreiben greift wesentliche Forderungen auf, welche die BDA zusammen mit sieben weiteren Spitzenverbänden der deutschen gewerblichen Wirtschaft gegenüber der Finanzverwaltung angemahnt hatte. Grundsätzlich sind die Umsätze einer ehrenamtlichen Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 26a und b UStG). Für Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt dies unbeschränkt. In allen anderen Fällen muss die Entschädigungsleistung angemessen sein. Bislang gab es für die Angemessenheit der Entschädigung für Zeitversäumnis keine starren Grenzen, sondern es musste nach den konkreten Umständen des Einzelfalls entschieden werden. Das BMF hatte in seinem ursprünglichen Anwendungsschreiben vom 2. Januar 2012 festgelegt, dass ab dem 1. April 2012 eine Entschädigung von bis zu 50 € je Tätigkeitsstunde als angemessen gilt, sofern durch die gesamten ehrenamtlichen Tätigkeiten nicht höhere Umsätze als 17.500 € im Jahr (Kleinunternehmergrenze) erzielt werden. Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit ist allerdings gem. dem BMF-­Schreiben auch, dass der tatsächliche ehrenamtlich getätigte Zeiteinsatz nachvollziehbar dokumentiert ist. Sofern dies nicht der Fall ist, sollen die gesamten aus der ehrenamtlichen Tätigkeit erzielten Einnahmen der Umsatzsteuer unterliegen. Erfolgreich hatte die BDA das BMF vor den damit verbundenen bürokratischen Erschwernissen für die ehrenamtliche Tätigkeit gewarnt. Gerade für einige kleine und mittelständisch geprägte Verbände, die ihren Gremienmitgliedern für ihren ehrenamtlichen Einsatz eine pauschale

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1. Das BMF-Anwendungsschreiben sollte auf die praxisuntaugliche Abgrenzung einer ehrenamtlichen Tätigkeit von einer hauptberuflichen Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung verzichten und sich stattdessen ausschließlich an den Vorgaben des Bundesfinanzhofs (Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, fehlende Hauptberuflichkeit, Einsatz für eine fremdnützige Einrichtung) ausrichten. 2. Keinen Einfluss auf die Einordnung als ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dürfen die im Entwurf des BMF-Schreibens genannten Festlegungen – insbesondere durch Satzung und Gremienbeschluss – von Pauschale und durchschnittlichem Zeitaufwand ausüben. 3. Das Jahr 2013 sollte von der Finanzverwaltung als Nichtbeanstandungszeitraum angesehen werden, da Satzungsänderungen bzw. Gremienbeschlüsse bis zum Jahres­ ende 2012 nicht durchgehend möglich sind.





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Deutscher Arbeitgebertag 2012 Der wichtigste Kongress der deutschen Wirtschaft, der Deutsche Arbeitgebertag, fand am 16. Oktober 2012 in Berlin statt. Spitzenvertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kamen auch in diesem Jahr zusammen, um aktuelle europa-, sozial- und wirtschaftspolitische Fragestellungen zu diskutieren. Insgesamt 1.500 Gäste folgten der Einladung der BDA, hörten hochkarätige Redner, diskutierten in thematischen Foren und nutzten das abendliche Get-together zum Austausch. Im Fokus standen die Staatsschuldenkrise und die Zukunft Europas. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt sprach sich in seiner Rede ausdrücklich für eine Vertiefung der europäischen Integration und die dafür notwendigen Strukturreformen aus. Darüber hinaus forderte er nachdrücklich eine Wiederherstellung der Tarifeinheit. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die wie bereits in den letzten Jahren eine viel beachtete Rede hielt, reagierte darauf grundsätzlich zustimmend. Auch die Auftritte der Fraktionsvorsitzenden von FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Rainer Brüderle, Dr. Frank-Walter Steinmeier und Jürgen Trittin, stießen auf breite Resonanz. Einen kontroversen Schlagabtausch lieferten sich die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles mit dem Generalsekretär der CSU Alexander Dobrindt zu aktuellen politischen Themen. Die fünf Foren boten die Möglichkeit einer inhaltlichen Vertiefung und Diskussion. Thematisch befassten sich diese Diskussionsrunden mit den Chancen und Auswirkungen flexibler Beschäftigungsverhältnisse, der Digitalisierung der Arbeitswelt, der Lehrerbildung, der Alterssicherung in Zeiten des demografischen Wandels und dem Einfluss von Arbeit auf die psychische Gesundheit. Dass der Deutsche Arbeitgebertag auch medial eines der größten Ereignisse im politischen Berlin ist, belegen nicht zuletzt die etwa 150 anwesenden akkreditierten Medienvertreter, die zahlreichen LiveBerichte in Hörfunk und Fernsehen sowie die großen Beiträge in allen überregionalen Zeitungen. Auf der Internetseite der BDA konnte außerdem über einen Livestream die komplette Veranstaltung verfolgt werden. Somit fanden die Positionen der Arbeitgeber – auch über den Tag hinaus – große Beachtung.

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Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung 2012 Die deutschen Arbeitgeber engagieren sich seit Jahrzehnten mit eigenen Initiativen und Konzepten für eine bessere Bildung in Deutschland. Der Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung spielt dabei eine herausragende Rolle. Im Jahr 2012 wurde er in erneuter Kooperation mit der Deutsche Telekom AG und der Deutsche Bahn AG zum 13. Mal an vorbildliche Bildungseinrichtungen vergeben. Hochwertige Bildung hängt wesentlich von den Kompetenzen und der Motivation der Erzieher, Lehrer und Hochschullehrer ab. Daher stand der Preis in diesem Jahr unter dem Leitgedanken „Lehrende qualifizieren – Bildungserfolge sichern“. Die Expertenjury wählte vier hervorragende Konzepte und Strategien gezielter Personalentwicklung aus:

Kategorie „Frühkindliche Bildung“: Betriebs-Kindertagesstätte ROKIDS in Lingen/Ems, Niedersachsen

Kategorie „Schulische Bildung“: Integrierte Sekundarschule an der Ringstraße in Berlin

Kategorie „Berufliche Bildung“: Berufskolleg für Technik des Märkischen Kreises in Lüdenscheid, Nordrhein-Westfalen

Kategorie „Hochschulische Bildung“: Universität des Saarlandes

Nähere Informationen unter www.arbeitgeberpreis-fuer-bildung.de

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Geschäftsführerkonferenz 2012 Die Geschäftsführerkonferenz 2012 der BDA fand auf Einladung der Unternehmerverbände Niedersachsen am 29. und 30. Mai in Hannover statt. Die Konferenz bot wie auch in den vergangenen Jahren die Möglichkeit zum Austausch mit Entscheidungsträgern der Politik sowie der Vertreter der Arbeitgeberverbände untereinander. Der Hauptgeschäftsführer der BDA, Dr. Reinhard Göhner, eröffnete die Konferenz und stellte in seiner Rede entscheidende Zukunftsthemen der Arbeitgeberverbände in Deutschland dar. Der interne Teil der Geschäftsführerkonferenz stand ganz im Zeichen der Demografie als neuem Schwerpunkt in der Tarifpolitik. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE, machte in seinem einleitenden Statement die Sicht der Gewerkschaften auf die demografischen Herausforderungen in der Arbeitswelt deutlich. Anschließend zeigte der Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH, Christoph Kübel, anschaulich zahlreiche betriebliche Lösungsbeispiele zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf. Elke Strathmann, Vorstandsmitglied der Continental AG und Vizepräsidentin der BDA, beleuchtete schließlich die Möglichkeiten und Grenzen der Arbeitszeitflexibilität mit Blick auf den demografischen Wandel. Die Impulsstatements gaben den Anstoß zu einem angeregten Meinungsaustausch der Konferenzteilnehmer mit den Referenten. In seiner anschließenden Rede zu aktuellen wirtschafts- und sozialpolitischen Themen warnte Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt vor Leistungsausweitungen in den Sozialversicherungen. Priorität müsse besonders im Hinblick auf die Herausforderungen des demografischen Wandels die Konsolidierung des Haushalts haben. Im Zentrum des zweiten Konferenztags standen die aktuelle Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie die Staatsschuldenkrise in Europa. Ministerpräsident David McAllister betonte in seinem Grußwort die besondere Bedeutung des Schuldenabbaus in Deutschland und Europa. Im Anschluss erläuterte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, eindringlich die Position der SPD zu den politischen Herausforderungen in der Staatsschuldenkrise. Renate Künast, Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, machte in ihren Ausführungen die Haltung ihrer Partei zu zentralen sozialpolitischen Themen deutlich. Den Schlusspunkt der gelungenen Geschäftsführerkonferenz setzte Prof. Dr. Clemens Fuest, Direktor des Oxford University Centre for Business Taxation, der in seinem Vortrag mögliche Auswege aus der Staatsschuldenkrise in Europa aufzeigte. Als hervorragende Gastgeber erwiesen sich die Unternehmerverbände Niedersachsen bei der Organisation der traditionellen Abendveranstaltung. Beim festlichen Abendessen im historischen Rittersaal des Schlosses Marienburg konnten die Konferenzteilnehmer ihren Meinungsaustausch in gelöster Atmosphäre vertiefen und den Zusammenhalt der BDA-Familie weiter stärken.

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Parlamentarischer Abend 2012 Am 11. September 2012 fand der alljährliche Parlamentarische Abend von BDA, BDI und DIHK im Haus der Deutschen Wirtschaft statt. Etwa 1.000 Gäste, vor allem Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden, trafen sich zu einem intensiven Austausch in entspannter Atmosphäre. Das Grußwort sprach Bundesumweltminister Peter Altmaier. Auch Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler, Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer und Bundesverteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière waren unter den Gästen. Im Jahr 2013 findet aufgrund der Bundestagswahl kein Parlamentarischer Abend statt.

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Duale Studiengänge erfolgreich gestalten Über 60.000 Studierende sind derzeit in den mehr als 900 dualen Studiengängen der deutschen Hochschulen und Berufsakademien eingeschrieben, mehrere zehntausend Betriebe engagieren sich als Praxispartner. Keine andere Studienform erlebt einen so rasanten Ausbau, ist durch so große Vielfalt gekennzeichnet und beinhaltet vergleichbare Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft wie das duale Studium. Diese Stärken sind zugleich Herausforderungen – gerade für die Hochschulen und Unternehmen, die das duale Studium neu für sich entdeckt haben und noch in der Aufbauphase sind. Der Austausch von Erfahrungen und Modellen guter Praxis kann besonders dort positive Impulse setzen, wo duale Studienangebote erst kürzlich entwickelt oder besonders stark ausgebaut werden. Über 180 Vertreter aus Hochschulen und Wirtschaft folgten deshalb der Einladung zur Fachtagung „Duale Studiengänge erfolgreich gestalten“, die die BDA im März 2012 gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausrichtete. Die Referenten von Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien und Unternehmen präsentierten dort erfolgreiche duale Kooperationen und entwickelten mit den Teilnehmern Strategien, wie diese auf andere Fachbereiche und Kontexte übertragen werden können.

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Fachkräftesicherung durch Qualifizierung Qualifizierung ist ein wesentlicher Baustein für die Sicherung des Fachkräftebedarfs der deutschen Wirtschaft. Im Rahmen der BDA-Tagung „Fachkräftesicherung durch Qualifizierung“ am 9. Mai 2012 wurde beleuchtet, welchen Beitrag Qualifizierung schon heute zur Fachkräftesicherung leistet, welche Anforderungen sich künftig stellen, wo es gute Qualifizierungsbeispiele gibt und wo noch Defizite bestehen. Diese und weitere Fragen wurden von rd. 150 Experten aus Unternehmen, Verbänden, Bildungseinrichtungen, Politik und Wissenschaft diskutiert. BDA-Vizepräsident Dr. Braun wies in seiner Eröffnungsrede auf das große Engagement der deutschen Wirtschaft für Aus- und Weiterbildung hin. Dazu gehören insbesondere die jährlichen Investitionen von über 50 Mrd. € in die betriebliche Qualifizierung. Ein besonderer Fokus des künftigen Engagements werde vor allem auf differenzierten Angeboten sowohl für leistungsschwächere wie auch leistungsstärkere junge Menschen liegen. Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA, und Ingrid Sehrbrock, stellvertretende Vorsitzende des DGB, diskutierten lebhaft über den gegenwärtigen Stand bei der Fachkräftesicherung durch Qualifizierung. Einvernehmlich betonten sie die große Bedeutung der beruflichen Bildung. Anhand konkreter Praxisbeispiele von Unternehmen und Verbänden wurden folgende Fragen diskutiert: Wie können Jugendliche frühzeitig angesprochen und für eine Ausbildung gewonnen werden? Welche Rolle spielen dabei Social Media? Wie kann Berufsorientierung in der Schule optimiert und die Kooperation mit der Wirtschaft intensiviert werden? Wie können leistungsschwächere Jugendliche fit für die Ausbildung gemacht werden? Mit welchen Angeboten können Betriebe leistungsstärkere Jugendliche für sich gewinnen? Welches Potenzial liegt bei An- und Ungelernten und wie kann es gehoben werden? Dabei berücksichtigten die Praxisbeispiele die unterschiedlichen Rahmenbedingungen, wie z. B. die Tatsache, dass kleinen und mittelständischen Unternehmen nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Den Teilnehmern wurden dadurch vielfältige und umsetzbare Möglichkeiten aufgezeigt, mit den Herausforderungen des Fachkräftemangels umzugehen.

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Das Arbeitgeberportal ist online Modern, kommunikativ und leicht bedienbar, so präsentiert sich das neue Arbeitgeberportal für die Mitglieder und Gremienmitglieder der BDA. Seit dem Deutschen Arbeitgebertag am 16. Oktober 2012, dem offiziellen Starttermin des Portals, wurden bereits mehr als 3.000 Nutzer für das Arbeitgeberportal registriert. Informationen Das Arbeitgeberportal bietet in gut lesbarer Form Zugang zu zahlreichen Informationsquellen, wie Rundschreiben, Publikationen, Presseinformationen, Präsentationen, Tabellen, Statistiken und relevanten Datenbanken Dritter. Die BDA-Rahmenverträge sind gebündelt und für jeden Berechtigten schnell erreichbar. Auch wird – abhängig von den persönlichen Berechtigungen – Zugang zu Spezialdatenbanken gewährt.

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Interaktiv Jeder Mitgliedsverband kann seine Termine im Verbandskalender veröffentlichen und so selbst einen Beitrag dazu leisten, dass Termine nicht kollidieren. Von der Möglichkeit, freie Stellen innerhalb des Arbeitgebernetzes bekannt zu machen, wurde bereits rege Gebrauch gemacht. In den ersten vier Wochen wurden im Arbeitgeberportal bereits zwölf Stellen publiziert. Die BDA verspricht sich hiervon verbesserte Karrierechancen für die Mitarbeiter ihrer Verbände sowie eine erleichterte Stellenbesetzung für ihre Mitglieder. Individuell und mobil So individuell, wie die Interessen und Arbeitsstile der Portalnutzer sind, kann auch das Portal an die eigene Nutzung angepasst werden. Mithilfe von kleinen grafischen Hilfsprogrammen (sog. Widgets) kann die Startseite so gestaltet werden, dass die für den Nutzer wichtigen Informationen schnell bereit­stehen. Auch individuelle Suchen können hinterlegt werden. Informationen können jederzeit unterwegs mit Tablet-PC oder Smartphone abgerufen und in einem leistungsfähigen Downloadcenter übersichtlich und geordnet zwischengespeichert werden.

Aussichten In Kürze werden Anmeldungen zu BDA-Sitzungen ebenfalls über das Arbeitgeberportal erfolgen. Hierdurch erhält jeder Nutzer einen Überblick über seine BDA-Termine und den jeweiligen Status seiner Teilnahme.

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BDA-Mitgliedsverbände 52 Bundesfachverbände*

Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e. V. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe) Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie e. V. Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V. Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e. V. Arbeitgeberverband der Deutschen Lederindustrie e. V. Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V. Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrsbetriebe – Arbeitgeberverband Luftverkehr e. V. (AGVL) Arbeitgeberverband Pflege e. V. Arbeitgeberverband Postdienste e. V. Arbeitgeberverband Stahl e. V. Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß e. V. (ANG) BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. Wirtschafts- und Arbeitgeberverband Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) Bundesarbeitgeberverband Glas und Solar e. V. Bundesverband Briefdienste e. V. Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V. Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ) Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. Bundesverband Druck und Medien e. V. Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V. Bundesverband Keramische Industrie e. V. DER MITTELSTANDSVERBUND ZGV Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V. Deutscher Bühnenverein Bundesverband der Theater und Orchester Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA) DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V. Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund – Gesamtverband Steinkohle e. V. (GVSt) Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. Hauptverband der Deutschen Holzindustrie und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industrie- und Wirtschaftszweige e. V. Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V. HDS – Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie e. V. Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Telekommunikation (ArgeTel) Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV) Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH) Verband Deutscher Reeder e. V. Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ) Verein der Zuckerindustrie Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V. Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU) VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V. Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V.

* Stand: 31. Dezember 2012

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Landesvereinigungen*

UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.

Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern e. V.

Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V. Unternehmerverbände Niedersachsen e. V. Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e. V.

unternehmer nrw Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e. V.

Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW) Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.

Verband der Wirtschaft Thüringens e. V.

Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU)

Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände e. V. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Arbeitgeber Baden-Württemberg – Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e. V.

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AdC

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie e.V.

RBĂ„NDE DER BDA AdC

Arbeitgeberverband der Deutschen Lederindustrie e.V.

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AdC

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie e.V.

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie e.V.

AdC

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie e.V.

AdC AdC

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie e.V.

Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie e.V.

AdC


VERBÄNDE DER BDA BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN ENTSORGUNGS-, WASSER- UND ROHSTOFFWIRTSCHAFT E.V. WIRTSCHAFTS- UND ARBEITGEBERVERBAND

Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden

Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V.

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BDA-Präsidium** Präsident

Prof. Randolf Rodenstock Präsident Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft Geschäftsführender Gesellschafter Optische Werke G. Rodenstock GmbH & Co. KG

Elke Strathmann Vorstandsmitglied der Continental AG

Dr. h. c. Eggert Voscherau Präsident Bundesarbeitgeberverband Chemie Aufsichtsratsvorsitzender BASF SE

Prof. Dr. Dieter Hundt Präsident Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Aufsichtsratsvorsitzender Allgaier Werke GmbH

Ehrenpräsident

Prof. Dr. Klaus Murmann Ehrenpräsident Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vorm. Vorstandsvorsitzender SauerDanfoss Inc.

Präsidiumsmitglieder

Dr. Frank Appel Vorstand Arbeitgeberverband Postdienste Vorstandsvorsitzender Deutsche Post AG

Werner M. Bahlsen Präsident Unternehmerverbände Niedersachsen Vorsitzender der Geschäftsführung Bahlsen GmbH & Co. KG

Dr. Bernhard Beck Vorsitzender Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirt­schaftlicher Unternehmungen Vorstandsmitglied EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Hans-Dieter Bremer Präsident Vereinigung der Unternehmens­ verbände für Mecklenburg-Vorpommern Geschäftsführer Beton-Service GmbH

Vizepräsidenten

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Dr. h. c. Josef Beutelmann Vorsitzender Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland Vorsitzender der Vorstände Barmenia Versicherungen Dr. Gerhard F. Braun Präsident Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz Geschäftsführender Gesellschafter Karl Otto Braun GmbH & Co. KG Dr. Rainer V. Dulger Präsident GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie Geschäftsführender Gesellschafter ProMinent Dosiertechnik GmbH

Otto Kentzler Präsident Zentralverband des Deutschen Handwerks Geschäftsführender Gesellschafter Kentzler GmbH & Co. KG

Wolfgang Brinkmann Vizepräsident Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie Geschäftsführender Gesellschafter bugatti GmbH

Ingo Kramer Präsident Die Unternehmensverbände im Lande Bremen Geschäftsführender Gesellschafter Firmengruppe J. Heinr. Kramer

Milagros Caiña-Andree Vorstandsmitglied BMW AG

Dr. Jürgen Deilmann Ehrenmitglied im Präsidium Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Gesellschafter Deilmann Montan GmbH

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Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann Vizepräsident UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein Geschäftsführender Gesellschafter Peter Kölln KGaA

Dr. Fritz-Heinz Himmelreich vorm. Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Ingrid Hofmann Vizepräsidentin Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister Geschäftsführende Gesellschafterin I.K. Hofmann GmbH

Brigitte Ederer Vorstandsmitglied Siemens AG

Martin Empl Präsident Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände

Burkhard Ischler Präsident Vereinigung der Unternehmens­ verbände in Berlin und Brandenburg Leiter Berliner Büro der Leitung Siemens AG

Brigitte Faust Präsidentin Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß HR Director Employee & Industrial Relations Coca-Cola Erfrischungsgetränke AG

Dr. Eckart John von Freyend Präsident Institut der deutschen Wirtschaft Köln Aufsichtsratsvorsitzender GSW Immobilien AG

Arndt G. Kirchhoff Vorsitzender der Geschäftsführung Kirchhoff Automotive GmbH

Helmut F. Koch Vorsitzender Arbeitgeberverband Stahl Aufsichtsratsmitglied Mannesmann­r­öhrenWerke GmbH

Dr. Walter Koch Ehrenmitglied im Präsidium Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Gesellschafter Dillinger Fabrik gelochter Bleche GmbH

Stefan H. Lauer Präsident Arbeitgeberverband Luftverkehr Vorsitzender Sozialpolitische Arbeits­ gemeinschaft Verkehr Vorstandsmitglied Deutsche Lufthansa AG

Horst-Werner Maier-Hunke Präsident unternehmer nrw Landes­ vereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen Geschäftsführer DURABLE Hunke & Jochheim GmbH & Co. KG

Bodo Finger Präsident Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft Geschäftsführender Gesellschafter Chemnitzer Zahnradfabrik GmbH & Co. KG Heide Franken Vorstandssprecherin Walter-Raymond-Stiftung Geschäftsführerin Randstad Deutschland GmbH & Co. KG Wolfgang Goebel Präsident Bundesverband der Systemgastronomie Vorstandsmitglied McDonaldʼs Deutschland Inc. Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Dr. Rüdiger Grube Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG

Helmut Heinen Präsident Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Geschäftsführer Heinen-Verlag GmbH

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Dr. Wilhelm von Moers Vizepräsident Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen Geschäftsführer Handelshof Management GmbH Dr. Arend Oetker Geschäftsführender Gesellschafter Dr. Arend Oetker Holding GmbH & Co. KG

Margret Suckale Vorstandsmitglied BASF SE

Bernd Tönjes Präsident Gesamtverband Steinkohle Vorstandsvorsitzender RAG Aktiengesellschaft

Uli Wachholtz Präsident UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein Geschäftsführer Karl Wachholtz Verlag GmbH & Co. KG

Prof. Dieter Weidemann Präsident Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände

Wilfried Porth Vorstandsmitglied Daimler AG Vorstandsvorsitzender Hanns Martin Schleyer-Stiftung

Dr. Wolfgang Pütz Vizepräsident Bundesverband Druck und Medien Geschäftsführender Gesellschafter J.F. Ziegler KG

Josef Sanktjohanser Präsident Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel PETZ REWE GmbH

Prof. Dr. Marion Schick Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG

Andreas Schmieg Vizepräsident Hauptverband der Deutschen Bauindustrie Vorstandsvorsitzender TORKRET AG

Jürgen Schulte-Laggenbeck Vizepräsident Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel Vorstandsmitglied Otto (GmbH & Co. KG)

Ulrich Sieber Vorsitzender Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes Vorstandsmitglied Commerzbank AG

Dr. Heinrich Spies Präsident Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung Geschäftsführender Gesellschafter May + Spies GmbH

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BDA-Vorstand**

Vorsitzende der Ausschüsse**

Gemeinsames Präsidium von BDA und BDI**

Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören folgende Damen und Herren dem Vorstand an:

Dr. Gerhard F. Braun BDA/BDI-Fachausschuss Bildung | Berufliche Bildung

Alternierende Vorsitzende

Prof. Thomas Bauer Michael Behrendt Oswald Bubel Ulrich Alfred Büchner Frank Dupré Volker Enkerts Ernst Fischer August Forster Rainer Göhner Thomas Greiner Klemens Gutmann Jörg Hagmaier Dr. Wolfgang Heer Wilfried Hollmann Olaf Junge Franz-Bernd Köster Ulrich Köster Thomas Kretschmann Peter Kurth Dr. Johannes F. Lambertz Dr. Walther Otremba Dr. Christoph E. Palmer Eberhard Potempa Jürgen Schitthelm Karl-Heinz Schneider Birgit Schwarze Dietmar Schweizer Johannes Schwörer Norbert Steiner Dr. Sven Vogt Ulrich Weber Dietmar Welslau Michael Wenzel Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia

Hans-Dieter Bremer Ausschuss Arbeitssicherheit Prof. Dr. Michael Heise Ausschuss für Volkswirtschaft­ liche Fragen

Weitere Mitglieder des Präsidiums

Klaus Hofer Ausschuss Betriebliche Altersvorsorge

Ingrid Hofmann Ausschuss Betriebliche Personalpolitik

Michael Klein Ausschuss Arbeitsmarktfragen

Stefan H. Lauer Ausschuss Arbeitsrecht

Dr. Wolfgang Pütz Ausschuss Lohn- und Tarifpolitik

Prof. Dr. Dieter Hundt Ulrich Grillo

Prof. Thomas Bauer Dr. h. c. Josef Beutelmann Dr. Gerhard F. Braun Dr. Rainer V. Dulger Dr. Heinrich Hiesinger Prof. Dr. Hans Peter Keitel Prof. Dieter Kempf Otto Kentzler Dr. Karl-Ludwig Kley Ingo Kramer Dr. Thomas Lindner Friedhelm Loh Ingeborg Neumann Prof. Randolf Rodenstock Elke Strathmann Dr. h. c. Eggert Voscherau Matthias Wissmann

Prof. Randolf Rodenstock Haushaltsausschuss

Prof. Randolf Rodenstock Ausschuss Soziale Sicherung Margret Suckale Ausschuss Sozialpolitik in der EU

** Stand: 1. Januar 2013

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In memoriam Sie waren der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in langjähriger Mitarbeit verbunden und hatten wesentlichen Anteil an der Gestaltung unternehmerischer Sozialpolitik. Wir gedenken ihrer.

Dr. Horst Kohl

Ehemaliger Hauptgeschäftsführer Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung 6. Februar 2012

Assessor Rolf Weber

Ehemaliger Abteilungsleiter und Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 15. Februar 2012

Rechtsanwalt Klemens Diezemann

Ehemaliger Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands in Nordhessen Ehemaliger Geschäftsführer Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen der Bezirksgruppe Nordhessen Ehemaliger Geschäftsführer Unternehmerverband Nordhessen 7. März 2012

Dr. Karl-Heinz Hamprecht

Ehemaliger stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände 19. März 2012

Dr. Burkhard Wellmann

Ehemaliger stellvertretender Leiter der Abteilung Verbandsorganisation der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Chefredakteur des „arbeitgeber“ Ehemaliger Geschäftsführer der Walter-Raymond-Stiftung 27. Mai 2012

Dr. Wolfgang de Haan

Ehemaliger Hauptgeschäftsführer der Bürogemeinschaft Schleswig-Holsteinischer Unternehmensverbände 26. Juni 2012

Petra Ledendecker

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Ehemalige Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen Ehemaliges Gastmitglied im Vorstand der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 12. Juli 2012

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Rechtsanwalt Herfried Heisler

Ehemaliger Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände Ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Verbands der Metallindustrie Baden-Württemberg 17. Juli 2012

Senator Hans-Otto Reppekus

Ehemaliger Präsident des Bundesverbands Druck und Medien 31. Juli 2012

Dr. Heinz-Gerhard Weiss

Ehemaliger Geschäftsführer Arbeitgeberverbände Wuppertal Ehemaliger Geschäftsführer Landesverband UVP Nordrhein 2. August 2012

Prof. Dr. Harald B. Giesel

Ehemaliges geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Hauptgeschäftsführer des damaligen Gesamtverbands des deutschen Steinkohlebergbaus 28. Oktober 2012

Dr. Egon Heider

Ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands 10. November 2012

Kommerzialrat Prof. Dr. Anton Kathrein

Ehemaliger Vizepräsident des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) Ehemaliger Vizepräsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft Ehemaliger Vorsitzender der Landesstelle Bayern des ZVEI Ehemaliger Vizepräsident der IHK für München und Oberbayern 13. November 2012

Bergassessor a. D. Karl-Heinrich Jakob

Ehemaliges geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Hauptgeschäftsführer des damaligen Gesamtverbands des deutschen Steinkohlebergbaus 30. November 2012

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organigramm

Präsident Prof. Dr. Dieter Hundt sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau t -1004 f -1005

Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Göhner

Mitglied der Hauptgeschäftsführung Alexander Gunkel*

sekretariat Isabel Kenngott t -1008 f -1015

sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau Marina Reikowski t -1007/1006 f -1005

hgf.mail@arbeitgeber.de

hgf.mail@arbeitgeber.de

Verwaltung und Verbandsorganisation

Soziale Sicherung

Volkswirtschaft | Finanzen | Steuern Walter-RaymondStiftung

Arbeits- und Tarifrecht

Lohn- und Tarifpolitik

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

sekretariat

sekretariat

sekretariat

sekretariat

sekretariat

organisation@arbeitgeber.de

soziale.sicherung@arbeitgeber.de

volkswirtschaft@arbeitgeber.de

arbeitsrecht@arbeitgeber.de

tarifpolitik@arbeitgeber.de

Beauftragte für Qualitätssicherung Katrin Altmann

referenten (m/w)

referenten (m/w)

referenten (m/w)

referenten (m/w)

Arbeitswissenschaft

organisation Kornelia Wendt

redaktion sAe Barbara Braun

tarifarchiv Astrid Bohn Michaela Grebasch

sekretariat

Institut für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung

Ulrich Hüttenbach* Martin Pulm

Janet Wiecker t -1100 f -1105

Adressverwaltung Hanka Köppen Manuel Schiller

Einkauf und Services

Sven Kochanowski einkauf.mail@arbeitgeber.de

Dr. Volker Hansen Saskia Osing

Ingrid Schramm Heike Bozan t -1600 f -1605

Dr. Martin Kröger Dominik Naumann Anne Scholz Florian Swyter

Norbert Breutmann

Dr. Oliver Perschau

Cornelia Hentschel t -1950 f -1955

Elisaveta Gomann Benjamin Koller* Dr. Hans-Jürgen Völz

Bibliothek Anke Beyer-Stamm service Frank Halup Astrid Leu

Finanzen

Martin Pulm Gudrun Häntsch Sirpa Ohm Viola Rieche finanzen.mail@arbeitgeber.de

Informations- und Kommunikationstechnik Martin Brüning Thomas Hyrbaczek Christian Seipp Hans-Jürgen Tunze iuk.mail@arbeitgeber.de

Personal

Astrid Zippel Katrin Rennicke personal.mail@arbeitgeber.de

Carola Wünsche t -1604 f -1605 soziale.sicherung@arbeitgeber.de

ottheinrich freiherr von Weitershausen

sekretariat

Ellen Dumschat t -1954 f -1955 info@iswa-online.de

Roland Wolf Thomas Prinz

Manuela Hahn Marion Hirte Beate Murtezani Simone Scharf t -1200 f -1205

Eva Barlage-Melber David Beitz Nora Braun Martin Eckstein Kristina Huke

Ottheinrich Freiherr von Weitershausen

Marina Fahrentholtz Katrin Franz t -1300 f -1305

Andre Müller Dr. Mandy Reichel Natalia Stolz


t +49 30 2033-0 f +49 30 2033-2105 bda@arbeitgeber.de www.arbeitgeber.de Stand: 1. Januar 2013 * Qualitätsmanagementkoordinator

Mitglied der Hauptgeschäftsführung Peter Clever

sekretariat Manuela Poniwaß t -1009 f -1015 hgf.mail@arbeitgeber.de

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Planung | Koordination | Grundsatzfragen

Arbeitsmarkt

Bildung | Berufliche Bildung

Europäische Union und Internationale Sozialpolitik

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

sekretariat

sekretariat

sekretariat

sekretariat

sekretariat

presse@arbeitgeber.de

grundsatz@arbeitgeber.de

arbeitsmarkt@arbeitgeber.de

bildung@arbeitgeber.de

europa@arbeitgeber.de

referenten (m/w)

referenten (m/w)

referenten (m/w)

referenten (m/w)

referenten (m/w)

internet Andreas Timm

Büro des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers

Betriebliche Personalpolitik

sekretariat

sekretariat

Doreen Mertens t -1410 f -1405

organisation Astrid Schwarz t +32 2 792 10 50 f +32 2 792 10 55

bph.mail@arbeitgeber.de

arbeitsmarkt@arbeitgeber.de

bruessel@arbeitgeber.de

Dr. Viktor Otto Jörg Swane

Claudia Jungkowski Sabine Block t -1800 f -1805

Arne Franke Christian Hübenthal Franziska Caroline Lerch

Kristian Schalter

Kati Hildebrandt t -1070 f -1075

Nora Fasse Roland Hans Müller-Grundschok Elisa Rudolph

Kristian Schalter Denis Suarsana

Sabrina Paul t -1020 f -1025

Christina Ramb Alexander Wilhelm

Andrea Unger Marion Blumauer t -1400 f -1405

Torsten Petrak Dr. Anna Robra Jupp Zenzen

Dr. Alexander Böhne Jana Schimke

Dr. Barbara Dorn Dr. Donate Kluxen-Pyta Dr. Irene Seling Katja Rasch Allmuth Rudolf Sevim Ünal t -1500 f -1505

Dr. Lena Behmenburg Henning Dettleff Frauke Klein Yvonne Kohlmann Frank Umberg

Renate Hornung-Draus Antje Gerstein

Bianca Voyé Maria Scheibner Janine Spolaczyk t -1900 f -1905

Christina Breit Max Conzemius Paul Noll Stefan Sträßer

BDI/BDA The German Business Representation Antje Gerstein Anton Bauch Brigitte De Vita Katrin Sturm


BDA | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Mitglied von BUSINESSEUROPE Hausadresse: Breite Straße 29 | 10178 Berlin Briefadresse: 11054 Berlin T +49 30 2033-1070 F +49 30 2033-1075 grundsatz@arbeitgeber.de www.arbeitgeber.de Redaktionsschluss: 18. Dezember 2012 Fotografie: Thomas Köhler, Thomas Imo | www.photothek.net Christian Kruppa | www.christiankruppa.de Franz Fender | www.franzfender.de Stephan Boehme | www.gda-kommunikation.de Ingo Bartussek, Christian Schwier, Franz Pfluegl, ­thomaslerchphoto, GaToR-GFX, moonrun | Fotolia.com adisa | istockphoto.com




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